Griechisches Etymologisches Wörterbuch


Griechisches Etymologisches Wörterbuch von Hjalmar Frisk, Heidelberg, 1954-1972.

Band I, pp. I-XXX, 1-938 [α-κο] (1960).
Band II, pp. 1-1154 [κρ-ω] (1970).
Band III, pp. 1-312 [Nachträge, Wortregister, Corrigenda] (1972).

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ἀ- verneinendes (privatives) Präfix (α στερητικόν); daneben, ursprünglich nur antevokalisch, ἀν-. — Durch Wegfall anlautender Konsonanten (ϝ-, σ-) ist die ursprüngliche Verteilung gestört worden: ἄισος (< *ἀ-ϝισος) neben neugebildetem ἄνισος hat Formen wie ἄ-οζος neben ursprünglichem ἄν-οζος (: Ast) hervorgerufen. ἀ(ν)- war im Griechischen wie in den übrigen idg. Sprachen anfänglich nur in Verbaladjektiven und Bahuvrihibildungen zu Hause. Frisk Adj. priv. 4ff., 44ff., Subst. priv. 8ff., Wackernagel Syntax 2, 284ff., 1, 282f., Puhvel Lang. 29, 14ff. — Über pleonastisches ἀ(ν)- s. zu ἀβέλτερος. Gr. ἀ(ν)- findet sich in den meisten idg. Sprachen wieder, z. B. aind. a(n)-, lat. in-, germ., z. B. got. un-, idg. *-. Damit ablautend die Satznegation *nĕ in lat. ne-scio, ne-fas usw., gr. viell. νέποδες (s. d.) und νηλεής (s. ἔλεος). Mehrere Bildungen können altererbt sein, wie ἄν-υδρ-ος = aind. an-udr--, ἄγνωτος = aind. ájñāta-, lat. ignōtus. — Seltene Nebenformen von ἀν- sind ν- (ν-ήνεμος, ν-ωδός, vgl. νηλεής oben) und ἀνα-, s. Schwyzer 431f. Fragliche Ablautspekulationen bei Gray Language 1, 119ff.; dazu Nehring Glotta 16, 248. I-1

ἁ- kopulatives Präfix (α ἁθροιστικόν); durch Hauchdissimilation und Psilose auch ἀ-, das analogisch weiterwuchern konnte: ἅπαξ, ἁπλοῦς; ἄλοχος, ἀδελφός; ἄπεδος ‘eben’, ἄβιος ‘reich’. — Identisch mit aind. sa- (sá-nāman- ‘mit demselben Namen, gleichnamig’), lat. sem-, sim- (sim-plex), idg. *sm̥-, schwache Ablautform von *sem in aind. sám ‘zusammen’, lat. sem-el usw., s. εἷς; vgl. auch ὁμός, ἅμα. — Aus der Bedeutung ‘zusammen, mit etw. versehen’ erwuchs wahrscheinlich das sog. α ἐπιτατικόν (intensivum), z. B. ἄ-εδνον· πολύφερνον Hes., vgl. s. v. ἐν. Das Präfix ἀ- ist nicht immer vom prothetischen ἀ- oder von ἀ- in zweisilbigen Wurzeln zu trennen (vgl. ἀμέλγω, ἀνήρ, ἄημι). Schwyzer 433 und 411f., außerdem noch Sturtevant Language 15, 148ff. (zweifelhaft). I-1

ἀ- in kleinasiatischen Namen, z. B. Ἄθυμβρα: Θύμβρα. — Kretschmer ist geneigt, nach dem Vorgang Forrers darin ein (chattisches?) Artikel-Präfix zu sehen; Glotta 21, 86ff., 22, 108 A. 3, 24, 218f., 32, 182f., 200ff. — Über eine ähnliche Erscheinung im Illyrischen (’Απενέσται: Penestae usw.) Krahe IF 57, 126f. I-1

ἆ Interjektion (seit Il.), — elementare Bildung, vgl. Loewe KZ 54, 103ff., Björck Alpha impurum 152. Davon ἄζω ‘seufzen, stöhnen’. Schwyzer 716. I-1

ἀάατος ep. Wort unsicherer Bedeutung: νῠν μοι ὄμοσσον ἀ. Στυγὸς ὕδωρ Ξ 271 (‘unverletzlich’?), ἄεθλος ἀ. φ 91, χ 5 (‘untrüglich’?), κάρτος ἀ. A. R. 2, 77 (‘unüberwindlich’?). — Schon wegen der unklaren Bed. ist die Herkunft nicht sicher zu ermitteln. Gewöhnlich zu ἄτη gezogen; s. d. und ἀάω. Vgl. ἀάβακτοι· ἀβλαβεῖς H.? I-2

ἄαδα · ἔνδεια. Λάκωνες H. s. ἅδην. — ἀαδεῖν· ἀπορεῖσθαι, ἀσιτεῖν H. s. ἅδην; — im Sinn von ὀχλεῖν, λυπεῖσθαι, ἀδικεῖν s. ἁνδάνω, ἡδύς. I-2

ἀάζω ‘mit offenem Munde ausatmen’ (Arist.), davon ἀασμός (Arist.). — Wohl onomatopoetisch (Schwyzer Mélanges Pedersen 73 A. 2). Anders Solmsen Unt. 284 (zu ἄημι). Vgl. ἄζω aus ἆ. I-2

ἀάνθα · εἶδος ἐνωτίου παρὰΑλκμᾶνι ὡςΑριστοφάνης H. — Nach Schulze Q. 38 als *αὐσανθα zu οὖς, was vor allem wegen der unklaren Bildung (vgl. οἰνάνθη; oder zu ἄνθος?? Chantraine Formation 369) sehr zweifelhaft ist. Vgl. auch Bechtel Dial. 2, 366. I-2

ἄαπτος in der epischen Formel χεῖρες ἄαπτοι, χεῖρας ἀάπτους (Hom., Hes.), danach κῆτος ἄ. Opp. — Nach den Scholien zu Α 567 und nach Eustathios soll Aristophanes ἀέπτους gelesen haben, das E. entweder mit εἰπεῖν oder mit ἕπεσθαι verbinden will. Bechtel Lex. s. v., der wie Wackernagel BB 4, 283f. ἄεπτος als die ursprüngliche Lesart ansieht, deutet χ. ἀ. als ‘Hände, deren Größe man nicht aussprechen kann’; wenig überzeugend. Vgl. ἄεπτος, ἀπτοεπής. I-2

ἄατος kontr. ἆτος ‘unersättlich’ — aus *ἄ-σᾰ-τος ep. neg. Verbaladjektiv zu ἄ-μεναι ‘sättigen’, s. ἅδην und ἆσαι. Vgl. ἄητος. I-2

ἀάω ‘schaden, verletzen’, Med. ‘in Verblendung handeln’, fast ausschließlich episch; außer ἀᾶται (Τ 91 = 129) nur Aoristformen ἄασα, -άμην, kontr. ἆσα, ἀάσθην. Primäres Verb, Aor. *ἀϝᾰ́-σαι mit themat. Präsens *ἀϝᾰ́-εται > ἀᾶται, dazu noch die σκ-Bildung ἀάσκει· φθείρει, βλάπτει H., κατέβασκε· κατέβλαψεν H. Verbalnomina: ἀϝᾰ́-τη (Alk. αὐάτα) > ἄτη ‘Schaden, Schuld, Verblendung’, s. d.; ἄασις in ἀασι-φόρος· βλάβην φέρων H. Vgl. noch ἀεσίφρων und Bechtel Lex. s. v. — Unerklärt. Hypothesen bei Bq s. ἄτη und WP. 1, 211. Vgl. γατάλαι. I-2

ἄβα · τροχὸς ἢ βοή H. — Im letzteren Sinn nach Specht KZ 59, 120f. zum hom. Ipf. αὖε ‘rief’. Specht zieht ferner heran ἀβήρει· ᾄδει und ἀβέσσει· ἐπιποθεῖ, θορυβεῖ H., außerdem noch ἀβώρ (ἄβωρ cod.) im Sinn von βοή. Sehr hypothetisch. Vgl. αὐδή, ἀείδω. I-2

ἄβαγνα · ῥόδα Μακεδόνες H. — Dunkel. Gehört hierher phryg. Ἄγνις, Ὕαγνις = ϝάγνις (N. eines phryg. Athleten)? Kretschmer Glotta 3, 156f., Pisani Rev. int. ét. balk. 3, 1 (5) 25 A. 3 (mit Lit.). I-2

ἀβακής nur Akk. sg. (äol.) ἀβάκην φρένα (Sapph.) ‘ἡσύχιον καὶ πρᾷον’ (EM). Davon ἀβάκησαν δ 249 ‘ἡσύχασαν’ (?) und ἀβακιζόμενος Anakr. Vom Nomen oder vom Verbum geht aus ἀβακήμων· ἄλαλος, ἀσύνετος H., vgl. Schwyzer 522 : 2, Chantraine Formation 173. — Wegen der nicht genau festzustellenden Bedeutung bleibt die Etymologie unsicher. Falls eigentlich = ‘ἄλαλος, stumm’ empfiehlt sich die alte Herleitung aus βάζω (βέβακται, βάξις). Die Anknüpfung an βάκτρον, βέβηκα, βάκται· ἰσχυροί H. (Walker Cl. Rev. 5, 448, Bechtel Lex. 3f. mit weiterer Lit.) wird von WP. 2, 104f. mit Recht in Zweifel gezogen. I-3

ἀβάντασιν · ἀνάβασιν H. — Aus *ἀμβάντασιν dissimiliert nach v. Blumenthal Hesychst. 2; kaum überzeugend. Schmidt ändert in ἀβάντεσσιν· ἀναβᾶσιν. I-3

ἄβαξ, -κος m. ‘Brett (zum Rechnen, Zeichnen, Spielen), Tafel’ (Kratin., Arist. usw.). Dem. ἀβάκιον (Lys. usw.), ἀβακίσκος. — Herkunft unbekannt. — Die Herleitung aus hebr. ’ābāq ‘Staub’ (s. Lewy Fremdw. 173) über ‘*mit Staub bestreute Zeichentafel’ ist semantisch willkürlich. Lat. LW abacus. I-3

ἀβαριστάν · γυναικιζομένην, καθαιρομένην καταμηνίοις. Κύπριοι H. — Unwahrscheinliche Hypothese von Schrijnen BSL 32, 57. I-3

ἀβαρύ · ὀρίγανον <τὸ ἐν> Μακεδονίᾳ H. — Vielleicht mit ἀμάρακον irgendwie zusammenhängend; s. d. W. mit Lit. I-3

ἄβεις · ἔχεις H. — Nach Bonfante RIGI 19, 167f. illyrisch mit β aus idg. gh wie in νίβα· χιόνα. Krahe IF 58, 133 erwägt daneben Lautsubstitution von gr. φ durch illyr. b. I-3

ἀβέλτερος, woraus ἀβελτερία, ἀβελτερεύομαι, att. Wort, ‘einfältig, dumm’. — Wahrscheinlich mit pleonastischem Privativpräfix für βέλτερος ursprünglich ‘sittlich gut’, dann herabsetzend ‘gutmütig, schlicht, einfältig’, Wackernagel GGN 1902, 745ff.; vgl. Fraenkel Glotta 20, 94. Kaum mit Benfey Wurzellex. 1, 321, Osthoff IF 6, 6f., Seiler Steigerungsformen 93 als Bahuvrihi ‘ohne das Bessere’. Wieder anders Osthoff MU 6, 177, Hatzidakis Glotta 11, 175f. I-3

ἀβήρ · οἴκημα στοὰς ἔχον, ταμεῖον. Λάκωνες H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 2f. illyrisch (zu idg. bher- ‘tragen’), was von Kretschmer Glotta 20, 249 mit Recht abgelehnt wird. Wohl einfach mit ἀ(ϝ)ήρ ‘Luft’ identisch, vgl. schwed. vind 1. ‘Wind’ 2. ‘Boden’, Frisk Eranos 32, 54. I-3

ἄβιν · ἐλάτην, οἱ δὲ πεύκην H. — Zu lat. abies, s. W.-Hofmann. Nach Mayer KZ 66, 96f. aus idg. *ab- ‘Baum’, das in einer Reihe illyrischer und skythischer (iranischer) Namen wie Ἄβαι, Ἄβροι, ’Αβική = ‘Υλαία (St. Byz.) erhalten sein soll. I-3

ἀβλαδέως · ἡδέως H. — Wohl mit Vokalvorschlag zu βλαδύς und weiterhin zu ἀμαλδύνω, μέλδομαι. Näheres bei Winter Prothet. Vokal 31f. I-3

ἀβληχρός ‘schwach’, bei Homer immer im Versanfang, später auch im Versinnern (A. R. 2, 205), vereinzelt auch in der Prosa. Bei Nik. Th. 885 ἀβληχρής. — Sonst βληχρός, s. d. Das anlautende ("prothetische") ἀ- ist dunkel, vgl. Wackernagel Glotta 2, 1ff., Winter Prothet. Vokal 31. — Leumann Hom. Wörter 55, 340 betrachtet ἀβληχρός als die ursprüngliche Form, woraus βληχρός durch Verschiebung der Wortfuge entstanden wäre. I-4

ἀβλοπές · ἀβλαβές. Κρῆτες H. Dazu in kret. Inschr. ἀβλοπια (Vaxos) und καταβλαπεσθαι (Gortyn). — Zu βλάπτω, βλάβη, s. d. Das Schwanken von π ~ β ist wegen der unsicheren Etymologie nicht sicher zu deuten, vgl. Fraenkel Glotta 2, 36f. Abzulehnen v. Blumenthal Hesychst. 25. I-4

ἀβολεῖς · περιβολαὶ ὑπὸ Σικελῶν H. — Wohl zu ἀβόλλης (s. d.) durch Volksetymologie. Unwahrscheinlich v. Blumenthal Hesychst. 2: aus *ἀμφιβολεῖς mit Silbendissimilation, Assimilation und Vereinfachung der Doppelkonsonanz. I-4

ἀβολέω hellen. Epik (A. R., Kall.) = ἀντιβολέω. ἀβολῆσαι · ἀπαντῆσαι H. Davon ἀβολητύς ‘Begegnung’, -ήτωρ ‘der begegnet’ (Antim.). — Prellwitz Glotta 19, 126 vergleicht ἤβολον ἦμαρ· καθὅ ἀπαντῶσιν εἰς ταὐτόν, ἢ εὔκαιρον, ἱερόν H., das nach ihm ein Präfix ἠ- < idg. - enthalten soll. Wie ἀ- in ἀβολέω zu erklären ist, erfährt man nicht (nach Schwyzer 433 copulativum). I-4

ἀβόλλης ‘Art Mantel’ (Kaiserzeit). — Wird allgemein und wohl richtig als LW aus lat. abolla (seit Varro) erklärt, s. W.-Hofmann s. v. Gegen diese Annahme könnte allerdings die maskuline Form von ἀβόλλης sprechen, die aus dem fem. abolla nicht ohne weiteres verständlich ist, während gr. Maskulina auf -ης im Lat. in Feminina auf -a übergehen, Wackernagel Syntax 2, 44. Jedenfalls wohl urspr. sizilisch; vgl. ἀβολεῖς. I-4

ἀβριστήν · μαστιγίαν H. — Winter Prothet. Vokal 31 erwägt Anschluß an μήρινθος, μέρμις ‘Seil’ usw., was sowohl wegen der unerklärten Bildungsweise wie wegen der Bedeutung zweifelhaft scheint. I-4

ἁβρός ‘zart, weichlich’ alt, vorw. poetisch. Fem. ἅβρα ‘Lieblingszofe’ hell. u. spät (nach Lewy Fremdw. 68 u. anderen aus aram. ḥabrā ‘Genossin’). Abl.: ἁβρότης, ἁβροσύνη; denom. ἁβρύνομαι, -ω ‘weichlich leben, großtun, sich brüsten’, bzw. ‘weichlich behandeln’. — Von L. Meyer 1, 614, Debrunner GGA 1910, 9, Schwyzer 481 zu ἥβη (eig. ‘in Jugendkraft strotzend’) gezogen. Hypothetisch. I-4

ἀβροτάζω ‘jn. verfehlen’ nur Konj. Aor. ἀβροτάξομεν Κ 65. Abl. ἀβρόταξις H., Eust. — Vielleicht nur metrisch bedingte Umbildung von *ἀβροτῶμεν (Schwyzer Mél. Pedersen 70). S. ἁμαρτάνω. Zu -βρ- für -μβρ- s. Schwyzer 277. I-5

ἀβρότονον (ἁ-) (Thphr., Nik. usw.). n. ‘Stabwurz’ — Herkunft unbekannt; wohl (volksetymologisch umgeformtes) LW. Abzulehnen Hoffmann Die Makedonen 40f. m. A. 7. I-5

ἀβρυτοί · ἐχίνων θαλασσίων εἶδος H. Daneben ἄμβρυττοι· εἶδος ἐχίνων θαλασσίων und die kürzeren Formen βρύττος (Ar.) und βρύσσος (Arist.). — Kühne Vermutungen bei Winter Prothet. Vokal 30: zu μορμύρος N. eines Meerfisches und fernerhin zu βρύχιος ‘tief’ (?). I-5

ἀβυδόν · βαθύ H. — v. Blumenthal IF 49, 175 erwägt illyrische Herkunft (= ‘grundlos’, zu βυθός). I-5

ἀβυρτάκη f. N. einer Sauce, ‘ὑπότριμμα βαρβαρικόν’ (Kom.). — Herk. unbekannt. I-5

ἀγα- verstärkendes Präfix, vorwiegend in älterer Sprache, z. B. ἀγα-κλεής ‘mit großem Ruhm’. — Zur Funktion stimmt völlig das lautlich anklingende aw. aš-, z. B. aš-aoǰah- ‘mit großer Stärke’. Schwyzer KZ 58, 184 erwägt, -α nur als "phonetische Stütze" zu betrachten. Gewöhnlich wird ἀγα- mit μέγα verbunden; die dabei vorauszusetzende Grundform idg. *m̥ĝ(a)- ist wenig erfreulich. Mit ἀγα- verwandt ist ἄγᾱν ‘zu sehr’, viell. Akk. eines verschollenen Nomens; zum unklaren -ᾱ- s. zuletzt Björck Alpha impurum 44f. Davon ἀγάζειν in μηδὲν ἀγάζειν A. Supp. 1061 (: μηδὲν ἄγαν). — Ob ἄγαμαι ‘sich wundern’, auch ‘beneiden, entrüstet sein’ zu ἄγα- gehört, ist etw. unsicher. Es sieht jedenfalls aus wie ein primäres Verb auf zweisilbiger Wurzel, vgl. Schwyzer 680. Thematische Umbildung in ἀγάομαι (Hes., Alkm.), daneben ἀγαίομαι (ep. ion., Neubildung nach ἔνασσα : ναίω usw., Risch 284), ἀγάζομαι (Pind.). Aor. ἀγάσ(σ)ασθαι usw. Nominale Ableitungen: ἄγη ‘Verwunderung, Neid’ (Hom. usw.), ἀγάσματα (S. Fr. 885, vgl. Nauck z. St.), ἄγασ(σ)ις H., EM. — Vgl. ἀγάλλομαι, ἀγανακτέω, ἀγαυός. I-5

ἀγαθίς, -ίδος f. ‘Knäuel’, selten (Pherekyd. u. a.). — Etym. unbekannt. Hypothetisch Grošelj Živa Ant. 2, 65. Ältere Lit. bei Bq. Vgl. unter ἀγαθός. I-5

ἀγαθός ‘gut, tüchtig, trefflich’ im weitesten Sinn von Personen und Sachen, allgemein seit Hom. — Unerklärt. Seit Legerlotz KZ 8, 416 (zuletzt Bartoli Arch. glottol. it. 32, 97ff.) vergleicht man oft die germ. Sippe got. goþs, nhd. gut, mnd. gaden ‘passen’ usw., ferner (Bezzenberger BB 13, 243) aksl. godъ ‘(rechte) Zeit’, goditi ‘gefallen’ und — in der Annahme einer ursprünglichen Bed. ‘umklammern, festhalten’ — aind. gádhya- ‘was festzuhalten ist’ usw. (wozu ferner auch ἀγαθίς ‘Knäuel’ aus *sm̥-ghadhi-); alles höchst unsicher. — Eine Grundform *ghadh- hätte eigentlich zu ἀ-καθός führen müssen, einer Form die tatsächlich in ἀκαθόν· ἀγαθόν H. vorliegt. Das -γ- wäre nach Güntert BphW 37, 263 sekundär nach ἀγα- eingetreten. Nach Specht Ursprung 256 und Havers Sprachtabu 56 ist die ten. aspirata θ durch Gefühlsbetonung verursacht (?). Weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 531ff., 834. S. auch χάσιος. Von ἀγαθός werden in älterer Zeit keine Ableitungen gebildet. Erst seit dem Hellenismus (namentlich in der Septuaginta) erscheinen ἀγαθότης, ἀγαθωσύνη; ἀγαθόω mit ἀγάθωμα, ἀγαθύνω mit ἀγάθυνσις (früher dafür ἀρετή, ἀνδρεία usw.). Auch die Zusammensetzungen sind fast ausnahmslos spät (früher und allg. εὐ-). I-5-6

ἀγάλλομαι ‘stolz sein, sich freuen’ (seit Hom.), daneben ἀγάλλω ‘verherrlichen’ (Pi. usw.). Abl. ἄγαλμα eig. ‘πᾶν ἐφᾧ τις ἀγάλλεται’ (Schol. Ar. Th. 773) ‘Stolz, Schmuck, (Götter)statue’, vgl. Wilamowitz zu Eur. Her. 49, Porzig Satzinhalte 241; — in malam partem ἀγαλμός· λοιδορία H., vgl. u. ἀγαλλιάζει. — Für ἀγάλλομαι, -ω erscheint in späterer Sprache ἀγαλλιάομαι, -ιάω nach den Verben auf -ιάω (Schwyzer 732); davon ἀγαλλίασις, -ίαμα. Von ἀγαλλιάομαι ferner ἀγαλλιάζει· λοιδορεῖται H., vgl. zur Bildung Schwyzer 734, Mél. Pedersen 63ff.; daneben ἀγάλλιος· λοίδορος H. — Ob auch der Pflanzenname ἀγαλλίς (h. Cer., Nik.) zu ἀγάλλομαι gehört, sei dahingestellt; vgl. ἀναγαλλίς. ἀγάλλομαι sieht wie ein Denominativum von *ἀγαλός aus (Schwyzer 725); weitere Anknüpfungen (ἀγα- ?, μεγαλο- ??) zweifelhaft. Vielleicht ist ἀγανός (mit Stammwechsel λ ~ ν) verwandt. I-6

ἀγάλοχον n. ‘bitteres Aloeholz’ (Dsk. usw.). — Orientalisches LW, nähere Herkunft unbekannt. Vgl. Schrader-Nehring Reallex. 39f. I-6

ἄγαμαι s. ἀγα-. I-6

Αγαμέμνων, att. Vasen ’Αγαμέσμων, auch ’Αγαμέμμων, -μέν(ν)ων (Nachmanson Glotta 4, 246). PN — Nach Prellwitz BB 17, 171f. aus *Αγα-μέδμων ‘mächtig waltend’; s. noch Stolz Innsbrucker Festgruß 13ff. Kretschmer Glotta 3, 330f. zieht dagegen mit Curtius 311 das Hinterglied zu μένος und μένειν, indem er die Form mit -σμ- durch eine Art vulgärer Assimilation zu erklären sucht. S. auch Fiesel Namen 65ff. I-6

ἄγᾱν s. ἀγα-. I-6

ἀγανακτέω ‘aufgeregt, entrüstet sein’, att. und spät; davon ἀγανάκτησις ‘Entrüstung’ — Nicht sicher erklärt. Vielleicht expressive Bildung auf -ακτέω wie ὑλακτέω (: ὑλάω) zu *ἀγανάω (vgl. ἀγάνημαι· ἀσχάλλω, ἀγανακτῶ H.) und weiterhin zu ἀγάομαι, ἄγαμαι (ἰσχανάω : ἴσχω usw.) im Sinn von ‘sich entrüsten’. Frisk Eranos 50, 8ff. I-6-7

ἀγά-ννιφος, -ον ‘mit vielem Schnee’, — dichterisches Kompositum äolischen Ursprungs. Vom Wurzelnomen νίφ- ‘Schnee’, in νίφ-α Akk. sg., s. νείφει. Zur Bildung des Hinterglieds s. Sommer Nominalkomp.64. I-7

ἀγανός ‘mild, sanft’, poet. (Il. usw.) und spät. — Ohne Etymologie. Die Anknüpfung an ἄγαμαι ist semantisch unbefriedigend. Anschluß an γάνος n. ‘Glanz’ (Bechtel Lex. nach Döderlein) erklärt u. a. das ἀ- nicht. S. auch ἀγάλλομαι. I-7

ἀγαπάω ‘gastlich aufnehmen, gern haben, lieben’ (seit Il.), erweiterte Form ἀγαπάζω (ep. u. lyr.). Daraus als retrograde Bildung ἀγάπη ‘(christliche) Liebe’ (spät, vor allem LXX und NT). Sonstige Ableitungen ἀγάπησις (Arist. usw.), ἀγαπησμός (Men.), ἀγάπημα (Kaiserzeit). — Dunkel. Anknüpfung an ἀγα- erklärt weder Bedeutung noch Bildung (Hinterglied zu πάομαι nach Prellwitz; dagegen u. a. Lagercrantz KZ 34, 383). I-7

ἀγαρικόν N. verschiedener Pilze (Dsk. u. a.), — nach dem ON. ’Αγαρία (Sarmatien). Strömberg Pflanzennamen 122. I-7

ἀγαυός etwa ‘verehrungswürdig, edel’, ep. und poet., späte Prosa, bei Homer immer von Königen und Herren. — Nach Schwyzer IF 30, 430ff. (gegen Schulze Q. 64) äolisch = ἀγα-ϝός; viell. zu ἄγαμαι. Anders Curtius 172, Solmsen KZ 29, 111. I-7

ἀγαυρός Epithet unsicherer Bed. (‘stolz’?, ‘verehrungswürdig’?), vereinzelt bei Hes., Hdt. u. a. — Umbildung von ἀγαυός nach γαῦρος. I-7

ἄγγαρος ‘reitender persischer Eilbote’ (X., Theopomp. Hist. usw.), vereinzelt auch als Adjektiv, z. B. ἄγγαρον πῦρ ‘Signalfeuer’ (A. Ag. 282). m. Ableitungen: ἀγγαρήϊος = ἄγγαρος (Hdt.), Subst. ἀγγαρήϊον ‘die Einrichtung der ἄγγαροι’ (Hdt. 8, 98, wo die Einrichtung beschrieben wird). Denominatives Verb ἀγγαρεύω ‘zur Frone (für den Beförderungsdienst) heranziehen’ (Ev. Matt., Pap., Inschr.); davon ἀγγαρευτής ‘zur Frone Herangezogener’ (Pap. VIp) und ἀγγαρεία ‘Fronleistung (für den Beförderungsdienst)’ (Pap., Inschr., vgl. Preisigke Fachwörter s. v.), pl. ἀγγαρεῖαι ‘cursus publicus’ (Inschr. IIIp); auf ἀγγαρεία bezogen ἀγγαρικός (Pap.). — Hellenist. und späte Nebenformen ἐγγαρεύω, -έω, -ία, wohl nach dem Präfix ἐν-, s. Ernault-Hatzfeld Rev. ét. anc. 14, 279ff. — Zunächst aus persischer Quelle, aber letzter Hand (ebenso wie die Institution) wahrsch. babylonisch (aus agru ‘Mietling’, s. Jensen bei Horn Grdz. d. Neupers. Etym. 28 und 254). Zur Sache Rostowzew Klio 6, 249ff., vgl. noch W.-Hofmann s. angarius. I-7-8

ἄγγελος m ‘Bote, Gesandter’ (seit Il.). Denominatives Verb ἀγγέλλω ‘Botschaft bringen, melden’, Nominalabstraktum ἀγγελία ‘Botschaft’. Hom. ἀγγελίης m. ‘Bote’ wurde wahrscheinlich von einem epischen Dichter durch falsche Interpretation des Genetivs (τῆς) ἀγγελίης geschaffen, s. Leumann Hom. Wörter 168ff. Danach ἡ ἀγγελίη im Sinn von ‘Botin’ bei Hes. Th. 781. Andere Ableitungen: von ἀγγελία : ἀγγελιώτης, -ῶτις ‘Bote, -in’ (poet. u. selten seit h. Merc. 296); von ἄγγελος : ἀγγελικός ‘zum Boten gehörig, engelhaft’ (spät); von ἀγγέλλω : ἄγγελμα ‘Meldung’ (E., Th. u. a.), ἀγγελτικός ‘meldend’ (spät), ἀγγέλτειρα ‘Botin’ (Orph. H. 78, 3; nicht ganz sicher). — Die frühere Zusammenstellung mit aind. áṅgiras-, N. mythischer Wesen, beruhte auf der Ansicht, daß diese Vermittler zwischen Göttern und Menschen wären. Da das ganz unsicher ist, bleibt diese Etymologie sehr fraglich. Vermutlich ist ἄγγελος auf unbekannten Wegen aus dem Orient eingedrungen. Vgl. ἄγγαρος. I-8

ἄγγος n. ‘Gefäß’ seit Hom., vorw. poetisch; davon ἀγγεῖον, das mit der Zeit das Grundwort, namentlich aus der Prosa, verdrängt. Dem. ἀγγίδιον (Thphr. usw., falsch -είδιον). Zur Bedeutung vgl. Brommer Hermes 77, 356 . — Unerklärt, viell. Mittelmeerwort (Chantraine Formation 418). Die Versuche, ἄγγος aus dem Indogermanischen zu erklären (s. Bq, WP. 1, 38; 60, Pok. 46f.), haben zu keinen sicheren Ergebnissen geführt. I-8

ἄγγουρα · ῥάξ, σταφυλή H. — Mit unerklärtem Nasaleinschub (wie in ngr. kret. ἄγγουρος ‘jung, Jüngling’, ἀγγούρι ‘Gurke’) und sekundärem spirantischem Übergangslaut zu ἄ-ωρος ‘unreif, grün’; vgl. ngr. ἄγωρος, ἄγουρος ‘unreif, grün, Jüngling’, ἀγουρίδα ‘unreife Traube’ usw. Aus dem Mittel- und Neugriechischen stammen mpers. angūr ‘Weintraube’, ägypt.-arab. ag ́g ́ūr ‘Gurke’. Kretschmer Glotta 20, 239f. — Ob ἄγγουρος· εἶδος πλακοῦντος H. (daneben γοῦρος ‘Kuchenart’ Sol.) damit etwas zu tun hat, sei dahingestellt. Zum letztgenannten Wort vgl. Winter Prothet. Vokal 46. I-8

ἀγείρω ‘versammeln’ (seit Homer). Mehrere Ableitungen, vor allem ἀγορά, s. d. W.; mit demselben Ablaut ἄγορος ‘Versammlung’ (E. in lyr.). Die übrigen Bildungen enthalten in weitem Umfang die Schwundstufe ἀγυρ-; darüber Schwyzer 351. So ἄγυρις ‘Versammlung, Menge’ (Il. usw.) mit der geläufigen Zusammensetzung πανήγυρις ‘Allversammlung, große (Fest)versammlung’, woraus weiterhin πανηγυρίζω, -ισμός, -ικός. Arkad. dafür πανάγορσις, παναγορία. — ἀγύρτης ‘Bettler’ mit den Denom. ἀγυρτάζω (Od. usw.) und ἀγυρτεύω (Str.), wovon ἀγυρτεία; mit dem Adj. ἀγυρτικός (Str., Plu. u. a.). — ἀγυρτήρ ‘Bettler’ mit ἀγύρτρια ‘Bettlerin’ (A. Ag. 1273). — ἀγυρμός und ἄγυρμα. Die Bildungen auf ἀγερ- haben die Verbindung mit dem Verbum besser gewahrt: ἄγερσις ‘das Versammeln, Mustern des Heeres’ (Hdt.), ἀγερμός ‘das Sammeln von Geld, Truppen usw.’ (Inschr., Arist.), ἀγερμοσύνη (Opp.), ἀγέρτας ‘Einkassierer’ (IG 14, 423 I 35; Taurom.). — Endlich findet sich ἄγαρ- in ἄγαρρις ‘Zusammenkunft’ (IG 14, 759, 12; Neapel). Auch ἄγορρις· ἀγορά, ἄθροισις H. kann, falls äolisch, dieselbe Stufe vertreten; vgl. Chantraine Formation 280. — ἀγείρω hat keine direkten Entsprechungen in anderen Sprachen. Es wird gewöhnlich und wohl mit Recht zu γέργερα· πολλά H., τὰ γάργαρα ‘Gewimmel, Haufe’ (s.d.) gezogen, wobei ἀ- verschieden beurteilt worden ist, vgl. Schwyzer 433 A. 5, WP. 1, 590, Winter Prothet. Vokal 14 — Eine mit -θ- erweiterte Form liegt in ep. ἠγερέθονται, -το, -θεσθαι vor; vgl. zur Bildung Schwyzer 703 A. 1 m. Lit. Die einmaligen Formen ἠγερέθονται (Γ 231) und ἠγερέθεσθαι (Κ 127 nach Aristarch) haben aus metrischen Rücksichten ihren gedehnten Anlaut aus dem gewöhnlichen ἠγερέθοντο bezogen; s. Schulze Q. 149, Wackernagel Dehnungsgesetz 38, Chantraine Gramm. homérique 98, 328. I-8-9

ἀγέλη ‘Herde, Schar’ seit Hom., in älterer Zeit vorwiegend poetisch, mit dem Adj. ἀγελαῖος ‘zur Herde gehörig’ (seit Hom.), dem Adverb ἀγεληδόν· ‘nach Herdenart’ (Il. u. a.), dem Subst. ἀγελάτας ‘Führer einer ἀγέλα von Knaben’ (Herakleid. Hist.), dem Verbum ἀγελάζομαι ‘sich versammeln’ (Arist.); vom letztgenannten die später belegten ἀγελαστικός ‘gregarius’ und ἀγέλασμα. Selten und spät ἀγελικός, ἀγελίζω, ἀγελισμός. — Isolierte Abzweigung von ἄγω, s. d. Ein l-Suffix tritt auch auf in lat. agilis (und aind. ajirá- ?) ‘beweglich, rasch’, agolum ‘Hirtenstab’, s. W.-Hofmann s. vv. m. Lit. I-9

ἀγέρδα (cod. -αα) · ἄπιος, ὄγχνη H. — Makedonisch für ἄχερδος. Fick KZ 42, 150, Fraenkel KZ 43, 211. I-9

ἀγέρωχος ‘hochherzig’, auch ‘hochmütig, stolz’ (ep. poet., auch späte Prosa). Davon ἀγερωχία f. ‘Hochherzigkeit, Hochmut, Anmaßung’ (LXX, Plb. usw.). — Wahrscheinlich Zusammenbildung von γέρας ἔχειν (Hom. usw.) mit α copulativum. Vgl. dor. γερωχία (Ar. Lys. 980); dazu Schwyzer Glotta 12, 9 und Gramm. 218 A. 1 m. Lit. I-9

ἀγέτρια · μαῖα. Ταραντῖνοι H. — Für *ἀγρέτρια, von ἀγρέω. McKenzie Cl. Quart. 15, 48. I-9

ἄγη s. ἀγα- I-10

ἀγήνωρ ep. u. poet. Epithet unbekannter Bed. (‘mannhaft, mutig’?). Davon ἀγηνορίη (Hom. usw.), wozu noch ἀγηνορέω (Nonnos). — Das Vorderglied ist mehrdeutig; man hat darin sowohl ἄγω (Hoffmann Glotta 28, 32f.) wie ἀγα- und ἄγαμαι finden wollen; s. Sommer Nominalkomp. 169f., der für Verbindung mit ἄγαμαι eintritt. — Verfehlt Kuiper MAWNied. NR. 14: 5, 207. I-10

ἀγήρατον n. Pflanzenname, ‘Origanum onites’ (Dsk.). — Eig. ‘nicht alternd’, zu γηράσκω, γῆρας. Semantische Parallelen bei Strömberg Pflanzennamen 103. I-10

Αγησίλας, (lak. ΗΑΓΕΗΙΛΑΣ). — von ἡγέομαι. Zur Psilose Schwyzer RhM 78, 215ff. I-10

Αγήτωρ s. ἡγέομαι. I-10

ἅγιος ‘heilig, geweiht’, fehlt bei Hom., Hes. und den Tragikern (dafür ἁγνός). Neben ἅγιος (dreisilbig) steht seit Homer ἅζομαι (< *ἅγι̯ομαι) ‘verehren’ mit einer verschiedenen, durch die Wortlänge bedingten Lautentwicklung. Von ἅγιος ferner die späten Nomina ἁγιότης und ἁγιωσύνη (LXX u. a.), die Verba ἁγίζω ‘weihen, heiligen’ (Pi., S. u. a.) und ἁγιάζω (LXX usw.) mit den Nomina ἁγισμός ‘Totenopfer’ (D. S.), ἁγιασμός ‘Heiligung’ (LXX, NT), ἁγίασμα ‘Heiligung, Heiligtum’ (LXX); ἁγιστήριον ‘Weihkessel’ (Inscr. Perg. 255, 9), ἁγιαστήριον ‘Heiligtum’ (LXX) und ἁγιστύς ‘Zeremonie’ (Kall.). — Eine nominale Erweiterung auf -στ- (ἁγιστός nur Et. Gud. s. v. ἁγιστεία) wird auch vorausgesetzt von ἁγιστεύω ‘heilig, rein sein; heilig halten, weihen’ (Pl., E. usw.) mit den Ableitungen ἁγίστευμα ‘Heiligtum’ (Prokop.) und ἁγιστεία ‘Weihe, Heilighaltung’ (Isok. usw.). — Etymologisch nicht sicher erklärt. Die herkömmliche Zusammenstellung mit aind. yájati ‘durch Opfer und Gebete verehren’ läßt sich weder beweisen noch strikt widerlegen; das Gerundivum yájya-, formal = ἅγιος, findet sich nur bei dem Grammatiker Vopadeva (Debrunner GGA 1910, 9). Der Vergleich mit lat. sacer (Meillet BSL 21, 126f.), der einen Auslautwechsel k : g voraussetzt, ist kaum vorzuziehen. — Zur Bedeutung s. Williger Hagios. Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 19 : 1 (1922), Nilsson Geschichte d. griech. Rel. 1, 61ff. (ἅγιος, ἁγνός, ἱερός), Roloff Glotta 32, 114ff. mit weiterer Lit. I-10

ἀγκ- — Stamm einer weitverzweigten Wortsippe, die im Griechischen wie in anderen idg. Sprachen durch zahlreiche Nomina vertreten ist. Das Aind. hat das primäre Verbum áñcati ‘biegen, krümmen’ (idg. *ánq-eti). — Neben ἀγκ- steht mit abweichendem Vokalismus ὄγκος. Zum Ablaut a : o vgl. außer Schwyzer 340 die Lit. zu ἅγω : ὄγμος. Die Bildungen ordnen sich am besten nach den verschiedenen Suffixen. Mit l-Suffix: ἀγκάλη f., gew. pl. ‘gekrümmter Arm, Armvoll’ (Archil., A. usw.). Demin. ἀγκαλίς, gew. -ίδες (Il. usw.), im Epos aus metrischen Rücksichten dem Grundwort vorgezogen. Die Lesung ἄγκαλον (Akk. sg.) ‘Armvoll, Bündel’ h. Merc. 82 ist nicht ganz sicher. — Von ἀγκάλη das Denominativum ἀγκαλίζομαι ‘auf die Arme nehmen’ (Semon. usw.) mit den Nomina actionis ἀγκάλισμα (Tim. Pers.), ἀγκαλισμός (Pap.). ἀγκύλος ‘gebogen, krumm’ (Il. usw.) mit den Denominativen ἀγκύλλω ‘zurückbiegen’ (Aret.) und ἀγκυλόω ‘biegen’ (Ar. u. a.); aus diesem ἀγκύλωμα ‘Schlinge’ (Gal.), -ωσις mediz. Terminus, Bez. krampfhafter od. gelähmter Zustände (Gal. u. a.). ἀγκύλη ‘Riemen, Schlinge (am Wurfspieß), Haken, Türangel usw.’ (B., Hp., S., E. usw.). Abl. ἀγκυλητός ‘mit ἀγκ. versehen’ (A.), ἀγκυλίς f. ‘Haken’ (Opp.) mit ἀγκυλιδωτός ‘mit Schlinge versehen’ (Hp. ap. Gal.), ἀγκύλιον ‘Schlinge’ usw. (Mediz.). — Zum υ-Formans vgl. ἄγκυρα unten, außerdem aind. aṅku-śá- ‘Haken’, aṅku-ra- ‘junger Sproß’ (Bed. wie awno. ōll ‘Keim’); zum l-Suffix noch ahd. angul ‘Fischhaken, Angel’, awno. ōl f. ‘Riemen’ (kann mit ἀγκύλη sogar identisch sein), ōll ‘Keim’ und mehrere andere germ. Wörter. — Eine l-Ableitung ohne vermittelnden Vokal liegt in ἀγκλόν· σκολιόν H. (richtig überliefert?) vor. Mit n-Suffix: ἀγκών, -ῶνος m. ‘Ellbogen’, Dat. pl. ἀγκάσι (Opp., Strat.), vgl. ἀγκάς unten, auch von mehreren hervorspringenden Gegenständen (seit Il.). Späte Deminutiva: ἀγκώνιον, -ίσκος, -ίσκιον. Denominativum ἀγκωνίζω ‘sich auf den Ellbogen lehnen’ (Com. Adesp., Gloss.) mit ἀγκωνισμός (Eust.). Femininbildung ἄγκοιναι ‘Arme’ (Hom. u. a.). — Mit alter e-Abtönung im Suffix ἐπ-ηγκενίδες pl. Benennung eines Schiffsteiles, s. Bechtel Lex. s. v. — Zum Nebeneinander der l- und n-Suffixe vgl. z. B. lat. umbō, -ōnis neben ὀμφαλός, umbilīcus. Mit r-Suffix: ἄγκῡρα ‘Anker’ (Alk. usw.) mit spärlich belegten Ableitungen wie ἀγκυρωτός ‘ankergeförmt’ (Ph. Bel.), ἀγκύριον (Ph. Bel. usw.), ἀγκυρίζω ‘jm. ein Bein stellen’ (im Ringkampf; alte Kom.). LW lat. ancora, vgl. Devoto Scientia 16, 32. Mit s-Suffix: ἄγκος n. ‘Bergschlucht, Felsental’ (Il. usw., selten), formal = aind. áṅkas- n. ‘Biegung, Krümmung’ (RV 4, 40, 4). Zum Kompositum μισγάγκεια Sommer Nominalkomp. 174f. m. Lit. Mit tro-Suffix: ἄγκιστρον ‘(Angel)haken’ (Od. usw.); Bildung unklar, s. Chantraine Formation 333f., Schwyzer 532, Specht Ursprung 142. Vereinzelt vorkommende Abl. ἀγκίστριον, ἀγκιστρεύω mit ἀγκιστρευτικός und ἀγκιστρεία. Mit -Suffix?: ἀγκάς· ἀγκάλας H. Wahrscheinlich durch Mißverständnis von Ψ 711 entstanden, Bechtel Lex. 7; vgl. unten. Zwei Adverbia: ἄγκαθεν ‘in die Arme (nehmend), auf den Ellbogen (gestützt)’ (A., vgl. Lejeune Les adverbes grecs en -θεν 323f.), und ἀγκάς ‘in die Arme’ (Hom., Theok., A. R.), davon ἀγκάζομαι ‘auf die Arme nehmen’ (Il. u. a.). Da ἀγκάς außer Ψ 711 nur vor Vokal erscheint, hat man darin entweder einen elidierten Dat. pl. mit Schwundstufe von ἀγκών (ἀγκάσι wie φρασί) oder eine elidierte Form von *ἀγκάσε sehen wollen. Bechtel Lex. 7, Schwyzer 631 A. 5. I-11-12

ἀγλαός formelhaftes Epithet, fast ausschließlich episch und lyrisch, etwa ‘glänzend, herrlich, stattlich’ od. ä. (Die kretische und kyprische Glosse ἀγλαόν· γλαφυρόν ist nach Leumann Hom. Wörter 272 A. 18 durch Mißverständnis einiger Homerstellen entstanden). Nominale Ableitung ἀγλαΐα ‘Pracht, Glanz’ (Il. usw., auch PN; zur Bed. vgl. Porzig Satzinhalte 208f.), denom. Verb ἀγλαΐζω ‘schmücken’, gew. Med. ‘glänzen, sich ergötzen’. Wohl als *ἀγλαϝός zu verstehen. — Wird gewöhnlich zu γαλήνη usw. gezogen; näheres bei Bechtel Lex., Winter Prothet. Vokal 14. Vgl. ἀγανός, ἀγαυός. I-12

Ἄγλαυρος Tochter des Kekrops, eine der Pflegerinnen des Erichthonios, eig. ‘die klares Wasser hat’, — von ἀγλαός und einem Wort für ‘Wasser’, das u. a. in ἄναυρος ‘wasserlos’ (s. d.) enthalten ist. E. Maaß Ath. Mitt. 35, 337ff., Kretschmer Glotta 4, 346. Vgl. Usener Götternamen I35ff., Nilsson Gr. Rel. 1, 294; 414. — Das bei Nik. Th. 62, 441 vorkommende Adj. ἄγλαυρος = ἀγλαός scheint durch eine willkürliche dichterische Umdeutung des PN entstanden zu sein. I-12

ἄγλῑς, -ιθος f. ‘Knoblauchkopf’ (Ar., Hp. usw.), Davon, mit suffixalem -ίδιον, ἀγλίδια· σκόροδα H. — wahrscheinlich mit γέλγις (s. d.) verwandt. Verfehlt Specht Ursprung 255. S. auch Winter Prothet. Vokal 14. I-12

ἀγλύεσθαι · βλάπτεσθαι H. — Nach v. Blumenthal IF 49, 176 hylläisch oder vielmehr messapisch, zu got. agls ‘schimpflich’ usw. (?). I-12

ἁγνός (Od. usw., vorw. poetisch) ‘heilig, rein’; zur Bedeutung Roloff Glotta 32, 114ff. m. Lit. Nominale Abl. ἁγνότης ‘Reinheit’ (NT u. a.). Verbale Abl. 1. ἁγνεύω ‘als heilig betrachten, rein sein, reinigen’ (ion. att.), wovon ἁγνεία ‘Reinigung’, ἅγνευμα, ἁγνευτήριος, ἁγνευτικός; 2. ἁγνίζω ‘reinigen, weihen’ (poet., sp.), wovon ἅγνισμα, -ισμός, -ιστικός u. a., aber auch ἁγνίτης ‘Reiniger’ (Lyk. u. a.) mit Anschluß an die Nomina auf -ίτης, vgl. Redard Les noms grecs en -της 11. — Mit ἅγιος verwandt (s. d.) und wie dies ohne sichere genaue Entsprechung in anderen Sprachen. Aind. yajñá- ‘Gottesverehrung, Opfer’ kann formal dazu stimmen. I-13

ἄγνος f. m. Baumname, ‘Vitex agnus castus’ (h. Merc. usw.). — Ohne Etymologie. Lidén IF 18, 506 vergleicht asl. jagnędь ‘Schwarzpappel’. Über volksetymologische Deutungen und falsche Lehnübersetzungen s. Strömberg Pflanzennamen 154. Kühne Spekulationen über die Bildung bei Specht Ursprung 173. S. auch Rohlfs WB s. v. I-13

ἄγνυμι, ἄξω, ἔαξα od. ἦξα, ἔᾱγα, ἅ̆γην od. ἐᾰ́γην (zu ἐά̄γη am Versende Λ 559 s. Wackernagel Unt. 141, Chantraine Gramm. hom. 18) ‘zerbrechen’. Seit Homer; gew. im Komp. καταγνυμι mit ᾱ aus -α-ϝαγ- (s. Björck Alpha impurum 42, 147 m. Lit.). Zahlreiche Verbalnomina: ἀγή (ᾱ- sicher A. R. 1, 554; 4, 941 und Numen. ap. Ath. 7, 305a im sechsten Fuße: κύματος ἀγῇ, bzw. ἀγῆς; dagegen ἀ̄γήν, bzw. περιᾱγήν Arat. 668 und 688, ebenfalls am Versende, vielmehr zu ἄγω) ‘Bruch(stück)’ (A., E. usw.); mit Reduplikation und Ablaut ἰωγή (< *ϝι-ϝωγ-ή) ‘Schutz gegen den Wind’, falls eig. ‘das Sichbrechen’ (des Windes; ξ 533), auch im Komp. ἐπιωγαί, -ή (ε 404 usw.) aus *ἐπι-ϝιϝωγαί dissimiliert (anders Bechtel Lex. s. v.) ‘geschützter Ort, wo sich Wind und Wogen brechen’. — ἀγμός m. ‘Bruch, steiler Abhang’ (Hp., E.), ἄγμα ‘Bruch(stück)’ (spät), ἄξος (vom σ-Aor.) = ἀγμός (Kreta, St. Byz.), als Stadtname ’Οάξος, d. h. ϝάξος (Hdt. 4, 154). — ἄγος n. H., EM. — Wohl als *ϝάγ-νυμι zu toch. wāk- etwa ‘bersten’, Kaus. ‘spalten, unterscheiden’, wākäm n. ‘Besonderheit, Vorzug’ (vgl. zur Form ἀγμός, aber davon unabhängig gebildet). Auch lat. vāgīna ‘Scheide’ könnte allenfalls hierher gehören, vgl. Scheide zu scheiden (Pisani REIE 3, 59ff., der auch vervāctum ‘Bruchacker’ aus *vēre vāctum heranzieht). — ἄγνυμι ist oft, aber falsch, mit ῥήγνυμι, unter Annahme eines idg. r-Wegfalls, zusammengestellt worden. I-13

ἀγνύς (Plu., Poll., Hdn.), pl. -ῦθες ‘Webersteine’ — Unerklärt. Verfehlt Prellwitz KZ 47, 305f. Vgl. Chantraine Formation 366. I-13

ἀγορά ‘(Volks)versammlung, -splatz, Markt, Handel, Verkehr’ (seit Hom.). Ableitungen: ἀγορητής ‘Redner’ (ep.), auch auf ἀγοράομαι zu beziehen, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 25f., Redard Les noms grecs en -της 5f., 10. — Mehrere Denominativa: 1. ἀγοράομαι ‘(in der Versammlung öffentlich) reden’ (ep. ion. poet., aber nur in vereinzelten Formen) mit ἀγορητύς ‘Beredsamkeit’ (ep.) und ἀγορατρός ‘Redner’ (Delphi); 2. ἀγορεύω ‘ds.’ (seit Hom., als Simplex selten im Attischen, s. Wackernagel Unt. 220ff., Fournier Les verbes "dire" 41ff.), wovon die seltenen und späten Nomina ἀγορευτής ‘Redner’, -τήριον ‘Redestelle’, -σις ‘Rede’; 3. ἀγοράζω ‘auf dem Markte verkehren, einkaufen’ (ion. att.); davon ἀγόρασις ‘Einkauf’ (Pl. u. a.), boeot. ἀγόρασσις (s. Holt Les noms d’action en -σις 49f.), ἀγορασία ‘ds.’ (zur Bildung Chantraine Formation 85), ἀγορασμός ‘ds.’ (LXX u. a.), -ασμα, gew. ἀγοράσματα ‘Einkäufe, (eingekaufte) Waren’ (D. u. a.); ferner das Nomen agentis ἀγοραστής ‘Einkäufer’ (X. u. a.), fem. ἀγοράστρια (Pap.), mit ἀγοραστικός ‘zum Handel gehörig’ (Pl. u. a.). — Verbalnomen zu ἀγείρω, s. d. I-13-14

ἄγος n. ‘Fluch, (Blut)schuld’, auch ‘Sühne’ (Hdt., A., Th. u. a.), ἄγεα· τεμένη H. (lesbisch? Bechtel Dial. 1, 115). Zusammensetzung ἐν-αγής ‘fluch-, schuldbeladen’ (Hdt., S. u. a.); davon ἐναγίζω mit ἐναγισμός und ἐνάγισμα, ferner die seltenen und späten Adj. ἐνάγιος (nach ἅγιος) und ἐναγικός. Das Oppositum εὐ-αγής (Parm., S. usw.) ‘schuldlos’ wurde mit ἅγιος assoziiert, vgl. Εὐhαγης (Styra, Va). Daraus das Simplex ἁγής (Emp. 47; von der Sonne). — Unter der Annahme eines Ablautwechsels wird ἄγος allgemein mit aind. ā́gas- n. ‘Unrecht, Sünde’ verglichen. Diese ansprechende Etymologie schließt die sonst naheliegende Möglichkeit aus, mit den Lexikographen des Altertums (Et. Gud.) ἄγος als psilotische Form von ἅγος mit ἅγιος zu verbinden. I-14

ἀγοστός. — Bei Homer (Λ 425 usw.) nur in der Formel ἕλε γαῖαν ἀγοστῷ, gewöhnlich als ‘(die zum Fassen gekrümmte) Hand’ gedeutet. Hellenistische Nachahmer (A. R., Theok.) benutzen es daneben irrtümlich im Sinn von ‘Ellenbogen, Arm’. Im Suffix stimmt ἀγοστός zu den semantisch verwandten παλαστή ‘flache Hand, Breite von vier Fingern’, aind. hásta- ‘Hand’, nhd. Faust, aksl. grъstь ‘Handvoll’ usw., s. Solmsen Wortforschung 1ff., Frisk Suff. -th- im Idg. 17. Nach Solmsen a. a. O. als "Sammler" aus *ἀγορ-στος zu ἀγείρω, vgl. zunächst aksl. grъstь. Fragliche Kombinationen zur Stammbildung bei Specht Ursprung 225. Abzulehnen Ehrlich Betonung 44f. (zu γέμω). I-14

ἄγρα f. ‘Jagd, Beute’ (seit Od., vorw. poet.); ἀγρεύς ‘Jäger’ (Pi., A., E. u. a.); ἀγρεύω ‘erjagen’ (Hdt., S., E., X. u. a., gewöhnlicher als ἀγρεύς), wovon ἀγρευτής ‘Jäger’ (Sol., S. in lyr. usw.), ἀγρευτήρ ‘ds.’ (Theok., Kall. usw.), ἄγρευμα ‘Jagdbeute, -netz’ (Sol., A., E., X., u. a.); zu ἀγρέτης, Bed. unsicher, vgl. Redard Les noms grecs en -της 236 A. 58; — ἀγρώσσω ‘jägern’ (ε 53 usw.), vgl. Schwyzer 733 ζ. ἀγρέω ‘greifen’ (Hom. [nur Ipv. ἄγρει, -τε; aber vgl. Wackernagel Unt. 166f.], Sapph., Archil. u. a.), äol. Ipv. κατάγρεντον, Ptz. Aor. ἀγρέθεντα, -τες, Verbaladj. ἀγρεταί (Kos). Nom. ag. ἀγρέμων (-μών) ‘Jagdspieß, Jäger’ usw. (A., H., EM). Davon ἀγρέμιον ‘Beute’ (AP). Zusammensetzungen: auf -άγρα: πυράγρα ‘Feuerzange’ (Hom., Kall.), κρεάγρα ‘Fleischzange’ (Ar. usw.); — ὀδοντάγρα ‘Zahnzange’, ποδάγρα ‘Fußfessel, Podagra’, χειράγρα ‘Handgicht’, vorw. mediz. Termini; — auf -άγρετος: παλινάγρετος ‘was zurückzunehmen ist, widerruflich’ (ep. seit Il.), αὐτάγρετος ‘selbstgewählt’ (ep. seit Od.), ‘selbstwählend’ (Semon., Opp.). Die Komposita auf -άγρα und -άγρετος sind wahrscheinlich als Zusammenbildungen von einem Verbalstamm ἀγρ- zu betrachten. — Wie sich ἄγρα und ἀγρέω zueinander verhalten, ist nicht klargelegt. McKenzie Cl. Quart. 15, 47f. und 126 will, wenig überzeugend, ἀγρέω von ἄγρα, ἀγρεύω trennen. Er zieht die letztgenannten Wörter zu ἀγρός, wovon zunächst ἀγρεύς eig. ‘zum Felde gehörig’ mit nachträglicher Beziehung auf die Jagd, dann aus diesem ἀγρεύω und endlich daraus (nach θηρεύειν : θήρα) ἄγρα. Aber die Chronologie der Belege ist einer solchen Annahme nicht günstig. Ansprechender scheint seine Hypothese, ἀγρέω sei aus dem. Verbaladjektiv -άγρετος entstanden, das eigentlich zu ἀγείρω gehöre wie -αγρέτης in ἱππαγρέτης, κωλακρέτης (aus -αγρέτης, s. d.) u. a. Gegen ἀγρέω als Denominativum von ἄγρα mit Recht Schwyzer 727 A. 1. Eine Entscheidung wird dadurch erschwert, daß ἀγρέω und αἱρέω einander beeinflußt zu haben scheinen (αὐτάγρετος wie αὐθαίρετος, ἀγρέθεντα wie αἱρεθέντα, vgl. noch die Kontamination ’Εξαίγρετος auf kleinasiat. Münzen bei Imhof-Blumer 1, 165); da aber auch αἱρέω dunkel ist, bleiben die gegenseitigen Beziehungen ungewiß. — Zur Geschichte und Verwendung von ἀγρέω s. Vendryes Mél. Boisacq 2, 331ff., K. Wlaschim Studien zu d. idg. Ausdrücken für Geben und Nehmen. Diss. Wien 1927 (ungedruckt; vgl. Kretschmer Glotta 19, 207ff.). Aus anderen Sprachen werden zum Vergleich herangezogen: aind. ghāsé-ajra- ἅπ. λεγ. VS 21, 43, Bed. unsicher, gew. als ‘zum Verzehren antreibend’ erklärt; aw. azra- ἅπ. λεγ. im Ausdruck vəhrkąm azrōdaiδ īm ‘die auf Raub ausgehende Wölfin’ (Vid. 18, 45); außerdem eine keltische Gruppe, kymr. aer ‘Schlacht, Kampf’ (< *agrā, eig. *‘Hetze’), ir. ār n. ‘Niederlage’ (< *agrom), gall. Volksname Veragri. Vgl. auch ζωγρέω. I-15-16

ἀγρεῖφνα f. ‘Egge’ (AP 6, 297), ἀγρίφη f. ‘Egge, Harke’ (Hdn., H.). — Wohl mit Fick4 1, 404 zu γριφᾶσθαι· γράφειν. Λάκωνες. οἱ δὲ ξύειν καὶ ἀμύσσειν H. Das anl. ἀ- ist hier wie öfters nicht genügend erklärt. I-16

ἀγρήσκεται · πικραίνεται H. — Vielleicht für ἀγρίσκεται. Jedenfalls zu ἄγριος wie ἀγριαίνω; vgl. ἀλθαίνω : ἀλθίσκω und ἀλθήσκω. Verfehlt v. Blumenthal Hesychst. 24 (zu ἄκρος). I-16

ἀγρός m. ‘Feld, Acker’. Davon ἄγριος ‘agrestis, wild’ mit mehreren Ableitungen: ἀγριότης f. ‘Wildheit’ (Pl., D., X. u. a.), ἀγριόομαι, ἀγριόω, ἀγριαίνω ‘wild werden bzw. machen’. Ferner ἀγρότης m. (π 218, E., vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 57) und ἀγροτήρ m. ‘Landbewohner, ländlich’ (E. u. a.), auch ἀγρώτης (E., vgl. δεσμώτης usw.) und ἀγρώστης (S., E. usw.), Bildung unklar; gegen Anknüpfung an ed- ‘essen’ mit Recht Bechtel Lex. s. v. ἄγρωστις. Die Erweiterung ἀγροιώτης (Hom. usw.) ist wahrscheinlich am Versende entstanden, Risch 32. — Zum Komparativ ἀγρότερος Bechtel s. v. Über ἀγρέτης s. ἄγρα. — Altes Erbwort, das ursprünglich das unbebaute Feld bezeichnete und in mehreren Sprachen erhalten ist: aind. ajra-, lat. ager, germ., z. B. got. akrs, arm. art. Die allgemein verbreitete Ansicht, daß idg. *aĝros als ‘Trift’ eine Ableitung von *agō ‘treiben’ sei, ist nicht zu beweisen, aber sehr ansprechend. Die Ansicht Ungnads Language 13, 153, idg. *aĝros sei aus dem Sumerischen entlehnt, ist unhaltbar. — Das Kompositum ἀγροῖκος, ἄγροικος ‘Landmann, ländlich, bäurisch’ (< *ἀγρο-ϝοικος ‘der sein Haus auf dem Lande hat, auf dem Lande wohnend’) hat im Neugriechischen zum Oppositum γροικός = νοήμων Anlaß gegeben; davon ferner γροικῶ ‘verstehen, hören’ (Hatzidakis, s. Glotta 14, 208f.). I-16

ἄγρυπνος ‘schlaflos, wachsam’ (ion. att.). Ableitungen: ἀγρυπνία ‘Schlaflosigkeit, Wachsamkeit’, ἀγρυπνώδης ‘Schlaflosigkeit verursachend’ (Hp., vgl. Chantraine Formation 431), ἀγρυπνέω ‘schlaflos sein, wachen’ (Thgn. usw., LXX, NT) mit ἀγρυπνητήρ ‘Wächter’ (Man.) und ἀγρυπνητικός ‘wachsam (machend)’ (D. S., Plu., Pap. u. a.). — Die gleich gebildeten ἄγρ-αυλος ‘sein Lager auf dem Felde habend’ und ἀγρ-οῖκος (s. ἀγρός) führen auf die Deutung ‘seinen Schlaf auf dem Felde habend, auf dem Felde schlafend’, s. Wackernagel Verm. Beiträge 3f. Die schon früh eingetretene Anknüpfung an ἀγρέω hat die Bedeutung beeinflußt. I-16

ἄγρωστις, -ιδος, -εως ‘Feldkraut’ (ζ 90 usw.), — Fem. von ἀγρώστης, s. ἀγρός. Bechtel Lex. s. v., Strömberg Pflanzennamen 117. Vgl. auch Kalitsunakis bei Kretschmer Glotta 3, 315f. I-16

ἄγυια, pl. ἀγυιαί ‘Straße, Weg’ (seit Il., vorw. poetisch). Ableitungen: ’Αγυιεύς m. "Straßenhort", Bein. des Apollo (Kom., E. usw.), wovon der Monatsname ’Αγυίηος (Argos); ’Αγυιάτης m. ‘ds.’ (A.), auch ‘Stadtbewohner’ (Pharsalos), vgl. ἀγυιῆται· κωμῆται H.; fem. ἀγυιᾶτις (Pi., E. in lyr.). — ἄγυια, eig. "die hinfahrende’’ (intr.), ist der Form nach ein reduplikationsloses Ptz. Perf. Akt. zu ἄγω. Verfehlt Specht KZ 64, 62f. ("Stelle, auf der gefahren worden ist"). Zum Akzentwechsel Debrunner GGA 1910, 10, Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 118f. I-17

ἄγχι Adv. u. Präp. ‘nahe’ (poet. seit Il.). Daneben ἀγχό-θι, -θεν, ἀγχοῦ. Komp. ἆσσον, ἀσσοτέρω, Sup. ἄγχιστα, -ον, wozu das adjektivische ἄγχιστος (mit ἀγχιστεύω, -εία, -εύς u. a.), auch ἄσσιστα nach ἆσσον. Schwyzer-Debrunner 547 mit weiteren Hinweisen, außerdem Seiler Steigerungsformen 44ff. Von ἄγχιστα wurde ἀγχιστῖνος ‘nahe beieinander’ (Hom.) gebildet (Chantraine Formation 204, Schwyzer 491; unrichtig Fraenkel Gnomon 21, 38, Glotta 32, 20). Zu ἀγχιστέδᾱν (Lokroi) = ἀγχιστήδᾱν s. Fraenkel Glotta 20, 84f. — ἄγχι kann als erstarrter Lokativ eines Wurzelnomens (Bed.?) zu ἄγχω erklärt werden (Schwyzer 622), sofern man nicht vorzieht, darin eine direkte Bildung zu ἄγχω nach πέρι, ἄντι zu sehen. — ἀγχέ-μαχος (Il. usw.) wohl nach τηλέ-μαχος (nur als PN bekannt), s. Schulze Kl. Schr. 128, Trümpy Fachausdrücke 113f. I-17

ἀγχίλωψ ‘Art Geschwulst, die den Tränenkanal versperrt’ (Gal. 19, 438). — Nach Galenos von ἄγχι und ὤψ. Strömberg Wortstudien 95f., der ihm zustimmt, erklärt einleuchtend das -λ- aus dem synonymen αἰγίλωψ. Vielleicht hat ἀγχίλωψ sogar sein ganzes Hinterglied von αἰγίλωψ bezogen. Im Vorderglied steckt aber vielmehr das Verb ἄγχω ‘zuschnüren’. I-17

ἄγχουσα Pflanzenname, ‘Anchusa tinctoria’ (Thphr., Dsk.), auch κατάγχουσα (Ps.-Dsk.), vgl. noch ψευδάγχουσα (Plin.). — Die daneben bestehende Form ἔγχουσα (Ar., X.) scheint ursprünglichen Zusammenhang mit ἄγχω, der sich anscheinend begrifflich erklären läßt (Strömberg Pflanzennamen 64) zu verbieten. Durch Kontamination mit κύνωψ entstand ἀγχύνωψ (Dsk.), s. Strömberg 159. I-17

ἄγχω ‘zuschnüren, erdrosseln’ (seit Il.). Ableitungen: ἀγχόνη ‘Strick, das Erdrosseln’ (vorw. poetisch; Bildung wie περόνη, ἀκόνη und andere Werkzeugnamen); davon wiederum ἀγχόνιος ‘zum Erhängen dienend’ (E., Nonn.), ἀγχονάω ‘erdrosseln’ (Man.). Lat. LW angina (zuletzt Leumann Sprache 1, 205). — ἀγκτήρ, -ῆρος m. "Zusammenschnürer", Gerät für Zusammenschnürung von Wunden (Cels. Med., Plu. usw.), vgl. Björck UUÅ 1932 : 5, 82 m. A. 1. — ἄγχω hat eine genaue Entsprechung in lat. ango ‘zuschnüren, beengen’. Dagegen fehlt im Griechischen der weitverbreitete u-Stamm: aind. aṃhú- ‘eng’, got. aggwus, arm. anju-k, aksl. ǫzъ-, lat. *angu- in angi-portum. Vgl. ἄγχι; auch ἀμφήν. I-17-18

ἄγω ‘treiben, leiten, führen; ziehen, gehen’. Zahlreiche Ableitungen, z. T. altererbt (s. unten), und Zusammensetzungen (ἀπ-, εἰσ-, ἐξ-, κατ- usw.). ἀγός ‘Anführer’ (poet. seit Il.), der Form nach mit aind. ajá- ‘Treiber’ identisch, aber trotzdem vielleicht griech. Parallelschöpfung, aus Zusammenbildungen wie στρατηγός (darüber Sommer Zum Zahlwort 12 A. 1) herausgelöst. — ἀγή ‘Transport’ (Chios), wohl auch im Sinn von ‘Lauf, Windung’ (Arat.); s. ἄγνυμι. — ἀγών, -ῶνος m. ‘Versammlung, Wettkampf usw.’ (Il. usw.) mit ἀγώνιος, ἀγωνία, ἀγωνιάω, ἀγωνιάτης; ἀγωνίζομαι, wovon ferner ἀγώνισις, ἀγώνισμα, ἀγωνιστής, ἀγωνιστικός u. a., vgl. Röttger Substantivbildung 51. — ἄκτωρ, -ορος ‘Führer’ (A.), auch EN (Il. usw.), lat. actor wohl davon unabhängig gebildet. — ἄγμα· κλέμμα H. — Reduplizierte Nomina: ἀγωγός m. ‘Führer, führend’ (ion. att.), ἀγωγή ‘Führung usw.’ (ion. att.) mit ἀγωγεύς, ἀγώγιμος, ἀγώγιον, ἀγωγαῖος, ἀγωγικά. — Über -αγέτης in Zusammenbildungen (ἀρχηγέτης usw.) s. Fraenkel Nom. ag. 1, 59ff., Sommer Zum Zahlwort 11f. — Mit Ablaut wahrscheinlich ὤγανον ‘Speiche’ (Frisk Indogermanica 17f.). — Vgl. noch ἄγυια, ἄξιος, ἄξων, ἀγέλη, ὄγμος; auch ἀγρός. — Eine Weiterbildung von ἄγω ist ἀγῑνέμεναι, ἀγινέω (ep. ion.), fast nur im Präsens, Bildungsweise unklar, vgl. Brugmann-Thumb 340, Schwyzer 696; s. auch Chantraine Étrennes Benveniste 14f. Daneben dor. ätol. ἀγνέω. — ἄγω ist ein altes thematisches Präsens mit genauen Entsprechungen in aind. ájati, aw. azaiti, arm. acem, lat. ago, air. -aig, awno. aka (nur intr. ‘fahren, reisen’), toch. āk- (B auch ăk-) ‘führen’. Das Verb war vielleicht ursprünglich nur im Präsens vorhanden, Specht KZ 63, 225 und 270 (Aor. u. Fut. ἤλασα, ἐλάω); gegen diese Suppletivtheorie wendet sich Bloch Suppl. Verba 14ff. I-18

ἀδαγμός · κνησμός H., auch S. Tr. 770 nach Phot. (codd. ὀδαγμός); ἀδακτῶ· κνήθομαι, ἀδαξῆσαι· κνῆσαι, ἀδαχᾷ· κνᾷ, κνήθει κεφαλήν. ψηλαφᾷ H. usw. — Durch Vokalassimilation aus ὀδα- entstanden (J. Schmidt KZ 32, 391ff.), s. ὀδάξ. I-18

ἀδαής, -ές ‘unerfahren, unkundig’ (Hdt., Pi. usw.). — Negatives Verbaladjektiv zu δαῆναι, s. d. (falls nicht zu einem verschollenen *δάος ‘Kunde’; vgl. δήνεα). Seit Homer auch die erweiterte Form ἀδαήμων im Anschluß an δαήμων. I-18

ἀδαλός · ἄσβολος H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 5 makedonisch für αἴθαλος. I-19

ἀδάμας, -αντος m. Bez. eines harten Metalls (‘Stahl’; seit Hes.), ‘Diamant’ (sicher bei Thphr. usw.). Ableitung ἀδαμάντινος (Pi., A. usw.). — Wegen der Bedeutung fremder Herkunft (mit volksetymologischer Angleichung) verdächtig. Falls echt griechisch, eig. ‘unbezwinglich’ (δάμνημι) und mit dem EN ’Αδάμας (Hom.) identisch. Zur Bildung vgl. ἀκάμας (Il. usw.) und Chantraine Formation 269, Schwyzer 526 : 3. I-19

ἀδάρεξα · εἰρήνη H. — v. Blumenthal Hesychst. 24 vergleicht ἀταραξία und nimmt illyrischen Ursprung an. Sehr unsicher. I-19

ἀδάρκη und -ης m., ἄδαρκος m., -ιον n. f. ‘Salzablagerung am Schilf’ (Dsk., Gal.). — Mit lat. adarca (seit Plin.) identisch und wie dies wahrscheinlich aus dem Gallischen entlehnt, vgl. ir. adarc ‘Horn’, aus bask. adar ‘Horn’ mit kelt. k-Suffix. Pokorny Zeitschr. celt. Phil. 14, 273; 16, 112. I-19

ἄδδαυον · ξηρόν. Λάκωνες H. — Von ἄζα und αὖος. Fraenkel Gnomon 21, 39, Glotta 32, 22 mit Fick u. a.; anders Peterson AmJPh. 56, 64ff.: aus *ἀδδαλέος (= ἀζ.) und αὖος. — Davon ἀζαυτός· παλαιότης καὶ κόνις H., vgl. Fraenkel ebd. I-19

ἀδελφεός att. ἀδελφός (wahrscheinlich durch Kürzung entstanden), ἀδελφεή, -φή ‘Schwester’ (seit Pindar [-εά]; vgl. Lommel Femininbildungen 11). ‘Bruder’ (Hom.) Davon ἀδελφιδέος, -δέη, att. -δοῦς, -δῆ ‘Neffe’, ‘Nichte’; außerdem ἀδελφίδιον Demin. (Ar. u. a.), ἀδελφικός ‘brüder- oder schwesterlich’ (Arist. usw.), ἀδελφότης ‘Bruderschaft’ (LXX usw.), ἀδελφίζω ‘zum Bruder annehmen’ (Hekat. u. a.) mit ἀδέλφιξις (Hp.). Aus α copulativum und einem Wort für Mutterleib, wahrscheinlich *δέλφος n., also *ἀ-δελφεσ-ός, vgl. H.: ἀδελφοί· οἱ ἐκ τῆς αὐτῆς δελφύος γεγονότες. δελφὺς γὰρ ἡ μήτρα. (Anders Wackernagel Unt. 52f. mit Solmsen KZ 32, 519ff. u. a.: aus -eio-, eig. Stoffadj.). — Die Entstehung und Bedeutungsentwicklung von ἀδελφός hängt mit dem Schicksal des ererbten idg. Wortes für ‘Bruder’, φράτηρ, zusammen, das auch von entfernteren Verwandten innerhalb der Großfamilie wie den Vettern gebraucht wurde und infolge der etymologischen Verknüpfung mit den als politischen Termini benutzten φράτρα, φρατρία selbst einen politischen Sinn erhielt. Im Gegensatz dazu hebt ἀδελφός die mutterliche Linie hervor und kann mit mutterrechtlichen Sitten innerhalb der vorgriechischen Bevölkerung Griechenlands in Zusammenhang stehen. Kretschmer Glotta 2, 201ff. (auch über Stammbildung), 27, 25f. (gegen die abweichende Auffassung Hermanns IF 53, 100f.). S. weiter s. v. δελφύς. I-19

ἀδευκής, -ές ep. Beiwort (Od., A. R. u. a.) unbekannter Bedeutung. — Wie Πολυ-δεύκης setzt auch ἀ-δευκής ein Nomen *δεῦκος n. voraus, dessen weitere Anknüpfungen (lat. dūco usw., Lagercrantz KZ 35, 276) man auf sich beruhen lassen muß. Vgl. δεύκει· φροντίζει H., ἐνδυκέως etwa ‘sorgfältig’; ἀδευκής also etwa ‘rücksichtslos’. In einem Scholion zu A. R. 1, 1027 wird δεῦκος mit γλεῦκος glossiert; ob echte Tradition oder Scholiastenkonstruktion, läßt sich nicht entscheiden. — Der Name Δευκαλίων kann aus *Λευκαλίων dissimiliert sein, s. Bechtel Lex. s. ἀδευκής. I-20

ἀδῆ · οὐρανός. Μακεδόνες H. — Mit gr. αἰθήρ identisch. I-20

ἀδημονέω ‘unruhig, ängstlich sein’ (Hp., Pl., X. usw.); davon ἀδημονία (Epikur., Plu. u. a.), ἀδημοσύνη (Demokr., X.). — Falls die bei Nik. Fr. 16 vorliegende Kürze des ἀ- auf alter Tradition beruht und nicht durch nachträgliche Assoziation mit dem α privativum entstanden ist, darf man mit Allen Cl. Rev. 20, 5 m. A. ἀδημονέω zu δαῆναι ziehen und mit Debrunner Mél. Boisacq 1, 266 als aus *ἀδαημονέω kontrahiert auffassen. Wagt man dagegen mit ursprünglicher Länge des ἀ- zu rechnen, liegt es nahe, darin einen Vertreter der Sippe von ἡδύς zu sehen. Leumann Hom. Wörter 309 A. 82 faßt das Ptz. ἀ̄δημονέων als eine epische (hexametrische) Erweiterung von *ἀ̄δήμων auf, das zu *ἀ̄δέω aus ἀηδέω (von ἀηδής) gebildet worden sei. Vgl. Bechtel Lex. s. ἀδέω, Dial. 3, 268. I-20

ἀδήν, -ένος f. m. ‘Drüse’ (Hp., Gal. u. a.). Ableitungen: ἀδενώδης (Plu., Mediz.), ἀδενοειδής (Mediz.). — Von de Saussure MSL 6, 53 mit lat. inguen, -inis (nach unguen, sanguen, abdōmen) ‘(Geschwulst in der) Schamgegend’ identifiziert, idg. *n̥gēn. Nisl. økkr m. ‘glans, glandula, tuber’ mit awno. økkvenn ‘glandulosus, tuberosus’ (Bugge BB 3, 115) kann eine, anders gebildete, damit ablautende Form, urg. *enku̯a-, idg. *engo- darstellen. Dagegen kann νεφρός nur mit willkürlichen Kunstgriffen hierher gezogen werden. I-20

ἅδην (Il. usw.) ‘bis zur Sättigung, genug’ — vielleicht Akkusativ eines Substantivs, das in ἁδη-φάγος ‘gefräßig’ vorliegen könnte; vgl. noch ἄαδα unten. Davon ἀδαῖος ‘zur Sättigung führend, unangenehm’ (Sophr., H.). Das zugrunde liegende Verb ist in mehreren Formen belegt, wie ἄ̄μεναι (Il.), Aor. ἆσαι, ἄ̄σασθαι (ep.) ‘sich sättigen’, s. d., dazu das Verbaladjektiv ἄατος, s. d. — Der mit δ erweiterte Stamm liegt in zahlreichen Ableitungen vor: ἅδην s. oben. Hierher auch ἄαδα· ἔνδεια. Λάκωνες. οὕτω καὶΑριστοφάνης ἐν γλώσσαις H. Davon (oder von *ἄαδος) ἀαδεῖν· ἀπορεῖσθαι, ἀσιτεῖν H.; s. Frisk Subst. priv. 16. — ἅδος m. od. n. ‘Sättigung’ (Λ 88). — ἁδινός ‘dicht gedrängt, reichlich’ (vorw. ep.). — ἁδρός, s. d. — ἀδμωλή, s. d. Unklar ist die Bildung von ἄση, s. d. — Der Stamm ἁδ- kann eine genaue Entsprechung in arm. at-ok‘ ‘voll, ausgewachsen’ (vgl. ἁδρός) haben, Frisk Etyma Arm. 16ff. In den übrigen Sprachen findet sich dafür eine t- Erweiterung: lat. satis, got. saþs ‘satt’ usw., s. Frisk a. a. O. I-20-21

ἀδίαντον auch ἀδίαντος m. n., Pflanzenname, ‘Adiantum’ (Thphr. usw.), eig. ‘was nicht benetzt werden kann’; — zur Erklärung Strömberg Pflanzennamen 74f. I-21

ἀδίκη ‘Nessel’ (Ps.-Dsk. 4, 93). — Bildung wie ἑλίκη ‘Weide’, aber sonst dunkel. Die Anknüpfung an Wörter für ‘Nessel’ in anderen Sprachen, z. B. ahd. nazza, nezzila, mir. ne-naid (Sütterlin IF 4, 92) steht und fällt mit der höchst unsicheren Herleitung aus einem idg. Grundwort mit anlautendem sonantischem -: *n̥d-ikā. I-21

ἁδινός s. ἅδην und ἁδρός. I-21

ἄδις · ὡςΑπίων, ἀθρόοι, ἢ ἐσχάρα H. — Im Sinn von ἀθρόοι falsch für ἅλις; im Sinn von ἐσχάρα nach v. Blumenthal IF 49, 179 makedonisch (= lat. aedes). I-21

ἀδμωλή · ἀπορία, ὀλιγωρία, ἄγνοια, ἡσυχία H. — mit Nebenform ἀδμωλία· ἡ ἄγνοια Suid. aus Kall. (Fr. 338), ἀδμολίη EM. Davon ἀδμωλῶ· ἀκηδιῶ Suid., ἀδμωλεῖν· ἀγνοεῖν ἢ ἀγνωμονεῖν ἢ ἀκηδιᾶν EM. Falls eig. ‘gesättigter Zustand’ (> ‘Überdruß, Gleichgültigkeit, Vernachlässigung’) zu ἅδην mit suffixalem -μωλ-. Frisk Eranos 41, 52, wo ausführlich über die Stammbildung. I-21

ἀδνόν · ἁγνόν. Κρῆτες H. — Wohl nur hyperkorrekte Aussprache, durch den bisweilen vorkommenden Übergang δν > γν (’Αριάγνη) verursacht. I-21

ἀ̄δολέσχης m. ‘Schwätzer, Plauderer’, — vgl. Björck Alpha impurum 142, 41 (alte Kom., Pl. usw.), auch (spät) ἀδόλεσχος. Davon ἀδολεσχία, -έω, -ικός. Vielleicht mit verbalem Vorderglied aus *ἀαδο-λέσχης zu ἀαδεῖν· ὀχλεῖν H. aus *ἀ-σϝᾰδεῖν, vgl. ἀαδής Thgn. 285 (aus ἀδαής verbessert). S. ἁνδάνω, ἡδύς. Boisacq s. v. nach Schulze Q. 452f. Andere Vorschläge bei Bq. I-21

ἀδραία · αἰθρία H. — Wohl makedonisch. Vgl. v. Blumenthal Hesychst. 5. I-21

Ἄδραστος ‘der nicht wegläuft’. — Über den Sinn dieses Namens s. E. Maaß Byz.-ngr. Jbb. 5, 179ff. I-21

ἀδράφαξυς s. ἀτράφαξυς. I-21

ἁδρός ‘voll, dicht, ausgewachsen, reif’ (ion. att.). Ableitungen: ἁδρότης ‘Stärke’ (hell. u. spät; über den homer. Akk. ἀ(ν)δροτῆτα s. ἀνήρ); ἁδρύνω ‘reif machen’, med. ‘reif werden’ mit ἅδρυνσις; vereinzelt auch ἁδρέω, ἁδρόομαι. Außerdem ἁδρώδης als Pflanzenname, Strömberg Pflanzennamen 82. Ableitung auf -ρο- von dem in ἅδην (s. d.) u. a. vorliegenden Stamm ἁδ-. — Näheres über die Bildung unbekannt; das nahverwandte ἁδινός könnte auf einen r-n-Stamm schließen lassen. Frisk Etyma Armen. 17f. m. Lit. I-21-22

ἄδρυα · πλοῖα μονόξυλα. Κύπριοι. ... Σικελοὶ δὲ ἄδρυα λέγουσι τὰ μῆλα, παρὰ δὲΑττικοῖς ἀκρόδρυα. H. Auch οἱ τύλοι ἀρότρου, διὧν ὁ ἱστοβοεὺς ἁρμόζεται. H. — Steht für *ἅ-δρυα ‘aus éinem Baum bestehend’, aus ἁ- und δρῦς. Lit. bei Bq; zu dem Pflanzennamen s. auch Strömberg Wortstudien 46. I-22

Ἄδωνις, -ιδος, auch Ἄδων, -ος. — Die geläufige und sehr bestechende Ansicht, daß ’Αδωνις ein semitischer Name wäre (vgl. hebr. ’ādōn ‘Herr’), wird von Kretschmer Glotta 7, 29ff. bestritten. K. sieht stattdessen darin eine Ableitung von ἁδεῖν, ἁνδάνω. Für semitische Herkunft noch W. W. Graf Baudissin ZDMG 70, 423ff.; dagegen, mit neuen Argumenten, Kretschmer Glotta 10, 235f. (älteste Form Ἅδωνις, mit spir. asper, inschriftlich aus Tarentum belegt). Unhaltbar Pisani Rend. Acc. Lincei 6: 5, 5f., vgl. Kretschmer Glotta 20, 250f. I-22

ἄεθλος m., -ον n. ep. ion. poet., [ἄ]ϝεθλα ark. (IG 5 : 2, 75), att. kontr. ἆθλος, -ον ‘Mühsal, Wettkampf, Kampfpreis’. Ableitungen: ἀέθλιον ‘Wettkampf, Kampfpreis’ (ep.), ἀέθλιος ‘zum Wettkampf gehörig’ (Thgn., Kall.), ἄθλιος ‘unglücklich’ (att.) mit ἀθλιότης; — ἀ(ε)θλέω, -εύω ‘sich bemühen, wettkämpfen’ mit ἀ(ε)θλητήρ, -τής, ἀ(έ)θλημα, -σις, -τικός. Zur Bedeutung vgl. Trümpy Fachausdrücke 150f. — Unerklärt. Fruchtlose Deutungsversuche sind verzeichnet bei Bq; s. ferner WP. 1, 223, Pok. 84, Güntert Weltkönig 70f. I-22

ἀείδω, att. ᾄδω ‘singen, besingen’. Ableitungen: ἀοιδή, ᾠδή ‘Gesang, Lied’, woraus ἀοίδιμος, ᾠδικός. Nom. agentis ἀοιδός, ᾠδός ‘Sänger’. Davon (oder von ἀοιδή) ἀοιδιάω ep. = ἀείδω (vgl. Schwyzer 732 β); von ᾠδήΩιδεῖον Gebäude (in Athen) für musische Wettkämpfe (vgl. Chantraine Formation 61). Ferner ἄεισμα, ᾆσμα n. ‘Gesang, Lied’ (ion. att.) mit ᾀσμάτιον (Pl. Kom.). ᾀσμός m. ‘ds.’ (Pl. Kom.). — Zu αὐδή, aber nähere Beziehungen unklar. Nach der geistreichen Annahme Wackernagels KZ 29, 151f. ist ἀείδω aus einem reduplizierten Aorist *ἀ-ϝε-ϝδ-εεν entsprungen, der zuerst durch Dissimilation *ἀ-ϝε-ιδ-εῖν ergeben hätte, wie (ϝ)ειπεῖν für *ϝε-ϝπ-εεν steht. Zu dem so neugeschaffenen Präsens ἀείδω ferner ἀοιδός usw. Aber nach ἀλκή, ἀλ-αλκ-εῖν (neben ἀλέξω) zu schließen, hätte man neben αὐδή einen Aorist *ἀϝ-αυδεῖν erwartet. — Die Zerlegung in eine Wurzel αὐ- (s. ἄβα) mit zwei Erweiterungen: ηι (> ει oder η) und δ: ἀϝ-εί-δ-ω, ἀϝ-η-δ-ών neben αὐ-δ-ή (Specht KZ 59, 119ff., Ursprung 281) ist sehr künstlich. Abzulehnen Diehl RhM 89, 96f., über den Gebrauch ebenda 91f. I-22-23

ἀείρω 1. att. αἴρω, wahrscheinlich zum Fut. att. ἀ̄ρῶ aus ἀερῶ neugebildet (anders Brugmann KZ 27, 196ff.) ‘emporheben, aufheben’. Verbalnomina: ἄρσις f. ‘Hebung’ (Arist. usw.; κάταρσις Th.); ἀρτήρ s. d. — Unerklärt. Gegen den sonst einleuchtenden Vorschlag von Buttmann Lexilogus 1, 260 A. 5 und von Bréal MSL 15, 149f., ἀείρω als Denominativum von ἀ̄ήρ abzuleiten wie nhd. lüften, nschw. lyfta von Luft, spricht die verschiedene Quantität des anlautenden ἀ-; doch ist dieser Einwand vielleicht nicht entscheidend (Frisk Eranos 32, 55f.). Verfehlt Margadant IF 50, 122. — Mit ἀείρω ist μετήορος, att. μετέωρος, äol. πεδάορος ‘in die Höhe gehoben’ semantisch verknüpft. Es kann aber auch eine Hypostase von ἀήρ sein. Vgl. αἰώρα, αἰωρέω; s. auch 2. ἄρμα. I-23

ἀείρω 2. (Κ 499 σὺν δἤειρεν ἱμᾶσι, Ο 680 πίσυρας συναείρεται ἵππους), vgl. ξυναίρεται· συνάπτεται H. nur mit σύν, ‘zusammenbinden, zusammenkoppeln’ Mit Solmsen Untersuchungen 289ff. wahrscheinlich von ἀείρω ‘heben’ zu trennen. Neben dem primären Verb steht ein Nominalstamm -αορ-, etwa ‘Band, Koppel’, in *τετρ(α)-άορος, τετρά̄ορος, kontrah. τέτρωρος ‘mit vier Koppeln, zu vieren gekoppelt, vierspännig’ (seit Od.); davon τετρᾱορία ‘vierspänniger Wagen’ (Pi.). Zu συναείρω ebenfalls συνά̄ορος, συνήορος ‘zusammengekoppelt, Gatte, Gattin’ (seit Od.) mit dem Denominativum συνωρίζω ‘zusammenkoppeln’ (E., Nik. u. a.) und der Ableitung att. συνωρίς, -ίδος f. ‘Zweigespann’; von συνωρίς stammt συνωρικεύεται ‘fährt mit einem Zweigespann’ (Ar. Nub. 15), das als Grundlage erwartete *συνωρικός fehlt; von συνωρίς ebenfalls συνωριαστής ‘Lenker e-r συνωρίς’ (Luk.), das eigentlich ein Verb *συνωριάζειν voraussetzt. — Als Kontrastbildung zu συνήορος dient παρήορος, παρά̄σρος (Il. usw.) ‘beigeschirrt(es Pferd)’, außerdem ‘ausgestreckt’ und ‘unvernünftig’ (darüber Leumann Hom. Wörter 222ff.); ebenso scheint neben συναείρω ein παραείρω existiert zu haben, allerdings nur in einer abweichenden Verwendung belegt: Π 341 παρηέρθη δὲ κάρη ‘der Kopf hing zur Seite’, vgl. Leumann a. a. O. Auch die vereinzelt vorkommenden ἀπήορος ‘weit entfernt’, ἐπήορος ‘darüber hängend’, κατήσρος ‘herabhängend’ (mit κατωρίς ‘herabhängendes Band’) werden von Solmsen hierhergezogen, aber wenigstens die beiden letztgenannten gehören vielmehr mit μετήορος, μετέωρος zusammen, s. ἀείρω 1. und ἀήρ. — Zu ἀείρω ‘anbinden’ gehört mit regelmäßiger o-Abtönung das Nomen actioms ἀορτή eig. *‘das Anbinden, das Anhängen’, konkret ‘angebundener, angehängter Gegenstand, Sack (zum Anhängen)’ (Men. usw.), als mediz. Ausdruck Bez. der Bronchien und der schlauchähnlichen Aorta (Hp., Arist. u. a.). Ferner das Nomen agentis od. instrumenti ἀορτήρ, -ῆρος m. eig. *‘Anbinder, Anhänger’, ‘das Koppel an dem das Schwert hängt, Wehrgehenk’; der o-Vokalismus ist nicht erklärt: nach ἄορ (Schulze Q. 206) oder ἀορτή?, kaum äolisch. — Daneben ἀόρτης (Pap., H.) und ἀορτεύς (H.). Eine denominative oder deverbative Bildung liegt im Ptz. ἀορτηθείς ‘aufgehängt’ (AP) vor. — ἄσρτρα n. pl. ‘Lungenlappen’ (Hp.) nach den Nomina auf -τρον, Chantraine Formation 331f. Unsicher ἄορ, -ορος n. ‘Schwert’, s. d. — Hierher ἀρτάω ‘aufhängen’, s. d. Vgl. noch ὄαρ. Eine überzeugende außergriechische Anknüpfung fehlt. Gewöhnlich wird ἀείρω ‘anbinden’ zu einer Wurzel u̯er- ‘binden, anbinden, anhängen, Schnur, Strick’ gezogen mit Vertretern im Baltischen und Slavischen, z. B. lett. veŕu, ver̃t ‘reihen, sticken usw.’, auch ‘einfädeln’, lit. virvė̃ ‘Strick’, aksl. obora (< ob-vora) ‘Strick’. In Betracht kommt auch alb. vjer ‘aufhängen’ (falls nicht zu ἀείρω ‘emporheben’), ferner mit anl. su̯- lit. sveriù und eine Menge anderer Wörter, die ungenügend untersucht sind, s. die Zusammenstellung bei WP. 1, 263ff. m. Lit., für das Albanesische noch Jokl Untersuchungen 194. — Zur Vokalprothese in ἀείρω Harl KZ 63, 18. I-23-24

ἀέλιοι · οἱ ἀδελφὰς γυναῖκας ἐσχηκότες H., — αἴλιοι· σύγγαμβροι H., daneben εἰλίονες bei Pollux 3, 32 (οἱ δὲ ἀδελφὰς γήμαντες ὁμόγαμβροι ἢ σύγγαμβροι ἢ μᾶλλον συγκηδεσταὶ καὶ παρὰ τοῖς ποιηταῖς εἰλίονες), das metrische Dehnung von *ἐλίονες (bzw. *ἑλίονες) sein kann. In αἴλιοι könnte itazistische Schreibung für *ἔλιοι (*ἕλιοι) vorliegen; anl. ἀ- in ἀέλιοι wohl kopulativ. Urverwandt mit awno. svilar m. pl. ‘Schwäger, deren Frauen Schwestern sind’, idg. *su̯e-lo-, su̯e-lii̯o(n)-, l-Ableitungen vom Reflexivum *su̯e. Vgl. Specht Ursprung 166, außerdem Mezger Word 4, 99. I-24

ἄελλα, ep. ἀέλλη, äol. αὔελλα ‘Sturmwind’. Ableitungen: ’Αελλώ, -οῦς f. N. einer Harpyie (Hes.); ἀελλαῖος, ferner auch ἀελλάς ‘sturmschnell’ (S.), ἀελλήεις (Nonn.), ἀελλώδης (Sch. Il.). Hierher ferner der Vogelname ἀελλός (H.) und ἄελλον· ταχύ EM; zu bemerken auch ἀελλής (κονίσαλος Γ 13), vielleicht nach ἄελλα aus ἀολλής umgebildet. Retrogrades Verb: ἀέλλεται· πνεῖ EM. — Bildung wie θύελλα von ἄημι (vgl. ἀε-τμός), zunächst zu einer l-Ableitung, die auch im Keltischen belegt ist: kymr. awel f. ‘Wind, Hauch’ u. a. Grundform also *ἀϝελ-ι̯ᾰ bzw. -ι̯ᾱ, vgl. ἀείλη· πνοή H. I-24-25

ἄεμμα n. ‘Bogen’ (Kall.). — Falls eigentlich ‘Bogensehne’ (vgl. νευρά ‘Bogensehne’, auch ‘Bogen’), wahrscheinlich künstliche Zerdehnung aus ἅμμα ‘Knoten, Band’. — Über den EN ’Εχέμμας (Kall.), eig. Kurzname für ’Εχέ-μηλος od. ä., aber vielleicht als ἔχων ἄεμμα gedeutet, s. Ziegler RhM 87, 74ff. I-25

ἀέξω s. αὔξω, αὐξάνω. I-25

ἄεπτος poet. Adj. unsicherer Bedeutung, vgl. ἄεπτον· ἰσχυρόν, ἀοίκητον (Abresch ἄθικτον) H. — In der Überlieferung durch ἄαπτος (s. d.) oder ἄελπτος (A. Supp. 908, Ag. 141 usw.) zurückgedrängt. Herkunft unsicher; neben ἔπος erwägt Wackernagel Stud. itfilcl. 5, 27ff. Verwandtschaft mit ἕπω ‘besorgen’. I-25

ἀεροπός · κοχλίας H. — Von Muller Mnemosyne 46, 153 erklärt als "aereis pedibus praeditus", von idg. *ai̯os ‘Bronze’. Unwahrscheinlich. Vgl. ἠερόφωνος. I-25

ἄεσα ‘zubringen’. ep. Aor., immer mit νύκτα(ς) verbunden, Dazu Präsens ἀέσκω, ἀέσκοντο (Hdn., H., EM). — Zu aind. vásati ‘verweilen’, got. wisan ‘sein’, arm. gom ‘ich bin’ usw. (L. Meyer KZ 22, 530ff.), fraglich dagegen heth. ḫuiš-zi ‘er lebt’ (Kuryɫowicz Ét. indo-eur. 74). Über das (prothetische?) ἀ- Solmsen Unt. 267. Die ursprüngliche Form ἄϝεσ-σα glaubt Bechtel Lex. in der Variante ἀέσσαμεν π 367 erkennen zu können. Vgl. ἄστυ, ἑστία. I-25

ἀεσίφρων (Hom., Hes.), — falsch für ἀασί-φρων ‘geschädigt am Verstande’ Buttmann Lexilogus 1, 212, Bechtel Lexilogus s. v. mit antiken Gewährsmännern. Davon ἀεσιφροσύνη (Hom., Hes.). Zu ἀάω; vgl. ἀασι-φόρος· βλάβην φέρων H. I-25

ἄζετον · ἄπιστον. Σικελοί H. Davon der Konjunktiv ἀζετωθέωντι (Delphi, SGDI 2034, 17). — Unerklärt. Vgl. Fraenkel Gnomon 21, 39, Hermann Mélanges Boisacq 1, 467. I-25

ἀζηχής, -ές Bei H. auch ἀζαχές und ἀζεχές· ἀδιάλειπτον. ‘ἄπαυστος, συνεχής, unablässig’ (Hom.). — Vgl. Suidas ἀζηχές· ἀδιεχές. Aus *ἀζαεχής, das überall bei Homer zulässig ist und für *ἀ-δια-εχής stehen kann. Schulze Q. 471, Bechtel Lex. I-25

ἄζον · μέλαν, ὑψηλόν H. — v. Blumenthal Hesychst. 33 schlägt ansprechend vor, statt μέλαν μέγαν zu lesen; sein Erklärungsversuch (aus *αγ-ι̯ον, zu ἄγαν und μέγας) ist dagegen sehr fraglich. I-25

ἄζω 1. ‘trocknen, dörren’ (poet. seit Il.); daneben ἄζα ‘Trockenheit, Hitze’ (hell. Dichter); im Ausdruck σάκος ... πεπαλαγμένον ἄζῃ (χ 184) gewöhnlich als ‘Rost, Schimmel’ erklärt. Bildungsweise und Verhältnis zu ἄζω unklar. — Ableitungen: ἀζάνομαι (h. Ven.), ἀζαίνω (Nik.) ‘austrocknen’, beide deverbativ. Adj. ἀζαλέος ‘dürr’ (Il. usw.), vgl. ἰσχαλέος, αὐσταλέος und andere Synonyme; das l-Suffix steht vielleicht mit dem n-Suffix in ἀζάνομαι, ἀζαίνω in Verbindung (Debrunner IF 23, 4 und 43, Chantraine Formation 253f.). — Über ἄδδαυον s. d. Ihre nächsten Verwandten haben ἄζω und ἄζα in čech. apoln. ozd ‘Malzdarre’, čech. slov. ozditi ‘Malz dörren’, idg. azd-. Daneben mit gutturalem Auslaut german. Wörter wie got. azgo, ahd. asca ‘Asche’. Idg. ā̆s- erscheint u. a. in lat. āreo ‘trocken sein’, wohl auch in āra, alat. āsa ‘Altar’ (wozu vielleicht auch heth. ḫašša- ‘Herd’ nach Pedersen Hittitisch 164), aind. ā́sa- m. ‘Asche, Staub’. Das nähere Verhältnis dieser Wörter zueinander ist nicht aufgeklärt; Spekulationen bei Specht Ursprung 201, 219, 232. Weitere Lit. bei Bq und Pok. 69. — Anders über ἄζα Fraenkel bei Winter Prothet. Vokal 7, Glotta 32, 22, Lexis 3, 55f. S. auch ἄσβολος. I-25-26

ἄζω 2. ‘seufzen, stöhnen’, s. ἆ Interjektion. I-26

ἀηδών, -όνος f. (m.) ‘Nachtigall’ (seit Od.), auch ἀηδώ, -οῦς f. (S. und Ar. in lyr.), aus *ἀϝηδών (ἀβηδόνα· ἀηδόνα H.). Ableitungen: ἀηδονίς f. (E. usw.), ἀηδονιδεύς m. (Theok. 15, 121 nach Valckenaer für ἀηδονιεύς), ἀηδόνιος (A., Ar.). — Zu ἀείδω, αὐδή; die näheren Beziehungen sind nicht festzustellen. Ansprechend ist der Vorschlag Solmsens Unt. 238, 266, ἀϝηδ-ών als Dehnstufe der in αὐδ-ή durch Schwundstufe vertretenen Wurzel (a)u̯ed- zu betrachten. Dann wäre ἀηδ-ών von χελι-δών, τενθρ-ηδών usw. morphologisch zu trennen. Anders Specht, s. ἀείδω. I-26

ἄημι ‘wehen’ (ep. poet.). Zum Formenbestand Schwyzer 680. Ableitungen: ἀήτη f., ἀήτης m. ‘Wind’, vgl. Leumann Hom. Wörter 268 A. 13; dazu noch die selteneren und ebenfalls poetischen ἄημα, ἄησις. Auf ein t-Suffix geht auch ἀήσ-υρος ‘luftig, windschnell usw.’ (poet.) zurück, vgl. aind. vātula- ‘windig’. Eine sekundäre Ablautstufe ἀε- (aus ἀϝε-, vgl. unten) liegt wahrscheinlich vor in ἀετμόν· τὸ πνεῠμα, woraus ἀτμός, s. d.; ebenso in ἄελλα, s. d. Neubildung ἄος· πνεῦμα ἢ ἄημα (cod. ἴαμα) H. Unverwandt dagegen ἀήρ. — ἄημι ist ein altes athematisches Präsens, bis auf ἀ- mit aind. vā́-ti ‘wehen’ identisch. Vgl. noch die germ. und slav. Wörter für ‘wehen’, got. wai-an, ahd. wā-jan, wāen, aksl. vě-jǫ. Neben der griechischen Ableitung auf -tā- in ἀήτη steht im Indoiranischen ein Substantiv auf -to-, aind. vā́-ta- m. ‘Wind’. Dafür bieten mehrere Sprachen eine (urspr. partizipiale?) Bildung auf -nt(o)- wie lat. ventus, got. winds, toch. A want, heth. ḫuu̯ant- ‘Wind’ mit anlautendem Laryngal (= ἀ- in ἄημι?). Näheres bei Solmsen Unt. 270ff., Persson Beiträge 7ff. mit teilweise unsicheren Verknüpfungen, Pok. 81ff. I-26-27

ἀ̄ήρ, ἠέρος ‘Nebel, Gewölk’ (so immer Hom., vgl. Louis Rev. de phil. 74, 63ff., Hes.) m. gew. ‘(niedere) Luft’ (ion. att.). Der Nominativ ἀ̄ήρ durch Dissimilation (Brugmann IF 38, 117), davon att. Gen. ἀ̄έρος; später ion. Nom. ἠήρ. Äol. αὔηρ, dor. ἀβήρ (= αὐήρ) H. f. Ableitungen: ἠερόεις, ἠεροειδής ‘dämmerig, umwölkt’; ferner αὔρ-α ‘frische Luft, leiser Luftzug’ (ε 469 usw., poet.). — ἀήρ gehört nicht zu ἄημι, sondern ist ein Wurzelnomen unbekannter Herkunft. Nach Meillet BSL 26, 7ff. eig. ‘suspension’, zu ἀείρω ‘emporheben’ (s. d.); Bedenken bei Frisk Eranos 32, 51ff. S. auch Fraenkel Glotta 32, 23. I-27

ἀήσυλος (ἅπ. λεγ. Ε 876 ἀήσυλα ἔργα). — Wahrscheinlich Umbildung von αἴσυλος ‘frevelhaft’ (αἴσυλα ῥέζειν Ε 403 usw.) nach unbekanntem Vorbild (ἄημι?, ἀήσυρος?). Andere Erklärungen bei Bechtel Lex. und Brugmann Sächs. Ber. 1901, 94. I-27

ἀήσυρος s. ἄημι. I-27

ἄητος in θάρσος ἄητον Φ 395 (θ. ἄᾱτον Q. S. 1, 217). — Vgl. H. ἄητοι· ἀκόρεστοι, ἄπληστοι, ἀήτους· μεγάλας. Hdn. Gr. 1,220 ἄητος· ὁ ἀκατάπαυστος. Die Erklärung durch ἀκόρεστοι, ἄπληστοι läßt auf Assoziation mit ἄμεναι, ἆσαι schließen; von ἄατος, ἆτος unterscheidet sich ἄητος somit durch die (sekundäre?) Verlängerung des Vokals. Vgl. auch αἴητος. I-27

ἀθᾰ́ρη (alte Kom.), auch ἀθήρη, -α f. (Hellanik., Sophr. usw.; von ἀθήρ beeinflußt?) f. ‘Weizenbrei, Speltgraupen’. Davon ἀθαρώδης (Ruf. Med.) und ἀθήρωμα ‘Art Geschwulst’ (Gal.). — Unerklärt; nach Plin. N. H. 22, 121 ägyptisch. Anschluß an ἀθήρ scheint weder lautlich noch begrifflich möglich zu sein. I-27

ἀθέλγειν · ἀμέλγειν H., EM. (ἐξ)αθέλγεται (Hp.), von Gal. mit παρίεται, διεκλύεται erklärt. — Erinnert an ἀθελβάζειν· διηθεῖν (H.), ἀθέλβεται· διηθεῖται (AB), ἀθέλδεται· διηθεῖται (Diokl. Com.) usw., s. Fick BB 16, 287, 290; 18, 142 und Solmsen Wortforschung 9 A. 1. Wegen ἀθέλβω erwägt Solmsen für ἀθέλδω eine Grundform *ἀθελg-ι̯ω, doch liegen vielmehr verschiedenartige Kontaminationen vor, ebenso wie ἀθέλγω im Auslaut offenbar vom bedeutungsverwandten ἀμέλγω beeinflußt wurde. Im übrigen dunkel. I-27

ἀθερίζω ‘gering achten, verachten’ bei Homer nur im Präsensstamm u. zw. immer mit Negation; später auch im Aorist und in bejahenden Sätzen. Dazu ἀθέριστος· ἀφρόντιστος Zonar., A. Fr. 128 (cod. -ιτον). — Nicht sicher erklärt. Seit Leo Meyer Vgl. Gramm. 2, 23 oft aus einem *ἄθερος = aind. ádhara- ‘unten befindlich’ hergeleitet, s. Bechtel Lex. Persson Beiträge 52 vergleicht ansprechend ἀθερές· ἀνόητον, ἀνόσιον H. und erwägt Verwandtschaft mit aind. dhar- ‘festhalten, tragen’ usw. (s. θρόνος). I-27-28

Αθήνη ep. poet.; dor. usw. ’Αθάνα, gemeinhellenische Stadtgöttin, die aus der gewappneten Palastgöttin der mykenischen Zeit hervorgegangen ist und letzten Endes auf eine hausschützende Schlangengöttin der minoischen Zeit zurückgeht. Nach der Göttin wurde die Stadt ’Αθῆναι, dor. ’Αθᾶναι, benannt. — Davon ’Αθηναῖος ‘athenisch, Athener’ (seit Il.) mit dem substant. Fem. ’Αθηναία, -η, das auch als Name der Göttin vorkommt (88mal im Epos). Daraus (über ’Αθηνάα) durch Kontraktion die attische Form ’Αθηνᾶ. — Wie die Göttin ist auch ihr Name vorgriechisch und unerklärt. Ausfuhrliche Darstellung bei Nilsson Gesch. d. griech. Religion 1, 433ff. mit weiterer Lit., außerdem Kretschmer Glotta 27, 243ff. m. Lit. — Verfehlt v. Windekens Le Muséon 63, 99ff. I-28

ἀθήρ, -έρος ‘Granne an der Ähre, Achel, Spreu’, auch ‘Schneide, Spitze einer Waffe’ (seit Hes.), ἀθηρηλοιγός ‘Worfschaufel’ (eig. "Achelverderber"?; Od.). m. Ableitungen: ἀθερίνη f., -ῖνος m. ‘Art Stint, Atherina hepsetus’ (Arist. usw.), vgl. Chantraine Formation 204, Thompson Fishes s. v.; ἀθερηΐς, -ίδος f. ‘stachelig’ (Nik.), ἀθερώδης (Thphr.). — Neben ἀθήρ stehen einige Wörter mit Nasal in ähnlichen Bedeutungen: ἀνθέριξ, -ικος m. = ἀθήρ, auch ‘Ähre, Halm’ (Il. usw.), ἀνθέρικος m. ‘Stengel des Asphodelos, Asphodelos-Pflanze’ (alte Kom., Thphr. usw.), davon ἀνθερικώδης (Thphr.). Mit dem ortsbezeichnenden Suffix -εών: ἀνθερεών, -ῶνος m. ‘Kinn’ (Il. usw.). Hinter ἀνθέριξ und ἀνθερεών liegt vielleicht ein Nomen ἀνθερο- (Bechtel Lex. s. ἀνθερεών, Krogmann Glotta 23, 220ff., der als Bedeutung ‘hervorragend’ ansetzt und auch ἄνθος anschließt, idg. andh- ‘hervorragen’; unbeweislich). — In Betracht kommen ferner ein paar Namen der Wespe oder Waldbiene: ἀνθρήνη, ἀνθρηδών, s. d. — Vgl. noch ἄνθρυσκον und ἄνθρωπος. — Etymologie unbekannt. Ob die nasalierten Formen durch volksetymologische Anknüpfung an ἄνθος zu erklären sind, bleibt unsicher; noch zweifelhafter ein idg. Ablautwechsel andh- : n̥dh- (> gr. ἀθ-). Frühere Erklärungsversuche bei Bq und WP. 1, 45; vgl. auch W.-Hofmann s. ador, das schwerlich mit ἀθήρ verwandt ist. I-28

ἀθραγένη Pflanzenname, ‘Clematis vitalba’ (Thphr.). — Morphologisch ganz dunkel. Das Vorderelement ἀθρα- erinnert an das folgende Wort und würde zu einem Schlinggewächs nicht schlecht passen. Andere Deutungsversuche bei Strömberg Pflanzennamen 108. I-28

ἄθρας · ἅρμα. ‘Ρόδιοι H. — Mit aind. vandhúra- m. ‘Wagenkorb (aus Geflecht)’ zu nhd. winden und verwandten Wörtern (WP. 1, 261). Idg. u̯endh- : u̯n̥dh- (> gr. [ϝ]αθ-). Lidén Streitberg-Festgabe 227. — Nach Bănăt̨eanu REIE 3, 149 dagegen kleinasiatisch. — Vgl. κάνναθρον. I-29

ἀθρέω ‘betrachten, anschauen, erwägen’ (seit Il., vorw. poet.). Ohne Ableitungen; nur von ἀν-, δι-αθρέω finden sich vereinzelt ἀν-, δι-άθρησις. — Nicht sicher gedeutet. Seit Ahrens Kl. Schriften 1, 447 und Fick4 1, 468 oft mit ἐνθρεῖν· φυλάσσειν H. zusammengestellt, wozu ferner θρήσκω· νοῶ H., θρησκεύω usw. Hoffmann Festschrift Bezzenberger 78f. geht von einem Nomen *ἀ-θρ-ος ‘auf ein Ziel gerichtet, loshaltend’ aus, das idg. dher- ‘halten’ (s. θρόνος) und α copulativum enthalten soll. Vgl. ἀθρόος. — Über Gebrauch und Bedeutung von ἀθρέω handelt Prévot Rev. de phil. 61, 246f. I-29

ἀθρόος und (att.) ἁθρόος (spiritus asper wiederhergestellt nach ἅπας, ἅμα) ‘zusammengedrängt, versammelt, insgesamt’ (seit Hom.). Davon ἀθροίζω (ἁ-) ‘versammeln’ (ion. att.) mit den Verbalnomina ἄθροισις, ἄθροισμα, -σμός und dem Adj. ἀθροιστικός vorw. Grammatikerterminus ‘kopulativ, kollektiv’. — Den besten Vergleich bietet aind. sadhríy-añc- ‘nach einem Ziele hingerichtet, vereinigt’ (Brugmann Totalität 14ff.); vgl. ἀθρέω, θρόνος. Die Bildungsweise von ἀθρόος ist aber nicht genügend aufgeklärt (abzulehnen Brugmann IF 38, 135ff.: *ἁ-θρο-ι-ος eig. ‘zusammenhaltend gehend’). — Risch 179 vergleicht ἀλλό-θροος; urspr. also "zusammenrufend"? I-29

ἀθύρω ‘spielen, sich belustigen’, vorw. poet. seit Il., nur im Präsensstamm. Ableitungen: ἄθυρμα ‘Spiel, Unterhaltung’ (seit Il.), im Plur. auch ‘Schmucksachen’, mit dem Deminutivum ἀθυρμάτιον. Ein Deverbativum ist ἀθυρεύεσθαι· παίζειν, μιγνύειν, σκιρτᾶν H. — Erwägenswert ist die Anknüpfung Perssons Beiträge 577 A. 1 an eine besonders im Baltischen und Slavischen vertretene Sippe, z. B. lit. padùrmai ‘mit Ungestüm’, russ. durь ‘Torheit’, idg. dhu̯er- ‘wirbeln, stürmen, eilen’. Das ἀ- wird gewöhnlich als Schwundstufe von idg. *en ‘in’ betrachtet. Vgl. θέω, θύω, θοῦρος. I-29

αἰ ‘wenn’ s. εἰ. I-29

αἶα f. ‘Erde’ (poet. seit Il.). Ohne Ableitungen. — Nach Brugmann IF 15, 94ff., 29, 206ff. eigentlich ‘Mutter’ und mit lat. avia identisch, vgl. EM 27, 24 αἶα· ὑπὸ Κυρηναίων τηθὶς καὶ μαῖα. Sehr unsicher. Noch zweifelhafter Jacobsohn KZ 38, 295f., Philol. 67, 484f.: zu aind. sasyám ‘Feldfrucht’, kymr. haidd ‘hordeum’. Vgl. γαῖα und μαῖα; dazu Güntert Reimwortbildungen 126f. I-29

αἰάζω ‘ächzen, jammern, klagen’ (Tragg. u. a.). Davon αἴαγμα ‘das Ächzen’, αἰακτός ‘zu bejammern’, αἰαστής eig. ‘der Jammerer’, N. der Pflanze ὑάκινθος (Nik.). — Eig. ‘αἰ(αῖ) rufen’, von der Interjektion αἴ, die mit ähnlichen Bildungen in anderen Sprachen elementarverwandt ist. I-30

αἰᾱνής, ion. αἰηνής ‘grausig, düster’ (poet., ion. att.), im Sinn von ‘ewig’ (A., Lyk.) nach αἰεί umgedeutet. — Mehrere Deutungsvorschläge. Nach Wackernagel Verm. Beiträge 7 aus *σαιϝ-ᾱνής ‘mit grausigem Antlitz’ (: lat. saevus und ein Wort für ‘Antlitz’, s. ἀπηνής). Anders, weit unwahrscheinlicher, Froehde BB 7, 325, Flensburg Die Basis TER- 52ff., Prellwitz Glotta 19, 98 u. 104. I-30

Αἴας, -ντος N. von zwei homerischen Helden, 1. Αἴας Τελαμώνιος, A., Sohn des Telamon, Königs von Salamis, 2. ΑἴαςΟιλῆος, A., Sohn des Ofleus, Anführer der Lokrer. — Zur lat. Namensform Aiax (durch oskische Vermittlung?) s. Friedmann Die jon. u. att. Wörter im Altlatein 10f. m. Lit. — Nach Ansicht mehrerer Forscher (s. Kretschmer Glotta 15, 192f.) war Αἴας ein alter Erdgott; der Name wäre somit aus αἶα abzuleiten (vgl. ΤελαμώνΤάνταλοςἌτλας). Nach Blumel IF 43, 2 72f. wäre Αἴας von αἶα in der ursprünglichen Bedeutung von ‘Mutter’ gebildet: Αἴας ‘Sohn der echten Frau, der Mutter’, im Gegensatz zu Τεῦκρος ‘Sohn der Kebse’ (τεῦχρος· ἀδελφὸς νόθος H.). S. auch Danielsson IF 14, 386ff., Kretschmer Glotta 33, 12f. I-30

αἰγανέη f. ‘Wurfspieß’ (Hom., AP). — Herkunft unbekannt. In formaler Hinsicht stimmt αἰγανέη zu den Baumnamen und Tierhautbezeichnungen auf -έη, -έα, μηλέη, πτελέη, κυνέη usw. (Chantraine Formation 91f.). Falls αἰγανέη nach dem Materiale benannt worden ist, bietet sich mit Schrader KZ 30, 461f. zum Vergleich der Name der Eiche, urg. *aik-, idg. *aig-, der sich auch in αἰγίλωψ (s. d.) und lat. aesculus verbergen kann. Unerklärt bleibt dabei das Element -αν-; Grundwort *αἴγανος wie πλάτανος? — Dagegen faßt Thumb IF 14, 345 αἰγανέη als Ableitung eines Nomens *αἴγανον ‘das Werfen, Wurfgeschoß’ (Bildung wie δρέπανον) mit Anschluß an idg. aig- ‘(sich) heftig bewegen’ (aind. éjati), das u. a. in αἶγες· κύματα (s. αἴξ) gesucht worden ist. — Wieder anders Bechtel Lex. (nach Düntzer: zu αἰχμή). [KN.: Ausführlich und anders jetzt S. Laser Gymnasium 60, 115ff.] I-30

αἴγειρος f. ‘Schwarzpappel’ (vorw. ep. und poet.). Abl. αἰγειρών ‘Pappelhain’, αἰγείρινος, αἰγειρίτης ‘zur Pappel gehörig’ (alle hell. und spät). — Die Zusammenstellung mit αἰγίλωψ, αἰγανέη (Schrader KZ 30, 461) kommt über eine allgemeine begriffliche und lautliche Ähnlichkeit nicht hinaus. Unwahrscheinlich über die Stammbildung Specht Ursprung 165 (αἴγει-ρος?). Nach Sommer IF 55, 260 ist αἴγειρος wie αἴγιθος und zahlreiche Eigennamen mit Αἰγ- (Αἴγινα, Αἰγαί usw.) vorgr.-kleinasiatisch. Wieder anders Winter Prothet. Vokal 46f. I-30-31

αἰγιαλός m. ‘Gestade’, auch als ON, z. B. die Küste von Achaja (seit Hom., ion. att. ). Ableitungen: αἰγιάλειος, αἰγιαλεύς, αἰγιαλικός, -λίτης, -λώδης, seit hell. Zeit belegt (Αἰγιαλεῖς als Name der Küstenbewohner von Achaja Hdt.). — Wird gewohnlich mit αἶγες· τὰ κύματα. Δωριεῖς H. (vgl. auch Artem. 2, 12: καὶ γὰρ τὰ μεγάλα κύματα αἶγας ἐν τῇ συνηθείᾳ λέγομεν) in Verbindung gebracht. Das Hinterstück wäre nach Hirt IF 37, 229f. Gen. von ἅλς und das Ganze aus einer Verbindung ἐν αἰγὶ ἁλός ‘an der Brandung des Meeres’ verselbständigt. Anders Kretschmer Glotta 27, 28f. mit Bechtel Lex.: zu ἅλλομαι als sog. Zusammenbildung wie ὠκύαλος, "von den am Strande sich brechenden Wellen". Von den morphologischen Schwierigkeiten abgesehen, setzen diese Erklärungen voraus, daß αἶγες = κύματα ein besonderes Wort sei und nicht einfach ein metaphorischer Gebrauch von αἴξ ‘Ziege’. — Ägäisch? (Chantraine Formation 248); vgl. zu αἴγειρος. I-31

αἰγίθαλλος, -θᾱλος m. ‘Meise (Parus)’ (Ar., Arist. usw.). Von αἴγιθος (αἰγίοθος) ‘Hänfling?’ (Arist. u. a.) nicht zu trennen; — Ursprung unbekannt. Vgl. Thompson Birds s. vv. I-31

αἰγίλιψ (πέτρη, λισσάς; ep. poet.). ‘hoch, steil’ — Seit Uljanov (s. Solmsen Untersuchungen 73 A. 1) wird -λιψ, gewiß richtig, mit lit. lìp-ti zusammengestellt und das Ganze als ‘(nur) von Ziegen erkletterbar’ gedeutet, was weit zweifelhafter erscheint. Vgl. ἄλιψ· πέτρα H., wohl eigentlich ‘unersteiglich’; das anscheinende Simplex λίψ· πέτρα ἀφἧς ὕδωρ στάζει dürfte aus dem Kompositum abstrahiert sein (Solmsen, vgl. Persson Beiträge 152 m. A. 1). Verfehlt Wecklein MünchSb 1911 : 3 (s. WP. 2, 403, Kretschmer Glotta 5, 302). — Seiner Bildung nach erinnert αἰγί-λιψ an αἰθί-οψ. I-31

αἰγίλωψ, -ωπος m. — Als Name einer Eichenart wird αἰγίλωψ allgemein mit dem Stammelement in αἰγανέη und αἴγειρος verglichen. Der Ausgang -λωψ wird von Kretschmer Glotta 3, 335 zu λώπη ‘Schale, Rinde’ gezogen (vgl. auch H. λώψ· χλαμύς), indem er an eine schon von Cuny IF 26, 21ff. zitierte Pliniusstelle erinnert (Hist. nat. 16, 6, 13): aegilops fert pannos arentes ... non in cortice modo, verum et e ramis dependentes. Andere Versuche mit dem Worte zurechtzukommen: Cuny a. a. O., Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 4, 351ff., beide unannehmbar. Über αἰγ- noch Specht Ursprung 89, KZ 68, 196 (phantastisch: zu αἰ(ϝ)ών mit Wechsel : g). — Strömberg Pflanzennamen 137 will nach Senn αἰγίλωψ von αἴγιλος ‘Flughafer’ (Theok., Babr.), eig. ‘Ziegenpflanze’, ableiten, was indessen nur auf αἰγίλωψ in derselben Bedeutung passen würde. eine Eichenart (Thphr.), auch ‘Flughafer’ (Thphr. u. a.), außerdem ‘Tränenfistel’ (Dsk., Gal.; zur Bedeutung Strömberg Pflanzennamen 87). I-31-32

αἰγίς f. ‘Ziegenfell’ (E. Kyk., Hdt. 4, 189); — Bildung wie νεβρίς usw., Locker Glotta 22, 71. Gewöhnlich (Il. usw.) Bezeichnung des Schutzmantels oder des Harnisches des Zeus und der Athena, der auch als Schild gebraucht wird. Bei dem Schütteln der αἴγις erschrecken Götter und Menschen. Nachhomerisch wird αἰγίς auch im Sinn von ‘Sturmwind’ gebraucht, z. B. A. Ch. 593 (lyr.). In dieser Bedeutung ist αἰγίς wahrscheinlich von ἐπ-αιγίζω ‘einherstürmen’ (vom Winde; Β 148, ο 293 usw.) beeinflußt. Neben ἐπ-αιγίζω auch κατ-αιγίζω ‘herabstürmen’ (A., spät); davon als retrograde Bildung καταιγίς ‘Fallwind’ (Demokr. usw.). Beide Verba lassen sich als Metaphern erklären. Schon Hdt. 4, 189 betrachtet die Aigis der Athene als ein Ziegenfell, eine Auffassung, die von vielen neueren Forschern mit Recht verteidigt worden ist. — Eine andere Deutung (s. zuletzt Kretschmer Glotta 27, 28) leitet αἰγίς von einem Verb *αἴγω her = aind. éjati ‘sich bewegen, erbeben’, wozu außer αἴγλη auch αἶγες· τὰ κύματα H. gehören soll. Auch Thumb IF 14, 314ff. geht von idg. aig- ‘schütteln’ aus (vgl. αἰγανέη), das aber volksetymologisch mit αἴξ und anderen Wörtern zusammengeworfen wäre. Zu αἰγίοχος Epithet des Zeus (Il. usw.) vgl. γαιάϝοχος. I-32

αἴγλη 1. f. ‘Glanz’ (ep. poet.). Ableitungen: αἰγλήεις ‘glänzend’ (ep. poet.), αἰγλάτας, -ήτης Beiname des Apollon (Inschr. Anaphe, Thera; A. R.); αἰγλάζω ‘glänzen’ (Man.). — Von Bechtel Üb. die Bezeichnungen der sinnl. Wahrnehmungen 119 und Thumb IF I4, 343f. mit aind. éjati ‘sich bewegen, erbeben’ (vgl. αἰγανέη) verbunden. Dann muß die Ähnlichkeit zwischen ’ΑπόλλωνΑσγελάτας (Anaphe) und ’Απόλλων Αἰγλάτας (Anaphe, Thera) auf Zufall beruhen, oder aber das Appellativum αἴγλη ist vom Eigennamen Αἴγλα aus *Ἄσγλα (vgl. v. Wilamowitz Isyllos von Epidauros 92ff.) zu trennen. Falls wiederum ’Ασγελάτας mit αἴγλη zusammenhängt, steht dieses für urspr. *ἄσγλα; zum Lautlichen Schwyzer 276. Bechtels Versuch, Lex. s. v. (vgl. auch Prellwitz BB 23, 67 und Winter Prothet. Vokal 47), darin eine Zusammensetzung mit der Wurzel in γελάσαι zu sehen, ist schon wegen des dabei unaufgeklärten ersten Elementes anfechtbar. Vgl. auch seine Bemerkungen Dial. 2, 551f. I-32

αἴγλη 2. ‘Ring’. — Von Lewy KZ 59, 188ff. aus αἴγλας· ἀμφιδέας καὶ ψέλια. τὰ περὶ τὴν ὕνιν τοῦ ἀρότρου H.; αἰγ<ί>λια· δακτυλίδια H. und anderen lexikalisch belegten Wörtern erschlossen und aus hebr. ‘āgīl ‘(Ohr)ring’ als LW erklärt. Hypothetisch. In einigen der von Lewy angeführten Fälle kann es sich sehr wohl um metonyschen Gebrauch von αἴγλη ‘Glanz’ handeln. I-32-33

αἰγυπιός m. ‘Geier’ (vorw. poet.). — Kann von aind. r̥ji-pyá- Beiwort des Raubvogels śyená- (‘Adler, Falke’), aw. ərəzi-fya- m. ‘Adler’ (vgl. ἄρξιφος· ἀετὸς παρὰ Πέρσαις H.), arm. arciw, Gen. arcui (< *arci-wi) ‘Adler’ nicht getrennt werden. Die Form ergab sich durch volksetymologische Umwandlung nach αἴξ und nach γύψ (ein Vorderglied ἀργυ- = aind. r̥jú- anzunehmen, ist nicht notwendig). Brugmann IF 17, 361ff., wo auch eine unhaltbare Vermutung über das dunkle Hinterglied (zu ἐπιέναι; zum Vorderglied vgl. 1. ἀργός und ὀρέγω) ausgesprochen worden ist. Anders Pisani Rend. Ist. Lomb. 77, 539ff. Vgl. Thompson Birds s. v. I-33

αἰγωλιός oder αἰγώλιος m. N. einer Eulenart (Arist. u. a.). Daß die Lesart αἰτώλιος (Arist. ΗΑ 563a 31) unrichtig ist, geht aus den heutigen unteritalischen Formen agoléo usw. hervor; Rohlfs ByzZ 37, 55. — Etymologie unbekannt. Vgl. Thompson Birds s. v. I-33

ἀΐδηλος, -ον ‘verhaßt, verderblich’, auch (vorw. spät) ‘unsichtbar, dunkel’ (ep. poet. seit Ilias). — Zusammenbildung aus α privativum und ἰδεῖν mit ηλο-Suffix, also eig. ‘nicht anzusehen’. Unrichtig Bechtel Lex. und Frisk Adj. priv. 7 (nach Buttmann) *‘unsichtbar machend’ aus denominativem *ἀϝιδέω. Wieder anders Risch 101 und Thieme Studien 50 A. 3. I-33

Ἅιδης, -ου att., ’Ᾱΐδης jüngere ion. Poesie (Semon., Herodas), ’Ᾱΐδας, -α dor. (bei d. Tragg.); ’Ᾰΐδης, ’Ᾰΐδας, -αο, -εω ep. poet. Neben dem -Stamm kommen im Epos und in hellenist. Poesie auch Formen eines kürzeren Konsonantstammes Ἄϊδ- vor: Ἄϊδος, -ι, -α, wobei im Ausdruck Ἄ̄ϊδος εἴσω (vereinzelt auch sonst) der Anlautvokal metrisch gedehnt wird (dagegen z. B. ’Ᾰ́ϊδόσδε βεβήκει). Die u. a. von Thieme Studien 35ff. vertretene, an und für sich verlockende Annahme, der Konsonantstamm bezeichne ursprünglich die Unterwelt, der davon abgeleitete -Stamm dagegen den Gott der Unterwelt, läßt sich nicht ohne Willkür aufrechterhalten, s. Nilsson Gesch. der griech. Religion 1, 426. Ableitung: ’Αϊδωνεύς ep. poet., ohne erkennbaren Unterschied gegenüber dem Grundwort; vgl. Risch 145. Gott der Unterwelt bzw. die Unterwelt — Die Erklärung dieses schwierigen Wortes, das den Gott der Unterwelt bzw. die Unterwelt bezeichnet, dessen eigentliche Bedeutung indessen unbekannt ist, hängt vor allem von der Beurteilung des Anlautes ab. Wenn man die Vokalkürze als ursprünglich betrachtet, was ohne Zweifel am meisten für sich hat, und außerdem die Aspiration für sekundär hält, bietet sich die Analyse ἀ-ϝιδ(-ᾱ)- mit einer seit dem Altertum (Pl. Grg. 493b, Kra. 403 a) angenommenen Bedeutung ‘unsichtbar’ (oder vielmehr ‘nicht anzusehen’, vgl. ἀΐδηλος, außerdem ἀϊδής, ἀϊδνός). Um der att. Aspiration gerecht zu werden, setzt dagegen Thieme a. a. O. eine Grundform *ἁ-ϝιδ- an, die mit aind. sam-vid- ‘sich zusammenfinden, sich vereinigen’ (auch auf das Totenreich bezogen) identisch wäre und eigentlich das Sichzusammenfinden der Väter im Jenseits bezeichnet hätte. Da ϝιδ- im Sinn von ‘finden’ im Griechischen sonst unbekannt ist, müsse es sich um einen aus der idg. Vorzeit ererbten Ausdruck und eine ebenso alte Vorstellung handeln. Diese beiden Deutungen setzen voraus, daß die Vokallänge in ’Ᾱΐδης, Ἅιδης sekundär sei (Verallgemeinerung der epischen Dehnung? Schwyzer 266; anders Solmsen Unt. 7 4ff.). — Umgekehrt betrachtet Wackernagel Verm. Beiträge 4ff., weniger wahrscheinlich, die Vokalkürze als sekundär und erhält dadurch Anschluß an lat. saevus. Wieder anders Smyth Ionic 102: zu αἶα (darüber Wackernagel a. a. O.); Danielsson IF 14, 387f.: zu αἰόλος, ἀΐσσω als "der Eilige, Ungestüme, Gewaltige", Bez. eines Todesdämons. Weitere Lit. bei Fraenkel Nom. ag. 2, 168f. m. A. 2. Der Ausdruck Ἄϊδος κυνέη ‘Tarnkappe’ (Ε 845 usw.) kann (trotz Lamer RE 11, 2519, J. Roeger ΑΙΔΟΣ ΚΥΝΕΗ, Diss. Graz 1924, Kretschmer Glotta 15, 175f., Thieme o. c. 42) schwerlich vom Namen des Unterweltsgottes getrennt werden, s. Nilsson o. c. 426f. m. A. 1. Man hat somit schon in epischer Zeit ’Αϊδ(-ᾱ)- mit der Vorstellung des Unsichtbaren verknüpft. I-33-34

αἴδομαι ‘sich scheuen, verehren’ seltenes und poet. primäres Verb (αἴδεο, αἰδόμενος, αἴδετο, Hom. usw., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 310f.) neben dem gewöhnlicheren αἰδέομαι, s. unten). Von αἴδομαι, bzw. von einem älteren athematischen Verb stammt αἰδώς f. ‘Scheu, Ehrfurcht’ (Il. usw.); zur Bedeutung und Geschichte dieses wichtigen Begriffes R. Schulz Αἰδώς, Diss. Rostock 1910; von Erffa Αἰδώς und verwandte Begriffe in ihrer Entwicklung von Homer bis Demokrit (Philol. Supp. 30 : 2, 1937); über αἰδώς bei Homer Verdenius Mnemosyne 1944, 47-60. Von αἰδώς gehen aus: 1. αἰδοῖος (< -οσ-ιος) ‘Scheu einflößend, verschämt’ (ep. poet. seit Il.) mit dem substantivierten Ntr. τὸ αἰδοῖον, gew. Plur. τὰ αἰδοῖα ‘Schamteile’ (seit Il.), wovon αἰδοιώδης und αἰδοϊκός. 2. das Kompositum ἀν-αιδής ‘schamlos’ (seit Il.) mit ἀναίδεια usw. 3. αἰδέομαι (aus αἰδέσ-ιομαι, vgl. Fut. αἰδέσομαι und ἀναιδής, -ές) ‘sich scheuen, verehren’ aber auch ‘sich versöhnen’ (ion. att. seit Hom.). Zu αἰδέομαι gehört αἴδεσις ‘Verzeihung, Begnadigung’ (D., Arist., vgl. Holt, Les noms d’action en -σις 52f., 157 A. 1), αἰδεστός ‘ehrwürdig’ (Plu.) mit αἰδεστικός (Schol.); ferner αἰδήμων ‘verschämt, bescheiden’ (X., Arist. usw., Chantraine Formation 173) mit αἰδημονικός und -μοσύνη (spät, selten). Der nachklass. Prosa gehört αἰδέσιμος ‘wovor man Achtung und Scheu hat’, daneben αἰδήσιμος (Orph.), s. Arbenz Die Adjektive auf -ιμος 95f., 89; nach dem Sinn und den Belegen zu schließen wurde αἰδέσιμος direkt zu αἰδέομαι, nicht zu αἴδεσις geschaffen; von αἰδέσιμος (in byz. Pap. auch als Titel) αἰδεσιμότης (Pap.). 4. αἰδοσύνη = αἰδημοσύνη (AB, Phot.). — Unter der unbewiesenen, aber nicht unmöglichen Annahme, daß αἰδ- für idg. aizd- steht, wird αἴδομαι seit Solmsen IF 13, 137, Walde KZ 34, 522 u. a. gewöhnlich mit got. aistan ‘sich scheuen vor’ und weiterhin mit aind. īḍé (< *izd-) ‘preisen, verehren’ verglichen. Wenn man d als Determinativ abtrennt, kann man ferner nhd. Ehre und verwandte germ. Wörter einbeziehen. Weiteres bei WP. 1, 13, Pok. 16, W.-Hofmann s. aestimo. I-34-35

ἀΐδυλος · θρασύς (H., EM). — Wohl mit Schmidt aus ἀΐδηλος (Ε 897) entstellt. Anders Leumann Glotta 32, 218 A. 4. I-35

αἴδωσσα (cod. αἰδῶσσα) · τῆς αὐλῆς τὰ τειχία H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 5f. illyrisch für αἴθουσα. I-35

αἰεί (ion. poet.), αἰϝεί (Kypros, Lokris, Phokis), ἀεί (att., auch dreimal bei Hom., s. Wackernagel Unt. 146; über αἰεί bei Hom. noch Marg Charakter 51ff.) . ‘immer’ Ableitung ἀ̄ΐδιος ‘ewig’ (ion. att.), wovon ἀϊδιότης ‘Ewigkeit’ (Arist., hell.). — Aus *αἰϝέσ-ι, Lok. eines s-Stamms, der in derselben Funktion ohne Endung in αἰές (dor.) und im Akk. αἰῶ erscheint. Neben dem s-Stamm steht der n-Stamm in αἰέν ‘immer’ (ep. poet.) und αἰών (s. d.). Zu αἰεί, -έν s. auch Björck Alpha impurum 91 u. ö. — Die s- und n-Stämme sind Erweiterungen eines u-Stamms, der dial. vorliegen kann, z. B. äol. αἶι(ν), ἄϊ(ν) aus *αἰϝ-ι(ν), kypr. ὑ-ϝ-αΐς ‘für immer’, s. Schwyzer 619 m. A. 6, Fraenkel IF 60, 142ff. Der u-Stamm ist als solcher auch im Indoiranischen bewahrt, z. B. aind. ā́yu- n. ‘Lebensdauer’; daneben 1. ein n-Stamm, Lok. ā́yun-i, der mit αἰέν, αἰών vielleicht direkt zu verbinden ist (Meillet MSL 9, 368); 2. ein s-Stamm ā́yuṣ- n., vgl. αἰές usw. Hypothesen über die Verteilung der n- und s-Stämme bei Specht Ursprung 539; vgl. auch s. αἰγίλωψ. Neben idg. *āi̯u-n- (ā̆i̯u̯-en-), āi̯u-s- (ā̆i̯u̯-es-) stehen *ai̯u̯-o- und ai̯u̯-i- in lat. aevum, bzw. got. aiwi-ns (Akk. Pl.). Der o-Stamm ist auch in tarent. αἰή ‘immer’ (Instr.) vermutet worden; außerdem noch, aber schwerlich mit Recht, in δην-αιός, s. d. — Über den vermuteten Zusammenhang mit der Sippe von lat. iuvenis s. Danielsson Gramm. u. etymol. Studien 1, 49 A. 1, Johansson Beitr. zur griech. Sprachkunde 139, Benveniste BSL 38, 107. I-35-36

αἰέλουρος m. f. Tiername, wahrscheinlich ‘Kater, Katze’, nach anderer Auffassung ‘Wiesel’ (Hdt., Ar. usw.), auch αἴλουρος (Arist. u. a.). — Wohl Kompositum von αἰόλος (< *αἰελος) und οὐρά : ‘mit beweglichem Schwanze’, Buttmann Lexilogus 2, 68, Schmidt KZ 32, 324 nach EM 34, 8 αἴλουρος παρὰ τὸ αἰόλλειν καὶ ἀνάγειν τὴν οὐρὰν καὶ κινεῖν, was allerdings sehr wohl auf Volksetymologie beruhen kann. Anders, gewiß nicht besser, Ehrlich Betonung 128ff.: aus *ϝαιϝέρουρος dissimiliert, zu lat. vīverra ‘Frettchen’, lit. vaĩveris ‘Männchen von Iltis od. Marder’ usw.; noch anders Schrader KZ 30, 462, BB 15, 128. I-36

αἰετός, att. auch ἀ̄ετός m. (vgl. Schwyzer 266) ‘Adler’, auch metaphorisch als term. technicus, z. B. ‘Giebel(feld)’. Mehrere Ableitungen, z. T. mit technischer Bedeutung: ἀετιδεύς m. ‘junger Adler’ (Ael., Aesop.), ἀετίτης (λίθος, Ael. u. a.), ἀετώδης (Philostr. usw.), αἰετόεις (Opp.); αἰετιαῖος ‘zum Giebelfeld gehörig’ (Inschr.); außerdem die Substantive ἀέτωμα ‘Giebelfeld’ (Hp., att. Inschr.; vgl. Chantraine Formation I87), ἀέτωσις ‘Giebelung, gewölbtes Dach einer χελώνη’ (Ath. Mech., vgl. die gleichgebildeten Denominativa bei Chantraine Formation 279, Holt Les noms d’action en -σις 152). — Zunächst für *αἰϝετος = αἰβετός· ἀετός. Περγαῖοι H. Wohl aus *αϝι-ετός zu lat. avis mit sekundärem (augmentativem) ετο-Suffix wie in νιφετός, πυρετός u. a.; Schulze Kl. Schr. 75 A. 5, Schwyzer 501. I-36

αἰζηός, episches Adjektiv unbekannter Bedeutung (etwa ‘kräftig, rüstig’). auch αἰζήϊος, Nebenform αἰζήεις (Theopomp. Kol.), αἰζᾶεν· εὐτραφὲς βλάστημα H. — Trotz der eingehenden Behandlung von Danielsson De voce αἰζηός quaestio etymologica (Upsala 1892) unerklärt. Andere Deutungsversuche s. Bq. I-36

αἴητος nur als Attribut von πέλωρ Σ 410; Bedeutung unbekannt. — Vielleicht metrisch bedingte Variante von ἄητος, s. d. I-36

αἰθάλη ‘Ruß’ (Hp., E., hell.), αἴθαλος m. als Adj. = αἰθαλόεις Nik. Th. 659. f., Mehrere Ableitungen: αἰθαλόεις (poet. seit Il.) ‘rußig, räucherig, rauchfarben’, auch vom Licht des Blitzes wie E. Ph. 183 (lyr., ob = ‘feurig, brennend’?); αἰθαλέος ‘ds.’ (A. R., Nik.); αἰθαλίων, -ίωνος (Theok. 7, 138, Beiwort der τέττιγες, wohl farbenbezeichnend; wahrscheinlich metrische Verlängerung im Versschluß); αἰθαλώδης ‘ds.’ (Arist., Gal.). Unklar ist αἰθαλίδες· τὰ ἐν τῶ σίτῳ γινόμενα, ἢ τοὺς ἐν τῷ ὕδατι σταλαγμοὺς τοῦ ἐλαίου H. — Denonunatives Verb αἰθαλόω, -όομαι ‘rußig machen’ bzw. ‘werden’ (E., Lyk. u. a.); davon, oder direkt von αἴθαλος (vgl. ἀέτωσις s. αἰετός), αἰθαλώσεις ‘Rußwolken’ (Max. Tyr. 41, 4). — Von αἴθω. — αἴθαλος wird von Fick u. a. wenig wahrscheinlich mit ahd. ītal ‘eitel’, ags. īdel ‘idle’ zusammengestellt. I-36-37

αἰθήρ, -έρος f. m. ‘(reine) Luft, (klarer) Himmel’ (seit Hom.). Mehrere Ableitungen: αἴθρη, -ᾱ ‘ds.’ (poet.); αἰθρίη, -ία ‘heiterer Himmel, schönes Wetter’ — Eine alte Ablautform liegt vor in ἰθαρός ‘heiter’ (Alk. usw.).(ion. att.) neben αἴθριος, -ον ‘zum Himmel gehörig, heiter’ (ion. att.); die Neutralform αἴθριον neben dem Deminutivum αἰθρίδιον wird in der Kaiserzeit als volksetymologische Wiedergabe von lat. ātrium gebraucht. — αἶθρος ‘frische kühle Luft’ (ξ 318 αἴθρῳ καὶ καμάτῳ δεδμημένον), auch = αἴθριον (Pap.). Vgl. αἰθρεῖ· χειμάζει H., αἰθρινόν· πρωϊνόν H. Daneben mit (sekundärer?) Hochstufe des Suffixes: αἰθέριος ‘in der Luft befindlich, zum Himmel gehörig’ (Trag. usw.), außerdem die vereinzelt und spät vorkommenden αἰθερώδης, αἰθεριώδης, αἰθερίτης; αἰθερόομαι. — Über αἰθήρ und αἴθρη als Hinterglied (ὑπαίθριος, ὕπαιθρος) Sommer Nominalkomp. 151f. — Ableitung von αἴθω, wohl nach Muster von ἀήρ (Meillet MSL 26, 17); Schwyzer 480 : 9a vermutet in αἰθήρ ein altes Neutrum. Über das angebliche aind. *īdhríya- Frisk Nom. 1 1f. m. A. 2, wo auch über indische Verwandte von ἰθαρός. Das danebenstehende Verb ἰθαίνειν (A. D., H.) läßt auf einen r-n-Stamm schließen. I-37

αἴθω = αἴθομαι (seit Il., vorw. poet.), ‘anzünden’, vereinzelt intr. ‘brennen, leuchten’ nur Formen des Präsensstammes. Neben dem Verb stehen zahlreiche nominale Ableitungen, die z. T. altererbt sein können: αἶθος m. ‘Brand’ (E.) = aind. édha- m. ‘Brennholz’, ahd. eit m., ags. ād ‘Glut, Scheiterhaufen’; αἰθός ‘funkelnd, glühend’, auch ‘brandfarbig, dunkel’, vgl. Sommer Nominalkomp. 119f., wo auch über αἶθοψ ‘funkelnd, dunkelfarbig’ gegen Hoffmann Glotta 28, 66f. — αἶθος n. ‘Brand’ (A. R.) = aind. édhas- n. ‘Brennholz’. — αἴθων, -ωνος (seit Il.) = αἶθοψ, αἰθός. — αἴθουσα f. "die glühende" = ‘wo die Sonne glüht’, ‘Säulenhalle’ (ep.); αἴθυια f. N. eines von der Farbe benannten Wasservogels (s. Thompson Birds s. v.), auch Beiname der Athene, s. Kiock Arch. f. Religionswiss. 18, 127ff. mit den Einwendungen Kretschmers Glotta 9, 229f. — αἰθήεις ‘brandfarbig’ (Nik.), αἰθής ‘brennend’ (Kratin. 88, falls nicht = αἰθῆς aus αἰθήεις); αἴθινος (H., EM). — Als Vorderglied αἰθι- in Αἰθί-οψ "mit verbranntem Gesicht", Volksname, mit Αἰθιοπίς, Αἰθιοπία usw.; Ableitung auf -ῑκ- in Αἴθῑκες thessal. Volksname, eig. Farbenbezeichnung, Schulze Kl. Schr. 125f. Über die r- (r- : n-) und l-Ableitungen s. αἰθήρ und αἰθάλη. Eine l-Ableitung ist auch in αἰθόλικες ‘Brandblasen’ (Hp., Gal.) verbaut; zur Bildung usw. vgl. πομφόλυξ ‘Wasserblase’ und Strömberg Wortstudien 91f.; unsichere Kombinationen bei Specht Ursprung 209. Eine Weiterbildung von αἴθω mit eigenartiger Bedeutungsentwicklung muß in αἰθύσσω ‘heftig bewegen’ (Sapph., Pi. usw., auch präfigiert: ἀν-, δι-, κατ-, παρ-) vorliegen; das Verbalnomen αἴθυγμα ‘Glanz, Funke’ (Plb. u. a.) hat im Gegensatz zu αἰθυκτήρ ‘sich heftig bewegend’ (Opp.) die metaphorische Entwicklung von αἰθύσσω nicht mitgemacht. Vgl. Debrunner IF 21, 239, der auch auf das wohl retrograde καταῖθυξ (ὄμβρος· ὁ καταιθύσσων H.) hinweist. — Ein anderer Ablaut erscheint in ἰθαρός, ἰθαίνω (s. αἰθήρ), vielleicht auch in κακ-ιθής, s. κέγκει. Eine genaue Entsprechung von αἴθω gibt es nirgendwo. Das Aind. kennt im Verb nur die Schwundstufe idh-, Präsens mit Nasalinfix i-n-ddhé ‘er entflammt’ (womit das Nasalsuffix in ἰθαίνω in entfernter Verbindung stehen könnte). Dagegen kann αἶθος m. und n. alt sein, s. oben. Das Latein liefert mehrere Nomina: aedes, aestas, aestus, ebenso die übrigen Sprachen, z. B. aw. aēsma- m. ‘Brennholz’, lit. íesmė ‘ds.’, ahd. eit (s. oben), awno. eisa f. ‘glühende Kohle’. Dagegen kann awno. eldr, ags. ǣled m. ‘Feuer’ wohl nur entfernt damit verwandt sein (idg. *ai-l-?). I-37-38

αἰκάζει · καλεῖ H. — Pisani IF 58, 243 vergleicht osk. aíkdafed, das er als ‘proclamavit’ erklärt. Eine andere, ebenfalls unsichere Kombination (lett. aîcinât ‘laden, rufen’) wird von Pok. 15 mit Recht in Zweifel gezogen. I-38

αἰκάλλω ‘schmeicheln, liebkosen’, nur Präsensstamm (Trag., Kom., hell. u. späte Prosa). — Sieht aus wie ein Denominativum von αἰκάλος· κόλαξ H., das aber ebensowohl eine retrograde Bildung sein kann. Ebenso αἰκάλη· ἀπάτη Zonar. — Etymologie unbekannt. Unwahrscheinlich Machek Listy filol. 72, 69f. I-38

ἀϊκής (ἀϊκῶς Χ 336), Trag. αἰκής aus *ἀ-ϝικ-ής neben ion. poet. ἀεικής. ‘unziemlich, schmählich’. — Privatives Verbaladj. zu ἔοικα, dual. ἔ-ϊκ-τον. Das -ει- in ἀεικής wohl nach εἰκάζω, εἰκών usw. (schwerlich als Bahuvrihi zu *εἶκος). S. εἰκάζω, ἔοικα. Davon ἀεικείη, αἰκεία, αἰκία ‘unziemliche Behandlung, Schmach’; ἀεικίζω, αἰκίζω, -ομαι ‘mißhandeln’ mit αἴκισμα (Trag., Lys.), αἰκισμός (D., LXX usw.). In ἀεικέλιος, αἰκέλιος (poet. seit Hom.) liegt eine Erweiterung des gleichbedeutenden ἀεικής, αἰκής vor, Frisk Adj. priv. 7. I-38

αἶκλοι · αἱ γωνίαι τοῦ βέλους H., s. αἰχμή. I-39

αἶκλον (ἄϊκλον) n. ‘Abendmahl der Spartiaten’ (Epich., Alkm. u. a.). Davon ἀναίκλεια· ἄδειπνα H. Daneben αἶκνον· δεῖπνον H., Suid. — Vgl. αἰκάζει· καλεῖ H. Sonst ungedeutet. Ob αἰκάλλω ‘schmeicheln’ damit zu verbinden ist, scheint fraglich. I-39

αἴλινος ‘Klaggesang’ (Trag. u. a.), vereinzelt auch adjektivisch gebraucht ‘klagend’ (E. Hel. 171), wovon αἴλινα als Adverb (Kall., Mosch.). m. — Etymologie unbekannt; Boisacq vermutet phrygische Herkunft (wie für ἔλεγος). Der Anklang an die Interjektion αἴ und an λίνος (s. d.) kann nicht zufällig sein. I-39

αἴλιοι s. ἀέλιοι. I-39

αἷμα n. ‘(flüssiges) Blut’, alt und häufig. In ähnlicher Verwendung kommen auch Komposita vor wie ἔναιμος, ὕφαιμος. Als denominative Verba sind zu nennen: 1. αἱμάσσω, -άττω ‘blutig machen od. sein’ (ion. att.); davon späte Substantiva: αἱμαγμός, αἵμαξις; außerdem die Adjektiva αἱμακτός, αἱμακτικός; 2. αἱματόω (ion. att.) mit αἱμάτωσις (Gal.); 3. αἱματίζω (A., Arist.). Ferner die Substantiva αἱμάς ‘Blutstrom’ (S.); αἱμάτιον Demin., auch Name eines Gerichts (Arr., M. Ant., Inschr. Kos, Milet u. a.), αἱματία ‘spartanische Blutsuppe’ (Poll.). Zahlreiche synonyme Adjektivableitungen, die aus dem Bedürfnis nach expressiven und nicht abgetragenen Ausdrücken entsprossen sind: αἱματόεις ‘blutig’ (ep. und poet.); αἱματηρός (poet.), auch αἱμηρός (Man.); αἱματώδης (Hp., Th., Arist., hell.), auch αἱμώδης (Luk., vgl. s. αἱμωδέω); αἱματικός (Arist. u. a.), αἱμάτινος (Arist.); αἱμαλέος (AP, Nonnos); αἵμων (E.), αἱμώνιος ‘blutrot’ (Ath.); αἱματίτης ‘blutähnlich’ (Hp., Thphr. usw.); αἱματωπός (E.), αἱμωπός (Ph. u. a.). — αἷμα hat, wahrscheinlich infolge sprachlicher Tabuvorstellungen, das alte Wort für Blut, ἔαρ, ersetzt. Sichere außergriechische Verwandte fehlen. Seit Fick wird αἷμα oft mit ahd. seim ‘Honigseim’ verglichen; vgl. auch Loewenthal PBBeitr. 49, 416, Oehl IF 57, 27. Anders Sommer Lautst. 29ff.: zu aind. iṣ- ‘Saft, Trank’ (ebenso Porzig IF 42, 258 und Havers Sprachtabu 182). Vgl. auch αἰονάω. I-39

αἱμασιά (seit Od.) ‘Umfriedigung, Zaun, Mauer’, aus Stein (so sicher Hdt. 2, 138), wohl auch aus Dornen, vgl. αἱμοί· δρυμοί. Αἰσχύλος Αἰτναίαις H. Ableitung αἱμασιώδης (Pl.). — Seit Froehde BB 17, 318 wird αἱμασιά gewöhnlich mit lat. saepes verglichen, so zuletzt Specht KZ 68, 124 mit dem Versuch, einen Wechsel p : m morphologisch zu begründen. Andere Vorschläge bei Bq und WP. 2, 464. — Zur Betonung vgl. Scheller Oxytonierung 87f., zur Bedeutung Picard Rev. Arch. 1946, 68f. I-39

αἱμύλος, auch (als metrische Variante) αἱμύλιος (ep. und poet.). Davon αἱμυλία (Plu.). Meist von Worten gebraucht und gewöhnlich mit ‘schmeichelnd’ wiedergegeben. — Zur Bildung vgl. στωμύλος ‘geschwätzig’. Direkter Zusammenhang mit ahd. seim ‘Honigseim’ (Schrader KZ 30, 463) ist semantisch ansprechend, aber natürlich ganz unsicher. — Von Güntert Götter und Geister 103 als "listig berechnend" zu αἵμων gezogen. I-40

αἱμωδέω ‘stumpfe Zähne haben, wie es durch Saures bewirkt wird’ (Hp., Kratin.), αἱμωδία ‘Stumpfheit der Zähne’ (Hp., Arist., Dsk. u. a.). Von αἱμωδία stammt αἱμωδιάωαἱμωδία empfinden’ (Hp., Arist. usw., ngr. μουδιῶ, μουδιάζω), wovon wiederum αἱμωδιασμός H. Eine retrograde Bildung ist αἱμώδης im Sinn von ‘αἱμωδία habend’ (Gal.; daneben αἱμ-ώδης ‘blutig’, zu αἷμα). αἱμωδέω und αἱμωδία setzen zunächst ein *αἱμωδός voraus, sofern αἱμωδέω keine Zusammenbildung vom Typus πολιορκέω ist (vgl. Schwyzer 726). — Das Hinterelement ist von ὀδών ‘Zahn’ schwerlich zu trennen; im übrigen ist das Wort unklar. — Solmsen Wortforsch. 25ff. sieht im Vorderglied *αἱ-μος einen Verwandten von germ. *sai-ra- in got. sair, ahd. sēr ‘Schmerz’, awno. sār ‘Wunde’. I-40

αἵμων, -ονος nur Ε 49 Σκαμάνδριον αἵμονα θήρης, Bedeutung unsicher (‘eifrig’?, ‘kundig’?) — und somit auch etymologisch nicht zu erklären. Verzeichnis älterer Etymologien bei Bq, außerdem Fay IF 26, 27ff. (zu aemulor usw. als ‘raptor, rapax’), von Kretschmer Glotta 3, 335 abgelehnt. Das Wort kommt auch in thessalischen Namen, z. B. ‘Ιππαίμων Αἵμονος, zum Vorschein; Bechtel Dial. 1, 203. I-40

αἶνος ‘Rede, Lobrede’ (ep. ion. und poet., späte Prosa), auch ‘Beschluß’ (Inschr.). Vereinzelt αἴνη (Hdt.). — Neben αἶνος steht das primäre ἀναίνομαι ‘leugnen, sich weigern’ (vorw. poet. seit Il.) aus *ἀνα-αίνομαι (vgl. ἀνα-νεύω), Bechtel Lex.; unwahrsch. Stolz WSt 25, 133ff. (zur Neg. ἀν-, die aber nur präfigiert vorkommt). m. Ableitung αἰνέω, -ήσω usw., sekundär -έσω usw. (Wackernagel Unt. 180f.), ‘rühmlich erwähnen, loben, preisen’, auch ‘beschließen’, vorw. ep. ion. poet. (att. dafür ἐπαινέω), äol. (Hes.) αἴνημι. Davon αἴνεσις ‘Lob’ (LXX, NT), αἴνησις (Ph.). Selten ist die erweiterte Form αἰνίζομαι ‘loben’ (Hom.; vgl. Schwyzer 736), gewöhnlich das denominative (deverbative?) αἰνίσσομαι, -ττ-, ion. att. (späte Prosa auch αἰνίσσω), in der verschobenen Bedeutung (‘sinnvolle Rede halten’ >) ‘dunkel, in Rätseln sprechen’. Auf αἰνίσσομαι gehen mehrere Nomina zurück: αἴνιγμα ‘dunkle Rede, Rätsel’ (Pi., A., Pl. usw.) mit αἰνιγματώδης, αἰνιγματιστής, αἰνιγματίας, αἰνιγματικός; — αἰνιγμός ‘ds.’ (att.); αἴνιξις ‘ds.’ (Plot.). — αἰνικτήρ ‘der in Rätseln redet’ (S.), αἰνικτής (Timo), αἰνικτηρίως (A.). — Etymologie unbekannt. Frühere Bemühungen (Osthoff BB 24, 199ff.) s. Bq, WP. 1,2, Pok. 11. Zum Gebrauch von αἶνος s. E. Hofmann Qua ratione ἔπος, μῦθος, αἶνος, λόγος ... in antiquo Graecorum sermone adhibita sint. Diss. Göttingen 1922. I-40-41

αἰνός ‘schrecklich’ (ep. ion., poet.), gewöhnlich als Vorderglied in poet. Komposita, dagegen keine Ableitungen. — Über den Ausdruck αἰνόθεν αἰνῶς Leumann Hom. Wörter 258f., über adverbielles αἰνά ibid. 166. — Unerklärt. Bisherige Vermutungen sind notiert bei Bq, WP. 1, 2, Pok. 10. αἰνός kann vom synonymen δεινός formal beeinflußt sein. I-41

αἴνυμαι, nur im Präsensstamm, ‘greifen, nehmen’, vorw. ep., oft mit ἐξ- verbunden. Davon ἔξ-αιτος ‘ausgegriffen, auserlesen’ (Hom., A. R. usw.). — Zu αἴνυμαι gehört ein Nomen *αἶτος, wahrscheinlich altererbt (= aw. aēta- m. ‘Strafe’ als ‘der gebührende Teil’?; vgl. αἰτία), das ein Denominativum αἰτέω hervorrief, s. d. Zu toch. B ai- ‘geben’ (A e-), wie αἴνυμαι nur präsentisch, heth. p-ai ‘geben’; Frisk Indogermanica 8ff. Von idg. ai- ‘greifen’ vielleicht auch lat. ae-mulus ("der nach etw. greift", Frisk Eranos 41, 53), außerdem die PN Aetor (illyrisch? Krahe Glotta 23, 112f.) und Aimos (venet., Krahe ibid.). Zur Bedeutung von αἴνυμαι s. die Diss. von K. Wlaschim (Titel s. ἄγρα, ἀγρέω). Vgl. αἶσα, αἰτέω, αἰτία, δίαιτα. I-41

αἵνω, Aor. ἧναι ‘die Körner von der Spreu reinigen’, näherer Prozeß unbekannt (‘dreschen’, ‘worfeln’) (Pherekr., Hp.). Daneben ἀ̄νέω (Ar. Fr. 694, Lesung unsicher, Ath., Paus. Gr.), ἀφᾱνέω Ar. Eq. 394 (v. 1.), ἄφηνα· ἔκοψα, ἀφῆναι· τὸ τὰς ἐπτισμένας κριθὰς χερσὶ τρῖψαι H.; außerdem αἵνων· πτίσσων, ἥνας· κόψας und γάναι (= ϝᾶναιπεριπτίσαι (cod. -πτύσαι, vgl. Solmsen Unt. 280). — Davon nach Fick KZ 42, 146f. Ἄνιος PN. Bechtel KZ 46, 374 zieht auch den Phratrienamen ϝανίδαι (Argos) heran. Zum Vergleich bietet sich lat. vannus ‘Futterschwinge’; ferner ahd. wintōn ‘worfeln’, got. dis-winþjanλικμᾶν’, die aber beide wie lat. ventilare ‘worfeln’ von den Wörtern für ‘Wind’, ahd. wint, got. winds, ausgehen, mit denen αἵνω höchstens indirekt (als nasalerweiterte Tiefstufe von idg. u̯ē- ‘wehen’) verwandt sein kann. Die Bildung von ἀ̄νέω ist dunkel; die Herleitung aus *ἀ-ϝαν-έω (Solmsen Unt. 272) ein Notbehelf. S. noch Sommer Lautst. 54, 104, Brugmann IF 3, 259f. I-41

αἴξ, αἰγός f. ‘Ziege’ selten m. ‘Ziegenbock’ (seit Hom.). Auch übertragen als Name eines Wasservogels (dazu Janzén [s. u.] 17) und im Sinn von ‘Meteor’ (Arist.). Ableitungen: αἴγειος, αἴγεος ‘zur Ziege gehörig, Ziegen-’ (Hom. usw., vgl. Chantraine Formation 50, Schwyzer 467f.), später auch αἴγινος und αἰγικός (Pap.). — Außerdem αἰγίς ‘Ziegenfell’ s. d., αἰγίδιον Demin. von αἴξ (Pherekr., Antiph. usw.). Vgl. noch αἴγιλος s. αἰγίλωψ. Eine Metapher liegt wahrscheinlich vor in αἶγες· τὰ κύματα. Δωριεῖς H., s. αἰγιαλός. Inwieweit das Wort für Ziege in griechischen Ortsnamen enthalten ist (Αἰγαί, Αἰγαῖος, Αἴγινα usw.), ist strittig; vgl., außer der Literatur zu αἰγιαλός, Sommer IF 55, 259f. (vorgriechisch), V. Burr Nostrum mare (Würzb. Stud. zur Altertumswiss.) Stuttgart 1932. αἴξ ist mit arm. ayc ‘Ziege’ identisch. Es wird von Specht KZ 66, 13 (s. auch Die Ausbreitung der Indogermanen, 1944, 10f.) aus ungenügenden Gründen als gemeinsames Lehnwort der Indogermanen bei ihrem ersten Vorstoß auf die Balkanhalbinsel betrachtet. Als tiefstufige Form wird gewöhnlich aw. ī̆zaēna- ‘aus Leder’ beurteilt. — Höchst unsichere, z. T. entschieden verfehlte weitere Kombinationen bei A. Janzén Bock und Ziege (GHÅ 43 [1937 : 5]) 9ff. Anfechtbar auch Meillet Rev. d. ét. slav. 5, 9. Zu den vielen Namen der Ziege im Idg. s. Lidén Armen. Studien 13f. Zum a-haltigen Vokalismus Specht Ursprung 204 A. 1, Kuhn KZ 71, 145f. I-41-42

αἰόλος ‘schnell beweglich, schillernd, bunt’ (ep. poet.). Denominative Verba, alle selten: αἰόλλω (nur Präsens) ‘schnell hin und her bewegen’ (υ 27), ‘Farbe wechseln’ (Med., Hes. Sc. 399), ‘bunt machen’ (Nik. Th. 155). — αἰολέω = ‘ποικίλλω’ (Pl. Kra. 409a) mit αἰόλησις ‘schnelle Bewegung’ (Sch. Pi. P. 4, 412). — αἰολίζω ‘bunt ausstatten’ (S. Fr. 912) mit αἰόλισμα ‘Buntheit’ (S. Ichn. 319). — αἰολάομαι ‘rastlos sein’ (Hp. Mul. 2, 174b, Lesung unsicher). — Ferner spärlich belegte Sekundärableitungen : αἰολίας m. Fischname, vgl. Strömberg Fischnamen 23, Thompson Fishes s. v., αἰόλειος EM, αἰολίδας· ποικίλους, ταχεῖς H. — Etymologie unsicher. Nach Fraenkel Gnomon 22, 239 aus *(ϝ)αι-ϝόλ-ος mit dissimilatorischem Schwund des anl. ϝ- zu u̯el- ‘wälzen, drehen, wenden’ in εἰλέω (s. d.) usw. — Anders Fick, L. Meyer (s. auch Benveniste BSL 38, 107); noch anders Danielsson IF 14, 386ff., s. Ἅιδης. Das Kompositum αἰέλουρος setzt, falls hierher gehörig, ein älteres *αἰελος voraus, das durch Vokalharmonie seinen ε-Vokal umgefärbt hätte. Näheres bei Bechtel Lex. Zur Bedeutung vgl. W. Schulz Das Farbenempfindungssystem der Hellenen. Leipzig 1904. I-42

αἰονάω ‘befeuchten, bähen’ (Hp. u. a.). Davon die Verbalnomina αἰόνησις und αἰόνημα. — Etymologie unbekannt. Zwei vergebliche Deutungsversuche von Fick GGA 1894, 229 und Bezzenberger BB 27, 144. I-42-43

αἰπόλος m. ‘(Ziegen)hirt’ (seit Od.), Ableitungen: αἰπολέω (nur Präsensstamm) ‘(Ziegen) weiden’ (A., Lys., Theok. u. a.); αἰπόλια n. pl. (-ιον sg.) ‘(Ziegen)herde(n)’ (Il. usw.); αἰπολικός (Theok. u. a.). — aus *αἰγ-πόλος. — Wie βουκόλος (s. d.) ist αἰ(γ)-πόλος ein sog. synthetisches Kompositum, dessen Hinterglied zu πέλω, πέλομαι, lat. colo usw. gehört. De Saussure MSL 6, 161f. Weitere Lit. bei Bq. Abzulehnen Pedersen KZ 36, 88 und Lagercrantz Mélanges Boisacq 2, 59 (zu lat. ōpilio usw.). Über den Wegfall von -γ s. Schwyzer 398. — Die Hesychglosse αἰπόλος· κάπηλος παρὰ Κυπρίοις beruht nach Leumann Hom. Wörter 271f. auf willkürlicher Deutung von ρ 249f. I-43

αἶπος n. ‘steile, schroffe Höhe’ (A., E., Hp. u. a.); davon αἰπεινός (< *αἰπεσ-νός) ‘steil’ (poet. seit Il.). Dagegen ist αἰπήεις (αἰπήεσσαν Φ 87, danach A. R. 2, 721 und AP 7, 273) nur eine Erweiterung von αἰπύς (Schwyzer 527: 3; verfehlt Thieme Studien 71). — Neben αἶπος steht αἰπύς ‘steil, jäh’ (meist ep. und poet. seit Il.). Die abweichende Stammbildung in αἰπά (αἰπὰ ῥέεθρα Θ 369, Versende) und αἰπήν (πόλιν ... αἰπήν γ 130 usw., immer am Versende) ist offenbar metrisch bedingt. Hierher wahrscheinlich αἶψα, s. d. — Unerklärt; phantastisch Brugmann IF 37, 155 ff. I-43

αἶρα 1. f. ‘Schmiedehammer’ (Kall. Fr. 129). — Von H. auch mit ἀξίνη erklärt. Dunkel. Nach Prellwitz, dem Schwyzer 474 zustimmt, von αἴρω. Andere Versuche bei Bq. I-43

αἶρα 2. f., oft Plur. αἶραι ‘Unkraut im Weizen, Lolch’ (Kom., Arist., Thphr. u. a.). Ableitungen: αἴρινος ‘aus Lolch bestehend’ (Dsk. usw.), αἰρώδης ‘mit Lolch vermengt’ (Thphr.). Denominativum ἐξ-αιρόομαι ‘sich in Lolch verwandeln’ (Thphr.). — Unklar der Bildung nach ist αἰρόπινον n. ‘Sieb’ (Ar. Fr. 480); nach Grimme Glotta 14, 17 orientalischer Herkunft. — Die Zusammenstellung von αἶρα mit aind. erakā f. ‘eine Grasart’ hat Specht KZ 66, 12 in ein neues Licht bringen wollen, indem er annimmt, das Wort sei in beiden Sprachen aus einer orientalischen Quelle entlehnt. I-43

αἱρέω ‘greifen, nehmen’, Med. ‘an sich nehmen, wählen’, seit ältester Zeit als Simplex und mit Präverbien; Aorist, bis auf späte Formen (ἀν-ῄρησα Q. S. u. a.), ἑλεῖν. Ableitungen: αἵρεσις ‘Einnahme, Wahl, Partei’ (ion. att.) mit αἱρέσιμος ‘einnehmbar’ (X., vgl. Arbenz Die Adjektive auf -ιμος 63); αἱρετός ‘zu nehmen, zu wählen, erwählt’ (ion. att.), αἱρετικός ‘zu wählen, Parteiungen anstiftend’, auch auf αἵρεσις zu beziehen (spät); αἱρετής ‘Erwähler’ (Vett. Val.), auch Titel eines Bibliotheksbeamten (Pap.); καθαιρέτης ‘Zerstörer’ schon Th.; fem. αἱρετίς f. ‘Erwählerin’ (LXX), wohl retrograde Bildung von αἱρετίζω ‘auserwählen’ (hell. und spät), das als Denominativum von αἱρετός verständlich ist (Schwyzer 706 : 4). Von αἱρετίζω wiederum αἱρετιστής ‘Erwähler, Parteigänger’ (Plb., D. L. usw.). — Zum Gebrauch von αἱρέω s. die Diss. von K. Wlaschim (Titel s. ἄγρα); zur Bildung der Tempusstämme Fraenkel Nom. ag. 1, 228f. — Mehrere Erklärungsversuche, von denen keine befriedigt: Brugmann IF 32, 1ff. (zu ὁρμή usw., s. d.), McKenzie Cl. Quart. 15, 46f. (geht von ἐξ-αίρετος aus, das aus ἔξ-αιτος und -άγρετος kontaminiert wäre; ἐξαιρέω somit älter als αἱρέω, was zu den Tatsachen schlecht stimmt, vgl. Kretschmer Glotta 13, 272). — Kret. αἱλέω ist aus αἱρέω und ἑλεῖν kontaminiert; pamphyl. ἀγλέσθω aus ἀγρέω und ἑλεῖν; weitere Mischformen bei Vendryes Mél. Boisacq 2, 331ff. I-43-44

αἰρόπινον s. 2. αἶρα. I-44

αἴρω s. 1. ἀείρω. I-44

αἶσα f. ‘Anteil, Lebenslos, Geschick, Gebühr’ (vgl. Krause Glotta 25, 145f.), ep. lyr. dial. (zur Verbreitung der ganzen Sippe s. Solmsen Wortforsch. 71ff.). Ableitungen: αἴσιος ‘gunstig, gebührend, billig’, auch mit ἐν-, ἐξ-, κατ-, παρ-, wovon αἰσιόομαι ‘als günstiges Zeichen aufnehmen’ (Plu., App.); αἴσιμος ‘vom Schicksal bestimmt, angemessen, vernünftig’ (ep. usw.) neben ἐν-αίσιμος und ἀναίσιμος ‘unangemessen’ (Emp.), vgl. Frisk Adj. priv. 14; zu αἴσιος und αἴσιμος Arbenz Die Adj. auf -ιμος 18ff. — Mit Präfix versehenes Denominativum ἀν-αισιμόω ‘(*den gebührenden Anteil) verbrauchen, verzehren’ (ion.), wovon ἀναισιμώματα ‘Kosten’ (Hdt.); καταισιμόω ‘gänzlich verbrauchen’ (Kom.; καταίσιμος = αἴσιμος H., also Hypostase von καταἶσαν). Von αἴσιμος ferner als Adjektivabstraktum αἰσιμίαι πλούτου ‘gebührende Anteile des Reichtums’ (A. Eu. 996). Zu αἰσιμνάω, αἰσυμνάω, αἰσυμνήτης s. bes. — Mehrere EN: Αἴσων, Αἰσίας usw., s. Solmsen a. a. O. — αἶσα gehört letzten Endes zu αἴνυμαι, ist aber zunächst als Femininableitung auf -ι̯α des in osk. aeteis ‘partis’, gr. *αἶτος (s. αἰτέω) vorliegenden t-Stammes zu verstehen, vgl. Krause a. a. O. Eine ablautende Form sucht Fick (Odyssee 20) in ἴσσασθαι· κληροῦσθαι. Λέσβιοι (H.) und im Gen. sg. ἴσσης (ι 42 = 549), wie er für das allein überlieferte ἴσης lesen will; letzteres jedenfalls etwas fraglich (zustimmend Bechtel Lex. s. v. ἴσσα und Schwyzer 474 : 3). I-44

αἴσακος · ὁ τῆς δάφνης κλάδος, ὅν κατέχοντες ὕμνουν τοὺς θεούς H. (Plu. 2, 615b). — Nach EM 38, 49 mit dem Vogelnamen ερίθακος synonym. Herkunft unbekannt, vielleicht vorgriechisches (kleinasiatisches) Lehnwort (Nehring Glotta 14, 183; Krause KZ 67, 214 m. A. 4). I-44-45

αἰσάλων m. ‘Falkenart’, vgl. Thompson Birds s. v. (Arist., Ael., Plin.), αἰσάρων· εἶδος ἱέρακος H. — Herkunft unbekannt. Nach Krause (s. αἴσακος) thrakisch. Nach Kretschmer Glotta 11, 281 aus einem pelasgisch-tyrrhenischen *αἴσαρος = ἱερός substantiviert. Aber das synonyme ἱέραξ gehört nicht zu ἱερός ‘heilig’, sondern, wie Kretschmer selbst hervorhebt, zu (ϝ)ιερός ‘rasch’. I-45

Αἴσηπος m. Fluß in Kleinasien. — Unwahrscheinliche Deutung von Krause KZ 67, 213f. (thrakisch; eig. "Wildwasser"). I-45

αἰσθάνομαι, vereinzelt αἴσθομαι, Aor. αἰσθέσθαι, Fut. αἰσθήσεσθαι ‘empfinden, wahrnehmen, bemerken’ (ion. att.). Ableitungen: αἴσθησις ‘Wahrnehmung, Kenntnis’ (ion. att., vgl. Holt Les noms d’action en -σις 121), seltener (Arist. usw., auch E. IA 1243) ‘(Gegenstand der) Empfindung’; auch αἰσθησίη (Aret.) = αἴσθησις. — αἰσθητός ‘wahrnehmbar’ und (auf αἴσθησις bezüglich) αἰσθητικός ‘der Wahrnehmung fähig’, beide vorwiegend als philosophische Termini gebraucht; — αἰσθητήριον ‘Sinnesorgan’ (Arist. usw.), αἰσθητής m. ‘Wahrnehmer’ (Pl.). — Wird allgemein auf *ἀϝισ-θ- mit Anschluß an ἀΐω ‘wahrnehmen, hören’ zurückgeführt; dieselbe idg. dh- Erweiterung kann auch in lat. audio, falls aus *au̯iz-dh-io, vermutet werden. Vgl. ἀΐω und W.-Hofmann s. audio. I-45

ἀΐσθων oder vielmehr ἀϊσθών (Π 468), ἄϊσθε (Υ 403) (θυμόν) ‘aushauchen’ — Mit ἄϊον (= τὸ ἀπέπνεον Eust.) in ἄϊον ἦτορ (Ο 252) irgendwie verwandt; weitere Anknüpfungen ganz unsicher. Vgl. Bechtel Lex. I-45

ἀΐσσω (ep. lyr. Hdt.), ᾄσσω (Pi., Trag.), ᾄττω (att. Prosa, selten), Fut. ἀΐξω (wonach spätes Präsens ἐπ-αΐζω, Zingerle Glotta 19, 74) ‘sich schnell bewegen, anstürmen, losfahren’, vereinzelt trans. ‘schwingen’ . Ableitung ἀϊκ-ή ‘Ansturm’ (Ο 709, Opp. H. 4, 651); außerdem das Wurzelnomen ἄϊξ in ἀνέμων ἄ̄ῑ̈κας A. R. 4, 820, als Hinterglied (Zusammenbildung?) in πολυ-άϊξ, κορυθ-άϊξ; auch τριχάϊκες? (s. d.). — Anl. ἀ- immer lang im Epos mit Ausnahme von ὑπαΐξει (Φ 126; wohl zufällige Kürzung, vgl. Chantraine Gramm. hom. 110; von Hermann IF 35, 170f. aus ungenügenden Gründen als Äolismus betrachtet), ἀΐξῃ (A. R. 3, 1302), sonst vorwiegend kurz. — Nicht sicher erklärt. Nach einer zuerst von Osthoff PBBeitr. 8, 271 vorgetragenen Deutung eine Intensivbildung *ϝαι-ϝικ-ι̯ω und mit aind. ve-vij-yá-te ‘zurückweichen’ zu vergleichen. Semantisch nicht unmittelbar einleuchtend; außerdem muß ϝ- dissimilatorisch gefallen sein, da jede Spur davon fehlt (Solmsen Unt. 189). Wegen der Länge des ῑ zieht Danielsson IF 14, 386ff. vor, von einem Nomen *αἰϝ-ῑκ- auszugehen, vgl. Ἅιδης und αἰόλος. I-45-46

αἴσυλος ‘ungebührlich, frevelhaft’ (Gegensatz αἴσιμος) vereinzelt bei Homer und anderswo (h. Merc. 164, AP 7, 624), dazu αἰσυλο-εργός (Max. Astrol.) nach αἴσυλα ῥέζειν (Hom.). — Unerklärt. Wertlose Versuche verzeichnet Bq. Vgl. ἀήσυλος. I-46

αἰσυμνάω, meg. αἰσιμνάω, ‘herrschen’, vorw. administrativer Terminus. Davon αἰσυμνητήρ (Ω 347 v. 1.) (Bed. unklar), αἰσυμνήτης (αἰσιμνάτας) Titel eines leitenden Beamten in verschiedenen Städten (Inschr., Arist. usw.), bei Homer θ 258 gewöhnlich als ‘Kampfordner, -richter’ erklärt. Fem. αἰσυμνῆτις (Suid.). Ableitung αἰσυμνητεία ‘Amt eines αἰσυμνήτης’ (Arist. u. a.); in derselben Bedeutung das Verbalnomen αἰσυμνητύς (Miletos). — Postverbal (falls nicht aus *αἴσυμνος, s. u.) ist αἰσύμνιον Bez. des βουλευτήριον in Megara (Paus.). — Die von Prellwitz und Brugmann Sächs. Ber. 1901, 94 vorgeschlagene Anknüpfung an αἶσα (über αἴσιμος, *αἰσίμων, *αἴσιμνος) ist von Solmsen Wortf. 36ff. und Fraenkel Nom. ag. 1, 172f. näher ausgeführt worden (-υ- für -ι- durch Assimilation an die folg. Labiale?; dagegen Schwyzer 275 Zus. 1 m. Lit.). Zweifel bei Chantraine Formation 216, der ebenso wie v. Blumenthal Hesychst. 33 an fremde (asianische) Herkunft denkt. I-46

αἶσχος ‘Schande’, pl. ‘Schandreden, -taten’; ‘Häßlichkeit’ (seit Il.). Daneben die primären Komparativ- und Superlativbildungen αἰσχίων, αἴσχιστος und, mit dem Wechsel zwischen ro- und u-Stamm, einerseits αἰσχρός ‘schändlich, häßlich’, anderseits das denominative αἰσχύνω ‘beschimpfen, häßlich machen’ Med. ‘sich schämen’ (seit Il.) mit dem retrograden αἰσχύνη ‘Schande, Scham’ (ion. att.). Der u-Stamm noch in Αἰσχύλος. Vgl. Leumann Glotta 32, 217 und Seiler Steigerungsformen 76f. n. Ableitungen: 1. Von αἰσχρός : αἰσχρότης ‘Häßlichkeit’ (selten: Pl. Grg. 525a, Ep. Eph. 5, 4), αἰσχροσύνη (Tz.). 2. Von αἰσχύνω (-ομαι): αἰσχυντήρ ‘Schänder’ (A. Ch. 998), αἰσχυν-τ-ηλός ‘schüchtern, bescheiden’, auch ‘schändlich’ (Pl., Arist.) mit αἰσχυντηλία (Plu.); das -τ- stammt aus dem Oppositum ἀν-αίσχυντος (Alk., att.) mit ἀναισχυντία, -τέω, -τημα; sekundär αἰσχυντός (Ps. Phok.). Daneben die noch selteneren αἰσχυντηρός und αἰσχυντικός. — Die Bedeutung, z. T. auch die Form legen einen Vergleich mit got. aiwiski n. ‘αἰσχύνη’ nahe. Die Grundformen werden indessen einigermaßen verwickelt (αἶσχος aus idg. *aigzghos < aighs-qos, aiwiski aus idg. *aighes-qii̯om?). Vgl. außer Bq, wo ältere Lit., Brugmann-Thumb 117, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. aiwiski. I-46-47

αἰτέω ‘fordern, begehren’ (ion. att.), oft mit Präverb, ἀπ-, ἐξ-, παρ-αιτέω usw. Ableitungen: 1. αἴτησις ‘Forderung, Bitte’ (ion. att., näheres bei Holt, Les noms d’action en -σις 126) mit αἰτήσιμος (Arbenz Die Adj. auf -ιμος 88f.); 2. αἴτημα ‘Forderung, Bitte, Postulat’ (Pl., Arist. usw.) mit αἰτηματικός und αἰτηματώδης; 3. αἰτητής ‘Bittsteller’ (Pap., D. C.); daneben αἰτητικός (Arist., D. L.), vielleicht direkt vom Verb oder von αἴτησις, 4. αἰτίζω = αἰτέω (ep. seit Od.). — αἰτέω ist ein Denominativum von *αἶτος, s. αἶσα und αἴνυμαι. I-47

ἀΐτης (Theok. 12, 14; 20), dor. ἀΐτας (Ar., Lyk., AP) . Fem. ἀῗτις (Alkm. 125, Hdn.). m. ‘Geliebter’ — Unklar. Gewöhnlich zu ἐνηής ‘mild, wohlwollend’ gezogen, s. d. Nach Diels Hermes 31, 372 und Bechtel Dial. 1, 203 zu ἀΐω ‘auf einen hören’. I-47

αἴτιος, -α, -ον ‘schuldig, verantwortlich, Urheber’ (ion. att.); davon (oder direkt von *αἶτος, s. unten) αἰτία ‘Schuld, Verantwortlichkeit, Anklage, Ursache’; auch ‘Krankheit’ (Bickel Glotta 23, 213ff., Björck Glotta 24, 251ff.). Von αἰτία (oder allenfalls von αἴτιος) das denominative αἰτιάομαι ‘beschuldigen, anklagen’, sekundär umgebildet αἰτιάζομαι (X., D. C. u. a.). — Weitere Ableitungen: Von αἰτιάομαι: αἰτίασις (Antipho, Arist. u. a.) und αἰτίαμα (A., Th.) ‘Beschuldigung, Anklage’; dagegen αἰτιατός (Arist., Plot.) ‘Ursache habend, bewirkt’ (τὸ αἰτιατόν ‘Wirkung, Bewirktes’ im Gegensatz zu τὸ αἴτιον ‘Ursache’) wegen der Bedeutung eher direkt von αἰτία; von τὸ αἰτιατόν geht aus ἡ αἰτιατικὴ πτῶσις eig. ‘Kasus des Bewirkten’ (Wackernagel Syntax 1, 19). — Von αἰτία (bzw. τὸ αἴτιον): αἰτιώδης ‘ursächlich usw.’ als philosophischer Terminus (hell. und spät), ebenso (Chantraine Formation 186f.) αἰτίωμα (Pap., Act. Ap.) = αἰτίαμα; mit demselben Vokalismus auch αἰτίωσις (Eust.) = αἰτίασις. Formal liegt es sehr nahe, in αἴτιος (und αἰτία) eine Ableitung des auch dem Verb αἰτέω zugrunde liegenden Nomens *αἶτος ‘Anteil’ (s. αἴνυμαι, αἰτέω) zu sehen. Auch begrifflich ist diese Herleitung gut möglich; vgl. besonders, mit ähnlicher Übertragung auf das Rechtswesen, aw. aēta- ‘Strafe’. — Zur Erhaltung des -τι- s. Schwyzer 270 : 3 m. Lit. I-47

αἴφνης Adv. ‘plötzlich’ (E. IA 1581, Hp. Int. 39), weit gewöhnlicher und älter ἐξαίφνης (Hom., Pi., Trag., att. Prosa, Arist. u. a.). Umgekehrt ist das Adj. αἰφνίδιος (A., Th., Arist. u. a.) gewöhnlicher und älter als ἐξαιφνίδιος (Pl., Gal.). Andere Bildungen: αἰφνηδίς, -δόν (Hdn.). — Wahrscheinlich mit αἶψα verwandt, s. d. Direkter Zusammenhang mit ἄφνω, ἄφαρ ist nicht glaubhaft. I-47-48

αἰχμή ‘Lanzenspitze, Lanze’, übertr. ‘Krieg’ (ep. poet., Hdt., sonst selten in d. Prosa; zum Gebrauch bei Homer s. Trümpy Fachausdrücke 52ff.). Ableitungen: αἰχμήεις ‘lanzenbewaffnet’ (A., Opp.); αἰχμητής ‘Lanzenschwinger’ (ep. poet.), daneben αἰχμητᾰ́ Ε 197 (zur Erklärung Schwyzer 560), fem. αἴχμητις EM; sekundär αἰχμητήρ (Opp., Q. S., Nonn.); — αἰχμητήριος ‘lanzenbewaffnet, kriegerisch’ (Lyk. 454 am Versende, vgl. Chantraine Formation 45). — Denominativum: αἰχμάζω ‘die Lanze schwingen’, auch ‘mit Lanze bewaffnen’ (ep. poet.). Ein festes Kompositum ist αἰχμ-άλωτος ‘Kriegsgefangener’ (ion. att.) mit mehreren Ableitungen: fem. αἰχμαλωτίς, Adj. αἰχμαλωτικός, Abstr. αἰχμαλωσία. Dazu zwei Denominative, beide hell. und spät: αἰχμαλωτίζω und (seltener) αἰχμαλωτεύω. Von αἰχμαλωτίζω: αἰχμαλωτιστής und αἰχμαλωτισμός. — Wegen αἶκλοι· αἱ γωνίαι τοῦ βέλους H. auf *αἰκ-σμᾱ zurückzuführen und mit lit. iẽšmas, apreuß. aysmis ‘Bratspieß’ (< -(s)m-) am nächsten verwandt. Schmidt Zur Geschichte d. idg. Vokalismus 1, 76, weitere Lit. bei Bq, WP. 1, 7f., Pok. 15. — Ein anderer Ablaut liegt vor in kypr. ἰκμαμένος (= ἰχμ-? oder sogar = ἰγμ-? Bechtel Dial. 1, 448) ‘verwundet’, ἰκτέα· ἀκόντιον H., ἴκταρ (ep. lyr.) ‘nahe’, eig. "anstoßend", vgl. zur Bed. aind. ghanám ‘nahe’ zu han- ‘schlagen’. In Betracht kommen ferner: ἴγδις f. (Sol., Dsk. u. a.), ἴγδη (Hp., Hdn.) ‘Mörser’, das von λίγδος ‘ds.’ beeinflußt worden ist (Osthoff bei Solmsen Wortf. 172, Güntert Reimwörter 158), auch ἴξ, s. d. Mit demselben Ablaut wahrscheinlich lat. ico ‘treffen, verwunden’, vgl. W.-Hofmann s. v. I-48

αἶψα Adv. ‘schnell, plötzlich’ (Hom., poet.), davon αἰψηρός ‘schnell, rasch’ (Hom., Pi. u. a.; zur Bildung Schwyzer 482:7, Chantraine Formation 232). — Wahrscheinlich mit Sommer IF 11, 243 zu αἶπος, αἰπύς ("jäh") als *αἰπ-σ-ᾰ; wegen des auslautenden -ᾰ vgl. Schwyzer 622f. Hierher wohl auch αἴφνης aus *αἰπ-σ-νᾱ-ς. I-48

ἀΐω ‘wahrnehmen, hören’ (ep. ion. poet., in att. Prosa nur ἐπαΐω ‘verstehen’, Björck Alpha impurum 149f.), Ipf. ἄϊον, nach Schulze KZ 29, 25Iff. = KL Schr. 344ff. urspr. Aorist mit hinzugebildetem Präsens ἀΐω; Spuren eines ursprünglichen Präsens *ἀείω vermutet Schulze u. a. in ἄει· ἀκούει, ἄετε· ἀκούσατε H. und in ἐπ-ᾴειν E. HF 773 (lyr.). S. noch Bechtel Dialekte 3, 191f. Von ἐπαΐω, ἐπᾴω ferner ἐπῇσα (ἐπήϊσα) und ἐπ-άϊστος ‘wahrgenommen, entdeckt’ (Hdt. u. a.). — Der ursprüngliche Aorist ἄϊον kann auf *ἄϝισ-ον zurückgehen und mit aind. āvíṣ Adv. ‘offenbar’ ablauten, vgl. auch aksl. (j)avě Adv. ‘kund, offenbar’. Mit heth. uḫḫi ‘ich sehe’, aušzi ‘er sieht’ besteht höchstens eine entferntere Verwandtschaft, desgleichen mit aksl. umъ ‘Verstand’ (aus *au-mo-). Vgl. außer Schulze 1. c. Schwyzer 686: ε, WP. 1, 17, Pok. 78 mit weiterer Lit. I-48-49

αἰών, -ῶνος m., auch f. ‘Leben(szeit), Zeit(dauer), lange Zeit, Ewigkeit’ (seit Hom.). Ableitungen: αἰώνιος ‘andauernd, beständig, ewig’ (Pl., hell., NT) mit αἰωνιότης ‘perpetuitas’ (Gloss.). — αἰωνίζειν ‘verewigen, ewig sein’ (Dam., Phot., Suid.) mit αἰώνισμα ‘Verewigung, Denkmal’ (Ostr.) — Aus *αἰϝών, einem n-Stamm, der auch in αἰέν vorliegt. Daneben der s-Stamm im Akk. αἰῶ (A. Ch. 350 für αἰῶνα nach AB 363 mit Ahrens) und αἰές, αἰεί; weiteres s. αἰεί. — Zur religiösen Bedeutung von αἰών und αἰώνιος s. Owen Journ.ofTheolStud. 37, 265ff., 390ff.; zum Begriff im allg. Stadtmüller Saeculum 2, 315ff. I-49

αἰώρα ‘Schwebe, Hängebett, Schaukel, schaukelnde Bewegung’ (Pl., D. H., Plu. usw.). Verbalabstrakta : αἰώρησις (vorw. mediz.), συν- (Pl.), ὑπερ- (Hp.); αἰώρημα (E. in lyr., Lyk.). Daneben αἰωρέω, gewöhnlicher -έομαι ‘erheben, hängen’, Med. ‘schweben, hangen’, auch übertragen (Pi., ion. att.). Zusammensetzungen : συν-, ὑπερ-αιωρέομαι, -έω. — Die einzigartige Grundform *ϝαι-ϝώρ-α enthält sowohl Intensivreduplikation wie Dehnstufe, ebenso *ϝαι-ϝωρ-έω, das als ein deverbatives Intensivum (Iterativum) zu verstehen ist, vgl. Schwyzer 423, 647 : a 1, 720 : 2. Davon wahrscheinlich als postverbales Nomen das später auftretende und seltenere *ϝαιϝώρα > αἰώρα. — Zu 1. ἀείρω ‘emporheben’; vgl. auch alb. vjer ‘aufhängen’ s. 2. ἀείρω ‘(zusammen)binden’. I-49

ἄκαινα ‘Spitze, Stachel’ (A. R., AP), auch als Längen- bzw. Flächenmaß von 10 (100) Fuß (Thessalien, Kleinasien, Ägypten). — Ableitung auf -ια des in ἄκων (s. d.) vorliegenden n-Stammes, vgl. Chantraine Formation 109, Schwyzer 475 : 4. I-49

ἀκακαλίς, -ίδος f. Name verschiedener Pflanzen (Dsk. u. a.); vgl. ἀκακαλλίς· ἄνθος ναρκίσσου. Κρῆτες H. — Orientalische (ägyptische) Herkunft wahrscheinlich; die Wörter mit ἀκ- (ἄκανθα usw.) haben die Form beeinflussen können. I-49

ἀκάκητα episches Epithet unbekannter Bedeutung, auf Hermes (Hom., Hes., Suid.) und auf Prometheus (Hes.) bezogen. Ableitung ἀκακήσιος (von Hermes; Kall.. Paus.). — Falls die Hesychglossen ἀκακίεις· συνίεις und ἀκακιεῖ· συνιεῖ auf echter Tradition beruhen, ergibt sich eine ansprechende Deutung als ‘συνετός’, zu ἀκή usw.; vgl. acūtus. Hoffmann BB 17, 328. Andere Deutungen s. Bq und Chantraine Formation 28. I-49-50

ἀκακία f. Baum- und Pflanzenname ‘Akazie’, ‘Ginster’ (Dsk., Aret.). — Fremdwort, vgl. zu ἀκακαλίς. I-50

ἀκαλανθίς = ἀκανθίς, s. ἄκανθα. I-50

ἀκαλαρρείτης nur im Vers ἐξ ἀκαλαρρείταο βαθυρρόουΩκεανοῖο (Η 422, τ 434). — Für ἀκαλα-ρρεϝέ-της, eine Zusammenbildung von ἀκαλά und ῥέω mittels des Suffixes -της. Im selben Sinn auch ἀκαλάρροος (Orph.). Das als Adverb fungierende Vorderglied kommt nur noch vereinzelt vor (Hes., Sapph.), daneben Glossen wie ἀκαλόν· ἥσυχον, πρᾶον, μαλακόν H.; Adv. ἀκαλῶς Eust. — Gewöhnlich wird ἀκαλά als ein neutraler Plural angesehen (Bechtel Lex., Wackernagel Unt. 87), was jedoch nicht ganz sicher ist, s. die Fälle bei Schwyzer 622: 8. Zum Vergleich melden sich ἀκήν, ἀκέων (Buttmann Lexilogus 1, 11f.), ferner ἦκα (Bechtel Lex. 23). Adjektiva auf -αλο- sind selten: ὁμαλός, ἁπαλός u. a. (Chantraine Formation 245; zu ἀταλός vgl. s. v.). I-50

ἀκαλήφη ‘See-Anemone, Brennessel’ (alte Kom., Arist., Dsk. usw.), bei Thphr. HP 7, 7, 2 ἀκαλύφη. — Vielleicht unter Einfluß von ἄκανθα und anderen Wörtern mit ἀκ- umgebildet; Ursprung sonst unbekannt. Semitische Etymologie bei Lewy Fremdwörter 50. Beispiele von bh-Suffix in Baum- und Pflanzennamen bei Specht Ursprung 267. Vgl. Thompson Fishes s. v. — Nicht überzeugend Grošelj Živa Ant. 2, 205. I-50

ἄκανθα ‘Dorn, Distel’, Bez. verschiedener stacheliger Pflanzen (Strömberg Pflanzennamen 17), auch ‘Rückgrat’, (seit Od.) und ἄκανθος m. ‘Bärenklau’ (Acanthus mollis) . Aus ἄκανθα stammen mehrere Adjektiva : ἀκάνθινος, ἀκανθώδης, ἀκανθικός, ἀκανθηρός, ἀκανθήεις ‘aus ἄκ. bestehend’. Ferner die Substantiva ἀκάνθιον (Demin.), ἀκανθίας Art Haifisch, Art Heuschrecke (vgl. Strömberg Fischnamen 47, Wortstudien 17), ἀκανθίς Vogelname (‘Distelfink’ oder ‘Hänfling’, vgl. Thompson Birds s. v.), auch Pflanzenname, ἀκανθυλλίς Vogelname (Thompson s. v.), ἀκανθίων ‘Igel’, ἀκανθέα Pflanzenname, ἀκανθεών und -θών ‘Dorngebüsch, spinetum’, ἀκανθηλή Bed. unbekannt. — Denominatives Verb ἀκανθόομαι ‘Dornen erhalten’ (Thphr.). — Die Erklärung aus *ἀκαν-ανθα, bzw. *ἀκαν-ανθος von ἄκανος und ἄνθος ist hypothetisch, aber ein Kompositum *ἄκ-ανθα ‘Stachelblume’ (Kretschmer Einleitung 403 A. 1) ist nicht besser. Noch anders (ἄκαν-θα) Solmsen Wortf. 264. — Hierher gehört wohl auch ἀκαλανθίς = ἀκανθίς (Ar. u. a.); nach Niedermann Glotta 19, 8ff. durch Umstellung aus *ἀκανθαλίς, nach Bq durch Dissimilation aus *ἀκαν-ανθις. I-50

ἄκανος m. Distelart, ‘Atractylis gummifera’, ‘dorniger Fruchtkopf’ (Thphr.); daneben ἄκαν, -νος LXX (4. Kōn. 14, 9). Ableitungen: ἀκανικός, ἀκανώδης, ferner ἀκανίζω (alle Thphr.) und ἀκάνιον H. — Zur Bildung vgl. βάλανος, πλάτανος, ῥάφανος, πύανος usw.; zugrunde liegt das Element ἀκ- in ἀκή usw., zur n-Erweiterung vgl. noch ἄκαινα, ἄκων, ἀκόνη. I-51

ἀκαρής, -ές ‘winzig, kurz’, gewöhnlich in adverbiellen Redewendungen (von der Zeit) oder in sonstigen Maßbezeichnungen, z. B. ἐν ἀκαρεῖ (χρόνου), ἀκαρῆ (Ar., D., Luk. u. a.). Davon ἀκαριαῖος ‘winzig, gering’ (D., Arist. u. a.), zur Bildung vgl. Maßadjektiva wie σταδιαῖος, πλεθριαῖος usw. (Chantraine Formation 49). Hierher wahrscheinlich auch ἀκαρί n. ‘Milbe’ Arist. ΗΑ 557 b 8). — Nach alter Deutung zu κείρω, ἐκάρην (wie ἐμίγην : ἀμιγής) als ‘unscherbar’, vgl. τὸ βραχύ, ὅ οὐδὲ κεῖραι οἷόν τε H. — Vgl. καρός. I-51

ἄκαρον · τυφλόν H. — Unerklärt. Gegen Zusammenstellung mit lat. aquilus ‘dunkel’, lit. ãklas ‘blind’ (Fick KZ 19, 255f. u. ö.) s. W.-Hofmann s. v., Endzelin Don. nat. Schrijnen 399f. Vgl. ἄγχραν· μύωπα. Λοκροί H. (nach ἄγχι? WP. 1, 34). I-51

ἀκαρός · σημαίνει τὸν ἐγκέφαλον ἢ τὴν κεφαλήν. EM 45, 13. — Vgl. die gleichbedeutenden ἔγκαρος und ἴγκρος. Kann somit die schwache Form von ἐν enthalten (Schulze KZ 29, 263f. = Kl. Schr. 358). I-51

ἄκασκα Kratin. 126, ἀκασκᾷ Pi. Fr. 28 Adv. ‘sanft, ruhig’ = ἡσύχως, μαλακῶς, βραδέως H. Davon ἀκασκαῖος A. Ag. 741 (lyr.). — Zu ἀκήν, ἀκέων mit eigenartiger Bildung. I-51

ἄκαστος · ἡ σφένδαμνος H. — Falls aus *ἄκαρ-στος, urverwandt mit lat. ăcer, -ris ‘Ahorn’, ahd. ahorn (zum letztgenannten vgl. besonders ἄκαρνα· δάφνη H.), gallorom. *akar(n)os ‘Ahorn’ (Hubschmid Rev. celt. 50, 263f.). Ausführliche Behandlung bei Osthoff Etym. Parerga 1, 187ff., dazu W.-Hofmann s. 1. acer, Pok. 20. Zur Bildung vgl. zunächst πλατάνιστος; Näheres bei Chantraine Formation 302 (verfehlt Osthoff a. O.: -στο- zu sē- ‘säen’). I-51

ἄκατος f. (m.) ‘Nachen’ (Thgn., Pi., Hdt., Th. usw.), ‘nachenähnlicher Becher’ (Kom.), mit den Demin. ἀκάτιον, auch übertr. ‘Art Frauenschuh’, (Ar., Th., Plb.) und ἀκατηνάριον (Olsson Arch. f. Pap. 11, 219). Von ἄκατος ferner ἀκάτειος, τὰ ἀκάτεια (sc. ἱστία) ‘die kleineren, am Nebenmast befindlichen Nebensegel’ (X., Luk. usw.); ἀκατίς f. ‘Tausendfüßer’ (Steph. Med.). — Als technischer Terminus wahrscheinlich Lehnwort. Oft, aber ohne Grund, zu ἀκ- ‘spitz’ (s. ἀκή) gezogen. Anders Winter Prothet. Vokal 12: zu κητήνη· πλοῖον μέγα ὡς κῆτος H. (?). I-51

ἀκαχίζω s. ἄχομαι. I-52

ἀκαχμένος ep. Ptz. (Hom., Opp.) ‘geschärft’. — Reduplizierte Bildung, wahrscheinlich aus *ἀκ-ακ-σ-μένος zu ἀκ-ή usw. (Lit. bei Bechtel Lex.). Anders (zu ἔγχος) Schwyzer Glotta 12, 10ff. I-52

ἀκεύει · τηρεῖ. Κύπριοι H. — Außerdem sehr unsichere Konjektur Leg. Gort. 2, 17. S. ἀκούω. I-52

ἀκέων, -έουσα, -έοντε ‘schweigend, stumm’, hom. Ptz., auch ἀκέων unflektiert (vgl. Leumann Hom. Wörter 167 m. A. 16). Von finiten Formen nur der nachträglich hinzugeschaffene Opt. ἀκέοις (A. R. 1, 765). Daneben ἀκήν hom. Adv. = ἀκέων, gewöhnlich im Ausdruck ἀκὴν ἐγένοντο σιωπῇ. Später auch als Objekt ἀκὴν ἔχεν (Mosch. 2, 18), ἀκὴν ἦγες· ἡσυχίαν ἦγες H. Bei Pi. P. 4, 156 der Instrumental ἀκα. — Ableitungen: ἀκήνιον· ἥσυχον EM 48, 1, ἀκαλός (s. ἀκαλαρρείτης), ἄκασκα sive ἀκασκᾷ (s. d.). — Damit lauten ab: ἦκα, ἤκιστος und, mit bewahrtem Spir. asper, ἥκιστος, ἥττων, s. dd. Unhaltbar über ἀκήν Prellwitz Glotta 19, 120f. (-ήν verstärkender Zusatz). I-52

ἀκήἀκμὴ σιδήρου’ Suid., H. (cod. αἰχμή). Daneben ἀκίς, -ίδος f. Bez. allerhand spitzer Gegenstände wie Nadel, Pfeil, Widerhaken, Meißel (ion. att.), wahrscheinlich Ableitung (Umbildung) eines verschollenen Wurzelnomens, vgl. Schwyzer 465. Von ἀκίς gehen mehrere Nomina aus: ἀκίδιον ‘kleiner Widerhaken’ (BCH 29, 572), ἀκιδώδης ‘spitz’ (Thphr.), ἀκιδωτός ‘ds.’ (Paul. Aeg. u. a.), auch Pflanzenname wie ἀκιδωτόν (Dsk.), außerdem das passive Verbaladj. ἠκιδωμένος (IG 2, 807) und das Komp. ἀκιδοειδής (Prokl.). — Dagegen ist ἀκίσκλων (Gen. pl. BGU 1028, 12; 16, IIp, Bed. unsicher) aus lat. acisculum ‘der kleine, spitze Hammer der Steinmetzen’ entlehnt, vgl. Schubart z. St. — Eine reduplizierte Form liegt in ἀκωκή vor (vgl. ἀγωγή) ‘Spitze (einer Lanze, eines Schwerts usw.)’ (Hom., Theok., Opp., späte Prosa). — ἀκή, ἀκίς, ἀκωκή enthalten alle ein Element ἀκ-, das u. a. in den bedeutungsverwandten ἄκαινα, ἄκανος, ἄκων, ἀκμή, ἄκρος, ἠκή vorliegt, s. dd. I-52

ἀκήρατος 1. ‘unversehrt, unbeschädigt’, auch ‘unbefleckt, rein’, in der letztgenannten Bedeutung von 2. ἀκήρατος ‘unvermischt, rein’ beeinflußt. Vorw. ep. und poet. Eine davon abgeleitete Nebenform ist ἀκηράσιος (h. Merc., AP u. a.). Ähnliche Bildungen: ἀκήριος ‘(von den κῆρες) unbeschädigt, unversehrt’ (ep. seit Od.), ἀκέραιος ‘unversehrt, unzerstört’ (ion. att.). Von ἀκέραιος: ἀκεραιότης (Plb.), ἀκεραιοσύνη (Suid.), ἀκεραιόομαι (Eust.). — Von diesen Privativa fußt ἀκήριος offenbar als Bahuvrihi auf κήρ, Pl. κῆρες ‘Tod(esgöttin)’; dasselbe dürfte auch bei ἀκήρατος der Fall sein (κηρ-αίνω A. Supp. 999, spät, von κήρ gebildet, kann nicht zugrunde liegen), sofern nicht metrische Dehnung für *ἀ-κέρα-τος unter Einwirkung von κήρ vorliegt, vgl. ἀκέραιος und 2. ἀκήρατος. Dagegen enthält ἀ-κέρα-ιος den Verbalstamm κερα-, der erweitert auch in κερα-ίζω erscheint (kaum denominativ mit Schwyzer 735 unten). — Ältere Lit. bei Bq. Weiteres s. κήρ. I-52-53

ἀκήρατος 2. ‘ungemischt, rein’, ποτὸν ἀ. A. Pers. 614, wohl auch ὕδωρ ἀ. Ω 303 (nach Schulze Q. 234ff. zu 1. ἀκήρατος). Davon abgeleitet ἀκηράσιος (οἶνος) ι 205. Im selben Sinne steht, wie Bechtel Lex. s. ἀκηράσιος bemerkt, β 341 ἄκρητον ποτόν, das offenbar zu κεράννυμι gehört. — An den obengenannten Stellen wurden somit ἀκήρατος und ἀκηράσιος mit κεράννυμι jedenfalls assoziiert und als ‘ungemischt’ gedeutet. Unsicher ist indessen, ob ein ἀκήρατος im Sinn von ‘ungemischt’ von Anfang an existiert hat. Dann muß es aus metrischen Rücksichten bzw. nach κήρ für *ἀ-κέρα-τος stehen (Bartholomae IF 3, 8). I-53

ἀκιδνός ‘schwach, winzig’ (ep., auch Hp.). — Unerklärt. Leere Vermutungen sind bei Bq notiert. Zur Bildung Schwyzer 489, Chantraine Formation 194. Nebenform ἀκιδρός (Kyrills Gloss.) mit ἀκιδρωπάζω· ἀμβλυωπῶ H. Vgl. ἀκιρός. I-53

ἀκῑνάκης m. ‘krummer Säbel der Perser und Skythen’ (Hdt., X., Luk. u. a.). — Aus dem Iranischen; nähere Herkunft unbekannt. Unter dem Einfluß von ἀκινάκης scheinen ἀκίναγμα = τίναγμα (Lyr. Adesp. 30 B) und ἀκιναγμός· τιναγμός, κίνησις H., evtl. durch *ἀκινάσσω = τινάσσω vermittelt, zunächst in der Sprache der Komödie aufgekommen zu sein (Mansion Les gutturales grecques 64). I-53

ἀκιρός - ἀκιρῆ· ἀσθενῆ, ἀκιρῶς· εὐλαβῶς, ἀτρέμας H. ‘schwach’ Theok. 28, 15 (ἄκιρος, äol.), Nik., als v. l. Hes. Op. 435, ΕΜ. — Dunkel; vgl. ἀκιδνός, ἀκιδρός. — Bei H. auch ἀκιρός· ὁ βορρᾶς. Vgl. Hoffmann Dial. 2, 222, Bechtel Dial. 1, 116. I-53

ἀκκώ, -οῦς f. ‘Popanz’ (Plu. 2, 1040b), nach anderen (Zen. 1, 53) ‘eitles Weib’. Auch EN (Plu. u. a.). Davon ἀκκίζομαι ‘sich verstellen, sich zieren’ (Pl., Men., Alkiphr., Luk. u. a.). — Lallwort der Kindersprache, vgl. lat. Acca (Larentia), aind. akkā (Gramm.), auch kleinasiatisch (Kretschmer Einleitung 351). Vgl. Güntert Kalypso 53f. I-53

ἀκμή ‘Spitze, Schärfe, Schneide, Höhepunkt, rechter Zeitpunkt’ (ion. att.); der Akkusativ ἀκμήν als Adv. ‘eben noch’, ngr. ἀκόμη, vgl. Kretschmer Glotta 22, 234f. gegen Hatzidakis ’Αθηνᾶ 41, 79ff. Ableitungen: ἀκμαῖος ‘voll ausgewachsen, rechtzeitig’ (ion. att.), ἀκμηνός ‘voll ausgewachsen’ (ψ 191, Paus.). Denominatives Verb ἀκμάζω ‘in voller Kraft, auf dem Höhepunkt stehen’ (ion. att.); davon 1. ἀκμαστής = ἀκμαῖος (Hdn.), οἱ ἀκμασταί N. eines gymnastischen Klubs in Thyatira (Inschr.); 2. ἀκμαστικός = ἀκμαῖος (Hp., Gal. u. a.). Ableitung auf -μή desselben Wurzelelementes wie in ἄκ-αινα, ἀκ-ή, ἄκ-ρος usw. — Dieselbe Bildung kann in schwed. dial. åm ‘Sumpfgras, Cladium mariscus’ vorliegen, dessen Zurückführung auf urgerm. *aχma- (idg. *ak-mo-) durch das finnische Lehnwort ahma ‘Equisetum’ wahrscheinlich gemacht wird (Lidén Sertum philol. Johansson 110). I-53-54

ἄκμηνος ‘nicht essend, nüchtern’, viermal in T, sonst nur bei hellen. Dichtern. — Nach einem Scholion zu Τ 163 von äol. ἄκμα, das von Hesych mit νηστεία, ἔνδεια erklärt wird. Bechtel Lex. vergleicht (nach Fick BB 28, 109) κομῶσα· γέμουσα H.; dann wäre ἄκμα als eine Zusammenbildung von α privativum und der Schwundstufe -κμ- zu betrachten. Sehr unsicher. Noch fraglichere Kombinationen sind bei Bq verzeichnet. Neuer Versuch von Pisani AnFilCl 5, 93. I-54

ἄκμων, -ονος m. ‘Amboß’ (ep. ion. poet.), vereinzelt auch ‘Meteorstein’ (Hes. Th. 722), = οὐρανός H., = ἀλετρίβανος. Κύπριοι H. Deminutivum ἀκμόνιον (Aisop.), zu bemerken ferner das Syntheton ἀκμό-θε-τον n. (Hom.) ‘Untersatz des Ambosses’, Zusammenbildung mit dem Verbalstamm von τίθημι durch Hinzufügung des Kompositionssuffixes -το-. — In derselben Bedeutung ἀκμο-θέ-της Poll. 10, 147. Altes Wort für ‘Stein’, das in mehreren Sprachen auftritt: aind. áśman- m. ‘Stein, Fels, Himmel’ (als Steingewölbe vorgestellt, Reichelt IF 32, 23ff., Fraenkel KZ 63, 183f., vgl. ἄκμων im Sinn von ‘Meteorstein’ und ‘Himmel’), wovon aśmar-a- ‘steinern’ mit Wechsel n : r; aw. asman- ‘Stein, Himmel’, apers. asman- ‘Himmel’; lit. ãšmens, lett. asmens m. pl. ‘Schneide’. Daneben ohne Palatalisierung lit. akmuõ, -eñs ‘Stein’. — Das Verhältnis der genannten Wörter zu aksl. kamy, -ene ‘Stein’ und zu der germanischen Gruppe awno. hamarr ‘Hammer’ (eig. aus Stein), auch ‘Felsenabsturz’ u. dgl. läßt sich auf keine bestimmte Formel bringen. Vielleicht ist ein Wort für ‘Stein’ mit der Gruppe idg. aḱ- in ἄκαινα usw. schon in uralter Zeit kontaminiert worden. Vgl. zu dieser schwierigen Frage H. Petersson Heteroklisie 26, Güntert WuS 11, 140, W.-Hofmann s. 2. ācer. I-54

ἄκνηστις ‘Rückgrat’ (A. R. 4, 1403 ἐπἄκνηστιν); als Pflanzenname Nik. Th. 52. — Das Wort ist durch falsche Zerlegung κατἄκνηστιν von urspr. κατὰ κνῆστιν (κ 161) entstanden. Wackernagel Glotta 2, 1, Fraenkel Glotta 4, 42, Leumann Hom. Wörter 49 mit weiterer Lit. I-54

ἀκοίτης, -ου m., ‘Lagergenosse, -in, Gatte, -in’ (ep. poet.) — sekundär zu ἄκοιτις f. gebildet (s. Chantraine REGr. 59-60, 225f.). Von α copulativum und κοίτη oder κοῖτος ‘Lager’ (zur Stammbildung Chantraine Formation 26ff. und 113f.; zum Akzent Schwyzer 385). S. κεῖμαι. I-54-55

ἄκολος m. ‘Bissen, Brocken’ (ρ 222, AP, J.); nach Stratt. 47, 7 böot. — Auf einer phrygischen Inschrift (Jahresh. 8 Beibl. 95) βεκος ακκαλος τι. Fremde Herkunft nicht unwahrscheinlich. Die Anknüpfung an aind. aśnā́ti ‘essen’ (seit Curtius 1 14) läßt die Bildung unerklärt. Vgl. ἄκυλος. I-55

ἀκόλουθος, -ον ‘begleitend, Begleiter, -in, entsprechend’ (att. und sp. Prosa, Kom.). Deminutivum ἀκολουθίσκος (Ptol. Euerg.). Abstraktbildung ἀκολουθία ‘Gefolge, Reihenfolge, Konsequenz’ (vorw. philosoph. Terminus). Denominatives Verb ἀκολουθέω ‘folgen’ mit dem Verbalsubst. ἀκολούθησις (Arist.) und dem Adj. ἀκολουθητικός (Arist. usw.). — Von α copulativum und κέλευθος ‘Pfad’ mit Ablaut wie in φρήν: ἄφρων, vgl. Schwyzer 355 Zus. 2. Nicht überzeugend Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 375. I-55

ἀκόνη ‘Wetzstein’ (Pi., alte Kom. u. a.). Davon das Verb ἀκονάω ‘wetzen, schärfen’ (ion. att.) mit den nominalen Ableitungen ἀκόνησις (H., Suid.), ἀκονητής (Ed. Diocl., Hdn.); ferner die Nomina ἀκόνιον Name eines Augenheilmittels (Dsk.), ἀκονίας Fischname (Numen. ap. Ath. 17, 326a). — Bildung auf -όνη wie περόνη, βελόνη usw. (Chantraine Formation 207) von ἀκ- in ἄκαινα, ἀκμή usw. Zum n-Suffix vgl. ἄκων. I-55

ἀκόνῑτον n. Giftpflanze, ‘Aconitum’ (Thphr., Dsk. u. a.). Davon ἀκονιτικός (X.). — Nach den Alten von ἀκονιτί ‘ohne (vorangehendes) Bestauben’, d. h. ‘ohne Kampf’ (ἀκόνιτος Q. S.), ‘mühelos’, also eig. ‘unbezwingbar’ wegen der nicht zu überwindenden tödlichen Wirkung. Semantisch unbefriedigend. Versuche dem Inhalt des Wortes gerecht zu werden bei Jüthner Glotta 29, 73ff. mit Lit., Strömberg Pflanzennamen 150 A. 1. — Verfehlt Lagercrantz Eranos 35, 35f. S. auch Kretschmer REIE 1, 171ff. I-55

ἄκορνα f. Distelart (Thphr.). — Strömberg Wortstudien 17 vergleicht κόρνος, nach H. sizilisch für κεντρομυρσίνη, und σκόρνος· κόρνος, μυρσίνη τὸ φυτόν; der Name sei volksetymologisch auf ἀκ- ‘spitz’ bezogen worden. Von ἄκορνα stammt nach Strömberg ἀκορνός (ὀκορνός) = ‘ἀττέλεβος, πάρνοψ’ (H., Phot.), weil die Heuschrecken unter den Disteln leben und sich von diesen nähren. Ebenso von κόρνος κόρνοψ ‘Art Heuschrecke’, vgl. auch ἀκανθίας von ἄκανθα. Zum Anlaut vgl. noch Winter Prothet. Vokal 12. I-55

ἄκορον n. ‘Wasser-Schwertlilie, Iris Pseudacorus’ (Dsk., Gal.). — Dunkel, von den Alten auf κόρη ‘Pupille’ bezogen, s. Strömberg Pflanzennamen 98. I-55-56

ἄκος n. ‘Heilung, Heilmittel’ (ep. ion. seit Il., vorw. poetisch). Denominatives Verb ἀκέομαι ‘heilen, ausbessern’ (ion. att.). Von ἀκέομαι stammen mehrere Nomina actionis und agentis (zu den letztgenannten s. Fraenkel Nom. ag. 2, 13ff.): 1. ἀκέσματα ‘Heilmittel’ (Il., Pi., A., Inschr., vgl. Chantraine Formation 183) und ἀκεσμός ‘Heilung’ (Kall.) mit ἀκέσμιον· ἰάσιμον H. 2. ἄκεσις ‘Heilung’ (Hdt., Inschr., vgl. Holt, Les noms d’action en -σις 111) mit ἀκέσιμος ‘heilend’ (Plu.) und ἀκέσιος Beiname des Apollon (Paus.), außerdem ἀκεσίας· ἰατρός Phot. — 3. ἀκέστωρ Beiname des Apollon (E. Andr. 900), fem. ἀκεστορίς (Hp. Flat. 1, ἅπ., vgl. Lejeune Rev. de phil. 76, 12); Nominalabstraktum ἀκεστορία ‘Heilkunde’ (A. R. u. a.). 4. ἀκεστήρ ‘sänftigend’ (χαλινός S. OC 714 lyr.) mit ἀκεστήριος ‘heilend’ (App.) und ἀκεστήριον ‘Schneiderwerkstatt’ (Lib.); außerdem ’Ακεστηρίδης EN (Styra). Mit den Nomina auf -τωρ, -τηρ stehen in Verbindung die Feminina ἀκεστρίς ‘Hebamme’ (Hp.) und ἀκέστρια ‘Schneiderin’ (Antiph., Luk.). 5. ἀκεστής m. ‘Flicker, Schneider’ (X., Lyk. usw.), fem. ἀκεστίδες ‘Eisenbarren in Schmelzöfen’ (Dsk. 5, 74). Nomina instrumenti: 6. ἀκέστρα f. ‘Stopfnadel’ (Luk., Pap.), aber 7. ἄκεστρον n. ‘Heilmittel’ (S.), vgl. Chantraine Formation 333. Hinzu kommen die Adjektiva: ἀκεστός ‘der Heilung fähig, heilbar’ (Ν 115, Hp., Antipho), ursprünglich von ἄκος gebildet, aber verbal umgedeutet und auf ἀκέομαι bezogen; ἀκεστικός: ἀκεστικὴ τέχνη ‘Flick-, Schneiderkunst’ (Demokr., Pl. u. a.). Neben ἄκος steht das seltene ἀκή ‘Heilung’ (Hp. Mochl. 21), das wahrscheinlich ein Postverbale von ἀκέομαι ist (Schwyzer 460). Von ἀκή vielleicht *ἄκιμος Cic. Att. 10, 12a, 4, s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 93, Thomas Stud. zur lat. u. gr. Sprachgeschichte 125ff. — Eine überzeugende Etymologie von ἄκος fehlt. Die Zulässigkeit einer Anknüpfung an air. hīcc ‘Heilung’, kymr. iach ‘gesund’ (Fick4 2, 222) hängt zunächst davon ab, ob ir. für urkelt. i̯a stehen kann, was unsicher ist, s. die Lit. bei Bq und WP. 1, 195. I-56

ἀκοστή ‘Gerste’ (Nik. Al. 106). — Nach H. kyprisch; nach Schol. Ζ 506 thessalisch als Benennung aller Lebensmittel, vgl. Bechtel Dial. 1, 204. Denominatives Verb im Ptz. ἀκοστήσας (ἵππος) Ζ 506, Ο 263. Außerdem ἀκόστιλα· ἐλάχιστα H. Mit Schwund des anl. Vokals κοσταί· κριθαί H. — Seit Prellwitz und Hoffmann Dial. 1, 278 als Ableitung des in lat. acus -eris n. ‘Granne, Spreu’ vorliegenden s-Stammes betrachtet, der auch von den germanischen Wörtern got. ahs, ahd. ahir n. usw. ‘Ähre’ vorausgesetzt wird. Etwas abseits liegen lit. akstìs ‘hölzerner Bratspieß’, russ. ostь ‘Spitze, Granne usw.’. Der Bildung nach wäre ἀκοσ-τή als substantiviertes Femininum ("die Grannige") mit lat. onus-tus, venus-tus (locus-ta?) zu vergleichen, was natürlich möglich ist, ebenso wie Anschluß an die große Gruppe der Bildungen von ἀκ- in ἄκαινα, ἀκμή usw. in Betracht kommen kann. S. auch ἄχνη. I-56-57

ἀκούω ‘hören’, auch ‘gehorchen, im Rufe stehen’. Zahlreiche Ableitungen: 1. ἀκουή (ep.), ἀκοή (zum Lautlichen vgl. ἀκήκοα und Schwyzer 348; ἀκουή vom Präsens abgeleitet? Porzig Satzinhalte 230) ‘Gehör, Kunde’, auch ‘Ohr’; zum Plural ἀκοαί ‘Ohren’ oder ‘Stimmen’ vgl. Wolters Hermes 49, 149ff., Weinreich Hermes 51, 624. Deminutiv ἀκοΐδιον ‘Öhrchen’ (Gloss.). Denominatives Verb ἀκοάζῃ· ἀκούεις H. (vgl. indessen ἀκουάζομαι unten) mit dem davon abgeleiteten Nom. ag. ἀκοαστῆρες· ἀρχή τις παρὰ Μεταποντίοις H. — 2. ἄκουσις ‘das Hören’, plur. ‘Laute’ (Arist., Phld., Plot.), ἀκούσιμος ‘zum Hören geeignet’ (S.), vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 81. ? 3. ἄκουσμα ‘das Gehörte, Laut, Gerücht, gehörte (= mündliche) Lehre’ (S. OC 518 lyr., X., Arist. usw.), vgl. Radermacher Festschrift Kretschmer 162f. Demin. ἀκουσμάτιον (Ps.-Luk. Philopatr.), Adj. ἀκουσματικός (Iamb.). — 4. ἀκουστής ‘Hörer, Schüler’ (Men., D. H., Phld. u. a.; für älteres ἀκροατής, vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 68) und ἀκουστήριον ‘Hörsaal, Zuhörerschaft’ (Gal., Them., Porph.). — 5. ἀκουστός ‘hörbar, audiendus’ (h. Merc., ion. att.) mit ἀκουστίζω (auch auf ἀκουστής bezüglich) ‘hören machen’ (LXX); daneben ἀκουστικός ‘auf das Hören bezüglich’ (Arist., Epik. u. a.). — Außerdem zwei Deverbative: ἀκουάζομαι (selten -άζω) ‘hören, lauschen’ (Hom., Hp.), vgl. Schwyzer 735 oben, Mélanges Pedersen 69, Chantraine Gramm. hom. 1, 338; formal könnte es auch von ἀκουή ausgehen. Desiderativum ἀκουσείω (S., H.). — Oft mit Präfix: ὑπακούω mit ὑπήκοος (zur Vokaldehnung Schwyzer 397f.), aber ohne Dehnung ὑπακοή (LXX, Ep. Rom., Pap. Masp.). Ebenso ἐπακούω, ἐπήκοος, κατακούω, κατήκοος usw. — Bei der Erklärung von ἀκούω sind zwei Wege geprüft worden: 1. Zusammenbildung ἀκ-ουσ-ι̯ω ‘scharfes Ohr hinhalten’, von ἀκ- in ἄκαινα usw. und οὖς (Fick BB 1, 334, Johansson IF 3, 199), vgl. ἀκροάομαι s. ἄκρος; 2. zu got. hausjan ‘hören’ (Delbrück KZ 16, 271), wobei ἀ- entweder Schwundstufe von idg. *en- ‘in’ sei (Prellwitz) oder für idg. *sm̥- stehe (Schrader KZ 30, 465) oder einfach prothetisch wäre (Benveniste BSL 32, 76, Meillet BSL 36, 107). Neben ἀκούω und hausjan, die nach Prévot REGr. 48, 70ff. als Desiderativa zu erklären sind, stände als primäres Verb ἀκεύει mit weiterem Anschluß an κοέω usw. (Prévot l. c., Bezzenberger BB 27, 145f., der das anlautende ἀ- dem lett. sa- in sa-just ‘fühlen, bemerken’ gleichsetzt). — Kretschmer KZ 33, 563ff., Glotta 27, 25 sucht die beiden Deutungen gewissermaßen zu vermitteln, indem er in hausjan Wegfall des Anlautvokals in idg. aḱ- ‘spitz’ annimmt. Wer ἀκούω nach 1. zu erklären vorzieht und dennoch ἀκεύει davon nicht trennen will, muß ἀκεύει als Neubildung nach der Proportion εἰλήλουθα : ἐλεύσομαι = *ἀκήκου[σ]α : *ἀκεύσομαι : ἀκεύει verstehen, was äußerst unwahrscheinlich ist. I-57-58

Ακράγας, -αντος m. f. Fluß und Stadt in Sizilien, — wahrscheinlich illyrischen Ursprungs. Kretschmer Glotta 14, 87ff. I-58

ἀκρᾱής, -ές Beiwort des Windes (β 421, ξ 253, Hes. Op. 594, Cic. Att. 10, 17, 9, Adv. ἀκραεὶ πλεῖν Arr.) — als ‘scharf wehend’ gedeutet, aber ursprünglich wahrscheinlich = ‘auf den Höhen wehend’, von ἄκρος (ἄκρα, ἄκρον, s. d.) und ἄημι mit kompositioneller Dehnung und Übergang in die s-Stammflexion. I-58

ἀκραιφνής, -ές ‘lauter, rein, unversehrt’ (fast nur poet. und spät). — Unerklärt. Wertlose Vermutungen sind bei Bq verzeichnet. I-58

ἀκρά̄χολος ‘heftig zürnend’ (att.) mit ἀκρᾱχολία, ion. (Hp.) ἀκρηχολίη; denom. Verb ἀκρᾱχολέω (Pl.). — Eig. "mit ungemischter Galle", aus *ἀκρά̄τ-χολος, von *ἀκρά̄ς = ἄκρᾱτος, vgl. ἀκρητό-χολος (Hp.) und εὐκρά̄ς = εὔκρᾱτος ‘wohlgemischt’. Später (Arist. usw.) nach ἄκρος in ἀκρόχολος, -ία umgestaltet. Brugmann IF 17, 8, Fraenkel Nom. ag. 1, 84ff. Dasselbe Vorderglied wird von Brugmann a. a. O. 174ff. in ἀκρήπεδος· ἡ ἀγαθή (scil. γῆ) H. vermutet. I-58

ἀκρεμών, -όνος (Akzent nach Hdn. Gr. 1, 33; Hss. gew. -έμων) m. ‘Ast, Zweig’, zur Bedeutung Strömberg Theophrastea 141f., 54f. (Simon., E., Thphr. usw.). Davon ἀκρεμονικὴ (ἀπόφυσις) Thphr., vgl. Strömberg 98 A. 1. — Seit Benfey zu ἄκρος gezogen; zur Bildung Brugmann Grundriß2 2 : 1, 241, Schwyzer 522, Chantraine Formation 172f. Die apokopierte Form κρεμών (Eratosth.) kann durch Anschluß an κρεμάννυμι veranlaßt sein. I-58

ἀκριβής (-ῑ-), -ές ‘genau, sorgfältig, sparsam, streng’ (ion. att.); auch als Stilbegriff, s. Weßdörfer Die Φιλοσοφία des Isokrates 95f. Abstraktbildung ἀκρίβεια ‘Genauigkeit usw.’ (ion. att.). Mehrere Denominativa: 1. ἀκριβόω (Schwyzer 731f.) ‘genau ausführen, genau kennen’ (att. und spät), auch intr. ‘genau sein’ (Arist.). Davon ἀκρίβωσις ‘genaue Beobachtung’ (J.) und ἀκρίβωμα ‘genaue Ausführung, genaue Kenntnis’ (Phld., Epikur.). 2. ἀκριβεύω ‘richtig benutzen, genau unterrichten’ (S. E., Did., Pap.). 3. ἀκριβάζω mit ἀκριβασμός, -ασμα, -αστής ‘genau untersuchen’, auch ‘stolz sein’ (pass.), bzw. ‘genaue Untersuchung’, ‘Untersucher’, auch ‘Gebot, Gesetz’, ‘Gesetzgeber’ (LXX, Aq., Thd.). — Unerklärt. Nach Schwyzer Glotta 12, 12ff. zu ἄκρος und εἴβω mit frühem Itazismus; ältere Versuche, alle unbefriedigend, sind bei Bq zu finden. I-58-59

ἀκρίς, -ίδος f. ‘Heuschrecke’ (Φ 12, Ar., Arist., hell.). Deminutiv ἀκρίδιον (Dsk.). — Nicht sicher gedeutet. Strömberg Wortstudien 15ff. (wo über frühere Vorschläge) zieht ansprechend, auf mehrere Bedeutungsparallelen gestützt, ἀκρίς zu κρίζω ‘schreien’; der Anlautsvokal bereitet allerdings gewisse Schwierigkeiten. Winter Prothet. Vokal 15 vergleicht κέρκα· ἀκρίς H. I-59

ἄκριστιν · κλέπτριαν, ἀλετρίδα. Φρύγιοι H. — Dunkel. Zum phrygischen Suffix -(i)stis s. Kretschmer Glotta 22, 205f. I-59

ἀκροάομαι ‘(aufmerksam) hören, horchen’ (ion. att.), ὁ ἀκροώμενος auch ‘der Leser’ (Philostr.). Mehrere Ableitungen: ἀκρόασις ‘das Anhören, Gehorchen’, auch ‘Vorlesung, Hörsaal’ (ion. att.). — ἀκρόαμα ‘das Gehörte, Gegenstand des Hörens, Gerücht, Vorlesung, Gesang’ (X., Arist., Plb., vgl. Radermacher Festschrift Kretschmer 162f.), im Plur. auch personifiziert ‘Vorleser, Sänger’ (Plb. u. a.); davon ἀκροαματικός ‘(nur) zum Anhören bestimmt’ (Plu. u. a.); ferner die ngr. Denonunativa ἀκουρμάζω, κουρμαίνω ‘hören’ (Hatzidakis; s. Glotta 4, 333). — ἀκροατής ‘Zuhörer, Schüler’, auch ‘Leser’ (att., hell.) mit ἀκροατικός. — ἀκροατήριον ‘Hörsaal, Zuhörerschaft’ (Act. Ap., Ph., Plu.). — Eine Weiterbildung liegt in ἀκροάζομαι (Epich.) vor. — Schon Fick BB 1, 334 hat in ἀκροάομαι ein Kompositum von ἄκρος und οὖς erkannt. Das Wort ist eine sog. Zusammenbildung, d. h. eine Ableitung des Ausdrucks ἄκρον οὖς, eig. ‘die Ohrspitze machen, die Ohren spitzen’, Frisk GHÅ 56 : 3, 21. I-59

ἄκρος, -α, -ον ‘äußerst, oberst, höchst, an der Spitze befindlich’; daneben seit alters ἄκρα f., ἄκρον n. ‘das äußerste Ende, Spitze, Höhe, Vorgebirge’, ‘τὸ ἄριστον καὶ κάλλιστονEM; Hom. κατἄκρης (πόλιος) ‘von der oberen (Burg) hinab’, κατἄκρηθεν, att. κατἄκρας ‘gänzlich’, s. Leumann Hom. Wörter 56ff.; zu ἄκρον noch Krahe IF 58, 141; ἄκρος eig. adjektiviertes Substantiv? (Frisk IF 56, 113f.). Sehr gebräuchlich als Vorderglied wie in ἀκρόπολις (für älteres ἄκρη πόλις, Frisk IF 52, 282ff., Risch IF 59, 20), immer in lokalem Sinne; danach ἀκραής eig. ‘auf den Höhen wehend’. — Neben ἄκρος, -α, -ον steht ἄκρις, -ιος f. ‘Berggipfel’ (Od., h. Cer., immer im Plural; im Sing. nur Epigr. Gr. 1035, 8). — Ableitungen von ἄκρος (-α, -ον): ἀκραῖος, -αία ‘auf der Höhe, auf der Burg lebend’, Beiname verschiedener Götter, vgl. Paton ClRev. 21, 47f., auch = ἄκρος (Opp.). — ἀκρία· ἡΑθηνᾶ ἐν Ἄργει H. (auch Name anderer Göttinnen), ἀκρίαι· τὰ ἄκρα τῶν ὀρέων H. — Substantiva: ἀκρότης ‘höchster Punkt, äußerste Grenze, Vollendung’ (Hp., Arist., Phld. usw.). — ἄκρων, -ωνος m. ‘Extremität’ (Hippiatr. 7), Demin. ἀκρωνάριον (ibid.), Abstraktbildung ἀκρωνία A. Eu. 188, wahrscheinlich ‘Verstümmelung’ (vgl. ἀκρωτηριασμός unten). — ἀκρωτήριον ‘der äußerste, vorragende Teil, Vorgebirge, Schiffsschnabel, Giebelvorsprung’, pl. auch ‘Extremitäten’ (ion. att.); wahrscheinlich direkt von ἄκρος gebildet mit Überspringung eines Zwischengliedes, vgl. etwa δεσμός : [δεσμώτης :] δεσμωτήριον, s. noch Fraenkel Nom. ag. 1, 204 A. 2, Schwyzer 470. Von ἀκρωτήριον: ἀκρωτηριάζω ‘die ἀκρ. entfernen, verstümmeln, amputieren’ (ion. att.; vgl. ἀκρωτερῆσαι· κόψαι ἢ ἀχρειῶσαι H.), auch ‘ein Vorgebirge bilden, wie ein Vorgebirge hinausragen’ (Plb., Str.). Davon die Verbalnomina ἀκρωτηριασμός (Dsk. u. a.), ἀκρωτηρίασις (Gloss.). — Von ἄκρος werden auch Verba gebildet: ἀκρίζω ‘auf den Fußspitzen gehen’ (E.), = ‘τἂ ἄκρα ἐσθίειν’ Sch. Φ 12; ἀκρώσσει· ἀκροᾶται, ἑκὼν οὐχ ὑπακούει, προσποιεῖται H., s. Frisk GHÅ 56 : 3, 22. — Es gibt in den übrigen idg. Sprachen viele r-Ableitungen des Elementes aḱ-, die mit ἄκρος, ἄκρις am nächsten verwandt sind: aind. áśri- f. ‘Ecke, scharfe Kante’, catur-aśra- ‘viereckig’ (vgl. indessen auch ὄκρις), lat. ācer, -ris, re (alte Vr̥ddhibildung? Frisk IF 56, 113f.), gall. EN Aχrotalus ‘mit hoher Stirn’, air. ēr ‘hoch’, alit. aštras, aksl. ostrъ ‘scharf’. Über akro- in illyrischen Namen s. Krahe Pannonia 1937, 310 A. 40, Karg WuS NF. 4, 183. — Heth. ḫekur ‘Fels(gipfel)’ bleibt fern, vgl. über dieses Wort Sommer Aḫḫijavā-Urk. 317f. — Weitere Verwandte s. ἄκαινα, ἀκή, ἀκμή usw., auch ὄκρις. I-59-60

ἀκταίνω (A. Eu. 36, στάσιν od. βάσιν; Trag. Adesp. 147, μένος), ‘aufrichten’ Aor. ἀκταινῶσαι (Anakr., Pl., vgl. Immisch Phil. Woch. 48, 908), ὑποακταίνοντο· ἔτρεμον H. als v. l. in ψ 3 für ὑπερικταίνοντο (πόδες). — Trotz der Bedeutung wohl am besten zu ἄγω als Erweiterung von *ἀκτάω oder *ἄκτω (s. über diesen Bildungstypus Schwyzer 705f., Mélanges Pedersen 70). Zu -αίνω vgl. besonders κρυσταίνω. Die von Boisacq herangezogenen τ-Bildungen ἀκολασταίνω : ἀκόλαστος, ἀλασταίνω : ἄλαστος sind als Ableitungen lebendiger Verbaladjektiva mit ἀκταίνω nicht vergleichbar. I-60

ἀκτέα, ἀκτῆ auch ἀκτέος m. f., ‘Holunder, Sambucus nigra’ (Emp., B., Hp., Thphr. usw.). Davon ἄκτινος (Thphr.). — Etymologie unbekannt. Daraus lat. acte (Plin., Ps.-Apul.), ahd. atuh, at(t)ah. I-60-61

ἀκτή 1. f. ‘Vorgebirge, Felsküste, schroffes Ufer, Landzunge, Kante’ (seit Il.; in der älteren Sprache vorwiegend poetisch). Ableitungen: ἀκταῖος, -α, -ον ‘an der Küste gelegen, zur Küste gehörig’ (Th., Hp., Kall. u. a.). Fem. ἀκταία auch Pflanzenname (Plin.); darüber und über die Pflanzennamen ἄκτιον und ἀκτίνη Strömberg Pflanzennamen 115. — ἄκτιος Beiname von Pan (Theok.) und Apollo (A. R.), ἄκτιον = ἀκτή (Ael.). — ἀκτίτης m. ‘Küstenbewohner’ (A. P.), ἀκτ. (λίθος) ‘Stein aus Piräus oder Argolis’ (IG, S.; vgl. Redard Les nom grecs en -της Index 266), πέτρος ἀκτῖτις (Ath. Mitt. 31, 143). Nach Plu. 2, 668 b gehört hierher auch ein Verb ἀκτάζω ‘schmausen’, eig. *‘am Ufer schmausen’. Es handelt sich aber vielleicht eher um eine Ableitung von 2. ἁκτή, die irrtümlich an 1. ἀκτή angeschlossen worden ist. — Nicht sicher gedeutet. Die herkömmliche Erklärung aus ἀκ- ‘spitz’ ist allenfalls möglich. Das Wort hat im Anlaut nicht Digamma besessen. I-61

ἀκτή 2. oft Δημήτερος oder ἀλφίτου ἀκτή. f. ‘Korn’ (ep. poet.), — Etymologie unbekannt. Keine Spur von anl. Digamma. Die vergeblichen Deutungsversuche sind bei Bq verzeichnet. I-61

ἀκτηρίς, -ίδος f. ‘Stab’ (Achae. 21), ‘Holzstange zum Stützen der Deichselstange’ (Poll. 10, 157). — Durch Univerbierung von ἀκταίνω (*ἀκτάω) und ἐρείδω entstanden? I-61

ἀκτίς, -ῖνος f. ‘Strahl, Licht’ (vorw. poetisch von Hom. an), auch ‘Speiche’ (AP). Ableitungen: ἀκτινωτός ‘mit ἀκτῖνες versehen’ (Inschr. Delos IVa Michel 815, Ph. u. a.), ἀκτινώδης ‘strahlenähnlich’ (Philostr.), ἀκτινηδόν Adv. ‘strahlengleich’ (Luk.). Öfters als Vorderglied. ἀκτίς ist wie δελφίς, γλωχίς, ὠδίς usw. gebildet und setzt wie diese ein Nomen voraus. — Am nächsten steht aind. aktú- ‘Strahlung, Nacht’ (zur Bedeutung s. Renou Monographies sanskrites 2, 6). Damit verbindet man seit Joh. Schmidt Pluralbild. 212ff. got. uhtwo f. (urg. *χtwōn-) ‘Morgendämmerung’ und, mit anderem Ablaut, lit. ankstì ‘früh’. Weiterer Anschluß an die Wörter für ‘Nacht’ (s. νύξ) ist hypothetisch. Vgl. außer Schmidt und Renou die Literatur bei WP. 2, 338f., Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. uhtwo; außerdem Güntert Reimwortbildungen 66f. I-61

ἄκυλος m. und f. ‘die eßbare Eichel, Frucht der Steineiche’ (κ 242, Pherekr., Arist., Theok., Thphr. u. a.). — Von Solmsen KZ 34, 79 und Persson Beitr. 825f. mit aind. aśnā́ti ‘essen’ verbunden. Hypothetisch. Vgl. ἄκολος. I-61

ἄκων, -οντος (für älteres *-ονος) m. ‘Wurfspieß, Wurflanze’ (poet. seit Il., späte Prosa, vgl. Trümpy Fachausdrücke 52ff.). Auf ἄκων fußen mehrere Nomina: Demin. ἀκόντιον (h. Merc. 460, Hdt., Pl. usw.), ἀκοντίας m. ‘Schlangenart’, ‘Meteor’ (wegen der Schnelle; Nik., Plin. u. a.), ἀκοντίλος m. = ἀκοντίας (H., EM). Ferner das Verb ἀκοντίζω ‘einen Wurfspieß schleudern’ (seit Il., vgl. Trümpy 108f.) mit mehreren Verbalnomina: 1. ἀκοντιστύς ‘Speerkampf’ (Il., zur Bedeutung s. Benveniste Noms d’agent 70); 2. ἀκόντισις ‘Speerwerfen’ (X.); 3. ἀκοντισμός ‘Speerwerfen, Wurf’ (X., Str., Arr. u. a.); zum Verhältnis von ἀκόντισις und ἀκοντισμός (-μός konkreter gefärbt) s. Holt Les noms d’action en -σις 133f., Glotta 27, 182ff.; 4. ἀκόντισμα ‘Wurfweite’ (X.), ‘Wurfspieß’ (Str., Plu. u. a.); 5. ἀκοντισία = ἀκόντισις (SIG 1060, 1062), vgl. Chantraine Formation 86. — Nomina agentis: ἀκοντιστής m. ‘Wurfschütze’ (Il. usw.), vgl. Schwyzer 500α; ἀκοντιστήρ ‘ds.’ (E.), wohl Neubildung, vgl. Chantraine 325. Bei Opp. und Nonnos auch als Adj. gebraucht; über ἀκοντιστήρ im Sinn von ‘Springbrunnen’ Zingerle Glotta 19, 72f. — ἀκοντιστήριον ‘Wurfmaschme’ (Agath.). — ἀκοντιστικός ‘zum Speerwerfen gehörig’ (Pl., X. u. a.). — ἄκων ist eine n-Ableitung des in ἀκ-ή usw. vorliegenden Elements; vgl. insbesondere ἀκόνη, ἄκαινα, ἄκανος, ἄκανθα. Aus anderen Sprachen: aind. aśáni- ‘Pfeilspitze usw.’, lat. agna ‘Ähre’, germ., z. B. got. ahana ‘Spreu’, awno. ǫgn, pl. agnar ‘Spreu’. I-62

ἀλάβαστος, später ἀλάβαστρος m. und ἀλάβαστρον n. ‘Salbgefäß’, oft aus sog. Alabaster gemacht (Hdt., Kom., Inschr.). Demin. ἀλαβάστιον (Eub.). Sonstige Ableitungen: ἀλαβάστριον n. und ἀλαβαστρίνη (sc. λιθοτομία) ‘Alabasterbruch’ (Pap.); ἀλαβαστρίτης (λίθος) m. ‘Alabaster’, ἀλαβαστῖτις πέτρα (Kallix.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 52; ἀλαβάστρινος (Pap.); ἀλαβαστρών m. ‘Alabasterbruch’ mit ἀλαβαστρωνίτης ‘Arbeiter eines Alabasterbruchs’ (Pap.), s. Redard 35. — Nach Sethe BerlAkSb. 1933, 888f. aus ägypt. *‘a-la-baste ‘Gefäß der Göttin Ebáste’ (= Bubastis). I-62

ἀλαζών, -όνος m. f. ‘Marktschreier, Prahler’ (ion. att.), auch adjektivisch gebraucht. Ableitungen: ἀλαζονικός ‘prahlerisch, stutzerhaft’ (Hp., X., Arist. usw.), ἀλαζονίας = ἀλαζών (Hdn.), ἀλαζοσύνη ‘Großtuerei’ (Aq.). — Verbum: ἀλαζονεύομαι ‘großtun, prahlen’ (Kom., Redner usw.). Davon ἀλαζονεία, ἀλαζόνευμα. ἀλαζών ist mit dem thrakischen Volksnamen ’Αλαζών identisch, der zum Appellativ geworden ist. Bonfante BSL 37, 77ff. I-62

ἀλαιθερές · χλιαρόν, ἡλιοθερές H. — Unhaltbare Spekulationen bei Prellwitz Glotta 19, 119. I-63

ἀλαλά Interj., auch personifiziert ’Αλαλά (Pi.); daneben ἀλαλαί (Ar.), das auch als pluralisches Subst. ‘(Kriegs)geschrei, Jubel’ (Pi.) vorkommt. Davon ἀλαλητός m. ‘(Kriegs-, Sieges-, Angst)geschrei’ (Il., Hsd., Pi. u. a.). — ie Auffassung Leumanns Hom. Wörter 211, daß ἀλαλητός eigentlich zu ἀλάλημαι ‘umherschweifen’ (s. ἀλάομαι) gehöre und durch Umdeutung von Π 78 auf ἀλαλά bezogen worden sei, ist nicht ohne Bedenken. — Denominatives Verb ἀλαλάζω (Schwyzer 716 : 3) ‘ἀλαλά rufen, ein Geschrei erheben’ (vorw. poetisch, außerdem X. und späte Prosa). Davon drei Nomina: ἀλαλαγμός (Hdt., E., Arr. u. a.), ἀλάλαγμα (Kall., Plu.), ἀλαλαγή (S.). Primäre Interjektion, elementarverwandt mit z. B. aind. alalā-bhávant- (RV., ‘munter rauschend’, vom Wasser). Vgl. Theander Eranos 15, 98ff. mit den Bemerkungen Kretschmers Glotta 9, 228ff. Ähnlich ἐλελεῦ, ὀλολύζω. I-63

ἀλάλυγξ, -υγγος f. etwa ‘Schlucken, Schluchzen’ (Nik. Al. 18). — Expressive Kontamination von λύγξ ‘Schlucken’ und einem anderen Wort, vgl. die Bildungen s. ἀλύω und ἀλάομαι. I-63

ἀλάομαι ‘umherirren, umherschweifen, in der Verbannung leben’, Aor. ἀλήθην (vorw. ep. und poet.). Daneben die indefiniten Perfektformen ἀλάλησθαι, ἀλαλήμενος (fast nur Hom.), beide mit Präsensbedeutung, womit der unregelmaßige Akzent zusammenzuhängen scheint, s. Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 117f. Eine Umbildung von ἀλάομαι ist ἀλαίνω (vgl. Schwyzer 733). Postverbales Nomen : ἄλη (Od., Hp., Trag., späte Prosa); daraus erweitert ἀλεία (AB, H.). — Nomen agentis: ἀλήτης m., auch Adj., dor. ἀλάτας, auch EN, vgl. Björck Alpha impurum 165, ἀλῆτις, -ιδος f. ‘Bettler, Flüchtling; umherirrend’ (Od., Hdt., Trag. usw.) mit ἀλητικός (D. Chr.). Von ἀλήτης das denominative ἀλητεύω ‘(als Bettler od. Flüchtling) umherirren’, davon ἀλητεία, ἀλατεία (A., E. in lyr., späte Prosa). Neben ἀλήτης vereinzelt ἀλητήρ als Name eines Tanzes (Arristox.), dazu bei H. ἀλήτωρ· ἱερεύς, wohl eig. "Bettelpriester". — Von ἀλάομαι auch ἀλήμων ‘umherschweifend’ (Od., AP) mit ἀλημοσύνη (Man. u. a.). — Nomina actionis: ἀλητύς ‘das Umherirren’ (Kall., Man.), vgl. Chantraine Formation 291; ἄλημα· ὁδοιπορία H. — Aus der reduplizierten Form stammt die ganz besondere Bildung ἀλάλαγξ· ἡ πλάνη H., nach Leumann Hom. Wörter 211 auch ἀλαλητῷ Π 78, was etwas zweifelhaft scheint, vgl. s. ἀλαλά. — ἀλάομαι ist ein altes Intensivum auf -άομαι, das in lett. aluôt ‘umherirren’ sein nächstes Gegenstück hat (Fick BB 2, 264). Ob auch lat. ambulo hierhergehört, ist strittig, s. W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. v. Vgl. 2. ἀλέα, ἀλύω, ἠλάσκω, ἅλιος. I-63-64

ἀλαός ‘blind’ (Hom., Trag. in lyr., A. R.). Denominatives Verb ἀλαόω im Aorist ἀλαῶσαι (Od., AP), vgl. Wackernagel Unt. 127. Davon ἀλαωτύς (ι 503) ‘Blendung, Blindheit’, vgl. Benveniste Noms d’agent 68. et. — Die abstrakt-logisch unanfechtbare Erklärung aus λάω ‘sehen’ (Bq s. λάω, Bechtel Lex. s. ἀλαός) hat gegen sich, daß man für den Begriff ‘blind’ einen anschaulicheren Ausdruck erwartet. I-64

ἀλαπάζω Aor. ἀλάπαξα, Fut. ἀλαπάξω. ‘zerstören, erschöpfen, plündern’ (vorw. Hom.), Davon ἀλαπαδνός mit analogisch eingeführtem -δ- (Schwyzer 489) ‘aufgerieben, schwach’, meistens mit Negation (Hom., Hes.). Ableitung ἀλαπαδνοσύνη (Q. S.). — Im selben Sinne gebraucht Aisch. zweimal (Th. 47, 531) das Futurum λαπάξειν (Ag. 130 zweifelhaft); das Präsens λαπάσσω wird von den Medizinern als terminus technicus ‘ausleeren’ verwendet. Bei A. Eu. 562 liest man nach Musgrave λαπαδνόν (cod. λέπ-) = ἀλαπαδνόν. Zu bemerken noch λαπάζειν· ἐκκενοῦν, ἀφοὗ καὶ τὸ ὄρυγμα H. — Etymologisch dunkel; gegen Ficks (14, 5) Anknüpfung an aind. álpa- ‘klein’, lit. alpstù ‘verschmachten, ohnmächtig werden’ mit Recht WP. 1, 92, Pok. 33. Weitere Lit. ebenda und bei Bq. Ob das anl. ἀ- prothetisch hinzugefügt oder sekundär verlorengegangen ist, läßt sich kaum entscheiden. Vgl. λαπαρός. I-64

ἄλαστος ep. und poet. Beiwort von πένθος, ἄχος, auch als herabsetzende Anrede (ἄλαστε, z. B. Χ 261) gebraucht. Denominatives Verb ἀλαστέω (Hom., Kall. u. a.), ἐπαλαστήσας (α 252, A. R.), Bezeichnung einer Gemütserregung. Außerdem ἀλασταίνω· δυσπαθέω H.; EM. — Ursprüngliches Nomen agentis ἀλάστωρ, vgl. ἀνάκτωρ, δυνάστωρ, κτίστωρ usw., entweder von ἀλαστέω oder direkt von ἄλαστος gebildet (vgl. Schwyzer 531 : 1), hom. EN, Attribut von Göttern und Göttinnen, aber auch von Menschen, wahrscheinlich ionischen Ursprungs, Fraenkel Nom. ag. 1, 216f., 69. Nebenform ἀλάστορος (A., S. u. a.), Ableitung ἀλαστορία (J.). Seit Prellwitz BB 13, 145, Solmsen KZ 34, 445, IF 3, 92 wird ἄλαστος mit antiken Gewährsmännern gern als privatives Verbaladjektiv zu λανθάνομαι erklärt: *‘wer oder was nicht vergessen wird oder werden kann, unerträglich’; davon ἀλαστέω *‘etw. unerträglich finden, empört werden, zürnen’, eine formal tadellose, aber inhaltlich sehr hypothetische Deutung. Vgl. zur Bedeutung noch v. Wilamowitz zu Eur. Herakles v. 911. — Anders Muller Don. nat. Schrijnen 649ff., Mnemos. 57, 116ff.: zu λάω ‘sehen’ mit ἀ- aus *-, Schwundstufe von ἐν ("invisus, invisor, qui invidendo nocet"). Wieder anders Prévot Rev. de phil. 61, 249ff.: zu λάω ‘sehen’ mit prothetischem ἀ-. Abzulehnen Prellwitz Glotta 19, 119. Weitere Lit. bei Bq (mit Add. et corr.). I-64-65

ἄλγος n. ‘Schmerz, Leid, Kummer’ (vorw. ep. poet.). Ableitungen: ἀλγεινός (aus *ἀλγεσ-νός), ep. ἀλεγεινός (vgl. ἀλέγω) ‘schmerzhaft, kummervoll’; ἀλγινόεις ‘ds.’ (poet.; metrische Umbildung s. Chantraine Formation 271, vgl. auch Schwyzer 527f.); ἀλγηρός ‘ds.’ (LXX) wohl eher auf ἀλγέω zu beziehen, vgl. Chantraine 231ff.; ἀργαλέος, dissim. aus *ἀλγαλέος ‘ds.’ (vorw. ep. poet., nicht bei den Tragg.), näheres bei Debrunner IF 23, 10f., Severyns Mélanges Boisacq 2, 239ff.; davon ἀργαλεότης (Ph., Eust.). — Denominative Verba: 1. ἀλγέω, -ήσω ‘Schmerz empfinden, leiden, bekümmert sein’ (ion. att.; Schwyzer 724: 1, vgl. auch Leumann Hom. Wörter 113). Davon ἄλγησις ‘das Leiden’ (S., Ar., späte Prosa) und ἄλγημα ‘das Leid’ (Hp., S., E., Men. usw.; zum Bedeutungsunterschied Holt Les noms d’action en -σις 148); ferner ἀλγηδών ‘Leid’ (ion. poet., Pl. usw.); über ἀλγηρός s. oben. — 2. ἀλγύνω, -ομαι ‘in Schmerz versetzen’, bzw. ‘Schmerzen empfinden’ (vorw. trag. und sp. Prosa). Von ἀλγύνω: ἄλγυνσις (Phlp., Olymp.) und ἀλγυντήρ (Zos.). — Neben ἄλγος stehen die primären Komparationsbildungen ἀλγίων und ἄλγιστος (Hom., Trag.; Schwyzer 539, Seiler Steigerungsformen 85f.). — Wahrscheinlich zu ἀλέγω, s. d. I-65

ἀλδαίνω ‘wachsen lassen, stärken’ (A.), Aor. ἤλδανε (σ 70 = ω 368). Daneben ἀλδήσκω ‘wachsen’ (Ψ 599), ‘wachsen lassen’ (Theok.) und ἀλδισκάνω (Hdn. Gr. 2, 716). Iterativpräteritum ἀλδήσασκε (Orph. L. 370). — Postverbal ἄλδη ‘Wachstum’ (Hdn. Gr. 1, 311); scheinbar davon abgeleitet, aber vielmehr vom Verb ausgegangen ist ἀλδήεις ‘wachsend’ (Max.), ebenso ἀλδήμιος ‘wachsen machend’ (Method. ap. EM). — Als Hinterglied findet sich -αλδής: ἀναλδής ‘nicht gedeihend, unfruchtbar’ (Hp., Ar., Arat.), νεαλδής (Opp.) und νεοαλδής (H.) ‘neu gewachsen’, alle direkt vom Verb gebildet. — ἀλδαίνω, ἤλδανε und ἀλδήσκω sind Umbildungen eines unbekannten Wurzelverbs, das eine δ-Erweiterung des in ἄναλτος (s. d.) vermuteten Verbalstamms enthält (Schwyzer 702: c α mit Nachtrag). Vgl. ἀλθαίνω. I-65

ἀλέα 1. (ἀλέα?, vgl. ἀλεαίνειν unten), ion. ἀλέη ‘Wärme’, insbes. ‘Sonnenwarme’ (ep., ion. att.). Ableitungen: ἀλεεινός ‘heiß, der Sonne ausgesetzt’ (ion., X., Arist. u. a.), nach φαεινός usw. gebildet (Chantraine Formation 196); ἁλυκρός ‘lauwarm’ (Nik., EM), nach θαλυκρός (oder daraus durch falsche Interpretation als θἁλυκρός entstanden? Debrunner GGA 1910, 6), vgl. ἀλυκτρόν· εὔδινον H.; ἀλεόν· θερμὸν ἢ χλιαρόν H.; nicht völlig sicher ἀλεής (S. Ph. 859 lyr.; ἀδεής Reiske). — Denominative Verba: 1. ἀλεαίνω ‘erwärmen, sich wärmen’ (Hp., Archil., Ar., Arist., Men.), im Attischen nach Eust. 1636 aspiriert: ἁλ-; davon ἀλεαντικός ‘zur Erwärmung geeignet’ (S. E.). — 2. ἀλεάζω ‘warm sein’, auch ‘erwärmen’ (Arist., Gal., H.). — ἀλέα ist vermittels des Suffixes -έα von einem Verb abgeleitet, das im Griechischen verloren gegangen ist, aber im Germanischen und Baltischen fortlebt, z. B. ags. swelan ‘langsam verbrennen’, nhd. schwelen (Hochstufe), lit. svìlti ‘sengen’ (intr.; Schwundstufe wie im Griech.). Fick4 1, 580, Sommer Lautst. 111. Weiteres s. εἵλη. I-65-66

ἀλέα 2., ion. ἀλέη ‘das Ausweichen, Entrinnen, Schutz’ (ep.ion.) — aus *ἀλέϝ-ᾱ (nach φυγή? Porzig Satzinhalte 232). Verbalnomen von ἀλέομαι aus *ἀλέϝομαι, vgl. ἀλεύω (Trag. in lyr.), Aor. ἀλεύασθαι neben ἀλέασθαι ‘ausweichen, entfliehen’ (ep. ion.). Ein anderes Verbalnomen ist ἀλεωρή ‘das Ausweichen, Schutz’ (ep. ion., hell.), aus *ἀλεϝ-ωλή mit Dissimilation (Chantraine Formation 243, Schwyzer 258). Denominatives Verb: ἀλεείνω = ἀλέομαι (ep.), wahrscheinlich von einem Nomen *ἀλεϝ-εν- (vgl. Schwyzer 521); der komplettierende r-Stamm in ἄλεαρ· ἀλεωρίαν H. Eine Bildung auf -άζω, entweder denominativ von ἀλέα oder deverbativ von ἀλέομαι, ist bewahrt in ἀλεάζειν· κρύπτειν ἢ προβάλλειν, καὶ εἴργειν, ἀφανίζειν H. Neben *ἀλεϝ-ομαι steht mit anderem Ablaut in derselben Bedeutung ἀλύ-σκω (ep., trag., sp. Prosa), Fut. ἀλύξω mit analogisch eingeführtem ξ (Schwyzer 708 A. 5, vgl. Debrunner Mélanges Boisacq 1, 252f.). Erweiterungen davon: ἀλυσκάζω und ἀλυσκάνω (ep.). ἀλέομαι und ἀλύσκω werden gewöhnlich zu ἀλύω und weiterhin zu ἀλάομαι (Erweiterung ευ : υ) gestellt, s. dd. I-66

ἀλέγω, nur Präs., gew. mit Negation, ‘auf etw. achten, sich um etw. kümmern’ (ep. lyr.). Erweiterungen: ἀλεγίζω und ἀλεγύνω, beide nur Präs. und Impf., vgl. Schwyzer 736, bzw. Risch 253. — Von ἀλέγω das Hinterglied -ηλεγής (kompositionelle Dehnung) in den Syntheta δυσ-ηλεγής ‘schmerzvoll, rücksichtslos’ (ep.) und ἀν-ηλεγής ‘der sich um nichts kümmert, rücksichtslos’ (Q. S.), wahrscheinlich auch bei Homer für τανηλεγής einzusetzen (Bechtel Herm. 39, 155f., Leumann Hom. Wörter 45, der mir die semantischen Schwierigkeiten zu überschätzen scheint). Ein Substantiv *ἄλεγος anzusetzen, ist jedenfalls nicht notwendig, denn auch das Adj. ἀλεγεινός läßt sich anders, und zwar als eine Umbildung von ἀλγεινός nach ἀλέγω erklären. — ἀλέγω, eig. ‘Schmerz, Leid über etwas empfinden’ und ἄλγος ‘Schmerz, Leid, Kummer’ sind wegen der übereinstimmenden Bedeutung zusammenzuhalten unter der Annahme eines Ablautwechsels ἀλεγ- ~ ἀλγ- (vgl. ἀλέξω : ἀλκή). Dabei ist die ohnehin anfechtbare Zerlegung in ἀ- (Schwundstufe von ἐν-) und λέγω (Hermann IF 35, 171) aufzugeben. Weitere Beziehungen sind ganz unsicher, vgl. WP. 1, 160; 2, 423. I-66-67

ἄλεισον ἄλεισος m. (Ar.). n. ‘Trinkgefäß mit zwei Henkeln’ (s. Brommer Herm. 77, 356f., 363f.) (Hom., Kall., Ath.), — Die Zusammenstellung mit got. leiþu (Akk. sg.) ‘Obstwein’, ahd. lid ‘geistiges Getränk’ unter der Annahme einer Grundform *(ἀ)λειτϝ-ον (Schulze KZ 29, 255 = Kl. Schr. 358f., weitere Anknüpfungen bei Bq und WP. 2, 392) muß bei einem Gerätenamen dieser Art als höchst unsicher betrachtet werden. Eher Mittelmeerwort. I-67

ἀλείτης ‘Frevler’ (Hom., A. R.), ἀλεῖτις f. (Hdn.). m. Ableitung: ἀλειτεία· ἡ ἁμαρτία Suid. — Mit qualitativem Ablaut: ἀλοίτης ‘Rächer’ (Emp.), ’Αλοῖτις Beiname der Athena (Lyk. 936); ἀλοιτός ‘Frevler’ (Lyk. 136), ἀλοιταί· κοιναί, ἁμαρτωλαί, ποιναί H. Denominatives Verb: ἀλοιτεύειν· ἀλιτήριος εἶναι EM. ἀλοιτήεσσαν· κοινήν, ἄνανδρον H. — Mit Schwundstufe: ἀλιταίνω, Aor. ἤλιτον ‘freveln, sich an jn. versündigen’ (ep. poet.). Der Aoriststamm als Vorderglied z. B. in ἀλιτό-ξενος ‘gegen Freunde fehlend’ (Pi.), mit metrischer Dehnung z. B. ἠλιτό-μηνος ‘den (rechten) Monat verfehlend’, d. h. ‘zu früh geboren’ (Il. usw., vgl. Sommer Nominalkomp. 125ff.). — Ableitungen von ἀλιτεῖν : ἀλιτήμων ‘verwünscht, verderblich’ (Il., Kall., A. R.) mit ἀλιτημοσύνη ‘Frevel’ (Opp.); Subst. ἀλίτημα ‘Frevel’ (AP). Von ἀλιτεῖν wohl auch ἀλιτήριος ‘frevelnd, sündhaft’ (att.); *ἀλιτήρ nicht belegt, aber vgl. ἀλίτρια· ἡ ἁμαρτωλός Et. Gud. 2 und ἀλιτρός unten; ἀλιτηρός ‘ds.’ (S. OK 371, falls nicht falsch für -ήριος); erweitert in ἀλιτηριώδης ‘verwünscht, verderblich’ (Pl., D. C.). — Neben ἀλιταίνω steht ἀλιτρός ‘Frevler, Schelm’, auch Adjektiv (ep. poet., auch sp. Prosa); der Suffixwechsel kann auf einen alten r-n-Stamm hindeuten. Danach ἀλιτραίνω = ἀλιταίνω (ep. poet.), vgl. Fraenkel Arch. philol. 7, 21ff. Eine andere Verbalableitung ist ἀλιτρέω A. Eu. 316 (ἀλιτρῶν codd.: ἀλιτών Dorat). Abstrakta von ἀλιτρός: ἀλιτρία (S., Ar.), ἀλιτροσύνη (A. R., AP usw.). — Sichere Verwandte dieser wegen der Ablautsvariationen offenbar alten Wortsippe fehlen. Seit Fick4 1, 533 vergleicht man die germanische Gruppe ahd. leid, awno. leiđr ‘unangenehm, verhaßt’, nhd. Leid. WP. 2, 401. Zum anlautenden ἀ- (prothetisch?) Harl KZ 63, 18. I-67

ἀλείφω ‘einölen, salben’ (ion. att.). Mehrere Ableitungen. Verbalabstrakta : 1. ἄλειφαρ, -ατος ‘Salböl, Salbe’ (ep. ion. poet.), daneben ἄλειφα n. (älter?, Schwyzer 520: 8), wovon lat. adeps (W.-Hofmann s. v.); Ableitung ἀλειφατίτης (ἄρτος) ‘mit Öl gebackenes Brot’ (Epich.). — 2. ἀλοιφή ‘Salbung, Salbe, Schmiere’, auch ‘Rasur’, (ion. att.) mit dem Adjektiv ἀλοιφαῖος (Lyk. 579) und den ebenfalls seltenen ἀλοιφεῖον ‘Salbungszimmer’ (Eust., Chantraine Formation 60f.) und ἀλοιφάω ‘mit Pech beschmieren’ (Aq.). — 3. ἄλειψις ‘das Salben’ (ion. hell.). — 4. ἄλειμμα ‘Salböl, Salbe’ (ion. att.) mit ἀλειμμάτιον (Diog. ap. D. L.) und ἀλειμματώδης (Hp.). Daneben äol. ἄλιππα (EM 64, 40). — 5. ἀλειφάς f. ‘Ausstreichen, Rasur’ (Pap.). — 6. ἀλείφιον· ᾧ χρῶνται οἱ ἀλεῖπται H. — Nomina agentis: ἀλείπτης ‘Einsalber, Lehrer der Athleten’ (Arist., hell.) mit ἀλειπτικός (Plu. u. a.); ἀλειπτήρ ‘ds.’ (Man.) mit dem Fem. ἀλείπτρια (Lys., Kom.). Davon oder direkt von ἀλείφω das nomen loci und instrumenti ἀλειπτήριον (Alex. Kom. usw.). — ἀλειφεύς (Inschr. Priene). — ἀλείφω gehört nach allgemeiner Annahme zu λίπος (s. d.) usw., wovon es sich durch sekundäre Aspiration und Vokalprothese unterscheiden soll. I-67-68

ἀλεκτρυών, -όνος m. f. ‘Hahn, Huhn’ (ion. att.). Mehrere Ableitungen, alle spärlich belegt. Demin. ἀλεκτρυόνιον (Ephipp. Kom.); ἀλεκτρυόνειος (Hp.), ἀλεκτρυονώδης (Eunap.); ἀλεκτρύαινα f. ‘Huhn’ (von Ar. Nu. 666 gebildet), ἀλεκτρυονίς f. ‘Huhn’ (Schol. ibid.). — Das appellativisch gebrauchte ἀλεκτρυών ist aus dem gleichlautenden epischen Eigennamen entstanden. Bildung wie ἁλκυών, Γηρυών (Schwyzer 487); Grundwort ἀλέκτωρ, -ορος m. ‘Hahn’ (ion. poet., sp. Prosa) mit der Femininbildung ἀλεκτορίς ‘Huhn’ (ion. dor.) wie ἀηδονίς zu ἀηδών (Lejeune Rev. de phil. 76, 12). Weitere Ableitungen: Demin. ἀλεκτορίσκος (Babr. u. a.); ἀλεκτόρειος (Aët.), ἀλεκτοριδεύς ‘Küchlein’ (Ael., vgl. Chantraine Formation 364), ἀλεκτόριον n. ‘Hühnerhof’ (IGRom.). ἀλέκτωρ, eigentlich Nomen agentis von ἀλέξω ‘abwehren’ (s. d.), ist aus dem epischen Eigennamen ’Αλέκτωρ hervorgegangen, wohl ursprünglich als scherzhafte Bezeichnung dieses kampflustigen Tieres. Fick Curt. Stud. 9, 169; weitere Lit. bei Bq 1091f. und Pok. 32, bes. Fraenkel Nom. ag. 1, 154ff.; 2, 28 A. 1. — Anders Schlerath KZ 71, 28f. I-68

ἀλέξωἀλέξω ist mit aind. rákṣati ‘beschützen, bewahren’ identisch. Der einsilbige und s-lose Stamm ἀλκ- ist dagegen nirgends mit Sicherheit wiederzufinden. Der Vergleich mit ags. ealgian ‘schützen, verteidigen’ ist indessen erwägenswert, aber die übrigen german. und balt. Wörter, die herangezogen worden sind, z. B. got. alhs ‘Tempel’, lit. el̃kas, al̃kas ‘heiliger Hain’, liegen etwas abseits. Versuch, die Zusammenstellung semantisch zu motivieren, bei Meringer WuS 9, 107ff. — Bartholomae Sb. Heidelb. 1916 : 9, 10 erwägt Verwandtschaft mit miran. ark ‘Arbeit, Anstrengung, Mühe’. ‘abwehren, verteidigen’ (ep. ion. poet., X. usw.). Als Vorderglied oft ἀλεξ(ι-), z. B. in ’Αλέξανδρος, woraus nach Kretschmer heth. Alakšanduš (Glotta 13, 205ff., 21, 244ff., 24, 242ff., 33, 22f.). Auch Sommer hält diese Gleichung für möglich, aber nur unter der (wenig wahrscheinlichen) Voraussetzung, daß der Name ursprünglich kleinasiatisch sei und von den Griechen volksetymologisch zurechtgelegt wäre (IF 55, 187ff., Nominalkomp., bes. 186ff.); vgl. auch Björck Alpha impurum 333ff. Ableitungen: ἀλέξιον ‘Heilmittel’ (Nik.), ἄλεξις ‘Hilfe, Abwehr’ (Aristid., EM). Über ἀλέκτωρ, ἀλεκτρυών (aus ἀλεξ-τ-) s. bes. — Auf den mit -η- erweiterten Stamm (vgl. ἀλεξήσω) gehen mehrere Bildungen zurück : ἀλέξησις ‘Abwehr, Hilfe’ (ion.), ἀλέξημα ‘Abwehr, Heilmittel’ (ion. poet., sp. Prosa); ἀλεξητήρ ‘Verteidiger, Helfer’ (vorw. ep.) mit fem. ἀλεξήτειρα (AP, Nonn.) und den Abl. ἀλεξητήριος ‘abhelfend’, ἀλεξητήριον ‘Heilmittel’ (Hp., Thphr. usw.); daneben ἀλεξήτωρ (S.); außerdem ἀλεξητικός (Alex. Aphr.). I-69-70

ἀλέω, Aor. ἤλεσα, ep. ἄλεσσα ‘mahlen’ (ion. att.). Zahlreiche Ableitungen. Nomina actionis: 1. ἀλέ-ατα ‘(Weizen)mehl’ (Inschr. Miletos, VIa) aus *ἀλέ-ϝατα, woraus mit metrischer Dehnung ἀλείατα (Hom.), vgl. Schulze Q. 226 und Hdn. 2, 472, 12, wo der Sing. ἄλειαρ aus ἄλεαρ erklärt wird. Thematische Umbildung in ἄλε-υρ-ον, gew. pl. ἄλευρα ‘(Weizen)mehl’ (ion. att.); verfehlt Specht Ursprung 114. Davon ἀλεύρινος und ἀλευρώδης (Mediz.), ἀλευρίτης (ἄρτος), s. Redard Les noms grecs en -της 88. — 2. ἄλητον, -τα ‘Mehl’ (Hp., Sophr. u. a.) mit sekundärem η, wohl nach ἄμητος. Davon ἀλήσιον· πᾶν τὸ ἀληλεσμένον H., lakon. ἀληιον. — 3. ἀλετός m. (Plu.) und ἀλητός (Babr.) ‘das Mahlen’. — 4. ἄλεσις und ἄλησις ‘ds.’ (Gp.). — 5. ἀλεσμός ‘ds.’ (J.) und ἄλεσμα ‘Mahlgut’ (EM), beide mit unursprünglichem σ. — 6. ἄλημα n. ‘Mehl’, übertr. ‘ein durchtriebener Mann’ (S.). — Nomina agentis: 1. ὄνος ἀλέτης ‘der obere Mühlstein’ (Gortyn, X., vgl. Schwyzer 499 und Fraenkel Nom. ag. 2, 57f.), im selben Sinne ὄνος ἀλετών (Alexis). — 2. ἀλετρίς ‘Müllerin’ (ep. poet.), vgl. Chantraine Formation 329, mit ἀλετρεύω ‘mahlen’ (ep.). — Nomen instrumenti: ἄλεστρον ‘Mahlkosten’ (Pap.), s. Chantraine 332 m. Lit., Schwyzer 532. — Außerdem das Adj. ἀλετικός ‘zum Mahlen gehörig’ (Pap.). — Zum unklaren ἀλετρίβανος m. ‘Mörserkeule’ (Ar. u. a.) vgl. Schwyzer 263 und 438. — ἀλέω ist wahrscheinlich aus einem athematischen Präsens hervorgegangen (Schwyzer 682 : 4). Die in *ἄλεϝαρ, ἄλευρον vorliegende Bildung auf -ϝ(α)ρ- hat ihr genaues Gegenstück in arm. alewr ‘Mehl’. Auch das Verb kehrt, mit anderem Vokal im Stammauslaut, in arm. aɫam ‘mahlen’ wieder. Auch im Indischen und Iranischen ist diese Wortsippe vertreten, z. B. nind. (hindi, bengali) āṭā ‘Mehl’, npers. ārd ‘Mehl’, aw. aša- (< *arta-) ‘gemahlen’, vgl. Bailey Trans. Cambr. Philol.Soc. 1933, 60. (Unsicherer ist aind. áṇu- ‘fein, dünn’; unhaltbar darüber Specht Ursprung 125, wo weitere Lit.) Dagegen fehlt sie in den übrigen Sprachen; vgl. μύλη. I-70-71

ἀληθής, dor. ἀλᾱθής ‘wahr, wirklich’ (allg. seit Hom.). Adjektivabstraktum ἀληθείη, -είᾱ und ἀλήθειᾰ (jünger, Schwyzer 469) ‘Wahrheit, Wirklichkeit’. Zur Begriffsentwicklung Bultmann Zeitschr. f. neut. Wiss. 27, 113ff. — Denominative Verba: ἀληθεύω ‘die Wahrheit reden’ (ion. att.), ἀληθίζομαι ‘ds.’ (Hdt., sp. Prosa). Außerdem ἀληθίζω (PHolm.) in der technischen Bedeutung ‘mit (wahrem) Purpur färben’, vgl. ngr. dial. ἀληθινός ‘rot’ (Rohlfs ByzZ 13, 544); anders Lagercrantz ad loc. — Von ἀληθεύω weiterhin die spät belegten ἀλήθευσις ‘Wahrhaftigkeit’ (S. E.) und ἀληθευτής ‘der stets die Wahrheit spricht’ (Max. Tyr.); außerdem das Adj. ἀληθευτικός ‘wahrheitsliebend, aufrichtig’ (Arist. u. a.). — Neben ἀληθής stehen die erweiterten Bildungen ἀληθινός (ion. att., vgl. Chantraine Formation 201) und ἀληθικός (Ps.-Kallisth.). — ἀληθής kann ein Bahuvrihikompositum von α privativum und *λῆθος, dor. λᾶθος (Theok.), oder λήθη (seit Hom.) sein; direkte Beziehung auf λήθω (seit Hom.) ist indessen auch möglich. Eigentliche Bedeutung somit ‘wer nicht verborgen ist, offenbar’. Vgl. W. Luther "Wahrheit" und "Lüge" im ältesten Griechentum. Borna-Leipzig 1935, Frisk GHÅ 41 (1935 : 3), 18. I-71

ἁ̄λής (ἀ̄λής) ‘versammelt, zusammengedrängt’ (ion.). Denominatives Verb ἁλίζω ‘versammeln’ (ion. poet.). Abstraktbildung ἁλίη, dor. ἀλία ‘(Volks)versammlung’. Erweiterte Form dor. ἀλιαία ‘ds.’, att. ἡλιαία ‘Versammlung (der Richter), Volksgericht, Gerichtshof’ (zum Anlaut vgl. unten). — Davon ἡλιάζομαι ‘in der ἡλιαία sitzen’ (Ar.) mit ἡλιαστής (dor. ἀλ-) ‘Volksrichter’, falls nicht direkt vom Nomen nach Muster von δικαστής (von δικάζω, aber auch auf δίκη bezüglich) u. a.; Adj. ἡλιαστικός. — Nomina actionis: ἡλίασις ‘das Sitzen im Volksgericht, Gerichtsamt’ (att.), ἁλίασσις (Tegea) ‘Versammlung’; ἁλίασμα Bed. unklar (Gela). Ein urspr. Nomen agentis ist ἁλιακτήρ· τόπος ἐν ᾧ ἁθροίζονται οἱ Σικελοί H., viell. eig. Heroenname, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 161. — Zu ἁλία auch der Monatsname ‘Αλιαῖος (Dreros). — In derselben Bedeutung wie ἁ̄λής findet sich im Äolischen ἀολλής (s. d.). Falls ursprünglich identisch, müssen ἁλής auf *ἁ-ϝαλνής und ἀολλής auf *ἀ-ϝολνής zurückgeführt werden; zum Lautlichen Schwyzer 283. Zugrunde liegt dann ein Substantiv *ϝέλνος, wozu *ἁ-ϝαλνής und *ἀ-ϝολνής (mit α copulativum) die Schwundstufe (idg. ) darstellen; eventuell kann diese Schwundstufe auch in das Substantiv eingedrungen sein. Eine andere Form der Schwundstufe liegt wahrscheinlich vor in ἀλανέως· ὁλοσχερῶς Ταραντῖνοι H. und in αϝλανεως Bed. unsicher (Elis). Hochstufe vielleicht erhalten in ἀελλής; vgl. indessen s. ἄελλα. — Das anlautende ἡ- in att. ἡλιαία usw. kann nur als falsche Ionisierung eines dorischen (argivischen) Lehnwortes verstanden werden, vielleicht im Anschluß an ἥλιος; s. Ed. Meyer Philol. 48, 187. — Das Substantiv *ϝέλ-νος ‘Gedränge, Menge’, mit demselben Suffix wie ἔθνος, σμῆνος usw. gebildet (Chantraine Formation 420), gehört zu εἴλω, s. d. Vgl. ἅλις, ἀολλής. WP. 1, 295f. m. Lit., besonders Solmsen Unt. 285ff. I-71-72

ἀλθαίνω, -ομαι ‘heilen’, bzw. ‘heil werden’ (ion. hell.), ἀλθεῖν· ὑγιάζειν (Hp. ap. Gal. 19, 76), ἄλθετο (Il.). Futurum ἀλθήσομαι, -σω (Il. usw.). Daneben ἀλθήσκω oder ἀλθίσκω (Hp.). — Postverbale Substantiva, beide nur lexikalisch belegt: ἄλθα· θεραπεία H., ἄλθος· φάρμακον EM. Dazu ἀλθεύς· ἰατρός H. Auch ἀλθήεις ‘heilsam’ (Nik.) ist direkt vom Verb gebildet. Hierher ferner der mythische Name ’Αλθαία und der damit identische Pflanzenname (Art Malve, Thphr. usw.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 81 mit teilweise unrichtigen Schlüssen); daneben ἀλθίσκον (Ps.-Dsk.), vgl. das synonyme ἰβίσκος. — Das Fut. ἀλθέξομαι (Aret.) ist nach dem Oppositum πυρέξομαι (von πυρέσσω) gebildet; dazu ἄλθεξις ‘Heilung’ (Hp., Aret.). — Außerdem ἀλθεστήρια ‘Heilmittel’ (Nik.), vgl. χαριστήρια, ἱλαστήριον u. a. (Chantraine Formation 63f.). — Zum Eigennamen Ἄλθηπος, auch Ἄλθηφος, Bechtel Hermes 56, 228. — ἀλθαίνω beruht auf einer θ-Erweiterung des in ἄναλτος (s. d.) vermuteten Verbalstammes (Schwyzer 703 β). Vgl. ἀλδαίνω. I-72

ἀλίβας, -αντος m. ‘Leichnam, Gestorbener’ (Pl. R. 387 c, H.), auch von Styx (S. Fr. 790) und übertragen vom Weinessig (Hippon., Kall.). — Die antike Erklärung als ‘saftlos’ aus a privativum und λιβάς ist leere Spekulation; die modernen Erklärer sind aber nicht glücklicher gewesen. Lit.: Lawson ClassRev. 40, 52ff., 116ff.; v. Wilamowitz Herm. 54, 64; Immisch Arch. f. Religionswiss. 14, 449f.; Wahrmann Glotta 17, 252f.; Kretschmer Glotta 28, 269; Petersson Gr. u. lat. Wortstudien (1922) 3f.; zur Bildung vgl. noch Schwyzer 526 : 4. I-72

ἁλιβδύω ‘(sich) ins Meer versenken, verstecken’ (Lyk., Kall.). — Vom Etym. Gud. aus ἅλς und *βδύω, das äolisch für δύω wäre, erklärt. Andere, ebenso lose Vermutungen sind bei Bq verzeichnet. I-72

ἀλίγκιος ‘gleich, ähnlich’ (ep. poet.). — Unerklärt. Der Vergleich mit aksl. lice ‘Gesicht, Wange’ und anderen slavischen Wörtern (s. Bq) ist willkürlich, vgl. WP. 2, 399. Gewöhnlicher als ἀλίγκιος ist das ebenfalls poetische ἐναλίγκιος, dessen genaues Verhältnis zum "Simplex" sich nicht feststellen läßt; vgl. Strömberg Greek Prefix Studies 120ff. I-73

ἄλιζα · ἡ λεύκη τῶν δένδρων. Μακεδόνες H. ‘Populus alba, Silber pappel’. — Nach Kretschmer Glotta 15, 305f. und anderen (s. auch Kretschmer Glotta 22, 104f.) mit ahd. elira, got. *alisa in span. alisa, russ. olьcha ‘Erle’ identisch; vgl. noch alte germanische Orts- und Flußnamen, z. B. Alisa (Krahe Beitr. z. Namenforschung 3, 165ff.). Hierher auch mit Fick der thessalische Ortsname ’Ολιζών. Wahrscheinlich mit Hatzidakis Glotta 23, 268ff. als Lehnwort im Makedonischen aus einer nördlichen Sprache zu betrachten. Das Suffix wäre nach Hatzidakis dasselbe wie in ρίζα, φύζα, κόνυζα. Anders Barić und Pisani, s. Mayer Glotta 32, 46f. I-73

ἀλίη · κάπρος. Μακεδόνες H. — Unerklärt. — Nach E. Maaß RhM 74, 472 eig. = ἀσθενής, ἀδύνατος, zu ἄλιν· ἠλίθιον, μάταιον, κενόν, ἐλαφρόν H. (?). I-73

ἁλικάκκαβος Pflanzenname, ‘Physalis Alkekengi’ (Dsk., BGU 1 120, 37), — in ἁλι-κάκκαβος zu zerlegen; vgl. Strömberg Pflanzennamen 114. I-73

ἀλινδέω, ἀλίνδω, Aor. ἤλῑσα ‘wälzen’ (Ar., Herod., hell. und spät). Dazu ἄλινδον· δρόμον ἁρμάτων EM, H. — Verbalsubstantiva: ἀλίνδησις ‘das Wälzen’ (im Staub, von Athleten; Hp., Ruf.), ἀλινδήθρα ‘Wälzplatz’ (Ar., Phryn.). — ildung wie κυλινδέω, κυλίνδω. Näherer Ausgangspunkt unbekannt, jedenfalls zu derselben Wortsippe wie εἰλέω, ἴλλω usw. Zum Ablaut vgl. besonders ϝάλη (cod. ὑάλησκώληξ H. und ἅλυσις. I-73

ἀλίνειν (cod. -νεῖν) · ἀλείφειν H. ἀλῖναι· ἐπαλεῖψαι H. ἰν-αλαλισμένα ‘eingeritzt’ (Kypros). Verbalnomen ἄλινσις τοῠ ἐργαστηρίου (Epid.), vgl. Holt Les noms d’action en -σις 137 A. 1. Zu ἀλιν[ν]όν s. ἀλέω. — ἀλίνω steht wahrscheinlich zunächst für *ἀλιν-ι̯ω und gehört zu lat. lĭno ‘beschmieren, bestreichen’, urspr. n-Präsens (Perf. lēvi) wie aind. lināti (Gramm.) ‘sich anschmiegen’, falls eigentlich ‘ankleben’; in Betracht kommt ferner air. lenaid ‘folgen’; Näheres bei WP. 2, 389. I-73

ἄλιξ, -κος m. ‘Speltgraupen’ (Chrysipp. Tyan. ap. Ath.). — Wohl mit Walde LEW2 25 zu ἀλέω; Bildung wie ἕλιξ, χόλιξ u. a. (Chantraine Formation 382f.). Anders, wenig überzeugend, Specht Ursprung 114: zu ἀλίφατα· ἄλφιτα (s. d.) usw. — Daraus entlehnt lat. alica. I-73

ἅλιος -α, -ον ‘fruchtlos, vergeblich’, wovon ἁλιόω ‘vereiteln’, beide ep. und poet. (S.). — Man pflegt ἅλιος mit ἠλίθιος, ἠλάσκω zu vergleichen und weiterhin zu ἀλάομαι zu ziehen. Der Spiritus asper bleibt aber dabei ungeklärt. Spuren von ϝ- sind nicht vorhanden, vgl. Sommer Lautst. 98. Schwyzer 461 A. 5 erinnert an den Ausdruck εἰς ὕδωρ γράφειν; somit zu ἅλς? I-74

ἅλις Adv. ‘in Menge, genug’ (fast nur ep. und poet.). Davon ἁλιδίως· ἱκανῶς, μετρίως H. — Die Form γάλι· ἱκανόν H. bestätigt die Zugehörigkeit zu εἴλω ‘zusammendrängen’, ἁλής, ἀολλής (s. dd.). In ἅλις sieht Solmsen Wortforsch. 1, 155ff. ansprechend einen erstarrten Nominativ, und zwar entweder eines Abstraktums ‘Gedränge’ oder eines Adjektivs ‘gedrängt’. Abweichend Meillet BSL 16 p. C (altes Adv. wie ἄνις, χωρίς, aind. bahíḥ). I-74

ἀλισγέω ‘verunreinigen’ (LXX). Davon ἀλίσγημα ‘Verunreinigung’ (Act. Ap.). — Expressives Wort unbekannter Herkunft. Bq erinnert an ἀλίνειν. Kontamination mit einem anderen Wort? I-74

ἁλίσκομαι, Aor. ἁλῶναι ‘gefangen werden’ (bei Hom. nur Aor., sonst ion. att.). Ableitungen: ἅλωσις ‘Einnahme, Gefangennahme’ (ion. att., vgl. Holt Les noms d’action en -σις 105) mit ἁλώσιμος ‘einnehmbar, faßlich’ (vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 61f.); ἅλωμα = ἀνάλωμα, ‘Aufwand’ (böot. Inschr.), vgl. ἀναλίσκω und Fraenkel Nom. ag. 1, 119. — ἀλωνάκη· ἀνάλωμα. Χαλκιδεῖς H. unklar; wahrscheinlich verdorben. — Thess. ϝαλίσσκε̄ται und ark. ϝαλόντοις bezeugen anlautendes ϝ-; Aor. ἑά̄λων somit aus *ἠ-ϝᾰ́λων; der Asper kann von αἱρεῖν, ἑλεῖν eingedrungen sein (Sommer Lautst. 101). — Das ι in ἁλίσκομαι kann zum Suffix gehören, ein Ablautswechsel mit ω (aus ωι) in ἁλῶναι (Schwyzer 709 : 4) ist wenig wahrscheinlich und jedenfalls nicht zu beweisen; ω auch nicht mit Schwyzer 743 : 2 aus ωυ unter Heranziehung von ἅλυσις (s. d.). — Gewöhnlich wird ϝαλίσκομαι als *‘gerissen werden’ zu lat. vello ‘rupfen, raufen’, got. wilwan ‘rauben’, arm. goɫanam ‘stehlen’ und weiterhin zu gr. οὐλή gezogen. Vgl. auch ἀναλίσκω und εἵλωτες. Zum Gebrauch von ἁλίσκομαι s. die Abhandlung von Wlaschim (Titel unter ἄγρα). I-74

ἀλίφαλος · γένος δρυός H. — Cuny MSL 19, 199ff. vergleicht ἁλίφλοιος ‘Meerkork, Meerrinde (einer Eichenart)’ und will dementsprechend ἀλίφαλος aus ἅλς und *φαλ(ο)- erklären mit Anschluß an φελλός, φλόος, φλοιός. Ebenso unbefriedigend Specht Ursprung 114 (zu ἀλωφός, ἀλφός usw.). I-74

ἄλιψ · πέτρα H., s. αἰγίλιψ. I-74

ἀλκή 1. ‘Abwehr, Hilfe’ S. ἀλέξω. I-74

ἄλκη 2. ‘Elch’ (Paus. 5, 12, 1; 9, 21, 3). — Wie lat. alcēs, alcē (seit Caesar) aus dem Germanischen entlehnt. Am nächsten steht ano. elgr aus urg. *alʒí-, woneben eine Form mit Anlautsbetonung anzunehmen ist, urg. *álχ-, auf die alcēs und ἄλκη zurückgehen. Die westgermanische Form lautet dagegen mit e- an: ahd. elho > nhd. Elch, ags. eolh, und weicht auch in der Stammbildung ab, urg. *élχa(n)-. Slavische Formen wie russ. losь ‘Elch’ führen auf idg. *olḱis zurück und können also mit ano. elgr identisch sein. Eine dritte Ablautsform wird in aind. ŕ̥śya- ‘Antilopenbock’ vermutet. — Unter Abtrennung eines suffixalen -- wird ἄλκη ebenso wie eine Menge anderer Wörter, u. a. ἔλαφος (s. d.), sehr hypothetisch und unwahrscheinlich auf eine idg. "Farbwurzel" *el-, *ol- ‘rot, braun’ zurückgeführt, WP. 1, 154f., Pok. 302ff., W.-Hofmann s. alcēs mit Lit. Noch kühnere Kombinationen bei Specht Ursprung 113ff. I-75

ἀλκυών -όνος und ἁλκυών (nach ἅλς), f. ‘Meereisvogel, Alcedo ispida’ (ion. att.). Davon ἀλκυονίς ‘ds.’ (A. R.), ἀλκυονίδες (ἡμέραι) ‘Tage der Wintersonnenwende, wo das Meer ruht und der Eisvogel sein Nest baut’ (Ar. u. a.), auch ἀλκυόνειοι (Arist.) genannt. — In ἁλκυδών umgebildet (Hdn. Gr. 2, 285) nach den übrigen Vogelnamen und sonstigen Bildungen auf -δων. — Daraus entlehnt lat. alcēdo. — Herkunft unbekannt; wertlose Spekulationen sind bei Bq und W.-Hofmann angeführt; s. außerdem Pok. 304. Ausführliche Darstellung bei Thompson Birds s. v. I-75

ἀλλά ‘aber, sondern’. S. ἄλλος. I-75

ἀλλᾶς, -ᾶντος m. ‘Wurst’ (Hippon., Kom. u. a.). — Nicht sicher gedeutet. Nach einer Hypothese von Kretschmer Glotta 1, 323 eig. *‘Knoblauchwurst’ aus *ἀλλᾱ-ϝεντ- von dor. *ἄλλᾱ aus dem Oskischen, vgl. ἄλλην· λάχανον. ’Ιταλοί H. (messapisch nach v. Blumenthal Hesychst. 15) und lat. ālium. I-75

ἀλλάσσω,-άττω, Aor. ἀλλάξαι ‘verändern, vertauschen’ (seit Hom.). Oft mit Präverb: δια-, ἐξ-, ἐν-, ἐπι-, κατα- usw. Ableitungen: ἀλλαγή (vgl. ἀλλαγῆναι) ‘Tausch, Wechsel’ (att. hell.); davon byz. ἀλλάγιον ‘permutatio, collegium militum’ > ngr. ἀλλάγι ‘feierlicher Zug, Reihenfolge’ (Psaltes ’Αρχ. ’Εφ. 27, 99ff.). — ἄλλαγμα ‘Austausch, Preis’ (Hp., LXX u. a.), ἀλλαγμός ‘ds.’ (Man.). — ἄλλαξις ‘Austausch, Tauschhandel’ (Arist.); davon, bzw. direkt von ἀλλάσσω, ἀλλάξιμα (scil. ἱμάτια) Pap.; Gloss. ‘mutatoria’, vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 97; erweiterte Form ἀλλαξιμάριον (Pap., Olsson Symb. Oslo. 4, 62f.). — ἀλλακτικός ‘zum Austausch gehörig’ (Pl., Arist. u. a.), ἀλλάγδην ‘abwechselnd’ (Hdn.), ἀλλάξ· ἐνηλλαγμένως H., ἐπ-, παρ-, ἀμφ-αλλάξ (Hp., Th., S., X. usw.). — ἀλλάσσω ist von ἄλλος abgeleitet, und zwar entweder durch Vermittlung eines nominalen Gutturalstammes (ἀλλάξ? ἀλλαχοῦ, -χῆ?; weder die weite Verbreitung von ἀλλάσσω noch die Bedeutung macht direkten Zusammenhang glaubhaft) oder, nach unbekanntem Vorbild, mit suffixalem -άσσω. Vgl. Debrunner IF 21, 218f., 227, Schwyzer 725 : 4. I-75-76

ἄλλιξ, -ῐκος f. ‘χλαμύς’, auch ‘ἐμπόρπημα’ H., EM, Suid., die das Wort als thessalisch betrachten und es aus hellenistischen Dichtern (Kall., Euph.) zitieren, vgl. Hoffmann Dial. 2, 224. — Dunkel, daraus entlehnt lat. ălicula, s. W.-Hofmann s. v. I-76

ἀλλοδαπός ‘von anderswoher, fremd’ (ion. att.). — Von ἄλλος mit derselben Bildungsweise wie τηλεδαπός, παντοδαπός, ποδαπός, ἡμεδαπός. Gewöhnlich als ἀλλοδ-απός erklärt mit altem neutralem (lat. aliud) oder analogisch eingeführtem -δ-. Das Hinterglied wäre mit lat. -inquus (longinquus usw.) identisch, idg. -ng/ko-. Bechtel Lex., Schwyzer 604 A. 1 m. Lit. Anders Meillet BSL 28, 42ff.: -δαπός ein sonst unbekanntes Suffix (?). I-76

ἅλλομαι, ep. Aor. ἀλτο (Quantität unbekannt, vgl. Schwyzer 751 m. A. 1) ‘springen, hüpfen’ (seit Hom.). Verbalnomina ἅλμα ‘Sprung’ (ion. poet.), auch als Sportterminus, s. Jüthner WienStud. 53, 68ff.; ἅλσις ‘das Springen’ (Hp., Arist. usw.). — Aus *ἅλ-ιομαι und mit lat. salio identisch. Weitere Verwandte (WP. 2, 505) sehr fraglich. In Betracht kommt immerhin aksl. slьpatiἅλλομαι’ mit slov. slâp (aus *solpo-) ‘Wasserfall, Schwall, Woge’. Verfehlt Specht KZ 68, 124: slav. p wechsele mit μ in ἅλμα, da das griechische Verbalnomen natürlich eine einzelsprachliche Neuerung ist. I-76

ἄλλος ‘anderer’. Abstraktbildung ἀλλότης f. (Arist. Komm.) — Adjektivbildung auf -οῖος (nach τοῖος, ποῖος, οἷος) ἀλλοῖος ‘andersartig, verschieden’ (ion. att.); davon ἀλλοιότης ‘Verschiedenheit’ (Hp., Pl.) und ἀλλοιώδης ‘von fremdem Aussehen’ (Aret., Vett. Val.). Denominatives Verb ἀλλοιόω ‘verändern’ (ion. att.) mit ἀλλοίωσις ‘Veränderung, Verschiedenheit’ (Pl., Arist. u. a.), ἀλλοίωμα ‘ds.’ (Damox.) und ἀλλοιωτικός (Arist., Gal.). — Über ἀλλάσσω s. bes. — Mehrere Adverbbildungen: ἄλλοθεν usw., ἀλλαχῇ usw. Zu ἀλλοδαπός s. bes. — Durch Wiederholung entstanden ἀλλήλων (Schwyzer 446 A. 8, 614). — Von einem Adverb auf -τρ-, das der Bildung nach aind. anyá-tra ‘anderswo’ entspricht, stammt ἀλλότριος ‘alienus, anderen gehörig, fremd’ (seit Il.). Davon wiederum ἀλλοτριότης (Pl., Arist. u. a.), ἀλλοτριόω (ion. att.) mit ἀλλοτρίωσις (Th., hell.). Schwyzer 326 Zus. 5, 630f. : 6. — Aus dem Neutr. ἄλλα stammt die Partikel ἀλλά (Schwyzer-Debrunner 578). — Über ἀλλο- in ἀλλο-φρονέω, ~-φάσσω vgl. ἠλάσκω. — ἄλλος, kypr. αἶλος entspricht ganz arm. ayl, lat. alius, got. aljis, air. aile ‘anderer’ (gall. Allo-broges), toch. B alye-k, A ālak (mit sekundärer Entpalatalisierung nach mättak ‘selbst’, Pisani Ist. Lomb. 75, 8). Fraglicher Versuch, ἄλλος mit aind. aryá- (urspr. Bedeutung unbekannt, eig. ‘fremd’?) zusammenzustellen bei Specht KZ 68, 42ff. Neben idg. *ali̯o- steht *ani̯o- in aind. anyá- ‘anderer’. Hypothesen über ihr gegenseitiges Verhältnis bei Debrunner REIE 3, 1ff. I-76-77

ἄλμα (Lyk. 319) = ἄλσος, s. d. I-77

ἀλοάω ‘dreschen’ s. ἀλωή. I-77

ἀλόη f. ‘Aloe’ (Dsk., Plu. u. a.). — Wie ἀγάλοχον (s. d.) orientalisches LW aus unbekannter Quelle. Vgl. außer der dort genannten Lit. auch Lewy Fremdw. 36. I-77

ἄλοξ, -κος ‘Furche’ (Trag., Kom.). Mehrere Nebenformen: αὖλαξ (Hes., Hdt., Pi. usw.) ὦλκα, -ας Akk. sg. und pl. (ep.), ὦλαξ EM 625, 37, als dorisch bezeichnet, aus der Lit. nur durch das Komp. ὁμ-ώλακες (A. R. 2, 396, nach den Scholl. dor.) bekannt. Ferner εὐλάκᾱ ‘Pflug’ mit dem lakon. Fut. inf. εὐλαξεῖν (Orac. ap. Th. 5, 16). Umbildung zum -Stamm mit gleichzeitiger Aspiration des Gutturals auch in αὐλάχα· ἡ ὕννις H. Außerdem ὄλοκες (cod. ὀλοκεύςαὔλακες H. f. Ableitungen: ἀλοκίζω ‘Furchen ziehen, pflügen’ (Ar., Lyk.); αὐλακίζω ‘ds.’ (Pap. usw.) mit dem Verbalnomen αὐλακισμός (Pap.). Außerdem von αὖλαξ die seltenen und späten Nomina αὐλακόεις (Max.), αὐλακώδης (Eust.), αὐλάκιον Demin. (Schol.). — Das Verhältnis der verschiedenen Formen zueinander kann nicht mit völliger Sicherheit festgestellt werden. Nach Solmsen Unt. 258ff. steht ep. ὦλκα(ς) für *ἄολκα(ς) aus *ἄϝολκα(ς) mit sekundärer Kontraktion (κατὰ ὦλκα Ν 707 für ursprüngliches *κατἄϝολκα). Durch Umstellung von *ἀολκ- wäre ἄλοξ entstanden. Neben der Vollstufe *ἀ-ϝολκ- stehe die Schwundstufe *ἀ-ϝλακ- in αὖλαξ und, mit verschiedener Vokalprothese, *ἐ-ϝλακ- in εὐλάκᾱ. Die übrigen Formen seien durch Verschränkungen hervorgegangen. (Verfehlt v. Blumenthal Hesychst. 43.) — Nach Pisani IF 53, 29 gehört αὖλαξ zu αὐλός und ist von ἄλοξ und den übrigen Formen zu trennen. ἄλοξ usw. gehört als altes ablautendes Wurzelnomen zu dem in lit. velkù, aksl. vlěkǫ, aw. varək- ‘ziehen, schleppen’ vorliegenden Verb, Grundbedeutung also ‘die (sich) Ziehende’. Eine Parallelbildung liegt in ἕλκω (idg. selq-) vor. Die Versuche, idg. u̯elq- und selq- in eine gemeinsame Grundform su̯elq- hineinzuzwingen (zuletzt Specht KZ 66, 25f.), haben wenig Wert; eher liegen alte Reimwörter vor. I-77

ἁλοσύδνη f. Beiwort der Thetis Υ 207, der NereidenA. R. 4, 1599, Name einer Seegöttin δ 404. Eigentliche Bedeutung unsicher; — oft mit ἅλς und ὕδωρ verbunden als "Meereswoge", s. ὕδωρ. — ὕδναι· ἔγγονοι, σύντροφοι und ὕδνης· εἰδώς, ἔμπειρος H. sind natürlich aus ἁλοσύδνη erschlossen. I-77-78

ἄλπνιστος Pi. I. 5 (4), 12; ἔπαλπνος Pi. P. 8, 84 = ἡδύς, προσηνής (Sch.); ἀλπαλέον· ἀγαπητόν H., woraus ἁρπαλέος durch Dissimilation entstanden sein kann, vgl. ἁρπάζω. Hierher auch nach Bechtel Namenstudien 5f. der Name ’Αλπονίδης (Inschr. Karthaia). — Statt ἄλπνιστος will Wackernagel KZ 43, 377 mit guten Gründen *ἄλπιστος lesen, das somit eine regelrechte, auf der Schwundstufe (vgl. unten) gebaute primäre Superlativbildung wäre und tatsächlich als Eigenname überliefert ist (A. Pers. 982; Text allerdings lückenhaft). Als Hinterglied enthält ἔπ-αλπνος einen r-n-Stamm *ἄλπαρ, ἀλπν-, woneben ἀλπαλέος wie πιαλέος neben πῖαρ, πίων (vgl. *Ἄλπων in ’Αλπονίδης). Vgl. Benveniste Origines 15; ungenügend Bechtel l. c. und Strömberg Greek Prefix Studies 94f. S. auch Seiler Steigerungsformen 79f. ἀλπ- aus *ϝαλπ- gilt als Schwundstufe von *ϝελπ- in ἔλπομαι, ἐλπίς, s. d. I-78

ἅλς, ἁλός ‘Salz’ (sehr oft Plur.), f. (nur Sing.) als poetische Benennung des Meeres (nach θάλασσα oder als Kollektivum?); seit Arist. ἅλας, -ατος n. aus dem Akk. plur., s. zuletzt Leumann Hom. Wörter 160f. m. Lit. m. Mehrere Ableitungen. 1. ἅλ-μη ‘Salzwasser, Salzlake’ (seit Od., vgl. Chantraine Formation 148) mit zahlreichen Ablegern: ἁλμαία ‘ds.’ (Ar., Nik.), ἁλμάς (ἐλαία) ‘eingepökelte Olive’ (Kom. usw.), ἁλμυρός ‘salzig, bitter’ (seit Od.), nach Schwyzer 482: 6 aus *ἁλυρός (vgl. ἁλυ-κός) umgebildet; von ἁλμυρός stammen ἁλμυρώδης, ἁλμυρότης und die Verba ἁλμυρίζω, ἁλμυρόω, außerdem noch ἁλμυρίς f. ‘salziger Boden, salzige Flüssigkeit’ usw., vgl. πλημυρίς und ἁλιμυρήεις (s. μύρομαι), außerdem Chantraine 231; von ἅλμη ferner ἁλμήεις (A.) und ἁλμεύω ‘einpökeln’ (Dsk.) mit ἅλμευσις, ἁλμευτής. — 2. ἅλιος, (-α), -ον ‘zum Meere gehörig’ (ep. poet.) mit ἁλιάς f. ‘Fischerkahn’ (Arist., D. S.). — 3. ἁλία f. ‘Salzfaß’ (Kom., hell.). — 4. ἅλινος ‘aus Salz bestehend’ (Hdt., Str.). — 5. ἅλιμος ‘zur See gehörig’ (Trag. adesp., LXX), ἅλιμον Pflanzenname, vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 20, Strömberg Pflanzennamen 97, 114. — 6. ἁλίτης ‘salzig, zur See gehörig’ s. Redard Les noms grecs en -της 39, 88, 110f. — 7. ἁλίζω ‘salzen’ (Arist. usw.) mit ἁλισμός (Sor.), dagegen nicht ἄλισμα ‘Alisma plantago’ (Dsk.), s. Strömberg 115 (unerklärt). — 8. Nach ἅλιος, ἅλινος u. a. und in Anlehnung an ἁλι- als Vorderglied (für ἁλ- nach den i-Stämmen, nicht lokativisch mit Schwyzer 476 : 5, 1; s. auch Boßhardt Die Nomina auf -ευς 32) ἁλιεύς ‘Fischer’ (seit Od.) mit ἁλιεύω ‘fischen’ (LXX, NT, Plu. usw.), -εύομαι (auch Kom.), und ἁλιευτικός ‘Fischern od. dem Fischen gehörig’ (Pl., X., hell.); von ἁλιεύω wiederum ἁλιευτής ‘Fischer’ (Kerk.), von ἁλιεύς oder ἁλιεύω : ἁλιεία ‘Fischfang’ (Arist., Str.), von ἁλιεύω : ἁλίευμα ‘ds.’ (Str.). — 9. ἁλι-άδης ‘Seemann’ (S. lyr.). — 10. ἁλι-αρός ‘salzig’ (Eust.). — 11. ἁλυ-κός ‘salzig’ (Hp., Arist. u. a.) mit ἁλυκότης (Arist.), ἁλυκίς f. ‘Salzquelle’ (Str. u. a.), ἁλυκώδης (Hp.; auch Thphr. HP 9, 11, 2 für codd. ἁλικώδης zu lesen), ἁλυκεία ‘das Einsalzen’ (Ptol.); die u-Erweiterung wird auch im Flußnamen Ἅλυς vermutet. — 12. Vom Neutr. τὸ ἅλας stammen die späten Bildungen ἁλάτιον (Demin.), ἁλάτινος, ἁλατίζω und ἁλατικόν ‘salarium’ (Gloss.). — Zur Bedeutung von ἅλς s. Lesky Herm. 78, 260ff., Blümner Philol. 26, 447, Kopp Das physikal. Weltbild d. frühen griech. Dichtung. Diss. Freiburg (Schweiz) 1939, 75. Altes Wort, das in den meisten idg. Sprachen erhalten ist: lat. sāl (sekundäre Längung), arm. (i-Stamm), lett. sāls, aksl. solь (i-Stamm, wohl sekundär neben dem Konsonantstamm in slanъ ‘gesalzen’ aus *solnъ), toch. B salyiye, A sāle. Eine d-Erweiterung in got. salt ‘Salz’ usw., arm. aɫt, und im Balt.-Slav., z. B. lit. sald-ùs ‘süß’, aksl. sladъ- ‘ds.’; zur Bedeutung s. J. Schmidt Pluralbild. 182. Auf Grund von aksl. slanъ, air. salann ‘Salz’, gr. ἅλασιν ὕει (Suid.) setzt Schmidt a. a. O. einen obliquen Stamm *sal-n- neben den Nom. *sal-d oder *sal-i an, eine unsichere Annahme, für die jedenfalls der anscheinend späte griechische Ausdruck keine Stütze bilden kann. S. auch, mit teilweise hypothetischen Annahmen, Benveniste Origines (Index 217). — Das Wort fehlt im Indoiranischen, sofern nicht aind. salilá- n. ‘Meerflut’ als *‘salzig’ hierher gehört (Thieme KZ 69, 215 A. 1). I-78-79

ἄλσος n. ‘(heiliger) Hain, geweihte Stätte’ (seit Il.). Ableitungen: ἀλσώδης ‘zum Hain gehörig’ (E. in lyr., Thphr. usw.), ἀλσηΐδες νύμφαι (A. R., nach Νηρηΐδες usw.); ἀλσίνη ‘Parietaria lusitanica’ (Thphr., Dsk.); ἄλσωμα und ἀλσών = ἄλσος (Aq.). — Unerklärt. Der Name des hl. Tempelbezirks in Olympia Ἄλτις f., der nach Paus. 5, 10, 1 mit ἄλσος gleichbedeutend ist, legt für ἄλσος eine Grundform *ἄλτι̯ος nahe; das synonyme ἄλμα (Lyk.) erklärt sich formal am einfachsten aus ἀλ- ‘nähren’ (s. ἀλδαίνω, ἀλθαίνω). Ἄλτις und ἄλσος mithin eigentlich Verbalnomina "Wuchs, Wachstum", was indessen semantisch ziemlich blaß und nichtssagend wäre. S. außer Bq WP. 1, 90 A. 1, wo auch andere Deutungen erörtert werden. I-79

ἄλυζα · ἄλυπον H. — Hypothese bei v. Blumenthal Hesychst. 34 : aus *ἀ-λυγ-ι̯α zu λυγρός, λευγαλέος. I-79

ἀλυκτοπέδη (Hes., A. R., AP usw.) Bezeichnung einer Fessel, wahrscheinlich nach dem Vorbild von ἱστοπέδη (Od.) gebildet, s. Risch IF 59, 26 m. Lit. — Vorderglied nicht ganz klar; nach Schulze KZ 28, 280 (= Kl. Schr. 360) zu aind. ruj- ‘brechen’, was von Risch nicht ohne Grund bezweifelt wird, indem er dafür einer Kontamination von ἄλυτος und ἄρρηκτος (πέδας ... ἀρρήκτους ἀλύτους Ν 36f.) unter Mitwirkung von ἀλύσκω, ἀλύξω das Wort redet. I-80

ἅλυσις f. ‘Kette, Fessel, Kettenschmuck’ (ion. att.). Davon die hellen. Deminutiva ἁλύσιον und ἁλυσίδιον, außerdem ἁλυσιδ-ωτός ‘aus Ketten bestehend’ (Plb., D. S. usw.) und ἁλυσηδόν ‘in Ketten’ (Man.). — Eigentlich ‘Windung’ aus *ϝάλυ-τις, zu ϝέλυ-τρον ‘Umwindung’, εἰλύω ‘umhüllen’ (s. d.) usw. Frisk Eranos 43, 225ff. I-80

ἄλυσσον n. Pflanzenname (Dsk. usw.). — Von α privativum und λύσσα ‘Wut’, wegen der angeblichen Heilkraft des Samens (Dsk. 3, 91). Vgl. Strömberg Pflanzennamen 91. I-80

ἀλύτας m. = ῥαβδοφόρος ἢ μαστιγοφόρος (EM 72, 15), elische Polizeibehörde (Inschr., EM). Davon wahrscheinlich als Denominativum ἀλυτᾶται (cod. ἀλύταταιπαρατηρεῖ H. Kompositum ἀλυτάρχης ‘Befehlshaber der ἀλύται’ (Inschr., Luk.). — Aus *ϝαλυ-τᾱς "Stabträger" zu got. walus ‘Stab’, awno. vǫlr ‘runder Stab’ s. Bechtel Dial. 2, 863, Gött. Nachr. 1920, 247; nach Krahe Glotta 22, 123f. illyrischer Herkunft. I-80

ἀλύω nur Präsensstamm bis auf ἀλαλύσθαι· φοβεῖσθαι, ἀλύειν H., ‘außer sich sein’, vor Schmerz, vor Angst, gelegentlich auch vor Freude, ‘irren’ (poet. seit Il., späte Prosa). Nominale Ableitungen, vorwiegend von den Medizinern gebraucht: ἀλυσμός mit ἀλυσμώδης, ἄλυσις, ἀλύκη ‘Angst, Unruhe’; s. auch ἀλάλυγξ. Retrograde Bildung ἄλυς ‘Unruhe’, auch ‘Langeweile’ (Hp., Zeno, Plu. u. a.). — Verbale Bildungen: ἀλύσκω mit ἀλυσκάζω und ἀλυσκάνω s. 2. ἀλέα. — ἀλύσσω, Fut. ἀλύξω = ἀλύω (ep. ion.), -σσω wohl nur erweiternd; Stamm ἀλυκ-, vgl. ἀλύκη, jedoch nicht ausgeschlossen. Ein κ-Element auch in ἀλυκ-τέω, Perf. ἀλαλύκτημαι (ep. ion.) ‘sich ängstigen’ und in dem erweiterten ἀλυκτάζω ‘sich ängstigen, irren’ (B., Hdt.), vgl. Schwyzer Mélanges Pedersen 70, Bechtel Lex. s. ἀλύω. — Weiterbildungen auf -στάζω, -σταίνω (vgl. Schwyzer a. O., Gramm. 706 : 4) : ἀλυστάζω· ἀλύω H. und ἀλυσταίνω, ἀλυσθαίνω H., EM; die Form mit θ (auch Nik.) vielleicht in Anlehnung an ἀσθενής, -έω, vgl. ἀλυσθένεια· ἀσθένεια EM 70, 45. Außerdem ἀλυσθμαίνω ‘schwach, krank sein’ (Kall.) und ἀλυδμαίνειν· ἀλύειν, ἀπορεῖν H.; Näheres bei Debrunner IF 21, 23. — ἀλύω wird wie ἀλέομαι (s. 2. ἀλέα) als eine u-Erweiterung (Vorbild?) von ἀλ- in ἀλάομαι (s. d.) betrachtet. Über die verfehlte Zusammenstellung mit aind. roṣati ‘aufgebracht sein’ s. WP. 1, 88 A. 1, Pok. 27 A. 2. I-80-81

ἄλφα (Pl., Arist. usw.) n. — aus dem Sem.; vgl. hebr. ’aleph mit hinzugefügter Vokalstütze (Schwyzer 140 γ m. Lit.). Ebenso βῆτα vgl. hebr. bêth. Durch Zusammensetzung ἀλφάβητος m. f.; näheres bei Schwyzer KZ 58, 199ff. I-81

ἀλφάνω (Kom., E.), ἀλφαίνω (H., EM), Aor. ἀλφεῖν (seit Hom.) ‘verdienen, erwerben’. Ableitung: ἀλφή ‘Erwerb’ (Lyk.), ἄλφησις (Gloss.). — Hierher oder zu ἄλφι das in Opposition zu ὠμηστής gebildete ἀλφηστής in dem ep. Ausdruck ἀνέρες ἀλφησταί (Od. u. a.), auch als Fischname (Epich. u. a.), mit ἀλφηστικός (Arist. u. a.), vgl. Strömberg Fischnamen 56L, wo Zusammenhang mit ἀλφαίνω im Sinn von ‘ἀμείβω, ἀντικαταλλάσσω’ (unverwandt; zu ἀλφός?) vermutet wird. Der thematische Aorist ἀλφεῖν fällt bis auf den Akzent lautlich mit aind. árhati ‘verdienen’ zusammen und hatte vielleicht vor dem Aufkommen von ἀλφάνω präsentische Geltung. ἀλφή stimmt formal ganz zu lit. algà ‘Lohn’, ist aber damit nicht urverwandt, sondern parallele griechische Neubildung. Nach Fraenkel Gnonom 22, 236 enthalten die griech. Wörter sonant. im Gegensatz zu der Vollstufe (el-, ol-) der indoir. und balt. Wörter. — Ausführlich über ἀλφάνω Froehde BB 3, 12f. I-81

ἄλφι ‘Gerstengraupen, Gerstenmehl’ (h. Cer. 208), Pl. ἄλφιτα (seit Il.),woraus ein neuer Sing. ἄλφιτον, bei Hom. nur im Ausdruck ἀλφίτου ἀκτή. Ursprünglicher Plural vielleicht *ἄλφατα als i-n-Stamm wie aind. ásth-i, asth-n-ás ‘Knochen’, vgl. ἀλίφατα· ἄλφιτα ἢ ἄλευρα H. n. Ableitungen: ἀλφιτηρός (Antiph., Herod.), ἀλφιτεύς ‘Müller’ (Hyp.), ἀλφιτεύω ‘Gerste mahlen’ (Hippon.) mit ἀλφιτεία (Hyp., Poll.) und ἀλφιτεῖον (Poll., AB). Außerdem ἀλφιτισμός ‘das Einmischen von Gerstengraupen’ (Inschr. Delos) wie von *ἀλφιτίζειν; ἀλφιτηδόν (Dsk.). — ἄλφι kann mit alb. elp, elbi ‘Gerste’ (aus idg. *albhī N. pl.) identisch sein, s. zuletzt Jokl Festschrift Kretschmer 92. Hierher auch nach Vasmer Stud. z. alb. Wortforschung 1 (Dorpat 1921) 16ff. turko-tatar. usw. arba ‘Gerste’ aus iran. *arbi. ἄλφι hängt wahrscheinlich mit ἀλφός zusammen (vgl. λεύκἄλφιτα Σ 560), s. Osthoff IF 8, 66f. m. Lit., außerdem Specht Ursprung 68 und 114. Zur Bedeutung noch Moritz Class. Quart. 43, 113ff. I-81

ἀλφός m. ‘weißer Ausschlag, lepra’ (Hes., Hp., Plat., Thphr.). Ableitung ἀλφώδης ‘leprosus’ (Gal., Vett. Val.). Als Adj. bei Hesych: ἀλφούς· λευκούς, daneben ἀλωφούς· λευκούς. Davon ἀλφινία· ἡ λεύκη. Περραιβοί H. — ἀλφός ist mit lat. albus, umbr. alfu ‘alba’ identisch; eine Erweiterung mit idg. d-Suffix (s. κεμάς) liegt vor im germ. und slav. Wort für ‘Schwan’, z. B. ahd. albiz, aksl. lebedь. Unter den zahlreichen Ortsnamen, die hierhergezogen worden sind, sind besonders zu erwähnen die Flußnamen ’Αλφειός, lat. Albula, ferner lat. Albis = nhd. Elbe, auch ano. elfr ‘Fluß’ als Appellativ, falls eig. "Weißwasser" (vgl. Schulze BerlAkSb 1910, 797 = Kl. Schr. 120f.,WP. 1, 93, Pok. 30); zu den Flußnamen jetzt besonders Krahe Beitr. z. Namenforschung 4, 40ff. — Die Form ἀλωφός (H.) kann an und für sich an arm. aɫawni ‘Taube’ (idg. *alə-bh-n-) angeknüpft werden; auf eine zweisilbige Wurzel vor -bh- scheint auch die Intonation von serb. läbûd ‘Schwan’ zu führen (Pedersen KZ 38, 313). Hierher wohl auch ἄλφι (s. d.). Ausführlich über ἀλφός Osthoff IF 8, 64ff. — Da idg. bh als Suffix in Farbenbezeichnungen sehr verbreitet ist, öffnet sich die Möglichkeit, al()- als Stammelement abzusondern, wodurch eine Brücke zu den verschiedenartigsten Farbenbezeichnungen und Bezeichnungen farbiger Gegenstände geschlagen wird, s. insbesondere die z. T. sehr abenteuerlichen Spekulationen bei Specht Ursprung 114f. I-81-82

ἀλωή f. ‘Tenne, bebautes Land, Garten’ (ep.), auch ‘Hof (um Sonne und Mond)’ (Arat.). — Herkunft unbekannt. Die kyprische Hesychglosse ἄλουα· κῆποι, womit kypr. a.la.vo (= ἀλϝω?) irgendwie zusammenhängt (Hoffmann Dial. 1, 71), läßt auf ein ursprüngliches *ἀλωϝη schließen, dessen Verhältnis zu ἅλως mehrdeutig ist; viell. ω aus ōu̯ (Schwyzer 479 : 7 mit A. 7). Nach Schwyzer l. c. eigentlich ‘Rund’, zu idg. u̯el(u)- ‘winden’, aber dann müssen die kyprischen Wörter ausscheiden. Weitere, noch unsicherere Anknüpfungen bei Bq, WP. 2, 407f. m. Lit., bes. Solmsen Unt. 104ff. Auch semantisch sind ἀλωή und ἅλως noch der Erklärung bedürftig. Daneben ἅλως, Gen. -ω, auch -ωος und -ωνος, zu welch letzterem ein neuer seltener Nom. ἅλων, ‘Tenne’, auch ‘Getreide auf der Tenne’ (Pap.), übertragen ‘Rundung’ von verschiedenen Gegenständen (Schildrand, Sonnen- und Mondscheibe, Vogelnest, Sonnen- und Mondhof usw.; ion. att.). — Ableitungen: ἁλωεύς ‘Landwirt, Bauer’ (A. R., Arat., bei Hom. als Eigenname); ἁλωεινός (AP) und ἁλώϊος (Nik.) ‘zur Tenne gehörig’, ‘Αλωιάς, Beiname der Δηώ (Nonn.). — ἁλων-ία ‘Tenne, Getreide auf der Tenne’ (Pap., Ath. u. a.), Demin. ἁλών-ιον (Gp., Hdn.); ἁλων-ικός (Pap., Ed. Diocl.). Denom. ἁλων-εύομαι (App.), ἁλωνίζω (H.) ‘auf der Tenne arbeiten’. — Vom Vokalstamm abgeleitet ἀλοάω, ep. ἀλοιάω ‘dreschen, zerschlagen’, auch als Hinterglied in πατρ-αλοίας usw. (att. und spät, Schwyzer 451 : 4). Davon ἀλοησμός ‘Dreschen’, ἀλοητής ‘Drescher’, ἀλόητρα pl. ‘Drescherlohn’, sämtliche aus den Pap. bekannt. Auch ἀλοιητήρ ‘Drescher’ (Nonnos, AP), ἀλο(ί)ησις (EM, Gloss.). I-82-83

ἀλώπηξ, -εκος f. ‘Fuchs’ (ion. att.). Mehrere Ableitungen, alle ziemlich spärlich belegt: Demin. ἀλωπέκιον (Ar.); ἀλωπεκέη, -ῆ ‘Fuchsbalg’ (Hdt. u. a.); ἀλωπεκία Name einer Haarkrankheit (Arist.), in dieser Bedeutung auch ἀλωπεκίασις (Gal.), vgl. Holt Les noms d’action en -σις 137 A. 3; ἀλωπεκίας m. ‘mit dem Zeichen des Fuchses gebrandmarkt’ (Luk.); ἀλωπεκίς f. = κυναλώπηξ (X.), auch ‘Kopfbedeckung aus Fuchsfell’ (X.) und ‘Art Weinrebe’ (Plin.); in der letztgenannten Bedeutung auch ἀλωπέκεως (H.), wohl mit Anspielung auf die Fabel des Aisopos (Strömberg Pflanzennamen 139); ἀλωπεκιδεύς m. ‘junger Fuchs’ (Ar.), vgl. Chantraine Formation 364; außerdem die Adjektiva ἀλωπέκειος (Gal. u. a.), ἀλωπεκώδης (H., EM). — Ferner das Denominativum ἀλωπεκίζω ‘sich als Fuchs benehmen’, d. h. ‘hinterlistig sein’. — ἀλώπηξ, -εκος entspricht bis auf den Stammauslaut arm. aɫuēs ( sekundäre Dehnung), Gen. -esu ‘Fuchs’. In Betracht kommen auch andere Wörter für ‘Fuchs’ oder ähnliche Tiere, zunächst lit. lãpė und lett. lapsa (mit s aus idg. = gr. κ?). Aind. lopāśá- ‘Schakal’ und mp. rōpās ‘Fuchs’ weichen im Vokal ab (urspr. Diphthong). Noch entlegener sind lat. volpes ‘Fuchs’, lit. vilpišỹs ‘wilde Katze’. Es ist unmöglich, diese Wörter auf einen Nenner zu bringen. Falls alle überhaupt miteinander verwandt sind, muß es sich z. T. um Entlehnungen, vielleicht auch um absichtliche Verdrehungen in euphemistischer Absicht handeln. Lit., außer WP. 1, 317f., Nehring Glotta 14, 184, Lidén KZ 56, 212ff., Fraenkel KZ 63, 189f., Hermann KZ 69, 66. — Eine Kurzform ist ἀλωπά (Alk., H.), ἀλωπός (Hdn.), vgl. Schulze KZ 52, 311; eine Vermutung über die Entstehung bei Sommer Nominalkomp. 5 A. 5. Davon ἀλωπεύει· ἀνιχνεύει H., vgl. ngr. (Kreta) λαγονεύω ‘nachspüren’ von λαγώς, Kukules ’Αρχ. ’Εφ. 27, 70f. I-83

ἅμα ‘zusammen, zugleich’. Ableitung ἄμυδις (äol.) ‘zusammen’. — Enthält die Schwundstufe des in εἷς, ὁμός vorliegenden idg. sem-, som-. Über das unklare auslautende -α s. Schwyzer 622 : 8. Neben ἅμα steht dor. ἁμᾶ, eig. Instrumental, s. Schwyzer 550. — Vgl. 2. ἀμάομαι und die ebenda genannten Wörter. I-83

Αμαζών, -όνος, gew. pl. (seit Il.) mit den Ableitungen ’Αμαζονίδες (Pi., Kall.), ’Αμαζονικός und ’Αμαζόνιος (beide spät). — Nicht sicher erklärt. Nach Lagercrantz Xenia Lidéniana (1912) 270ff. aus einem iranischen Volksnamen *ha-mazan- eig. Appellativ ‘Krieger’, vgl. ἁμαζακάραν (ir. kar- ‘machen’)· πολεμεῖν. Πέρσαι H. Vgl. μάχομαι. — Unwahrscheinlich Jacobsohn KZ 54, 278ff.: echthellenisch aus *a-mangi̯on- "die Mannlose", zu aksl. mǫžь ‘Mensch’ usw. I-83-84

ἄμαθος f. ‘Sand’ (ep.). Davon ἀμαθῖτις f. ‘im Sande lebend’ (κόγχος, Epich.), auch ON (J., s. Redard Les noms grecs en -της 164); ἀμαθώδης ‘sandig’ (Str.), ’Αμαθοῠς kypr. ON. Denominatives Verb ἀμαθύνω ‘zu Staub machen, (als Sand) zerstreuen’ (ep. poet.). — Wahrscheinlich mit Hauchdissimilation zu mhd. sampt aus idg. *samədho-; daneben mit urgerm. Assimilation md > nd nhd. sand usw. Gewöhnlicher als ἄμαθος ist ψάμαθος, das wie ψάμμος zu ψῆν usw. gehört; daneben das jüngere ἄμμος. Zwei ursprünglich verschiedene Wörter sind wahrscheinlich wechselseitig miteinander kontaminiert worden, s. Güntert Reimwortbildungen 119f. I-84

ἀμαιμάκετος, (-η), -ον episches Beiwort unsicherer Bedeutung; vom Epos drang es auch in die lyrische Sprache ein. — Wegen der nicht näher feststellbaren Bedeutung schweben alle Erklärungsversuche in der Luft (: μακρός, μαιμάω, μάχομαι?, s. Bechtel Lex., Debrunner GGA 1910, 12). Da das Wort wahrscheinlich schon den Rhapsoden nicht recht verständlich war, wurde es in verschiedenen Zusammenhängen ziemlich willkürlich gebraucht. I-84

ἀμαλδύνω ‘zerstören, schwächen, entstellen’ (ep. ion.). — Wahrscheinlich faktitives Denominativ von *ἀμαλδύς, bis auf den (prothetischen?) Anlautsvokal = lat. mollis (< *moldu̯is), aind. mr̥dú-; mit anderem Ablaut arm. meɫk. Falls nicht prothetisch, könnte ἀ- im Anschluß an die Privativbildungen hinzugefügt sein (oder nach ἀμαλός?). Neben *ἀ-μαλδύς steht, mit anderer Behandlung des sonantischen l, βλαδύς in βλαδεῖς (s. d.)· ἀδύνατοι ἐξ ἀδυνάτων H., wohl auch in βλαδέα (Konj. Hp. Aër. 20); ferner, nach einer glaubhaften Vermutung bei Gal. 19, 88, βλαδαρός < *μλαδ- ‘schlaff’, mit dem bekannten Suffixwechsel υ : ρο (αἰσχύνη : αἰσχρός). Vgl. μέλδομαι, μαλθακός, außerdem ἀμαλός und ἀμβλύς, des weiteren auch βλέννα und μύλη. Ältere Lit. bei Bq und WP. 2, 288. I-84

Αμάλθεια, ion. -είη oder -ίη f. Mythisches Wesen (Jungfrau, Nymphe), aus dessen nie versiegendem Horn u. a. das Zeus-Kind ernährt wurde (ion. att.). Davon ’Αμαλθεῖον Landhaus des Atticus in Epirus (Cic.). Retrogrades Verb ἀμαλθεύω = τρέφω (S., H., EM). — ’Αμαλθείη geht wahrscheinlich auf ’Αμαλθεσ-ία zurück; durch sekundäre Umbildung entstanden ’Αμαλθίη und ’Αμάλθεια (Schwyzer 469: 4; kaum richtig Wackernagel Syntax 2, 288). Grundwort also *ἀ-μαλθής zu *μάλθος, das formal = aind. mŕ̥dhas- n. etwa ‘Vernachlässigung, Fehlschlag, Mangel’ sein könnte. Vgl. μαλθακός. I-84-85

ἄμαλλα f. ‘Garbe’ (Soph. u. a.). ἀμαλλοδετήρ ‘Garbenbinder’ Il. Davon ἀμαλλεύω ‘Garben binden’ (EM) und ἀμαλλεῖον (ἀμάλλιον) (Kall. Kom., H., Eust.). — Femininableitung auf -ι̯α von einem l-Stamm, der ehestens an ἀμάομαι ‘sammeln, häufen’ und ἅμα anzuknüpfen ist; zur Bildung vgl. lat. simul usw. Solmsen Wortforschung 193f. I-85

ἀμαλογία v. l. Alkiphr. 4, 18, 10, Gloss. f. (= ἀβδηριτισμός, garrulitas). Von ἀμαλόγος· φλύαρος, garrulus (Gloss.). — Nicht sicher erklärt. Nach Latte Glotta 32, 37f. (mit Wilamowitz) haplologisch für *ἀμαλλολογία eig. ‘Garbenlese’, dann ‘das dabei gesungene Lied’ = ‘Geschwätzigkeit’. Sehr hypothetisch. I-85

ἀμαλός ‘schwach, zart’ (ep. poet.). Davon wahrscheinlich ἀμαλ[λ]οῖ· ἀφανίζει H. und ἀμαλάπτω (S., Lyk.), nach βλάπτω, δάπτω, s. Debrunner IF 21, 212. — Nicht sicher gedeutet. Vielleicht zu einer Sippe ‘zerreiben, mahlen’ (s. μύλη) und mit ἀμαλδύνω (s. d.) indirekt verwandt. Man zieht hierher auch ἀμβλύς ‘kraftlos, stumpf’ aus *ἀ-μλ-ύς. In beiden Wörtern wäre somit ἀ- als prothetisch zu betrachten. Vgl. Winter Prothet. Vokal 31. S. auch μαλακός. I-85

ἀμάμαξυς, -υ(δ)ος f. ‘die an zwei Pfählen hochgezogene Weinrebe’ (Sapph., Epich.). — Unerklärt. I-85

ἁμαμηλίς, -ίδος f. ‘eine Baum- oder Strauchart mit eßbaren Früchten’, vielleicht ‘Mispel’ (Hp., Aristomen., Ath. 14, 650 c-e). — Aus der ausführlichen Beschreibung bei Ath. geht hervor, daß die Gewährsmänner über die Bedeutung uneinig waren, und ebenso, daß die Form wechselt (ὁμομηλίς, ἐπιμηλίς). Jedenfalls Femininableitung eines *ἁμά-μηλος mit Beziehung auf μῆλον. I-85

ἀμάναν · ἅμαξαν H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 34 aus einer unbekannten idg. Sprache (Grundform *sm̥-aks-nā) und mit ἅμαξα verwandt. Sehr fraglich. — Nach Bănăt̨eanu REIE 3, 145 kleinasiatisch. I-85

ἀμάνδαλον = ἀφανές (Hdn. aus Alk.), davon ἀμανδαλοῖ· ἀφανίζει, βλάπτει H. — Nach Hdn. zu ἀμαλδύνω; ebenso (zweifelnd) Brugmann Grundr.2 1, 437 (aus *ἀμάλδαλος dissimiliert). I-85

ἅμαξα f. ‘(vierrädriger Last)wagen’ im Gegensatz zu ἅρμα, dem zweirädrigen Streitwagen (ion. att. seit Il.). Mehrere Ableitungen: ἁμαξίς f. (Hdt., Ar.), ἁμάξιον (Arist.), beide demin.; ἁμαξιαῖος ‘wagenlastschwer’ (D., X., Arist. usw.), zum maßbezeichnenden Suffix -ιαῖος Chantraine Formation 49; ἁμαξικός ‘zum Wagen gehörig’ (Thphr.); ἁμαξήρης eig. ‘an den Wagen gefügt’ (A. Ag. 1054), mit völliger Verblassung des Hintergliedes ‘zum Wagen gehörig’ (E. Or. 1251); ἁμαξίτης ‘zum Wagen gehörig’ (AP), ἁμαξῖτις = ἄγρωστις (Ps.-Dsk.), ἁμαξεύς ‘Kutscher’ (D. Chr.), auch ‘Zugtier’ (Plu., Philostr.). — Verb: ἁμαξεύω ‘mit einem Wagen befahren’ (Hdt. u. a.), ‘in einem Wagen fahren’ (Philostr., AP), auch ‘Kutscher sein’ (Plu., in diesem Sinne von ἁμαξεύς). — Eine Zusammenbildung mit ἰ-έναι ‘gehen’ und dem το-Suffix ist ἁμαξιτός ‘mit Wagen befahrbar’ (ὁδός, Pi., X.), gewöhnlich Subst. f. ‘Fahrstraße’ (ep. ion., Pi., S., Inschr. usw.). — Von einer urspr. Bedeutung ‘Rädergestell’ (Ω 189, 266) als Bezeichnung der beiden Räderpaare samt den Achsen ausgehend sieht Kretschmer Glotta 9, 216; 12, 216f. darin eine Ellipse für ἅμαξα κύκλα (aus ἅμα und ἄξων) mit sekundärer Singularisierung und Übertragung auf den Wagen. Zustimmend Adrados Emerita 17, 146f. mit der ansprechenden Abänderung, daß ἅμαξα eine Zusammenbildung von ἅμα und ἄξων mittels des Suffixes -ι̯α darstelle. — Die Erklärung als "Einachser" (Mermger KZ 40, 217ff., Schrijnen Neophil. 4, 277ff., Reichelt WuS 12, 113) ist mit der Konstruktion der vierrädrigen ἅμαξα nicht vereinbar. — Bănăt̨eanu REIE 3, 136f. nimmt ohne Not kleinasiatischen Ursprung an. I-85-86

ἀμάρα (ἁμ- ?), ion. ἀμάρη f. ‘Graben, Kanal’ (vorw. ep. poet.). Ableitungen: ἀμαρήιος (ὕδωρ, Nonn.), ἀμαρία (H., EM); ἀμαρεύω ‘durch Kanäle leiten’ (Aristaenet., H.), wovon ἀμάρευμα· ἀθροίσματα βορβόρου H. — Die Anknüpfung an δι-, ἐξ-αμᾶν im Sinne von ‘auf-, ausgraben’, ἄμη ‘Schaufel, Hacke’ (Schulze Q. 365f., Solmsen Wortforschung 194ff.) mit demselben Suffix wie in χαράδρα, τάφρος u. a. stößt auf gewisse formale Schwierigkeiten. Crönert s. v. erinnert an kypr. ἀμιραφι. Auffallend ist der Anklang an heth. amii̯ar(a)- ‘Kanal’ (G. Neumann bei Friedrich Heth. Wörterbuch s. v.). Orientalisches Kulturlehnwort? — Anknüpfung an alb. âmë "Flußbett" und Flußnamen wie Amantia, Amana usw. sucht Krahe Beitr. z. Namenforschung 4, 52f. I-86

ἀμά̄ρᾰκον -ος m. n. ‘Origanum Majorana, Majoran’ (Pherekr., Thphr. usw.). Ableitungen: ἀμαράκινος ‘aus M.’ (Antiph. usw.), ἀμαρακόεις ‘M.-ähnlich’ (Nik.). — Vgl. ἀβαρύ· ὀρίγανον <τὸ ἐν> Μακεδονίᾳ H. Orientalisches LW, mit aind. maruva(ka)- ‘Majoran’ verwandt. Aus dem Griech. stammt lat. amaracum, -us, mlat. maioracus, maiorana, woraus die modernen Formen. Weitere Kombinationen bei Bertoldi Riv. fil. class. 60, 338ff. I-86

ἀμαρεῖν · ἀκολουθεῖν, πείθεσθαι, ἁμαρτάνειν H. — v. Blumenthal Hesychst. 34 zerlegt das Lemma in zwei gleichlautende Worte, von denen ersteres ein Denominativum von ἄμηρος H. = ὅμηρος im ursprünglichen Sinne von ‘Begleiter’ sei, letzteres zu ἁμαρτάνειν gehöre. Sehr hypothetisch. I-86-87

ἁμαρτάνω, Aor. ἁμαρτεῖν (äol. Ind. ἤμβροτον) ‘verfehlen, sich irren’ (ion. att.). Ableitungen: ἁμαρτία ‘Fehler, Irrtum, Versehen’ (att. hell.; zur Bedeutungsgeschichte s. Hey Philol. 83, 1ff., 137ff.); im selben Sinn ἁμάρτιον (A.), ἁμαρτάς (ion. und spät), ἁμάρτημα (att. hell.), ἁμαρτωλή (Thgn., Rhian. u. a.), ἁμαρτωλία (Hp., Kom.); sekundär ἁμαρτωλός ‘Sünder’ (Arist., hell., vgl. Frisk Indogermanica 15 A. 2). Privatives Adj. νημερτής, νᾱμ- (ep. poet.) ‘unfehlbar, untrüglich’ mit νᾱμέρτεια (dor.) ‘Unfehlbarkeit’ (S., vgl. Björck Alpha impurum 128f., 230). — Bildung und Herleitung unklar. Vermutungen von Froehde BB 20, 215ff., Osthoff IF 8, 11, Sommer Lautstud. 30ff., 38 sind bei Bq in Kürze referiert. I-87

ἁμαρτή (Aristarch, sonst unrichtig -τῇ geschrieben) ‘zugleich, gleichzeitig’ (Hom., Sol., E.). Davon ἁμαρτήδην (Schol. Φ 162, H., wahrscheinlich auch Ν 584 für ὁμαρτήδην zu lesen, Wackernagel Unt. 70). — Erstarrter Instrumental eines Verbaladjektivs *ἅμαρτος ‘zusammengefügt, -treffend’ (ἀραρίσκω), wovon andererseits das denominative ἁμαρτέω ‘zusammentreffen’ (poet. seit Il.). Bechtel Lex. s. v. Anders Pisani Ist. Lomb. 77, 545ff. — In der alexandrinischen Überlieferung dringt, namentlich beim Verbum, die vielleicht aus dem Attischen stammende Form ὁμ- durch, s. Wackernagel a. a. O. I-87

ἀμαρύσσω ‘funkeln, schimmern’ (h. Merc., Hes., hell. und sp. Epiker) nur im Präsensstamm belegt. Davon verschiedene Nomina actionis: ἀμάρυγμα, äol. -χμα ‘das Schimmern, das Funkeln’ (Hes., Sapph., B., Theok. u. a.), ἀμαρυγή (ῡ metr. gedehnt) ‘ds.’ (h. Merc. usw.), ἀμάρυγξ ‘ds.’ (Hdn., H., zur Bildung Schwyzer 498 : 7). Nasaliertes Suffix auch in ’Αμαρυγκεύς (Ψ 630) und in dem dunklen ἀμαρυγκυσία· βοστρυχία H. — Ein Nomen agentis ist ἀμαρύττα· τοὺς ὀφθαλμούς H.; falls richtig überliefert wohl kret. Dual = ἀμαρύκτα ‘die Funkelnden’. — Sichere Erklärung fehlt; gewöhnlich zu μαρμαίρω (s. d.) gezogen. Jedenfalls wird -ύσσω als rein griechisches Ableitungselement aufzufassen sein, wodurch der Vergleich mit lit. mérkti ‘die Augen schließen, blinzeln’ und anderen ähnlichen Wörtern (s. Bq mit Lit.) hinfällig wird. Der anlautende ἀ-Vokal ist wie öfters von problematischer Natur, vgl. Winter Prothet. Vokal 20. I-87

ἀματα, ἅπ. λεγ. im Bundesvertrag zwischen den Ätolern und Akarnanen (SIG 421 Α 5 und 26; IIIa), — nach Soteriades (z. St.) und Schwyzer RhM 72, 434ff. = ἀδόλως und mit Baunack Philol. 65, 317f. in ἄ-ματα (vgl. αυτόματος) zu zerlegen. S. auch Kretschmer Glotta 12, 188. I-87-88

ἀμαυρός (ep. ion., poet., hell. und sp.); ‘trübe, dunkel, schwach’ (zur Bedeutung vgl. v. Wilamowitz zu Eur. Herakles 124; formale Analyse unrichtig). Nominale Ableitungen nur die seltenen ἀμαυρότης (Gal. u. a.) und ἀμαυρία = caligo (Gloss.). Denominatives Verb ἀμαυρόομαι, selten ἀμαυρόω ‘trübe usw. werden bzw. machen’ (ion., poet., hell. und sp.). Davon ἀμαύρωσις ‘Verdunkelung, Trübung’ (Hp., Arist. u. a.) und ἀμαύρωμα ‘ds.’ (Plu.). — Die synonyme Bildung ἀμαυρίσκω = ἀμαυρόω (Demokr.) hat sich nicht durchgesetzt. Neben ἀμαυρός steht das seltene μαῦρος oder μαυρός (Hdn., Gal., H.), wahrscheinlich Rückbildung aus μαυρόομαι, -όω (Hes., Thgn., A.), das durch Wegfall des Anlautvokals (vgl. die Belege bei Strömberg Wortstudien 44f.) aus ἀμαυρόομαι entstanden ist. Wertlose Vergleiche bei WP. 2, 223. Vgl. ἀμυδρός. I-88

ἀμάω 1. ‘schneiden’, bes. in ἀπ-,διαμάω ‘ab-, zerschneiden usw.’, ‘mähen, ernten’ (ep. ion. poet. und späte Prosa). Ableitungen: ἄμητος m. ‘Ernte, Erntezeit’ (ep. ion. poet.), ἀμητύς f. (Hymn. Is.), ἀμητήρ ‘Schnitter’ (Il., Theok., Nonn.), ἀμήτειρα f. (EM), ἀμητρίς f. (Poll. 1, 222). Daneben ἀμητής (Porph.). Nom. instr. ἀμητήριον ‘Sichel’ (Max. Tyr.), Adj. ἀμητικός ‘zum Schneiden geeignet’. — Ob auch ἄμαλλα ‘Garbe’ und ἀμάρα ‘Graben, Kanal’ hierher gehören, bleibt fraglich, s. dd. Ebenso ist die Zugehörigkeit von ἄμη im Sinn von ‘Schaufel, Hacke’ (Ar., Xen., Geop.) wegen der Bedeutung etwas zweifelhaft und hängt davon ab, ob δι-αμάω, ἐξ-αμάω ‘aufreißen, aufgraben’ von ἀμάω ‘mähen’ zu trennen sind; s. die Lit. unten. — Wenn ahd. māen, ags. māwan ‘mähen’ ursprünglich ‘schneiden’ bedeutet haben, bieten sie sich zum Vergleich mit ἀμάω; ἄμητος wurde sich dann fast ganz mit mhd. māt, ags. mǣ́ð ‘das Mähen’ decken. Weitere Beziehungen (lat. meto, heth. ḫamešḫ(a)- ‘Frühjahr’ usw.) sind gänzlich unsicher, s. Bechtel Lex., WP. 2, 259, Benveniste Or. 157. — In ἄμη ‘Schaufel, Hacke’ sieht Schulze Q. 365 A. 3 ein anderes Wort, das von Solmsen Wortforschung 195 u. a. mit aksl. jama ‘Grube’ verbunden worden ist; Morgenstierne Acta orientalia 7, 200 vergleicht pashto yūm ‘Spaten’. I-88

ἀμάομαι 2. ‘sammeln, häufen’ (ep. ion. poet. und späte Prosa), vorw. in Komp. ἐπ-, κατ- usw. selten ἀμάω (spät). — Erklärt sich am einfachsten als Ableitung von ἅμα; es könnte aber auch ein schwundstufiges Deverbativum sein. Jedenfalls ist ἄμη, eig. ἅμη (> lat. hama, seit Cato) ‘Wassereimer’ (Plu.) nicht das Grundwort, sondern entweder eine retrograde Bildung oder unabhängig davon entstanden. Von ἅμη stammt ἁμίς f. ‘Nachtgeschirr’ (Ar. usw.). Als weitere Verwandte kommen in Betracht ἀμνίον und ἄντλος, wohl auch ἄμαλλα (s. dd.). An ἅμη erinnert begriffsmäßig lit. semiù, sémti ‘schöpfen’ mit sámtis ‘Schöpflöffel’; ferner wird lat. sentīna ‘Schiffsbodenwasser’ hierhergezogen. Es bereitet keine ernstliche Schwierigkeit, ἅμη und semiù mit ἅμα, ἀμάομαι auf ein gemeinsames idg. sem- ‘eins, zusammen’ zurückzuführen. Vgl. Bechtel Lex. m. Lit., bes. Solmsen Wortforschung 180ff., WP. 2, 487, 489ff. I-88-89

ἄμβη · ἡ τῆς ἴτυος ὀφρῦς τῶν κυλλῶν ἀσπίδων H.,‘erhöhter Schildrand, Wulst’ (Demokr., Hp., Gal.). — Vgl. ἄμβων. Verfehlt v. Blumenthal Hesychst. 4f. (illyrisch, zu φέρω). I-89

ἄμβιξ, -ικος auch ἄμβικος m. ‘φοξόχειλος κύλιξ’ (Ath. 11, 480 d), m., ‘Art Becher’, auch ‘Destillierhelm’ (Posid. usw.). — Ausgang wie in κύλιξ; das Stammelement wahrscheinlich auch in ἄμβη, ἄμβων (s. dd.). Kaum mit Chantraine Formation 376 aus dem Semit. entlehnt. I-89

ἀμβλακίσκω s. ἀμπλακίσκω; vgl. auch ἀμβλίσκω. I-89

ἀμβλίσκω (Pl.), -άνω (Max. Tyr. u. a.), (ἐξ-)αμβλόομαι, -όω (ion. att.), -ώω (Max.), -ώσκειν· τὸ ἀτελὲς γεννῆσαι, τὸ φθεῖραι βρέφος (Suid.), -ώσσειν· ὠμοτοκεῖν H., Aor. (ἐξ-)αμβλῶσαι ‘eine Fehlgeburt tun, die Leibesfrucht abtreiben’. Von ἀμβλόομαι, -όω gehen mehrere Ableitungen aus: ἄμβλωσις ‘Fehlgeburt, Abtreibung’ (Lys., Arist. u. a.) mit ἀμβλώσιμος (Max., vgl. Arbenz Adj. auf -ιμος 88), ἄμβλωμα (Antipho Soph., Aret.), ἀμβλωσμός (Aret.); ferner das Nomen instrumenti ἀμβλωτήριον (Orib.) und das Adj. ἀμβλωτικός (Gal.). Eigenartig ist die Bildung von ἀμβλωθρίδιον ‘fehlgeborenes Kind’ (Ph.), auch ‘abtreibende Arznei’ (Poll.), -ίδιος ‘Fehlgeburt verursachend’ (Aret.): an -θρο- ist ein neues Suffix -ίδιον hinzugefügt worden, vgl. Chantraine Formation 373 und 68ff. — Anknüpfung an μύλη ‘Mißgeburt’ (Hp., Arist.) und besonders an das fernliegende μέλεος (Fick KZ 20, 169f., Froehde BB 7, 327) ganz hypothetisch. I-89

ἀμβλύς, -εῖα, -ύ ‘stumpf, schwach’ (ion. att.). Metrische Erweiterung ἀμβλυόεσσα (ὀμίχλη, Man.). Ableitung ἀμβλύτης ‘Abstumpfung, Schwäche’ (Arist., Plu. u. a.). Denominative Verba: 1. ἀμβλύνω ‘abstumpfen, schwächen’ (ion. att.); davon ἄμβλυνσις (Arist.-Komm.), ἀμβλυντήρ (Poeta de herb.), ἀμβλυντικός ‘Schwäche verursachend’ (Dsk. u. a.). 2. ἀμβλυώσσω (-ώττω) ‘schwachsichtig sein’ (Pl., Hp., Plu., Luk.), eig. von *ἀμβλυ-ωψ, vgl. ἀμβλυ-ωπός, auch ἀμβλωπός, ἀμβλῶψ; Schwyzer 733 ζ, Sommer Nominalkomp. 3ff., Hoffmann Glotta 28, 24 A. 1. — ἀμβλύς steht wahrscheinlich für *ἀμλ-ύς, vgl. ἀμαλός, μύλη, μαλακός. WP. 2, 285; 292. I-89-90

ἀμβρόσιος s. βροτός. I-90

ἄμβων, -ωνος nach Gal. 18a 340 attisch für ion. ἄμβη, m. ‘Gefäßrand, Bez. verschiedener erhöhter od. ansteigender Gegenstände’ (in Anlehnung an ἀναβαίνω) (A., Eup. u. a.). — Zur Bildung s. Chantraine Formation 162, Schwyzer 487 : 4; sonst unklar. Die Anknüpfung an ἀναβαίνω (Prellwitz) ist ebenso anfechtbar wie der alte Vergleich mit lat. umbo. I-90

ἀμέθυστος, -ον, Zusammenbildung von ἀ privativum und μεθύω, als Adj. ‘dem Rausch nicht verfallend’ (Plu., Gp.) oder, aktiv, ‘rauschhindernd’ (Dsk.); als Subst. ntr. (fem.) ‘Heilmittel gegen Trunkenheit’ (Plu. u. a.), auch Pflanzenname (wegen der heilbringenden Wirkung gegen den Rausch, s. Strömberg Pflanzennamen 91). — Der Amethyst "ist benannt nach der lila-violetten Farbe des in so hohem Grade mit Wasser verdünnten Rotweins, daß er nicht mehr trunken machen kann" (Clausing Glotta 20, 292). I-90

ἀμείβω, -ομαι ̌v. ‘wechseln, (ver)tauschen, eintauschen’, med. auch ‘antworten, vergelten usw.’ (alt und häufig). Neben dem alten Verbalnomen ἀμοιβή (s. unten) erscheint seit der hell. Zeit (Plb., LXX) die Neubildung ἄμειψις ‘Wechsel, Austausch usw.’ mit ἀμειπτικός. Seit alters weit verbreitet war dagegen ἀμοιβή mit verschiedenen Bedeutungen und Sinnfärbungen: ‘Wechsel, Tausch (handel), Vergeltung, Dank, Antwort u. a.’. Von ἀμοιβή wiederum mehrere Ableitungen: ἀμοιβαῖος ‘abwechselnd’ (Pi., Emp., Hdt. usw.), ἀμοιβάδιος ‘ds.’ (Opp., Q. S., AP; vgl. ἀμοιβαδίς und andere Adverbia unten); ἀμοιβιμαῖον ‘Vergeltung, Lohn’ (IGRom., Lydien; zur Bildung Chantraine Mélanges Maspero 2, 219ff.). Ein vereinzeltes Substantiv ist ἀμοιβεύς "Vertauscher", Benennung des Poseidon bei Lyk. 617. — Mehrere Adverbia: ἀμοιβηδίς, (ἐπ)αμοιβαδίς (Hom. usw.), vgl. Schwyzer 631 : 9, usw. — Das Denominativum ἀμοιβάζω ‘vertauschen’ tritt erst spät auf (Men. Prot.). — Neben ἀμοιβή steht seit Il. das Nom. ag. (Adj.) ἀμοιβός ‘ablösend, zum Entgelt’, sowohl als Simplex wie vor allem als Hinterglied. — Späte Gelegenheitsbildung ἀμειβώ = ἀμοιβή (Eust.). — Ohne sichere und genaue Entsprechung. Seit Walter KZ 11, 430 vergleicht man u. a. lat. migrare ‘wandern’ als Denominativum von *migros ‘den Ort wechselnd’. Durch Abtrennung eines g-Suffixes kann man auch lat. mū-nus usw. (idg. mei-) heranziehen. W.-Hofmann s. migro, WP. 2, 245. I-90

ἀμείνων ‘besser, tüchtiger, vorteilhafter’ (alt und häufig). — Enthält echtes ει, somit nicht aus *ἀμενι̯ων. — Unerklärt. Nach Osthoff MU 6, 303ff. aus einem Neutrum ἄμεινον, d. h. α privativum + Subst. *μεῖνον ‘Minderung’ hervorgegangen, das als Komparativ umgedeutet und als Komparativ flektiert worden wäre. Seiler Steigerungsformen 120, wo weitere Lit., führt ἀμείνων auf *ἀ-μεινι̯ων, zu *μινύς, zurück. I-91

ἀμείρω ‘berauben’ (Pi.), ἀπαμείρω (ρ 322 v. l., Hes. Th. 801, A. R., Nonn.). — Seit Solmsen KZ 29, 354 als Neubildung für ἀμέρδω zu ἀμέρσαι, ἀμερθῆναι gedeutet. Vgl. Leumann Hom. Wörter 162f. Die Erklärung ist allerdings von Solmsen selbst, Wortforschung 11 A. 1, angezweifelt worden. I-91

ἀμέλγω ‘melken’ (alt und häufig). Spärlich belegte Ableitungen: ἀμολγός (s. bes.), ἀμολγή (Hdn.), ἀμολγεύςund ἀμόλγιον ‘Milcheimer’ (Theok.), ἀμολγάδες βόες ‘Milchkühe’ (S. Ichn. 5). Zu ἀμολγαῖος, ἀμολγάζει s. ἀμολγός. Als Hinterglied u. a. in ἱππ-ημολγοί "Stutenmelker", Bez. skythischer und anderer Nomaden (Ν 5, Hes., Kall.). — ἄμελξις ‘das Melken’ (Pi., LXX); zum Pflanzennamen ἀμελξίνη (Ps.-Dsk.) s. Strömberg Pflanzennamen 160, der die gleichgebildeten ἀμερσίνη und ἑλξίνη vergleicht. — ἀμελκτῆρα H. als Erklärung von ἀρακτῆρα. — Altes Verb, das in ahd. melchan, ags. melcan ‘melken’ ein genaues Gegenstück hat. Daneben mit langem (das auch den griech. und germ. Formen ursprünglich zugrunde liegen kann) lit. mélžu, mit Schwundstufe aksl. mlъzǫ, mir. bligim. Lat. mulgeo kann entweder Schwundstufe oder alten o-Vokal enthalten. Vgl. noch alb. mjel (Mann Lang. 26, 382) und toch. A mālkant 3. pl. ‘Milch geben’ (Prät. Med.). Wahrscheinlich ist mit Meillet (vgl. auch Brugmann Grundr.2 2 : 3, 99) von einem ablautenden athematischen Wurzelpräsens *mēlĝ-mi, *ml̥ĝ-énti auszugehen, das sich formal mit ai. mā́rj-mi, mr̥j-ánti ‘abwischen’ völlig decken kann. Bei Urverwandtschaft muß in den europäischen Sprachen eine Bedeutungsverengung vorliegen. Anderseits kann ai. mā́rjmi von ὀμόργνυμι nicht getrennt werden. Zusammenfall von zwei verschiedenen Wörtern? I-91

ἄ̄μεναι ‘sich sättigen’ (Φ 70, 4. Fuß), s. ἆσαι. I-91

ἀμενηνός ‘kraftlos, schwach’ (ep. ion. poet., hell. und spät). Davon ἀμενήνωσεν Ν 562. — Wahrscheinlich aus ἀμενής (E.) erweitert, vielleicht nach dem Vorbild von ἀκμηνός (Od.). Kaum mit Bechtel Lex. aus *ἀμενεσᾱνός. Vgl. noch Schwyzer 490 : 6 m. Lit. I-91

ἀμέργω ‘abpflücken, ernten’ (lyr., hellen. Ep.), auch von den Oliven = ‘auspressen’? (Kom. Adesp. 437; ἀμέργω· τὸ ἐκπιέζω Hdn.). Davon nach allgemeiner Annahme ἀμόργη ‘Ölhefe’ (Hp., Thphr., Dsk.), woraus entlehnt lat. amurca, amurga (s. W.-Hofmann); Nebenformen ἀμόργης, ἄμοργος, ἄμοργις; ngr. μούργα, μοῦργος s. Kapsomenos ByzZ 36, 316f., vgl. auch Psaltes Festschrift Hatzidakis 66ff. — Nom. ag. in übertrag. Bed. ἀμοργοί· πόλεως ὄλεθροι Kratin. 214; ähnl. Emp. 84. — ἀμοργεύς ‘Ölpresser’ (Poll.), ἄμοργμα· σύλλεγμα, ἄρτυμα H. — Unklar ist die Herkunft von ἀμοργίς, -ίδος f. ‘der Stengel von Malva silvestris’ (Ar.); ob nach der Insel Amorgos benannt? — Adj. ἀμόργινος Beiwort von χιτών und anderen Kleidungsstücken (Kom., Aeschin.), vgl. ἀμόργεια· χρώματος εἶδος, ἀπὸ νήσουΑμοργοῦντος Suid. — Vielleicht mit ὀμόργνυμι ‘abwischen’, aind. mā́rj-mi ‘ds.’ (vgl. s. ἀμέλγω) verwandt. Aus dem Lat. wurden hierhergezogen mergae ‘Mähgabel’ und merges ‘Ährenbündel’; unsicher. Vgl. W.-Hofmann s. v., WP. 2, 283f. I-91-92

ἀμέρδω ‘berauben’ (ep. poet.); zur Bedeutung (auch ‘verletzen, schädigen’ oder sogar ‘blenden’?) Persson Beitr. 219f., Fraenkel Phil. 97, 172f. Davon nach Strömberg Pflanzennamen 65 ἀμερσίνη (Dsk.). Eine kürzere Form bei H.: μέρδει· κωλύει, βλάπτει, μερθεῖσα· στερηθεῖσα. — Sichere Verwandte fehlen: Anschluß an aind. mr̥ḍnā́ti, mardati ‘zerreiben, zerdrücken’ (vgl. μαραίνω und WP. 2, 278 m. Lit.) scheint allenfalls möglich. Bechtel Lex. 38 zieht auch βραδύς ‘langsam’ (aus *μραδύς) hierher. I-92

ἀμέσω · ὠμοπλάται H. — Nach Fick KZ 44, 336f. indisches Fremdwort (vgl. aind. áṃsau ‘die beiden Schultern’). Kritik bei Kretschmer Glotta 5, 302. I-92

ἀμεύσασθαι (Aor., Fut. ἀμεύσεσθαι) ‘übertreffen, überschreiten’, auch ‘Handel treiben’ (vgl. Bechtel Dial. 2, 778) (Pi., Euph., Gortyn). Ableitung: ἀμεύσιμος = πορεύσιμος (A. R. 4, 297 nach EM 82, 11; vgl. Arbenz Adj. auf -ιμος 100 und das Vorderglied in ἀμευσί-πορος, -επής, Pi.). Dagegen ἀμοιϝά ‘Tausch’ (Korinth) umgekehrte Schreibung für ἀμοιβά, s. Fraenkel KZ 43, 208 m. Lit. — Nur unsichere Anknüpfungen. Aus dem Griechischen vergleicht man ἀμύνω (s. d.), aus anderen Sprachen lat. moveo, lit. máuju ‘abstreifen, abreißen’, aind. mī́vati ‘schieben, drängen’ usw., WP. 2, 252f.; außerdem heth. maušzi ‘fallen’ (Pedersen Hittitisch 172 m. Lit.). I-92

ἀμήκωα · δεινά. Ταραντῖνοι H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 14 messapisch: a-mē-k--a, zu mē- ‘messen’. Äußerst hypothetisch. I-92

ἄμης, -ητος m. mit dem Deminutiv ἀμητίσκος ‘Kuchenart’ (Kom. u. a.). — Etymologie unbekannt. Vgl. ἄμιθα· ἔδεσμα ποιόν, καὶ ἄρτυμα ὡςΑνακρέων (139) H.; auch PHamb. 90, 18. I-92

ἀμία -ίας m. f., ‘Art Thunfisch, die in die Flüsse geht’ (Kom., Arist.). — Unerklärt. Thompson Fishes s. v. vermutet ägyptischen Ursprung (mehi, mḥit Fischname). Vgl. noch Strömberg Fischnamen 128. I-93

ἅμιλλα f. ‘Wettkampf, Kampf’ (ion. att., nicht bei Homer belegt). Denominatives Verb: ἁμιλλάομαι ‘wettkämpfen, sich eifrig bemühen’ (ion. att.); davon ἁμιλλητήρ ‘wettrennend’ (S.), ἁμιλλητήριος ‘zum Wettkampf gehörend’ (Philostr., Aristid.); ἁμιλλητικός ‘ds.’ (Pl.); ἁμίλλημα ‘Wettkampf’ (S. in lyr., Inschr. Kyr.). — Aus *ἅμ-ι̯λ-ια (vgl. θύελλα, ἄμαλλα usw., Schwyzer 475, Chantraine Formation 99, Specht Ursprung 328), ι̯α-Ableitung eines l-Stammes, der zu der Sippe von ἅμα, εἷς, ὁμός gehört; genauer Ausgangspunkt nicht bekannt. — Verfehlt Adrados Emerita 17, 119ff. (zu ἅμα und ἴλη). I-93

ἀμιχθαλόεσσα ungedeutetes Beiwort von Lemnos (Ω 753, h. Ap. 36), — danach Kall. Fr. 18, 8 ἀμιχθαλόεσσαν ... ἠέρα, von ihm also mit ὀμίχλη assoziiert und als ‘neblig’ verstanden. Nach einem Scholion zu Ω 753 dagegen = εὐδαίμων. Andere, ebenfalls unsichere Deutungen aus alter und neuer Zeit bei Leumann Hom. Wörter 214 A. 8, vgl. noch ibid. 273. I-93

ἄμμος f. ‘Sand’ (Pl., X. usw.). Ableitungen: ἀμμώδης (Hp.. Arist.), ἄμμινος (Peripl. M. Rubr.), ἀμμίτης m. (sc. λίθος), auch ἀμμῖτις f. ‘Sandstein’ (Plin., Isid.). Über ’Αμμίτης als Flußnamen Redard Les noms grecs en -της 130 usw. — Kontamination von ἄμαθος und ψάμμος, s. dd. I-93

ἀμνίον n. ‘Opferschale’ (γ 444), zur Bedeutung s. Brommer Herm. 77, 357 und 364. — Wahrscheinlich zur selben Sippe wie ἀμάομαι, aber die Bildungsweise ist nicht genügend aufgeklärt. Solmsen Wortforsch. 183 geht von einem Verbalnomen *ἅμων ‘Becher’, eig. "Sammler", aus, wovon ἀμνίον ein Deminutivum wäre. I-93

ἀμνός m. f. ‘Lamm’ (S., Ar., Theok., LXX usw.). Besondere Femininformen: ἀμνή, -ά (Kos, Gortyn u. a.), ἀμνάς (LXX usw.), ἀμνίς (Theok.). Adjektiva: ἀμνεῖος (Theok.), ἀμναῖος (Pap.) ‘aus Lamm(fell) gemacht’; daraus wohl übertragen ἀμνεῖον, ἀμνίον, auch ἀμνειός, ἄμνιος ‘inneres Häutchen des Fötus’ (Emp., Hippiatr., Sor., Gal.). — Unklar und zweifelhaft: ἀμνόα· πρόβατον, οἱ δὲ ἀμνός H. — ἀμνός kann mit lat. agnus urverwandt sein (gemeinsame Grundform idg. *agnos). Im Keltischen, Germanischen, Slavischen kommen ähnliche Formen vor, die jedoch in Einzelheiten voneinander abweichen: air. ūan mit anlautendem -, aksl. agnę mit anl. - oder -, ags. ēanian, engl. yean ‘lammen’ aus urg. *aunōn mit mehrdeutigem Anlaut. Näheres Thurneysen A Gram. of Old Irish 137, WP. 1, 39, Pok. 9, W.-Hofmann s. agnus. I-93-94

ἄμοιος · κακός. Σικελοί H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 15f. illyrisch. Er vergleicht μοῖτος = χάρις (Soph. 168), nach Bechtel Dial. 2, 285 mit lat. mūto urverwandt (andere Auffassungen bei W.-Hofmann s. mūto). Wenn diese Deutung richtig ist, steht ἄ-μοιος (von *μοῖος) neben μοῖ-τος wie ἄ-φορος neben φόρ-τος (unrichtige Analyse bei v. Blumenthal). I-94

ἀμολγός, bei Homer nur im Ausdruck (ἐν) νυκτὸς ἀμολγῷ. Außerdem A. Fr. 69, 6 ἱερᾶς νυκτὸς ἀμολγόν und, als Adj., E. Fr. 104 ἀμολγὸν νύκτα (H.), vgl. unten. Orph. H. 34, 12 διἀμολγοῦ | νυκτὸς ἐν ἡσυχίῃσιν. Ableitung ἀμολγαῖος : μάζα ἀμολγαίη Hes. Op. 590 (vgl. unten), ἀμολγαῖον μαστὸν ἀνασχόμενος AP 7, 657 (Leon.). — Verb: ἀμολγάζει· μεσημβρίζει H. — Falls Verbalnomen von ἀμέλγω, muß ἀμολγός ursprünglich die "Melkung" bezeichnet haben (Oxytonierung dann allerdings sekundär). Die Beziehung auf Melkung und Milch ist im Leonidasepigramm bewahrt, vielleicht auch im Ausdruck μάζα ἀμολγαίη bei Hes., wo es indessen von Proklos und im EM s. μάζα als ἀκμαία gedeutet wird: τὸ γὰρ ἀμολγὸν ἐπὶ τοῦ ἀκμαίου τίθεται. Dieselbe Interpretation findet sich auch bei Eustathios zu Ο 324 wieder: ’Αχαιοὶ δὲ κατὰ τοὺς γλωσσογράφους ἀμολγὸν τὴν ἀκμήν φασι. Wahrscheinlich ist diese Erklärung nur aus dem Epos herausgelesen und hat somit keinen eigenen Wert (Leumann Hom. Wörter 274). Mehr Glauben verdient die Hesychglosse ἀμολγάζει· μεσημβρίζει. — Das Wort ἀμολγός war schon im Altertum umstritten, wie u. a. aus H. hervorgeht: ἀμολγὸν νύκτα· ΕὐριπίδηςΑλκμήνῃ ζοφερὰν καὶ σκοτεινήν. οἱ δὲ μέρος τῆς νυκτὸς καθὅ ἀμέλγουσιν. Eine sichere Deutung steht noch aus; nach Nilsson Primitive Timereckoning 35f. bezieht sich der Ausdruck auf die Melkstunde am Beginn oder am Ende der Nacht. Verfehlt Charpentier Symb. phil. Danielsson 13ff. (darüber, mit eigenen Deutungsvorschlägen, Kretschmer Glotta 22, 262f.), Sinclair ClassRev 39, 98ff., Jacoubet REGr 37, 399ff. Weitere Lit.: Kretschmer Glotta 11, 108; 13, 166f.; Wahrmann Glotta 13, 98ff., Leumann Hom. Wörter 164. I-94

ἀμόρα · σεμίδαλις ἑφθὴ σὺν μέλιτι H. Auch Philetas ap. Ath. 14, 646d. Davon ἀμορίτης ἄρτος (LXX), woneben die Schreibungen ἀμορβίτης (Ath.) und ἀμοργίτας· πλακοῠντας H., beide = ἀμορϝίτης; vgl. Redard Les noms grecs en -της 88. — Grundform somit *ἀμόρϝα. Unerklärt. I-94

ἀμορβός ἀμορβάς f. (A. R.); auch ἀμορβεύς (Opp.), wohl retrograde Bildung von ἀμορβεύω. m. f. ‘Begleiter(in), Hirt’ (Kall., Nik., Opp.), Abgeleitetes Adjektiv ἀμορβαῖος Beiw. von χαράδραι (Nik. Th. 28, 489), Bed. unsicher, von den Scholl. mit ποιμενικαί oder σκοτεινώδεις erklärt; vgl. dazu EM 85, 20: ἀμορβὴς καὶ ἀμορβές· σημαίνει τὸ μεσονύκτιον παρὰ τὴν ὄρφνην .... σημαίνει καὶ τὸν ἀκόλουθον. — Denominative Verba ἀμορβέω (Antim.) und ἀμορβεύω (Nik.) ‘begleiten’. — Dagegen ἀμορβίτης zu ἀμόρα. — Unerklärt. Über ältere und neuere Deutungsversuche s. Pisani Ist. Lomb. 77, 541, der selbst von *ἁμορ-β-ός ausgeht, zu ἁμαρ-τή (aus *ἁμαρ-στη[?]) und βῆναι (?). I-94-95

ἀμόργη, ἀμοργίς s. ἀμέργω. I-95

*ἁμός in οὐδαμός, ἁμοῦ, ἁμῆ, ἁμοῖ, ἁμωσ-γέ-πως usw., indefiniter Pronominalstamm, — mit aind. sama- (enkl.) ‘irgendeiner, jemand’, got. sums ‘ds.’ identisch. Zu ἅμα, εἷς. Vgl. Schwyzer 617 : 4b. I-95

ἄμοτον ep. Adv. (seit Il.), vielleicht ‘unaufhörlich, unermüdlich’, besonders im Ausdruck ἄμοτον μεμαώς. Daraus das Adj. ἄμοτος (Theok., Mosch.; unsicher Simon. 37, 16). — Da sich die Bedeutung von ἄμοτον nicht sicher feststellen läßt, sind alle Erklärungsversuche hypothetisch. Vgl. Bq s. v., Bechtel Lex., Pisani Ist. Lomb. 77, 547f. I-95

ἄμπελος f. ‘Weinstock, Weinrebe’ (alt und häufig). Zahlreiche Ableitungen. Deminutiva: ἀμπέλιον (Ar., Hp.), ἀμπελίς (Ar.), auch Vogelname = ἀμπελίων, s. unten. Adjektiva: ἀμπελόεις ‘rebenreich’ (ep.); ἀμπέλινος ‘vom Weinstocke’ (Hdt., Arist., Plb. usw.), ἀμπελικός ‘ds.’ (hell. und spät), ἀμπέλιος ‘ds.’ (Ph., Ach. Tat.), ἀμπελώδης ‘rebenreich’ (Poll., H.). ἀμπελῖτις (γῆ, χέρσος) ‘Weinbau’ (Pap. usw., Redard Les noms grecs en -της 107f.) mit ἀμπελιτικός (Pap.). — Substantiva: ἀμπελών m. ‘Weinberg’ (Alschin. 2, 156 [v. l.], hell. und spät), auch ἀμπελεών (Theok., AP), Demin. ἀμπελωνίδιον (Pap.); ἀμπελεία ‘ds.’ (Inschr. Cherson., nach φυτεία). — ἀμπελίων m. Name eines unbekannten Vogels (Dionys. Av., s. Thompson Birds s. v.). — Die Versuche, ἄμπελος aus dem Idg. oder dem Semit. zu erklären (s. Bq), sind erfolglos geblieben. Ohne Zweifel ist ἄμπελος ein mediterranes Kulturwort. — Über vorrom. *ampua und dessen eventuelle Beziehungen zu ἄμπελος s. Hubschmid Zeitschr. f. rom. Phil. 66, 15ff. I-95

ἀμπλακίσκω, auch ἀμβλακίσκω, spätes und seltenes Präsens zu Aor. ἤμπλακον (ἤμβ-), Perf. Pass. ἠμπλάκημαι ‘fehlen, sich vergehen, verlieren’ (poet., nicht Hom.). Nomina actionis: ἀμπλακία ‘Vergehen’ (poet.) mit ἀμπλακιῶτις f. = ἱερὰ νόσος (Poet. de herb.); daneben ἀμπλάκιον (Pi. P. 11, 26) und ἀμπλάκημα (poet. und späte Prosa). — Wenn die Schreibung mit -β- ursprünglich wäre, könnte man an ἀμβλίσκω, viell. auch an βλάξ ‘weich, schlaff’ denken (vgl. Ehrlich Betonung 55). Dies ist aber höchst zweifelhaft, s. J. Schmidt KZ 37, 28f., Schwyzer 210 : 4. Somit muß ἀμπλακίσκω als noch unerklärt gelten. I-95-96

ἀμπρόν (Akzent nach Et. Gen., H.) n. ‘Zugleine’ (Inschr. V-IVa.). Ableitung: ἀμπρεύω ‘mit einer Zugleine ziehen, schleppen’ (E. ap. Phot., Kall., Lyk.), ἐξ-αμπρεύω (Ar. Lys. 289), wovon als retrograde Ableitung ἔξαμπρον ‘Ochsengespann’ (Gloss.); συν-αμπρεύω (Arist.). — ἀμπρευτὴς ὄνος (S. ap. Phot.). — Technischer Terminus unbekannten Ursprungs. I-96

ἄμπυξ, -ῦκος f. m. ‘metallenes Stirnband (der Frauen, der Pferde)’, χρυσ-άμπυξ ‘mit goldenem Stirnbande’; später auch als ‘Zaum’ verstanden (ep. seit Il., poet.). Poetische Erweiterungen sind ἀμπυκτῆρες (A.), ἀμπυκτήρια und ἀμπυκώματα (S.). Ableitung: ἀμπυκάζω ‘(mit einem Stirnband) aufbinden’ (AP, EM). — Komponiertes Wurzelnomen (oder Zusammenbildung) aus ἀμ- = ἀνα- und -πυξ, zu πύκα ‘dicht, fest’, πυκνός. Urverwandt mit aw. pusā (idg. *puḱā) ‘Diadem’, zu dem sich ἄμπυξ verhält wie z. B. πρόσ-φυξ zu φυγή; vgl. auch ἄν-τυξ. Lidén Symb. phil. Danielsson 148ff., Benveniste BSL 34, CR. 41, der weitere iranische Formen ebenso wie das toch. LW psuk ‘Kranz’ heranzieht. Aus dem Iranischen stammt ebenfalls arm. psak ‘Kranz, Diadem usw.’. I-96

ἄμπωτις f. ‘Ebbe’ (ion., Arist., hell.). Ableitung: ἀμπωτίζω ‘ebben’ (Ph., Eust.). — Nebenform zu ἀνάπωτις (Pi., spät), eig. fem. Nomen agentis zu ἀναπίνω, ἄμπωτις (θάλασσα) = resorbens unda (Hor.). Schulze KZ 56, 287; 57, 275 (= Kl. Schr. 361). S. auch Fraenkel Nom. ag. 1, 116 m. A. 2. I-96

ἀμυγδάλη ‘Mandel’ (Kom., Hp., Arist. usw.), ἀμύγδαλον n. auch ἀμύγδαλος f. (Luk.). f., Mehrere Ableitungen: ἀμυγδαλίς f. = ἀμυγδάλη (Philox., Plu.), Dem. ἀμυγδάλιον (Hp.). Adjektiva: ἀμυγδάλινος ‘aus Mandel bestehend’ (X., Thphr.), ἀμυγδάλιος ‘mandelförmig’ (Pap.), ἀμυγδαλόεις ‘ds.’ (Nik.), ἀμυγδαλώδης ‘ds.’ (Thphr.). — ἀμυγδαλέα, -ῆ ‘Mandelbaum’ (Eup., Hp., Arist., Thphr. usw.), ἀμυγδαλίτης ‘Wolfsmilch’ (Dsk., Plin., vgl. Redard Les noms grecs en -της 69). — Fremdwort unbekannten Ursprungs. Frühere Erklärungsversuche s. Bq. Daraus entlehnt lat. amygdala, auch amiddula, amyndala, amandula, woraus ahd. mandala ‘Mandel’. I-96

ἀμυδρός ‘dunkel, schwer zu erkennen, schwach’ (ion. att.). Daraus erweitert ἀμυδρήεις ‘ds.’ (Nik.). Adjektivabstraktum ἀμυδρότης ‘Dunkelheit, Schwäche usw.’ (Ph., Gal., Plot.). Denominativ ἀμυδρόομαι, -όω ‘dunkel usw. werden’ bzw. ‘machen’ (Ph., Arist.-Komm.); davon ἀμύδρωσις (Arist.-Komm. usw.). — Unklar. Beziehung zu, bzw. Umbildung nach dem synonymen ἀμαυρός nicht unmöglich. Prellwitz denkt an aksl. iz-mъděti ‘schwach werden’. I-96-97

ἄμυλος ‘Kuchen (aus feinstem Mehl)’ (Ar., Theok. usw.), ἄμυλον n. ‘Stärke(mehl)’ (Dsk., Plin., Inschr., Pap.). m. Demin.: ἀμύλιον n. 1. ‘Kuchen’ (Plu.), 2. ‘Stärke’ (Hp., Arist.); von 1. ἀμυλᾶτον ‘Kuchen’ (Sch. Ar. Pax 1195); von 2. ἀμυλιδωτόν ‘Art Chiton’ (Hermipp.). Bildung wie ἁλυσιδωτός, χειριδωτός (Schwyzer 503 : 4, Chantraine Formation 305). — Eine Deutung als ‘ungemahlen’, von μύλη (vgl. ἄμυλον· στερρόν, ἄκλαστον EM), die sich formal aufdrängt, bleibt noch begrifflich zu rechtfertigen. I-97

ἀμύμων ep. Epithet, nie von den Göttern gebraucht, etwa ‘edel, herrlich, trefflich, schön’, eig. ‘untadelig’, — zu μῦμαρ, nach H. äolisch für μῶμαρ, μῶμος ‘Tadel’ (s. d.). — ἀμύμων : μῦμαρ wie ἀπείρων : πεῖραρ (r-n-Stamm). I-97

ἀμύνω ‘abwehren, helfen’, med. ‘sich verteidigen, sich rächen’, erweiterte Präteritalform ἠμύναθον (Imperf. oder Aor.?, s. Schwyzer 703 m. A. 6 m. Lit.). Ableitungen: ἀμύντωρ ‘Abwehrer, Helfer, Rächer’ (Hom., Simon., E. usw.), auch PN; ἀμυντῆρες ‘die nach vorn gekehrten Spitzen der anwachsenden Hirschhörner’ (Arist.); ἀμυντήριος ‘zur Abwehr geeignet’ (Pl., hell. und spät), wahrscheinlich direkt vom Verb gebildet ebenso wie das Nomen instr. ἀμυντήριον (Pl., hell. und spät); ἀμυντικός ‘ds.’ (Pl., Arist. usw.). — ἀμυντρόν (A. ap. Phot. ohne Erklärung). — ἀμύντης ‘Verteidiger’ (Phot., Hdn.), auch PN, vgl. κηρ-αμύντης (Lyk.); ἀμυνίας ‘ds.’ (Ar. Eq. 570, wohl mit Anspielung auf den PN). — ἄμυνα ‘Abwehr, Vergeltung, Rache’ (Theop. Kom., hell. und spät; Rückbildung, s. Schwyzer 475 : 5, Chantraine Formation 101; das Kompositum χειμ-άμυνα = χλαῖνα παχεῖα (A. Fr. und S. Fr.) ist als Zusammenbildung zu beurteilen. — Wie κλίνω, πλύνω ist ἀμύνω eigentlich ein Nasalpräsens (Schwyzer 694); zugrunde liegt also ein Element ἀμυ-, das man in ἀμεύσασθαι (s. d.) wiederzufinden glaubt (urspr. Bedeutung somit *‘wegschieben’). I-97

ἀμύς, -ύδος f. ‘Süßwasserschildkröte’ (Archig. ap. Gal.). — Nach Strömberg Fischnamen 81 Kontamination von ἐμύς ‘ds.’ und ἀμία ‘Thunfisch, der in die Flüsse geht’. I-97

ἀμύσσω ‘ritzen, zerkratzen’ (ep. ion., hell. und spät). Zahlreiche Ableitungen: 1. ἀμυχή ‘Riß, Wunde’, wovon ἀμυχιαῖος (Pl. Ax. 366a, Bed. unsicher; zur Bildung Chantraine Formation 49) und ἀμυχώδης ‘rissig, aufgesprungen’ (Hp., Thphr.), außerdem ἀμυχηδόν etwa ‘oberflächlich, leicht’ (EM); 2. ἀμυχμός ‘Wunde’ (Theok.), ἀμυγμός cj. in A. Ch. 24; 3. ἄμυγμα ‘das Zerraufen’ (S., E.); 4. ἄμυξις ‘das Zerkratzen’ (Orph., Ach. Tat. u. a.). — Adv. ἀμύξ (ἐμφῦσα Nik.) = μόλις (Euph.). — Adj. ἀμυκτικός ‘aufritzend, irritierend’ (Plu., Mediz.). — Außerdem ἀμυκάλαι· αἱ ἀκίδες τῶν βελῶν H., EM; zur Bildung Chantraine Formation 245ff., Schwyzer 483 : 4. — Ohne genaue Entsprechung. Seit Curtius 546 vergleicht man lat. mucro ‘scharfe Spitze, Schwert, Degen’ (von einem Adj. *muk-ros ‘spitz’), außerdem, noch unsicherer, lit. mùšti ‘schlagen’ (Vaniček) und ags. gemyscan ‘betrüben, plagen’ (Holthausen IF 48, 266). I-97-98

ἀμυσχρός ‘unbefleckt, rein’ (Parth., H., EM), auch ἀμυχρός (S. ap. Phot., Suid.) und ἀμυχνός, ἀμυγνός, ἀμύσκαρος (Suid.); ἄμουχα· καθαρεύουσα Λάκωνες H. — ἀμυσχῆναι· καθᾶραι, ἁγνίσαι H. — Expressives, vielfach umgebildetes Adjektiv. Zu μύσκος· μίασμα, κῆδος H. Vgl. ἀπομύσσω, μύξα. I-98

ἀμφασίη (ἐπέων) ‘Sprachlosigkeit’ (Ρ 695 = δ 704, A. R., Bion) — = ἀφασίη von ἄφατος (φημί), mit ἀμ- aus ἀν-, antevokal. Form für ἀ-, wohl nur aus metrischer Bequemlichkeit. Andere Erklärungen bei Bq. I-98

ἄμφην, -ενος (Theok. 30, 28, äol.) daneben nach Jo. Gramm. Comp. 3, 16 äol. αὔφην. = αὐχήν ‘Nacken’, — Nach Schulze GGA 1897, 909 A. 1 aus *ἀγχϝ-ήν, von *ἀγχύ- = aind. aṃhú- ‘eng’ usw. (s. ἄγχω); kaum überzeugend. Vgl. αὐχήν und Pok. 43. I-98

ἀμφί Adverb ‘herum, auf beiden Seiten’ (ep.), Präposition ‘um’; ἀμφίς Adv. ‘ringsum, auf beiden Seiten, auseinander’, seltener Präp. ‘ringsum, außerhalb’ (ep.), vgl. Schwyzer 631 : 9, Schwyzer-Debrunner 436ff. m. Lit., Solmsen Wortforschung 177ff. — Altererbtes Adverb (idg. *ambhi) u. a. mit lat. amb(i)-, am-, an-, alb. mbi ‘bei, auf, an’ identisch. Daneben mit Schwundstufe (idg. *m̥bhi) im Keltischen, Germanischen und Indoiranischen, z. B. gall. ambi-, air. imb- ‘um’; ahd. umbi ‘um’, aind. abhí-tas, aw. aiwitō ‘zu beiden Seiten’. Vgl. ἄμφω. — Durch Hauchdissimilation ἀμπ- in ἀμπ-έχω und ähnlichen Fällen. — Zu mehreren epischen und sonstigen Komposita mit ἀμφι-, ἀμφ-ηρεφής, ἀμφι-βρότη, ἀμφι-λύκη usw. s. außer Schwyzer-Debrunner a. a. O. Bechtel Lex. s. vv. und unten zu den betreffenden Hintergliedern. I-98

ἀμφιάζω ‘bekleiden, anziehen’ — hellenistische Neubildung nach den Verba auf -άζω für ἀμφιέννυμι neben ἀμφιέζω vom Aorist ἀμφι-έσαι. Ableitungen: ἀμφίασις, ἀμφίασμα, ἀμφιασμός ‘Anzug’ (hell. und spät). I-98

Αμφιάραος, att. -άρεως, N. eines Sehers und Königs in Argos. — Nach Borgeaud Beitr. z. Namenforschung 1, 102ff. illyrisch aus *ambhi-sarāu̯os "qui habite sur les deux rives du *Sarāuos ou de la *Sarāua" (??). I-99

ἀμφίον od. ἄμφιον (Sch. D. T. 196) ‘Gewand’ (S., D. H., Inschr.). — Von ἀμφί oder (vielmehr) Abkürzung von ἀμφίεσμα u. dgl. Vgl. Coulon Phil. 95, 45f., Grégoire und Goossens Byzantion 13, 396ff. I-99

ἀμφίπολος (Hom., Hdt., vgl. Lommel Femininbildungen 2), f. m. ‘Dienerin, Diener’, auch (als Diener[in] der Götter und Göttinnen) ‘Priester(in)’ (ion. poet., zur Verbreitung s. Erika Kretschmer Glotta 18, 72). Ableitungen: ἀμφιπολεῖον ‘Wohnung eines ἀ.’ (IG 4, 39, Aigina, Va), ἀμφιπολία ‘Amt eines ἀ.’ (D. S.). — Denominativa : ἀμφιπολεύω ‘als ἀ. beschäftigt sein, besorgen, warten’ (ep., Hdt.), ἀμφιπολέω ‘ds.’ (Pi., B. usw.). — Altes Nomen agentis, mit lat. anculus ‘Diener, Knecht’ identisch; dieselbe Bildungsweise auch in aind. abhi-cara- ‘Diener’ (nur lexikalisch belegt); mit anderem Präfix pari-cará- ‘Diener’ (schon ved.). Zu ἀμφι-πέλομαι; s. πέλομαι, auch βου-κόλος. Über die Bedeutung usw. ausführlich Pax WuS 18, 1ff. I-99

ἀμφισβητέω (att., auch Hdt.), -βᾰτέω (ion., wohl auch äol., rhod.) ‘auseinander gehen, umstreiten, beanspruchen’. Ableitungen: ἀμφισβήτησις Rechtsausdruck: ‘Streit, Anspruch, Gegenbehauptung’ (att., hell. und spät) mit ἀμφισβητήσιμος ‘strittig, umstritten’, s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 54f., 58; ἀμφισβητητικός ‘zur ἀμφισβήτησις gehörend’ (Pl.). — ἀμφισβήτημα ‘Streitfrage, Streitigkeit’ (Pl., Arist. usw.) mit ἀμφισβητηματικός (Aps.). — Neben ἀμφισβατέω : ἀμφισβασίη (ion. usw.). — Zusammenbildung von ἀμφίς und βαίνειν (βῆναι) ‘auseinander gehen’, virtuell von einem (nie existierenden) *ἀμφισβή-της (vgl. ἐμπυριβή-της), bzw. *ἀμφισβάτης (vgl. παραι-βάτης). Vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 34 und 117 (teilweise abweichend). I-99

ἀμφορεύς (ion. att.), m. zweihenkeliger konischer Krug, auch als Maß für Flüssigkeiten gebraucht. Ableitungen: ἀμφορίδιον (oder -είδιον, s. Schwyzer 471 A. 4 m. Lit.) (Ar.), ἀμφορίσκος m. (D., Inschr.); ἀμφόριον (Gloss.); unklar ἀμφορείῳ· φορτίῳ H. — ἀμφορίτης als Adj. (ἀγών ‘Wettkampf mit einem ἀ. als Preis’, Kall. Fr. 80), als Subst. unsicherer Bed. PSI 5, 535, 31, s. Redard Les noms grecs en -της 106f.; ἀμφορικός (Schol.); ἀμφορίξ Adv. (Eust.), daraus ein Verb ἀμφορίζω irrig erschlossen (Eust.). — durch Haplologie aus ἀμφι-φορεύς (ep.) entstanden, Eigentlich = "Zweiträger", d. h. ein Krug, der beiderseits getragen wird, aber als Nom. instr. gebildet. Nicht mit Schwyzer 477 ein Bahuvrihi, aus *ἀμφί-φορος "was beiderseits einen Träger hat" erweitert. — Daraus entlehnt lat. amphora mit Dem. ampulla. I-99-100

ἀμφουδίς ἅπ. λεγ. ρ 237 ἀμφουδὶς ἀείρας. — Wahrscheinlich ist mit Fick Odyssee 312 ἀμφωδίς zu schreiben, aus *ἀμφωϝαδίς ‘an beiden Ohren’. Vgl. ἐξωβάδια· ἐνώτια. Λάκωνες H. — Bechtel Lex. s. v. I-100

ἄμφω ‘beide’, später durch ἀμφότερος ‘beidseitig, beide’ verdrängt. Davon ἀμφίας· γένος οἴνου H., s. Baunack Philol. 70, 356. — Mit lat. ambō identisch; ein ähnlicher Anlaut auch in toch. A āmpi (aber B antapi, ānpi). Die übrigen Sprachen zeigen nasallose Formen: aind. ubháu, aw. uva, aksl. oba, lit. abù; im Germanischen, z. B. got. bai, fehlt auch der Vokal. Eine sichere Erklärung des schwankenden Anlauts steht noch aus, s. WP. 1, 55, Pok. 34f., Ernout-Meillet s. ambō. — Zusammenhang mit ἀμφί ist augenfällig; Urverwandtschaft oder sekundäre Angleichung? I-100

ἄμωμον n. N. einer indischen Gewürzpflanze (Hp., Arist., Thphr. usw.). Ableitungen: ἀμωμίς f. ‘falsches Amomum’ (Dsk., Plin., Edict. Diocl.); ἀμωμίτης (λίβανος, Dsk.). — Orientalisches LW. Vgl. κιννάμωμον. I-100

ἀμώσας · κρεμάσας. Ταραντῖνοι H. — Nach Immisch Leipz. Stud. 8, 276 aus ἀνεμώσας als "Allegroform" entstanden. Zustimmend v. Blumenthal Hesychst. 13 ("wohl vom Trocknen der Wäsche genommen"). I-100

ἁμωσ-γέ-πως ‘auf irgendeine Weise’ (att.). S. *ἁμός. I-100

ἄμωτον = καστάνειον (Ageloch. ap. Ath. 2, 54d). — Herkunft unbekannt. I-100

ἄν (ion. att., ark.), Modalpartikel, — mit den Fragepartikeln lat. an, got. an etymologisch identisch. Vgl. Schwyzer-Debrunner 305f., 558 m. weiterer Literatur, Chantraine Gramm. hom. 2 (s. Index). I-100

ἀνά (ion. att.) Adverb, Präposition und Präverb, durch Elision und Apokope ἄν, ἀν; lesb. thess., ark. kypr. ὀν ‘hinauf, entlang’. — Altes Adverb, auch im Iranischen und Germanischen zu belegen: aw. ana, apers. anā ‘auf — hin, längs’; got. ana, ahd. an(a), ags. on ‘an’. Außerdem vielleicht in lat. an-hēlāre, an-testārī und in arm. am-baṙnam ‘erheben’ u. ä. Dagegen ist aind. ánu ‘entlang’ wahrscheinlich fernzuhalten, s. Wackernagel Symb. phil. Danielsson 389f.; vgl. ἄνευ. Näheres über den Gebrauch Schwyzer-Debrunner 439ff. — Neben ἀνά steht ἄνω, gewöhnlich Adverb, selten Präposition ‘hinauf, (nach) oben’; davon ἄνωθεν, ἀνωτέρω, ἀνωτάτω. Zum auslautenden -ω s. Schwyzer 550. I-100-101

ἀναγαλλίς, -ίδος f. (auch m. H.) Pflanzenname, ‘Anagallis’ (Dsk., Longos u. a.) — Dunkel. Nach Prellwitz von ἀνά und ἀγάλλω. Vgl. ἀγαλλίς s. ἀγάλλομαι. I-101

ἀνάγκη (seit Il.), ep. ion. Erweiterung ἀναγκαίη (vgl. Schwyzer 469) f. ‘Zwang, Notwendigkeit’. Ableitungen: ἀναγκαῖος ‘zwingend, nötig’, auch ‘blutsverwandt’ (seit Il.), wovon ἀναγκαιότης f. ‘Blutsverwandtschaft’ (att., hell.), auch ‘Notwendigkeit’ (S. E.); ἀναγκαιώδης ‘unentbehrlich’ (ἀναγκαιωδέστερα Sch.). — Denominatives Verb: ἀναγκάζω ‘zwingen, nötigen’ (ion. att., nicht bei Hom.), wovon ἀνάγκασμα ‘Zwang(smittel)’ (J.); ἀναγκαστήρ ‘Zwinger’ (Amorgos), ἀναγκαστήριος ‘zwingend’ (D. H.); ἀναγκαστικός ‘ds.’ (Pl., Arist. usw.). — Nicht sicher erklärt. Man vergleicht einige keltische Wörter für ‘Not(wendigkeit), Schicksal’ wie air. ēcen, kymr. angen (Fick4 2, 32); außerdem aus dem Germanischen z. B. ahd. āhta, nhd. Acht ‘feindliche Verfolgung’ (Brugmann Grundr.2 1, 382); dazu noch heth. ḫenkan ‘Tod’ (Kuryɫowicz Symb. Rozwadowski 1, 101, Pedersen Hittitisch 183f.), WP. 1, 60, Pok. 45 m. weiterer Lit., W.-Hofmann s. neco. — Die Vermutung, ἀνάγκη sei postverbal gebildet aus ἀναγκάζω, eig. *‘in die Arme nehmen’ (Schwyzer 734 A. 8), verstößt u. a. gegen die Chronologie der Belege (s. oben). — Andere Vorschläge: zu ἐνεγκεῖν (Güntert Weltkönig 185); aus ἀν- privativum und einem Wort für ‘Arm’ (vgl. ἀγκών; Grégoire Mél. Desrousseaux 185f., dazu Deny Mél. Boisacq 1, 295; nicht zu empfehlen). I-101

ἀνάγυρις -ος m., auch ὀνόγυρος (Nik., Ps.-Dsk., volksetymologisch nach ὄνος?, Strömberg Pflanzennamen 155), f., Pflanzenname, ‘Anagyris foetida’ (Ar., Gal., Dsk. usw.). Davon der att. Demenname ’Αναγυροῦς, Adv. ’Αναγυρουντόθεν u. a., Adj. ’Αναγυράσιος (Ar., Pl. u. a.). — Etymologie unbekannt. I-101

ἀναίνομαι s. αἶνος. I-101

ἀναισιμόω s. αἶσα. I-101

ἀνακῶς, ἔχειν τινός ‘Acht haben auf etwas’ (Hdt., Hp., Pl. Kom., Thuk. usw.). — Aus *ἀνα-κόως, von *ἀνα-κόος, Verbaladjektiv zu einem iterativen Verb *ἀνα-κοέω ‘auf etw. achten’, s. κοέω. Zur Kontraktion vgl. ἀμνο-κῶν eig. "Schafwächter", ‘Schafskopf’ (Ar.), aus *ἀμνο-κόων. Debrunner GGA 1910, 6 (mit Baunack und Meister). — Anders Schulze Q. 505, Kl. Schr. 674 und Fraenkel Nom. ag. 1, 96, Gnomon 23, 373: zu ἄναξ in dem hypothetischen Sinn von ‘Schützer, Helfer’. I-101

ἀνακωχή s. ἀνοκωχή. I-102

ἀναλεῖ · σχολάζει. Ταραντῖνοι H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 23 = ἀν-αλέγει ‘sich um nichts kümmern’, entweder durch Korruptel entstellt oder vielmehr durch Schwund des γ und Kontraktion. Verfehlt, weil Verba nie mit ἀ(ν)- privativum negiert werden. Latte ändert in ἀναλεαίνει. I-102

ἀνᾱλίσκω, Fut. ἀνᾱλώσω, Aor. ἀνήλωσα, wozu ein neues Präsens ἀνᾱλόω ‘aufwenden, verbrauchen, verschwenden’ (ion. att.). Ableitungen: ἀνά̄λωσις ‘Aufwand, Verbrauch’ (ion. att.), ἀνά̄λωμα ‘Aufwand, Ausgabe’ (vorw. att.), ἀνήλωμα (Pap., Inschr.), sekundäres Simplex ἄλωμα (böot., Fraenkel Nom. ag. 1, 119); Demin. ἀναλωμάτιον (Ph., Pap.). ἀναλωτής ‘Verschwender’ (Pl.); ἀναλωτικός ‘verschwenderisch, verbrauchend’ (Pl., Ph. u. a.). — Aus *ἀνα-ϝαλίσκω eig. ‘aufreißen’, bzw. ‘an sich reißen’, ‘verzehren’. Vgl. ἁλίσκομαι. I-102

ἄναλτος ‘unersättlich’ (γαστήρ Od., Kratin.). — Negiertes Verbaladjektiv von dem in lat. alo, air. alim, awno. ala ‘nähren’, got. alandsτρεφόμενος’ vorliegenden Verb, das im Griechischen auch in νεᾱλής ‘munter, stark’ vermutet worden ist (s. auch Baunack Phil. 70, 355f. mit einer sehr fraglichen Kombination), aber sonst nur mit Erweiterungen erscheint: ἀλδαίνω, ἀλθαίνω (s. dd.). — Aind. anala- ‘Feuer’, nach den indischen Etymologen eig. ‘der Unersättliche’, das von Schulze KZ 54, 306 (= Kl. Schr. 215) hierhergezogen worden ist, ist wahrscheinlich dravidisches LW, s. Schrader KZ 56, 125ff., Mayrhofer Wb. s. v. I-102

ἄναξ, urspr. ϝάναξ, -κτος Fem. (ϝ)άνασσα (aus *ϝανακ-ι̯ᾰ) ‘Herrin’ (poet. seit Hom.). m. ‘Herrscher, Herr, Fürst’ (eig. ‘Schützer, Helfer, Retter’? s. Leumann Hom. Wörter 42ff. mit Lit.), pl. (ϝ)άνακες N. der Dioskuren, (poet. seit Hom.). Abstraktum ἀναξία ‘Herrschaft, Befehl’ (Pi., A.), auch auf ἀνάσσω beziehbar; Adj. ἀνάξιος ‘fürstlich’ (Sch.). — Von (ϝ)άνακες : (ϝ)ανάκειον ‘Tempel der Dioskuren’ (att., nwgr. usw.), ’Ανάκεια pl. ‘Fest der Dioskuren’ (Lys. u. a.); ἀνακώσιος Adj. (Rhegion, s. Chantraine Formation 42). — Denominatives Verb ἀνάσσω ‘Herrscher sein, herrschen’ (poet. seit Hom.). — Zugehörigkeitsadj. auf -τερος (vgl. ἀγρότερος, ὀρέστερος) in ägäisch u̯a-na-ka-te-ro = ϝανάκτερος, -ον? — Unerklärt. Nach Meillet Mél. Glotz 2, 587ff. u. a. (z. B. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 22ff., wo auch über ἄναξ-βασιλεύς) Fremdwort. Die vorgebrachten Erklärungsversuche haben höchstens hypothetischen Wert: Schwyzer Glotta 6, 86 A. 1, Meringer WuS 9, 114, Ribezzo RIGI 12, 96, Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 6, 174 (auch zum Lautlichen), v. Windekens Le Muséon 61, 278ff. Über das (sekundär hinzu- getretene?) -τ- außerdem Doppler (s. Glotta 17, 245; abzulehnen). — Zu toch. B ñäkte, A ñkät, das fernzuhalten ist, Pedersen Tocharisch 31. — Phryg. vanaktei stammt aus dem Griechischen. I-102-103

ἀναρίτης — westgriechisch für νηρίτης (Magnien MSL 21, 59), s. d. I-103

ἀνα-ρριχάομαι auch ἀρριχάομαι (Hellanik., Ar., später Prosa; von Lukian als veraltetverpönt). Davon ἀναρρίχησις ‘das Emporklettern’ (Arist.). ‘mit Händen und Füßen emporklettern’, — Iterativ-intensive Ableitung von einem verschollenen primären Verb ohne sichere Entsprechungen. Unhaltbar Solmsen IF 13, 132ff.; vgl. noch Ehrlich Betonung 53. I-103

ἀνασταλύζω ‘aufweinen, aufschluchzen’ (Anakr. 43, 4). — Vgl. ἀσταλύχειν (zu lesen -ύζειν?)· ἀνα[β]λύζειν, κλαίειν H., νεόσταλυξ· νεοδάκρυτος H. Danach στάλυξ (postverbal) statt στάληξ zu lesen bei Zonar. = σταλαγμός. — Mit Prellwitz zu σταλάσσω, -άζω ‘träufeln, tropfen’. Zur Bildung vgl. γρύζω, ἰύζω, ὀλολύζω, ὀτοτύζω und andere Lautausdrücke. I-103

ἀναστίδωνος · ἀνατεταμένος H. — Unhaltbare Vermutung von Fick BB 18, 140: zu σπιδής = μακρός. Vgl. Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 23. I-103

ἀνασυρτόλις Hetärenbeiname (Hippon. 110). — Femininbildung zu einem Nomen auf -όλης von ἀνασύρομαι ‘die Kleider heraufziehen, sich aufdecken’; dasselbe Suffix u. a. im bedeutungsverwandten οἰφόλης, -λις. Das -τ- stammt wahrscheinlich aus einem Nomen auf Dental *ἀνασύρτης, -τις. Bechtel KZ 49, 118. I-103

ἄναυρος m. ‘Gießbach, Strom’ (Mosch., Nik.. Lyk. u. a.), auch thess. Flußname (Hes.). — Nach Persson IF 35, 199 und Kretschmer Glotta 10, 51ff. eig. "wasserlos", von dem im Sommer austrocknenden Wasserlauf; vgl. die Erklärung von ἄναυρος in EM: ὁ ἐξ ὑετῶν συνιστάμενος ποταμός; s. auch χαράδρα. — Von ἀν- privativum und einem Wort für ‘Wasser’, das als Simplex nicht belegt ist, aber sowohl in ἄγλαυρος (s. d.) wie (sehr hypothetisch) in θησαυρός und Κένταυρος gesucht wird (Kretschmer l. c.); vgl. noch den Quellnamen Αὔρα (Nonnos), den thrak. Flußnamen Αὔρας ebenso wie italische (illyrische) Flußnamen wie Metaurus, Pisaurus (Krahe IF 48, 216 A. 5), denen Pisani Beitr. z. Namenforschung 2, 65ff. noch Isaurus (Lucanus) hinzufügt. — Das Hinterglied wird als *αὔρα angesetzt (Persson, Kretschmer); möglich, aber keineswegs zwingend, vgl. ἄνυδρος : ὕδωρ : ὕδρος, -α. Jedenfalls war das Wort ursprünglich ein r-Stamm und mit aind. vā́r-(i), wahrscheinlich auch mit toch. A wär, B war nahe verwandt. Dasselbe Wort wird auch im Germanischen gesucht, z. B. awno. aurr m. ‘Naß, Wasser’ (Persson l. c.; die Bed. ist allerdings sehr unsicher). — Vgl. ἕρση, οὐρανός. WP. 1, 268f., Pok. 80f.; zu Αὔρας noch Brandenstein Archiv Orientální 17, 73f. m. Lit. — Anders angeschlossen (an FlN. Avara, Avantia, aind. avatá-, lett. avuõts u. a.) bei Krahe Beitr. z. Namenforschung 4, 49 (vgl. ebd. 115). I-103-104

ἁνδάνω, Aor. ἀδεῖν (ep. äol. Ind. εὔαδον), ep. Perf. ἕᾱδα (vorw. ion. und poet.). Zur Präsensbildung Schwyzer 699; att. ἥδομαι (s. d.), dor. viell. ἀ̄δάνω aus ἀδάνοντα· ἀρέσκοντα H. zu erschließen (Baunack Phil. 70, 353; vgl. ληθάνω). ‘gefallen’ Ableitungen: ἅδος ‘Beschluß’ (Halik., Thasos), ἅδημα· ψήφισμα H.; außerdem ϝάδιξις ‘Beschluß’ in γάδιξις· ὁμολογία und ἄδιξις· ὁμολογία παρὰ Ταραντίνοις H., zunächst zu *ϝαδίζομαι mit weiterem Anschluß an (ϝ)άδος; Bechtel Dial. 2, 419. — Genaue Entsprechungen zu den griechischen Formen liegen nirgends vor. Das Altindische hat ein damit eng verwandtes thematisches Wurzelpräsens svádati, -te ‘sich gefallen lassen, gefallen’; lat. suādeo ‘raten’ weicht dagegen in Form und Bedeutung stark ab. Der ϝ-Laut wird außer durch äol. εὔαδε (< *ἔ-σϝαδ-ε) auch durch kret. ἔϝαδε und lokr. ϝεϝαδηq_ότα bestätigt. — Verwandt sind ἥδομαι, ἡδύς (s. dd.). S. auch ἄσμενος und αὐθάδης. I-104

ἄνδηρα, τά (selten sing. ἄνδηρον) ‘erhöhte Ufer oder Ränder der Flüsse und Gräben; Erdaufwurf, Rabatte, Weinbeet’ (Hyp., buk., hell. u. spät). Davon ἀνδηρευτής ‘Rieselmeister des Weinlandes’ (Pap.). — Unerklärt. I-104

ἄνδινος · περίπατος (cod. περὶ παντός) H. (<παρὰ Ταραντίνοις> e sequenti linea huc revoc. Hemsterhusius). Davon ἀνδινέω (cod. ἀναδινίωπεριπατῶ H. — Nicht sicher erklärt. Nach Pokorny Zeitschr. celt. Phil. 21, 101 illyrisch und mit ἀν-ήνοθε usw. urverwandt. Pisani Ist. Lomb. 75 : 2, 32f. zieht vor, es als messapisch mit ital. andare ‘gehen’ zusammenzustellen. I-104

ἀνδράποδον n. ‘Kriegsgefangener der als Sklave verkauft worden ist’, ‘Sklave’ im allg. (ion. att.; zur Verbreitung E. Kretschmer Glotta 18, 76). Ableitungen. Deminutivum ἀνδραπόδιον (Hyp., Diph., Pap.). — Adj. ἀνδραποδώδης ‘sklavenmäßig’ (Pl., Arist. usw.), wovon ἀνδραποδωδία ‘Sklavengesinnung’ (Arist., Plu.). — Denominatives Verb ἀνδραποδίζω, -ομαι ‘in Knechtschaft versetzen, als Sklaven verkaufen’ (ion. att.). Davon sind abgeleitet: ἀνδραπόδισις ‘Knechtung’ (Xen.), -ισμός ‘ds.’ (att.). — ἀνδραποδιστής ‘Sklavenhändler’ (att.); ἀνδραποδιστικός ‘zum Sklavenverkauf, -händler gehörig’ (Pl., Eup.); ἀνδραποδιστήριος ‘ds.’ (Tz.). — Der Plural ἀνδράποδα (urspr. Konsonantstamm; Dat. pl. ἀνδραπόδεσσι Η 475) "Menschenfüßler", woraus sekundär der Sing. ἀνδράποδον, wurde nach τετράποδα ‘Vierfüßler’ geschaffen; Brugmann Grundr.2 2 : 1, 21, Wackernagel KZ 30, 298, Sommer Nominalkomp. 35, Leumann Hom. Wörter 157f. I-104-105

ἀνδράχνη f. ἄνδραχνος f. (Paus.); auch mit Dissimilation ἀνδράχλη (Thphr. u. a.), ἄνδραχλος (EM, Thphr. v. l.). Pflanzenname, ‘Portulaca oleracea’, auch ‘Sedum stellatum’ (Thphr., Dsk. u. a.), — Unerklärt. I-105

ἀνδρεϊφόντῃ, ‘Ενυαλίῳ ἀ. (Il.) — im Versschluß nach ἀργεϊφόντης (s. d.); v. Wilamowitz Hom. Unt. 299 A. 10, vgl. Wackernagel Unt. 172. I-105

ἀνδριάς s. ἀνήρ. I-105

Ανδρομάχη Die Gemahlin Hektors (Il. usw.); — so genannt, weil ihr Mann in der Männerschlacht zu Hause ist, wie Hektors Sohn seinen Namen ’Αστυάναξ, d. h. ‘Stadtherrscher, Stadtschützer’, nach den Taten seines Vaters erhielt. Kretschmer Glotta 12, 103. Anders über ’Αστυάναξ Roussel REGr. 32, 482ff. I-105

ἄνεμος m. ‘Wind’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen: ἠνεμόεις ‘windig, windreich’ (metr. Dehnung, wonach dor. ἀ̄νεμόεις; ep. poet.); ἀνεμώλιος ‘eitel, unnütz’ (ep.), aus *ἀνεμώνιος durch Dissimilation, bzw. nach dem Synonym ἀποφώλιος (Bechtel Lex., Chantraine Formation 43; Risch 113 erinnert an ἀπατήλιος); ἀνεμώδης ‘windig’ (Hp., Arist., hell. u. spät); ἀνεμιαῖος ‘windig, eitel’ (Pl., Kom., Alkiphr. u. a.), nach den Maßadj. auf -ιαῖος? (worüber Chantraine 49). — ἀνεμώτας· ὄνος ἄφετος, ἱερός, τοῖς ἀνέμοις θυόμενος ἐν Ταραντίνοις H.; ἀνεμῶτις Epithet von Athene (als Windstillerin; Paus.). — ἀνεμία ‘Blähung’ (Hp.). — ἀνεμώνη s. d. — Denominative Verba: ἀνεμόομαι ‘vom Winde aufgebläht werden’ (Hp., Pk. usw.); ἀνεμίζομαι ‘mit dem Winde treiben’ (Ep. Jak.). — Gr. ἄνεμος ist mit lat. animus formal identisch; auch aind. ánila- m. ‘Wind, Luft’ kann dazu stimmen, falls aus *anima- dissimiliert. Zum mo-Suffix Porzig Satzinhalte 285f. In Betracht kommt ferner arm. hoɫm ‘Wind’ (mit Dissimilation aus n-m), aber der Anlaut macht Schwierigkeiten; s. darüber Lidén Armen. Stud. 39 A. 1, Petersson KZ 47, 246, Meillet BSL 26, 11. Eine andere Bildung im Keltischen, z. B. kymr. anadl ‘Atem’ (mit tlo-Suffix). — Zugrunde liegt ein zweisilbiges Wurzelverb, aind. áni-ti ‘atmet’; vgl. got. us-anan ‘ausatmen’ und Schwyzer Mél. Boisacq 2, 231ff. — S. auch ἄσθμα und ἄνται. I-105

ἀνεμώνη (Kom., Thphr. usw.). Pflanzenname, ‘Windblume’ (Lehnübersetzung), Ableitung ἀνεμωνίς f. = ἀνεμώνη ἥμερος (Nik., Nonnos). — Prellwitz’ Herleitung aus ἄνεμος sucht Strömberg Pflanzennamen 77 mit verschiedenen Argumenten zu stützen. Unwahrscheinliche semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 49. I-105-106

ἀνενετεῖ · ἀρνεῖται H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 34 = *ἀναινετεῖ; vgl. ἀναίνομαι und αἰνετός. Eher mit Cocceius aus ἀναίνεται entstellt. I-106

ἄνευ Nebenformen: ἄνευν (Epidauros), ἄνευς (Olympia), ἄνις (Megara, hell. Dichter), vgl. Schwyzer-Debrunner 535 : 4a. ‘fern von, ohne’ (seit Il.). Davon ἄνευθε(ν) (ep. lyr.) und ἀπάνευθεν (ep.), auch als Adverbia ‘fern ab’ gebraucht. — Seiner Bildung nach erinnert ἄνευ an den alten Lokativ eines u-Stamms; es ist aber ohne genaue Entsprechung. Man vergleicht einerseits die germanische Gruppe got. inu ‘ohne’ (< *ĕnu), ahd. ānu = ohne (< *ēnu) und aind. ánu ‘entlang’, ānu-ṣák ‘nach der Reihe’; anderseits aind. sanu-tár ‘abseits’, lat. sine usw. Bei der letzten Annahme wäre ἄνευ entweder eine psilotische oder eine "s-lose" Form; das eine ebenso unwahrscheinlich wie das andere. Literatur bei Bq, W.-Hofmann 1, 677 (s. ignosco), WP. 1, 127f., Pok. 318, Wackernagel Symb. phil. Danielsson 390 A. 1. Vgl. s. ἄτερ. I-106

ἀνεψιός m. ‘Vetter’ (seit Il.) mit sekundärem Fem. ἀνεψιά ‘Base’ (Isok., Xen. usw.). Andere Ableitungen: ἀνεψιαδοῦς (vgl. ἀδελφιδοῦς) m. ‘Sohn des Vetters’ (Kom., D. u. a.), auch ἀνεψιάδης (Pachnemunis, Iamb.); dazu ἀνεψιαδῆ ‘Tochter des Vetters’ (Ar.). Abstraktbildung ἀνεψιότης, -ητος f. ‘Vetterschaft’ (Pl., Lex ap. D.). — Bis auf das anlautende, gewiß prothetische ἀ- (anders Schwyzer 433 : 4) entspricht ἀνεψιός völlig aw. naptya- ‘Abkömmling’, aksl. netьjь ‘Neffe’, idg. *nept-ii̯o-, das eine Ableitung des Wortes für ‘Enkel, Neffe’, aind. nápāt, lat. nepōs usw., idg. *nepōt-, darstellt; vgl. νέποδες. I-106

ἄνεῳ, ἄνεω ‘schweigend, still’, ep. Prädikat zu pluralen Subjekten bis auf ψ 93 ἄνεω ἧστο. Davon ἀνεοστασίη· θάμβος H. — Von Eust. zu Ψ93, im allg. auch von den Neueren, als Adverb aufgefaßt (so vielleicht schon Aristarch, s. Buttmann Lexilogus 2, 2); die gewöhnliche Schreibung ἄνεωι wäre dann wegen der angeblichen adjektivischen Funktion bei pluralen Subjekten eingeführt. Vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 249 m. Lit. — Das Wort ist dunkel; die bisherigen Erklärungsversuche (s. Bq mit Add., Bechtel Lex., WP. 1, 114) sind erfolglos geblieben. Vgl. zuletzt Grošelj Živa Ant. 4, 168. I-106

ἄνηθον (-νν-), -τον n. ‘Dill’ (äol., att., hell. u. spät). Ableitung ἀνήθινος ‘aus Dill gemacht’ (Theok., Dsk. u. a.), ἀνηθίτης (οἶνος, Gp.). — LW unbekannten Ursprungs; vgl. λάπαθον und andere Pflanzennamen auf -θον (-θος) bei Chantraine Formation 368. I-106

ἀνήνοθεν Λ 266 (ρ 270) ep. Plusquamperfekt (Perfekt) s. ἐνθεῖν. Vgl. auch ἄνθος am E. I-107

ἀνήρ, ἀνδρός, ἄνδρα (ep. auch ἀνέρα, wonach ἀνέρος usw.; zur Flexion s. Schwyzer 568β) ‘Mann, Mensch’ (seit Il.). Über Sinn und Gebrauch s. Vock Bedeutung und Verwendung von ἀνήρ und ἄνθρωπος. Diss. Freiburg (Schweiz) 1928; Chantraine REGr. 59-60, 219ff.; auch Sommer Nominalkomp. 177ff. Zahlreiche Ableitungen: Demin. ἀνδρίον (Kom., E. Theok.); daraus vielleicht, mit denominalem ντ-Suffix, ἀνδριάς, -άντος ‘Menschenbild, Statue’ (Pi., ion. att.), vgl. Kretschmer Glotta 14, 84ff., weitere Literatur bei Schwyzer 526 : 3 u. 4; verfehlt Szemerényi KZ 71, 215); ἀνδρίς f. ‘Weib’ (Sm.); ἀνδρ(ε)ών m. ‘Männergemach’ (ion. att.) mit ἀνδρώνιον (Delos) und ἀνδρωνῖτις ‘ds.’ (Lys., X. usw., vgl. Redard Les noms grecs en -της 110). Abstrakta: ἀνδρεία (-ηίη, -ία) ‘Mannhaftigkeit, Tapferkeit’ (ion. att.); ἀνδροτής, -τῆτος ‘Manneskraft’ (Π 857, Ω 6), viell. als *δροτῆτα zu lesen, vgl. δρώψ und Leumann Hom. Wörter 221 m. Lit. ἠνορέη ‘ds.’, ion. Umsetzung von äol. ἀ̄νορέα (aus -ρία), vom Metrum begünstigt (Kretschmer Glotta 24, 245f.), wahrscheinlich aus einem Kompositum (vgl. εὐανορία Pi.) abgetrennt, s. Leumann Hom. Wörter 109f., 123 m. Lit.; daraus ἀ̄νόρεος (S.). — Adjektiva: ἀνδρεῖος (ion. usw. ἀνδρήϊος, vgl. Chantraine Formation 52, Schwyzer 468 : 3) ‘männlich, mannhaft, mutig’, wovon ἀνδρειότης ‘Männlichkeit’ (X., Ti. Lokr.) und das Denominativum ἀνδρειόω ‘mutig machen’ (LXX), -όομαι ‘Mann werden’ (Prokl.), wovon wiederum ἀνδρείωμα (Metrod.); — jünger ἀνδρικός ‘zum Manne gehörig, männlich, mannhaft’ (vorw. att.; zu ἀνδρεῖοςἀνδρικός Chantraine Formation 389, 391f.); ἀνδρόμεος ‘menschlich’ (ep.; -μεος wohl = aind. -maya-); ἀνδρώδης ‘mannhaft’ (Emp., Isok. usw.); ἀνδρῷος ‘zum Manne gehörig’ (Muson., Gal. u. a.). — Denominativa: ἀνδρόομαι ‘Mann werden’ (Hdt., Hp., E. usw.), -όω ‘zum Manne machen’ (Lyk.); ἀνδρύνομαι ‘Mann werden’ (Ps. Kallisth.); ἀνδρίζομαι ‘Mann werden, sich als Mann zeigen’ (att. usw.), -ίζω ‘zum Manne machen’ (X.); davon ἄνδρισμα (Max. Tyr.) und ἀνδρισμός (Poll.) ‘männliches Auftreten’. — Über ἀνήρ als Hinterglied (-ήνωρ, -ανδρος) ausführlich Sommer Nominalkomp. 160ff. mit weiterer Lit. und kritischer Erörterung anderer Auffassungen; s. auch zu ’Αλέξανδρος s. ἀλέξω. — Kuiper MAWNied. NR. 14 : 5 will, wenig wahrscheinlich, in -ήνωρ und in νῶρ-οψ ein altes Abstraktum *ἄνερ, *ἄναρ ‘vital energy’ (idg. *ner-; auch in aind. sū-nára- u. a.) finden. — ἀνήρ ist mit arm. ayr, Gen. aṙn ‘Mann’ identisch (zum Lautlichen Bonfante Mélanges Pedersen 20 A. 1) und entspricht bis auf ἀ- aind. nā́ (Stamm nar-), ital. ner- in osk. ner-um ‘virorum’, lat. sab. Ner- usw. (s. W.-Hofmann s. neriōsus), kymr. ner ‘chef, maître’ (Loth Rev. celt. 41, 207L), alb. njer ‘Mann, Mensch’ (vgl. Mann Lang. 28, 38). Dagegen muß die Heranziehung von heth. innar-, luw. annar- in innarau̯atar etwa ‘(Lebens)kraft, hoheitliche Macht’ und anderen Bildungen (zuletzt Kammenhuber Münch. Stud. z. Sprachwiss. 3, 36) immer als sehr hypothetisch betrachtet werden. — Anl. ἀ-, das auch in neuphryg. αναρ erscheint, stellt entweder eine Prothese dar oder beruht auf altem Ablaut. Es fehlt in δρώψ· ἄνθρωπος H., falls, wie wahrscheinlich, aus *νρ-ώψ. — Vgl. νωρει̃. I-107-108

ἄνθεμον s. ἄνθος. I-108

ἀνθερεών, ἀνθέριξ s. ἀθήρ. I-108

ἀνθίας, -ου m. Fischname, ‘Labrus anthias’ (Anan., Kom., Arist.). — Wegen der Farbe so genannt, zu ἄνθος, s. Strömberg Fischnamen 26. I-108

ἄνθος n. ‘Blume’, oft übertragen (seit Il.). Sehr zahlreiche Ableitungen. 1. Substantiva. Deminutiv ἀνθύλλιον (M. Ant., Dsk. usw., zur Bildung Leumann Glotta 32, 214ff.), auch Pflanzenname wie ἀνθυλλίς (Dsk., Plin.) und ἄνθυλλον (Ps.-Dsk., Plin.); ἀνθήλιον v. l. für ἀνθύλλιον (Dsk. 3, 156; 4, 121), auch = κανθήλιον (Charax); ἀνθάλιον Pflanzenname, vgl. Chantraine Formation 74; ἀνθάριον· ἐρύθημα H. (deminutiv-hypokoristisch). — ἀνθήλη ‘die Federkrone der Blumen’ usw. (Thphr., Dsk.), auch auf ἀνθέω zu beziehen; davon ἀνθηλᾶς m. etwa ‘Blumenhändler’, vgl. Olsson Aegyptus 6, 247ff. — ἀνθεών m. ‘Blumenflur, Garten’ (Amasia), ἀνθών (Gloss.). — ἀνθηδών f. ‘Biene’ (vgl. ἀνθρηδών und Chantraine 361), auch Pflanzenname. — ἀνθοσύνη ‘Blüte’ (AP). — ἀνθίας s. bes. — ’Ανθεστήρια n. pl. ‘Blumenfest, Frühlingsfeier’ (ion. att., vgl. Chantraine 63, Schwyzer 470 : 7) mit dem Monatsnamen ’Ανθεστηριών. — Eine unabhängige Parallelbildung ist ἄνθεμον n. ‘Blume, Rosette, Palmette’ (poet. seit Sappho); kaum mit Leumann Hom. Wörter 249ff. aus dem in der Ilias für den Versschluß geschaffenen ἀνθεμόεις (-όεντα, -όεντι; Vorbild ἠνεμόεντα, -όεσσαν) und πολυ-άνθεμος (Sapph.) rückgebildet; dazu sind die Ableitungen zu zahlreich. Davon ἀνθεμώδης ‘blumenreich’ (poet. seit Sapph.), ἀνθεμωτός ‘ds.’ (Attika), ἀνθεμίς Pflanzenname, auch ‘Blümchen’ (Nik., J. u. a.), ἀνθεμίσιον Pflanzenname (Alex. Trall.), ἀνθέμιον ‘Blüte, bes. als Verzierung gebraucht’ (X., Thphr. u. a.); auch die hom. PN ’Ανθεμίων und ’Ανθεμίδης (Leumann a. a. O.), ferner der ON ’Ανθεμοῦς (Makedonien). Aus ἄνθεμον ferner die poetischen Verba ἀνθεμίζομαι und ἐπανθεμίζω (A., bzw. S. in lyr.). — 2. Adjektiva. ἄνθινος ‘aus Blumen bestehend, stammend, blumig, bunt’ (ι 84, Hp., Arist. usw.); ἀνθηρός ‘blumenreich’, vorw. übertr. ‘frisch, glänzend, üppig’ (S., E., Ar., Isok., X. usw.), viell. eher von ἀνθέω (Chantraine Formation 232, Schwyzer 482 : 7); davon ἀνθηρότης (Sch.). Die übrigen Adjektiva sind vereinzelt und spät: ἀνθήεις ‘hellfarbig’, ἀνθήμων ‘blumenreich’ (vgl. auch ἀνθέω), ἀνθικός ‘mit Blumen versehen’, ἄνθιμος ‘aus Blumen stammend’; vgl. Arbenz Adj. auf -ιμος 102. — 3. Verba. ἀνθέω ‘blühen’ mit verschiedenen Präverbien, sehr oft übertragen (λ 320 ἀνθῆσαι, ion. att.); davon ἄνθησις ‘Blüte’ (Thphr., Plu.), ἐξ-ανθέω mit ἐξάνθησις (Hp., Th. u. a.) und ἐξάνθημα (Hp., Arist. usw.), ἄνθημα (Sch.); — retrograde Ableitung ἄνθη ‘das Blühen, Blüte’ (Pl., Nik., Ael.); verbales Adj. ἀνθητικός = ἀνθικός (Thphr.). — ἀνθίζω ‘mit Blumen bedecken, bunt machen, färben’ mit verschiedenen Präverbien (Hdt., S., E., Arist. usw.); davon ἀνθισμός ‘Glanz’ (PHolm.). — ἄνθος ist mit aind. ándhas- n. ‘Kraut’ formal identisch; die übrigen bei Pok. 40f. angeführten Gleichungen sind unbeweisbar (alb. ënde ‘Blüte’, s. G. Meyer Alb. Wb. 5) oder verfehlt (arm. and ‘Feld’, toch. A ānt, B ānte ‘Fläche’, s. Lidén Mél. Pedersen 89ff.). In Betracht kommt dagegen altfries. åndul ‘Marschgras’ usw. (Schwentner KZ 69, 244 nach Holthausen); weit unsicherer ahd. usw. andorn (Loewe, s. Schwentner KZ 71, 32). Zusammenhang mit ἀνήνοθεν (so auch Schwyzer 339) ist nicht zu beweisen; vgl. zu diesem Wort s. ἐνθεῖν. I-108-109

ἄνθραξ, -ᾰκος gew. pl. ἄνθρακες m., ‘Glutkohle’, übertr. ‘Karfunkel, Karbunkel’ (ion. att.). Mehrere Ableitungen: Demin. ἀνθράκιον (Thphr., Inschr. usw.); ἀνθρακιά ‘Glutkohlenhaufen’ (I 213 usw.), vgl., außer Chantraine Formation 82 und Schwyzer 469: 5, Scheller Oxytonierung 66f.; ἀνθρακίας "Kohlenmensch" (Luk., vgl. Chantraine 93); ἀνθρακίτης m. N. eines Edelsteins (Plin.), -ῖτις f. ‘Art Kohle’ (Plin.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 45, 50 und 52; ἀνθρακών m. ‘Kohlenhaufen’ (Hdn.), ἀνθράκωμα ‘ds.’ (Dsk.); zur nominalen Ableitung Chantraine 187; ἀνθρακάριος· carbonarius (Gloss.). — Adjektiva: ἀνθρακώδης ‘kohlenähnlich’ (Hp., Arist. u. a.), ἀνθρακηρός ‘zu Kohlen gehörig’ (Alex., Delos), ἀνθράκινος ‘aus Karfunkel, karfunkel-farbig’ (LXX, Pap.). — Denominative Verba: 1. ἀνθρακόομαι ‘zu Kohlen verbrannt werden’ (A., E., Thphr.), auch ‘ein Geschwür bilden’ (Aët.); davon ἀνθράκωσις ‘Verkohlung’ (Dsk.), auch ‘Geschwür, Karbunkel’ (Paul. Aeg., Gal.). — 2. ἀνθρακεύω ‘Kohlen verbrennen, verkohlen’ (Ar., Thphr. u. a.); davon postverbal (evtl. von ἄνθραξ) ἀνθρακεύς ‘Kühler, Kohlenbrenner’ (App., Aesop., Them.); φιλανθρακεύς schon Ar., vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 50; ferner ἀνθρακευτής ‘ds.’ (And., Ael.), ἀνθρακεία ‘das Kohlenbrennen’ (Thphr.). — 3. ἀνθρακίζω ‘auf Kohlen rösten oder dörren’ (Ar., Pap.); davon als retrograde Bildung ἀνθρακίδες ‘kleine Fische zum Rösten’ (Philyll.); vgl. ἐπανθρακίδες ‘ds.’ (Ar.) von ἐπανθρακίζω. — Unklar. Vgl. indessen arm. ant‘-el ‘Glutkohle’, wozu noch georg. *nt‘ in v-a-nt‘-ab ‘ich entzünde’ (Vogt NTS 9,333); bildungsmäßig weichen allerdings die Wörter stark voneinander ab. — Verfehlt Winter Prothet. Vokal 45. I-109-110

ἀνθρηδών, -όνος f. ‘Hornis’ (D. S., H.); ἀνθρήνη f. ‘Waldbiene, Wespe’ (Ar., Arist.), woraus ἀνθρήνιον n. ‘Wespennest’ (Ar. u. a.) mit ἀνθρηνιώδης ‘wie ein Wespennest gebaut, röhrig’ (Plu.). — Neben ἀνθρηδών, ἀνθρήνη stehen τενθρηδών f. (Arist., Dsk.), τενθρήνη (Nik.) mit τενθρήνιον (Arist.) und τενθρηνιώδης (Hp., Demokr., Plu.; in der Überlieferung stark entstellt, teilweise zweifelhaft). — Zu beachten ferner πεμφρηδών f. ‘Art Wespe’ (Nik.) und ἀνθηδών f. ‘Biene’ (Damokr. ap. Gal. u. a.), nach ἄνθος umgebildet. Auch die übrigen Wörter haben einander formal beeinflußt und entziehen sich deswegen einer genauen Analyse. — Für ἀνθρήνη und ἀνθρηδών kommt Verwandtschaft mit ἀθήρ, ἀνθέριξ usw. in Betracht (näheres bei WP. 1, 45; Pok. 41); τενθρήνη und τενθρηδών können aus τερθρ- dissimiliert sein und eine Reduplikationssilbe enthalten (vgl. θρῶναξ· κηφήν. Λάκωνες H.) und gehören dann zu θρέομαι, θόρυβος usw.; vgl. dazu (mit teilweise irrigen Schlüssen) Winter Prothet. Vokal 45. — Anders, wenig überzeugend, Ehrlich Betonung 143: eig. "mit Stachel versehen", von τέρθρον ‘Ende (einer Segelstange)’; er vergleicht besonders τεθρηδών· πρωρεύς H., das aber eine scherzhafte Bildung der Seemannssprache nach den Tiernamen auf -ηδών (Chantraine Formation 360f., Schwyzer 529) sein dürfte. I-110

ἄνθρυσκον, auch ἔνθρυσκον n. ‘Kerbel’ (Sapph., Kom., Thphr.). Bei Pollux 6, 106 ἀνθρίσκος m., wovon ἀνθρίσκιον· λάχανον ἔχον ἄνθος, ὡς ἄνηθον. ἢ τὸ ἄννησον H. — Unerklärt. Vielleicht zu ἀθήρ, ἀνθέριξ wegen der stacheligen Früchte. I-110

ἄνθρωπος m. ‘Mensch’, auch ‘Mann’ (seit Il.); vereinzelt f. (meistens verächtlich) ‘Weib’. Lit. s. ἀνήρ. Mehrere Deminutiva, gewöhnlich mit verächtlichem Nebensinn: ἀνθρώπιον (E., Kom., D., X.), ἀνθρωπίσκος (E., Ar., Pl. u. a.), ἀνθρωπάριον (Kom., Demad., Arr.). — Weitere Ableitungen: ἀνθρωπώ· ἡ γυνὴ παρὰ Λάκωσιν H. (zweifelhaft); ἀνθρωπέη, -πῆ f. ‘menschliche Haut’ (Hdt., Poll., vgl. Chantraine Formation 91); ἀνθρωπότης f. ‘Menschlichkeit’ (Ph., S. E. usw.). — Adjektiva: ἀνθρώπειος, ion. usw. -ήϊος (Chantraine 52, Schwyzer 468 : 3) ‘menschlich’ (meist in höherem Stil), ἀνθρώπινος ‘ds.’ (ion. att., vorw Kom. und Prosa), ἀνθρωπικός ‘ds.’ (Pl., Arist. usw.). — Denominative Verba: 1. ἀνθρωπίζομαι ‘sich wie ein Mensch benehmen’ (Ar., Luk.); davon (falls nicht direkt von ἄνθρωπος, vgl. Chantraine 142f.) ἀνθρωπισμός ‘Menschheit’ (Aristipp.); — 2. ἀνθρωπεύομαι ‘sich wie ein Mensch benehmen’ (Arist. u. a.); — 3. ἀνθρωπόομαι ‘Mensch sein’ (Plu.). — Trotz wiederholter Anstrengungen nicht aufgeklärt (s. die Zusammenfassung bei Seiler Glotta 32, 225ff.): 1. Aus *ἀνδρ-ωπ-ος ‘mit Mannesgesicht begabt’ (Hartung, Pott, s. Curtius 307). Dabei bleibt θ für δ unerklärt; unwahrscheinlich Devoto IF 60, 63ff. (illyrisches Wort; θ für δ übertriebene Reaktion gegen die nördliche Abstammung); unwahrscheinlich ebenso Kretschmer Glotta 28, 245f. (*ἀνδρ-ὡπος mit Spir. asper nach ὁράω). 2. Aus *ἀνδρ-ὡπος ‘mit männlichem Aussehen’; das Hinterglied zu got. saiƕan ‘sehen’ usw. (Brugmann IF 12, 25ff.). 3. *ἀνθρ(ο)-ωπος ‘mit bärtigem Gesicht’ (vgl. rum. bărbat ‘Mann’); das Vorderglied zu ἀνθερεών, ἀνθέριξ, s. ἀθήρ (Güntert Sb. Heidelberg 1915 : 10). 4. Verbalnomen zu ἀνατρέπω ‘der Aufrechte’ (G. Meyer Gr.3 210). 5. Verbalnomen zu ἀνατρέφω ‘der Zögling, der Genährte, der Körperliche’ (Brugmann Festgabe Kaegi 29ff., Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 4, 361ff., Acme 1 : 3, 272). Noch anders Holthausen KZ 47, 312 (zu ἀνθηρός); Fick BB 18, 136 (zu ahd. muntar); Ribezzo RIGI 16, 72ff. (*ἄνθρω + πός "die unten Lokalisierten", zu aind. ádhara- usw. mit ἀν- aus n- [?]). — S. noch Pisani Studitfilcl. 12, 300, Petersen AmJPh. 56, 64ff., Prellwitz Glotta 15, 128ff., 16, 151f., Krogmann Glotta 23, 220ff., Kretschmer Glotta 19, 220, Chantraine Mélanges Cumont 121ff., Grošelj Živa Ant. 4, 168, Schwyzer 426 A. 4. — An ἄνθρωπος erinnert entfernt heth. antuḫšaš ‘Mensch’ (Kretschmer Glotta 9, 231f.); Versuch, die beiden Wörter zusammenzubringen, von W. Petersen AmJPh 56, 59f. I-110-111

ἀνί̄̆α, -ί̄η f. ‘Plage’ (ion. att. seit Od., äol. ὀνία). Ableitungen: ἀνιαρός, -ηρός (ion. att. seit Od.) ‘lästig’, auch (selten) ‘betrübt’; ἄνια n. pl. ‘ds.’ (A. Pers. in lyr.), retrograde Bildung nach Muster von φιλία : φίλιος. — Denominative Verba: ἀνιάω ‘beleidigen, belästigen’ (ion. att. seit Od.); daneben ἀνιάζω (ep. seit Il.; zur Bildung Schwyzer 734 θ). — Nicht sicher gedeutet. Am meisten empfiehlt sich Leo Meyers und Wackernagels (Glotta 14, 54f.) Vergleich mit aind. ámīvā f. ‘Plage’, der indessen eine Dissimilation der Labiale m- zu n- voraussetzt. Weniger glaubhaft zu lat. onus usw., s. WP. 1, 132f. m. Lit., Pok. 321f. I-111-112

ἀνιγρός ‘lästig’ (Nik., Kall., Opp. u. a.); ἀνιγρόν· ἀκάθαρτον, φαῦλον, κακόν, δυσῶδες, ἀσεβές H. — Unerklärt. Zusammenhang mit νίζω (J. Baunack RhM 37, 474, v. Blumenthal Hesychst. 34; zum Lautlichen vgl. Schwyzer 299 : 6) wenig glaubhaft. Noch unwahrscheinlicher Ehrlich Sprachgesch. 61f. (zu lat. niger; vgl. zu diesem s. νεβρός). I-112

ἀννίς daneben ἀνώ im Akk. ἀνών IG 9 : 2, 877 (Larisa). · μητρὸς ἢ πατρὸς μήτηρ H., IG 7, 3380 (Böotien); — Ehestens elementarverwandt mit heth. annaš ‘Mutter’, vgl. auch ḫannaš ‘Großmutter’, lyk. χñna ‘Mutter’ (Pedersen Lykisch und Hittitisch 26 m. A.); ferner mit arm. han ‘Großmutter’, lat. anna ‘Pflegemutter’, ahd. ana ‘(Ur)großmutter, Ahne’ u. a. Näheres m. Lit. Pok. 36f. I-112

ἀνοκωχή, ἀνακωχή (s. unten) f. ‘das Anhalten, die Hemmung’, bes. ‘Waffenstillstand’ (Th. u. a.). Denominative Verba: ἀνοκωχεύω, ἀνακ- ‘anhalten’ (tr. u. intr.), ‘zurückhalten, hemmen’ (Hdt., S., Arist. usw.); daneben ἀνακωχέω (Hp.), wovon ἀνακώχησις = σύμπτωσις, ἀνοχή usw. (Bacch. usw. ap. Erotianos s. v.). — Reduplizierte Bildung von ἀνέχω wie δι-οκωχή von διέχω; s. ἔχω. Die weit verbreitete Form ἀνακωχή, -εύω, -έω, nach ἀνα- in antekonsonantischer Stellung, war durch die Verdunkelung der Bildungsweise bedingt; vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 12f. I-112

ἀνόπαια (α 320) Bed. unbekannt. ’Ανόπαια f. (Hdt. 7, 216) der Teil des Oeta, der durch den Verrat des Ephialtes bekannt geworden ist, und der steile Pfad, der über ihn führte. Daneben ἀνόπαιον (Emp. 51) mit unklarer Bedeutung, vgl. Diels ad loc. — Schon im Altertum ein dunkles Wort ist ἀνόπαια früh verschiedentlich erklärt worden. Bechtel Lex. sieht darin nach dem Vorgang Wörners Gurt. Stud. 6, 349ff. eine Hypostasierung des Ausdrucks ἀνὰ τῇ ὀπῇ ‘oben an der Dachluke’ und deutet es als ‘Obergeschoß’. I-112

ἄντα, ἄντην Adv. ‘gegenüber, ins Gesicht’ (ep., zum Gebrauch Bolling Lang. 27, 223ff.). Ableitungen: ἀντά̄εις ‘feindlich’ (Pi., dor.). Denominatives Verb ἀντάω ‘entgegenkommen, -gehen’ (ep. poet.) mit ἀντήσεις· ἱκεσίαι, λιτανεῖαι, ἱκετεῖαι H. (dem Sinne nach zu ἄντομαι, s. unten). Daneben ἀπ-αντάω (att., ion. usw.) mit ἀπάντησις ‘Begegnung’ (S., Arist. usw.) und ἀπάντημα ‘ds.’ (E., LXX). — Scheinbar primär, aber in Wirklichkeit von dem Wurzelnomen *ἀντ- (s. unten und Schwyzer 722 : 8) abgeleitet ist ἄντομαι ‘begegnen, angehen, flehen’ (ep. poet.). ἄντα ist als Akkusativ eines alten Wurzelnomens anzusehen, von dem der Lokativ in ἀντί (s. d.) vorliegt; ἄντην wie δήν, πλήν usw. Ursprüngliche Kasusfunktion noch in ἔν-αντα (= ἐν ἄντα) usw., s. Schulze Kl. Schr. 669, Wackernagel Syntax 2, 225. Vgl. got. and(a)- ‘entgegen’, lit. añt, alit. u. dial. antà ‘nach — hin, auf, über’. I-112-113

ἄνται · ἄνεμοι. ἀντάς· πνοάς H. — Wahrscheinlich mit Scaliger in ἀῆται, ἀήτας zu ändern. Sturtevant (s. Lang. 19, 308) verteidigt die Lesung der Hs. und betrachtet ἄνται als eine Ableitung von *an- ‘atmen’, s. ἄνεμος. I-113

ἀντακαῖος m. ‘Art Stör’ (Hdt., Lynk., Ael.), auch adjektivisch (appositiv) gebraucht (Antiph.). — Etymologie unbekannt, wahrscheinlich zurechtgelegtes Fremdwort, vgl. Hdt. 4, 53: κήτεά τε μεγάλα ἀνάκανθα, τὰ ἀντακαίους καλέουσι (scil. οἱ Βορυσθενεῗται). I-113

ἀντάτας ‘Bürge’ (Kreta). — Eig. "der, welcher an Stelle eines anderen Schaden (ἄτη) leidet", als Bahuvrihikompositum. E. Kretschmer Glotta 18, 91 (nach Blaß und Fraenkel). I-113

ἀντηρίς, -ίδος f. ‘Strebepfeiler, Stütze’ (E., X., hell.). Deminutivum ἀντηρίδιον (hell.). — Durch Rückbildung aus ἀντερείδω ‘dagegen stützen, sich entgegenstemmen’ mit Vokaldehnung in der Kompositionsfuge abgeleitet; vgl. Fraenkel Glotta 4, 34, der indessen irrtümlich in -ηρίδ- die Schwundstufe von ἐρείδω (vgl. Hom. ἐρηρίδαται, -το; Hss. falsch -ρεδ-) sucht unter Hinweis auf καλαΐς zu καλὰ ἀείδειν, wo aber eine derartige Schwundstufe fehlt. Somit ist -ιδ- vielmehr als Suffix abzutrennen mit Verstümmelung des Verbalstamms bzw. Haplologie ähnlich wie z. B. in ἐγκλίς zu ἐγκλίνω, ἐμπίς zu ἐμπίνω oder, noch härter, ἐγκρίς ‘Kuchen aus Öl und Honig’ zu ἐγκεράννυμι, s. Strömberg Wortstudien 14f. (wo indessen ἐγκρίς mit Unrecht zu ἐγκρίνω gezogen wird). Zu ἀντηρίς hat man dann eine Bildung auf -ιος gewagt: ἀντήριος· στήμων, καὶ κανὼν ὁ προσκείμενος τῇ θύρᾳ H., nach Muster von παγίς : πάγιος, βωμίς : βώμιος usw. I-113

ἄντηστις nur in κατἄντηστιν θεμένη περικαλλέα δίφρον (υ 387) ‘gegenüber’. — Zusammenbildung zu ἄντην ἵστασθαι, wobei die "Stammform" ἄντη- als Vorderglied eingetreten ist. Als Hinterglied fungiert die antevokalische Schwundstufe -στ- mit suffixalem -ι-, vgl. ἔξαστις aus *ἔξ-αν-στ-ις. Schwyzer IF 30, 434ff. (wo indessen einer etwas abweichenden Analyse der Vorzug gegeben wird), Bechtel Lex. s. v. I-113

ἀντί Präposition und Präverb, außerdem als Adverb in Bahuvrihikomposita ‘angesichts, gegenüber, anstatt’. Zusammensetzungen : ἔναντι, ἀπέναντι, κατέναντι (dor. hell., Wackernagel Hell. 3ff.) mit ἐναντίος ‘gegenüberstehend’ (ion. att., vgl. auch ἔναντα und Strömberg Greek Prefix Studies 118). Ableitung ἀντίος ‘gegenüberstehend, entgegengesetzt’ (alt u. häufig; att. Prosa jedoch lieber ἐναντίος, s. unten). Davon ἀντιάδες f. pl. ‘Tonsillen’ (Mediz.). Denominativ ἀντιόομαι ‘sich entgegenstellen’ (ion. poet., att. Prosa dafür ἐναντιόομαι). Vom Ntr. pl. ἀντία ‘gegenüber’ (Adv.) ἀντιάω (mit ep. Zerdehnung ἀντιόω), nachhom. ἀντιάζω (zur Bildung Schwyzer 734θ, Chantraine Gramm. hom. 1, 357) ‘entgegenkommen, an etw. teilnehmen, angehen’ (ep. ion. poet.). Zusammensetzungen : ἔναντι, ἀπέναντι, κατέναντι (dor. hell., Wackernagel Hell. 3ff.) mit ἐναντίος ‘gegenüberstehend’ (ion. att., vgl. auch ἔναντα und Strömberg Greek Prefix Studies 118). — Zusammensetzungen : ἔναντι, ἀπέναντι, κατέναντι (dor. hell., Wackernagel Hell. 3ff.) mit ἐναντίος ‘gegenüberstehend’ (ion. att., vgl. auch ἔναντα und Strömberg Greek Prefix Studies 118). ἀντί, mit aind. ánti ‘gegenüber’, lat. ante ‘vor’, heth. ḫanti ‘getrennt, gesondert’ identisch, ist eigentlich Lokativ eines Substantivs, das in heth. ḫanza (= ḫant-s) ‘Vorderseite, Front’ bewahrt ist. Eine andere Kasusform ist ἄντα, s. d. Einzelheiten bei WP. 1, 65ff., Pok. 48ff. mit weiterer Lit. S. auch ’Αταλάντη mit hypothetischen Kombinationen. I-113-114

ἀντιάνειρα f. Beiwort der Amazonen (Il.), als Nachbildung davon Beiwort der Athena (Koluth.), außerdem nur Pi. Ol. 12, 16 στάσις ἀντιάνειρα. — Bildung wie κυδι-άνειρα, βωτι-άνειρα, Hypostase von ἀντί und ἀνήρ, eig. ‘männergleich’ (vgl. ἀντίθεος ‘götterähnlich’) aber auch als ‘Männern entgegentretend, männerfeindlich’ aufgefaßt (vgl. ἀντίθεος spät auch ‘gottfeindlich’), außerdem als Bahuvrihi: στάσις ἀντιάνειρα ‘Kampf in dem Männer gegeneinander auftreten’. Snell Gnomon 10, 417, Sommer Nominalkomp. 171 mit Lit. I-114

ἀντικρύ (ep.), ἄντικρυς und καταντικρύ (att., hell. u. spät) ‘gerade gegenüber, geradeaus’. — Zu ἀντί, aber sonst unklar. Nach Kretschmer Glotta 4, 356 zu ἀντικρούω ‘entgegenstoßen’; dagegen erwägt Chantraine Gramm. hom. 2, 148 Zusammenhang mit κάρη. Zur Bildung vgl. Schwyzer 620a I. I-114

ἄντλος m. ‘Schiffsbodenwasser, Kielwasser’ (ep. poet.). Ableitungen: ἀντλία ‘Kielraum, Kielwasser’ (Ar. u. a.), auch ‘Behälter’ (Pap.), ἀντλίον ‘ds.’ (Ar.). Denominatives Verb: ἀντλέω ‘(das Schiffsbodenwasser) schöpfen, pumpen, ausschöpfen, erschöpfen’ (vorw. ion. poet.) mit mehreren späten Verbalnomina: ἄντλησις ‘das Ausschöpfen’, ἀντλησμός ‘ds.’, ἄντλημα ‘Schöpfeimer’. — ἀντλητήρ ‘Ausschöpfer, Schöpfkelle’ mit dem Fem. ἀντλήτρια (Schol.) und dem Adj. ἀντλητήριος; ἀντλητής m. ‘ds.’. — ἀντλητικός ‘zur Bewässerung dienend’ (Pap.). ἄντλος steht wahrscheinlich psilotisch (als ionisches Wort, Chantraine Étrennes Benveniste 23) für *ἅντλος mit Hauchdissimilation und Assimilation des μ für *ἅμ-θλο-ς (Solmsen Wortforsch. 189; vgl. Chantraine Formation 375); vgl. lat. sentina ‘Schiffsbodenwasser’ und lit. semiù ‘schöpfen’; weiteres s. 2. ἀμάομαι. I-114

ἄντομαι s. ἄντα. I-115

ἀντόμους ἄντομος ‘Palisade, Zaun’ (Tab. Heracl.). · σκόλοπας. Σικελοί H., — Für ἀνάτομος, zu ἀνατέμνω. Sehr zweifelhafte Anknüpfung an lat. antemna ‘Rahe’ (s. zu diesem Worte W.-Hofmann) bei v. Blumenthal Hesychst. 16. I-115

ἄντρον n. ‘Höhle, Grotte’ (Od., poet.). Ableitungen: ἀντρώδης ‘höhlenreich’ (X., Arist. usw.), ἀντραῖος ‘in Höhlen hausend’ (E.), ἀντριάδες f. pl. ‘Grottennymphen’ (AP, Phryn.), vgl. κρην-ιάδες, ὀρεστιάδες; ἀντρηΐς f. ‘in Höhlen hausend’ (Antip. Sid.), zur Bildung Chantraine Formation 345f., Schwyzer 464 : 3. — ἄντρον, woraus als LW lat. antrum, ist wahrscheinlich mit arm. ayr ‘Höhle’ identisch, Pisani KZ 68, 161f. Die umstrittene Herleitung aus idg. an- ‘atmen’ (s. ἄνεμος) wird aufs neue von Schwyzer verteidigt (Mél. Bq 2, 234 A. 1, KZ 68, 222, Gramm. 532 : 3: = "wo es dunstet"). I-115

ἄντυξ, -γος f. ‘Schildrand, Wagenkranz’, ‘Rundung’ überhaupt (Il., poet.); zur Bedeutung s. Delebecque Cheval 177f. — Bildung wie ἄμπυξ (s. d.), aus ἀνά und einem Wz. nomen -τυξ zu τεύχω, τετυκεῖν. Vgl. zur Bildung auch καταῖτυξ ‘Sturmhut, Sturmdeckel’ (K 258). I-115

ἄνυμι, themat. ἀνύω, ἁνύω; *ἄνϝω > ἄ̄νω; mit Dentalerweiterung ἀνύτω, att. ἁνύτω (Schwyzer 704 : 1), Aor. ἤνυσα (sekundär, s. unten) ‘zustande bringen, vollenden’ (alt u. häufig). Ableitungen: ἄνυσις ‘Vollendung, Erfolg’ (ep. poet., sp. Prosa), wovon ἀνύσιμος ‘erfolgreich, fördernd’ (X., Pl. usw., vgl. Arbenz Die Adjektive auf -ιμος 35 u. 37); ἄνυσμα ‘ds.’ (Schol.). — ἀν-ήνυ(σ)τος ‘unausführbar, endlos’ (seit Od.); danach das positive ἀνυστός (ἁν-) ‘tunlich’ (E., X. usw.), ἀνυ(σ)τικός ‘wirksam’ (X., Arist. usw.). — ἀνυτής = lat. exactor (Just.). — Das Präsens ἄνυμι ist mit aind. sanóti ‘gewinnen’ im Grunde identisch, s. Schwyzer 696β. Mit diesem Verb ist auch heth. šanḫ-zi ‘er sucht, er strebt’ verglichen worden, s. z. B. Pedersen Hittitisch 185. — Vgl. αὐθέντης. I-115

ἄνωγα ‘befehlen’ (ep. ion. poet.), Perf. mit Präsensbed.sekundäres Präsens ἀνώγω (vgl. Schwyzer 767d : α). Ableitung ἀνωγή ‘Befehl’ (A. R., Argos). — Aus ἄν-ωγα ‘laut aussagen’, mit ἦ ‘er sprach’ (aus *ēĝ-t) ablautend; eine dritte Ablautform im Lateinischen und Armenischen: lat. aio (aus *ăĝ-i̯ō), adagio ‘proverbium’; arm. aṙ-ac ‘proverbium’, Präs. asem ‘sagen’ (mit sekundärem s aus idg. ). Vgl. ἠμί. Einzelheiten bei WP. 1, 114, Pok. 290f., W.-Hofmann s. aio. I-115

ἀξί̄νη f. ‘Axt, Beil’ (seit Il.). Deminutiva: ἀξινάριον, ἀξινίδιον (J.). — Alter Waffenname, mit lat. ascia ‘Axt’ und germanischen Wörtern für ‘Axt’, got. aqizi usw. verwandt, aber im einzelnen unklar, wahrscheinlich Wanderwort. Morphologischer Deutungsversuch bei Specht Ursprung 150, 239, 326f. Weiteres bei W.-Hofmann s. ascia, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. aqizi, WP. 1, 39, Pok. 9; s. auch Vasmer Zeitschr. f. slav. Phil. 15, 119f. I-115-116

ἄξιος ‘würdig, wert’ (alt u. häufig). Abstraktbildung ἀξία (aus ἀξι-ία Frisk Eranos 43, 220) ‘Wert, Lohn’ (ion. att.). Denominatives Verb ἀξιόω, -όομαι ‘für würdig, wert erachten, verlangen’ (ion. att.). Davon die Verbalnomina 1. ἀξίωμα ‘Wertachtung, Würde, Verlangung’ (att. hell. u. spät) mit dem Demin. ἀξιωμάτιον (Arr.) und dem Adj. ἀξιωματικός ‘würdevoll’ (hell. usw.); 2. ἀξίωσις ‘Wertachtung, Anspruch, Ansicht’ (Hdt., Th., E. usw., vgl. Holt Les noms d’action en -σις, s. Index). — Allgemein zu ἄγω im Sinn von ‘wiegen’ (vgl. lat. agīna ‘die Schere an der Waage’ und W.-Hofmann s. v.) gezogen, zunächst zu einer nominalen τ-Erweiterung, viell. *ἄξις ‘Gewicht’; somit eig. ‘wichtig’. I-116

ἄξων, -ονος m. ‘Radachse, Achse’ (seit Il.). Ableitungen: Deminutiva ἀξόνιον, ἀξονίσκος (hell.); Adj. ἀξόνιος ‘zur Achse gehörig’ (AP). — Alter Begriff und altes Wort; vgl., mit abweichender Stammbildung, aind. ákṣ-a- m. ‘Achse’; lat. ax-is = lit. aš-ìs = aksl. os-ь ‘ds.’; ahd. ahsa f. ‘Achse’; l-Erweiterungen z. B. in awno. ǫxull m., kymr. echel f. ‘Achse’, lat. āla (aus *aks-lā) ‘Achsel, Flügel’. Alle diese Wörter setzen einen s-Stamm voraus, der vom Verb aĝ- ‘treiben, in Bewegung setzen’ (s. ἄγω) ausgeht; vgl. die Ausführungen bei Benveniste Origines (s. Index). — Vgl. ἅμαξα; außerdem WP. 1, 37, Pok. 6, W.-Hofmann s. āla mit weiterer Lit. I-116

ἄοζος ἄοζοι· ὑπηρέται, θεράποντες, ἀκόλουθοι H. m. ‘Diener (eines Gottes)’ (A. Ag. 231 [lyr.], Kall. Fr. 353 [= Del. 249?], IG 9 : 1, 976 [Korkyra, metr.]). Ableitungen: ἀοζία ‘Bedienung (eines Gottes)’ (Epigr.); denominatives Verb ἀοζέω ‘dienen’ (A. Fr. 54, H.). — Im selben Sinn ὄζος im ep. Ausdruck ὄζος Ἄρηος, falls = θεράπων Ἄ., vgl. ὀζεία (cod. ὀζειέαθεραπεία H. — ὄζος ‘Begleiter’, mit ὄζος ‘Ast’ homonym, kann wie dieses aus idg. *o-zd-o-, d. h. Präfix o- und Schwundstufe von sed- ‘sitzen’, auch ‘Platz nehmen’ (vgl. ὁδός), entstanden sein, also eig. ‘comes, Begleiter’. ἄ-οζος kann ein verdeutlichendes α copulativum enthalten, vielleicht unter Einfluß von ἀοσσέω (s. d.), ἄοσσος. Brugmann IF 19, 379 gegen Schulze Q. 498, wo (mit Bernhardt und Pott, vgl. Curtius 241), formal etwas abweichend, aber an sich auch möglich ἄοζος aus *ἀ-σοδ-ι̯ο-ς erklärt wird. Vgl. auch Fraenkel Nom. ag. 1, 189. I-116

ἀολλής, -ες ‘zusammengedrängt, in geschlossenen Massen’ (ep. poet.). Ableitungen: ἀολλίζω ‘zusammendrängen, versammeln’ (ep. poet.) und ἀολλεῖ· συνάγει H., woraus ἀόλλησις (EM). Adverb ἀολλήδην ‘zusammen’ (Mosch., Opp. u. a.). — ἀολλής wahrscheinlich aus *ἀ-ϝολνής, äol. für *ἀ-ϝαλνής; weiteres s. ἁ̄λής. I-117

ἄορ, -ορος ἄορας Akk. pl. ρ 222 (wahrscheinlich für ἄορα aus Hiatusscheu eingeführt, s. Sommer Nominalkomp. 137 m. Lit., Leumann Hom. Wörter 283 A. 37) n., ‘Schwert’ (poet. seit Il.) zum Gebrauch s. Trümpy Fachausdrücke 60ff.; in späterer Poesie (Kall., Opp.) auch auf andere Waffen bezogen. Keine Ableitungen. Kompositum χρυσάορος, χρυσάορ -α, -ι ep. poet. — Beiwort verschiedener Götter und Göttinnen, auch des Orpheus, ‘mit goldenem Schwert’, nach anderen ‘mit goldenem Tragband, Gehänge’ (vgl. unten), auch EN Χρυσάωρ (Hes. u. a.). ἄορ wird gewöhnlich als Wurzelnomen von ἀείρω mit der ursprünglichen Bedeutung von ‘Gehänge’ gedeutet (Prellwitz, Solmsen Unt. 292), was für χρυσάορος an einigen Stellen unzweifelhaft gut paßt. Der o-Vokalismus ist entweder ursprünglich oder äolische Schwundstufe; letzteres ist mit Rücksicht auf das neutrale Genus vorzuziehen. Vgl. 2. ἀείρω. I-117

ἄορον · μοχλόν, πυλῶνα, θυρωρόν. Κύπριοι H. — Aus *sm̥-u̯oros ‘verschließend’ (s. εἷς); vgl. zunächst aksl. za-vorъμοχλός’, russ. za-vórъ ‘mit Stangen gesperrter Durchgang’ (Solmsen Unt. 297), Verbalnomen zu aksl. za-vrěti ‘schließen’; weiterhin lit. su-vérti ‘schließen’, aind. api-vr̥ṇoti ‘verschließen’, lat. operio ‘ds.’ usw.; s. Schulze Kl. Schr. 672, Bechtel Dial. 1, 445, WP. 1, 280ff. I-117

ἀορτή, ἀορτήρ s. 2. ἀείρω. I-117

ἀοσσέω, nur im Aor. ἀοσσῆσαι belegt (Mosch. 4, 110), ‘helfen, beistehen’. Ableitung ἀοσσητήρ m. ‘Helfer, Beschützer’ (Hom., A. R. u. a.; vgl. Benveniste Noms d’agent 36); vgl. ὀσσητῆρα· βοηθόν und ἐοσσητήρ· ἐπίκουρος, τιμωρός, ἀντὶ τοῦ ἀοσσητήρ H.; dazu Fraenkel KZ 42, 128f. — ἀοσσέω kann entweder ein iteratives Deverbativum oder ein Denominativum sein, in letzterem Falle von *ἄοσσος, das schon von Curtius 460f. mit ἕπομαι, lat. sequor zusammengestellt wurde und somit als *ἄ-οσσος auf idg. *sm̥-soq-i̯os (vgl. lat. socius) zurückzuführen ist. S. ἕπομαι und ὀπάων. Weitere Lit. bei Bq und Bechtel Lex. s. v. ἀοσσητήρ. I-117

ἁπαλός ‘zart, weich’ (ion. att.). Davon ἁπαλία ‘Zartheit’ (Gp.) und ἁπαλίας ‘saugendes Ferkel’ (D. L. 8, 20; nicht ganz sicher); außerdem ἁπάλιον· θῦμα δελφάκιον H. — Denominatives Verb ἁπαλύνω ‘weich machen’ (X., Hp. usw.) mit ἁπαλυσμός (Hp.) und ἁπαλυντής (Zonar.). — Zur Bildung vgl. ὁμαλός, ἀταλός, ἀκαλός (in ἀκαλαρρείτης) u. a. bei Chantraine Formation 245. Sonst dunkel; die zahlreichen unsicheren Vermutungen verzeichnet Bq. I-117-118

ἀπαντάω s. ἄντα. I-118

ἅπαξ ‘einmal’ (seit Od.). — Aus ἁ < *sm̥- ‘ein’ (vgl. εἷς) und -παξ, von πήγνυμι (vgl. ὀδάξ, λάξ, ἀναμίξ usw.). Nähere Analyse unsicher. Nach Schwyzer 620a 1 ist -ς adverbial (bzw. genetivisch-ablativisch) = ‘eines Steckens’; nach Brugmann IF 27, 259 u. a. Nominativ ‘ein Stecken vornehmend’; nach Schulze KZ 33, 395 = Kl. Schr. 314 A. 1 antevokalischer Lokativ aus *ἁπακτι̯ [?]. I-118

ἀπαργία f. N. einer Pflanze, die ihre Blätter auf der Erde hat (Thphr. HP 7, 8, 3). — Nach Strömberg Wortstudien 30f. von ἀργός ‘weißglänzend’ (vgl. auch ἄργεμον, ἀργεμώνη) wegen der Farbe, von der allerdings nichts bekannt ist. I-118

ἅπας ‘all, ganz’ (alt und häufig). — Aus ἁ- (vgl. εἶς) und πᾶς, s. d. I-118

ἀπάτη f. ‘Täuschung, Betrug’ (ion. att. seit Il., zur Bedeutung s. Luther "Wahrheit" und "Lüge", bes. 97ff.). Ableitungen: ἀπατηλός ‘betrügerisch’ (ion. att. seit Il.), vielleicht von ἀπατάω, s. Chantraine Formation 241f., Schwyzer 484, ἀπατήλιος ‘ds.’, metrische Variante zum Vorherigen (Od., Nonn.); ἀπατεών, -ῶνος m. ‘Betrüger’ (Hp., Demokr., Pl. usw.), vgl. Chantraine 163. — Zu ἀπάτυλλα (Kerk., POxy. 1082 Fr. 39) vgl. ἐξαπατύλλω (Ar.) und Leumann Glotta 32, 219 A. 3. — Denominatives Verb: ἀπατάω ‘täuschen, betrügen’ (ion. att. seit Il.). Davon ἀπάτησις ‘Täuschung’ (LXX, Phld.), ἀπάτημα ‘Trug’ (Gorg. u. a.), ἀπατήμων ‘trügerisch’ (Orac. ap. Zos.), ἀπατητικός ‘ds.’ (Pl., Arist. usw.), ἀπατητής ‘Betrüger’ (Gloss.). — Vereinzelt ἀπατεύω = ἀπατάω (Xenoph. 11). — Unerklärt. Semantisch ansprechend und morphologisch allenfalls möglich ist Kuipers (Glotta 21, 283) Anknüpfung an ἠπεροπεύς in der Annahme, ἀπάτη stehe für *ἀπν̥-τᾱ von einem r-n-Stamm *ἄπαρ, *ἀπνός. Seine weiteren Kombinationen (zu ἰάπτω, ἴπτομαι und sogar aind. áka- n. ‘Leid, Schmerz’) sind aber entschieden verfehlt. Die Heranziehung von πόντος, πάτος, got. finþan usw. (Pedersen Cinq. décl. lat. 65 A. 1, Moorhouse Class. Quart. 35, 93ff., s. noch Bq) überzeugt nicht. I-118

Απατούρια n. pl. ‘Apaturienfest’, altes Nationalfest der Ionier, bei dem die neuen Geschlechtsmitglieder in die Phratrien eingeführt wurden (ion. att.). Daneben, als Namen der Aphrodite, ’Απατουρία, ’Απατουριάς, auch (retrogr.) ’Απατούρη (Troizen, Pantikapaion, Phanagoria), außerdem ’Απάτουροντὸ τῆςΑφροδίτης ἱερόν’ (Str. 11, 2, 10). Ferner als Monatsname an verschiedenen Orten ’Απατουριών, -εών, auch ’Απατοριών (Amorgos). — In letzter Instanz aus α copulativum und πατήρ, zunächst wohl als Ableitung eines adj. Kompositums ἀπάτουρος gebildet, vgl. Kretschmer Glotta 2, 210; 4, 336. Wenn, wie wahrscheinlich, ἀπάτουρος eine ionische Form ist, liegt es nahe, eine Grundform *ἀπατορϝος = ὁμοπάτωρ ‘von demselben Vater’ anzusetzen. Aber die Funktion des ϝ ist dunkel; zum lautlichen Vergleich melden sich indessen aind. pítr̥vya- ‘Vatersbruder’ (Schulze Q. 79 A. 3), lat. patruus ‘ds.’ und andere Formen mit -Suffix; s. μητρυιά und W.-Hofmann s. pater. I-118-119

ἀπαφίνιον · Λάκωνες κάρδοπον λιθίνην ... H. — Enthält nach Grošelj Živa Ant. 3, 195f. ein vorindogermanisches Wort für ‘Stein’, παφ-, πεφ-, das auch in dem Inselnamen Πέφνος, vielleicht auch in Πάφος bewahrt worden ist (?). I-119

ἀπαφίσκω (παρ-, ἐξ-), Aor. ἀπαφεῖν, spät ἀπαφῆσαι ‘täuschen, betrügen’ (ep. poet.). — Das Präsens ist wahrscheinlich zum reduplizierten Aorist neugebildet worden, s. Chantraine Gramm. hom. 1, 317, 398. Zur Bedeutung Luther "Wahrheit" und "Lüge" 101ff. — Dunkel. Von Curtius zu ἅπτω usw. gezogen. Dazu vielleicht ἀποφώλιος, s. d. I-119

ἄπαφος · ἔποψ τὸ ὄρνεον H. — Onomatopoetische Bildung mit dem in Tiernamen gewöhnlichen Suffix -αφος. Chantraine Formation 263, Specht Ursprung 266. Vgl. lat. upupa. I-119

ἀπειλή gewöhnl. im Plur., f., ‘ruhmredige Verheißung’, gew. ‘Drohung’ (ion. att. seit Il.). Daneben, wahrscheinlich als denominative Ableitung (vgl. unten), ἀπειλέω ‘prahlend verheißen’, gew. ‘drohen’ (ion. att. seit Il.). — Davon sind abgeleitet: ἀπειλητήρ m. ‘Großsprecher, Droher’ (poet. seit Il.) mit dem Fem. ἀπειλήτειρα (Nonn.); später ἀπειλητής ‘ds.’ (D. S., J.). Adjektiva: ἀπειλητήριος ‘drohend’ (Hdt.) und ἀπειλητικός ‘ds.’ (Pl., X.). Nomina agentis: ἀπειλήματα ‘Drohungen’ (S.), ἀπείλησις ‘ds.’ (Phld.). — Wegen der mehrdeutigen Form etymologisch unklar. Chantraine Gramm. hom. 1, 353 erwägt Identität mit ἀπ-ειλέω ‘zurückdrängen’, wobei ἀπειλή postverbal wäre. Die Bedeutung ‘prahlend verheißen’ ist dieser sonst ansprechenden Annahme nicht ganz günstig. — Im Anschluß an die Ausführungen Froehdes BB 19, 240ff., laut denen eine Grundform *ἀπελ-νι̯- anzusetzen wäre, wobei ferner ἀ- einer Präposition *- (vgl. α copulativum) entsprechen würde, vergleicht Bezzenberger BB 27, 149 lett. pel̃t ‘schmähen, verleumden’; weiterhin kommen in Betracht (mit "beweglichem" s-) got. spill n. ‘Sage, Fabel’ und die entsprechenden germanischen Wörter ebenso wie arm. aṙa-spel ‘Sage, Sprichwort’ (Lidén GHÅ 39 : 2, 46ff.). S. noch WP. 2, 676f, W.-Hofmann s. 2. appellō. I-119-120

ἀπειρέσιος, ἀπερείσιος ‘endlos, unermeßlich’ (ep. poet.). — Metrische Dehnungen, die miteinander rhythmisch abwechseln (Chantraine Gramm. hom. 1, 101), für *ἀπερέσιος, eine erweiternde ιο-Ableitung von *ἀ-περ-ετος, das ein privatives Verbaladjektiv zum Präsens πείρω (s. d.) darstellt. Schulze Q. 245. — In derselben Bedeutung steht ἀπείριτος (κ 195, Hes. Th. 109 u. a.) mit unklarem -ι-. Die Erklärung aus *ἀπερι-ι-τος (zu ἰέναι, Schulze Q. 116 A. 3, Bechtel Lex.) überzeugt nicht. Vgl. noch Schwyzer 106 A. 3 (wenig befriedigend). I-120

ἀπελλαι (Akzent?) (IG 5: 1, 1144, 21; 1146, 41; Gytheion Ia), f. pl. nach H. = σηκοί, ἐκκλησίαι. Ableitungen: ’Απελλαῖος, -αιών dor. Monatsnamen (Delphi, Epidauros, bzw. Tenos); ἀπελλαῖα, τά ‘Opfer, die bei der Versammlung einer Phratrie dargebracht werden’ (Delphi); ἀπελλακάς· ἱερῶν κοινωνούς H. — Denominatives Verb ἀπελλάζω, lakon. für ἐκκλησιάζω (Plu., H.). — Nach Solmsen Wortforsch. 18f. aus idg. *-pel-i̯ă, Schwundstufe von ἐν und einem dem lat. pello ‘stoßen’ entsprechenden Verb, also eig. ‘das Hineinstoßen, Hineintreiben’. Dagegen mit nicht triftigen Argumenten Lagercrantz Mélanges Boisacq 2, 57ff., der als ursprüngliche Bedeutung ‘das Herausrufen’ ansetzt und dadurch bei lat. appello, populus, got. spill (vgl. ἀπειλή) Anschluß findet. Idg. Grundform somit *apo-pelia, in der die Präposition wenig angemessen erscheint. Noch andere Erklärungen bei Bq. — Verfehlt Barić (s. Mayer Glotta 32, 75): makedonisch, zu ὀφέλλω. I-120

ἄπελος n. ‘Wunde’ (Kall. Fr. 343). — Unerklärt. Man erwägt Zusammenhang mit πέλας ‘Haut’ usw. oder mit lat. pello ‘stoßen’. Näheres bei Bq und bei WP. 2, 58f. m. Lit. I-120

ἀπ-εράω ‘ausgießen’ (Thphr., Str. usw.). Davon ἀπέρασις (Thphr., Plu. u. a.). Daneben ἐξ-εράω ‘ausspeien, ausschütten’ (ion. att.) mit ἐξέραμα ‘das Ausspeien’ (NT u. a.), ἐξέρασις ‘Farbflüssigkeit’ (PHolm. 15, 39). Außerdem δι-, κατ-, κατεξ-, μετ-, συν-εράω, alles hell. u. spät. — Wahrscheinlich mit Debrunner IF 48, 282 denominativ zu ἔρα ‘Erde’ (vgl. ἔραζε) mit einem Scholion zu Ar. Vesp. 993: ἐξεράσω· εἰς τὴν γῆν μεταβαλῶ. ἔρα γὰρ ἡ γῆ. Somit bedeutet ἐξερᾶν eigentlich ‘auf die Erde ausschütten’. Bei der Bildung der späteren Komposita war der Zusammenhang mit dem obsoleten ἔρα abhanden gekommen. I-120-121

ἀπερείσιος s. ἀπειρέσιος. I-121

ἀπήνη f. ‘(vierrädriger) Wagen’ (ep. poet. u. spät); zur Bedeutung (mit ἅμαξα synonym) Delebecque Cheval 174f. — Dunkel. Verbindung mit πῆνος ‘Gewebe’, lat. pannus ‘Tuch’ (Bezzenberger BB 27, 149, Meringer KZ 40, 228) ist abzulehnen. Zu bemerken das synonyme Reimwort καπά̄νᾱ (Xenarch. 11, thess.), vgl. Güntert Reimwortbildungen 152; dazu das apokopierte πήνα· ἀπήνη bei H., vgl. Strömberg Wortstudien 45; abweichend Winter Prothet. Vokal 13. — Nach Bănăt̨eanu REIE 3, 141 kleinasiatisch. I-121

ἀπηνής, -ές ‘unfreundlich, hart’ (vorw. ep. u. späte Prosa). Ableitung ἀπήνεια f. ‘Unfreundlichkeit, Härte’ (Thphr., A. R. u. a.). — Vgl. zur Bildung πρᾱνής (πρηνής) und προσηνής (προσᾱνής). Zusammensetzung von ἀπό (bzw. πρό, πρός) mit einem nicht sicher zu bestimmenden Hinterglied, bzw. Suffix. Nach Benfey Or. u. Occ. 1, 193 und anderen (s. Kretschmer Glotta 22, 246f.) von *ἦνος n. ‘Gesicht’ = aind. *ānas- n. ‘ds.’, vgl. ā́nana- n. ‘Mund, Gesicht’. Nicht besser Brugmann Grundr.2 2 : 3, 332f. (zu got. ansts ‘Gunst’ usw.); noch unwahrscheinlicher Prellwitz Glotta 19, 94ff. I-121

ἀπηύρων s. ἀπούρας. I-121

ἄπιον n. ‘Birne’, ἄπιος f. ‘Birnbaum’ (nicht immer auseinandergehalten, vgl. Wackernagel Synt. 2, 17; Pl., Kom., Thphr. usw.). — Wie lat. pirum, pirus mediterranes Kulturwort unbekannten Ursprungs. Das anlautende ἀ- ist nach Kretschmer Glotta 21, 89, Boisacq Rev. de l’instr. publ. 55, 1ff. (wo auch Lit.) ein vorgriechisches Präfix. S. auch Winter Prothet. Vokal 13. I-121

ἄπιος (ἐξ ἀπίης γαίης Hom.) s. ἀπό. I-121

Ἆπις, -εως, -ιδος, -ιος m. N. eines in Ägypten verehrten göttlichen Stiers (Hdt.); N. eines mythischen Königs von Argos (A.). — Herkunft unbekannt. Vgl. die Einwände Kretschmers Glotta 19, 176 gegen Vürtheims Anknüpfung an ἅπτω. I-121

ἁπλόος, ἁπλοῦς, auch ἁπλός (vgl. Brugmann IF 38, 128ff.) ‘einfach, simplex’ (alt und häufig; fehlt zufällig bei Homer; vgl. die Ableitung ἁπλοΐς unten). Gegensatz διπλόος, διπλοῦς, auch διπλός ‘zweifach, doppelt, duplus’ (seit Hom.). Ableitungen: ἁπλοΐς f. (χλαῖνα, Hom., AP) mit dem Deminutivum ἁπλοΐδιον (Pap.); ἁπλοϊκός ‘einfach, schlicht’ (hell. u. spät). — Abstraktbildung ἁπλότης f. ‘Einfachheit, Schlichtheit’ (X., Arist. usw.). — Denominative Verba 1. ἁπλόω ‘entfalten, ausbreiten’ (spät) mit den vereinzelt belegten, ebenfalls späten ἅπλωσις und ἅπλωμα, ebenso wie ἁπλωτικός; 2. ἁπλοΐζομαι ‘einfach, ehrlich handeln’ (X., D. C. u. a.). — ἁπλός, mit lat. simplus formal identisch, kann damit urverwandt sein und ein idg. *sm̥-pl-o-s (vgl. εἷς) fortsetzen. Dasselbe Hinterglied erscheint, außer in δι-πλός, lat. du-plus, auch im Germanischen, z. B. got. twei-fl (Akk.) ‘Zweifel’. (Nicht hierher dagegen mit Hahn Lang. 18, 90ff. heth. šanna-piliš ‘leer, allein’, das aus dem Adverb šanna-pi ‘vereinzelt’ abgeleitet ist). Es handelt sich entweder um ein Wurzelnomen ‘Falte’ (wobei das Ganze ein Bahuvrihikompositum wäre) oder um ein Verb ‘falten’; in diesem Falle haben wir es mit einer Zusammenbildung zu tun (vgl. δίφρος). S. WP. 2, 55f. s. pel- ‘falten’. — Die Form ἁπλόος ist noch nicht befriedigend erklärt. Kretschmer Glotta 12, 218 erwägt volksetymologischen Anschluß an -πλόϝος ‘fahrend’, zu πλέω. Anders Brugmann IF 38, 128ff. (Kritik bei Kretschmer a. a. O.) und Persson Beitr. 750. Vgl. διπλάσιος. I-121-122

ἀπό (ἄπο) ‘fern, weg, (fern) von’ Adv. und Präp. — Altererbtes Adverb und Präverb = aind. ápa, air. apa ‘von — weg’, lat. ab, germ., z. B. got. af ‘ab’; unsicher dagegen heth. appa ‘darnach, zurück, hinter, nach’ (vielmehr zu ὄπι-θεν?, vgl. Friedrich Heth. Wb. s. v. m. Lit.). Zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 444ff. — Davon ἄπο-θεν neben ἄπωθεν ‘von ferne, fern von’ (vgl. Schwyzer 628, Lejeune Les adverbes grecs en -θεν 332). — Von ἀπό vielleicht ebenfalls nach der antiken Deutung das Adjektiv ἄπιος im Ausdruck (τηλόθεν) ἐξ ἀπίης γαίης (Α 270, Γ 49, η 25, π 18). Zweifel bei Schwyzer 461. — Die Vokallänge in ἀ̄πίαν γαῖαν S. OC 1685 (lyr.) ist durch Vermischung mit dem alten Namen des Peloponnesos ’Ᾱπία (γῆ) verursacht. Vgl. Buttmann Lexilogus 1, 63ff. I-122

άπο-διδρά̄σκω, Aor. ἀπ-έδρᾱν ‘weglaufen’ (alt u. häufig; nicht Il., vgl. indessen Ἄδρηστος unten); daneben ἐκ-διδράσκω; das Simplex ist dagegen fast nirgends sicher belegt. Ableitungen: ἀπόδρᾱσις ‘das Weglaufen’ (ion. att.); δρᾱσμός ‘das Ausreißen, die Flucht’ (ion. att., vorw. poetisch). — ἄδρᾱστος intr. ‘der nicht wegläuft’ (Hdt. u. a.), auch als EN Ἄδρηστος, Ἄδραστος (Il. usw.); Fem. ’Αδρά̄στεια N. der Nemesis ‘der man nicht entfliehen kann’ (A., Pl.; zur Bildung Schwyzer 475 m. Lit.); auch ’Αδρηστίνη, vgl. Schwyzer 465, Schwyzer-Debrunner 177. — Erweiterte Verbform δρασκάζω = ἀποδιδράσκω (Lex ap. Lys. 10, 17; Zen.), ἀποδρασκάζω (Tz.); davon δράσκασις H. — δρᾱπέτης m. ‘Flüchtling, entlaufen’ (ion. att.); Herkunft des -π- unbekannt; direkter Zusammenhang mit dem aind. Kausativum drāpayati ‘zum Laufen bringen’ unwahrscheinlich; Vermutungen bei Specht KZ 68, 122ff. Mehrere Ableitungen, vorwiegend spät: δραπέτις, δραπετίδης, δραπετίσκος, δραπετικός, δραπετίνδα. Denominatives Verb δραπετεύω ‘ausreißen, davonlaufen’ (att. u. spät) mit δραπέτευμα (Diokl. Kom.) und δραπετεία H. Abgekürzte Form δράπων H. — Dem athematischen Wurzelaorist ἔ-δρᾱ-ν entspricht formal das aind. Wurzelpräsens drā́-ti ‘er entläuft’ (daneben auch die Intensivbildung dári-drāti). Sonstige Anknüpfungen sind unsicher (: ahd. zittarōn ‘zittern’, slav. *dropy ‘Trappe’ in poln. čech. drop usw., Machek Zeitschr. f. slav. Phil. 17, 260). — Vgl. δραμεῖν, δρόμος. I-122-123

ἀπό-ερσε s. ἀπούρας. I-123

ἀπόθεστος vom Hunde des Odysseus (ρ 296), etwa ‘verachtet, verwahrlost, ungepflegt’; danach Lyk. 540, Kall. Fr. 302, Plu. 2, 159f. — Das Oppositum πολύ-θεστος ‘viel-erfleht’ (Kall.) ebenso wie EN, z. B. ’Ερμό-θεστος, böot. Θιό-φειστος, wozu noch ἄ-θεστος (’Ερινύς H.) zu stellen ist, sprechen entschieden für die Zerlegung ἀπό-θεστος zu θέσσασθαι (Doederlein Hom. Gl. 3, 366 usw.). Wegen der (kaum ernstlichen) Schwierigkeit, der Präposition ἀπο- gerecht zu werden, zieht Leumann Hom. Wörter 64f. die antike Auflösung in ἀ- πόθεστος, zu ποθέω, vor, was wegen der erwähnten Parallelen bedenklich scheint. Auch bei dieser Deutung gehört ἀπόθεστος letzten Endes zu der Wortsippe von θέσσασθαι, s. d. I-123

ἄποινα pl. ‘Wergeld, Lösegeld, Buße’ (vorw. poet. seit Il.), sg. ἄποινον metr. Inschr. (IG 14, 1389, 1, 10). Denominatives Verb ἀποινάω, -άομαι ‘Wergeld fordern’ (Lex ap. D. 23, 28, E. Rh. 177). — Haplologische Substantivierung von *ἀπόποινος, zu ἀποτίνω gebildet nach Muster des Paares ποινή : τίνω. Vgl. Fick BB 18, 136; 138. I-123

ἀπόκυνον n. Pflanzenname, ‘Cynanchum erectum’ (Dsk., Paul. Aeg., Gal.), nach H. auch = μάζα μεμιγμένη φαρμάκῳ πρὸς ἀναίρεσιν κυνῶν. — Eigentlich Substantivierung eines Adjektivs *ἀπόκυνος ‘dem Hunde abgewandt, feindlich’. Näheres bei Strömberg Wortstudien 26. I-123

ἀπολάντιον n. wahrsch. Pflanzenname (σπάρτα ἀπολαντίου PMag. Lond. 1, 121, 209, IIIp). — Unhaltbare Anknüpfung an λέντιον ‘leinenes Tuch’ bei Strömberg Wortstudien 27. I-123

ἀπολαύω ‘genießen’ (ion. att., "von Haus aus kein feines Wort" Wackernagel Unt. 229). Davon die Verbalnomina ἀπόλαυσις (att., s. Holt Les noms d’action en -σις 193 mit Hinweisen), ἀπόλαυσμα (sp.) ‘Genuß’ und das Adjektiv ἀπολαυστικός ‘dem Genuß ergeben, genießbar’ (Arist., Plb. usw.). — Ein entsprechendes Verb ist außerhalb des Griechischen nicht anzutreffen. Gewöhnlich wird ἀπολαύω mit λεία, dor. λᾱίᾱ (aus *λᾱϝ-ίᾱ) ‘Beute’ zu einer indogermanischen Wort- sippe lāu̯- ‘erbeuten, genießen’ gezogen, die vorwiegend in verschiedenen isolierten Nomina vorliegt wie lat. lucrum (aus *lu-tlo-m) ‘Gewinn’, germ., z. B. got. laun n. ‘Lohn’, aksl. lovъ ‘Fang, Jagd’, loviti ‘fangen, jagen’ u. a. m. (dagegen aind. lotra-, lota- ‘Beute’ wohl mind. aus loptra-, vgl. Wackernagel Ai. Gramm. 1, 91). Curtius 362 mit älterer Lit.; näheres bei WP. 2, 379f., W.-Hofmann s. lucrum. I-123-124

ἀπολεῖν[α] · ἀποστρέφειν. Λάκωνες H. — Aus ἀπο-πολεῖν nach Thurneysen Glotta 12, 145. Vgl. ἀπυλιῶναι. I-124

Απόλλων, -ωνος Göttername. Dialektische Nebenformen: ’Απέλλων (dor.), ’Απείλων (kypr.), Ἄπλουν (thess.). — Seit J. Schmidt KZ 32, 327ff. wird die Form ’Απόλλων als analogisch nach dem Vok. Ἄπολλον erklärt, der seinerseits durch Vokalharmonie aus Ἄπελλον entstanden wäre, vgl. noch die PN ’Απελλίων, ’Απελλῆς usw. Aus kypr. ’Απείλων läßt sich eine Grundform *’Απέλι̯ων erschließen, die auch dor. ’Απέλλων, aber nicht thess. Ἄπλουν erklärt. m. Ableitungen: ’Απολλώνιος ‘zu A. gehörig’ (Pi. usw.), substantiviert in verschiedenen Bedeutungen, auch EN, fem. -ιάς; ’Απολλωνιακός ‘ds.’ (Ph. u. a.); Deminutivum ’Απολλωνίσκος (Delos, Ath.); ’Απολλωνιών Monatsname (Halikarnassos); ’Απολλωνιασταί m. N. der Apolloverehrer (Rhodos), vgl. z. B. ’Αρτεμισιασταί und Chantraine Formation 317. — Etymologie unbekannt. Die Versuche, ’Απόλλων aus dem Indogermanischen zu erklären, haben zu keinem überzeugenden Ergebnis geführt. Von den verschiedenen Hypothesen ist immer zu nennen die auf Prellwitz BB 24, 214ff. zurückgehende und u. a. wiederholt von Kretschmer (Glotta 13, 242 A. 1; 15,191; 18, 205; 27, 32; 31, 102) befürwortete Zusammenstellung mit einem Substantiv *ἄπελος ‘Kraft’, das in ὀλιγηπελίη ‘Ohnmacht’ (s. d.) usw. vermutet wird und im Germanischen u. a. in awno. afi n. ‘Kraft’ vorliegen soll; dazu noch mehrere illyrische PN, wie Mag-aplinus, Aplo usw. (Krahe IF 57, 117f.). (Kritik dieser Deutung bei Sommer IF 55, 176 A. 2 und bei Nilsson, s. unten). — Anders Solders Arch. f. Religionswiss. 32, 142ff.: zu ἀπέλλαι· σηκοί H., eig. etwa "Steinfügung", von α copulativum und πέλλα· λίθος H.(?), wegen der großen Bedeutung, die die heiligen Steine im Kult des Apollon hatten; Einwände bei Kretschmer Glotta 27, 32. — Ganz unannehmbar Ehrlich Sprachgesch. 32f., Hopfner KZ 49, 253ff. Ältere Deutungen bei Bq. Da der Gott Apollon zweifellos aus Kleinasien stammt, ist wahrscheinlich auch der Name kleinasiatischer Herkunft. Zu vergleichen ist in erster Linie lyd. Pλdans Artimuk (vgl. s. Ἄρτεμις). Unsicher aber möglich ist die von Forrer erwogene und namentlich von Kretschmer Glotta 24, 203ff. verfochtene Identität mit heth. ] .ap-pa-li-u-na-aš, das wahrscheinlich einen Gott bezeichnet, aber vorn verstümmelt sein kann, vgl. Sommer IF 55, 176ff. — Auf vier Altären aus dem inneren Kleinasien hat Hrozný Archiv Orientální 8, 171ff. einen Namen Apulunas in hethitischer Hieroglyphenschrift erkennen zu können geglaubt; die Lesung muß aber als sehr hypothetisch betrachtet werden. — Näheres bei Nilsson Gr. Rel. 1, 498ff. (bes. 523ff.) mit ausführlichen Literaturnachweisen; s. noch Chantraine L’Ant. class. 22, 68 m. Lit. I-124-125

ἀπόμελι n. ‘Met-art, die von dem Wasser bereitet wurde, mit dem man die Honigwaben wusch’ (Dsk., Gal. u. a.). — Das Präfix drückt eine Abart mit pejorativem Nebensinn aus, s. Strömberg Wortstudien 29f. I-125

ἀπομύσσω s. μύσσομαι. I-125

ἀπούρᾱς Aor. Ptz. act. ‘wegnehmend, beraubend’ (Il. 9mal, außerdem ν 270 und Pi. P. 4, 149 [: ἀπούραις]) für *ἀπο-ϝρᾱς (zur Schreibung vgl. Schwyzer 224, Lejeune Traité de phonétique 154 u. 197). — Umstrittene Form. Vielleicht wie (κατα-)κτά̄ς zu ἔκτᾰ (sekundär ἔκτᾱ), ἔκτᾰμεν Neubildung zum ep. asigmatischen Aor. 3. Sg. ἀπ-ηυρᾱ̆ (= ἀπ-η-ϝρᾱ̆ mit gedehntem Augment), Ptz. med. ἀπουρᾰ́μενος Hes. Sc. 173. Barytonese wohl nach dem σ-Aorist; anders (äolisch) Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 119; vgl. Schwyzer 385. Zu ἀπηύρᾱ weiterhin 1. Sg. ἀπηύρων (nach dem Typus ἐτίμα : ἐτίμων); Einzelheiten mit Lit. und Kritik abweichender Ansichten bei Schwyzer 740 A. 5; vgl. noch Chantraine Gramm. hom. 1, 356 u. 379f., Sinclair ClassRev. 39, 99f. — Ein entsprechender σ-Aorist wird in hom. ἀπό-(ϝ)ερσε ‘riß los’ vermutet; für eine Wurzel ϝερ- ‘reißen, greifen’ bietet das Indogermanische mehrere Anhaltspunkte (s. WP. 1, 286f. und 280 zu 12. u̯er- ‘aufreißen, ritzen’ und 6. u̯er- ‘ergreifen, nehmen’), die aber für das Verständnis und die Beurteilung des griechischen Wortes wenig abgeben; vgl. indessen zu 1. ἀρύω und εὑρίσκω. I-125

ἀποφράς, -άδος f., auf ἡμέρα bezogen, ‘unglücklicher Tag, an dem keine Volksversammlung und kein Gericht gehalten wird’ (Pl., Lys., Plu., Luk.), als Übersetzung von nefastus Plu. 2, 518b (ἀποφράδες πύλαι = portae nefastae); selten auf maskuline Begriffe bezogen: ἀποφρὰς ἄνθρωπος Eup. 309; βίος Luk. Pseudol. 32. — Wird allgemein mit φράζω, φραδή, φράδμων verknüpft, wobei -φράς als ein postverbales Wurzelnomen im Anschluß an die Nomina auf -άς zu beurteilen ist, Chantraine Formation 351, Schwyzer 507 (unklar Strömberg Greek Prefix Studies 38f.). Vgl. auch verstümmelte bzw. haplologische Bildungen wie ἀντηρίς, s. d. I-125

ἀποφώλιος ep. und poet. Adj. (seit Od.) unsicherer Bedeutung, von den Alten als ‘ἀνεμώλιος, μάταιος’, d. h. ‘nichtig, eitel’, erklärt. — Zum Vergleich bieten sich einerseits ὄφελος (Schulze Q. 242), anderseits, u. z. besser, ἀποφεῖν· ἀπατῆσαι H. (Doederlein Hom. Gl. 3, 55, Fick KZ 41, 198ff.); somit eig.·trügerisch’. Noch anders Bezzenberger BB 5, 318, Ehrlich Sprachgesch. 29f. Zur Bildung vgl. Chantraine Formation 43. S. auch ἀπαφίσκω, das von ἀποφεῖν nicht getrennt werden kann. Zum ο-Vokalismus (äolisch?) s. Chantraine Gramm. hom. 1, 25f. m. Lit. I-126

ἀποχειροβίοτος (falsch -βίωτος, s. Wackernagel Glotta 14, 55) eig. ‘den Lebensunterhalt von den Händen bekommend’ = ‘von seinen Händen lebend’ (Hdt., X.), — eine Zusammenbildung von βίοτος und ἀπὸ χειρῶν. Daneben, im selben Sinne, ἀποχειρόβιος (Poll., H., Suid.). I-126

ἄππα ‘Vater’ (Kall., Pap., nach EM 167, 32 makedonisch). — Hypokoristisches Lallwort, vgl. πάππα, ἄττα, ἄπφα. — "Grammatikalisierte" Form ἄππας Titel eines Priesterbeamten (Magnesia, Lydien) = τροφεύς H. Vgl. toch. B appa-kke ‘Vater’. I-126

ἀπρίγδα (A. Pers. in lyr.), ἀπρίξ (S., Pl. usw.) ‘fortwährend, festhaltend, unablässig’, — Adv. auf -(γ)δα bzw. -ξ, Schwyzer 620 und 626. Syntheton aus α intensivum und πρίω ‘sägen, mit den Zähnen packen’. — Nach EM 132, 53 auch γένος τι ἀκάνθης (Κύπριοι); vgl. aber ἄρπιξ s. ἄρπεζα. I-126

ἀπροξίς, -ίδος f. N. eines Strauches, ‘Dictamnus albus’ (Pythag. ap. Plin. HN 24, 158). — Unerklärt. I-126

ἀπτερέως ‘flugs, schleunigst’ (Hes., Parm., A. R.). — Zu ἄπτερος ‘beflügelt, schnell’ (Trag. Adesp., H.), von ἀ copulativum und πτερόν, mit metrisch bedingtem -έως. Rupprecht Philol. 78, 395f. gegen Fraenkel Glotta 2, 29ff. — Davon ἀπτερύσσομαι ‘mit den Flügeln schlagen’ (Archil.; nach πτερύσσομαι von πτέρυξ) mit Neubildung ἀπτερύομαι (Arat.; nach ἀφύω : ἀφύσσω usw., s. Fraenkel l. c.). I-126

ἀπτοεπής Beiwort der Hera (Θ 209) unsicherer Bedeutung. — Vielleicht mit Wackernagel BB 4, 2 83f. (vgl. auch Eulenburg IF 15, 162) kontrahiert aus *ἀ-επτο-επής ‘der Worte ausspricht, die nicht gesprochen werden sollten’. I-126

ἅπτω ‘haften, (an)knüpfen, anzünden’, gew. Med. ἅπτομαι ‘anfassen, berühren’ (seit Il.). Ableitungen: ἁφή ‘das Anzünden, das Berühren, der Griff usw.’ (Hdt., Pl., Arist. usw.); davon, oder vielmehr als Deverbativum von ἅπτω, ἀφάω ‘betasten’ nur Präs. (Il., Opp., AP); erweiterte Formen ἀφάσσω ‘ds.’ (ion. hell.) und ἀφάζει· ἀναδέχεται H. — ἅψις ‘das Berühren’ (Hp., Pl., Arist.); ἅψος n. ‘Verbindung’, pl. ‘Gelenke’ (ep.); zur Bildung Schwyzer 513; ἅμμα ‘Schlinge, Knoten, Band’ (ion. poet.) mit dem späten Denominativum ἁμματίζω, wovon ἁμματισμός, und dem Deminutivum ἁμμάτιον (Gal.). — ἁψίς, -ῖδος f. s. bes. — ἅπτρα f. Demin. ἅπτριον ‘Docht einer Lampe’ (Schol.). ἁπτώδιον ‘Spange’ (als Schmuckstück; Pap.), wohl nach ἐνώδιον = ἐνώτιον. — Vielleicht auch ἄφθα, s. d. — Vgl. noch αὐαψή. — Unerklärt. Vgl. die kritischen Erörterungen Kretschmers Glotta 7, 352. — Nach Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 28 aus *ἅπϝω zu aw. āfənte ‘sie werden erreicht’. I-126-127

ἀπυλιῶναι IG 5 (2) p. xxxvi D 1, 20 (Tegea IVa) — steht nach Thurneysen Glotta 12, 145 haplologisch für *ἀπυ-πολιῶναι ‘zurückerstatten’; vgl. s. ἀπολεῖν. I-127

ἄπφα (Eust.), ἀπφίον (Eust.), ἀπφάριον (Xenarch., Smyrna), ἀπφίδιον (Schol.); auch ἀπφία (Poll., H.), ἀπφῦς m. (Theok.). Schmeichelnde Anrede an den Vater und an andere Personen, auch unter Liebenden. Elementarschöpfung, vgl. das unaspirierte ἄππα usw. — Dazu Chantraine REGr. 59-60, 245, Kretschmer Glotta 16, 184 m. Lit.; zum Lautlichen Lejeune Traité de phonétique 61. I-127

ἄρα, ἄρ, enklit. ῥα, woraus mit Elision ῥ’. Daneben kypr. ἔρ(α) H. ‘natürlich, eben, dann; also’ (seit Il.). — Zu lit. ir̃, lett. ìr ‘und; auch, sogar’ aus idg. *; daneben hochstufig lit. ar̃, lett. ar Fragepartikel; vgl. das ebenfalls hochstufige ἔρ(α). Näheres bei Schwyzer-Debrunner 558f.; s. noch Hoenigswald Lang. 29, 288ff. Zu ἀραρίσκω, ἄρτι (s. dd.). — Zum auslautenden -α vgl. auch Schwyzer 622f. m. Lit. I-127

ἀ̆ρά, ion. ἀ̄ρή f. ‘Gebet, Fluch’ (ion. att.). Ableitungen: ἀραῖος ‘zum Gebet, zum Fluch gehörig, fluchbeladen’ (trag.); ἀρατός, -η- ‘fluchbeladen, Gegenstand des Gebets ausmachend, erwünscht’ (poet. seit Il.) mit ἀρατικός (Stoik.). Denominatives Verb ἀράομαι ‘beten, verwünschen’ (poet.), oft in Komposita ἐπ-, κατ-αράομαι (ion. att. usw.). Davon wiederum ἀρητήρ m. ‘Beter, Priester’ (Il. usw.), f. ἀρήτειρα (Kall., A. R. u. a.), ἀρητήριον ‘Ort zum Beten, zum Fluchen’ (Plu.). — Aus ark. κάταρϝος ‘verwünscht’ ist eine Grundform *ἀρϝά zu erschließen, die die wechselnde Quantität des ἀ- erklärt. Das auslautende -α in att. ἀρά ist wahrscheinlich aus dem Verb (-)ἀράομαι oder dem gewöhnlichen Plural ἀραί eingeführt; vgl. die Lit. bei Schwyzer 188 A. 2. Unerklärt. Nicht mit Sturtevant Comp. gr. 1 87, 2 35 zu heth. aruu̯āi- ‘sich niederwerfen, anbeten, huldigen’. Ältere Deutungsversuche bei Bq s. v., WP. 1, 182. I-127

ἄραβος m. ‘Getöse, Gerassel, Klappern (der Zähne)’ (Κ 375, Hes. Sc. 404, Kall. Del. 147, Hld. 5, 3). Daneben, wohl denominativ, ἀραβέω ‘rasseln, erklirren, klappern’ (ep. seit Il.). — Zum Suffix vgl. θόρυβος, κόναβος usw. (Schwyzer 496, Chantraine Formation 260), zum Stamm ἄραδος, ἀράζω. Onomatopoetisch; vgl. Güntert Reimwortbildungen 145f. I-128

ἀράγδην, ἄραγμα, ἀραγμός s. ἀράσσω. I-128

ἄραδος m. ‘heftige Bewegung im Leibe, Herzklopfen’ (Hp., Nik.). Davon ἀραδ<ήσ>ει· θορυβήσει, ταράξει und ἀράδηται· κεκόνηται (?), συγκέχυται H.; vgl. noch ἀράζουσιν· ἐρεθίζουσιν H. — Zur Bildung vgl. κέλαδος, ὅμαδος usw. (Chantraine Formation 359, Schwyzer 508). Onomatopoetisch, vgl. ἄραβος. S. auch WP. 1, 139, Pok. 330 mit fragwertigen außergriechischen Anknüpfungen, außerdem noch Bechtel Dial. 3, 281. I-128

ἀράζω, auch ἀρράζω ‘knurren (vom Hunde)’ (D. H., Ael., Poll., Plu.). Daneben ἀρρίζω (AB) und das reduplizierte ἀραρίζω (Ammon.). — Onomatopoetisch, vgl. ἄραβος und ἄραδος. I-128

ἀραιός (ἁρ- Hdn. Gr.; auch hss.-lich überliefert) ‘dünn, schwach, schlank’, als term. techn. auch ‘locker, porös’ (ep. ion. poet. hell.). Mehrere Ableitungen: ἀραιότης ‘Lockerheit’ (Gegensatz πυκνότης; Hp., Arist. usw.); ἀραιώδης ‘porös’ (Gal.). Faktitives Verb ἀραιόω ‘locker machen’ (Hp., Arist.) mit den Nomina ἀραίωμα, ἀραίωσις. — Unerklärt. Da das Wort wahrscheinlich mit ϝ- anlautete (Sommer Lautst. 114, Uhlenbeck PBBeitr. 30, 261), hat es Specht KZ 59, 63, wenig überzeugend, als *ϝαρασιι̯ός, Positiv zu ῥᾷστος aus *ϝρά̄σιστος (‘dünn’ > ‘leicht zu tun’ [?]) erklären wollen. I-128

ἁράκη, Außerdem ἀρά<κ>η<νφιάλην H. nach Ath. 11, 502b äolisch für φιάλη. — Etymologie unbekannt. I-128

ἄρακος m., auch n. eine Hülsenfrucht, ‘Lathyrus annuus’ (Ar., Thphr. usw.), auch als Konsonantstamm ἄραξ m. (Pap.). Deminutiva: ἀρακίς, ἀρακίσκος (Gal.), ἀράκιον (Gal., Pap.). Adjektiva: ἀρακώδηςἄρακος-ähnlich’ (Thphr.), ἀρακικός ‘aus ἀ. bestehend’ (Pap.). — Etymologie unbekannt. Nach Gehring Glotta 14, 1 kleinasiatisch. Lat. arinca ‘Art Spelt’ bleibt fern. I-128

ἀραρίσκω, Aor. 2 ἀραρεῖν, Aor. 1 ἄρσαι, Perf. ἄρᾱρα (intr.) ‘zusammenfügen, verfertigen, ausrüsten’ (seit Il.). Neben ἀραρίσκω stehen mehrere Nomina, die von einer Wurzel ἀρ- ausgehen, ohne sich direkt auf ἀραρίσκω zu beziehen. So ἅρμα, αρμός, ἁρμονία, ἁρμόζω, ἁρμαλιά, ἀρτύς, ἄρθρον (s. dd.). Direkt von ἄραρα: ἀραρότως ‘fest angefügt’ (A., E., Pl. usw.). — Außerdem sind zu erwähnen: ἄρμενος ‘passend, ausgerüstet’, isoliertes mediales Wurzelpartizip (poet. seit Il.) mit dem substantivierten n. pl. ἄρμενα, s. d. — Ferner ἀρθμός ‘Verbindung, Bund, Freundschaft’ (h. Merc. 524 u. a.) mit ἄρθμιος ‘verbunden, befreundet’ (ep. ion.) und ἀρθμέω ‘sich vereinigen’ (Il., A. R.); vgl. Porzig Satzinhalte 237 (nach θεσμός), Trümpy Fachausdrücke 187. — ἁρμή ‘Vereinigung’ (Hp., Chrysipp., Q. S.); ἄρμᾱ f. ‘Vereinigung, Beischlaf’ (delphisch, Plu., H.). — ἄρσιον· δίκαιον H. ist wahrscheinlich aus ἀν-άρσιος herausgelöst, s. Frisk Adj. priv. 7, Trümpy 182f. — S. noch ἀριθμός, ἀρείων, ἀρέσκω und ἀρετή, ἄρτι, ἁμαρτή, ὄαρ. — Der reduplizierte Aorist ἀραρεῖν, woneben das alte Perfekt ἄρᾱρα, hat sein nächstes Gegenstück im armen. Aorist arari ‘ich machte’ (Präs. aṙnem). Das Präsens ἀραρίσκω ist neugebildet, s. z. B. Chantraine Gramm. hom. 1, 317. Das Wurzelelement ἀρ- ist sonst in einer Reihe von Bildungen verschiedener Sprachen zu Hause, s. die einzelnen Wörter und WP. 1, 69ff., Pok. 55f. I-128-129

ἀράσσω, Aor. ἀράξαι ‘schlagen, stoßen, klopfen’ (vorw. poet. seit Il.), öfters in Komposita wie ἀπ-, συν-, κατ-αράσσω. Davon die Nomina ἀραγμός ‘das Schlagen, das Gerassel’ (Trag., Lyk., H.), ἄραγμα (E., Sor.); Adv. ἀράγ-δην ‘mit Getöse’ (Luk.). An diese Nomina mit γ schließt sich an das sekundär entstandene ἀράγειν· σπαράσσειν H. — Etymologisch unklar, vielleicht onomatopoetisch; vgl. ἄραβος. Ob ῥά̄ττω, ῥήσσω ‘schlagen’ damit verwandt ist (Bechtel Lex. 293 nach J. Schmidt), bleibt fraglich. I-129

ἀρασχάδες Daneben ἀρέσχαι· κλήματα, βότρυες H. und ὀρεσχάς· τὸ σὺν τοῖς βότρυσιν ἀφαιρεθὲν κλῆμα H. · τὰ περυσινὰ κλήματα H. — Dunkel. Strömberg Wortstudien 53f. versucht die erwähnten Wörter mit dem synonymen ὄσχη (nach Harpokration s. ὀσχοφόροι = κλῆμα βότρυς ἐξηρτημένους ἔχον) in Verbindung zu bringen. Vgl. αὐροσχάς. I-129

Αράτυος m. lokrischer Monatsname = November (- Dezember) SIG2 855. — Zunächst aus *’Αράτυια n. pl. ‘Ackerfest’, von *ἀρα-τύς, Verbalnomen von ἀρό-ω ‘pflügen’; vgl. zum α-Vokalismus kret. ἄρα-τρον = ἄρο-τρον usw. Schwyzer Glotta 12, 1f. Über Bildung und Bedeutung noch Benveniste Noms d’agent 73. I-129

ἀράχιδνα f. N. einer Hülsenfrucht, ‘Lathyrus amphicarpus’ (Thphr.). — Vgl. ἄραχος, ἄρακος; sonst dunkel. Vgl. Chantraine Formation 109. I-129

ἀράχνη ‘Spinne, Spinnengewebe’ (Hp., A., Arist. usw.), ἀράχνης m. ‘Spinne’ (Hes., Pi. usw.), woneben ἄραχνος m. (A. Supp. 887). f. Mehrere Ableitungen: ἀράχνιον ‘Spinnen- gewebe’ (Od., Kom., Arist. usw.), auch als Deminutivum ‘kleine Spinne’ (Arist.), mit ἀραχνιώδης ‘spinngewebe-artig’ (Hp., Arist., Dsk.) und dem Denominativum ἀραχνιόομαι, -όω ‘mit Spinnengewebe überzogen werden, bzw. überziehen’ (Arist., Nonn.). Von ἀράχνη ferner die Adjektiva ἀραχνώδης ‘spinngewebe-ähnlich’ (Arist., Ael.), ἀραχνήεις (Nik.) und ἀραχναῖος (AP) ‘zur Spinne gehörig’, ebenso wie das Denominativum ἀραχνάομαι ‘ein Spinnengewebe spinnen’ (Eust.). — ἀράχνηκες· ἀράχναι H. ist eine Umbildung nach σφῆκες, μύρμηκες, σκώληκες usw. — ἀράχνη, falls, wie wahrscheinlich, aus *ἀρακ-σνᾱ, hat ein genaues Gegenstück in lat. arāneus m. ‘Spinne’, arānea f. ‘Spinngewebe’ aus *arak-sneios. Weitere Verwandtschaft mit ἄρκυς (s. d.) usw. ist nicht wahrscheinlich. Näheres bei W.-Hofmann s. arāneus. I-129-130

ἄραχος (Gal.) m. — spätere Form für ἄρακος (s. d.). I-130

ἄρβηλος Vgl. auch ἄρβηλοι γὰρ τὰ δέρματα H. s. v. ἀνάρβηλα. m. ‘rundes Schustermesser’ (Nik. Th. 423), auch übertragen von einer geometrischen Figur (Papp.); näheres darüber Thompson ClRev. 56, 75f., Beazley ibid. 116. — Fremdwort unbekannten Ursprungs. I-130

ἀρβίννη · κρέας. Σικελοί H. — Zu lat. arvīna ‘Fett, bes. um die Eingeweide’, aus dem es wahrscheinlich entlehnt ist (Ribezzo RIGI 12, 196). Nach v. Blumenthal Hesychst. 16 messapisch und mit arvīna urverwandt. Vgl. W.-Hofmann s. arvīna. I-130

ἀρβύλη f. ‘Schuh, der den ganzen Fuß bis an den Knöchel bedeckte’ (Hp., A., E.). Deminutivum ἀρβυλίς (Theok., APl.), Adjektiv ἀρβυλικός (Delos IIIa). — Orientalisches LW aus unbekannter Quelle. Vgl. ἄρμυλα und außerdem ἀρβύκη· τοῦ ὑποδήματος H., das kaum richtig überliefert sein kann. S. auch Knauer Glotta 33, 114 A. 1. I-130

Αργαδεῖς (-ῆς) m. pl. N. einer der vier ionischen Phylen in Attika und anderswo, nach Plutarchos Solon 23 = τὸ ἐργατικόν. — Herkunft unbekannt; vgl. die Bemerkungen von Frisk bei Nilsson Cults 147 A. 17, wo u. a. die dunkle Hesychglosse ἀργάδες· εἶδος φυτοῦ herangezogen wird. S. auch Fraenkel Nom. ag. 2, 180f. m. Lit. I-130

ἀργαλέος Davon ἀργαλεότης f. (Ph., Eust.). — aus *ἀλγαλέος dissimiliert, zu ἄλγος, s. d. I-130

Αργεϊφόντης Epithet des Hermes (Hom. usw.). — Metrische Umbildung von *’Αργοφόντης (Kretschmer Glotta 10, 45ff.). Nicht sicher gedeutet. Die antike Erklärung als "Argostöter" wird von Kretschmer Glotta 24, 236f. und 27, 33 (gegen Chantraine Mélanges Navarre 69ff., der es als vorgriechisch ansieht) verteidigt: "Töter eines örtlichen autochthonen Ungeheuers, des Eponymen der Landschaft Argos, und Befreier der Welt von dem Übel." — Ganz anders Heubeck Beitr. z. Namenforschung 5, 19ff. (mit weiterer Lit.): "sich durch ἄργος (d. h. ‘schnell sich verbreitenden Glanz, strahlende Schnelligkeit od. ä.’) auszeichnend" (zu εὐθένεια usw.); kaum einleuchtend. I-130-131

ἄργελλα woneben ἄργιλλα, ἄργῑλα f. ‘unterirdische Wohnung’ (Magna Graecia, Ephor. u. a.). · οἴκημα Μακεδονικόν, ὅπερ θερμαίνοντες λούονται Suid., — Daraus alb. ragál ́ ‘Hütte’ nach Jokl IF 44, 13ff. Sonst unerklärt. Beziehung zu ἄργιλλος ‘weißer Ton’ scheint fraglich. I-131

ἀργέλοφοι (Ar. V. 672). m. pl. Nach den Sch. und nach AB 8 ‘die Füße des Schaffells’, attisch für ποδεῶνες, auch ‘unbrauchbarer Abgang’ im allg. — Vielleicht mit Bq eine scherzhafte Zufälligkeitsbildung des Ar.; die antike Herleitung aus ἀργός und λόφος kann jedenfalls unmöglich richtig sein. I-131

ἄργεμον auch -ος m. n., ‘weißer Fleck im Auge, albugo’ (Hp., S., Thphr. usw.), auch Pflanzenname (Plin.). — Verhält sich zu *ἄργος in ἀργεστής, ἀργεννός wie ἄνθεμον zu ἄνθος. Vgl. Chantraine Formation 132. Weitere Beziehungen s. 1. ἀργός. — Ob die mohnartige Pflanze ἀργεμώνη ‘Papaver Argemone’ (Krateuas, Dsk. u. a.), die nach Dioskurides als Heilmittel gegen weiße Flecken in den Augen gebraucht wurde (vgl. Strömberg Pflanzennamen 87), ihren Namen wirklich von der Augenkrankheit bezogen hat, sei dahingestellt. Zur Bildungsweise sind dann ἀνεμώνη, ἰασιώνη usw. (Chantraine 208) zu vergleichen. Volksetymologische Umbildung eines Lehnworts ist natürlich nicht ausgeschlossen. Die Erklärung aus hebr. ’argāmān ‘roter Purpur’ (Lagarde Gött. Abh. 35, 205, vgl. Lewy Fremdw. 49f.) ist allerdings semantisch wenig befriedigend. I-131

ἀργεννός, ἀργεστής s. ἀργός. I-131

ἀργής, -ῆτος usw., ep. auch -έτι, -έτα, spätes fem. ἀργέτις ‘blendend weiß, glänzend’ (poet. seit Il.). — Poetische Erweiterung ἀργησ-τής ‘ds.’ (B., A., Theok.), vielleicht nach ὠμηστής (Schwyzer 500 A. 1; anders Fraenkel Nom. ag. 1, 142f.). — Bildung wie γυμνής usw. (Chantraine Formation 267, Schwyzer 499) und zu 1. ἀργός ‘glänzend’ (s. d.), ἀργεστής, ἀργεννός usw. gehörig, aber schwerlich direkt auf den σ-Stamm *ἄργος (vgl. auch ἐναργής, -οῦς) zurückzuführen. I-131

ἀργιλιπής (Archil. 160, Beziehung unsicher wegen der schwankenden Überlieferung), ἀργίλιπες pl. (Nik. Th. 213, von ἔχιδναι, nach den Scholl. = ἔκλευκοι, d. h. ‘weißlich’). — Zu ἀργι- in ἀργι-κέραυνος usw. (s. ἀργός) und λιπεῖν, somit eig. "der das Weiße verlassen hat" mit Umstellung der Glieder für *λιπ-αργής, vgl. λιπ-αυγής usw. I-131-132

ἄργιλλα s. ἄργελλα. I-132

ἄργιλλος, ἄργῑλος ‘weißer Ton’ (Arist., Thphr., Opp.), ἄργιλλα f. ‘ds.’ (Gal.). f. Davon ἀργιλ(λ)ώδης ‘tonartig’ (Hdt.usw.). — Wahrscheinlich zur Sippe von 1. ἀργός mit λ-Suffix, vgl. Chantraine Formation 249, Schwyzer 483. Lat. argilla ist griechisches LW. I-132

Ἄργος n. N. mehrerer Städte, von denen die Hauptstadt in Argolis die bekannteste ist (seit Il.). Davon ’Αργεῖοι, sg. -ος ‘Bewohner von Argos’ (seit Il.), — wovon lat. Argīvī nach Achīvī. — Unerklärt, sicher vorgriechisch. v. Windekens L’Ant. class. 19, 400f., Le Pélasgique 18f. usw. erwägt "pelasgische" Herkunft (zu gr. ἀρκέω, lat. arx usw.). I-132

ἀργός 1. ‘weißglänzend’, auch ‘schnell beweglich’ (vgl. aind. r̥jrá- unten; seit Il.). Ableitungen: ἀργαίνω ‘weiß sein’ (E., Opp., Nonn.); ἀργῖτις (ἄμπελος Verg., Plin.); ferner ἀργᾶς, -ᾶ m. (Achae., Aeschin. u. a.), ἀργόλας m. (Suid.), Bez. verschiedener Schlangenarten. — Dazu als EN mit regelmäßig verschobenem Akzent Ἄργος m. (seit Od.) und ’Αργώ f. "die Schnelle", N. eines bekannten mythischen Schiffes (seit Od.). — Neben ἀργός hat es einen neutralen σ-Stamm gegeben, der außer im Kompositum ἐν-αργής in zwei Ableitungen bewahrt ist: 1. ἀργεσ-τής m. Attribut des Südwindes (νότος, Il.), des Westwindes (Ζέφυρος, Hes.) ‘hell, klar’ (in faktitativem Sinne), auch (mit regelmäßig verschobenem Akzent) ’Αργέστης als Name dieses Windes (Arist. usw.); nur Erweiterung von ἀργής bei Nik. Th. 592; 2. ἀργεννός aus *ἀργεσ-νός ‘weißglänzend’, äol. Form (Il.); aus dem Epos von anderen Dichtern (E. in lyr. usw.) übernommen; — dagegen ist ἀργήεις, dor. ἀργάεις, kontr. ἀργᾶς -ᾶντος ‘weißglänzend’ (A. in lyr., Pi., Orph.) nur eine Erweiterung von ἀργής (s. d.), s. Schwyzer 528. — Das als Vorderglied auftretende ἀργι- (s. unten) liegt dem ep. ἀργι-όεις (v. l. ἀργινόεις) zugrunde (Β 647, 656); ἀργινόεις auch A. R. 4, 1607 und AP 7, 23, vgl. noch ’Αργινοῦσσαι, mit demselben ν-Suffix wie in ἀργεννός; zum Ausgang vgl. φαιδιμόεις und andere erweiterte Formen bei Schwyzer 527 Mom. 3. Zum Vorderglied ἀργι- in ἀργί-πους, ἀργι-κέραυνος, ἀργι-όδων usw. stimmt der Funktion und Bedeutung nach aind. r̥ji- in r̥ji-pyá- (vgl. αἰγυπιός). Diesem Vorderglied entspricht als Simplex r̥j-rá- ‘glänzend, schnell’. Da ἀργι- und ἀργός sich auf dieselbe Weise zueinander verhalten, muß ἀργός durch Dissimilation aus *ἀργ-ρός entstanden sein (Wackernagel Verm. Beiträge 8f.; zum Wechsel ι : ρο Schwyzer 447 mit weiterer Lit.). — Das wurzelhafte Element ἀργ-, das in einer Reihe griechischer Wörter vertreten ist (s. ἄργεμον, ἀργής, ἄργυρος usw.), findet sich in zahlreichen anderen Sprachen wieder, z. B. lat. argentum (s. ἄργυρος), aind. árjuna- ‘weiß, licht’, toch. A ārki, B arkwi ‘weiß’, heth. ḫarkiš ‘weiß, hell’, illyr. Flußname Argao (Krahe IF 58, 211f.). Ein anderer Ablaut muß in aind. r̥jrá- und somit auch in ἀργός vorliegen. — Ob ἀργός ‘rasch’ = aind. r̥jrá- ‘ds.’ ein anderes Wort darstellt (zu lat. rego usw., WP. 2, 362f. mit Persson Beitr. 828 A. 1), ist strittig. Nach Bechtel (s. Lex. 57) ist der Begriff des Leuchtens aus dem der schnellen Bewegung geflossen, was an und für sich ohne Zweifel möglich ist. In Anbetracht der weit verbreiteten und offenbar uralten hierhergehörigen Farbwörter müßte es sich dann um eine sehr früh eingetretene Bedeutungsverschiebung handeln, bei der die Vorstellung der Bewegung ganz in den Hintergrund gedrängt wäre. Eher ist von einer ursprünglichen Anschauung auszugehen, der sowohl das Leuchten wie die schnelle Bewegung inhäriert; Pok. 64 nach Schulze Kl. Schr. 124 A. 6. I-132-133

ἀ̄ργός 2. ‘untätig, unwirksam’ (ion. att.). Davon ἀ̄ργία ‘Untätigkeit’, ἀ̄ργέω ‘untätig, unwirksam sein’ (beide ion. att.) und mit rein formaler Erweiterung ἀ̄ργώδης ‘untätig’ (Aesop.). Außerdem ἀ̄ργίς f. "die Unwirksame" = ‘Nacht’ (Orph.) und ἀ̄ργεύομαι = ἀ̄ργέω (Gal.). — Durch Kontraktion aus ἀ-(ϝ)εργός (seit Il.) entstanden, Bahuvrihikompositum von α privativum und (ϝ)έργον (s. d.). I-133

ἄργυρος m. ‘Silber’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen: ἀργύρεος, ἀργυροῦς ‘silbern’ (seit Il.), ἀργύρειος ‘ds.’ (att.), ἀργυρώδης ‘reich an Silber’ (X.). — ἀργύριον ‘Silber(münze), Geld’ (ion. att.; zur Bildung Chantraine Formation 58) mit ἀργυρικός ‘Geld betreffend’ (hell. u. spät). Deminutivbildung, meistens verächtlich, ἀργυρίδιον (Kom , Isok. u. a.). — Ferner ἀργυρίς ‘silbernes Gefäß’ (Pi., Pherekr. usw.), ἀργυρίτης, f. -ῖτις ‘Silber enthaltend’, als Pflanzenname "Silberkraut" (Strömberg Pflanzennamen 26), auch ‘Geld betreffend’ (X., Plb. usw.), ἀργύριος m. Pflanzenname (H.), auch äol. = ἀργύρεος (Alkm.), ἀργυρωταί pl. N. einer Behörde in Sillyon, vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 170. — Denominative Verba: 1. ἀργυρόομαι, -όω ‘mit Silber bedeckt od. versehen werden’, bzw. ‘versilbern’ (Pi., Dialex. usw.) mit dem Verbalnomen ἀργύρωμα ‘Silbergeschirr’ (Lys., Antiph. usw.; kann auch direkt von ἄργυρος gebildet sein), wovon das Deminutivum ἀργυρωμάτιον (Arr.) und das Adj. ἀργυρωματικός (Ephesos). 2. ἀργυρίζομαι ‘Geld erpressen’ (Din., J. usw.) mit ἀργυρισμός (Str., Ph. usw.). 3. ἀργυρεύω ‘nach Silber graben’ (D. S., Str.); unabhängig davon (wohl nach χαλκευτική, vgl. Chantraine Formation 396) ἀργυρευτική f. (sc. τέχνη) ‘Silberschmiedekunst’ (Eustr.). — Öfter als Vorderglied, z. B. ἀργυρό-πεζα (Il. usw.), von Thetis u. a., nach Pisani Rev. ét. anc. 37, 145ff. ‘mit einem Fuß von Silber’ wie kelt. ’Αργεντόκοξος. — ἄργυρος hat eine unmittelbare Entsprechung in messap. argorian (: ἀργύριον) und argora-pandes (aus *arĝuro-pondios? Krahe Sprache 1, 39; s. außerdem Mayer Glotta 24, 192 gegen Ribezzo, der Entlehnung aus dem Griechischen annimmt). Es geht zunächst von demselben u-Stamm aus, der in ἄργυ-φος (s. d.) und weiterhin in aind. árju-na- ‘weiß, licht’, lat. argū-tus usw. vorliegt (dagegen kaum in toch. B ārkwi, s. Pedersen Tocharisch 109, und noch weniger mit Specht Ursprung 114 in ārc-une mit suffixalem -une). Andere Sprachen haben dafür einen n-Stamm, der in lat. argentum klar hervortritt und mit Recht auch in aw. ərəzatəm und aind. rajatám angenommen wird (Vermutungen über den Wechsel bei Specht a. a. O., der aber in seinen Kombinationen weit über das Beweisbare und Wahrscheinliche hinausgeht); wieder anders arm. arcat‘ (wie erkat‘ ‘Eisen’). — Die formale Variation läßt vermuten, daß der Gebrauch des Silbers bei den Indogermanen jedenfalls wenig eingebürgert war, schließt aber dessen Kenntnis nicht aus. Das Germanische, Baltische und Slavische haben ein anderes Wort irgendwoher entlehnt (Silber, lit. sidãbras, aksl. sьrebro usw.). Vgl. Schrader-Nehring Reallex. 2, 394, Ipsen Stand und Aufgaben 228. I-133-134

ἄργυφος ‘weißglänzend’ (Hom.), ἀργύφεος ‘ds.’ (Hom., Hes. usw.). — Von demselben Stamm wie ἄργυ-ρος vermittels des φο-Suffixes gebildet, das u. a. in Farbenadjektiven zu Hause ist, Chantraine Formation 263, Schwyzer 495 m. Lit. Unwahrscheinliche Vermutung über -υ- (äolisch für -ο-?) bei Chantraine Gramm. hom. 1, 25. I-134

ἄρδᾰ f. ‘Schmutz’ (Pherekr. 53). Daneben ἄρδαλος ‘ds.’ (Erot., H.); nach Erot. auch = ἄνθρωπος ὁ μὴ καθαρῶς ζῶν; ἀρδάλους· εἰκαίους H. (?). Vgl. Wörter wie αἴθαλος, πτύαλον (Chantraine Formation 245). Denominatives Verb ἀρδαλόω ‘beschmutzen’ (Hp., LXX u. a.). — Dunkel. Die semantisch mögliche Anknüpfung an ἄ̄ρδω ‘benetzen’ (Curtius 229) wird durch die Kürze des anlautenden ἀ- in ἄρδα erschwert. Der Ausgang ist mehrdeutig: entweder aus -ρδι̯ᾰ (> -ρzδᾰ > -ρδᾰ) oder mit sekundärer Kürzung aus -η nach Schwyzer 476 Mom. 6 (mit weiterer Lit.). I-134

ἄρδις, -ιος f. ‘Pfeilspitze’ (Hdt., A. Pr. 880 [lyr.]), ‘Pfeil’ (Lyk.). Davon ἀρδικός· φαρέτρα H. — Nicht sicher erklärt. Vielleicht zu air. aird (aus *ardi-) ‘Punkt, Spitze, Himmelsrichtung’ (Fick4 2, 19; 1, 356), anord. erta (aus *artjan) ‘aufstacheln, anreizen’, mind. aḷi (aus *aḍi, idg. *r̥di-) ‘Biene, Skorpion’ (Lüders Schriften 429). I-134-135

ἄ̄ρδω (ἀ̄- nach Hdn. Gr. 2, 109) ‘bewässern’ (ion. att.). Ableitung ἀρδμός ‘Tränkplatz’ (ep. seit Il.), erweiterte Form. ἀρδηθμός (Lyk., Nik.; vgl. Chantraine Formation 137, Schwyzer 493). Außerdem ἀρδάνιον ‘Wasserkrug usw.’ (Gramm.), ἀρδάλια· τοὺς πυθμένας τῶν κεραμίδων, οὕς ἔνιοι γοργύρας καλοῦσιν H. — Eine formale Erweiterung ist ἀρδεύω (A. Pr. 852, Arist., hell. u. spät, Schwyzer 732 mit A. 7 m. Lit.) mit mehreren Ableitungen: ἀρδεία ‘Bewässerung’ (Str., Plu. usw.), ἄρδευσις ‘ds.’ (Plb. u. a.) mit ἀρδεύσιμος (H., vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 86); ἀρδευτής m. ‘Bewässerer’ (Man.). Zu bemerken noch das Kompositum νεο-αρδής (Φ 346). — Etymologie unbekannt. Die anlautende Länge will Kretschmer Glotta 3, 294f. aus *ἀ-ϝάρδω erklären mit prothetischem Vokal vor dem Digamma, das durch das Kompositum νεοαρδής nahegelegt wird. Die Anknüpfung an ἐρράδαται (aus *ϝεϝράδαται) mit Curtius u. a. und an lett. werdīt ‘sprudeln’, lit. versmė̃ ‘Quelle’ (Ehrlich Sprachgesch. 30f.) ist kaum haltbar, erstens weil δ in ἐρράδαται (zu ῥαίνω) wahrscheinlich sekundär entstanden ist (Schwyzer 672), zweitens wegen der stark abweichenden Bedeutung der baltischen Wortsippe. — Weitere Literatur bei WP. 1, 148f. und 268f. I-135

Αρέθουσα f. Name verschiedener Quellen, z. B. auf Ithaka (ν 408), vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 186. Davon ’Αρεθούσιος (AP). — Zwei verschiedene Hypothesen sind vorgeschlagen worden : 1. zu ἀρέσκω, ἀρετή als "die Gefällige", vgl. Schönbrunn, ngr. καλοβρύσι (Aly Glotta 5, 57f.); 2. zu idg. *redhō etwa ‘quellen, fließen’, das in mehreren europäischen Flußnamen, z. B. Radantia (> nhd. Rednitz), gespürt werden kann (Krahe PBBeitr. 71, 476f., Beitr. z. Namenforschung 2, 230f.). I-135

ἀρειή f. ‘Verwünschung, Drohung’ (Il.). Davon ἀρειάω ‘drohen’ (Hippon.). Ein stammverwandtes Kompositum ist ἐπήρεια (gemeingr. ), s. d. — Gewöhnlich mit aind. irasyā́ ‘Übelwollen, Neid (?)’ (RV. 5, 40, 7) identifiziert, was nicht unmöglich, aber sowohl wegen der Form als auch der Bedeutung etwas bedenklich ist. Vgl. ἀρή. I-135

ἀρείων ‘besser, tüchtiger, edler’ (Hom. und ältere Poesie), — primärer Komparativ neben dem schwachstufigen Superlativ ἄριστος, s. d. — Die Möglichkeit der von Güntert IF 27, 67 vertretenen Auffassung, ἀρείων sei wie λωΐων u. a. ein unechter Komparativ, der durch Umformung eines Positivs ἄρειος entstanden wäre, hat Seiler Steigerungsformen 116ff. im Prinzip zugegeben, jedoch mit der wesentlichen Abänderung, daß er anstatt des von Güntert angenommenen ἄρειος ‘kriegerisch’ ein gleichlautendes *ἄρειος im Sinn von ‘Vorteil, Nutzen bringend’ (zu ἄρος· ὄφελος H.) anzusetzen geneigt ist. I-135-136

ἀρέσκω, Aor. ἀρέσαι ‘befriedigen, gefallen’ (seit Il.). Vom Präsensstamm: ἄρεσκος ‘gefällig, schmeichlerisch’ (Arist., Thphr.) und auch (nach den zahlreichen Abstrakta auf -εία, vgl. Chantraine Formation 89f.) ἀρεσκεία ‘gefälliges, schmeichelndes Wesen’ (Arist., hell.). Eine retrograde Ableitung von ἀρεσκεία ist ἀρεσκεύομαι ‘sich schmeichlerisch betragen’ (Klearch., Plu., M. Ant.) mit ἀρέσκευμα (Plu., Epikur.) und ἀρεσκευτικός, (M. Ant.). — Vom Verbalstamm: ἄρεσις ‘Gefälligkeit’ (Priene IIa). Ebenso, mit "anorganischem" σ (Schwyzer 503, Chantraine 305), ἀρεστός ‘angenehm, beliebt’ (ion., poet., hell.) und ἀρεστήρ m. "Versöhner", N. eines Opferkuchens zur Sühnung eines Gottes (Inschr., Ael. Dion. u. a.) mit ἀρεστήριος ‘versöhnend’ (D. H.), ἀρεστηρία (θυσία) und ἀρεστήριον (Inschr.); dazu noch ’Αρέστωρ PN (Hes. u. a.) und ἀρέσμιον ‘honorarium’ (Stiris, vgl. Schwyzer 493 A. 10). — Das Präsens ἀρέ-σκω und der Aorist ἀρέ-σαι fußen auf einer zweisilbigen Wurzel, die auch in ἀρείων und ἀρετή (s. d.) vorliegt und eine Wechselform zu dem einsilbigen ἀρ- in ἀραρίσκω, ἀραρεῖν usw. (s. d.) darstellt. Vgl. die Lit. bei Schwyzer 708 A. 8. I-136

ἀρετή f. ‘Tüchtigkeit, Stärke usw.’ (seit Il.). Davon die seltenen Denominativa ἀρετάω ‘gedeihen’ (Od. und späte Prosa) und ἀρετόομαι ‘tüchtig sein’ (Simp.). — Die Bildung von ἀρετή ist nicht ganz klar. Man kann es entweder als eine primäre Bildung von ἀρε- in ἀρέ-σκω, ἀρέ-σαι oder aber, u. zw. wegen der Bedeutung besser, als eine sekundäre Bildung vom Nominalstamm in ἀρε-ίων auffassen. Vgl. die Lit. bei Schwyzer 501; außerdem Prellwitz Glotta 19, 88f. (= "das Gut-sein", Abstraktbildung von idg. *aro-s ‘füglich, gut, passend’; hypothetisch). Anders Brandenstein Archiv Orientální 17 : 1, 81f. (‘Fügung, Fug’, zu ἀραρίσκω). — Zur Bedeutung s. u. a. noch Keyßner Gottesvorstellung und Lebensauffassung im griech. Hymnos, Stuttgart 1932, S. 50 u. 160ff. I-136

ἀρή f. ‘Schaden, Unheil, Verderben’ (Hom., Hes., A. in lyr.). Verwandte Bildungen sind das ep. Partizip ἀ̄ρημένοςβεβλαμμένος’ (Hom.) und ἄρος· βλάβος ἀκούσιον H., mit ἀπ-αρές· ὑγιές H., wohl auch der Göttername Ἄρης, s. d. Wenig wahrscheinlich betrachtet Porzig Satzinhalte 321 ἀρή als eine Neubildung zu ἀ̄ρημένος für das altererbte ἄρος und für ἀρειή. Spekulationen über die Stammbildung (alter -Stamm?) bei Bechtel Lex. — Hierher ἀρειή (s. d.); weitere Beziehungen unsicher, vgl. WP. 1, 151, Pok. 337, Duchesne-Guillemin BSL 41, 155, der toch. A rse etwa ‘Haß’ hinzufügt. Ältere Literatur bei Bq. Verfehlt Ehrlich Sprachgesch. 31f. (aus *ϝαρά zu (ϝ)έρρω, got. wairsiza ‘schlimmer’). I-136-137

ἀρήγω ‘helfen, beistehen (gegen etw.)’, vorwiegend poet. seit Il.; zur Verbreitung usw. s. Erika Kretschmer Glotta 18, 99f. Ableitungen: ἄρηξις ‘Hilfe, Beistand’ (A., S.), ἀρηγών, -όνος m. f. ‘Helfer, -in’ (poet. seit Il.) mit ἀρηγοσύνη ‘Hilfe’ (AP, Epigr.). Mit altem Ablaut ἀρωγή ‘Hilfe, Beistand’ und ἀρωγός, -όν ‘Helfer, helfend’ (beide vorw. poet. seit Il.); Versuch, ἄρηξις und ἀρωγή semantisch zu differenzieren, bei Holt Les noms d’action en -σις 145f. — Nicht sicher erklärt. Wird gewöhnlich mit einer germanischen Wortsippe, ahd. geruohhen, as. rōkjan, awno. rø̄kja usw. ‘Sorge tragen, Rücksicht nehmen’ (mit altem -Vokalismus) verglichen und weiterhin, in der sehr hypothetischen Annahme einer Bedeutungsentwicklung ‘aufrichten’ > ‘Sorge tragen’, zu lat. rego, gr. ὀρέγω (s. d.) usw. gezogen. Die daraus folgende Gleichung ἀρηγών = aind. rā́jā ‘König’ (Schulze Kl. Schr. 172 A. 3 mit Fragezeichen) bleibt aber auch unter dieser Voraussetzung recht zweifelhaft. — Zur Vokalprothese s. Harl KZ 63, 18. I-137

ἀρήν (Gortyn ϝαρήν), Gen. ἀρνός usw., neugebildete Nominative ἀρνός (Aesop.), ἀρής, ἄρνον (Pap.) ‘Schaf, Lamm’ (seit Il.). Ableitungen: ἄρνειος ‘vom Schaf od. Lamm’ (ion. att.), wie αἴγειος, βόειος usw. (Chantraine Formation 50f.); ἀρνέα f. ‘Schaffell, -pelz’ (Hdn.), ‘Schafzucht’ (POxy. 2, 297, 8; richtig übersetzt?) wie αἰγέα usw. (Chantraine 91); ἀρνεῖον ‘Metzgerei’ (Didym.), wie κναφεῖον usw. (Chantraine 61). Deminutivum ἀρνίον ‘Lämmchen’, auch ‘Schaffell’ (Lys.usw.); volkstümliche Erweiterung ἄριχα (Akk.)· ἄρρεν πρόβατον H., βάριχοι (= ϝ-)· ἄρνες H. (Chantraine 403). — Außerdem ἀρνακίς ‘Schafpelz’ (Ar., Pl., Theok. usw.), wohl haplologisches Femininum von *ἀρνό-νακος (adj. Bahuvrihi von νάκη; Schwyzer 263). — Fraglich dagegen ἀρνειός, ἀρνευτήρ (s. d.). Vgl. noch *ῥήν, das aus Komposita wie πολύ-ρρην (aus *πολύ-ϝρην) herausgelöst werden kann (zur Form des Hintergliedes s. Sommer Nominalkomp. 66ff.). — ἀρήν, aus ϝαρήν, ist mit arm. gaṙn, -in (n-Stamm) ‘Lamm’ identisch. Eine Erweiterung davon liegt vor in aind. úraṇ-a- m. ‘Widder, Lamm’, falls aus *u̯uraṇa- (Hübschmann Pers. Studien 150 A. 2); ebenso in npers. barra ‘Lamm’ aus *u̯arnāka, vgl. mpers. varak ‘Widder’; idg. *u̯r̥ren-. Entfernter damit verwandt ist lat. vervēx ‘Hammel’. Alle diese Wörter kommen Ableitungen eines Wortes für ‘Wolle’ sein, das in aind. ura-bhra- m. ‘Widder’ (eig. "Wollträger"?) vermutet worden ist. In Betracht kommt noch εἶρος ‘Wolle’ aus *ἔρϝος, falls aus *ϝέρϝος dissimiliert, s. d. I-137-138

Ἄρης, Ἄρεως usw. (zur Flexion Schwyzer 576), böot. lesb. Ἄρευς, der griech. Kriegsgott, auch Rache- und Schwurgott (Arkadien, Athen usw., s. Kretschmer Glotta 11, 195ff.), metonymisch für ‘Krieg’ (Trümpy Fachausdrücke 152f.). Davon das Femininum Ἄρεια in ark. τὰνΑθάναν τὰν Ἄρειαν und das Adjektiv Ἄρειος, ion. ’Αρήϊος, lesb. ’Αρεύϊος (Ζεὺς Ἄρειος Epirus, Ἄρειος πάγος Athen). Außerdem der Name ’Αρητάδης (Bechtel Namenstud. 11). — Vgl. noch Kretschmer Glotta 15, 197. Wahrscheinlich mit den alten Grammatikern und Lexikographen (z. B. EM 140) zu ἀρή ‘Schaden, Unheil, Verderben’, vgl. noch mit Schulze Q. 454ff. ἄρος· βλάβος ἀκούσιον H. Die Stammbildung ist indessen noch nicht aufgeklärt: weder der Versuch von Schulze l. c., die verschiedenen Flexionsformen auf verschiedene Stammformen zurückzuführen, noch die Hypothese Bechtels l. c., darin (wie in ἀρή) einen alten -Stamm zu sehen, kann als überzeugend betrachtet werden. — Verfehlt Fennell ClassRev. 13, 306; Ehrlich KZ 38, 90ff. I-138

ἀρθμός s. ἀραρίσκω. I-138

ἄρθρον n. ‘Glied, Gelenk’, auch als grammatischer Terminus ‘Glied, Artikel’ (Hdt., Hp., S., E., Arist. usw.). Ableitungen: ἀρθρῖτις (νόσος) ‘Gicht’ (Hp. usw.) mit ἀρθριτικός (Hp., Gal. usw.; auch direkt auf ἄρθρον zu beziehen); ἀρθρικός ‘zum Gelenk, zum Artikel gehörig’ (Gal., Gramm.); ἀρθρώδης ‘mit Gliedern versehen’ (X., Arist., Gal.) mit ἀρθρωδία (Gal.). Denominatives Verb: ἀρθρόομαι, -όω ‘gegliedert sein, gliedern’ (Hp., Hermipp., X. usw.) mit ἄρθρωσις ‘Gliederung’ (Phld., Str. u. a.). — Von ἀρ- in ἀραρίσκω usw. (s. d.) mittels des θρο-Suffixes (Schwyzer 533, Chantraine 374). I-138

ἀρι- untrennbares verstärkendes Präfix ‘gut, sehr’ (vorw. poetisch seit Il.) in ἀρί-γνωτος, -δείκετος, -πρεπής usw. — Wohl zu ἄριστος (s. d.) usw. — Die verlockende Gleichung mit aind. ari- in ved. ari-gūrtá-, ari-ṣtutá- (Reuter KZ 31, 594 A. 1, Neisser Zum Wörterbuch des RV 1, 98ff., 2, 19ff.) hängt von der Bedeutung des umstrittenen aind. Präfixes ab; außerdem kommt dafür auch das synonyme ἐρι- in Betracht. — Gegen die Zusammenstellung mit aind. ari- m. ‘Fremder, Fremdling’ (Thieme Der Fremdling im R̥gveda 159ff.) mit Recht Specht KZ 68, 42f. I-138

ἀρι-δείκετος ‘hochberühmt’ (ep. seit Il.), — wahrscheinlich nicht zu δείκνυμι, sondern mit metrischer Dehnung für *ἀρι-δέκετος (Schulze Q. 242), thematisches Verbaladjektiv bzw. Zusammenbildung auf -ετο- von δεκ-, s. δηδέχαται. I-138-139

ἀρί-ζηλος ep. (seit Il.) für ἀρί-δηλος ‘sehr deutlich, leicht erkennbar’. — Nach Fick 1, 454 und Schulze Q. 244 A. 1 (vgl. noch Bechtel Lex. s. v.) aus *-δι̯ηλος zu δέατο usw., s. d. Wohlbegründeter Zweifel an dieser Erklärung bei Shipp Studies 50ff. I-139

ἀριθμός ‘Zahl, Anzahl, Zählung’ (allg. seit Od.); durch Metathese ἀμιθρός, -έω (ion., vgl. Schwyzer 268). m. Nominale Ableitung ἀρίθμιος ‘zur Zahl gehörig’ (spät). Denominatives Verb ἀριθμέω ‘zählen’ (seit Il.) mit den Nomina actionis ἀρίθμημα (A., Secund.), ἀρίθμησις (ion. hell.) ‘Zählung’ (vgl. Holt Les noms d’action en -σις 126) und dem Adjektiv ἀριθμητικός ‘zur Zählung gehörig’, vorw. als t. t. ‘arithmetisch’ (Pl., Archyt., Arist. usw.); ferner das Nomen agentis ἀριθμητής ([Pl.] Just. 373b neben μετρητής). — Ableitung auf -θμο- des in νήρι-τος ‘zahllos’ vorliegenden Wurzelelements ἀρι-; vgl. noch die PN ’Επήριτος, ark. Πεδάριτος und das ark. Appellativum ’Επάριτοι ‘die Auserlesenen’, Wackernagel Unt. 250 m. Lit., Philol. 86, 133ff. — Außergriechische Beziehungen unsicher; man vergleicht die germ. Sippe awno. rīm n. ‘Rechnung’, ahd. rīm m. ‘Reihe(nfolge), Zahl’, air. rīm ‘Zahl’; außerdem noch lat. rītus ‘Gebrauch, Sitte usw.’, die alle auf eine Wurzel rī- zurückführen, von der also gr. ἀρι- eine (vokalprothetische?) Variante darstellen würde. I-139

ἀρίς 1. -ίδος f. ‘Drillbohrer’ (Hp., Kall. Kom. usw.); — term. techn. unbekannter Herkunft. Die Bildungsweise ist dieselbe wie in ἀκίς, δοκίς, σανίς usw. (Chantraine Formation 337, Schwyzer 465). I-139

ἀρίς 2. -ίδος f. Pflanzenname, ‘δρακοντία μικρά’ (Ps.-Dsk., Gal. u. a.). — Deminutivum von ἄρον; vgl. auch ἀρίσαρον. I-139

ἀρίσαρον n. Pflanzenname, ‘Arisarum vulgare’ (Dsk.). — Hängt irgendwie mit ἄρον (s. d.) zusammen und scheint den Ausgang von ἄσαρον und anderen Pflanzennamen bezogen zu haben (Strömberg Pflanzennamen 157f.); die Einzelheiten bleiben dunkel. I-139

ἀριστερός ‘der linke, links’ (seit Il.), — mit dem kontrastbildenden (differenzierenden; vgl. Benveniste Noms d’agent 115ff.) Suffix -τερο- zum selben Grundwort wie ἄρισ-τος. Davon der Pflanzenname ἀριστερεών (Plin., Ael.) = περιστερεών und Umbildung nach diesem; s. Strömberg Pflanzennamen 153.251f. — Die linke Seite wurde ursprünglich als glückverheißend aufgefaßt; so auch in lat. sinister, ahd. winister, aw. vairyastāra- ‘links’ (sofern nicht ein uralter Euphemismus vorliegt). Für die Griechen waren die linksseitigen Omina ungünstig. Zum Problem im allg. s. J. Cuillandre La droite et la gauche dans les poèmes homériques. Paris 1944. — Anders über ἀριστερός, wenig überzeugend, Ribezzo RIGI 9, I-139-140

ἄ̄ριστον n. ‘Frühstück’, in der klass. Zeit am Mittag eingenommen, "déjeuner" (seit Il.). Davon zwei Denominativa: 1. ἀ̄ριστάω ‘frühstücken’ (ion. att.) mit ἀριστητής ‘Frühstücker’, d. h. der zweimal täglich ißt (Hp.), ἀριστητικός ‘der das Frühstück liebt’ (Eup.), ἀριστητήριον ‘Refektorium’ (BCH 15, 184). 2. ἀριστίζω ‘mit einem Frühstück bewirten’ (Ar. usw.), -ίζομαι ‘frühstücken’ (Hp.); zur Bedeutung Schwyzer 736. — Eig. "Frühessen", Zusammenbildung aus einem Lokativ ἆρι (aus *αἴερ-ι, s. ἦρι) und der Schwundstufe der Wurzel ἐδ- ‘essen’ (s. ἐσθίω) vermittels eines το-Suffixes: *αἰερι-δ-τον; näheres Bechtel Lex. s. v. I-140

ἄριστος ‘der beste, erste, vornehmste’ (seit Il.). Davon ἀριστίνδην Adv. ‘nach Geburt und Rang’ (att. usw.; zur Bildung Schwyzer 627), woraus durch Substantivierung ἀριστίνδᾱς m. (Sparta). — Eine substantivierende Umbildung nach den Berufsnamen auf -εύς (βασιλεύς usw.) bzw. Rückbildung aus ἀριστεύειν (Leumann Hom. Wörter 138 mit Boßhardt Die Nomina auf -ευς 25) ist ἀριστεύς, vorw. Plural, Hom. ἀριστῆες ‘optimates’ (seit Il., vgl. Schwyzer 476). Von ἀριστεύς oder direkt von ἄριστος (vgl. Schwyzer 732) kommt ἀριστεύω ‘der erste usw. sein, sich auszeichnen’ (seit Il.) mit ἀριστεία f. ‘Heldentat’ (Gorg., Pl., S. usw.) und ἀριστευτικός ‘auf den ἀριστεύς, bzw. das ἀριστεύειν bezüglich’ (Max. Tyr., Plu.), die auch von ἀριστεύς ausgehen können (vgl. Chantraine Formation 88ff., 396). Ebenso ἀριστεῖα, ion. ἀριστήϊα n. pl. ‘Heldenlohn, Siegespreis’, selten sg. ἀριστεῖον. Dagegen ἀριστεῖος ‘zu den ἄριστοι gehörig’ (D. H., Plu.) direkt von ἄριστος, vgl. Chantraine 52. — Späte Bildungen von ἀριστεύω sind ἀριστευτής m. ‘Verbesserer’ (Secund.) und ἀρίστευμα ‘Heldentat’ (Eust., Gp.). — Zahlreiche Eigennamen: ’Αρίστων, ’Αριστίων u. a. — ἄριστος gehört als primärer Superlativ zum hochstufigen Komparativ ἀρείων (s. d.). Als Verwandte kommen in erster Linie in Betracht das Präfix ἀρι- und das Nomen ἀρετή. Weitere Beziehung zu ἀραρίσκω (Güntert IF 27, 58) bleibt hypothetisch; vgl. noch Schwyzer 538 A. 11. I-140

ἄριχα s. ἀρήν. I-140

ἀριχάομαι s. ἀναρριχάομαι. I-140

ἀρκάνη · τὸ ῥάμμα ᾧ τὸν στήμονα ἐγκαταπλέκουσι διαζόμεναι H. — Seit Curtius 341 zu ἄρκυς (s. d.) gezogen mit demselben Suffix wie in δρεπάνη, καπάνη, θηγάνη und anderen Gerätenamen (Chantraine Formation 198f., Schwyzer 489f.). Vgl. noch ἄρκευθος. I-140-141

Αρκάς, ’Αρκάδες pl. Volksname, vgl. s. ἄρκτος. I-141

ἄρκευθος f. ‘Wacholder, Juniperus’ (Hp., Theok., Thphr. usw.). Davon ἀρκευθίς, -ίδος f. ‘Wacholderbeere’ (Hp., Thphr. usw.) mit ἀρκευθιδίτης (οἶνος) ‘Wein aus Wacholderbeeren’ (Dsk. 5, 46 ed. Sprengel, vgl. Redard Les noms grecs en -της 95); Adj. ἀρκεύθινος ‘aus ἄ.’ (LXX, Dsk.). — Wegen der zum Flechten verwendbaren Zweige vielleicht nach Lidén IF 18, 507f. zu ἄρκυς ‘Netz’ mit griechischer θ-Erweiterung eines u-Stamms (vgl. Chantraine Formation 368, Schwyzer 510f.). Jedenfalls nicht besser mit Persson Beitr. 964 (nach Endzelin KZ 44, 59ff.) zu lett. (r)zis ‘Wacholder’, aind. r̥kṣara- m. ‘Spitze, Dorn’. Fremder Ursprung ist natürlich keineswegs ausgeschlossen. I-141

ἀρκέω, Fut. ἀρκέσω, Aor. ἀρκέσ(σ)αι ‘abwehren, helfen; genügen, hinreichen’ (seit Il.). Davon die Verbalnomina ἄρκεσις ‘Hilfe’ (S., Thera) mit ἀρκέσιμος ‘helfend’ (Syrien; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 93) und ἄρκεσμα H. (als Erklärung von ἄρκος). Auch ἄρκος n. ‘Abwehr’ (Alk., H.), das wie ein Grundwort von ἀρκέω aussieht, ist vielmehr wegen der geringen Verbreitung eine (postverbale) Ableitung davon. — Unklar ist dagegen die Bildung, z. T. auch die Bedeutungsentwicklung von ἄρκιος (ep. seit Il.), ursprünglich wohl ‘zuverlässig, sicher’, aber auch (sekundär nach ἀρκέω?) ‘hinreichend, genügend’, vgl. Buttmann Lexilogus 2, 35ff., Perrotta Studitfilclass. 4, 253; vielleicht ist von einem primären Verb oder einem Wurzelnomen unbekannten Sinnes auszugehen. — Vgl. noch ποδάρκης. — Da ἀρκέω kaum als ein Denominativum von ἄρκος anzusehen ist (s. oben), steht nichts im Wege, es mit lat. arceo ‘verschließen, abwehren’ gleichzusetzen. Aus anderen Sprachen gehört hierher das armen. Verbalnomen argel ‘Hindernis’; unsicher dagegen das primäre hethitische Verb ḫark- ‘halten, haben’ (s. Friedrich Heth. Wb. 56); noch zweifelhafter lit. rãktas ‘Schlüssel’, ahd. rigil ‘Riegel’. Näheres bei Pok. 65f. mit weiterer Literatur. I-141

ἄρκτος f. (m.), jüngere Form mit Erleichterung der Konsonantengruppe, evtl. unter volksetymologischem Anschluß an ἀρκέω, ἄρκος m. f. (seit LXX) ‘Bär, Bärin’, auch als N. eines Sternbildes ‘Ursa maior’, ‘der Norden’ (seit Il.; vgl. Scherer Gestirnnamen 131ff.). Deminutive Ableitungen: ἀρκτύλος (Poll.), ἄρκυλλος (Sch. Opp.), ἄρκιλος (Eust.); letzteres nach Bechtel Dial. 2, 780f. auch zu lesen bei H. für ἄρκηλα· ... Κρῆτες τὴν ὕστριχα (= ‘Igel, Stachelschwein’); aber ἄρκηλος ist auch überliefert bei Kallix. und Ael., und zwar im Sinne von ‘Pantherjunges, Art Panther’. — Auch die übrigen Ableitungen, die sich vorwiegend auf das Sternbild und den Norden beziehen, sind ziemlich sparsam belegt: ἀρκτικός ‘nördlich’ (Arist. usw.), okkasionell ‘zum Bären gehörig’ (Pap.); ἀρκτῷος ‘ds.’ (Luk., Lib., Nonn.; nach ἑῷος von ἕως); ἄρκ(τ)ειος ‘zum Bären gehörig’ (Dsk., D. Chr. usw.; nach αἴγειος, βόειος usw.); ἀρκτῆ (aus -έη) f. ‘Bärenfell’ (Anaxandr.; nach παρδαλέη usw.); ἄρκτιος ‘nördlich’ (Nonn.), ἄρκτιον n. Pflanzenname, ‘Inula candida’ (Dsk., Nik., Plin.; nach dem Bären genannt, s. Strömberg Pflanzennamen 118). — Denominatives Verb ἀρκτεύω, -εύομαι ‘als Bärin (im Dienst der Artemis Brauronia) auftreten’ (Lys., Sch. Ar. Lys. 645). — Ob der Volksname ’Αρκάδες als "Bärenmänner" hierhergehört, ist dagegen sehr zweifelhaft, s. Sommer A. u. Sprw. 63f. m. Lit. u. Kritik anderer Ansichten. — ἄρκτος ist der griechische Vertreter einer alten Bezeichnung des Bären, die in einer Reihe idg. Sprachen erhalten ist: aind. ŕ̥kṣa-, aw. arša-, arm. arǰ, lat. ursus, kelt., z. B. mir. art. Unsicher dagegen heth. ḫartagga- N. eines Raubtiers. Im Germanischen und Baltisch-Slavischen wurde der alte Name durch Tabu von anderen Bezeichnungen verdrängt; vgl. darüber zuletzt Emeneau Lang. 24, 56ff. Daß der alte Name des Bären, gr. ἄρκτος usw., seinerseits auf dieselbe Weise in uralter Zeit entstand, ist sehr wahrscheinlich. Die alte Deutung als "Zerstörer, Schädiger" (zu aind. rákṣas- n. ‘Zerstörung, Beschädigung’, aw. raš- ‘beschädigen’; so zuletzt Specht KZ 66, 27, Ursprung 7 u. 37) ist lautlich haltbar, sofern man rákṣas- von ἐρέχθω (s. d.) trennen will. — Ältere Literatur bei WP. 1, 322. I-141-142

ἄρκυς, -υος f., meist im Plur., ‘Netz’ (ion. att.), ἄρκυον ‘ds.’ (EM, nach δίκτυον), außerdem ἄρκυλον· δίκτυον H. — Keine weiteren Ableitungen. — Nicht sicher gedeutet. Nach Lidén IF 18, 507f. als "das Geflochtene, das Gewobene" mit ἄρκευθος und ἀρκάνη (s. dd.) zum slavischen Wort für ‘Weide’, russ. rokíta, serb. ràkita, slovak. rakýta usw., urslav. *orkytā, idg. *arqū-tā, wozu nach Bezzenberger BB 21, 295 A. 1 noch lett. érkuls ‘die Spindel, das Ärmchen am Spinnrade, darum der Flachs gewickelt wird’. Dagegen kaum hierher ἀράχνη usw. (Walter KZ 12, 377 usw.; s. Curtius 341). — Es liegt kein Anlaß vor, mit Grimme Glotta 14, 17 ἄρκυς und ἀρκάνη als orientalische Lehnwörter zu betrachten. — Ältere Literatur bei Bq. S. auch ἀφάρκη. I-142

ἅρμα 1. n. (pl.) ‘Wagen’, bes. ‘Streitwagen’, ‘Gespann’ (vorw. poet. seit Il.; zum Gebrauch bei Hom. Delebecque Cheval 170f.). Davon ἁρμάτειος ‘zum (Streit)wagen gehörig’ (E., X. usw.; vgl. Chantraine Formation 52), ἁρματόεις ‘ds.’ (Kritias), ἁρματίτης ‘im Wagen fahrend’ (Philostr., Pap., vgl. Redard Les noms grecs en -της 111), Demin. ἁρμάτιον (Gloss.). Zwei okkasionelle Denominativa: ἁρματεύω ‘einen Wagen treiben, fahren’ (E. Or. 994), ἁρματίζομαι ‘in einen Wagen hinstellen’ (Lyk.). ? Zu ἅρμα als Hinterglied s. Sommer Nominalkomp. 11ff. — Verbalnomen von ἀρ- ‘fügen’ in ἀραρίσκω; wegen des Spiritus asper ist vielleicht ein ursprüngliches Suffix -σμα anzunehmen (Schwyzer 523, Chantraine Formation 175); der Spiritus asper findet sich indessen auch in den übrigen Bildungen mit μ-Suffix : ἁρμός, ἁρμόζω, ἁρμονία, ἁρμαλιά; vgl. dazu Meillet MSL 10, 140 A. 1, Sommer Lautst. 133ff. — Die außergriechischen zahlreichen Wörter mit m-Suffix von ar- ‘fügen’, z. B. lat. arma pl. ‘Waffen, Rüstung’, armentum ‘Herde, Großvieh’ (formal zu ἅρμα stimmend, aber davon unabhängig gebildet), arm. y-armar ‘passend, angemessen’; mit anderem Ablaut aind. īrmá- m. ‘Vorderbug’, lat. armus m. ‘der oberste Teil des Oberarms’, got. arms ‘Arm’ usw., haben für das Verständnis der griechischen Wörter kein unmittelbares Interesse. — Bănăt̨eanu REIE 3, 138f. hält ohne Grund ἅρμα ebenso wie die meisten anderen gr. Wörter für ‘Wagen’ für kleinasiatisch. I-142-143

ἄρμα 2. n. ‘Speise, Nahrung’, nach Hellad. ap. Phot. p. 533 B von Hp. benutzt; im Plur. schwach bezeugte v. l. (für ἅρμενα) bei Hes. Th. 639. — Falls überhaupt richtig, entweder zu αἴρω, -ομαι im Sinn von ‘ergreifen, zu sich nehmen’ (φορβὰν ἱερᾶς γᾶς σπόρον ... αἴρων S. Ph. 707) oder zu ἀραρίσκω, vgl. ἄρμενα im Sinn von ‘Speise’ und ἁρμαλιά. — Außerdem bei H. als Erklärung von νωγαλεύματα ἢ νωγαλίσματα· τὰ κατὰ λεπτὸν ἐδέσματα. οἱ δὲ τὰ μὴ εἰς χορτασίαν, ἀλλὰ τρυφερὰ ἄρματα, womit ngr. (Pont., Kapp.) ἄρματα ‘weiblicher Schmuck’ zu vergleichen ist (Kukules ’Αρχ. ’Εφ. 27, 61ff.). I-143

ἁρμαλά Daneben ἁρμαρά (Pap.). Pflanzenname, ‘Raute’, = πήγανον ἄγριον (Dsk.); nach Ps.-Dsk. 3, 45 syrisch für πήγανον κηπαῖον. — Aus dem Semitischen, vgl. arab. harmal ‘Raute’. I-143

ἁρμαλιά f. ‘zugeteilte Nahrung, Speise’ (Hes., Theok., A. R., Pap.). Daneben, im Vokal nach ἁρμόζω usw. umgebildet, αρμολια, -εα (Pap.), außerdem ἄρμωλα· ἀρτύματα. ’Αρκάδες H., das im Suffix mit ἁρμαλιά ablauten kann, s. Hoffmann Dial. 1, 101, Bechtel Dial. 1, 388. Die übrigen bei H. überlieferten Formen, ἀρμόγαλα· τὰ ἀρτύματα. Ταραντῖνοι (an falscher Stelle) und ἀρμώμαλα (s. ἄρμωλα) können schwerlich richtig sein. Kühne Erklärungsversuche bei v. Blumenthal Hesychst. 26. — Zu notieren noch das denominative ἡρμαλώσατο· ἔλαβεν H. — ἁρμαλιά enthält ein suffixales Element -μαλ-, das seinerseits aus einem μ-Suffix erweitert sein kann (Frisk Eranos 41 50ff.) Der dadurch gewonnene Anschluß an ἁρμός usw. leuchtet semantisch nicht unmittelbar ein; vgl. indessen ἄρμενα im Sinn von ‘Speise’. Scheller Oxytonierung 88, wo näheres über die Bildung, erinnert noch an 2. ἄρμα ‘Speise, Nahrung’. Zu den Bildungen auf -ιά noch Chantraine Formation 82 und Schwyzer 469 und 483. I-143-144

ἄρμενα n. pl. (selten sg.) ‘Segel, Takelwerk; Werkzeuge, Instrumente; Speise’ (ep. ion. seit Hes.), eig. ‘das Ausgerüstete, Ausrüstung’, Substantivierung von ἄρμενος, s. ἀραρίσκω. Davon ἀρμενίζω ‘segeln’ (Gloss.), ngr. auch ‘besorgen, leiden u. a.’ (Papageorgiou ’Αθ. 24, 459ff). — Die Auffassung Leumanns Hom. Wörter 311, nach der ἄρμενον, -α aus einem homerischen Dichterausdruck entwickelt wäre, ist kaum zu halten. I-144

ἁρμόζω, att. -όττω, Aor. ἁρμόσαι, dor. ἁομόξαι, ‘zusammenfügen, -passen, verbinden’ (seit Il.). Ableitungen: ἁρμοστής, dor. -τήρ m. Amtstitel, insbes. der spartanischen Statthalter in den von Sparta abhängigen Städten (Inschr., Th., X. usw.), ἁρμόστωρ (ναυβατῶν A. Eu. 456) etwa ‘Befehlshaber’, vgl. Benveniste Noms d’agent 31 und 45, außerdem die seltenen Nomina agentis ἅρμοσμα ‘zusammengefügtes Werk’ (E. Hel. 411), ἅρμοσις ‘das Stimmen eines Instruments’ (Phryn., Theol. Ar.) mit ἁρμοστικός (Theol. Ar.). — Daneben, mit -γ- (vgl. dor. ἅρμοξα, ἅρμοκται) : ἁρμογή ‘Zusammenfügung’, vorw. als term. techn. der Literatur, der Musik, der Medizin, der Malerei (Eup., Plb., D. H. usw.). — Seiner Bildung nach ist ἁρμόζω ein denominatives Verb, dessen genauer Ausgangspunkt allerdings unbekannt ist. Das darin enthaltene μ-Suffix erscheint u. a. in ἁρμός ‘Fuge, Gelenk, Nagel’ (S., E., Ph. Mech. usw.) mit dem lokativischen Adverb ἁρμοῖ ‘soeben, jüngst’ (A., Pi., Hp. usw.; vgl. Persson Eranos 20, 82ff.) und in ἁρμόδιος ‘zusammenpassend, angemessen, bequem’ (seit Thgn.), dessen -δ- von dem -ζ- in ἁρμόζω schwerlich zu trennen ist. Vgl. noch ἁρμοίματα· ἀρτύματα H. und Schwyzer 467 A. 4; außerdem Specht Ursprung 340. Weitere Verwandte s. 1. ἅρμα und ἀραρίσκω. I-144

ἁρμονία f. ‘Fügung, Fuge, Bund, Ordnung usw.’, oft als musikal. term. techn. (seit Il.; zur Bedeutung im allg. s. Porzig Satzinhalte 209f.; ausführlich B. Meyer ‘Αρμονία. Bedeutungsgeschichte von Homer bis Platon. Zür.-Diss. Freiburg [Schweiz] 1932). Davon (nach den Adjektiven auf -ικός) in musikalischem Sinne ἁρμονικός (Pl. usw.); außerdem die seltenen ἁρμόνιος, -ίως ‘passend, harmonisch’ (LXX, J., Ph. usw.), ἁρμονιώδης (Sokr. Ep.). — Denominatives Verb ἁρμονίζω ‘zusammenfügen, bilden’ (AP). — Das Adjektivabstraktum ἁρμον-ία (zur Bildung im allg. Schwyzer 468f., Chantraine Formation 78f.) setzt ein Adjektiv ἅρμων voraus, das nur als EN belegt ist und als solches im Patronymikon ‘Αρμονίδης (Ε 60) enthalten ist. Es liegt außerdem als Hinterglied im Kompositum βητ-άρμων ‘Tänzer’ (θ 250, 383; s. d.) vor und kann auch als Grundlage von ἁρμόσυνοι vermutet werden, nach H. ἀρχή τις ἐν Λακεδαίμονι ἐπὶ τῆς εὐκοσμίας τῶν γυναικῶν. Es ist wie 1. ἅρμα (s. d.) von ἀρ- ‘fügen’ mittels eines Suffixes -men-, mon- abgeleitet. — Vgl. ἀραρίσκω. I-144-145

ἁρμός s. ἁρμόζω. I-145

ἄρμυλα · ὑποδήματα. Κύπριοι H. — Die Ähnlichkeit mit ἀρβύλη (s. d.) kann natürlich nicht zufällig sein. Entweder haben wir es mit verschiedener Wiedergabe ein und desselben Fremdwortes zu tun oder ist ἄρμυλα aus ἀρβύλη durch volksetymologische Angleichung an die Sippe ἁρμόζω usw. entstanden. Alter indogerm. Suffixwechsel β : μ (Specht Ursprung 269) ist selbstverständlich ausgeschlossen. I-145

ἀρνακίς s. ἀρήν. I-145

ἀρνειός, richtiger ἀρνηός (s. unten), att. ἀρνεώς m. ‘Schafbock, Widder’ (seit Il.). Att. ἀρνεώς läßt auf ein ursprüngliches ionisches ἀρνηός schließen, das in der Homerüberlieferung von ἀρνειός verdrängt wäre (Wackernagel Akzent 32). — Fem. pl. ἀρνηάδες, -άδων (äol., Del.3 644, 15); dazu ἀρνηΐς, -ΐδος f. Name eines Festes in Argos (Ael.). Hierher auch ’Αρνιάδᾱς (Kerk., Thumb IF 9, 302). — Seit alters zu (ϝ)ἀρήν gezogen, wobei die digammalose Form mit Meister HK 200 als ein Element der lebenden Sprache der Dichter gegenüber dem traditionellen ϝαρήν zu erklären ist. Sowohl wegen des fehlenden Digamma wie wegen der Bedeutung hat aber Meillet IF 5, 328f., wahrscheinlich richtig, ἀρνειός aus *ἀρσνειός (d. h. *ἀρσν-ηϝός), zu ἄρσην, als das männliche Tier erklärt, vgl. ὄϊν ἀρνειόν im Gegensatz zu θῆλυν κ 572. Näheres über die Wortbildung Bechtel Lex.; zur Bedeutung Benveniste BSL 45, 103. S. auch ἀρνευτήρ. I-145

ἀρνέομαι, Aor. ἀρνήσασθαι ‘leugnen, verneinen, abschlagen’ (seit Il.). Ableitungen: ἄρνησις ‘das Leugnen, die Verneinung; die Negation’ (Trag., Pl., D., Gramm.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 146f. u. a.) mit ἀρνήσιμος (S.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 81; nach ἀμφισβητήσιμος?) und ἀρνητικός ‘verneinend, negativ’ (Chrysipp., Numen. usw.). Außerdem die wahrscheinlich postverbalen ἄπ-αρνος und ἔξ-αρνος (ion. att.) von ἀπ-, ἐξ-αρνέομαι. — Nicht sicher erklärt. Die Zusammenstellung mit arm. uranam ‘verneinen’ (Bugge Beitr. zur etym. Erläuterung d. arm. Sprache 38f.) hat Meillet BSL 26, 19f. wieder aufgenommen. Sie setzt einen Ablautswechsel ar : ōr voraus (arm. uranam kann aus idg. *ōr- entstanden sein, muß es aber nicht). Kühne Hypothesen bei Mayrhofer KZ 71, 75ff. (: zu aw. rah- ‘abtrünnig sein’, intens. rārəšyeiti, kaus. rā̊ŋhayeiti [?]) und bei Müller-Graupa PhilWoch. 61, 43ff., 91ff., 167 (: zu ἀρήν ‘Bock’ [?]). I-145-146

ἀρνευτήρ, -ῆρος m. ‘Taucher’, auch als Vogelname (Hom., Arat., H., auch Hdt. durch Entlehnung aus dem Epos, Fraenkel Nom. ag. 1, 207). Ableitung ἀρνευτήρια n. pl. ‘Taucherkünste’ (Arat.). — Daneben die jüngere Bildung ἀρνευτής m. als Epithet eines Fisches (Numen. ap. Ath., Eust.; vgl. Strömberg Fischnamen 50 m. Lit.). — ἀρνευτήρ setzt als Nom. agentis zunächst ein Verb ἀρνεύω voraus, das tatsächlich bei Lykophron belegt ist; ob alte Bildung oder aus ἀρνευτήρ von neuem rückgebildet (so Fraenkel Nom. ag. 1, 9f.), sei dahingestellt. Die antike Herleitung aus ἀρήν (Sch. AT zu Μ 385: ἀρνευτὴρ ὁ κυβιστήρ, παρὰ τοὺς ἄρνας· οὗτοι γὰρ κυβιστῶσιν ὥσπερ τὸν ἀέρα κυρίττοντες) dürfte im Prinzip richtig sein; nur ist das Grundwort nicht ἀρήν, sondern ἀρνειός (s. d.) aus *ἀρσνηϝός; ἀρνεύω also eig. ‘mache einen Bocksprung’. Ein Zwischenglied *ἀρνεύς vorauszusetzen (Bechtel Lex. 63), ist in Anbetracht der stark produktiven Verba auf -εύω nicht notwendig; vgl. Fraenkel a. a. O. I-146

ἄρνυμαι, Aor. ἀρέσθαι ‘erlangen, erwerben, gewinnen’ (vorw. poet. seit Il.). Verbalnomen ἄρος n. ‘Nutzen’ (A. Supp. 885, Lesung zweifelhaft; H., Eust.). Aus dem Ausdruck μισθὸν ἄρνυσθαι ist das Kompositum μισθαρνέω ‘um Lohn dienen’ (ion. att.) erwachsen; das vermittelnde Nomen μίσθαρνος (μισθάρνης) ist tatsächlich bei Poll. 4, 48 und bei H. s. v. πελάται (bzw. Phot., H., Suid.) belegt, aber vielleicht trotzdem als postverbal zu betrachten. — ἄρνυμαι ist ein altes schwachstufiges νυ-Präsens (s. Schwyzer 696), das in arm. aṙnum (Aor. aṙi) ‘nehmen’ sein genaues Gegenstück hat und auch in aw. ərənav- ‘gewähren, zuweisen’, heth. arnuzi ‘hin-, herbringen’ vorliegen kann (falls nicht zu ὄρνυμι, aind. r̥ṇóti; s. die Lit. bei Friedrich Heth. Wb. s. v.). I-146

ἄροκλον = φιάλη (Nik.Fr. 129). — Unerklärt. I-146

ἄρον n. Pflanzenname, ‘Arum, Natterwurz, Art Schilfrohr’ (Thphr., Dsk. usw.). — Nicht sicher erklärt. Oft zu lat. (h)arundo ‘Rohr’ gezogen, s. W.-Hofmann s. v. mit Lit. — Vgl. 2. ἀρίς und ἀρίσαρον. I-146

ἄρος 1. = ὄφελος H., s. ἄρνυμαι; 2. = βλάβος ἀκούσιον H., s. ἀρή. I-147

ἄροτρον, kret. ἄρατρον (vgl. unten) n. ‘Pflug’ (seit Il.). Zahlreiche, meistens späte Ableitungen, die z. T. mit den primären Bildungen von ἀρόω semantisch konkurrieren: ἀροτρίτης (falsch -ήτης) ‘zum Pflug gehörig’ (AP, vgl. Redard Les noms grec en -της 37), ἀροτραῖος ‘agrestis’ (AP), ἀρότριος Epithet des Apollo (Orph., auch auf ἀροτήρ bezüglich). — Denominative Verba: 1. ἀροτρεύω ‘pflügen’ (Pherekyd., Lyk., Nik., Babr.) mit ἀροτρεύς ‘Pflüger’ (Theok., Bion, Arat.; Versende, vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 67), ἀροτρευτήρ ‘ds.’ (AP) und ἀρότρευμα ‘das Pflügen, das Säen’ (Poet. ap. Stob.); 2. ἀροτριάω = ἀρόω (Kall., Thphr. usw., vgl. Schwyzer 732) mit ἀροτρίασις (LXX u. a.) und ἀροτρίαμα ‘gepflügtes Land’ (Sch. Ar.); 3. ἀροτριόω = -ιάω (LXX); 4. ἀροτριάζω ‘pflügen’ (Pap.) mit ἀροτριαστής (EM) und ἀροτριασμός (Sch. Opp.). — ἄροτρον, mit -ο- wie in ἀρόω usw. für älteres (?) ἄρατρον (kret.), ist ein altes Nomen instrumenti, das als Benennung des Pfluges in zahlreichen idg. Sprachen erhalten ist: arm. arawr, lat. arātrum (mit sekundärem nach arāre), mir. arathar, awno. arðr. Daneben stehen andere Bildungen: lit. árklas, aksl. ralo, beide mit l-Suffixen (*arə-tlo-, bzw. -dhlo); noch anders toch. AB āre (mehrdeutig). — Vgl. ἀρόω, ἄρουρα. I-147

ἄρουρα f. ‘Ackerland, Land’ (vorw. poet. seit Il.), auch als Maßbezeichnung (in Ägypten; Hdt., Pap.). Davon einige Ableitungen: ἀρουραῖος ‘ländlich’ (ion. att.), ἀρουρίτης ‘ds.’ (Babr., vgl. Redard Les noms grecs en -της 22); zwei Deminutiva: ἀρούριον (AP) und ἀρουρίδιον (Pap.); außerdem die zur Maßbezeichnung gehörenden ἀρουρηδόν n. ‘Fläche, die nach dem Arurenmaß vermessen ist’ (Substantivierung eines Adverbs *ἀρουρηδόν), ἀρουρισμός ‘Vermessung nach ἄρουραι’ (als von *ἀρουρίζειν), beide aus Ägypten durch die Papyri bekannt ebenso wie das latinisierte ἀρουρατίων ‘Flureinteilung’ (VIp). — ἄρουρα ist eine feminine Ableitung auf -ι̯α von einem Verbalnomen *ἄρο-ϝαρ ‘das Pflügen’, zu ἀρόω (s. d.), und heißt somit eigentlich ‘Land zum Pflügen, Bauen’ (s. Schwyzer 520 oben). Mit *ἄροϝαρ, einem alten r-n-Stamm, ist zunächst zu vergleichen mir. arbor (aus *aru̯r̥), Gen. (air.) arbe (aus *aru̯ens) ‘Getreide’; vgl. Benveniste Or. 20f., 112f.; s. noch W.-Hofmann s. arvus und WP. 1, 70f., Pok. 63. — Die Zusammenstellung mit aind. urvárā f. ‘Fruchtfeld, Saatland’, aw. urvarā f. ‘Pflanze’ (zuletzt Otrębski KZ 66, 246f.) ist nicht haltbar. I-147

ἀρόω, Aor. ἀρόσαι ‘pflügen, ackern, pflanzen, bauen’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen. Nomina agentis: ἀροτήρ m. ‘Pflüger usw.’ (seit Il.; vgl. Benveniste Noms d’agent 35 und 44), sekundär ἀρότης m. (ion. att., poet.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 215). — Nomina actionis: 1. ἄροτος m. ‘das Pflügen, (gepflügtes) Land, Saatland, Saat(zeit)’ (seit Il.); davon ἀροτήσιος (ὥρη Arat. 1053, nach den Zeitadjektiven auf -ήσιος, s. Chantraine Formation 42) und ἀροτικός ‘zum Pflügen brauchbar’ (Gal.; auch auf ἀρόω direkt bezüglich); 2. ἄροσις ‘das Pflügen usw.’ (Arist., Arat., Ael.), schon in alter Zeit konkretisiert ‘Ackerland’ (Hom. usw., vgl. Benveniste Noms d’agent 75, Porzig Satzinhalte 336; nicht richtig Holt Les noms d’action en -σις 78: "possibilité de labourer"), wovon ἀρόσιμος ‘anbaubar’ (Thphr., Str. usw.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 47); vereinzelt mit sekundärer Länge ἄρωσις (Pap.) und ἀρώσιμος (S. Ant. 569; durch das Metrum gefördert, vgl. Arbenz 48); 3. ἄρωμα ‘bebautes Land, Saatfeld’ (S., Kom.; nach den hochstufigen Bildungen auf -ωμα, -ημα; vgl. Specht KZ 63, 210); 4. ἀροσμός ‘das Ackern’ (Pap.); 5. *ἀρατύς im Monatsnamen Αράτυος, s. d. ? Ein altererbtes Nomen instrumenti ist ἄροτρον, s. d. — S. noch ἄρουρα. — ἀρόω ist ein altes primäres Verb auf zweisilbiger Wurzel, in der -ο die Tiefstufe (idg. ə) repräsentiert ebenso wie -ᾰ in den dorischen Formen ἄρατρον, Αράτυος (s. dd.), Fut. herakl. ἀράσαντι, ther. rhod. ἐνάρατον (vgl. dazu Schwyzer Glotta 12, 1f.). Eine sichere Erklärung des Wechsels -o : - steht noch aus; s. Schwyzer 362 und 683 m. Lit., außerdem Specht KZ 66, 21l. — Aus anderen Sprachen sind zu erwähnen 1at. arāre (ursprünglich athematisch mit wahrscheinlich sekundärem für aus idg. ə) und die -Präsentia mir. airim, got. arjan, lit. ariù (Inf. árti), aksl. orjǫ (Inf. orati). Die Bedeutung ist überall ‘pflügen, ackern’; die Zurückführung auf eine Wurzel erə- ‘zertrennen’ (Specht KZ 68, 42 A. 2) ist gelinde gesagt hypothetisch und ohne jedes Interesse. I-147-148

ἁρπάζω, Aor. ἁρπάξαι (Hom., Pi. usw.), ἁρπάσαι (ep. ion., att.) ‘raffen, rauben’ (seit Il.). Neben ἁρπάζω steht in einigen Nomina ein Gutturalstamm, der dem Verb zugrunde liegen kann: ἅρπαξ f. ‘Raub’ (Hes. Op. 356), m. ‘Räuber’ (Ar., Myrtil. usw.), auch attributivisch (adjektivisch) gebraucht mit dem Superlativ ἁρπαγίστατος (Leumann Mus. Helv. 2, 11); ἁρπαγή ‘Raub, Beute’ (seit Sol.), ἁρπάγη ‘Harke, Rechen’ (E., Men. usw.); ἅρπαγος m. ‘Haken’ (A., S.), auch EN. — Von ἅρπαξ bzw. ἁρπαγή wahrscheinlich ἁρπαγεύς ‘Räuber’ (Them.; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 73), wohl auch *ἁρπαγών im lat. LW harpagō ‘Enterhaken’ (seit Plaut.; Leumann Sprache 1, 210f.; vgl. harpaga, harpax). — Von ἁρπάζω dagegen ἁρπακτήρ m. ‘Räuber’ (ep. seit Il.) mit der seltenen Ersatzform ἁρπακτής (Kall.); ferner die Nomina actionis ἁρπαγμός ‘Raub, (unerweiterte) Beute’ (Plu., Vett. Val.; Ep. Phil. 2, 6, wozu Jaeger Hermes 50, 587ff.), ἅρπαγμα ‘ds.’ (Lyk., LXX), ἁρπακτύς f. ‘Raub’ (Kall.; vgl. Benveniste Noms d’agent 72). — ἁρπάγιον ‘Art Gefäß, an die κλεψύδρα erinnernd’ (Alex. Aphr.). — Diesen Nomina schließen sich einige Adjektiva an: ἁρπάγιμος ‘geraubt, gestohlen’ (Kall., AP u. a.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 100), erweiterte Form ἁρπαγιμαῖος ‘ds.’ (Orph. u. a.; vgl. Chantraine Mélanges Maspero 2, 219ff.); ἁρπακτικός ‘räuberisch’ (Luk. usw.), ἁρπακτήριος ‘ds.’ (Lyk.). Außerdem das Adverb ἁρπάγδην ‘hinraffend, gierig’ (A. R., Opp., Aret.). Im Vergleich zu den Gutturalbildungen sind die an den Aorist ἁρπάσαι anzuknüpfenden Formen weniger stark belegt : ἅρπασμα (Pl., Men. usw.), ἁρπασμός (Plu.), ἅρπασις (Phryn.), ἁρπαστικός (Arist., Phld.), ἅρπασος N. eines Raubvogels (Ant. Lib.). — Wie erwähnt, läßt sich ἁρπάζω unschwer als ein Denominativum zu einem Gutturalstamm ἁρπαγ- erklären. Hinter diesem nominalen Gutturalstamm liegt wahrscheinlich ein einsilbiges Element ἅρπ- (wovon ἁρπάζω an und für sich eine formelle Erweiterung auf -άζω sein könnte, s. Schwyzer 734). Dies kann in ἅρπη ‘Sichel’, auch N. eines Raubvogels, vermutet werden, s. d. Dagegen ist das poetische und späte Ptz. ἁρπάμενος (AP, Nonn.) eine sekundäre Bildung nach den Aoristptz. auf -άμενος. — Vgl. noch ἅρπυς, ἅρπυια, ἁρπαλέος. I-148-149

ἁρπαλέος -έως ‘mit Wohlbehagen, gern’; auch ‘heftig, wegraffend’ (Ar. Lys. 331 [lyr.], A. R., AP usw.) . ‘reizend, erwünscht, angenehm’ (poet. seit Od., vgl. Debrunner IF 23, 17), — Durch Kontamination von ἁρπαλ- und ἁρπαγ- scheint ἁρπάλαγος m. N. eines Jägerwerkzeugs (Opp. K. 1, 153) entstanden zu sein. ἁρπαλέος ist durch Dissimilation aus ἀλπαλέος, zu ἄλπνιστος (s. d.), ἔπαλπνος entstanden. Die undissimilierte Form ist tatsächlich bei Hesych ἀλπαλαῖον (leg. -έονἀγαπητόν bewahrt. Sekundärer Anschluß an ἁρπάζω erklärt sowohl den Spiritus asper wie die Bedeutungsentwicklung. Debrunner GGA 1910, 14, Wackernagel KZ 43, 377f. Daraus erweitert ἁρπάλιμα· ἁρπακτά, προσφιλῆ H. (nach καρπάλιμος, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 29); außerdem ἁρπαλά· ἁρπακτικά H. Denominatives Verb ἁρπαλίζω ‘gern aufnehmen, willkommen heißen’ (A.), ἁρπαλίζομαι· ἀσμένως δέχομαι H. I-149

ἀρπεδής (ἁρ-) ‘eben, flach’ (Nik. Th. 420). Erweiterte Form ἀρπεδόεις (Antim. Kol., H.). Denominatives Verb ἀρπεδίσαι· ὁμαλίσαι, ἐδαφίσαι H. — Anknüpfung an πέδον liegt nahe (vgl. ἄ-πεδος ‘eben, flach’), aber die Herleitung aus ἀρι-πεδής (Did., Hdn., Hoffmann Dial. 2, 235) überzeugt nicht. — Daneben mit abweichendem Anlaut ἐρπεδόεσσα· ἐπίπεδος H.; vgl. s. ἔρθυρις. I-149-150

ἁρπεδόνη ‘Seil, Faden des leinenen Brustharnisches, Strick um Wildbret zu fangen, Bogensehne usw.’ (Hdt., X. usw.), auch -εδών f. (AP, J. usw.). Zur Bildung vgl. die Werkzeugnamen auf -δών und -όνη (Schwyzer 529f. und 490, Chantraine Formation 361f. und 207). f. Davon ἁρπεδονίζειν· λωποδυτεῖν. καὶ διὰ σπάρτου θηρᾶν H. — Unerklärt. Der Vergleich mit aind. arpáyati ‘anbringen, einstecken, befestigen’ (seit Curtius 341) ist semantisch wenig zutreffend; außerdem ist arpáyati ehestens als eine indische Neubildung zu betrachten. Anschluß an ἅρπη, ἁρπάζω befriedigt auch nicht für den ältesten Gebrauch des Wortes. Die bei H. gegebenen Erklärungen sind offenbar durch nachträgliche Assoziation mit ἁρπάζω bedingt. I-150

ἄρπεζα etwa ‘Hecke, Zaun’ (Nik., pl.; vgl. ἀρπέζας· τοὺς αἱμασιώδεις τόπους. οἱ δὲ τείχη καὶ περιβόλους. οἱ δὲ τὰ κλιμακώδη χωρία H.). ἄρπεζος f. ‘ds.’ (Mylasa). f. Daran erinnern ἄρπισαι· αἱμασιαί. ἢ τάφρους und ἄρπιξ· εἶδος ἀκάνθης. Κύπριοι H. — Etymologie unbekannt. Die Anknüpfungen an ἅρπη, ἁρπεδόνη, ἁρπάζω (Prellwitz, L. Meyer, s. auch Schwyzer 473 A. 5) überzeugen nicht. I-150

ἅρπη (seit Il.) f. ‘Sichel’, auch N. eines Raubvogels (metonymisch nach den sichelförmigen, gekrümmten Krallen; näheres bei Bechtel Lex., Thompson Birds). Daneben bei H. das maskulinisch umgebildete ἅρπης ("Sichler")· εἶδος ὀρνέου. ἢ ἰκτῖνος. Κρῆτες. Nach Leumann Hom. Wörter 294 ist der Vogelname (auch in Kreta) der Homerinterpretation entsprungen; kaum überzeugend. Wegen des als kretisch gegebenen ἅρπης sieht Bechtel Dial. 2, 781, schwerlich mit Recht, darin einen alten -Stamm. — ἅρπη ist bis auf den Auslaut mit aksl. srъpъ, lett. sirpe ‘Sichel’ lautlich identisch und wahrscheinlich urverwandt. Aus anderen Sprachen können hierher gehören lat. sarpiō und sarpō, sarpere ‘die Weinstöcke beschneiteln’ und ahd. sarf ‘scharf, rauh’. Näheres bei W.-Hofmann s. sarpiō. Für ἅρπη orientalische Entlehnung anzunehmen (Grimme Glotta 14, 17), ist somit überflüssig. — Aus ἅρπη oder einem nahestehenden Grundwort stammen wahrscheinlich ἅρπαξ (eig. "mit Krallen versehen"?) und ἁρπάγη, die ihrerseits die Grundlage des Verbs ἁρπάζω (s. d.) haben bilden können; vgl. WP. 2, 501 gegen Wood ClassPhil. 3, 74. I-150

ἁρπίς, -ῖδος (-ίδος) f. ‘Art Schuh’ (Kall., Suid.). Nach EM 148, 36 = κρηπίς . — Unerklärt. Etwa zu ἅρπη nach der Form? I-150

Αρποκράτης (’Αρπ-), auch Καρποκράτης (Inschr., Pap. u. a.), — aus ägypt. Ḥar-pe-chrot. Sittig KZ 45, 242ff., Lévy REGr. 26, 262. I-151

Ἅρπυια f., gewöhnl. im Plur., ‘die Harpyien’, unheimliche Dämonen, die mit dem Sturmwind verknüpft werden (seit Il.). Daneben die offenbar alte Dualform ’Αρεπυίᾱ (Aigina). — Reduplikationsloses substantiviertes Partizip auf -υια wie ἄγυια, αἴθυια usw. (Schwyzer 541). Die zweisilbige Stammform in ’Αρεπυίᾱ (das neben Ἅρπυια steht wie ὀρόγυια neben ὄργυια) ist für die sonst naheliegende Anknüpfung an ἅρπη, ἁρπάζω (von denen indessen der Spiritus stammt) nicht günstig. Der Ausdruck Ἅρπυιαι ἀνηρέψαντο (ξ 371 = α 241) läßt vielmehr auf Verwandtschaft mit ἐρέπτομαι ‘raufen, abrupfen, fressen’ (s. d.) schließen. Bechtel Lex. I-151

ἅρπυς ἅρπυν· ἔρωτα. Αἰολεῖς H. ‘Liebe’ (Parth.). — Nach EM 148, 35 παρὰ τὸ ἁρπάζειν τὰς φρένας, was semantisch zweifellos möglich ist. Man muß dann eine Art Rückbildung mit Abstreifung des Verbsuffixes annehmen. I-151

ἀρράβη · θύρα. οἷον γέρ<ρ>ον H. — Nach Lewy Fremdw. 130 semitisch, zu hebr. ’ārab ‘flechten’. Verfehlt H. Petersson Från filol. fören. i Lund. Språkliga uppsatser IV (Lund 1915) 139f.: zu ἄρριχος, lit. rẽzgis ‘Korb’, lat. restis. I-151

ἀρ(ρ)αβών, -ῶνος m. ‘Handgeld, Unterpfand’ (Antiph., Is. usw.). Davon ἀρραβωνίζεται· ἀρραβῶνι δίδοται H. — Semitisches LW, vgl. hebr. ‘ērābōn ‘Unterpfand’; näheres bei Lewy Fremdw. 120, s. auch Schwyzer 153, 316. — H. glossiert ἀρραβών auch mit ἄγκιστρον. Unwahrscheinlicher Erklärungsversuch bei Lewy Fremdw. 130. I-151

ἄρρατος = ἀμετάστροφος (Pl. Kra. 407d; außerdem R. 535c, Ax. 365a; ἀνέρος ἀρράτοιο Euph. 24 mit falscher Länge). — Aus *ἀ-ϝρᾰτ-ος, zu idg. u̯ert- ‘wenden, drehen’, s. ῥατάναν. Schwyzer RhM 80, 209ff., Sommer Nominalkomp. 86. I-151

ἀρρηνής Theok. 25, 83 ζάκοτόν τε καὶ ἀρρηνές (scil. θηρίον; vom Hunde); nach H. ἄγριον, δυσχερές. Davon ἀρρηνεῖν· λοιδορεῖν. καὶ γυναικὶ πρὸς ἄνδρα διαφέρεσθαι H. — Expressives Wort unbekannter Herkunft. Ob von ἀρ(ρ)άζω ‘bellen, heulen’ (so Prellwitz Glotta 19, 104) mit Bildung nach στρηνής, ἀπηνής? I-151

ἀρρηφόρος f. N. der Mädchen, die in Athen die Symbole der Göttin Athena in Prozession trugen (Paus., Plu. usw.). Davon das Abstraktum ἀρρηφορία ‘Prozession der ἀρρηφόροι’ (Lys.; ausführlich darüber Adrados Emerita 19, 117ff.) und das Denominativum ἀρρηφορέω (Ar., Din. u. a.). Außerdem das substantivierte τὰ ἀρρηφόρια (Sch. Ar., EM). — Daneben mit anderem Anlaut ἐρρηφόρος, -έω (Inschr., näheres bei Meisterhans3 15 A. 67); ferner ἐρσηφόρος, -ία (auch ἐρσε-, ἐρσο-; Inschr., Sch. Ar.). — Nicht sicher gedeutet. Schon die Alten erklärten es aus ἄρρητος ‘ungesagt, geheimnisvoll’ (mit unverständlicher Unterdrückung der Silbe -το-; für ein athematisches ἀρρητ- fehlt jede Stütze), bzw. aus ἔρση ‘Tau’, auch N. einer der Töchter des Kekrops. Vgl. G. Meyer Gr.3 353 A. mit Lit., Debrunner GGA 1910, 14f. Verfehlt Fick KZ 43, 132f. (ἄρρη attisch für ἔρση). I-151-152

ἀρριχάομαι s. ἀναρριχάομαι. I-152

ἄρριχος f. (m.) ‘Korb’ (Ar., Thphr., AP), ἄρσιχος (D. S., Marm. Par., Amorgos). Deminutivum ἀρριχίς f. (Ath.). — Unerklärt. Verfehlt Petersson KZ 47, 256f. (s. WP. 2, 374) und Specht Ursprung 251 und 256. Dasselbe Suffix wie im synonymen σύριχος u. a. (Schwyzer 498, Chantraine Formation 402). I-152

ἀρρωδέω s. ὀρρωδέω. I-152

ἄρσεα · λειμῶνες H. — Nicht sicher gedeutet. Nach Schwyzer 513 (mit Curtius 298 und Froehde BB 21, 191) zu ἄρδω mit suffixalem -σος wie in ἄλσος usw. Specht Ursprung 319 hält ἄρσος für eine alte Nebenform zu ἄλσος mit indogermanischem Schwanken zwischen l und r; nicht zu empfehlen. I-152

ἀρσενικόν, ἀρρενικόν auch ἀρρενική f. n. ‘Arsenik’ (Arist., Thphr., Str. usw.). — Orientalisches LW, letzter Hand aus mpers. *zarnīk ‘golden, goldfarbig’ (vgl. npers.-arab. zarnīx, zarnīq ‘Arsenik’ und s. zu χλόη, χλωρός), wohl durch semitische Vermittlung (syr. zarnīkā ‘Arsenik’) mit volksetymologischem Anschluß an ἀρσενικός, ἀρρενικός ‘männlich’. Lewy Fremdw. 55 nach Lagarde; vgl. noch Hübschmann IF 19, 457 m. A. 4, Schrader-Nehring Reallex. s. v. I-152

ἄρσην, -ενος (ep.), ἄρρην (att.), ἔρσην (ion. lesb. kret. usw.), ἄρσης (lak.) ‘männlich’. Komparationsformen ἀρρέντερος ‘männlich’ (ark.), ἐρσεναίτερος (el.), beide vielleicht sekundär für ἄρσην gegenüber θηλύτερος (Benveniste Noms d’agent 117f.). — Ableitungen: ἀρσενικός, -ρρ- ‘männlich’ (hell. u. spät), ἐρσενικός (Pap.), ἀρσένιος (Teuthis); ἀρσένιον n. ‘männliches Kind’ (Pap.) — Adverb ἀρρενωδῶς ‘männlich’ (LXX). — Abstrakta: ἀρρενότης f. ‘Männlichkeit, masculinum’ (Stoik. usw.), ἀρσένωμα ‘männlicher Same’ (Sch. Opp.), vgl. die ähnlichen denominalen Bildungen auf -(ω)μα bei Schwyzer 523, Chantraine Formation 187. — Denominatives Verb: ἀρρενόομαι ‘Mann werden, sich als Mann benehmen’ (Luk., Ph. usw.). — Ion. usw. ἔρσην ist mit aw. apers. aršan- ‘Mann, Männchen’ identisch; die Tiefstufe in ἄρσην, ἄρρην erscheint in dem abgeleiteten aind. r̥ṣa-bhá- ‘Stier’. Dazu ferner nach aller Wahrscheinlichkeit aind. árṣati ‘fließen’; vgl. die synonyme Reimbildung aind. vŕ̥ṣan- zu várṣati ‘regnen’ (s. zu ἔρση, οὐρανός, οὐρέω); dazu Benveniste BSL 45, 100ff. — Die weiteren Anknüpfungen bei Bq, WP. 1, 149ff., Pok. 336 sind hypothetisch, z. T. verfehlt. — Vgl. ἀρνειός, ἀρνευτήρ. I-152-153

ἀρτάβη f. N. eines persischen und ägyptischen Maßes (Hdt., Pap.). — Das Wort ist wahrscheinlich ägyptischen Ursprungs. Vgl. Hultsch P.-W. s. v. Davon in den Papyri mehrere Ableitungen: ἀρτάβιος ‘eine A. messend’, ἀρταβιαῖος ‘ds.’ (nach den Maßadjektiven auf -(ι)αῖος Chantraine Formation 49), ἀρταβίειος od. -ιεῖος ‘ds.’; vgl. zur Bildung κοτυλίειος (-ιεῖος), von κοτύλη, usw. (Mayser Pap. I 3, 95); Abstraktum ἀρταβιεία (-βεία, -βία) ‘Abgabe von einer Artabe’. I-153

ἄρταμος m. ‘Metzger, Koch’ (S., X., Epikr. usw.). Davon ἀρταμέω ‘schlachten, zerstückeln’ mit ἀρτάμησις ‘das Schlachten’ (Thebe). — Nach Eustathios 577, 45 = ὁ εἰς ἄρτια τέμνων und somit haplologisch für *ἀρτί-ταμος, bzw. *ἀρτό-ταμος ‘kunstgerecht zerschneidend’ (durch Zusammenbildung). Eine bessere Erklärung ist jedenfalls nicht gefunden. Vgl. J. Schmidt Kritik 83f.; s. ἄρτι und ἄρτος; außerdem Ἄρτεμις. I-153

ἀρτάω ‘anbinden, an-, aufhängen, abhängen’ (ion. att.). Davon die Nomina actionis ἄρτημα Bezeichnung verschiedener Gegenstände wie ‘Ohrgehänge’ (Hdt.), ‘angehängtes Gewicht’ (Arist. u. a.) usw.; ἄρτησις ‘das Aufhängen’ (Papp.), ἀνάρτησις ‘ds.’ (Thphr. usw.), ἀρτησμός ‘ds.’ (AB). — Außerdem das konkrete ἀρτάνη ‘Strick, Schlinge (zum Hängen)’ (A., S.), nach dem synonymen πλεκτάνη und anderen Gerätenamen auf -άνη (Schwyzer 489f., Chantraine Formation 197ff.). — ἀρτάω aus *ἀϝερτάω ist eine sekundäre Verbalbildung, die sich zum primären ἀείρω ‘anbinden, aufhängen’ (s. d.) verhält wie z. B. lat. gestāre zu gerere. Die Entstehungsweise ist im einzelnen nicht aufgeklärt, s. Schwyzer 705f. mit Lit. Vgl. noch ἀρτήρ, ἀρτηρία. I-153

ἀρτεμής ‘frisch, gesund’ (ep. seit Il.) Davon zwei späte Ableitungen: ἀρτεμέω ‘gesund sein’ (Nonn.), ἀρτεμία ‘Gesundheit’ (Max., AP, Prokl.). — Unerklärt. Mehrere vergebliche Deutungsversuche: haplologisch aus *ἀρτι-δεμής (zu δέμας, Prellwitz); ἀρ- = ἀρι- (vgl. ἀρπεδής) und *τέμος (zu τημελέω, Fick-Bechtel Personennamen 439, vgl. Hoffmann Dial. 2, 235). Noch anders Ehrlich Betonung 43 A. 2. I-153

Ἄρτεμις, dor. Ἄρταμις, -ιδος, -ιτος f. Göttinnenname (seit Il.). Ableitungen: ’Αρτεμίσιος, ’Αρταμίτιος m., auch ’Αρτεμισιών, Monatsname (Th. usw.), -ον n. ‘Artemistempel’ (Hdt., Ar. usw.), auch ‘(kleines) A.-bild’ (Hyp.); ’Αρταμίτια n. pl. ‘A.-feier’ (Delphi). — ἀρτεμιδήϊον n., ἀρτεμισία f. Pflanzennamen, vgl. Strömberg 100. — ’Αρτεμισιασταί m. pl. N. der A.-verehrer (Athen), wie von *ἀρτεμισιάζω; vgl. ’Απολλωνιασταί usw. (Chantraine 316). — Der Name Ἄρτεμις erscheint auch in lydischen Inschriften (Artimuś, Artimuλ, Artimu-k; vgl. zu Απόλλων); ob aber der Name deswegen als lydisch anzusehen ist (v. Wilamowitz Hellenistische Dichtung 2, 50; Glaube 1, 324), bleibt fraglich. Noch zweifelhafter ist die Annahme illyrischer Herkunft (aus illyr. *artos ‘Bär’, Sánchez Ruipérez Emerita 15, 1ff. und Zephyrus 2, 89ff.). Kretschmer Glotta 15, 177 erwägt sog. "protindogermanischen" Ursprung. Die Erklärungen aus dem Griechischen selbst sind ebenfalls hypothetisch. Gegen die Deutung als "Bärengöttin" (zu ἄρκτος ‘Bär’; zuletzt Pisani Rev. ét. anc. 37, 149f.) s. Kretschmer Glotta 27, 34, der an der Anknüpfung an ἄρταμος ‘Schlächter’ festhält. Aber die Schreibung Ἄρταμις mit -α- ist vielmehr auf Volksetymologie zurückzufuhren, vgl. Schwyzer 256. Wertlos Glaser Mitt. d. Vereins klass. Phil. in Wien 6, 55ff. — Näheres bei Nilsson Gr. Rel. 1, 451ff.; vgl. noch die Einzelheiten bei Sánchez Ruipérez 1. c., außerdem Chantraine L’ant. class. 22, 67. I-153-154

ἀρτέμων, -ονος m. ‘Bramsegel, Bramstange’ od. ähnl. (Act. Ap. 27, 40, vgl. Moulton-Milligan Vocabulary s. v.), Bed. unsicher bei Lyd. Mens. 2, 12. Deminutivum ἀρτεμώνιον (Tz. ad Lyk. 359). — Lat. LW artemo(n) seit Lucil. als Name eines Segels od. ähnl., bei Vitr. 10, 2, 9 außerdem = ‘der dritte Kolben im Flaschenzuge’. Technisches Wort, dessen Sinn und Geschichte noch der Aufklärung bedarf. Die lautlich naheliegende Anknüpfung an ἀρτέομαι oder ἀρτάω nach den Geratenamen auf -μων (Chantraine Formation 172, vgl. Schwyzer 522) entbehrt bisher einer semantischen Motivierung. I-154

ἀρτέομαι ‘sich rüsten, bereit machen’, auch in Komp. ἀν-, παρ-αρτέομαι (Hdt., Arr.). Ableitung ἄρτησις (Hdt. 1, 195; aber v. l. ἄρτισις, von ἀρτίζω). — Daneben ἀρτίζω (vgl. αἰτέω : αἰτίζω) ‘bereit machen, ausrüsten’ (Theok., D. S. u. a., καταρτίζω Hdt. usw.), das indessen auch auf ἄρτι (s. d.) zurückgehen kann. — Letzten Endes geht ἀρτέομαι auf ἀρ- in ἀραρίσκω zurück; als Zwischenglied diente wohl eine nominale Bildung auf -τ-, vgl. Schwyzer 705f. Direkte Ableitung von ἄρτι ist nicht glaubhaft. Vgl. noch ἐπαρτής ‘gerüstet’ (Od., A. R.), wohl von ἐπαρτίζω (Hp., A. R.). Ein neutrales Subst. *ἄρτος anzusetzen (Schwyzer 512), ist unnötig. — S. auch ἀρτέμων. I-154

ἀρτήρ m. 1. "der Erheber", Gegenstand womit etwas getragen wird (LXX Ne. 4, 17 [11]): aus *ἀϝερ-τήρ, zu 1. ἀείρω ‘erheben’; 2. eine Art Schuhe (Pherekr. 38, H.): kann als "Anbinder, Angebundenes" zu 2. ἀείρω ‘anbinden’ gehören; allenfalls auch zu ἀρτάω mit Haplologie für *ἀρτη-τήρ. Dazu ngr. (pont.) ὀρτάρια ‘Socken’; Amantos ’Αρχ. ’Εφ. 28, 85ff. I-154-155

ἀρτηρία f. ‘Arterie’, auch ‘Luftröhre’ (Hp., Pl., Arist. usw.); zur Bedeutung vgl. Strömberg Wortstudien 60. Davon ἀρτηριακός (Mediz.) und ἀρτηριώδης (Gal. usw.); außerdem ἀρτηρίασις ‘Bronchitis’ (Isid. Etym. 4, 7, 14) als von einem Krankheitsverbum *ἀρτηριάω (Schwyzer 732), nach ψωρίασις, ἐρυθρίασις usw., vgl. Holt Les noms d’action en -σις 137 A. 3. — Wie das semantisch nahestehende ἀορτή (s. 2. ἀείρω) wahrscheinlich zu ἀείρω ‘anbinden, aufhängen’ aus *ἀερτηρία; somit zunächst Abstraktbildung von *ἀ(ϝ)ερ-τήρ mit konkreter Bedeutung wie in λαυκανίη ‘Kehle’, κοιλία, καρδία und anderen Körperteilbenennungen, s. Chantraine Formation 81. Die Bedeutungsentwicklung scheint in ähnlichen Bahnen wie bei ἀορτή verlaufen zu sein. I-155

ἄρτι Adv. ‘gerade, eben, erst’ (als Simplex nicht bei Homer; vgl. indessen unten). Davon ἄρτιος (seit Il.) ‘angemessen, richtig, bereit’, auch ‘grad’ (von Zahlen), mit dem Nomen ἀρτιότης f. (Arist.), dem Adverb ἀρτιάκις ‘gerademal’ (Pl.) und dem Verb ἀρτιάζω ‘grad oder ungrad spielen’ (Ar. usw.); davon wiederum ἀρτιασμός (Arist.). — Von ἄρτι ferner (falls nicht Nebenform von ἁρτέομαι, s. d.) ἀρτίζω, gewöhnl. ἀπ-, ἐξ-, καταρτίζω ‘ordnen, einrichten, ausrüsten’ mit mehreren nominalen Ableitungen; vom Simplex ἀρτιστῆρες pl. Beamtenbezeichnung in Elatea. Als Vorderglied findet sich ἄρτι in zahlreichen Zusammensetzungen, gew. mit temporaler Bedeutung ‘eben, jüngst’. Einige hauptsächlich alte Komposita zeigen indessen einen abweichenden Sinn: so ἀρτι-επής, ἀρτί-φρων, ἀρτί-πος (Hom. usw.); ἀρτί-χειρ, ἀρτι-μελής (Pl. usw.), wo ἄρτι ehestens adjektivisch als ‘richtig, gerade’ zu deuten ist. Anders Knecht Τερψίμβροτος 16: eig. ‘nahe’, vgl. lit. artì ‘nahe bei’; zu ἀρτιεπής s. auch Bechtel Lex., schwerlich richtig; zum ganzen Bildungstypus außerdem Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 33ff. m. Lit. — ἄρτι hat eine genaue Entsprechung in arm. ard ‘soeben, jetzt’, das wie ἄρτι auch als Vorderglied benutzt wird, z. B. ard-a-cin ‘soeben geboren, ἀρτι-γενής’. Es erklärt sich am einfachsten als erstarrter Lokativ eines Konsonantstamms *ἀρ-τ-, etwa ‘Fügung, Ordnung’, von ἀρ- in ἀραρίσκω. Schwyzer 622. Anders Benveniste Or. 1, 98: -ι Akk. sg. n. — Nahe verwandt ist lit. artì ‘nahe bei’, vgl. oben. I-155

ἀρτίαλα n. pl. N. eines Ohrenschmucks, ‘Ohrringe’ od. ähnl. (äol., Poll. 5, 97). — Unerklärt. Ob zu ἄρτιος mit suffixalem -αλο-, das in mehreren technischen Termini zu Hause ist (Schwyzer 483f., Chantraine Formation 245f.)? I-155-156

ἄρτος m. ‘Brot’ (seit Od.). Davon das seltene Deminutiv ἀρτίσκος m. (Hp., Dsk., Gal.) und ἀρτίσκιον (Damokr.). Von den sehr zahlreichen Komposita mit ἄρτος als Vorderglied ist zu erwähnen ἀρτο-κόπος ‘Brotbäcker’ (ion. att.); das Hinterglied zu πέσσω, πέπων (s. dd.), wohl mit Metathese derselben Art wie in lit. kepù ‘backen’ für *pekù = aksl. pekǫ, aber davon unabhängig. Lit. bei Schwyzer 298f. und Bq s. ἄρτος. Ursprüngliche Lautfolge mit bewahrtem Labiovelar in ägäisch a-to-po-qo = ἀρτοποqοι? — Nicht sicher gedeutet. Zugehörigkeit zu ἀρ- ‘zusammenfügen, verfertigen’ als Verbalnomen auf -τος (Prellwitz) ist wohl nicht ganz ausgeschlossen (vgl. ἄρμενα und 2. ἄρμα), aber sehr unsicher. Nach Pisani Ricerche Linguistiche 1, 141 ist ἄρτος aus einem iranischen *arta- ‘Mehl’ entlehnt, vgl. aw. aša- ‘gemahlen’, npers. ārδ ‘Mehl’, zu idg. al- ‘mahlen’, s. ἀλέω. Hubschmid Sardische Studien (Bern 1953) 104 erinnert dagegen mit Recht an bask. arto ‘Mais(brot)’, aspan. artal ‘especie de empanada’ usw. und betrachtet dementsprechend ἄρτος als Substratwort. I-156

ἀρτύω ‘zurüsten, bereiten’, auch von der Speise ‘würzen’, oft mit Präfix wie ἐξ-, κατ-αρτύω (seit Il.). Davon einige Verbalnomina : 1. ἄρτυμα ‘Würze, Gewürz’ (ion. poet., spät) mit den späten Ableitungen ἀρτυμάτιον, ἀρτυματώδης, ἀρτυματικός; ἀρτυμᾶς und ἀρτυματᾶς m. ‘Gewurzhändler’ (Pap.; zur Bildung Chantraine Formation 31f., Schwyzer 461 mit Lit.; außerdem Petersen ClassPhil. 32, 121ff.). — 2. ἄρτυσις ‘das Zurichten, Würzen’ (Ph., D. S. usw.). — 3. ἀρτυτήρ N. eines Beamten (Thera). — 4. Außerdem das Adj. ἀρτυτικός ‘zum Würzen geeignet’ (Sch.); ἀρτυτικόν n. ‘Würze’ (Sammelb. 5224, 50). — Neben ἀρτύω steht seit alters, vorw. episch, mit sekundärer ν-Erweiterung (δύω : δύνω usw., Schwyzer 727f.; zum Aspekt [determinativ?] Brunel Aspect verbal 88) ἀρτύνω mit der postverbalen Bildung ἀρτύνᾱς m. N. eines Beamten in Argos und Epidauros (Th.); auch ἄρτυνος (Plu. u. a.), vgl. Schwyzer 491. ἀρτύω muß seiner Bildung gemäß ein denominatives Verb sein; das vorauszusetzende Nomen ist indessen nur bei H. belegt: ἀρτύς· σύνταξις, ἀρτύν· φιλίαν καὶ σύμβασιν ἢ κρίσιν, ist aber wohl trotzdem alt. Mit diesem ἀρτύς stimmt nämlich arm. ard, Gen. ardu ‘Ordnung’ und lat. artus -ūs m. ‘Gelenk, Glied’ formal gänzlich überein. Es kann somit eine vorgriechische tu-Ableitung von ar- ‘fügen’ in ἀραρίσκω vorliegen; >vgl. noch die verwandten aind. r̥tú- m. ‘bestimmte Zeit, Ordnung usw.’, aw. ratu- m. ‘Richter(spruch), Zeit(abschnitt)’. Porzig Satzinhalte 338ff. I-156-157

ἄρυα · τὰΗρακλεωτικὰ κάρυα H. — Die formale Beziehung von ἄρυον zu dem geläufigen synonymen κάρυον liegt auf der Hand; vgl. Strömberg Pflanzennamen 155f. H. bringt noch αὐαρά· τὰ Ποντικὰ κάρυα. — Mit ἄρυα vergleicht G. Meyer Alb. Wb. 17 alb. ar̄ε f. ‘Nußbaum’, aksl. orěchъ ‘Nuß’, wozu weiterhin lit. ríešas, ríešutas ‘Nuß’, lett. riẽksts ‘(Hasel)nuß’, apreuß. buccareisis ‘Buchecker’ (Trautmann Altpreuß. Sprachdenkm. 314, Balt.-slav. Wb. 241). Das nähere Verhältnis dieser Wörter zueinander bleibt noch aufzuklären; die morphologische Analyse bei Specht Ursprung 62, 146, 236 ist allzu schematisch, um überzeugen zu können, da späte Entlehnung und sekundäre Angleichung in Betracht zu ziehen sind. Vgl. die Ausführungen Fraenkels Gnomon 22, 238, wo parallele Entlehnung aus unindog. Quelle vermutet wird. I-157

ἀρύβαλλος m. ‘Sack, Beutel, der zusammengeschnürt werden kann’ (Stesich., Antiph.), ‘kugelförmige Gießkanne mit schmalem Hals’ (Ar., Ath.). Deminutivum ἀρυβαλλίς f. (H., EM). — Nach H. und Fraenkel Glotta 4, 35 aus ἀρύειν und βάλλειν durch asyndetische Verbalverbindung. — Die Erklärung setzt u. a. voraus, daß die Bedeutung ‘Gießkanne’ gegenüber ‘Sack’ primär sei, was sehr zweifelhaft ist. Wahrscheinlich entweder ägäisches oder vielmehr mit Krahe (brieflich) nordbalkanisches (illyr., maked.) Lehnwort; vgl. zu βαλλάντιον. I-157

ἀρύω 1. mit τ-Erweiterung (Schwyzer 704) in att. ἀρύτω, lesb. (Alk.) ἀρυτήμενοι, Aor. ἀρῠ́σαι ‘schöpfen’ (seit Hes.). Mehrere Ableitungen: ἀρυστήρ, -ῆρος m. ‘Löffel, Kelle’, auch als Flussigkeitsmaß (Alk., Semon., Hdt. usw.); daneben ἀρυτήρ (Dsk., Pap.). Fem. ἀρυστρ-ίς, -ίδος (AP), gewöhnl. ἀρύταινα ‘ds.’ (Ar., Antiph., Thphr., Pap.) mit direkter Anlehnung an ἀρύτω, s. Chantraine Formation 109; Deminutivum ἀρυταίνιον (Lebena IIa). — ἄρυσ-τις f. ‘Löffel’ (S.); zur Bildung und zum Lautlichen Schwyzer 504, Chantraine 275f.; dagegen in Komposita ἐτν-, ζωμ-, οἰν-ήρυσις (Kom. usw.; das Simplex ἄρυσις nur Afric. Kest.). Deminutivum ἀρύστιχος m. (Kom., Aegina). — Im selben Sinn noch ἀρυσάνη (Timo), vgl. λεκάνη und andere Gerätenamen Chantraine 198, außerdem Stang Symb. Oslo. 2, 65f.; ἀρυσᾶς (Delos), wohl ehestens Berufsbezeichnung ‘Schöpfer’ (Schwyzer 461 m. Lit.); in der Bedeutung dagegen abweichend ἄρυσος m. ‘Weidenkorb’ (Hdn.), vgl. τάμισος, πέτασος und andere griechische, bzw. fremde Nomina auf -σος Schwyzer 516, Chantraine 435. — Dazu noch die Adjektiva ἀρυτήσιμος (wie von *ἀρύτησις, AP) und ἀρύσιμος ‘schöpfbar, trinkbar’ (Sch.), vgl. Arbenz, Die Adj. auf -ιμος 100f.; ἀρυστικός ‘zum Schöpfen dienend’ (Ael.). — ἀρύω steht wahrscheinlich für *ϝαρύω (vgl. (ϝ)αρυσσάμενος Hes. Op. 550) und kann als primäres zweisilbiges Verb (mit sekundärem σ in ἀρυστήρ u. a.) zu arm. gerem ‘(gefangen) nehmen’, weiterhin zu εὑρίσκω ‘finden’ und air. fūar ‘inveni’ gehören, vielleicht auch zu mir. feraim ‘ausgießen’. Ablautsmäßig verhält sich (ϝ)αρύω zu εὑρίσκω wie βαρύς zu βρίθω; zu (ϝ)αρύω : arm. gerem vgl. καλύπτω : air. celim. — Frisk Eranos 50, 1ff. mit semantischen Parallelen und Kritik anderer Erklärungsversuche. S. auch εἴρερον. I-157-158

ἀρύω 2. ‘sprechen, rufen’ nur lexikalisch belegt: ἀρύει· ἀντὶ <τοῦ> λέγει, βοᾷ; ἀρύουσαι· λέγουσαι, κελεύουσαι; ἀρύσασθαι· ἐπικαλέσασθαι H. Nach EM 134, 12 syrakusanisch. — Unerklärt. Von Meillet BSL 26, 19f. zu ἀρνέομαι (s. d.) gezogen. Man könnte auch bei (ϝ)ερῶ usw. ‘sagen’ Anschluß finden. I-158

ἀρχή f. 1. ‘Anfang, Ursprung’ (seit Il.); 2. ‘Herrschaft, Regierung’ (seit Pi.; vgl. Deubner Herm. 43, 640). Ableitungen : Von 1 : ἀρχαῖος ‘ursprünglich, altertümlich, alt’ (seit Pi.; vgl. Sandsjoe -αῖος 7 m. A. 1) mit dem Abstraktum ἀρχαιότης f. ‘Altertümlichkeit’ (Pl., D. H. usw.) und zwei späten Denominativa: 1. ἀρχαΐζω ‘altertümlich sein’, vom Stil usw. (D. H., Plu.) mit ἀρχαϊσμός ‘Altertümlichkeit’ in Stil und Sprache (Men., D. H. usw.); 2. (ἀρχαιόομαι :) ἀρχαιωθείς (χρόνος) ‘veraltet’ (Pap. VIp). Von ἀρχαῖος auch ἀρχαϊκός ‘altmodisch’ (Ar., Antiph. usw.; vgl. Chantraine Formation 393). — Von 2: ἀρχικός ‘zur Herrschaft gehörig, zum Herrschen befähigt’ (A., Th., Pl. usw.; vgl. Chantraine 386), später auch auf 1. ἀρχή bezogen (Phld. u. a.). Ferner das Deminutivum (in verächtlichem Sinn) ἀρχίδιον (Ar., D.) und die gewöhnliche Ortsbezeichnung ἀρχήϊον, ἀρχεῖον ‘Regierungsgebäude’, sekundär ‘Behörde’, mit ἀρχειώτης (Dig.) und ἀρχειωτικός (Lyd.); das dorisierte ἀρχέτας m. ‘Herrscher, zum Herrscher gehörig’ (E.), das auch auf ἄρχω zurückgehen könnte (Schwyzer 500); drei Titel von Priesterinnen: ἀρχῖτις (Thasos), ἀρχίνη (Syros), beide falsch mit -ει- geschrieben, und ἀρχηΐς (Amyklai). — Das denominative ἀρχεύω ‘der erste sein, gebieten’ (ep. seit Il.), auch als beamtlicher Terminus (Paphos, Kos), gehört wohl eher zu ἀρχός, s. d., falls nicht einfach eine Erweiterung von ἄρχω nach βασιλεύω, ἀριστεύω. — ἀρχή ist Verbalnomen von ἄρχω, s. d. I-158

ἀρχός 1. — Verbalnomen von ἄρχω, s. d. I-158

ἀρχός 2. m. ‘Mastdarm, After’ (Hp., Arist.). — Etymologie unbekannt. Oder einfach = 1. ἀρχός als scherzhafte Ironie in euphemistischer Absicht? — Verfehlt Prellwitz KZ 47, 295, s. WP. 1, 143. Nach Froehde BB 21, 325 und Specht Ursprung 238 (vgl. auch 254) Nebenform zu ὄρρος; ganz willkürlich. I-158-159

ἄρχω Aor. ἄρξαι ‘der erste sein’ = 1. ‘anfangen, beginnen’ (zum Gebrauch bei Homer s. Bradač PhilWoch. 50, 284f., Porzig Satzinhalte 46ff.; attisch gewöhnl. Medium); = 2. ‘herrschen’ (seit Il.). Davon das Nomen agentis ἀρχός m. ‘Führer, Anführer’ (ep. poet. seit Il.) mit dem denominativen ἀρχεύω ‘der erste sein, gebieten’ (ep. seit Il.), auch als amtlicher Terminus (Paphos, Kos), vgl. Leumann Hom. Wörter 295; es könnte allerdings auch eine Erweiterung von ἄρχω nach βασιλεύω, ἀριστεύω sein. Gewöhnlicher ist das partizipiale ἄρχων, -οντος m. ‘Befehlshaber’, N. der höchsten Beamten, namentlich in Athen, ‘Archont’; Fem. ἀρχοντίς (Cat. Cod. Astr.) kürzere Form ἀρχίς (Tenos). Seltene und späte Ableitungen: ἀρχοντικός ‘zum Archonten gehörig’ (AP, Pap. usw.), ἀρχοντεύω ‘Archont sein’ (Olbia), ἀρχοντιάω ‘zu herrschen wünschen’ (Sch., Lyd.). — ἄργματα n. pl. ‘Erstlingsopfer’ (ξ 446) = ἀπάργματα (Ar. u. a.), ἀπαρχαί; daneben ἄρχματα H. mit analogisch bewahrtem -χ-. — Zu ἀρχή s. bes. — Unerklärt. — Die bisherigen Deutungsversuche, alle wertlos, sind bei Bq und bei Schwyzer 685 A. 4 verzeichnet. — Vgl. ὄρχαμος. I-159

ἄρωμα n. ‘Gewürz, wohlriechendes Kraut’ (Hp., X., Arist. usw.). Davon einige hellenistische und späte Ableitungen: ἀρωματικός, ἀρωματίτης, ἀρωματώδης und das Denominativum ἀρωματίζω ‘würzen, nach Gewürz riechen oder schmecken’. — Unerklärt. Hypothese bei Wood ClassPhil. 21, 63ff. I-159

ἆσαι Aor. Inf., ‘(sich) sättigen’ (Hom.). daneben ἄ̄-μεναι, wahrscheinlich als athematischer Wurzelaorist aufzufassen (die Länge kann metrisch sein) mit dem Konj. ἕωμεν (aus *ἥ-ο-μεν); Fut. ἄσειν. Außerdem bei Hes. Sc. 101 das thematische Präsens ἅ̆εται (so cod. Laur.; die übrigen Hss. ἄαται, das für athematisches oder kontrahiertes ἆ-ται stehen muß, vgl. ἆται· πληροῦται H.). Näheres bei Solmsen Unt. 93f. Negiertes Verbaladjektiv ἄ-ατος > ἆτος s. d. — Altes Verb, das nur in vereinzelten Formen erhalten ist. Ableitungen davon sind ἅδην und ἄση (s. dd.), die sich vom Verb ganz losgelöst haben. Andere idg. Sprachen haben nur isolierte Bildungen bewahrt, die wie die griechischen Formen entweder auf eine idg. Hochstufe sā- oder auf eine Tiefstufe - zurückgehen, s. zu ἅδην und ἄση. I-159

ἀσαλής nach EM l51, 49 bei A. (Fr. 319) = ‘ἄφροντις, ἀμέριμνος’ als Attribut von μανία. Davon nach EM bei Sophron (113) ἀσάλεια (cod. ἀσαλέα) = ‘ἀμεριμνία καὶ ἀλογιστία’. — Nach EM von σάλη = ‘φροντίς’, aber eher von σάλος (mit Übergang zum σ-Stamm), nach H. u. a. auch = ‘φροντίς, ταραχή’, das mit σάλος ‘unruhige Bewegung’ identisch ist, s. d. Von ἀσαλής und ἀσαλεῖν (cod. ἀσάλεινἀφροντισθῆναι ist σάλη, auch σάλα (H., Phot., Suid.) dann eine retrograde Bildung. I-159-160

ἀσάμινθος f. ‘Badewanne’ (Hom., davon vereinzelt auch in der übrigen Lit.). — Ägäisches LW mit demselben νθ-Suffix wie in den vorgr. Ortsnamen Κόρινθος, Ὄλυνθος usw. (Chantraine Formation 371, Schwyzer 510). Sonst unklar. — Gaerte PhW 1922, 888 und v. Blumenthal IF 48, 50 erinnern an sumer. babyl. asam ‘Tongefäß für Wasser’, v. Blumenthal auch, u. zwar weit weniger überzeugend, an den Flußnamen und ON Asamus, bzw. Anasamus in Moesia inferior. Auch die Anknüpfungen an verschiedene andere Namen bei Güntert Sb. Heidelb. 23 : 1, 23f. und bei Alessio Stud. italfilclass. N. S. 20, 121ff. sind als sehr hypothetisch oder als irrig zu betrachten. Verfehlt ebenfalls Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 5, 5f. Erklärung aus dem "Pelasgischen" bei van Windekens Le Pélasgique 3 usw. — Vgl. Kretschmer Glotta 20, 25l; 22, 253. Ältere Versuche sind bei Bq registriert. I-160

ἄσαρον Kürzere, nicht gräzisierte Form ἄσαρ (Aët., Suid.). n. ‘Haselwurz, Asarum europaeum’ (Krateuas, Dsk. usw.). Davon ἀσαρίτης (οἶνος; Dsk., Gp.). — Dunkel. Nach Prellwitz von ἄση, nach Lewy Fremdw. 47 semitisch, nach Krause KZ 67, 213 wiederum thrakisch (zu idg. aḱ- ‘Spitze’, entweder von den Blättern oder eher von dem scharfen Aroma [?]). — Vgl. noch ἀρίσαρον und Strömberg Pflanzennamen 158. I-160

ἄσβεστος Verbaladj. von σβέννυμι, ‘unlöschbar, ungelöscht’ (seit Il.). — Als Subst. entweder vom "ungelöschten" Kalk (τίτανος) oder von einem brennbaren Mineral unbestimmter Art. Dagegen niemals ‘Asbest’ (= ἀμίαντος). DielsKZ 47, 203ff. I-160

ἄσβολος ἀσβόλη f. (Semon., Dsk., Gal.; zur Form Schwyzer-Debrunner 32 A. 4). - f. (m.) ‘Ruß, Kohlenstaub’ (Hippon., Ar. usw.), — Unklar. Zum Vergleich sind einige Wörter für ‘Asche’, ‘trocken’ usw. herangezogen worden, z. B. gr. ἄζω ‘dörren, trocknen’, got. azgo, ahd. asca ‘Asche’, arm. ačiwn ‘Asche’, azazim ‘dörren’, die miteinander z. T. starke Ähnlichkeiten aufweisen. Die morphologische Analyse von ἄσβολος ist schwierig. Ob darin wirklich als Hinterglied das Substantiv βόλος ("Aschen-wurf") steckt (Prellwitz u. a.; auch Pok. 69, Fraenkel Lexis 3, 57 und Schwyzer 440 mit verschiedenen Deutungen des angeblichen Vordergliedes), ist sehr zweifelhaft. Vgl. ἄζω und die dort zitierte Literatur. Davon vereinzelt belegte Ableitungen: ἀσβολώδης ‘rußig’ (Dsk.), ἀσβολόεν· μέγα, ὑψηλόν, μέλαν H., offenbar von einem Gebäude, und die Denominative (ἀσβολόομαι) ἠσβολωμένος (Macho u. a.), ἀσβολάω (Aesop.), ἀσβολαίνεται· fuscatur (Gloss.). I-160-161

Ασγελάτας Epithet des Apollo (Anaphe). Vgl. s. 1. αἴγλη. I-161

ἀσελγής ‘ausgelassen, schwelgerisch, frech’ (att.). Davon ἀσέλγεια ‘Ausgelassenheit usw.’ (att., hell.). Denominatives Verb ἀσελγαίνω (wie ὑγιαίνω zu ὑγιής usw.) ‘ἀσελγής sein’ (att.); vereinzelt ἀσελγέω (Sch.); davon wahrscheinlich unabhängig (vgl. Chantraine Formation 178) ἀσέλγημα (Plb., Pap. u. a.). — Unerklärte Nebenform: ἀσάλγαν· ὕβριν, ἀμέλειαν; ἀσαλγάνας· φοβερός H.; vgl Havers IF 28, 194ff. — Mehrere vergebliche Erklärungsversuche: Havers l. c. (: böotisch für *ἀθελγής; Bedeutung nicht günstig); Prellwitz KZ 47, 295f. (: lett. tulzums ‘Geschwulst’ usw. [?]); Pisani KZ 68, 163f. (: arm. eɫc ‘verdorben, schlecht’, z-eɫc ‘ausschweifend, unzüchtig’; lautlich unmöglich). I-161

ἄση, äol. ἄσᾱ f. ‘Ekel, Unbehagen, Verdruß’ (äol. ion., Pl., E. usw.). Abgeleitete Adjektive ἀσηρός (-ᾱ-) ‘ekelhaft, lästig’ (äol., ion. usw.), ἀσώδης ‘ds.’ (Hp., Plu. u. a.). Verb, wahrscheinlich denominativ (vgl. unten), ἀσάομαι (-άω Thgn.) ‘Ekel usw. empfinden’ (äol. ion., Arist. u. a.). — Mit einer ursprünglichen Bedeutung ‘Übersättigung’ gehört ἄση zu ἆ-σαι, ἄ̄-μεναι, aber die Bildungsweise ist unklar. Nach Solmsen Wortforsch. 242ff. mit analogisch bewahrtem oder wiederhergestelltem σα-Suffix zur Tiefstufe ἀ̆-, idg. *-. Die Identifizierung von ἀσάομαι mit lat. satiāre (Brugmann-Thumb 350), wobei ἄση postverbal wäre, setzt eine im Griechischen sonst nicht vorhandene t-Erweiterung voraus, um von anderen Bedenken zu schweigen, s. Solmsen l. c., wo auch gegen eine Grundform idg. *-ti̯ā. Bessere Stütze im Griechischen hätte ein ursprüngliches *ἄδσ-ᾱ, Erweiterung vom σ-Stamm in ἅδος ‘Sättigung, Überdruß’ (Il.); die Vereinfachung des -σ- in den äolischen Formen (bis auf das unsichere ἀσσαροτέρας Sapph. 77) wäre dem epischen Einfluß zuzuschreiben; s. Schwyzer 321 m. Lit. — Vgl. ἆσαι, ἅδην, ἀδμολίη. I-161

ἄσθμα n. ‘schweres, kurzes Atmen, Keuchen’, als mediz. Terminus ‘Asthma’ (ion. poet. seit Il.). Davon das von den Medizinern gebrauchte Adj. ἀσθματικός, vereinzelt ἀσθματίας, ἀσθματώδης; ferner das Denominativum ἀσθμαίνω ‘schwer atmen, keuchen’ (seit Il.); daneben die späte Bildung ἀσθμάζω (AB); unsicher ἀσθμάομαι (Pap., vgl. Kapsomenakis Voruntersuchungen 26 A. 4), wovon immerhin ἄσθμησις (Gloss.). — Die Bildung von ἄσθμα ist im einzelnen etwas unklar. Jedenfalls ist es eine θμα-Ableitung (vgl. ἴ-θμα usw.), wahrscheinlich von an(ə)- ‘atmen’ in ἄνεμος (s. d.). In der so gewonnenen Grundform *ἄνσθμα (vgl. die Literatur bei Schwyzer 337) bleibt das -σ- noch zu rechtfertigen; vgl. indessen ἰ-σθμός; ähnlich lat. hālāre ‘hauchen’, falls nach geläufiger Auffassung aus *an-slā- (denominativ). — Ältere Erklärungen bei Bq. I-161-162

ἄσιλλα f. ‘das über dem Nacken auf beiden Schultern ruhende Tragholz’ (Simon., Pap. u. a.). — Unerklärt, wahrscheinlich LW (vgl. Schwyzer 308). Unwahrscheinliche semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 110. "Pelasgische" Erklärung bei van Windekens Le Pélasgique 7 1ff. I-162

ἀσίρακος m. Art Heuschrecke (ohne Flügel; Dsk., Gal.). — Ägyptisches LW? Vgl. Strömberg Wortstudien 16. I-162

ἄσις, -ιος f. ‘Schlamm, Unrat’ (Φ 321, Nik., Charito). Davon ἀσώδης (A. Supp. 31 [lyr.]); für *ἀσιώδης nach dem Homonym von ἄση?; vielleicht auch ἄσιος als Epithet von λειμών Β 461 (mit Eust.), falls nicht einfach zu ’Ασία. — Nicht sicher erklärt. Von Schulze BerlAkSb. 1910, 793 (= Kl. Schr. 11 6f.) mit ai. ásita- ‘dunkelfarbig, schwarz’ (vgl. ai. hári- ‘gelb’ neben hári-ta- ‘ds.’) zusammengestellt unter Heranziehung zahlreicher semantischer Parallelen (die indessen nicht alle stichhaltig sind). Dabei muß ἀ- (= ai. a-) aus idg. - erklärt werden, wodurch sich idg. s in ἄσις gehalten zu haben scheint, vgl. Schwyzer 307. — Unannehmbar Krause KZ 67, 211f.: ἄσις eig. ‘spitzer Flußsand, Steingrieß’ zu aḱ ‘Spitze’ als thrakisches LW. Ältere verfehlte Erklärungen bei Bq; s. noch van Windekens Le Pélasgique 13 usw. I-162

ἀσκάλαβος Eidechsenart (GDI 3123 [Korinth], Nik., Ant. Lib.). Daneben die längere (ursprünglichere?) Form ἀσκαλαβώτης (Ar., Arist.), vgl. γαλεώτης neben γαλεός; ohne anlautenden Vokal σκαλαβώτης (Orak. ap. Eus. PE 5, 12); besser beglaubigt καλαβώτης (LXX, Pap.). Außerdem bei H. καλαβύστης (argivisch) und sogar ἀσκόλαχα (?); vgl. Chantraine Formation 403; dazu κωλώτης (Arist., Babr.; s. κῶλον). m. — Unerklärt; wahrscheinlich ägäisches LW. Der Ausgang -βος findet sich in mehreren Wörtern unbekannten Ursprungs, darunter in einigen Tiernamen; s. Chantraine 2 60ff. Verfehlt Prellwitz s. v. — Die schwankende Form läßt auf volkstümlichen Ursprung schließen; vgl. Winter Prothet. Vokal 18f. Zur Benennung der Eidechse s. Schrader-Nehring Reallex. 230f. I-162

ἀσκάλαφος m. N. eines unbekannten Vogels, vielleicht einer Eulenart (Arist., vgl. Thompson Birds s. v.). Daneben κάλαφος· ἀσκάλαφος. Μάγνητες H. — Das Suffix -φος ist in Tiernamen wohlbekannt; im übrigen dunkel. Zum Anlaut vgl. Winter Prothet. Vokal 17. I-163

ἀσκαλώνιον (κρόμυον) n. ‘Zwiebel aus Askalon’ (Palästina). — Vgl. Strömberg Pflanzennamen 125. I-163

ἀσκάντης m. ‘schlechtes Bett, Totenbahre’ (Ar., Luk., AP). — Unerklärt. I-163

ἀσκαρίζω s. σκαίρω. I-163

ἀσκαρίς, -ίδος f. ‘Eingeweidewurm, Springwurm, Stechmückenlarve’ (Hp., Arist.). Ableitung: ἀσκαριδώδης (Hp.). Daneben σκαρίδες· εἶδος ἑλμίνθων H. — Nach L. Meyer, Prellwitz, Strömberg Wortstudien 24 postverbal zu ἀσκαρίζω ‘springen, hüpfen’; semantisch nicht ganz überzeugend. — Dt. Springwurm ist Lehnübersetzung. I-163

ἄσκαρος Vgl. ἀσκηρά· εἶδός τι τῶν καστανίων H. m. Art Fußbekleidung, auch ein musikalisches Instrument, ‘Klapper, κρόταλα’ H. Ähnlich Poll. 4, 60. — Unerklärt. I-163

ἀσκελής (κ 463), als Adverb ἀσκελές (α 68, δ 543), -έως (Τ 68), Bedeutung unsicher. — Gewöhnlich zu σκέλλω ‘ausdörren’ und einem unbelegten *σκέλος ‘Dürre’ gezogen; also entweder mit α privativum ‘nicht ausgetrocknet, weich’ (vgl. περι-σκελής ‘ringsum getrocknet, hart’) oder mit α copulativum ‘ausgetrocknet’ = 1. ‘saft- und kraftlos’, 2. ‘hart’. Keine dieser Deutungen paßt ohne gewisse Schwierigkeiten an sämtlichen Stellen. Vermutlich war das Wort schon zur Zeit der epischen Dichter der lebendigen Sprache fremd und die Bedeutung somit schwankend. Bechtels Versuch, Lex. s. v., von der ersten Bedeutung aus dem tatsächlichen Gebrauch gerecht zu werden, ist nicht ganz überzeugend. S. auch Winter Prothet. Vokal 18 m. A. 2, der auf ἀσκαλεῶς· ἄγαν σκληρῶς H. (falsch für ἀσκελέως?) aufmerksam macht. I-163

ἀσκέρα f. ‘Winterschuh mit Pelzfutter’ (Hippon., Herod., Lyk.). Deminutivum ἀσκερίσκος m. (Hippon.). — Nach Prellwitz zu ἀσκέω; vielmehr Fremdwort (lydisch?, vgl. Kretschmer Glotta 27, 37; s. auch Schwyzer 61). I-163

ἀσκέω, Aor. ἀσκῆσαι Mehrere Ableitungen, Nomina actionis: ἄσκησις f. ‘(gymnastische) ?bung’ (ion. att.) ‘Lebensführung, Askese’ (helh.usw.; s. Pfister Festgabe für Ad. Deißmann [1927] 76ff.; vgl. auch Holt Les noms d’action en -σις 123); ἄσκημα n. ‘Übung’ (Hp., X. usw.); ἀσκεία (H.); postverbale Bildung ἄσκη f. = ἄσκησις (Pl. Kom.). — Nomina agentis : ἀσκητής m. ‘der künstlich und beruflich Eingeschulte’, bes. ‘der Athlet’ (att.), ‘Eremit’ (Ph.); unsicher ἀσκητήρ (Poet. ap. Gal. Protr. 13) mit Fem. ἀσκήτρια ‘Nonne’ (Cat. Cod. Astr.). — Adj. (von ἀσκητής oder von ἄσκησις oder sogar direkt von ἀσκέω) ἀσκητικός ‘arbeitsam’ (Pl. Lg. 806a), ‘zum Athleten gehörig’ (Ar.), ‘asketisch’. — Keine Etymologie. Ältere Erklärungsversuche bei Bq. ‘verarbeiten, schmücken’ (vorw. ep. ion. poet.), ‘üben, ausüben’ (vorw. ion. att. Prosa und Kom.). Vgl. H. Dreßler The usage of ἀσκέω and its cognates in Greek documents to 100 A. D. (The Cath. Univ. of Am. Patristic Studies 78) Washington 1947. I-163-164

ἀσκηθής (ξ 255 nach Eustathios ἀσκεθέες für ἀσκηθέες = -θεῖς, kaum richtig; vgl. Leumann Hom. Wörter 263 A. 3 m. Lit.) ‘unversehrt, wohlbehalten’ (vorw. ep. aber auch Tegea und Epidauros). — Scheint ein Substantiv *σκῆθος n. ‘Schaden’ vorauszusetzen, das mit einer germ.-kelt. Wortsippe, got. skaþis n. ‘Schaden’, ir. scathaim ‘verstümmeln, lahmen’ zusammengestellt worden ist (Osthoff PBBeitr. 13, 459), was möglich ist unter der Voraussetzung, daß θ die idg. tenuis aspirata th vertreten kann. I-164

Ασκληπιός, Urspr. Heros (Il.), dann Heilgott, anfänglich in Epidauros beheimatet. Ausführlich darüber E. u. L. Edelstein, Asclepius. A Collection and Interpretation of the Testimonies. 1-2. Baltimore 1945. dor. -ᾱπιός; dialektale Nebenformen Αἰσκλαπιός (epid. u. troiz.), ’Ασχλαπιός (böot.), ’Ασκαλαπιός (thess.), ’Ασκαλπιός (gort.), Αἰσχλαβιός (Erzfigur aus Bologna mit korinthischen Schriftzeichen), vgl. Kretschmer Glotta 30, 116. m Davon das Patronymikon ’Ασκληπιάδης m. (seit Il.), mit ’Ασκληπιάδειος N. eines Metrums usw. (Heph. u. a.); ’Ασκληπίεια (-ίδεια) n. pl. ‘A.-fest’ (Pl. usw.); ’Ασκληπιεῖον n. ‘A.-tempel’ (Plb., Str.); ’Ασκληπιακός (Aristid., Dam.); ’Ασκληπιασταί (-ᾱπ-) m. pl. N. der A.-verehrer (Rhodos usw.; vgl. zu ’Αρτεμισιασταί s. Ἄρτεμις). — ἀσκληπιάς f. Pflanzenname (Dsk., Gal.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 99). — Die zahlreichen älteren Versuche, ’Ασκληπιός aus dem Griechischen zu erklären, worüber P.-W. 2, 1643, Grégoire (s. unten) 40ff., müssen als gescheitert angesehen werden. Einen neuen Versuch dieser Art macht H. Grégoire (unter Mitwirkung von R. Goossens und M. Mathieu) in der Arbeit Asklèpios, Apollon Smintheus et Rudra. Bruxelles 1949 (Mém. Acad. Roy. de Belgique. Classe des lettres. 2. sér. 45), indem er ’Ασκληπιός als "le héros-taupe" zu σκάλοψ, ἀσπάλαξ ‘Maulwurf’ zieht mit Hinweis auf die behauptete Ähnlichkeit zwischen dem Tholos in Epidauros und dem Bau des Maulwurfs. In sprachlicher Hinsicht steht dieser Vergleich auf sehr schwachen Füßen, da die wechselnden Formen des Heilgottnamens, die nach Kretschmer l. c. auf pelasgisch-tyrrhenischen Ursprung des Namens schließen lassen, mit den ebenfalls wechselnden Namen des Maulwurfs nur eine entfernte Ähnlichkeit aufweisen. I-164-165

ἀσκός m. ‘die abgezogene Haut’, gew. ‘der daraus gefertigte lederne Schlauch’ (seit Il.). Deminutiva: ἀσκίον (Hp., Krates Kom. u. a.), ἀσκίδιον (Ar., Posidon.). — Weitere Ableitungen: ἀσκίτης (sc. ὕδρωψ) m. ‘Art Wassersucht, Patient dieser Krankheit’ (Epikur, Mediz.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 104); — ἄσκωμα ‘lederne Polsterung’ (als Ruderunterlage; Ar., Ruf. u. a.; zur Bildung vgl. Chantraine Formation 187, außerdem Morrison ClassQuart. 41, 126f.); Demin. ἀσκωμάτιον (Hero). — Zu ἀσκώλια s. bes. — Denominatives Verb ἀσκώσατο· ἠχθέσθη H.; vgl. ngr. ἀσκοφυσῶ = φουσκώνω, ὀγκοῦμαι ‘vor Zorn (wie ein Schlauch) aufschwellen’ Kukules ’Αρχ. ’Εφ. 27, 61ff. — Dunkel. Ältere Erklärungen bei Bq (darunter ein Versuch von Baunack Stud. 1, 258ff., ἀσκός und ἀσκέω zu verknüpfen). Die Neueren sind kaum glücklicher gewesen: H. Petersson Et. Miszellen 15 (zu νάκος· s. Kretschmer Glotta 15, 197), Specht KZ 66, 220 (zu aind. átka- ‘Bekleidung, Gewand’; sowohl Form wie Bedeutung erregen Bedenken). — Zu bemerken ϝασκώνδας böot. EN; aber bei Homer fehlt jede Spur von ϝ- in ἀσκός. Vgl. Kretschmer Glotta 9, 21 5f. I-165

ἄσκρα · δρῦς ἄκαρπος H. — Hubschmid Sardische Studien (Bern 1953) 83f. vergleicht treffend bask. azkáŕ ‘Art Eiche’, wozu noch (vor)lat. aesculus ‘Berg-, immergrüne Wintereiche’. Es würde sich somit um ein Substratwort unbekannter Herkunft handeln. I-165

ἄσκυρον (-ος H.) n. ‘Art Johanniskraut, Hypericum’ (Dsk., Gal.). — Unerklärt. I-165

ἀσκώλια n. pl. ‘Schlauchfest’ zu Ehren des Dionysos, der zweite Tag der ländlichen Dionysien (Sch. Ar. Pl. 1129). Daneben ἀσκωλιάζω (Ar. Pl. 1129), nach den Sch. ‘an den ἀ. auf eingefetteten Schläuchen hüpfen’, wovon nach Poll. 9, 121 ἀσκωλιασμός, sonst (Arist. u. a.) ‘auf einem Bein hüpfen’. Die Deutung von ἀσκωλιάζω als Denominativ von ἀσκώλια kommt auch bei Poll. vor und liegt unzweifelhaft am nächsten; eine Herleitung von ἀσκώλια aus ἀσκός mittels eines ()lo-Suffixes (vgl. Chantraine Formation 243f., Schwyzer 484; anders, nicht vorzuziehen, Wackernagel Gött. Nachr. 1902, 140) leuchtet auch unmittelbar ein. — Unter Berufung einerseits auf σκωλοβατίζω ‘auf Stelzen gehen’ (Epich.), anderseits auf ἀγκωλιάδεν· ἅλλεσθαι Κρῆτες (AB 1, 327, 5), ἀγκωλιάζων· ἁλλόμενος τῷ ἑτέρῳ ποδί H. will Schulze Q. 141 A. 2 (vgl. auch Debrunner GGA 1910, 6) ein Grundwort *ἄσκωλος < *ἄν-σκωλος ansetzen. Aber dann wäre entweder ἀσκώλια von ἀσκωλιάζω zu trennen, was nicht zu empfehlen ist, oder das Wort wäre — falls überhaupt authentisch und nicht Scholiastenerfindung — als retrograde Bildung nur volksetymologisch auf ἀσκός bezogen (so Liddell-Scott-J.). Eher ist anzunehmen, daß ἀγκωλιάζω das lautähnliche ἀσκωλιάζω im Sinn von ‘auf einem Bein hüpfen’ semantisch beeinflußt hat. — ἀσκωλίζω (Pl. Smp. 190 D) ist nach den zahlreichen Verba auf -ίζω umgebildet. I-165-166

ἄσμενος ‘erfreut, froh’ (ion. att. seit Il.). Davon ἀσμενίζω ‘mit Freude aufnehmen, zufrieden sein’ (hell. u. spät) mit ἀσμενισμός ‘Zufriedenheit’ (Ph.). Daneben ἀσμενέω (Din.). — Isoliertes Partizip unsicherer Herkunft. Nach Buttmann Ausf. Sprachl. 2, 10 und J. Schmidt KZ 27, 320, denen sich u. a. Schwyzer 749 A. 3 anschließt, als sigmatischer Aorist aus *ϝάδ-σ-μενος zu ἁνδάνω, ἥδομαι (s. dd.); zu beachten indessen, daß sowohl die hss. Überlieferung wie gewisse Grammatikernachrichten für den Lenis sprechen, s. McKenzie ClassQuart. 20, 193f. — Anders Wackernagel Verm. Beiträge 6: zu νέομαι aus *n̥s-s-menos, indem er, auf einige Homerstellen gestützt, als ursprüngliche Bedeutung ‘gerettet’ ansetzt, was indessen kaum nötig ist, s. Bechtel Lex. s. v. Andere, nicht überzeugende Motivierung für Anschluß an νέομαι Meringer WuS 9, 116f. I-166

ἀσπάζομαι, Aor. ἀσπάσασθαι ‘freudig empfangen, begrüßen, küssen’ (seit Il.). Davon die Verbalnomina ἀσπασμός (Thgn. usw.), ἄσπασμα (E., Ph. usw.), ἀσπαστύς f. (Kall.; vgl. Benveniste Noms d’agent 72f.) ‘Gruß, Liebkosung’. — Ein altes Adjektiv (seit Il.) ist ἀσπάσιος ‘willkommen, freudig’, von ἀσπάζομαι nach den zahlreichen Adjektiven auf -σιος gebildet (Schwyzer 466, Chantraine Formation 41). Außerdem (neben dem alten Verbaladj. ἀσπαστός) auch ἀσπαστικός ‘freudig, freundlich’ (Plb. usw.). — Über die expressive und volkstümliche Infixbildung ἀσπακάζομαι (Kom. Adesp.; = τὸ ἀσπάζομαι. πέπαικται H.), wozu ἀσπακῶς· φιλοφρόνως H., s. außer Schwyzer 417 A. 1 und 644 m. Lit. auch Frisk Nom. 62ff. — Nicht sicher erklärt. Vielleicht zu σπάω als "an sich ziehen" mit neugebildetem Präsens; anlautendes ἀ- dann entweder mit Radermacher WienStud. 41, 1ff. prothetisch oder mit Kretschmer Glotta 12, 189f. aus *ἀν-σπάζομαι. — Ältere Literatur bei Bq. I-166

ἀσπαίρω ‘zucken, zappeln’, nur Präsens (ion. poet. seit Il.). Keine nominalen Ableitungen. — Erweiterte Form (wie von einem Verbalstamm *ἀσπαρ-) ἀσπαρίζω (Arist.), vgl. ἀσκαρίζω : σκαίρω. — Das damit gleichbedeutende, aber erheblich später und sparsamer belegte σπαίρω (Arist., A. R. usw.) will Güntert Reimwortbildungen 146 durch Kontamination mit σκαίρω erklären; es kann aber auch direkt mit lit. spiriù ‘mit dem Fuße stoßen’ gleichgesetzt werden. Jedenfalls ist ἀ- in ἀσπαίρω ein sekundäres Element und als solches eher als rein lautliche Vokalprothese (Literatur bei Schwyzer 412) als mit Kretschmer KZ 33, 566, Glotta 12, 189f. aus präfigiertem ἀν- = ἀνα- zu erklären. I-166-167

ἀσπάλαθος f. (m.) N. verschiedener dorniger Sträucher (Thgn., Kom., Pl. usw.); zur Bedeutung s. Dawkins Journ. of HellStud. 56, 7. — Etymologie unbekannt. Der Versuch Solmsens Wortforsch. 21 A. (m. Lit.; s. auch Persson Beiträge 2, 803), ἀσπάλαθος durch Anknüpfung an σπαλύσσεται· σπαράσσεται, ταράσσεται H.; σφαλάσσειν· τέμνειν, κεντεῖν H. usw. (s. ἀσπάλαξ) aus dem Indogermanischen zu erklären ("woran man sich reißt, ritzt, Zupfer, Reißer"), hat höchstens hypothetischen Wert. Eher LW (Schwyzer 510, Chantraine Formation 368). — Ältere, ganz unbefriedigende Erklärungen bei Bq. I-167

ἀσπάλαξ, -ακος ‘Maulwurf’ (Arist., Antig., Ael. usw.; zur Bedeutung Thompson ClRev. 32, 9ff.). Daneben σπάλαξ m. f. (Arist., LXX, Ael.), ἀσφάλαξ m. (Babr., Str., Hdn.) und σφάλαξ (Paus.). m. — Da -αξ in Tiernamen ein gewöhnliches Suffix ist (κόραξ, σκύλαξ, πόρταξ, ὕραξ usw., Schwyzer 486, Chantraine Formation 378), kann man für (ἀ)σπάλαξ Anschluß bei einer sehr weitverzweigten Wortsippe, idg. sp(h)el- ‘spalten, absplittern, abreißen’ (WP. 2, 677ff. m. Lit.), suchen, die im Griechischen u. a. durch σπολάς ‘abgezogenes Fell, Harnisch’ (s. d.) vertreten ist. Mithin wäre (ἀ)σπάλαξ "der Aufreißer" od. ähnl. Anlaut. ἀ- ist dabei prothetisch (Schwyzer 412, Kretschmer Glotta 21, 89); nach Winter Prothet. Vokal 19 ist dagegen für die Kurzform eher Apokope anzunehmen. — Hierher wird auch gezogen σφαλάσσειν· τέμνειν, κεντεῖν H., das sogar ein Denominativum des in σφάλαξ vorliegenden Gutturalstammes sein könnte, sofern -άσσειν nicht als ein einheitliches Suffix zu beurteilen ist (Schwyzer 733). — Das synonyme σκάλοψ ist damit nicht verwandt, s. d. I-167

ἀσπάλους - Daneben ἀσπαλιεύς ‘Fischer’ (Nik., Opp.) und ἀσπαλιεύω ‘fischen, angeln’ (Aristaen., Suid.) mit ἀσπαλιευτής ‘Fischer’ (Pl.). Diese Formen, deren gegenseitiges Verhältnis mehrdeutig ist (vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 65f.), scheinen nach ἁλιεύς usw. gebildet worden zu sein (nicht mit Schwyzer 476 A. 5 aus *ἀσπαλ-αλιεύς). Auch ἀσπαλία· τοῦ ἁλιέως ἐργασία (H., Suid.) kann für ἀσπαλιεία stehen und somit von ἀσπαλιεύω ausgehen. · τοὺς ἰχθύας. ’Αθαμᾶνες H. Direkt von ἄσπαλος dagegen wohl ἀσπαλίσαι· ἁλιεῦσαι, σαγηνεῦσαι (AB 183). Vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 62f. — Unklar. Von Solmsen Wortforsch. 21 A. wird ἄσπαλος zu lat. squalus N. eines großen Fisches, awno. hvalr ‘Walfisch’, apreuß. kalis ‘Wels’ unter Annahme von prothetischem ἀ- gezogen. Wieder anders Fick BB 18, 141; s. WP. 2, 541. — Eher mit Huber Comm. Aenip. 9, 21 Mittelmeerwort. I-167-168

ἀσπάραγος s. ἀσφάραγος. I-168

ἀσπάσιος s. ἀσπάζομαι. I-168

ἀσπερχές Adv. ‘eifrig, heftig, unablässig’ (Hom.). — Mit a copulativum (intensivum) direkt von σπέρχω ‘drängen, einherstürmen’ (s. d.) gebildet; vgl. Chantraine Formation 427. I-168

ἄσπετος ‘unendlich, unermeßlich’ (ep. poet. seit Il.). — Eigentlich ‘unsäglich’, ἄ-σπ-ετος, als negiertes Verbaladjektiv zu ἐννέπω (aus *ἐν-σέπω), ἐνι-σπ-εῖν (s. d.). I-168

ἀσπιδής etwa ‘ausgedehnt, geräumig’, nach gewissen Gewährsmännern (vgl. Fraenkel KZ 43, 202ff.) in Λ 754 διἀσπιδέος πεδίοιο zu lesen statt διὰ σπιδέος π. — Wenn richtig, ehestens aus α copulativum (intensivum) und einem Nomen *σπίδος bzw. einem dazugehörigen Verb (s. σπίδιος), s. Fraenkel l. c. Nach Bechtel Lex. s. ἀσπίς dagegen aus *ἀν-σπιδής ‘entlang gebreitet’. — Die Lesung σπιδέος erklärt sich am einfachsten aus einem Adj. *σπιδύς, vgl. Schwyzer 513 A. 11 m. Lit. Unwahrscheinlich Leumann Hom. Wörter 58ff.: (ἀ)σπιδέος durch Mißverständnis von ἀσπίδας Π 774 entstanden. I-168

ἀσπίς 1., -ίδος f. ‘Schild’, eig. ‘Rundschild’ (im Gegensatz zu σάκος, Trümpy Fachausdrücke 20ff.; seit Il.). Deminutivbildungen: ἀσπίδιον (Hermipp., Men. u. a.), auch Pflanzenname (Dsk.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 55), ἀσπιδίσκη und -ίσκος (LXX, Inschr. usw.), ἀσπιδίσκιον (Inschr. u. a.), ἀσπιδισκάριον (Lyd.). — Andere Ableitungen: ἀσπιστής ‘schildtragend(er Krieger)’ (Il.), sekundär ἀσπιστήρ (S., E.) und ἀσπίστωρ (A. Ag. 404 [lyr.]), vgl. Chantraine Formation 327 u. 325f., Fraenkel Nom. ag. 1, 22 u. 137; 2, 29; dazu ἀσπιστικός (D. H.). — Daneben ἀσπιδίτης (S. Fr.), wohl nach ὁπλίτης; gewöhnlicher ἀσπιδιώτης (Il., Theokr., Plb., AP), ursprünglich metrisch bedingt (Meister HK 30), aber auch durch στρατιώτης gestützt; vgl. Redard Les noms grecs en -της 41; — ἀσπιδόεις ‘aus Schilden bestehend’ (Opp.), aber vgl. zu 2. ἀσπίς. — Außerdem ἀσπιδεῖον Bed. unsicher (Inschr., Pap.); vgl. die zahlreichen Bildungen auf -εῖον bei Mayser Pap. I 3, 12ff., außerdem ἀσπιδεῖα· τὰς πτυχὰς τῶν ἀσπίδων H. — Seltenes Denominativum: ἀσπίζω ‘schirmen’ (Lydien, H., Suid.). — Herkunft unsicher. Die Deutung als "die dem Kämpfer entlang gebreitete Fläche" aus *ἀν-σπίς, zu σπίδιος usw., s. ἀσπιδής (Bechtel Lex.), überzeugt nicht; auch die Zusammenstellung mit lit. skỹdas ‘Schild’ (Bezzenberger BB 1, 337f. usw., s. Bq und Pisani Ist. Lomb. 73: 2, 23) muß als unbefriedigend betrachtet werden, s. WP. 1, 50 A. 1. — Der Gedanke, in ἀσπίς einen Baumnamen zu suchen (Schrader BB 15, 285), ist an und für sich ansprechend; die Anknüpfung an ahd. aspa ‘Espe’ usw. scheitert indessen daran, daß in diesem Wort die ursprüngliche Lautfolge -ps-, nicht -sp-, war; s. WP. 1, 50. — So liegt denn die Vermutung nahe, daß die ἀσπίς im Gegensatz zu dem einheimischen σάκος wie viele andere Waffengeräte von einem fremden Volke mitsamt der Benennung übernommen wurde; vgl. Trümpy a. a. O. I-168-169

ἀσπίς 2. -ίδος f. N. der ägyptischen Kobra ‘Coluber haie’ (Hdt., Ar. usw.). Davon ἀσπιδόεις (Poet. ap. S. E., Opp.). — Falls nicht Fremdwort, wohl = 1. ἀσπίς wegen des beim Angriff schild- oder scheibenähnlich erweiterten Halses. — Unannehmbar Holthausen IF 39, 64. I-169

ἄσπληνον, -ος m. Daneben ἀσπληνίς· βοτάνης εἶδος H. n., Pflanzenname. — Von a privativum und σπλήν wegen der vermuteten Fähigkeit der Pflanze, die Milzsucht zu heilen. I-169

ἄσπρις f. Eichenart, ‘Quercus Cerris’ (Thphr.) — Unerklärt. Nicht zu ahd. aspa ‘Espe’ usw. (Hoops Waldbäume 122) wegen lett. apsa und anderer Formen, die die ursprüngliche Lautfolge -ps- bewahrt haben, s. WP. 1, 50. I-169

ἄσσα, att. ἄττα n. pl. = τινὰ, ἅττα = ἅτινα. S. τίς. I-169

ἀστακός m. ‘Meerkrebs’ (Philyll., Arist. usw.). Daneben ὀστακός (Aristom. u. a.; nach Ath. 3, 105b attisch), woraus ἀστακός durch Vokalassimilation (J. Schmidt KZ 32, 390). — Eig. "mit Knochen versehen, Knochentier", alte κ-Ableitung des in ai. asthán-, asthn- (z. B. Gen. asthn-áḥ) vorliegenden n-Stammes (Nom. ásthi, vgl. ὀστέον). Idg. Grundform wäre somit *osthn̥-qó-s. Dasselbe Suffix erscheint als kompositionelles Element im aind. Bahuvrihi an-ástha + ka- ‘ohne Knochen’. Zur Bedeutung vgl. mind. aṭṭhi-taco ‘Krebs’ aus *asthi-tvacas- ‘knochenhäutig’ (Schulze KZ 43, 380 = Kl. Schr. 376 m. Lit.). — Vgl. außer ὀστέον auch ἀστράγαλος, ὄστρακον. I-169

ἀσταφίς, -ίδος ‘getrocknete Weintraube, Rosine’ (Tegea, ion. att.), daneben ὀσταφίς (Kratin., Nikopho) und σταφίς (Hp., Theok., LXX usw.). f. Ableitungen: ἀσταφιδῖτις (ῥῶξ; AP, vgl. Redard Les noms grec en -της 111, Schulze KZ 62, 258); σταφίδιος und σταφιδίτης (οἶνος; Hp. bzw. Orib., vgl. Redard 99); auch σταφιδευταῖος (Hp.; wie von *σταφιδευτής, *σταφιδεύω). Denominatives Verb σταφιδόω ‘Weintrauben trocknen, Rosinen bereiten’ (Dsk., Gp.). — Bildung wie κεδρίς, κεφαλίς und andere Pflanzenteile bzw. -produkte; der Stamm erinnert an σταφυλή ‘Weintraube’ (s. d.); sonst unklar. Zur Frage des Anlauts (prothetischer Vokal oder Vokalwegfall?) Winter Prothet. Vokal 19 und 21 m. Lit. I-169-170

ἄσταχυς m. ‘Kornähre’ (ep. ion.). — Prothetische Form von στάχυς, s. d. Winter Prothet. Vokal 19 glaubt eher an Apokope. I-170

ἀστεμφής Adv. ἀστεμφέως (Od.) ‘fest, starr’ (poet. s. Il.). — Von einem verschollenen Nomen *στέμφος, bzw. Verb *στέμφω etwa ‘stützen, drücken, pressen’; vgl. στέμφυλα n. pl. ‘ausgepreßte Oliven’, s. auch στόμφος und στέμβω. Das ἀ- ist dabei copulativ aufzufassen: ‘zusammengedrückt, -gepreßt’ (Bq); anders Bechtel Lex. mit Curtius u. a.: ‘der nicht gedrückt, nicht gepreßt werden kann’. I-170

ἀστεροπή f. ‘Blitz’ (Κ 154 v. l., Pi., Ar.). Ableitungen: ἀστεροπητής, -οῦ m. Beiname des Zeus (Il. usw.); daneben ἀστεροπῆτα κεραυνόν (IG 14, 641) nach hom. ἀργῆτα κεραυνόν; — ἀστεροπαῖος (Corn.). — Neben ἀστεροπή steht das gewöhnlichere στεροπή (seit Il.), außerdem noch ἀστραπή (Hdt. usw.) mit ἀστράπτω (seit Il.), s. d.; dieselbe "schwache" Stammform auch in στροπά· ἀστραπή. Πάφιοι und στορπάν (cod. -τιάντὴν ἀστραπήν H., woraus das Zeusepithet Στορπᾶος (Tegea); vgl. Porzig Satzinhalte 255f. — Wahrscheinlich mit Curtius eig. "Stern-auge" von ἀστήρ und ὀπ- (in ὄψ ‘Auge’, ὄψομαι usw.) mit dem Kompositionssuffix -η (ὀπή ‘Öffnung, Loch’!), eine Deutung, die durch arm. payl-akn ‘Blitz’ (von paylem ‘glänzen’, bzw. payl ‘Glanz’ und akn ‘Auge’) und areg-akn ‘Sonne’ (von arew ‘Sonne’ und akn) sehr an Wahrscheinlichkeit gewinnt (Meillet Handes Amsorya 41, 757ff., s. Idg. Jb. 13 VIII 98; BSL 34, 131). — Ganz anders Winter Prothet. Vokal 35. — Die Form στεροπή kann entweder die einsilbige Stammform enthalten, die in ahd. Stern usw. vorliegt (wobei ἀστεροπή als sekundärer Anklang an ἀστήρ zu erklären ist), oder durch Apokope entstanden sein. Vgl. Scherer Gestirnnamen 20f. I-170

ἄστηνος ‘elend, unglücklich’ (Rhenea IIa). Denominativ ἀστηνεῖ· ἀδυνατεῖ H. Der "athemat." Plural ἀστῆνες· ταλαίπωροι, δυστυχεῖς H. ist wahrscheinlich verderbt. — Nach EM 159, 11 παρὰ τὸ μὴ στάσιν μηδοἴκησιν ἔχειν. Von α privativum und demselben Hinterglied wie in δύστηνος, s. d. I-170

ἀστήρ, -έρος im Plur. gewöhnl. ἄστρα, sekundärer Sing. ἄστρον (Schwyzer 581 Zus. m. Lit.) m., ‘Stern’, auch übertragen in verschiedenen Bedeutungen (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen, vorw. hell. u. spät. Deminutiva: ἀστερίσκος, oft übertragen (Kall., Thphr. usw.) mit ἀστερίσκιον (Apollon.); ἀστηρίδιον ‘sternartiges Ornament’ (Pap.). — Adjektiva: ἀστερόεις ‘gestirnt, mit sternartigen Verzierungen’ (Il. usw.); ἀστερωτός ‘ds.’ (Inschr. IIIa); ἀστέριος ‘gestirnt, sternartig usw.’ (Arat., Kall. usw.) mit Ntr. ἀστέριον, u. a. als Pflanzenname (Krateuas usw., vgl. Strömberg Pflanzennamen 48, 50); ἀστεριαῖος ‘sternähnlich’ (Kleom. u. a.); ἀστερικός ‘zu den Sternen gehörig’ (Theol. Ar.), ἀστερώδης (Sch.). — Substantiva: ἀστερίας Fisch- und Vogelname (Philyll., Arist., vgl. Strömberg Fischnamen 28, Thompson Birds 57); ἀστερίτης (λίθος) N. eines mythischen Steins (Ptol. Heph. u. a., vgl. Redard Les noms grecs en -της 52), fem. ἀστερῖτις Pflanzenname (Ps.-Apul., Redard 69). — Zur Schwundstufe in ἄστρα (ἄστρον): ἄστριον ‘sternartiges Ornament’ usw. (Inschr. usw.); ἀστρῷος ‘gestirnt, zu den Sternen gehörig’ (AP, Phlp.); ἀστρικός zu den Sternen gehörig’ (Philostr. usw.); ἀστραῖος ‘gestirnt’ (Nonn. u. a.). — Zwei seltene Denominativa: ἀστερίζω ‘in Konstellationen ordnen’ usw. (Hipparch. u. a.); ἀστερόω ‘in Sternen verwandeln, mit Sternen versehen’ (Placit., Sch.). — ἀστήρ stimmt im Anlaut zu arm. astɫ ‘Stern’, im Stammauslaut zu dem entsprechenden Wort im Keltischen, Germanischen und Tocharischen, z. B. bret. sterenn, got. staírno, toch. B ścirye. Die übrigen Sprachen, die das Wort bewahrt haben, lassen sowohl idg. -r wie -l zu: aw. Akk. sg. stār-əm, aind. Nom. pl. tā́raḥ, Instr. stŕ̥-bhiḥ, lat. stella aus *stēr-lā oder (wohl besser) *stēl-nā. — Die Anknüpfung dieses alten Wortes für ‘Stern’ an ein idg. Verb ster-, stel- ‘ausbreiten, ausstreuen’, z. B. lat. sterno, aksl. steljǫ (seit Kuhn KZ 4, 4), ist ganz hypothetisch. Verfehlt Krogmann KZ 63, 256ff. und v. Windekens Revue belge de phil. 21, 141ff. (zu idg. ā̆s- ‘brennen’). Herkunft aus dem Sumerisch-Babylonischen (Ištar ‘Venus’; z. B. Ipsen IF 41, 179ff.) muß als völlig unbewiesen und äußerst unwahrscheinlich betrachtet werden, vgl. Schrader-Nehring Reallex. 2, 481, Specht KZ 62, 249 m. A. 3, Scherer Gestirnnamen 23. — Lett. stars ‘Ast, Strahl’ und damit verwandte Wörter (Fraenkel Gnomon 22, 236) sind schon wegen der stark abweichenden Bedeutung fernzuhalten; s. dazu WP. 2, 628 und 637 mit anderen Kombinationsmöglichkeiten. — Ausführlich über die ganze Wortgruppe Scherer Gestirnnamen 18ff. I-170-171

ἄστλιγξ s. ὄστλιγξ. I-171

ἀστός s. ἄστυ. I-171

ἀστραβδα (Akz. unsicher) παίζειν (Herod. 3, 64). Bedeutung unbekannt. — Bildung wie κρύβδα, κύβδα, μίγδα usw. (Schwyzer 626). Dunkel; in Betracht kommen: ἀστράπτω, ἀστράβη, auch στρέφω. Lit. bei Bq. I-172

ἀστράβη f. ‘bequemer Sattel, Mauleselsattel’ (att.). Davon ἀστραβεύω (Pl. Kom. 39), ἀστραβίζω (A. Supp. 285). — Herkunft unbekannt, wahrscheinlich technisches LW, vgl. Chantraine Formation 262 : 8. Verwandtschaft mit ἀστραβής (Prellwitz) ist nicht zu begründen. I-172

ἀστραβής, -ές ‘gerade, fest’ (Pi., Hp., Pl., Thphr. usw.). Davon ἀστραβίζειν· ὁμαλίζειν, εὐθύνειν H. mit ἀστραβιστήρ. Erweiterte Form ἀστραβαλίζειν (EM), nach den Verba auf -αλίζειν (τροχαλίζειν u. a.). — Zu στραβός (s. d.), στρεβλός, στρόβιλος usw. Das jedenfalls privative Adjektiv kann entweder von einem neutralen s-Stamm oder direkt von einem Verb ausgehen. I-172

ἀστράγαλος ‘Halswirbel, Sprungbein, (daraus gemachter) Würfel’ (seit Il.), ἀστραγάλη f. ‘ds.’ (Anakr., Herod.). m. Mehrere nominale Ableitungen: Demin. ἀστραγαλίσκος (Delos IIa u. a.). Ferner ἀστραγαλωτός ‘aus ἀ. gemacht’ (Krates Kom. usw.) mit dem Femm. ἀστραγαλωτή Pflanzenname (Philum. u. a.); zu den Bildungen auf -(ω)τός von Nomina s. Schwyzer 503 : 4, Chantraine Formation 305 par. 243, außerdem Krahe IF 48, 224f.; — ἀστραγαλώδηςἀ.-ähnlich’ (Tz.), ἀστραγάλειος ‘talaris’ (Aq.). — Außerdem ἀστραγαλῖτις ‘Art Iris’ (Gal.), ἀστραγαλῖνος ‘Goldfink’ (Dionys.). — Vom Denominativum ἀστραγαλίζω ‘würfeln’ (Kom., Pl.) stammen ἀστραγάλισις ‘das Würfeln’ (Arist.), ἀστραγαλιστής ‘Würfelspieler’ (Kom.), Adj. ἀστραγαλιστικός (Eust.). — Eine hypokoristische Subtraktionsbildung ist ἄστρις f. = ἀστράγαλος (Kall.) mit ἀστρίζω (Poll.); dazu, mit volkstümlichem (hypokoristischem) χ-Suffix, ἄστριχος m. (Antiph.), vgl. Schwyzer 498. — ἀστράγαλος ist mittels eines λ- Suffixes (vgl. Chantraine Formation 247) von einem alten Wort für Knochen gebildet, das auch dem Wort für Meerkrebs ἀστακός zugrunde liegt und einen r-n-Stamm enthält, der im Griech. in ὄστρ-ακον, ὄστρ-ειον, im Altind. in asthn-áḥ (Gen.) zutage tritt. Daran ist ein -γ angefügt, das wahrscheinlich aus dem Nominativum stammt und mit dem gutturalen Element in den altind. r-n-Stämmen, z. B. ásr̥-k, Gen. asn-áḥ ‘Blut’ (vgl. ἔαρ) identisch ist. Das anlautende ἀ- ist wie in ἀστακός durch Vokalassimilation (Vokalharmonie) entstanden. Außer der Lit. bei Bq und WP. 1, 185f. s. bes. Benveniste Or. 7 und 28. Unannehmbar Winter Prothet. Vokal 37ff. — Vgl. ἀστακός, ὄστρακον, ὀστρύς, ὀστέον. I-172

ἀστραλός · ὁ ψαρὸς (= ‘Star’) ὑπὸ Θετταλῶν H. — Erinnert auffallend an das lat.-germ. Wort für Star, lat. sturnus, ahd. stara f. usw. (Curtius, Fick). Anknüpfung an den in sturnus verbauten n-Stamm (über *ἀστρν̥λός, s. Schwyzer 483 : 4) ist dann nicht ausgeschlossen. Nach Wood u. a. (s. WP. 2, 649) zu ἀστήρ. Vgl. W.-Hofmann s. sturnus, außerdem Winter Prothet. Vokal 19, Thompson Birds s. v. I-173

ἀστραπή f. ‘Blitz’ (Hdt., A., Pl. usw.; Epos dafür (ἀ)στεροπή, wohl aus metrischen Gründen). Davon ἀστραπαῖος (Arist. usw.) und ἀστράπιος (Orph.); außerdem ἀστραπηδόν (Aristobul.). — Neben ἀστραπή steht, mit dem Aussehen eines Denominativs, ἀστράπτω, Aor. ἀστράψαι ‘blitzen’ (seit Il.) mit den spärlich belegten ἄστραψις (Suid.) und ἀστραπτικός (Sch.). Später belegte poetische Nebenform στράπτω (S., A. R. u. a.), dazu neugebildet στραπή (EM). — Wenn, wie seit alters angenommen wird, ἀστραπή zu (ἀ)στεροπή gehört, muß die innere Silbe einen alten Ablaut (vgl. ἀστρά-σι) enthalten, vgl. Schwyzer 360. Der Wegfall des ὀ- im Hinterglied bleibt indessen etwas auffällig, wenn auch eine idg. Tiefstufe (ə)q- möglich ist; man hätte *ἀστροπή, *ἀστρόπτω erwartet. Oder wurde *ἀστρόπτω von ἀστράπτω nach Muster von den zahlreicheren Verba auf -άπτω abgelöst, wozu sekundär ἀστραπή? — Vgl. ἀστεροπή mit Lit. I-173

ἄστρις, ἄστριχος s. ἀστράγαλος. I-173

ἄστυ, -εος, att. -εως n. ‘Stadt’ (seit Il.). Ableitungen: ἀστικός ‘städtisch’ im eigtl. Sinn (A., Th., Lys. usw.) mit produktivem ικο-Suffix, auch aufἀστός (s. unten) bezüglich; mitunter ἀστυκός, in Anlehnung an ἄστυ, vgl. Schwyzer 498, Chantraine Formation 394; — ἀστεῖος ‘städtisch’ in übertragenem Sinne, ‘fein gebildet, hübsch usw.’ (att., Arist. usw.), vgl. zu diesem Begriff Lammermann Von der att. Urbanität und ihrer Auswirkung in der Sprache. Diss. Göttingen 1935. Davon die späten ἀστειότης (Vett. Val. u. a.) und ἀστειοσύνη (Lib.), das denominative ἀστεΐζομαι (Str., J. usw.) mit ἀστεϊσμός (Demetr. Eloc., D. H. usw.) und ἀστέϊσμα (Tz.), außerdem noch ἀστεϊεύομαι (Sch.). — ἀστίτης m. ‘Mitbürger’ (S.) nach πολίτης. — Eine sehr eigenartige Bildung ist ἄστυρον ‘Stadt, Städtchen’ (Kall., Nik.). — Früher belegt als die schon genannten Ableitungen ist ἀστός m. ‘Bürger, Mitbürger’ (seit Il.), das für *ἀστϝ-ός, mit Anknüpfung an die hochfrequente Nom.-Akk.-Form, stehen muß, vgl. thess. ϝαστϝός unten. Davon ἄστιος = ἀστικός (Kreta, Stymphalos, Delos). ἄστυ aus ϝάστυ (in böot. ϝάστιος Gen., ark. ϝασστυ-όχω (Gen.), vgl. thess. ϝαστϝός usw.) entspricht bis auf die Quantität aind. (ved.) vā́stu n. ‘Wohnstätte’ (daneben das erheblich später belegte und wahrscheinlich jüngere vastu n. ‘Ort, Ding’), wozu sich noch messap. vastei (Dat., Krahe Glotta 17, 100) und toch. A waṣt, B ost ‘Haus’ gesellen. Dieser Bildung zugrunde liegt ein altes Verb, das u. a. in ai. vásati ‘verweilen, wohnen’, got. wisan ‘verweilen, sein’, vielleicht auch in heth. ḫuiš-zi ‘er lebt’ erhalten ist. Das Griech. hat dagegen nur die zweisilbige Form ἄεσα (Aor.), s. d. — Neben der tu-Ableitung in ἄστυ usw. stehen andere nominale Bildungen, z. B. got. wists f. ‘Wesen, Natur’ (aus *u̯es-ti-s, vgl. ‘Εστία), air. foss ‘Ruhe’ (aus *u̯os-to-s). — Unerklärt bleibt der griech. α-Vokal, der zu der sonst herrschenden e-o-Serie (z. B. got. wisan : was) nicht stimmt. — Zum Lenis s. Schwyzer 227 m. Lit. I-173-174

Αστυάναξ vgl. s. Ανδρομάχη. I-174

ἀσυρής ‘unrein, schmutzig, häßlich’ (Plb., LXX, Phld.). — Etymologie unsicher. Vielleicht aus α copulativum und *σύρος, Verbalnomen zu σύρω ‘schleifen, zerren’ mit derselben Bedeutungsverschiebung wie in σύρμα, συρφετός ‘Kehricht, Unrat’. I-174

ἀσύφη f. Art κασία (Peripl. M. Rubr. 12, Dsk. 1, 13). — Fremdwort unbekannter Herkunft. I-174

ἀσύφηλος Adj. unbekannter Bedeutung, etwa ‘rücksichtslos, beschimpfend’ oder ‘töricht’? (Ι 647, Ω 767, Q. S.). — Nach den Schol. zu Ven. A und Bechtel Lex. zu σοφός. Curtius 512 vergleicht noch Σίσυφος, σέσυφος· πανοῦργος H., σαφής. Andere Versuche, alle sehr unwahrscheinlich oder unmöglich, bei Bq. I-174

ἄσφαλτος -ον n. f. (m.), ‘Asphalt, Erdharz’ (Hdt., Hp., Arist. usw.). Davon ἀσφάλτιον ‘Asphaltklee’ (Dsk.; vom Geruch, s. Strömberg Pflanzennamen 62); ἀσφαλτῖτις ‘erdharzig’ (βῶλος usw., Str., D. S. u. a., Redard Les noms grecs en -ίτης 108); ἀσφαλτώδης ‘dem A. ähnlich, voll von A.’ (Arist., Str. u. a.) mit ἀσφαλτωδεύομαι ‘mit A. überziehen’. — Denominatives Verb ἀσφαλτόω ‘mit A. bestreichen’ (LXX) mit ἀσφάλτωσις (Suid.); auch ἀσφαλτίζω ‘wie A. riechen’ (Dsk.). — Negiertes Verbaladjektiv von σφάλλεσθαι. "Der Asphalt ist dasjenige Bindemittel, das die Mauern vor dem σφάλλεσθαι, dem Umgestoßenwerden, schützt." Diels KZ 47, 207ff. mit Kritik semitischer Etymologien. Zur "kausativen" Bedeutung des Verbaladjektivs vgl. ἀμέθυστος. I-174

ἀσφάραγος 1. m. ‘Schlund, Kehle’ (Χ 328, Plu., Q. S.). Vgl. σφάραγος· βρόγχος, τράχηλος, λαιμός, ψόφος H., = φάρυγξ (Apion ap. Phot.). — Unerklärt. Vielleicht mit 2. ἀσφάραγος identisch als *‘(hohler) Stengel, Röhre’, s. Persson Beitr. 1, 444. Die apokopierte Form durch Assoziation mit σφαραγέομαι ‘prasseln, zischen’? — Nach Fick 1, 574 zu lit. springstù, spriñgti ‘würgen’ (intr.). Unannehmbar Winter Prothet. Vokal 20. I-174-175

ἀσφάραγος 2. auch ἀσπάραγος m. ‘Spargel, junger Trieb’ (Kom., Thphr., Plb. usw.). Davon ἀσφαραγία ‘Wurzelstock des Spargels’ (Thphr., vgl. Strömberg Theophrastea 84, 114) und ἀσφαραγωνία ‘Spargelkranz’ (Plu.), vgl. βρυωνία, ῥοδωνία usw. Hatzidakis ’Αθ. 28, 114. — Unter den vielen Wörtern, die als nähere oder entferntere Verwandte in Betracht kommen (s. WP. 1, 672ff.), seien erwähnt: gr. σφαραγέομαι ‘strotzen, voll sein’, lit. spùrgas ‘Sproß’, ai. sphū́rjati ‘hervorbrechen’. Die näheren Beziehungen dieser Wörter sind aber schwierig festzustellen sowohl wegen der schwankenden Form wie vor allem wegen der mannigfachen Sinnfärbungen. Für ἀσφάραγος kommt außerdem Entlehnung in Betracht. I-175

ἀσφόδελος m. lilienartige Pflanze, ‘Asphodill’ (Hes., Arist. usw.). Ableitungen: ἀσφοδελός Adj. ‘mit A. bewachsen’ (Od., h. Merc.; zum Akzentwechsel Schwyzer 420); ἀσφοδελώδης ‘A.-ähnlich’ (Thphr.), ἀσφοδέλινος ‘aus A.’ (Luk.). — Fremdwort unbekannter Herkunft. Ältere Deutungsversuche bei Bq. I-175

ἀσχαλάω (Hom., auch Archil. und E.), gewöhnlicher ἀσχάλλω (ion. att. seit Od.), beide nur im Präsensstamm (mit Ausnahme vom vereinzelten Fut. ἀσχαλεῖ) ‘sich ärgern, betrübt sein’. — Wohl mit L. Meyer und Curtius (s. Bq und Bechtel Lex.) von einem (nur virtuell existierenden?) Adjektiv *ἄσχαλος ‘der sich nicht halten kann’, Zusammenbildung von α privativum und dem Aoriststamm σχ-εῖν mittels eines αλο-Suffixes. I-175

ἀσχέδωρος m. ‘der wilde Eber’ (A. Fr. 191, Skiras 1) — Wahrscheinlich mit Kretschmer KZ 36, 267f. dorisch für *ἀν-σχε-δορϝ-ος ‘der Lanze widerstehend’, "Trotzespeer" als ursprüngliches Epithet; vgl. μεν-έγχης, μεν-αίχμης; s. auch zu ἀλέκτωρ (s. ἀλεκτρυών). I-175

ἀσχίον n. ‘Trüffel’ (Thphr. HP 1, 6, 9). — Unerklärt. Unhaltbar Prellwitz KZ 46, 172. Semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 31. I-175

ἀταβυρίτης (ἄρτος) eine Art Brot (Sopat.). — Von ’Αταβυρία, alter Name von Rhodos. Vgl. Redard Les noms grecs en -ίτης 88. I-175

Αταλάντη f. N. einer mythischen Jungfrau, aus Arkadien und Böotien bekannt (seit Hes.). — Etymologie unsicher. Die naheliegende und schon früh laut gewordene Erklärung als Femininum von ἀτάλαντος, also ‘die gleichwertige (Frau)’, d. h. ‘männergleich’ wie ἀντιάνειρα, hat Kretschmer Glotta 3, 266ff. und 22, 251 unter Kritik anderer Ansichten wieder aufgenommen. Hoffmann Makedonen und nach ihm Brandenstein Atalante (Wien 1949) deuten es als ‘mit zartem Antlitz’, von ἀταλός und *ἀντ- ‘Vorderseite, Antlitz’ (s. ἀντί), unter Vergleich von PN wie Εὐ-άντα, ’Αρί-αντος. — Volksetymologische Umbildung eines ungriechischen Namens? I-175-176

ἀταλός ‘kindlich, jugendlich, zart’ (poet. seit Il.). Denominatives Verb ἀτάλλω (nur Präsensstamm) ‘munter umherhüpfen’, trans. ‘aufziehen’ (poet. seit Il.) mit ἀτάλματα· παίγνια H. — Mit innerer Reduplikation (Schwyzer 648) ἀτιτάλλω ‘aufziehen, pflegen’ (poet. seit Il.). Davon ἀτιτάλτας m. ‘Pflegevater’ (Gortyn), vgl. Debrunner IF 21, 90. — Nicht sicher erklärt. Nach Leumann Glotta 15, 153ff. und Hom. Wörter 139ff. ist ἀταλός aus dem Ausdruck ἀταλὰ φρονέων ausgelöst, der seinerseits durch Zerlegung von ἀταλαφρονέων entstanden ist. Wie δολοφρονέων aus δολό-φρων usw. ist ἀταλαφρονέων aus ἀταλάφρων erweitert, das wiederum als Gegenstück zu ταλάφρων geschaffen wurde. — Diese scharfsinnige aber etwas verwickelte Hypothese hat vor allem den Vorzug, daß sie den sonst schwerverständlichen Kompositionsvokal α erklärt. Vgl. die Bemerkungen von Bolling Lang. 27, 74. — Ältere Etymologien, alle gänzlich unbefriedigend, bei Bq. I-176

ἀτάλυμνος f. = κοκκυμηλέα, ‘Pflaumenbaum’ (Nik. Al. 108). — Herkunft unbekannt, ohne Zweifel Fremdwort; vgl. Solmsen Wortforsch. 64 A. 3. Zur Bildung Schwyzer 524, Chantraine Formation 216. I-176

ἀτάρ adversative Konjunktion ‘dagegen, aber usw.’ (vorw. poet. seit Il.). — Zusammenfügung aus *ἀτ = lat. at (wohl auch in got. -þan ‘aber’) und ἄρ (s. d.). Vgl. αὐτ-άρ und W.-Hofmann s. at. Zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 559, Chantraine Gramm. hom. 2, 344, 352f. I-176

ἀτάρβακτος ‘unerschrocken’ (Pi., B.). — Privatives Verbaladjektiv von einem unbelegten *ταρβάσσω oder *ταρβάζω, zu τάρβος, ταρβέω (s. d.), sofern nicht einfach eine expressive Umbildung von ἀταρβής, ἀτάρβητος. — Vgl. ἀτάρμυκτος (Euph., Nik.) von ταρμύσσω ‘erschrecken’ (Lyk.), s. d. I-176

ἀταρπιτός, ἀταρπός s. ἀτραπός, ἀτραπιτός. I-176

ἀταρτηρός ep. Adj. (seit Il.) unsicherer Bedeutung, ‘rücksichtslos, verderblich’ (?). Daneben ἀταρτᾶται· βλάπτει, πονεῖ, λυπεῖ H., Bildung wie ἀρτάω (s. d.). — Sonst dunkel. Stürmer IF 47, 299 geht von einem unbelegten *ἄταρτος ‘unzerreiblich’ (vgl. ἀτέραμνος, τείρω) aus; ähnlich schon Bechtel Lex. mit allerlei morphologischen Kombinationen. Über andere Hypothesen s. bei Bq. I-176

ἀτάσθαλος ‘unbesonnen, übermutig, frevelhaft, verblendet’ (äol. und ion. seit Il., auch späte Prosa). Davon ἀτασθαλίαι pl. (so immer Hom.), sg. -ίη, -ία (Hes., Hdt., Pi. usw.) und ἀτασθάλλω (nur Präs. Ptz., σ 57, τ 88). — Unerklärt. Hypothese bei Frisk Eranos 31, 21ff.: Ableitung auf -αλος von *ἄτασθος mit Hauchversetzung für *ἄ-θαρστος = ai. -dhr̥ṣta- ‘unwiderstehlich’, zu θάρσος, θρασύς, vgl. ἀτάσθαλα ἐθρασύνετο (Ael.). — Oft, aber mit Unrecht, zu ἄτη gezogen (Hesychios, Schwyzer, Lagercrantz, Pisani); dagegen Frisk a. a. O. und Leumann Hom. Wörter 215 A. 10, wo auch andere Vorschläge besprochen werden. — Unhaltbar Pisani IF 54, 295ff. I-177

ἀτειρής poet. Adj. (seit Il.) unsicherer Bedeutung, etwa ‘unversehrt, hart’. — Schon wegen der nicht feststellbaren Bedeutung etymologisch mehrdeutig. Gewöhnlich zu τείρω ‘aufreiben’, lat. tero gezogen, u. zwar entweder mit der in τέρυ, τρύω vorliegenden u-Erweiterung aus *ἀτερϝ-ής (Froehde BB 20, 218, Ehrlich KZ 39, 570, Bechtel Lex.) oder etwa mit der i-Erweiterung in lat. trīvī (und τείρω??, Specht) aus ἀτερι̯-ής (Specht KZ 66, 212) oder endlich mit metrischer Dehnung für *ἀτερής (Schwyzer 286). — Nach Wackernagel Verm. Beiträge 14ff. aus *ἀτερσ-ής zu τέρσομαι ‘trocken werden’, also eig. *‘nicht trocken, frisch’; ähnlich (aus *ἀτερσ-ι̯ής) Brugmann-Thumb 148. I-177

ἀτέμβω nur Präsens ‘in Schaden bringen, berauben’, Med. ‘zu Schaden kommen, verlustig gehen’ (ep. seit Il.), auch ‘schelten’ (A. R. durch falsche Interpretation von φ 312, s. Leumann Hom. Wörter 33). Davon ἀτέμβιος· μεμψίμοιρος EM. — Nicht sicher erklärt. Vielleicht mit Bezzenberger BB 1, 69 zu aind. dabhnóti ‘beschädigen’, dambhá- m. ‘Betrug’ mit Verlust der Aspiration nach Nasal wie in θάμβος gegenüber τέθηπα, ἔταφον usw. und mit derselben Entwicklung wie in πύνδαξ gegenüber ai. budhná- ‘Grund, Boden’ (Schwyzer 333). Anl. ἀ- dann wohl "copulativ". Die Einzelheiten bleiben unklar, vgl. WP. 1, 850f. m. Lit.; s. auch Pisani Rev. intern. ét. balk. 3, 18 A. 3. Ältere Literatur bei Bq. I-177

ἀτενής, -ές ‘straff, unverwandt, aufmerksam’ (Hes., Pi. usw., vorw. poet.). Davon ἀτενίζω ‘starren, mit unverwandtem Blick hinsehen’ (Hp., Arist. usw.) mit ἀτενισμός (Thphr. u. a.) und ἀτένισις (Paul. Aeg.). — Eig. ‘mit Spannung’ aus a copulativum (ion. Psilose) und einem Subst. *τένος n. ‘Spannung’, formal = lat. tenus n. ‘Schnur mit Schlinge’, wohl auch = Adv. tenus ‘bis an’, eig. ‘Erstreckung’, ai. tánas- n. ‘Nachkommenschaft’, s. Solmsen Wortforsch. 22f., Fraenkel KZ 43, 206. Vgl. τείνω. I-177

ἄτερ Präp. ‘ohne, fern von’ (ep. ion. trag., auch späte Prosa). Davon ἄτερθε(ν), äol. ἄτερθα ‘ds.’ (Pi., A. u. S. in lyr., Hdn.) und mit ἀπό kombiniert (vgl. Schwyzer 632 : 2) ἀπάτερθεν, auch als Adv. (Il. usw.). — ἄτερ, psilotisch für *ἁτέρ (äol. Barytonese oder Proklise? Schwyzer 385) ist mit dem german. Adv. ahd. suntar ‘abgesondert, aber’, nhd. sonder(n) usw. identisch; idg. *sn̥-tér. Daneben, mit anderer Stammform, aber im Suffix übereinstimmend, ai. sanu-tár ‘abseits von, weit weg’. — Lit. bei Bq und WP. 2, 494f. Vgl. ἅτερος (s. ἕτερος). I-178

ἀτέραμνος ‘hart, unerbittlich’ (ion. poet. seit Od., Arist. usw.). Davon die Abstrakta ἀτεραμνία (Hp.), ἀτεραμνότης (Thphr.) und das erweiterte Adj. ἀτεραμνώδης (Gal.). — Von α privativum und einem Nomen *τέραμα (s. τείρω, τέρην), eig. ‘ohne Aufreibung’; s. Frisk Adj. priv. 5f., Sommer Nominalkomp. 11 A. 2. — Neben ἀτέραμνος steht in derselben Bedeutung das themavokallose ἀτεράμων (Ar., Pl., Thphr. u. a.). I-178

ἅτερος dor. usw. für ἕτερος s. d. I-178

ἀτέων isoliertes Ptz. (Υ 332, Hdt. 7, 223, Kall. Fr. 537). — Von Bechtel Lex. zu ἄτη gezogen (vgl. Schwyzer 705 : 3) und mit ‘verblendet, tollkühn’ od. ähnl. wiedergegeben. Dann ist Υ 332 ἀ̄τέοντα mit Synizese oder sogar ἀ(ϝ)α-τέοντα zu lesen, s. v. Blumenthal Herm. 75, 427f. — Ältere Hypothesen bei Bq. I-178

ἄτη f. ‘Schaden, Schuld, Verblendung’, auch personifiziert (ion. poet. seit Il.), ‘Buße’ (Gortyn). Zur Bedeutung Havers KZ 43, 225ff. (ursprünglich ‘Schlag’?), außerdem Stallmach Ate. Diss. Göttingen 1950. Ableitungen: ἀτηρός ‘verblendet, unheilbringend’ (Thgn., A. usw.) mit ἀτηρία (Pl. Kom., X.); ἀτάομαι (ἀϝατάομαι, s. unten) ‘Schaden leiden’ (S., E.) ‘einen Prozeß verlieren, eine Geldstrafe erleiden’ (Gortyn, Gytheion). Kompositum ἄν-ατος, auch ἄπ-ατος (Gortyn). — Aus ἀϝάτη kontrahiert, wie aus αὐάτα (Alk., Pi.) und dem Denominativum ἀϝατᾶται (Gytheion; außerdem ἀγατᾶσθαι [= ἀϝα-]· βλάπτεσθαι H.) hervorgeht. Somit ist anlautendes ἀ- als lang anzusehen, wozu indessen Archil. 73 (v. Blumenthal Herm. 75, 427f. dafür ἄση; aber s. Leumann Hom. Wörter 215 A. 10) und A. Ag. 131 (Hermann ἄγα) im Widerspruch stehen. — ἀϝἀ-τη ist ein Verbalnomen von *ἀϝά-σαι, s. ἀάω. — Der Vorschlag, ἄτη in zwei Wörter zu zerlegen (Bechtel Lex. s. ἀτέω, Benveniste Mélanges Pedersen 498), ist nicht zu empfehlen. I-178

ἀτημελής s. τημελέω. I-178

ἀτίζω, Aor. ἀτίσ(σ)αι ‘nicht achten, unbesorgt sein, verachten’ (Il., Trag., A. R. u. a.). — Bildung auf -(ί)ζω zu dem in τίω (s. d.) vorliegenden Stamm; vgl. das synonyme οὐκ ἀλεγίζω; das vermittelnde privative Adjektiv fehlt und ist vielleicht nur virtuell vorhanden gewesen. Vermutungen darüber (von Froehde BB 20, 220f. und Schulze Q. 64 A. 4) bei Bq. Vgl. Risch 166 und das später und weit spärlicher belegte ἀτίω. I-178-179

ἀτιτάλλω s. ἀταλός. I-179

ἀτίω ‘nicht ehren’ (Thgn. 621, Orph. L. 62). — Zufallsbildung, antithetisch zu τίω geschaffen nach Muster von τιμάω : ἀτιμάω (von ἄτιμος ausgehend, aber nach τιμάω umgebildet). Vgl. das früher belegte ἀτίζω. I-179

Ἄτλας, -αντος m. ‘Atlas’ (Od., Hes., Hdt., A. usw.), N. eines Gottes, der die Säulen des Himmels trägt; ursprünglich wahrscheinlich N. eines arkadischen Gebirges, der dann durch das Epos allgemein verbreitet wurde und besonders (durch ionische Seefahrer?) auf das Atlasgebirge in Westafrika übertragen wurde, s. Solmsen Wortforsch. 24; über Atlas als Personifikation der Weltachse Tièche Mus. Helv. 2, 65ff. Davon ’Ατλαντίς f. (Hes. usw.), u. a. Name einer mythischen Insel, nach Brandenstein Atlantis (Wien 1951, = Arb. Inst. Sprachw. 3) = Kreta; ferner ’Ατλαντικός (E., Pl., Arist. usw.) und ’Ατλάντειος (Kritias). — Zusammenbildung von α copulativum und dem in τλῆ-ναι vorliegenden Stamm τλᾱ-, wobei Umbildung nach den ντ-Stämmen in Betracht kommt (zu bemerken ’Ατλᾱγενέων Hes. Op. 383), vgl. Schwyzer 526 und Kretschmer Glotta 7, 37 A. 1. — Der Name des afrikanischen Atlasgebirges ist indessen auch mit berberisch ádrār ‘Berg’ in Beziehung gebracht worden, so namentlich Steinhauser Glotta 25, 229ff., wobei sich der Verf. bemüht, die phonetischen und morphologischen Schwierigkeiten zu beheben. Ähnlich Brandenstein Archiv Orientální 17 : 1, 69ff. (mit vielen abenteuerlichen Spekulationen): volksetymologische Umbildung von berb. ádrār nach dem griechischen Namen. I-179

ἀτμήν, -ένος m. ‘Diener, Sklave’ (Kall. u. a.). Daneben ἄτμενος m. (Archil., s. POxu. 8, 1087 Kol. 2, 38, Kall. Fr. 538), auch Adj. = δουλικός (H.). Femin. ἀτμενίς ‘Dienerin’ (EM), auch ἀδμενίδες (EM) nach δμώς, δμωή (Wackernagel GGN 1914, 119, Fraenkel Glotta 32, 24; Lexis 3, 55ff.). Andere Ableitungen ἀτμενία ‘Sklaverei’ (Man., AP), ἀτμένιος ‘mühsam’ (Nik.). Denominativum ἀτμεύω (für *ἀτμενεύω, Nik.). — Unerklärt; wahrscheinlich kleinasiatisch, von der alexandrinischen Kunstpoesie aufgegriffen, s. Fraenkel Gnomon 21, 39; s. auch Debrunner GGA 1910, 6f. I-179

ἀτμός ‘Dampf, Dunst, Rauch’ (A., Arist. usw.), ἀτμή f. ‘ds.’ (Hes. Th. 862). m. Ableitungen: ἀτμίς f. (zur Bildung Schwyzer 464f.) ‘feuchter Dampf, Dunst’ (Hdt., Pl., Arist. usw.) mit ἀτμιδώδης (Arist. u. a.) und ἀτμιδόομαι ‘in Dampf verwandelt werden’ (Arist.). — ἀτμώδης (Arist., Thphr. u. a.), ἀτμίζω ‘dampfen, dunsten’, auch auf ἀτμίς beziehbar (S., X., Arist. u. a.). — Aus ἀετμός kontrahiert, vgl. ἀετμόν· τὸ πνεῦμα, ἄετμα· φλόξ H. Durch Abtrennung eines suffixalen Elements -τ-μο- (vgl. Schwyzer 493, Chantraine Formation 136) erhält man Anschluß an ἄελλα (s. d.) aus *ἄϝε-λ-ι̯ᾰ und letzter Hand wahrscheinlich an ἄημι; anderseits meldet sich auch ἀυτμή (s. d.) zum Vergleich. Zu einem fraglichen Ablaut ἀϝε- : ἀ(ϝ)υ- s. besonders Solmsen Unt. 271f. — Außerhalb des Griechischen ist an ai. ātmán- ‘Seele’, ahd. ātum ‘Atem’ zu erinnern, die, obgleich unverwandt, eine ähnliche Bildungsweise zeigen. Vgl. Bq und WP. 1, 221f. I-179-180

ἆτος — aus ἄατος kontrahiert, s. d. I-180

ἀτρακίς, -ίδος f. Distelart (Gal.). — Von ἄτρακτος mit (dissimilatorischer?) Erleichterung der Konsonantengruppe, vgl. ἄρκος neben ἄρκτος. Zur Bildung s. Chantraine Formation 344, vgl. auch Strömberg Pflanzennamen 105. — Eine andere Deminutivbildung ist ἀτρακτυλλίς, s. ἄτρακτος. I-180

ἄτρακτος m. (f.) ‘Spindel’ (Hdt., Pl., Ar., Arist. usw.), auch ‘Pfeil’ (S.; ἄ. τοξικός A. Fr. 139), nach Th. 4, 40 lakonisch. Deminutivum ἀτράκτιον (Epic. anon. in Arch. Pap. 7, 9, Fr. 10; auch POxy. 14, 1740, 2). Ferner ἀτρακτυλ(λ)ίς, -ίδος ‘Spindeldistel’ (Arist., Thphr., Theok. u. a.); zur Bildung vgl. Schwyzer 485, Chantraine Formation 252, Leumann Glotta 32, 214ff. — Die Ähnlichkeit mit ai. tarku- ‘Spindel’ springt in die Augen. Beiden Wörtern scheint ein (nirgends belegtes) primäres Verb der Bedeutung ‘drehen, winden’ zugrunde zu liegen, zu dem lat. torqueo ein Intensivum darstellt (Leumann Lat. Gramm. 318). Wie in στρατός, σπάρτον u. a. ist in ἄτρακτος der Tiefstufe ein το-Suffix hinzugefügt worden, vgl. Chantraine Formation 300f. Anl. ἀ- bleibt wie oft dunkel. Gr. κ gegenüber lat. qu in torqueo ist regelmäßig, wenn man mit Schwyzer 299 gr. κ aus idg. q vor Konsonant entstanden sein läßt oder mit Walde lat. qu in velares q + -Suffix zerlegt; letzteres jedenfalls etwas fraglich. — Hierher u. a. noch alb. tjerr ‘spinnen’ (Pedersen Zur tocharischen Sprachgeschichte 19; sehr zweifelhaft dagegen das daselbst angeführte toch. tsärk- ‘quälen’); weitere Verwandte bei WP. 1, 735, W.-Hofmann s. torqueo. — Vgl. ἀτρεκής. I-180

ἀτραπός, ep. ἀταρπός f. ‘Pfad, Fußsteig’ (ion. att. seit Il.). Davon ἀτραπίζω ‘durchwandern’ (Pherekr.). — Erweiterte epische Form ἀταρπιτός (ρ 234), nach ἁμαξιτός, s. d. und Kretschmer KZ 38, 129. Verbalnomen, wohl als Zusammenbildung aus α copulativum und einem Verbalstamm τραπ- bestehend, der auch in τραπέω ‘keltern’, eig. ‘austreten’ (s. d.), mit o-Stufe in τροπέοντο· ἐπάτουν H. vorliegt. I-180-181

ἀτράφαξυς, -υος ‘Gänsefuß, Atriplex’ (Hp., Ar., Thphr. usw.). Nebenformen, z. T. volksetymologisch bedingt: ἀδράφαξυς (ἀδρ-), ἀνδράφαξυς, ἀτράφαξις, vgl. Hdn. Gr. 1, 539; 2, 49; 467 und Strömberg Pflanzennamen 160 m. A., wo weitere Lit. f. — Etymologie unbekannt. Daraus entlehnt lat. atriplex, vgl. W.-Hofmann s. v. I-181

ἀτρεκής, -ές, -έως Adv. ‘genau, bestimmt, zuverlässig’ (ep. ion. poet., hell.); über Bedeutung und Gebrauch Luther "Wahrheit" und "Lüge" 43ff., s. auch Becker Das Bild des Weges 105ff. und Leumann Hom. Wörter 304f. Ableitungen: ἀτρέκεια, -είη (-ίη) ‘der genaue Sachverhalt, Wahrheit’ (ion., Pi. usw.); ἀτρεκότης ‘ds.’ (Sch.). Denominatives Verb ἀτρεκέω ‘genau usw. sein’ (E. Fr. 315). — Wohl als *‘unverdreht’, ‘unumwunden’ mit Curtius und Benfey (s. Bechtel Lex. s. v.) zu ἄτρακτος (s. d.) und ai. tarku- ‘Spindel’ aus α privativum und *τρέκος n. ‘Drehung’. Ein Problem bietet des Gutturals wegen lat. torqueo; die Zerlegung von qu in q und suffixalem ist ein Notbehelf. — Andere Erklärungen bei Bq. I-181

ἀτρέμα, ἀτρέμας s. τρέμω. I-181

ατροπανπαις daneben πρατοπανπαις. Adj. unsicherer Bedeutung (IG 5 (1) 278f.; lakon. Knabenagoninschr.); — Wohl mit Kretschmer Glotta 3, 269f. ἁδροπάμπαις zu lesen = ‘der reife, ausgewachsene πάμπαις’. S. auch Bechtel Dial. 2, 324 und v. Blumenthal Hesychst. 24f. I-181

ἀτρύγετος ep. Beiwort des Meeres, auch des Äthers, später (AP) auch auf andere Begriffe übertragen, — von den Alten als ‘unfruchtbar’, zu τρυγάω, gedeutet, aber auch (Hdn. Gr. 2, 284) im Sinn von ‘unermüdlich wogend’ zu τρύω gezogen ("παρὰ τὸ τρύειν πλεονασμῷ"), eine Deutung, die in neuerer Zeit u. a. von Wecklein MünchAkSb 1911 : 3, 27 aufgenommen worden ist: *ἀτρύετος zu ἄτρυτος wie ἀτίετος zu ἄτιτος; von *ἀτρύετος durch Entfaltung eines γ-Lautes ἀτρύγετος; ganz willkürlich. — Dagegen nach Brandenstein PhilWoch 56, 62f. von τρύξ ‘ungegorener, trüber Wein’ vermittels eines davon abgeleiteten Verbs, also ‘nicht getrübt, rein, abgeklärt’; morphologisch nicht ganz befriedigend. — Unhaltbar Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 41ff. — Von diesen Deutungen scheint die als ‘unfruchtbar’ den Vorzug zu verdienen, wenngleich das formale Verhältnis zu τρυγάω noch der Aufklärung bedarf. Zur Bildung vgl. Schwyzer 502, Chantraine Formation 300; s. noch Leumann Hom. Wörter 214 A. 8. I-181-182

ἄττα 1. Vok. ‘Väterchen’ (Hom.). — Familiäres Lallwort elementarer Natur, das u. a. in mehreren indogerm. Sprachen wiederkehrt und ohne Zweifel ein gemeinsames Erbstück darstellt: lat. atta und, mit durchgeführter Flexion, heth. attaš, germ., z. B. got. atta, -ins usw.; mit suffixaler Erweiterung aksl. otьcь. Vgl. Chantraine REGr. 59-60, 244. S. auch ἄππα und W.-Hofmann s. atta. I-182

ἄττα 2. = τινὰ, ἅττα = ἅτινα. S. τίς. I-182

ἀτταγᾶς, -ᾱ (Ar., Hippon. u. a.), ἀτταγήν, -ῆνος (Arist., Thphr.), auch ἀτταγῆς, -έος (Opp.) ‘Art Rebhuhn, Tetrao francolinus’, vgl. Thompson Birds s. v. — Zur Bildungsweise Schwyzer 461 und m. 487, Chantraine Formation 31 und 167; zum Lautlichen Björck Alpha impurum 63 und 272. Deminutivum ἀτταγηνάριον (Gramm.) und, mit Anlautsverlust, ταγηνάριον (Suid., Lex. de Spir.) wie ταγήν = ἀτταγήν (Suid.); vgl. Strömberg Wortstudien 45. Eine andere Ableitung ist der Fischname ἀτταγῖνος (Dorio ap. Ath., Hs. -εινός), wohl nach der Farbe, s. Strömberg Fischnamen 120. Zur Bildung vgl. κορακῖνος, ἐρυθρῖνος usw., Schwyzer 491, Chantraine Formation 204. —Unerklärt; nach Ael. N. A. 4, 42 onomatopoetisch nach dem Geschrei. — Hesych bietet ein anklingendes ἀτταβυγάς· εἶδος ὀρνέου. I-182

ἀττάκης, -ου und ἀττακύς (LXX), ἄττακος m. (Aristeas, Ph.). m. Art Heuschrecke. — Unerklärt. Vgl. zu ἀττέλαβος. I-182

ἄττανα · τήγανα. καὶ πλακοῦς ὁ ἐπαὐτῶν σκευαζόμενος H. Deminutivum ἀττανίδες· πλακοῦντες ἔνθρυπτοι H. Andere Ableitung ἀττανίτης ‘Art Kuchen’, neben τηγανίτης (Hippon.) und ταγηνίτης (Ath.); vgl. Redard Les noms grecs en -της 87f. und Lambertz Glotta 6, 4 A. 5. — nerklärt. Nach Ernout BSL 30, 92 etruskisch. I-182

ἀττάραγος m. ‘Brosamen, Bißchen, τὸ ἐλάχιστον’ (Ath., Kall., H.). — Volkstümliches Wort ohne Etymologie. I-182

ἀττέλαβος, -εβος m. ‘kleinflügelige, eßbare Heuschrecke’ (Hdt., Eub., Arist. usw.). — Unerklärtes Fremdwort. Semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 17 A. 1. Vgl. noch Strömberg Wortstudien 16, der sowohl für ἀττέλαβος wie für andere Namen der Heuschrecke mit ägyptischer Herkunft rechnet. I-182

ἀττηγός m. ‘Bock’ (Magn. Mae. IIa; Eust. ad ι 222). — Nach Eust. war ἀττηγός unter gewissen Ioniern im Gebrauch; Arnobius 5, 6 bezeichnet das Wort attagus ‘hircus’ als phrygisch. I-182

ἄττομαι ‘das Gewebe anzetteln’ (Hermipp. 2). Davon ἄσμα ‘Kettenfaden’ (AB) neben gewöhnlicherem δίασμα (Kall., LXX, Nonn. u. a.) von διάζομαι = ἄττομαι (Nikophon), s. unten. — ἄττομαι steht für ἄτ-ι̯ομαι; daneben δι-άζομαι durch analogische Entgleisung nach den außerpräsentischen Tempora (Debrunner IF 21, 216). — Herkunft unsicher. Nach Bezzenberger BB 5, 313, Bechtel Lex. 130f. zu ἤτριον, s. d. Anders G. Meyer BphW 1891, 570 und Alb. Stud. 3, 24: zu alb. ent, int ‘das Gewebe anzetteln’ (dazu auch Mann Lang. 17, 21), wozu außerdem noch ai. átka- m. ‘Gewand, Mantel’ (?). I-183

ἀτύζομαι, Aor. Pass. ἀτυχθείς, spätere Epik ἀτύζω, Aor. ἀτύξαι ‘erschrecken’ (itr., bzw. tr.; ep. lyr. seit Il.). Davon ἀτυζηλός ‘schrecklich’ (A. R.). — Nicht sicher gedeutet. Benveniste Mélanges Pedersen 496ff. und Sapir Lang. 12, 175ff. vergleichen heth. ḫatugi- ‘schrecklich, furchtbar’, Mann Lang. 28, 32 alb. tus ‘erschrecken’. Ältere Erklärungsversuche, alle verfehlt, bei Bq. I-183

αὖ Adv. ‘wieder, abermals, hingegen’ (vorw. poet. seit Il.), als Präfix in αὐ-χάττειν· ἀναχωρεῖν, ἀναχάζεσθαι H. — Mit lat. au- in au-fugio usw., balt. au-, aksl. u- ‘weg, ab’ identisch, außerdem wahrscheinlich mit aind. áva ‘(her)ab’ verwandt. — Das idg. Adv. *au ‘zurück, wieder’ ist sowohl im Griechischen wie in anderen Sprachen Verbindungen mit anderen Adverbien und Partikeln eingegangen: so αὖ-τε (vgl. αὐ-τ-άρ, ὅ-τε usw.), αὖ-τι-ς, αὖ-τι-ν (vgl. αὐ-τί-κα), αὖ-θι, αὖ-θι-ς, αὖ-θε (näheres bei Schwyzer 629); vgl. aus anderen Sprachen osk. auti = lat. aut; lat. autem; sehr fraglich dagegen got. auk (= gr. αὖ γε??) ‘denn, aber, auch’ und sonstige damit identische germanische Partikeln. I-183

αὐαίνω, αὐαλέος s. αὖος. I-183

αὐαψή = αὐαντήξηραντικὴ νόσος, Dörrsucht’ (Hipp. gloss.), — Kontamination von αὖος, αὐαίνω, bzw. αὐαντή, und ἅπτω ‘angreifen, entzünden’, vgl. χορδαψός ‘Darmverschluß, Darmverschlingung’ mit den Bemerkungen Strömbergs Wortstudien 100f. I-183

αὐγή f. ‘Lichtstrahl’ (im Plur., vgl. Schwyzer-Debrunner 43), ‘Licht, Glanz’ (vorw. poet. seit Il.). Ableitungen: αὐγήεις ‘lichtäugig’ (Nik.), αὐγίτης (λίθος) N. eines Edelsteins (Plin.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 52f.); αὐγῖτις Pflanzenname = ἀναγαλλὶς ἢ Φοινικῆ (Ps.-Dsk.; vgl. Redard 67, 70 und Strömberg Pflanzennamen 25). — Denominative Verba: 1. αὐγάζομαι, -άζω ‘klar sehen, bestrahlen, leuchten’ (poet. seit Il., LXX usw., vgl. Prévot Rev. de phil. 61, 252f.) mit den seltenen Verbalnomina αὔγασμα (LXX) und αὐγασμός (Placit.), außerdem αὐγάστειρα ‘Licht gebend’ (Orph.). 2. αὐγέω ‘leuchten’ (LXX). — Für sich steht αὖγος bei H. als Erklärung von ἠώς, wohl postverbal, und Αὐγώ f. N. eines Hundes (X.), wohl Kosename, s. Schwyzer 478, Chantraine Formation 115ff. — Wahrscheinlich altes Verbalnomen zu einem verschollenen primären Verb. Dazu zieht man alb. agój ‘tagen’, agume ‘Morgenröte, Morgen’ (Persson Beitr. 369 A. 2); in Betracht kommt auch aksl. jugъ ‘Süden, Südwind’ (Berneker IF 10, 156, Fick KZ 20, 168; anders über jugъ Berneker Etym. WB 458). I-183-184

αὐδή f. ‘(menschliche) Stimme, Laut, Rede’ (poet. seit Il.). Ableitungen: αὐδήεις ‘mit (menschlicher) Stimme begabt’ (poet. seit Il.); denominatives Verb αὐδάω, Aor. αὐδῆσαι ‘reden, sprechen, einen anreden’ (vorw. poet. seit Il.) mit der erweiterten Form αὐδάζομαι, -άζω, Aor. αὐδάξασθαι und αὐδάσασθαι ‘ausrufen’ (Hdt., Kall., Lyk. usw.). — Nebenform äol. αὔδω f. (Sapph.), Neubildung nach den Nomina auf -ώ. — Zur Bedeutung und Gebrauch von αὐδή und Ableitungen s. Fournier Les verbes "dire" 229f. — αὐδ-ή geht als Verbalnomen von einer einsilbigen Tiefstufe der Wurzel au̯ed- aus, deren Dehnstufe in ἀ(ϝ)ηδ-ών vorliegen kann und die auch in ἀείδω erscheint, wenngleich die nähere Analyse strittig bleibt. Eine andere einsilbige Wurzelvariante bildet das Hinterglied in ‘Ησί-(ϝ)οδος und findet sich noch in ϝοδόν (geschr. γοδόνγόητα und ϝοδᾶν (geschr. γ-)· κλαίειν H.; s. noch οὐδήεσσα. Dazu die Schwundstufe in ὑδέω usw. — Dieselbe einsilbige Wurzelform erscheint in aind. vádati ‘sprechen, reden’ mit der Schwundstufe ud-, z. B. im Ptz. ud-itá-, und in lit. vadinù ‘rufen, nennen’; Dehnstufe z. B. aind. vāda- m. ‘Laut, Ruf’, aksl. vada ‘calumnia’, ahd. far-wāʒan ‘verneinen’. Sehr fraglich dagegen toch. A wätk-, B watk- ‘befehlen’. — Vgl. s. ἀηδών, ἀείδω, ὑδέω, οὐδήεσσα m. Lit., außerdem WP. 1, 251f., Pok. 76f. m. Lit. I-184

αὐερύω, Aor. αὐερύσαι ‘zurückziehen’ (Hom., Pi. u. a.). — Äol. aus *ἀν-ϝερύω über *ἀϝ-ϝερύω, Bechtel Lex. s. v., Schwyzer 106 und 224 m. Lit. Weiteres s. ἐρύω. I-184

αὐθά̄δης, -ες ‘selbstgefällig, anmaßend’ (ion. att.). Davon αὐθάδεια, auch -ία (Suffixübertragung, Schwyzer 469, Chantraine Formation 88) ‘Selbstgefälligkeit, Anmaßung’ (att., hell. u. spät); αὐθαδικός (Ar.). Denominative Verba αὐθαδίζομαι (Pl., Them.) mit αὐθάδισμα (A.) und αὐθαδιάζομαι (J. usw.) ‘selbstgefällig usw. sein’. — Aus *αὐτο-ϝᾰ́δης, Zusammenbildung von αὐτός und dem Verbalstamm in ἁδ-εῖν durch Krasis in der Kompositionsfrage; ion. (kontrahierte) Nebenform αὐτώδης nach A. D. Pron. 74, 9 und H. Weiteres s. ἁνδάνω. I-184-185

αὐθέντης, -ου m. ‘Urheber, Ausführer, Selbstherr’, auch ‘Mörder’, vgl. unten (Hdt., Trag., Antipho, Thuk., Plb. usw.). Ableitungen, alle nachklass. und spät: Fem. αὐθέντρια = κυρία (Lydien; zur Bildung Chantraine Formation 106); αυθεντία ‘Machtvollkommenheit, Selbstherrschaft’ (LXX, Pap. usw.); αὐθεντικός ‘zuverlässig, richtig, authentisch’ (Pap. u. a.). Denominativa : 1. αὐθεντέω ‘Herr sein über etwas, zu etw. berechtigt sein’ (Pap., NT) mit αὐθέντημα· auctoramentum (Gloss.); 2. αὐθεντίζω trans. ‘etw. in seinem Machtbereich haben’ (BGU 103, 3). — Die Nebenform αὐτο-έντης (S. OT 107, nach den Sch. auch El. 272) ebenso wie das gleichgebildete συνέντης· συνεργός H. lassen auf ein Hinterglied *ἕντης schließen, das die Vollstufe der in ἁνύω ‘zustande bringen, vollbringen’ vorliegenden Wurzel enthalten kann; αὐθέντης wäre somit eine Zusammenbildung von αυτός und dem betreffenden Verb mittels des Suffixes -της = ‘der selbst etw. vollbringt’. Die Bedeutung ‘Mörder’ kann entweder als Euphemismus erklärt werden oder durch Assoziation mit θείνω entstanden sein, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 237ff., wo ausführlich über Bedeutungsgeschichte und Verbreitung. — Anders Kretschmer Glotta 3, 289ff. (s. auch 4, 340) : in αὐθέντης seien zwei Wörter zusammengefallen, *αὐτο-θέντης zu θείνω (durch Haplologie) und *αὐτ-ἕντης mit unklarem Hinterglied. — Zur Geschichte von αὐθέντης im Neugr. und Türkischen s. auch Maidhof Glotta 10, 10 m. Lit. I-185

αὖθι ‘gleich hier, dort, sogleich’ (ep. seit Il.), später mit αὖθις kontaminiert ‘wieder’ (Kall., Lyk. u. a.). — Wahrscheinlich durch Haplologie aus αὐτόθι entstanden (Meillet MSL 20, 106f.). — Att. αὖθις, rhegin. αὖθιν scheinen aus einer Mischung von αὖθι und αὖτις bzw. αὖτιν hervorgegangen zu sein (Schwyzer 629). Zu den adverbiellen Endkonsonanten -ς und -ν, die letzten Endes mit alten Kasusendungen in Zusammenhang stehen, s. Schwyzer 619f. I-185

αὐίαχοι (Ν 41 φλογὶ ἶσοι ἀολλέες ἠὲ θυέλλῃ || ἄβρομοι αὐίαχοι) — äol. für *ἀ-ϝίϝαχοι mit Verschiebung der Silbengrenze (Schwyzer 224) zu ἰαχή (aus *ϝιϝαχή) und ἀ-, nach Aristarch copulativum (intensivum) ‘mit vereintem (lautem) Geschrei’; nach Apion und Hesych, weniger wahrscheinlich, privativum ‘ohne Geschrei, lautlos’; βρόμος wird öfters von Feuer, Wind und ähnlichen Begriffen gebraucht. I-185

αὐκήλως · ἕως ὑπὸ Τυρρηνῶν H. — Nach Kretschmer Glotta 14, 310 in αὐσήλως oder αὐσήλ zu ändern und zu etr. usil ‘Sonne’ = angebl. sabin. *ausel in Auselii, Aurelii zu ziehen; *ausel wird von Kretschmer Glotta 13, 111 als Kontamination von idg. *ausōs (s. ἕως) und *sāu̯el (s. ἥλιος) erklärt. Berechtigter Zweifel bei Fraenkel KZ 63, 172. I-185-186

αὖλαξ s. ἄλοξ. I-186

αὐλή f. ‘äußerer oder innerer Hof, Wohnung’ (seit Il.). — αὐλή, αὖλις sind λ-Ableitungen der in ἰαύω ‘ruhen, übernachten’ (s. d.) vorliegenden Wurzel, die auch in arm. aw-t‘ ‘Stelle des Übernachtens’ und ag-anim ‘übernachten’ vorliegt. Eine Weiterbildung des in αὐλή, αὖλις erscheinenden l-Stamms ist vielleicht toch. B aulāre, A olar ‘Genosse’ (Schneider IF 57, 199); anders v. Windekens Lexique étymologique s. v. — Ob auch ἄεσα (s. d.) hierher gehört, bleibt sehr unsicher. Ableitungen: αὔλειος ‘zum Hof gehörig’ (seit Od.), wohl nach ἕρκειος gebildet; selten und spät αὐλαῖος (LXX) mit der Substantivierung αὐλαία f. ‘Vorhang’ (Hyp., Thphr. usw.), auch αὐλεία (Andania); — αὔλιον n. ‘Landhaus, Hürde, Grotte’ (h. Merc. u. a.); Adj. αὔλιος ‘zur αὐλή bzw. zum αὔλιον gehörig’ (A. R. u. a.); αὐλία· ἔπαυλις ἢ ἡ μικρὰ αὐλή (AB 463); — αὐλικός ‘zum Hof gehörig’ (Plb., Phld. u. a.). — Deminutivum αὐλίδιον (Thphr.). — αὐλίτης (αὐλήτης H.) ‘Meier, Verwalter des Viehhofes’ (S., A. R.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 37). — αυλ-ιάδες (νύμφαι, APl.), vgl. κρην-ιάδες u. a. Chantraine Formation 357, Schwyzer 508; anders, kaum richtig, Jüthner ’Επιτύμβιον Swoboda 113 (zu αὔλιον ‘Grotte’). — Denominatives Verb αὐλίζομαι, Aor. αὐλίσασθαι ‘im Hof liegen, im Freien übernachten, lagern’ (ion. att.) mit den seltenen und späten Verbalnomina αὔλισις (Ael.), αὐλισμός (Sm., H.), αὔλισμα (Sch.), außerdem mit dem Nomen loci αὐλιστήριον (Herm., Aq.). Neben αὐλή steht mit anderer Stammbildung αὖλις, -ιν, -ιδος f. ‘Nachtlager (im Freien)’ (poet. seit Il.). I-186

αὔληρα s. εὔληρα. I-186

αὖλις s. αὐλή. I-186

αὐλός m. ‘Röhre, röhrenartiger Körper, Flöte’ (seit Il.). Ableitungen: Deminutivum αὐλίσκος ‘Röhrchen, kleine Flöte’ (Thgn., Hp., S., Arist. usw.), αὐλίδιον (Alex. Trall.). — αὐλών m. f. ‘höhlenartige Gegend, Schlucht, Tal, Graben’ (ion. att.); zum lokalbezeichnenden (augmentativen?) ών-Suffix s. Schwyzer 488, Chantraine Formation 164, Humbert Mélanges Boisacq 2, 1ff., Petersen ClassPhil. 32, 121ff.; davon Demin. αὐλωνίσκος m. (Thphr.), αὐλων-ιάδες (νύμφαι, Opp.; vgl. αὐλ-ιάδες zu αὐλή), Αὐλωνεύς Beinanne des Dionysos (Attika), αὐλωνίζω H. — αὐλωτός ‘mit Röhre versehen’ (A.). — Denominatives Verb αὐλέω ‘(die Flöte) blasen’ (ion. att.), wovon wiederum mehrere Nomina: αὔλησις ‘Flötenspiel’ (Pl., Arist.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 127 A. 4), αὔλημα ‘Flötenstück’ (Pl., Ar.); αὐλητής (ion. att.) und αὐλητήρ (ion.) ‘Flötenspieler’ mit den Femininbildungen αὐλητρίς (ion. att.), Demin. αὐλητρίδιον (Theopomp. Hist. u. a.), und αὐλήτρια (D. L.); von αὐλητής das Adj. αὐλητικός ‘den Flötenspieler, bzw. das Flötenspiel, die Flöte betreffend’ (Pl., Arist. usw.; auch auf αὐλέω, αὐλός bezüglich). — Dazu die Nomina loci αὐλητήριον ON (H.) und αὐλητηρία· αὐλῶν θήκη H. — Eine Bildung für sich ist αὖλιξ (cod. αὐλίξφλέψ H.; zur Bildung vgl. besonders χόλιξ, aber auch αὐλίξαι im Sinn von δραμεῖν H., nach Baunack Philol. 70, 361 vom Ablaufen des Wassers; daneben αὐλίξαι· στασιάσαι H. von αὐλή. — Zur Bedeutung des unklaren αὐλῶπις, Beiw. des Helms (Il.), vgl. Krischen Philol. 97, 184ff., Trümpy Fachausdrücke 44. — αὐλός hat mehrere nahe Verwandte in anderen idg. Sprachen. Formal damit identisch sind lit. aũlas m. ‘Stiefelschaft’, nnorw. aul ‘der hohle Stengel der Angelica’, wahrscheinlich auch lat. alvus ‘Höhlung’ (mit Metathese; näheres bei W.-Hofmann s. v.); hierher ferner mit geringen Abweichungen in der Bildung z. B. lit. aulỹs, aksl. ulьjь m. ‘Bienenstock’ (eig. ‘hohler Baumstamm’); apr. aulis ‘Schienbein’, aulinis ‘Stiefelschaft’; aksl. ulica f. ‘Gasse’. Ob dagegen arm. , uɫi ‘Weg’ mit Pedersen KZ 39, 459 hierher gehört, ist sehr fraglich, da der Anlaut mehrdeutig ist. Falls hierher, ist ein Ablaut ū̆ anzusetzen. Beiseite bleibt jedenfalls yɫi ‘schwanger’, s. Meillet Esquisse2 48 mit Lit. und einer anderen (unsicheren) Deutung. Alter Ablaut (ēu- ?) muß ebenfalls vorliegen in awno. huann-jōli ‘der hohle Stengel der Angelica’. — Pok. 88f., WP. 1, 25f. mit weiterer Lit.; vgl. noch Güntert Reimwortbildungen 154 (αὐλός : lit. aũlas, καυλός : lit. káulas vorgr. Reimwörter). S. auch ἔναυλος. I-186-187

αὔξω, erweitert αὐξάνω (ion. att.; zum Aspekt [determinativ?] Brunel Aspect verbal 6), ἀέξω (poet. seit Il.), αὐξύνω (Aesop.), Aor. αὐξῆσαι, spät (Nonnos u. a.) ἀεξῆσαι ‘mehren, fördern; wachsen’ (zur Bedeutung s. auch Gonda Ancient-Indian ojas 77f.). Mehrere Ableitungen. Nomina actionis: αὔξησις (ion. att.), αὐξησία (personifiziert; Hdt. u. a.), αὔξημα (Hp., E.), αὔξη (Pl. u. a.), αὖξις (H., v. l. Pl. Phlb. 42d) ‘Vermehrung, Wachstum’. Nomen agentis αὐξητής m. ‘Vermehrer’ (Orph.), außerdem als Bez. der Göttin des Wachstums Αὑξώ (Paus., Poll.; zur Bildung Schwyzer 478, Chantraine Formation 115ff.). — Außerdem αὐξίς, -ίδος f. ‘das Junge des Thunfisches’ (Phryn. Kom., Arist., Nik.; vgl. Strömberg Fischnamen 127), von αὔξω oder αὔξη. — Adjektiva: αὐξητικός ‘wachsend, mehrend’ (Hp., Arist. usw.), αὔξιμος ‘ds.’ (Hp., A. u. a.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 50ff.), αὐξηρός (Nik.; unsicher); die beiden letzteren wohl eher von αὔξη als von αὔξω. — αὔξω und ἀ(ϝ)έξω stellen zwei miteinander ablautende Wechselformen eines und desselben Stammes dar, der seinerseits eine (ursprünglich wahrscheinlich nur präsentische) s-Erweiterung einer idg. Wurzel aug-, au̯eg- ist, die in ihrer einsilbigen Form mehrfach vorliegt: lat. augeo, germ., z. B. got. aukan ‘sich mehren’, awno. auka ‘vermehren’, lit. áugti ‘wachsen’ (dessen Stoßton die Zweisilbigkeit der Wurzel verrät). Die s-Erweiterung, die übrigens mit dem s-Stamm in lat. augus-tus, aind. ójas- n. ‘Kraft, Stärke’ in Verbindung stehen kann, erscheint in lat. auxilia n. pl. ‘Verstärkungen’, auxilium ‘Hilfe’, lit. áukštas ‘hoch’, toch. B auks-, A oks- ‘wachsen’. — Die zweisilbige Form au̯eg-s- ist in dieser Gestalt außerhalb des Griechischen nicht nachweisbar, sondern nur in der einsilbigen Variante u̯eg-s-: germ., z. B. got. wahsjan, aind. vakṣáyati ‘wachsen lassen’, aw. vaxš- ‘wachsen (lassen)’ zu belegen. Es liegt nahe, lat. vegeo als die s-lose Form davon zu betrachten, wozu dann weiter mit Dehnstufe ai. vā́ja- m. etwa ‘Kraft, Gewinn’ od. ähnl., germ., z. B. got. wokrs m. ‘Zins’, nhd. Wucher. Da aber vegeo und Verwandte, nach den mutmaßlichen altiranischen Vertretern der Sippe, z. B. ap. vazraka- ‘groß’, zu schließen, palatales enthalten, muß das als sehr zweifelhaft betrachtet werden. Anderseits begegnet eine Schwundstufe ug-s- in den aind. Ptz. Präs. úkṣant-, ukṣámāṇa- und im awest. Präsens uxšyeiti ‘wächst’; die s-lose Form endlich in aind. aw. ugrá- ‘gewaltig, stark’ mit demselben r-Stamm wie in aw. aogarə n. ‘Kraft’ neben dem s-Stamm in aw. aoǰah- = aind. ójas- n. ‘Kraft’, lat. augus-tus. — Zum Ablautwechsel vgl. besonders ἀλκ-ή : ἀλέξ-ω. — Weitere Lit. bei WP. 1, 22f. und bei Pok. 84f. I-187-188

αὖος, att. αὗος ‘dürr, trocken’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen. Adjektivabstraktum αὐότης f. ‘Trockenheit’ (Arist.); als solches fungiert auch αὐονή (Archil., A. in lyr., Herod.), Bildung wie καλλονή, ἡδονή usw. (Schwyzer 490, Chantraine Formation 207), aber näheres Vorbild unbekannt. — Erweiterte Adjektivformen: αὐαλέος ‘dürr, trocken’ (poet. seit Hes.) nach ἀζαλέος, ἰσχαλέος u. a.; vgl. auch αὐαίνω (Schwyzer 484, Chantraine Formation 253); αὐηρός (AP), vgl. αὐστηρός unten; außerdem αυσόν· ξηρόν H. mit demselben s-Suffix wie in ρυσός, γαυσός usw. (Schwyzer 516, Chantraine 454). — Denominatives Verb: αὐαίνω, αὑαίνω (Komp. ἀπ-, ἀφ-, κατ-, καθ-αυαίνω) ‘trocken machen, dörren’; davon αὔανσις ‘das Austrocknen’ (Arist.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 136 A. 1), αὐασμός ‘ds.’ (Hp., AB), vgl. μαραίνω : μαρασμός und Schwyzer 493, Chantraine 141f.; außerdem αὐαντή (sc. νόσος) ‘Dörrsucht’ (Hp.), vgl. Strömberg Wortstudien 100; s. auch αὐαψή. — Das bei Hdn. belegte αὕω· ξηραίνω (außerdem ἀφαύει Ar. Eq. 394, das indessen Solmsen Unt. 277 in ἀφᾱνεῖ, von ἀ̄νέω = αἵνω, ändern will) sieht wie ein primäres Verb aus, ist aber wahrscheinlich sekundär nach einem uralten denominativen Bildungstypus (Schwyzer 723) neben αὗος entstanden. — Davon αὖσις (EM). — Neben αὖος aus idg. *saũsos (vgl. unten) stehen zwei bedeutungsverwandte Adjektive: αὐσταλέος ‘struppig, schmutzig’ (ep. seit Od.; vgl. αὐαλέος usw. oben und Bechtel Lex. s. v.) und αὐστηρός ‘herb, streng’ (Hp., Pl. usw.) mit αὐστηρία, αὐστηρότης, die von einem mit -τ- gebildeten Nomen (*αὖστος n.? Schwyzer 482 A. 14) auszugehen scheinen; zu beachten immerhin das synonyme καύστ-ειρα. — αὖος, αὗος geht über hαῦος (Dissimilation) bzw. über *αὖhος (Dissimilation und Hauchversetzung, vgl. Schwyzer 220 oben) auf *hαῦhος zurück und ist mit lit. saũsas, aksl. suchъ, ags. sēar, mnd. sōr ‘trocken’ identisch: idg. *saũsos ‘trocken’. Dagegen ist aind. śoṣa- (aus *soṣa- assimiliert) m. ‘das Austrocknen’, auch Adj. ‘trocken machend’, obwohl damit formal identisch, sowohl wegen der abweichenden Bedeutung wie wegen des späten Auftretens als ein neugebildetes Verbalnomen zu śúṣyati (s. unten) zu betrachten. Hierher noch alb. ϑań ‘trocknen’, denominativ aus *sausniō (vgl. das davon unabhängige αὐαίνω). — Neben idg. saus- steht, damit ablautend, sus- in aind. śúṣ-ka- (aus *suṣ-ka-, vgl. oben) = aw. huška-, apers. uška- ‘trocken’, wahrscheinlich auch in lat. sūdus ‘trocken, sonnig’ aus *suz-do- (anders WP. 2, 520). Derselbe Ablaut auch in mehreren Verbalformen, z. B. aind. śúṣ-yati, lett. sust ‘trocken werden’. Weiteres bei WP. 2, 447f., W.-Hofmann s. sūdus m. Lit. — S. auch αὐχμός. I-188-189

αὔρα s. ἀήρ. I-189

αὐρι · ταχέως (AB 464). Als Vorderglied in αὐρι-βά-τᾱς ‘schnellschreitend’ (A. Fr. 280), Zusammenbildung von αὖρι βαίνειν (βῆναι) mit dem Suffix -της. — Etymologie unbekannt. Vgl. αὐροί. I-189

αὔριον Adv. ‘morgen’ (seit Il.). Davon αὐρίζειν· τὸ εἰς αὔριον ὑπερτίθεσθαι (H., EM), αὐρινός Adj. ‘morgend’ (Gloss.). — Erweiterung (nach σήμερον?) aus *αὖρι, einem erstarrten Lokativ eines r-Stammes, der auch als Hinterglied in der Zusammenbildung ἄγχ-αυ-ρος (νύξ) ‘dem Morgen nahe’ (A. R. 4, 111) vorliegen könnte. Diese einmalige Form erklärt sich aber unschwer als eine leichte Modifikation von *ἀγχ-αύριος, Hypostase des Ausdrucks ἄγχι τῆς αὔριον. — Sein nächstes Gegenstück hat αὔριον aus *αὔσρι-ον (vgl. Schwyzer 282 und 349) in lit. aušr- ‘Morgenröte’, das ebenfalls auf ein idg. Nomen *ausr- zurückgeht. Daneben mit anderem Ablaut aind. usr-- ‘morgendlich’. Weiteres s. ἕως; vgl. auch ἠϊκανός. I-189-190

αὐροί · λαγοὶ [ἴσαυροι] H. — Vielleicht zu αὖρι· ταχέως H. — Nach Keil Herm. 23, 317 und Latte Glotta 32, 41f. ist ἁυροί (= ἁβροίλάγ<ν>οι zu lesen. Nach Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 8, 342f. (mit Kritik anderer Ansichten) ligurisch; sehr hypothetisch. S. auch Lagercrantz Symb. phil. Danielsson 146f. (mit unhaltbaren textkritischen Schlüssen). I-190

αὐροσχάς, -άδος f. N. einer Weinsorte (Parth.), auch = τὸ κατὰ βότρυν κλῆμα (Eratosth.). Ableitung auf -άς (vgl. ὀρχάς, κοτινάς und andere Pflanzennamen auf -άς bei Chantraine 353) von einem *αὔρ-οσχος, — Bahuvrihikompositum mit ὄσχος, ὄσχη ‘junger Zweig der Weinrebe mit Trauben’ als Hinterglied? Das Vorderglied ist freilich unklar. Vgl. ἀρασχάδες und Strömberg Wortstudien 53. I-190

αὔσιος s. αὐτός. I-190

αὐσταλέος, αὐστηρός s. αὖος. I-190

αὐτάρ ‘aber, hinwieder’ (ep. kypr.), αὖτε ‘abermals, wiederum’ (poet. seit Il.). S. αὖ und ἀτάρ. I-190

ἀϋτέω, ἀϋτή s. 1. αὔω ‘schreien, rufen’. I-190

αὐτίκα Adv. ‘auf der Stelle, sogleich’ (seit Il.). — Zeigt denselben Ausgang wie τηνίκα, ἡνίκα, πόκα, ὅκα usw.; zum Anfang vgl. αὖ, αὖτι-ν, auch αὐτός. Im einzelnen unklar, vgl. Schwyzer 629 Zus. 1 m. Lit. I-190

ἀϋτμή ‘Atem, Hauch, Dunst’ (Hom., Q. S., Opp.). Daneben ἀϋτμήν, -ένος m. (Ψ 765, γ 289). f. — Erinnert nach Form und Bedeutung stark an ἄετμα· φλόξ, ἀετμόν· τὸ πνεῦμα H., die einerseits schwerlich von ἀτμός (s. d.) getrennt werden können, anderseits mit ἄημι verwandt zu sein scheinen. Aber die Einzelheiten bedürfen noch der Aufklärung; unbefriedigend Solmsen Unt. 271 und Schwyzer 493. I-190

αὐτόδιον Adv. oder Adj. im Akk. (θ 449) unklarer Bedeutung, wahrscheinlich ‘auf der Stelle, sogleich’. — Nach einer antiken Deutung = ἐξ αὐτῆς τῆς ὁδοῦ ἐλθόντα, nach Schulze KZ 29, 258 aus *αὐτό-διϝον mit Hinweis auf αὐτ-ῆμαρ ‘am selben Tage’ und auf aind. sa-dívaḥ ‘sogleich’; also zu lat. dies und zu Ζεύς, s. d. Geistreich, aber unsicher; vgl. auch Sommer Nominalkomp. 75 A. 5. I-190

αὐτοκράτωρ, -ορος m. f. ‘Selbstherrscher, mit unumschränkter Gewalt versehen’ = lat. imperator (att. hell.; vgl. Fraenkel KZ 42, 116ff.). Davon die in der Kaiserzeit gebildeten αὐτοκρατορία, αὐτοκρατορικός, αὐτοκρατορεύω usw., zur Wiedergabe der entsprechenden lat. Begriffe imperium, imperatorius, imperare usw. Fem. αὐτοκράτειρα (Orph.). — Statt αὐτοκρατής (zu κράτος, κρατέω) nach den Nomina agentis auf -τωρ umgebildet; Schwyzer 531 A. 11 (mit Lit.). I-190-191

αὐτόματος, (-η), -ον ‘aus eigenem Antrieb, von selbst geschehend’ (seit Il.). Abstraktbildung: αὐτοματία N. der Glücks- und Zufallsgöttin (Plu.); denominatives Verb: αὐτοματίζω ‘eigenmächtig handeln’, Med. ‘von selbst geschehen’ (Hp., Xen. usw.) mit αὐτοματισμός ‘was ohne menschliches Zutun geschieht, Zufall’ (Hp., Alkid., D. H. usw.); außerdem αὐτοματεῖν H. als Erklärung von αὐτοφαρίζειν. — Alte Zusammenbildung von αὐτός und der Schwundstufe der in μέ-μον-α, μέ-μα-μεν, μένος (s. dd.) vorliegenden Wurzel mittels des Suffixes -τος. Phonetisch stimmt -ματος zum Hinterglied in lat. com-mentus und zu den selbständigen Partizipien ai. matá-, lit. miñtas ‘gedacht’ usw. Zum Bildungstypus s. Chantraine Formation 303f., Schwyzer 502f. m. Lit. I-191

αὐτός ‘selbst’ (seit Il.), in den obl. Kasus auch als anaphorisches Pronomen der 3. Person gebraucht. (ὁ) αὐτός ‘derselbe, der nämliche’ Ableitungen: αὐτίτης (sc. οἶνος) Bed. strittig, s. Redard Les noms grecs en -της 96, auch ‘alleinig’ (Arist.); αὐτότης f. ‘Identität’ (S. E.); — ταὐτότης f. ‘ds.’ (Arist. u. a.); denominative Verba ταὐτόομαι ‘identifiziert werden’ (Dam., Prokl.), ταὐτίζω ‘als Synonyme benutzen’ (Prokl., Eust.). — Sehr zahlreiche Komposita, worüber Vintschger Die αὐτο-Komposita sprachwissenschaftl. klassifiziert. Progr. Gmunden 1899; vgl. noch die Ausführungen bei Sommer Nominalkomp. 83ff., 153ff. — αὔτως Adv. (mit oppositivem Akzent, vgl. οὑτῶς neben οὗτος usw.; Schwyzer 384) ‘gerade so, für sich allein, lediglich usw.’ mit verschiedenen modalen Sinnfärbungen. Teilweise können diese in einer älteren konkreten Bedeutung von αὐτός wurzeln, die bei seiner Grammatikalisierung verlorenging, aber auch in der Ableitung αὔσιος ‘eitel, vergeblich’ (Ibykos) erhalten blieb. Ein zwingender Grund, wegen gewisser Homerstellen ein besonderes αὔτως ‘eitel, nichtig’ neben αὔτως ‘gerade so, für sich allein’ (zu αὐτός) anzunehmen (Doederlein, Froehde, s. Bechtel Lex., ebenso Schwyzer 614), scheint nicht vorzuliegen. — Da die grammatische Bedeutung ‘selbst’ jedenfalls aus einem älteren konkreten Gebrauch hervorgewachsen ist, dieser aber unbekannt bleibt, haben alle etymologischen Versuche einen sehr beschränkten Wert, vgl. die Lit. bei Bq und bei Schwyzer 613f. So könnte an und für sich das von Froehde BB 20, 193ff. für αὔτως ‘eitel, nichtig’ zum Vergleich herangezogene germanische Adjektiv, got. auþs, auþeis, nhd. öde usw., auch für αὐτός in Betracht kommen. — Vgl. Mezger Word 2, 229. I-191-192

αὐχέω ‘sich rühmen, prahlen’ (Hdt., A. usw., vorw. poet.). Verbalnomina: αὔχημα ‘Prahlerei, Zierde’ (Pi., S., Th. usw.) mit αὐχηματίας ‘Prahler’ (Sch., Eust.) und αὐχηματικός (Eust.); αὔχησις ‘ds.’ (Th., Aq.); retrograde Bildungen 1. αὔχη ‘ds.’ (Pi.; αὐχάν· καύχησιν H.; verfehlt Güntert Reimwortbildungen 153f.) mit αὐχήεις (Opp., AP), falls nicht vielmehr direkt von αὐχέω; 2. αὖχος ‘ds.’ (Sch.). Andere Ableitungen: αὐχαλέος ‘ruhmredig, stolz’ (Xenoph., H., vgl. besonders θαρσαλέος zu θάρσος, θαρσεῖν), αὐχητής m. (Poll.), αὐχητικός (Sch.). — Zusammensetzung (mit verbalem Hinterglied) κενε-αυχής ‘eitel prahlend’ (Il. usw.). — Unerklärt. εὔχομαι, εὐχή lassen sich lautlich damit nicht verknüpfen. I-192

αὐχήν, -ένος m. ‘Nacken, Hals’, auch übertragen von einer Land- oder Meerzunge usw. (seit Il.). Ableitungen: αὐχένιος ‘zum Nacken gehörig’ (Od. usw.); Demin. αὐχένιον (An. Ox., Eust.), αὐχενίας m. ‘mit Stiernacken versehen’ (Gloss.). — Denominatives Verb αὐχενίζω ‘den Hals abschneiden’ (S.), ‘am Hals greifen od. binden’ (Ph., Hippiatr.) mit αὐχενιστήρ m. (Lyk., Hippiatr.). — Neben αὐχήν steht äol. ἄμφην (Theok.), außerdem noch αὔφην bei Jo. Gramm. Comp. 3, 16, das aber sehr zweifelhaft ist, vgl. Solmsen Wortforsch. 118 A. 2. Das gegenseitige Verhältnis dieser Formen zueinander bleibt unklar. Daß sie ursprünglich zusammengehören, ist nicht zu bezweifeln; vielleicht sind sie sogar im Grunde identisch. Schwyzer 296 setzt für ἄμφην (nach Schulze GGA 1897, 909 A. 1; vgl. auch Solmsen Wortforsch. 118 m. A. 1) eine Grundform *ἀγχϝ-ήν, zu aind. aṃhú- ‘eng’ usw. (s. ἄγχω), an, die durch Vorwegnahme des Labials auch αὐχήν ergeben hätte; vgl. noch Pisani Ricerche Linguistiche 1, 182ff. Aus dem Armenischen gehört jedenfalls hierher awji-k‘ (Pl.) ‘Hals’, s. Adontz Mélanges Boisacq 1, 10 m. A. 2. I-192

αὐχμός m. ‘Trockenheit, Dürre, Schmutz’ (ion. att.). Ableitungen: αὐχμηρός ‘trocken, schmutzig’ (ion. att.; zur Bildung Chantraine Formation 232f.) mit den seltenen αὐχμηρότης, αὐχμηρία, αὐχμηρώδης; αὐχμώδης ‘ds.’ (Hdt., E., Arist. usw.); dazu die einmaligen oder sehr seltenen αὐχμήεις (h. Hom. 19, 6; vgl. Schwyzer 527, Chantraine 272f.) und αὐχμαλέος (Choeril., Amynt.; nach ἀζαλέος u. a.; Chantraine 253f.). — Denominatives Verb αὐχμέω, auch αὐχμάω, ‘trocken, schmutzig sein’ (ion. att. seit Od.). — αὔχμωσις ‘Schmutz’ ([Gal.] 16, 88), eher aus αὐχμός erweitert (vgl. Chantraine 279) als von einem unbelegten *αὐχμόομαι abgeleitet. — Eine späte Nebenform ist αὐχμή f. (Q. S., Phryn.). — Zu αὖος (Curtius usw.) mit einem suffixalen Element -χμ-, über dessen Entstehung und weitere Beziehungen allerlei unsichere Vermutungen vorgebracht worden sind, s. WP. 2, 447f., Schwyzer 493 A. 4 m. Lit. I-192-193

αὔω 1. (nur Ipf. αὖε), Aor. ἀῧσαι, Fut. ἀΰσω ‘laut schreien, rufen’ (poet. seit Il.). Davon ἀϋτή ‘Geschrei, lautes Rufen’ (vgl. Trümpy Fachausdrücke 153ff.), woneben ἀϋτέω = αὔω (beide poet. seit Il.); ἀϋτέω, das bis auf das späte ἠΰτησα (Nonn., Epigr. Gr.) nur im Präsensstamm vorkommt, kann sowohl denominativ von ἀϋτή wie deverbativ von αὔω sein (Schwyzer 705f.). — αὐονή ‘Geschrei’ (Semon. 7, 20; vgl. Marg Charakter 17). — Die expressive Bedeutung von αὔω usw. läßt onomatopoetischen Ursprung vermuten. Entfernter Zusammenhang mit ἰυγή, ἰύζω (s. d.) ist wohl nicht ausgeschlossen; im übrigen dunkel. Hypothesen sind notiert bei WP. 1, 210, Bq s. ἀυτέω. — Specht KZ 59, 121 trennt αὖε von ἀῧσαι, ἀϋτή usw. und zieht es zu αὐδή, ἀείδω, ἄβα· τροχὸς ἢ βοή H.; s. dd. I-193

αὔω 2. ‘Feuer holen’ (ε 490, Med. Arat. 1035). Mehrere Komposita, vor allem ἐν-αύω ‘anzünden’, Med. ‘Feuer holen’, auch übertr. (ion. att.) mit ἔναυσμα ‘Funke’ usw. (hell. u. spät) und ἔναυσις (Plu. Kim. 10; auch vom Wasserholen); — ἐξ-αῦσαι· ἐξελεῖν (H., auch Pl. Kom.) mit ἐξαυστήρ ‘Feuerzange, κρεάγρα’ (A., Inschr., Poll. usw.); — κατ-αῦσαι· καταντλῆσαι (cod. καταυλῆσαι), καταδῦσαι H.; vgl. noch καθαῦσαι· ἀφανίσαι H.; unsicher καταύσεις (Alkm. 95); — προσαύω ‘anbrennen’ (S. Ant. 619, lyr.). — Außerdem πυραύστης m. "Feuerholer", ‘Lichtmotte’ (A., Arist., Ael.), πυραύστρα f. ‘Feuerzange’ (Attika), πύραυστρον n. ‘ds.’ (Herod., cod. πύραστρον), alles Zusammenbildungen aus πῦρ αὔειν. — Dazu mit analogisch geschwundenem σ γοιν-αῦτις· οἰνοχόη H. — Falls, wie wahrscheinlich, die Beziehung auf das Feuer sekundär ist, kann αὔω aus *αὔσω bzw. *αὔσι̯ω mit ano. ausa bzw. lat. hauriō (mit sekundärem h-) identisch sein. Der Vergleich mit lit. sáuja ‘Handvoll als Maß’ (Schulze Kl. Schr. 191) könnte auf Zusammenfall von zwei verschiedenen Verba hindeuten. Zur Sache s. besonders Schulze a. a. O.; ältere Lit. bei WP. 1, 27f. Vgl. W.-Hofmann s. hauriō. — Vgl. auch ἀφύσσω. I-193

αὔω 3. = ἰαύω (Nik. Th. 263, 283), s. d. I-193

αὕω 4. · ξηραίνω (Hdn.) s. αὖος. I-193

ἀφαδία ‘Mißfallen, Feindschaft’ (Eup. 34). - Daneben ἄφαδος ‘verhaßt, verfeindet’ (EM) und ἀφάδιος ‘ds.’ (Hdn.). f. — Ableitungen von ἀφανδάνω, ἀφαδεῖν (Od. usw.), s. ἁνδάνω. I-194

ἀφάκη auch ἄφακος (Schwyzer-Debrunner 30) f., ‘Wicke, Vicia angustifolia’ (Pherekr., Arist. usw.). — Von Dsk. und Gal. nach Aussehen und Gebrauch mit φακός ‘Linse’ verglichen. Das anlautende ἀ- sucht Strömberg Wortstudien 46f. als privativ-pejorativ zu deuten; auch Haplologie aus *ἀπο-φάκη (vgl. ἀπό-λινον, ἀπό-μελι usw.) könnte in Betracht kommen (Frisk Subst. priv. 20). Die Stammbildung bereitet gewisse Schwierigkeiten, die Strömberg zu beseitigen versucht. — Anders Prellwitz und Lewy, s. Strömberg a. a. O. Vgl. auch Winter Prothet. Vokal 13. I-194

ἀφαμιῶται m. pl. Bez. der Sklaven in Kreta (Str., Ath.). — Eig. ‘Leute die im Zustande der ἀφαμία (= ἀφημία) leben, von denen es keine φήμη gibt’, Bechtel Gött. Nachr. 1920, 252f.; s. noch Redard Les noms grecs en -της 9, 29. Vgl. ἀφημοῦντας· ἀγροίκους H. I-194

ἄφαρ Adv. ‘sofort, sogleich’ (ep. lyr. seit Il.). Davon ἀφάρτερος komp. Adj. (Ψ 311) ‘schneller’; ἀφαρεί· ταχέως καὶ ἀκόπως (EM, H., Suid.). — Nicht sicher erklärt. Wahrscheinlich mit ἄφνω verwandt; vielleicht urspr. neutraler r-n-Stamm. Vgl. Schwyzer 519, 624 A. 5. I-194

ἀφάρκη f. N. eines immergrünen Baumes, ‘Arbutus hybrida’ (Thphr.). — Nicht sicher erklärt. Nach Strömberg Wortstudien 27ff. als "Netzpflanze" zu ἄρκυς, ἀρκάνη, wobei ἀπο- eine Relation ausdrücken soll; vgl. die ähnlichen Bildungen ἀπό-λινον, ἀπό-μελι, in denen indessen ἀπο- ehestens privativ-pejorativ ist (dagegen in ἀπό-σπληνος ‘Rosmarin’ privativ-aufhebend: ‘gegen Milz(leiden) schützend’, vgl. ἀπό-κυνον). Die Aspirierung ἀφ- erklärt sich nach S. durch die aspirierte Form ἅρκυς (Et. Gen., Paus. Gr.). — Alles sehr unsicher. — Über das mit ἀφάρκη irgendwie (über *ἀφαρκίς, *ἀφαρκιδεύω?) in Verbindung stehende ἀφαρκίδευτον· ἀγρευτόν, ἀθυσίαστον H. s. Strömberg a. a. O. I-194

ἀφάσσω, ἀφάω, s. ἅπτω. I-194

ἀφαυρός ‘schwach, ohnmächtig, kraftlos’ (ep. ion. poet. seit Il.). Davon ἀφαυρότης f. (Anaxag.). Denominatives Verb ἀφαυροῦται (Erot., v. l. ἀμαυροῦται) als Erklärung von ἀμαλδύνεται. — Unklar. Wahrscheinlich aus ἀμαυρός und einem bedeutungsähnlichen Wort (φαῦλος, φλαῦρος?) kontaminiert. Risch 64 denkt fragend an πιφαύσκω, φάος. Ältere Versuche bei Bq. I-194

ἀφελής, -ές ‘einfach, schmucklos’ (ion. att.). Ableitungen: αφέλεια, -είη f. (Hp., Antiph. usw.); spät ἀφελότης f. (Act. Ap., Vett. Val.), vgl. Chantraine Formation 298. — Nicht sicher erklärt. Nach Persson Beitr. 2, 797 A. 3 eig. "ohne Unebenheit", von α privativum und *φέλος n., das u. a. auch in φελλεύς ‘unebener, steiniger Boden’ (s. d.) vorliegen soll. Ebenso Pisani Ist. Lomb. 73, 494. I-194-195

ἄφενος (auch m., wohl nach πλοῦτος, vgl. Fehrle Phil Woch. 46, 700f). n. ‘Reichtum, Vermögen’ (ep. poet. seit Il.). Davon (mit Vokalsynkope und auffallender Endbetonung) ἀφνειός, ἀφνεός ‘reich, begütert’ (poet. seit Il.; über Gebrauch und Bedeutung Hemelrijk Πενία en Πλοῦτος. Diss. Utrecht 1925). Daraus durch Rückbildung ἄφνος n. (Pi. Fr. 219). — Erweiterte Form ἀφνήμων (Antim.) nach πολυκτήμων und anderen Adj. auf -ήμων. — Als Hinterglied in den EN Δι-, Κλε-, Τιμ-αφένης. — Denominatives Verb ἀφνύει, ἀφνύνει· ὀλβίζει H.; ῥυδὸν ἀφνύνονται· πλουτοῦσιν Suid. (vgl. Schwyzer 728). — Unerklärt. Die Zusammenstellung mit ai. ápnas- n. ‘Besitz, Reichtum’ (Bréal MSL 13, 382f.; vgl. s. ὄμπνη) ist u. a. von Pisani Ist. Lomb. 73, 515 wieder aufgenommen worden unter Annahme einer Grundform *apsnos- (> ἄφνος), die die offenbar ältere Form ἄφενος nicht berücksichtigt. — Ältere Versuche bei Bq und WP. 1, 679. "Pelasgische" Erklärung bei van Windekens Le Pélasgique 74f. I-195

ἀφήτωρ, -ορος m. Epithet des Apollon (Ι 404), von ἀφίημι, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 14f., 42, somit eig. "Entsender", aber nähere Bedeutung unklar. — Die antike Erklärung als ‘Bogenschütze’ ist von Kraus WienAkAnz. 87, 516ff. in Zweifel gezogen worden; nach ihm vielmehr "Aussender" = ‘der Gott, dem man vor der Ausfahrt opfert’ (?). — Nach Eustathios und den Scholl. (alternativ) = ‘Prophet’ (Eust. ὁμοφήτωρ), also aus α copulativum und φημί, eine unrichtige Deutung, die auch bei H. ἀφητορεία· μαντεία erscheint. I-195

ἄφθα, ἄφθαι f. gew. im Plur. Art Kinderkrankheit, ‘Mundschwamm’. Davon ἀφθώδης und ἀφθάω (Hp.) mit ἄφθησις (Hippiatr.). — Unklar; vielleicht zu ἅπτω. I-195

ἀφία f. ‘Feigwurz, Ranunculus ficaria’ (Thphr. HP 7, 7, 3). — Unerklärt. Die volksetymokogische Anknüpfung an ἀφιέναι (τὸ ἄνθος) bei Thphr. sucht Thiselton-Dyer JournofPhil. 33, 206f. mit zweifelhaftem Erfolg semantisch zu begründen. Eher LW. I-195

ἀφίας · βωμός H. — Wertloser Deutungsversuch von E. Maaß Arch. f. Religionswiss. 23, 228. I-195

ἄφλαστον n. ‘der Ausläufer des Schiffshecks, der Knauf am Schiffshinterteile’ (Ο 717, Hdt. 6, 114 u. a.) — Nach Diels KZ 47, 209f. (m. Lit.) und Bechtel Dial. 3, 285 eig. "das was die Zertrümmerung verhütet oder verhüten soll", von α privativum und φλάω ‘zertrümmern’, was unzweifelhaft wie eine Volksetymologie klingt. Wohl eher mit Hermann Gött. Nachr. 1943, 1f. vorgriechisch. Verfehlt Winter Prothet. Vokal 16. — Daraus lat. aplustra, -ōrum. I-195-196

ἀφλοισμός m. ‘Schaum, Geifer’ (Ο 607). — Verbalnomen auf -σμός zu ἔφλιδεν· διέρρεεν, διαπέφλοιδεν· διακέχυται, πεφλοιδέναι· φλυκταινοῦσθαι H. usw., s. φλιδάω. Anlaut. ἀ- ist als copulativ (intensiv) zu erklären, sofern man nicht vorzieht, Kontamination mit dem synonymen ἀφρός anzunehmen. I-196

ἄφνω Adv. ‘jählings, plötzlich’ (A., E., Eup., Th., D. usw.), selten und spät ἄφνως (Epigr. Gr. 468; vgl. Schwyzer 405, 624 A. 5). — Wahrscheinlich mit ἄφαρ verwandt (s. d.) und wie dieses aus einer erstarrten Kasusform eines nominalen r-n-Stammes hervorgegangen (Schwyzer 520). Dazu zwei Nebenformen bei H.: ἀφνός· ἐξαίφνης und ἀφνίδια· ἀφνίδαν, ἄφνω; letzteres aus αἰφνίδιος kontaminiert, vgl. αἴφνης. — Ältere Deutungen bei Bq. I-196

ἀφόρδιον n. ‘Exkremente’ (γαστρός, Nik.). — Aus *ἀφόδιον (von ἄφοδος ‘Exkremente’) euphemistisch (nach φόρος) oder drastisch (nach πορδή) verdreht? I-196

ἄφρα f. ‘Art Pflaster’ (Aët. 15, 14). — Ohne Etymologie. I-196

ἄφρισσα f. Pflanzenname = ἀσκληπιάς, d. h. ‘Feigwurz’ (Apul. Herb. 15). — Unerklärt. Ob Bildung auf -ισσα zu ἀφρός? I-196

Αφροδίτη f. die Göttin der Liebe (seit Il.). Davon die Deminutiva ’Αφροδιτάριον N. einer Augensalbe (Gal.), ’Αφροδιταρίδιον ‘Liebling’ (Pl. Kom.). Ferner das Adj. ’Αφροδίσιος ‘zu A. gehörig’ (ion. att.) mit den substantivierten ’Αφροδίσιον ‘A.-tempel’, ἀφροδίσια n. pl. ‘Liebesgenuß usw.’; zum letzteren das Adj. ἀφροδισιακός und das Denominativ ἀφροδισιάζω ‘der Liebe genießen’ (ion. att.), wovon ἀφροδισιασμός, ἀφροδισιαστής ‘Wollüstling’, ἀφροδισιαστικός; dagegen ’Αφροδισιασταί N. der Aphroditeverehrer (Rhodos) von’Αφροδίτη, vgl. ’Απολλωνιασταί, s. Απόλλων. — Herkunft unbekannt. Unhaltbare Erklärungen aus dem Griechischen (Kretschmer KZ 33, 267), bzw. aus dem Indogermanischen (E. Maaß N. Jb. f. d. klass. Altertum 27, 457ff.; dazu die Kritik Kretschmers Glotta 6, 305f.). — Da die Göttin selbst aus dem Orient oder dem östlichen Mittelmeergebiet stammt, ist ihr Name zweifelsohne vorgriechisch. Der semantisch naheliegende Vergleich mit der semitischen Göttin der Fruchtbarkeit Aštoret, Astarte (Hommel N. Jb. f. klass. Philol. 125 [1882], 176), die von Grimme Glotta 14, 18 wieder aufgenommen worden ist (allerdings mit der wenig überzeugenden Annahme, die Göttin sei durch hethitische Vermittlung zu den Griechen gekommen), muß in sprachlicher Hinsicht immer als möglich gelten, da bei diesem Namen mit starker volksetymologischer Angleichung zu rechnen ist. — Abzulehnen Hammarström Glotta 11, 21 5f.: ’Αφροδίτη eig. ‘Herrin, Vorsteherin, Fürstin’, vorgriechisch zu dem ebenfalls vorgr. πρύτανις, etr. (e)prϑni. — Ausführlich über Aphrodite Nilsson Gr. Rel. 1, 489ff. I-196-197

ἀφρός m. ‘Schaum, Geifer’ (seit Il., vorw. poet.). Ableitungen: ἀφρώδης ‘schäumend’ (Hp. usw.), ἀφριόεις ‘ds.’ (Nik. u. a.; metrisch bedingt, s. Chantraine Formation 272). ἀφρῖτις, -ιδος f. ‘Art ἀφύη’ (Arist. usw., s. Redard Les noms grecs en -της 81 m. Lit.). Mehrere Denominativa : 1. ἀφρέω ‘schäumen’ (Il., Hp.); 2. ἀφρίζω ‘ds.’ (ion. att.) mit ἀφρισμός (Mediz.) und ἀφριστής m. (AP, codd. falsch ἀφρηστής; Sch.); 3. ἀφριάω ‘ds.’ (Opp.; zur Bildung Schwyzer 732); 4. ἀφρόομαι ‘ds.’ (Theol. Ar.). — Auch ἀφρίους· ἀθέρας H. ist gewiß hierherzuziehen. — Nicht sicher erklärt. Die Zusammenstellung mit dem reduplizierten arm. prpur ‘Schaum’ (Meillet BSL 31, 51f., wozu weiterhin, sehr zweifelhaft, σπείρω usw.), wobei ἀ- prothetisch wäre, ist verlockend, aber nicht strikt zu beweisen. — Die alte Gleichung mit aind. abhrá- n. ‘Wolke’, ὄμβρος usw. (s. Bq) ist wegen der abweichenden Bedeutung aufzugeben. I-197

ἀφύη f. ‘Fischbrut, kleine Fische verschiedener Art’ (Epich., Ar. usw.; im Att. nur im Plur. nach H. s. ἀφύων τιμή; zum Sachlichen ausführlich Thompson Fishes s. v.). Ableitungen: Demin. ἀφύδιον (Ar.; zum Lautlichen Schwyzer 199); ἀφυώδης ‘weißlich’ (Hp.). Denominatives Verb ἀφύω ‘weißlich, bleich werden’ (Hp.), wahrscheinlich retrograde Ableitung aus ἀφυώδης nach δάκνω : δακνώδης u. a. (Chantraine Formation 431). — Unerklärt. Die Zurückführung auf α privativum und φύω (woraus die Mittelmeerbez. nonnats) ist wohl als Volksetymologie zu verstehen. Unrichtig Bechtel Dial. 3, 285: ἀφύη nach der Farbe benannt, vgl. ἀφυώδης und ἀφύω (die ja im Gegenteil aus ἀφύη stammen). Noch andere Versuche bei Bq. I-197

ἀφυσγετός m. Bed. unsicher, ‘Schlamm’? (Λ 495, Opp.), von Nik. adjektivisch gebraucht als Epithet der Wassersucht und des Nektars (Al. 342 bzw. 584; auf ἀφύσσω bezogen). — Bildung wie συρφετός usw. (Schwyzer 501, Chantraine Formation 300); sonst dunkel. I-197

ἀφύσσω, woneben ἀφύω in ἐξ-αφύοντες (ξ 95), ἐξαφύουσιν· ἐξαντλήσουσιν H., Aor. ἀφύσ(σ)αι, Fut. ἀφύξω ‘schöpfen’ (ep. poet.). Davon einige spärlich belegte Ableitungen: ἀφυσμός (Suid.) und ἀφύσιμος (Sch.), auch ἀφύξιμος (Nik.; vgl. den Gutturalstamm des Fut.). Vom Präsensstamm ἄφυσσαν· τὴν κοτύλην <παρὰ> Ταραντίνοις H. Unsicher ἀφύστα· κοτύλη, στάμνος H. und ἀφυτρίς (cod. ἀφύτριςἀρύταινα (cod. ἅρπαινα) H. — Unerklärt. Unglaubhafte Deutungsversuche bei Bezzenberger BB 27, 151 (zu lat. imbuo) und Oehler (s. Schulze Q. 311: ἀφ + υσ-, Schwundstufe von αὐσ- in 2. αὔω ‘Feuer holen’). Das Präsens ἀφύσσω ist wahrscheinlich vom Aorist aus gebildet (Schwyzer 717 m. Lit.), ebenso ἀφύω (Debrunner Mus. Helv. 2, 199). I-197-198

Αχαιμένης, -εος, -ους m. Ahnherr des ältesten persischen Königshauses (Hdt. usw.) = apers. Haxāmaniš. Davon ’Αχαιμενίδαι pl. Nachkommen des ’Α., vornehmer persischer Clan, aus dem die persischen Könige hervorgingen (Hdt. usw.); ’Αχαιμένιος ‘persisch, Perser’ (A. Pl. usw.); ’Αχαιμενία ein Teil Persiens (St. Byz.); ’Αχαιμενῖτις f. Beiname Babylons (Epiphan.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 188. — ἀχαιμενίς, -ίδος f. Pflanzenname (Ps.-Dsk., Plin.); zum Namenstypus Strömberg Pflanzennamen 134ff. — Gr. -αι- in ’Αχαι-μένης gegenüber -- in apers. Haxā-maniš ist wahrscheinlich von Ταλαι-μένης, Πυλαι-μένης usw. eingedrungen (vgl. Schwyzer 448 m. Lit.). Anders Jacobsohn KZ 54, 261f.: -αι- von der Stammform haxāi- = aind. sakhāy- (?); dazu Kretschmer Glotta 18, 226. I-198

ἀχαίνη f. ‘Art Brot, das von den Weibern an den Thesmophorien gebacken wurde’ (Semus 13). — Ohne Etymologie. I-198

ἀχαΐνης ‘Hirsch im zweiten Lebensjahre, Spießer’; ἀχαΐνη f., auch ἀχαιΐνη ‘Reh’ (Arist., Babr. u. a.). m. Ableitung ἀχαιινέη f. ‘Hirsch- od. Rehfell’ (A. R., Opp.). — Unerklärt. I-198

Αχαιοί pl. m. N. eines griechischen Stammes, ‘Achäer’, sg. ’Αχαιός ‘achäisch’ (seit Il.), f. ’Αχαιαί, sg. -ά (vgl. Schwyzer 460 m. A. 4). Ableitungen: ’Αχαιΐς, -ίδος f. ‘das Achäerland’ (sc. γαῖα) oder ‘die Achäerin’ (sc. γυνή), auch ’Αχαιϊάς f. (seit Il.); ’Αχαιϊκός, att. ’Αχᾱϊκός (vgl. zum Lautlichen Schwyzer 265f.) ‘achäisch’; ’Αχαιΐη, att. ’Αχᾱΐα f. N. einer thessalischen und peloponnesischen Landschaft ‘Achaja’, auch Stadtname (Rhodos usw.), vielleicht als ’Αχαία (dreisilbig) zu lesen, vgl. unten. — Denominatives Verb ἀχαΐζιεν· ἑλληνίζειν H. — Der Volksname ’Αχαιοί aus ’Αχαιϝοί (wovon lat. Achīvī) ist auch aus ägypt. Quellen bekannt: ägypt. ’qjw’, gewöhnlich als Aqaiwaša gedeutet. Ebenso haben viele Forscher, namentlich Kretschmer (vgl. unten), in heth. Aḫḫijavā griech. ’Αχαιΐα aus *’Αχαιϝία (bzw. *’Αχαίϝα; diese Form noch in dem Stadtnamen ’Αχαία?; vgl. Kretschmer Glotta 21, 227) wiedererkennen wollen. Gegen eine voreilige Identifikation von Aḫḫijavā und ’Αχαιΐα hat vor allem Sommer wiederholt das Wort ergriffen (Aḫḫijavā-Urk., A. u. Sprw., IF 55, 169ff.). — Referat der früheren Diskussion bei Schwyzer 7 9f.; dazu bes. die neue Behandlung von Kretschmer Glotta 33, 1ff., wo nach Schaeffer Aḫḫijavā mit der mykenisch-achäischen Niederlassung Enkomi auf Kypros identifiziert wird. Da der ursprüngliche Sinn des Namens ’Αχαιοί unbekannt ist, sind alle Etymologien leere Spekulationen. Nach Güntert Weltkönig 73, WuS 9, 130ff. soll es als *"die Gefährten, Freunde" mit aind. sákhā, apers. haxā- (vgl. s. ’Αχαιμένης) ‘Genosse, Freund’ identisch sein; dazu Kretschmer Glotta 15, 190; 17,250. I-198-199

ἀχάλιον n. Pflanzenname, = σιδηρῖτις, ἀλθαία (Hippiatr.). — Ohne Etymologie. I-199

ἀχά̄νη f. N. eines Maßes = 45 μέδιμνοι (Ar., Arist.); ‘Kasten’ (Phanod., Plu.). — Unerklärt. I-199

ἀχαρνώς, -ώ auch ἄχαρνος, ἀχάρνᾱς (Kallias Kom., Ath., Arist.) Andere, ähnliche Formen: ἀχάρνα, ἀχέρνα (cod. -λα) H.; ἀκαρνάν (Ath.), ἀκάρναξ· λάβραξ H. m., Fischname = ὀρφώς, viell. ‘Barsch’. — Zum ρν-Element, wohl fremd, Chantraine Formation 208f., Schwyzer 491. Sonst unklar. — Zur Sache Thompson Fishes 6f. I-199

ἀχά̄της, -ου m. ‘Achat’ (Thphr. usw. ) — Unerklärtes Fremdwort. Semitische Etymologien bei Lewy Fremdw. 56. — Der Fluß Achates auf Sizilien ist wahrscheinlich nach dem Stein benannt, nicht umgekehrt. Auch der PN Achates stammt vom Steine. Vgl. Lewy ebd. I-199

ἄχερδος f. (m.) ‘wilder Birnbaum, Pyrus amygdaliformis’ (Od., S., Theok. usw.). — Zur Bildung Chantraine Formation 359, Schwyzer 508. — Nicht sicher erklärt. Von Bugge BB 18, 184 und Mann Lang. 28, 34 mit alb. darδe ‘Birne’ verglichen; von Jokl Festschrift Kretschmer 89ff. weiterhin zu idg. ĝher(s)- ‘starren’ (WP. 1, 610; Pok. 445f.) gezogen unter der ganz hypothetischen Annahme einer Bedeutungsentwicklung ‘Dorngebüsch’ > ‘wilder Birnbaum’. Anlaut ἀ- wäre kopulativ. — Älterer Versuch bei WP. 1, 608 und Bq s. ἀχράς; vgl. d. W. S. auch Schrader-Nehring Reallex. 147. I-199

ἀχερωΐς, -ίδος f. ‘Weißpappel, Populus alba’. — Da ἀχερωΐς in erster Linie als eine Ableitung auf -ίς zu beurteilen ist, kann das Endelement -ωΐς (aus *-ωσις?) schwerlich direkt mit lit. úosis und anderen baltisch-slavischen Wörtern für ‘Esche’ verglichen werden (Prellwitz BB 24, 106f.; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 184 A. 1). Zu der im übrigen ansprechenden Zusammenstellung mit ’Αχέρων s. d. — Abzulehnen Machek Lingua Posnaniensis 2, 152. I-199-200

Αχέρων, -οντος m. N. mehrerer Flüsse, auch mythischer Strom der Unterwelt (seit Od.). — Vielleicht ντ-Ableitung von einem Nomen *ἄχερος ‘Teich, See’, das auch in einigen baltisch-slavischen Wörtern, lit. ẽžeras, ažeras, apreuß. assaran, aksl. jezero ‘See’, gesucht worden ist (s. zuletzt Krahe Beitr. z. Namenforschung 2, 235f. mit älterer Lit.; anders Vaillant BSL 29, 38ff.); hierher noch nach Jokl in Eberts Reallexikon 6, 39 und 43 der Volksname Oseriates (Ober-Pannonien; Plin., Ptol.); vgl. Mayer Glotta 24, 189. Somit wäre ’Αχέρων eigentlich ‘teichbildend, sumpfbildend’. Aber die Hesychglosse ἀχερούσια· ὕδατα ἑλώδη ist natürlich vom Namen des Unterweltsstromes gebildet und somit kein direktes Zeugnis für die ursprüngliche Bedeutung des Appellativs. — Zur ντ-Ableitung s. bes. Kretschmer Glotta 14, 97f. Von *ἄχερος vielleicht auch (mit unklarer Bildung) ἀχερωΐς, s. d. Ableitungen: ’Αχερούσιος (A., Th. usw.), f. -ιάς (Pl., X.); jüngere Bildung ’Αχερόντ(ε)ιος, f. -ιάς (E. usw.). I-200

ἀ̄χήν, -ῆνος m. ‘arm, dürftig’, nach der Form zu urteilen (Chantraine Formation 166f., Schwyzer 487) wohl eigentlich ein substantivisches Appellativum, etwa "Habenichts, gueux" (Theok., Epigr.). Davon ἀ̄χηνία ‘Armut, Entbehrung’ (A., Ar.). Erweiterte (umgebildete) Form ἀχηνεῖς· κενοί H. — Neben diesen dorischen Formen haben Lexikographen dasselbe Wort in ion. att. Lautgestalt bewahrt: ἠχῆνες· κενοί, πτωχοί H.; dazu, mit anderer Stammbildung, ἠχ-άνω· πτωχεύω Suid. (vielleicht als *ἰ̄χάνω zu lesen, vgl. unten); als Hinterglied (nach den adj. σ-Stämmen) in κτεαν-ήχης· πένης H. — Die Form ἀεχῆνες· πένητες H. beruht auf Volksetymologie (α privativum und ἔχω). Unsicher ob hierher ἀχαιος (IG 3, 1385). — Neben ἀ̄χήν usw. steht mit anderem Vokalismus ἰ̄χανάω ‘begehren’ (Hom., Babr., Herod.), wozu vielleicht noch das unsichere ἴχαρ (A. Supp. 850, lyr.). Auch im Indoiranischen scheint derselbe Vokalwechsel (aus āi?) : vorzuliegen; vgl. einerseits aind. ī́hate ‘begehren’, aw. izyeiti ‘streben, verlangen nach’, anderseits aw. āzi- m. ‘Gier, Begierde’ usw. Vgl. Wackernagel Verm. Beiträge 11f.; weitere Einzelheiten bei WP. 1, 40f. — Toch. A ākāl, B akālk ‘Wunsch, Begierde’ (v. Windekens Lexique étymologique 11) sind mehrdeutig; abzulehnen der Vergleich mit toch. B yoko ‘Durst’ (Pedersen Tocharisch 42). I-200

ἄχθομαι, Aor. ἀχθεσθῆναι ‘beladen, belastet sein’, gew. übertr. ‘sich gedrückt fühlen, betrübt sein’ (seit Il.). — Nicht sicher erklärt. — Wenn man in ἄχθομαι, ἄχθος das θ als verbal-nominales Formans abtrennt, was unzweifelhaft am nächsten liegt (vgl. z. B. βρίθω : βρῖθος : βριαρός; πλήθω : πλῆθος : πίμπλημι), bleibt ein Gutturalstamm ἀχ-, bzw. ἀκ- oder ἀγ- übrig. Dadurch erhält man Anschluß an ἄχομαι, ἄχνυμαι ‘betrübt sein, trauern’ (Curtius 63 und 190; danach Brugmann, Schwyzer u. a.), wobei indessen die konkrete Bedeutung ‘beladen sein’, bzw. ‘Ladung’ sich schwerlich erklären läßt. Walde in WP. 1, 40 A. 2 (ähnlich schon Prellwitz) ist deshalb geneigt, von ἄγω im Sinn von ‘fortschaffen’ auszugehen, wovon ἄχ-θος ‘Ladung’, ἄχθομαι ‘beladen sein’; die übertragene Bedeutung ‘sich gedrückt fühlen’ wäre durch Assoziation mit den lautähnlichen ἄχομαι, ἄχνυμαι begünstigt. Vgl. auch ὀχθέω. Daneben ἄχθος n. ‘Ladung, Last, Bürde’, auch übertr. ‘Beschwerde, Mühe’ (vorw. poet. s. Il.); Verhältnis zu ἄχθομαι unklar, vgl. Schwyzer 723. — Mehrere Ableitungen, meist spärlich belegt. Von ἄχθος : ἀχθεινός ‘lästig, unangenehm’ (E., X. usw.), wozu noch die seltenen ἀχθηρός (Antiph. 94, unsicher), ἀχθήεις (Mark. Sid. 96), ἀχθήμων (Man. 4, 501); letzteres kann auch von ἄχθομαι ausgegangen sein. Denominatives Verb ἀχθίζω ‘laden’ (Babr.), außerdem ἀχθήσας (zu lesen ἀχθίσας?)· γομώσας, ἤγουν πληρώσας H., wie von *ἀχθέω. — Von ἀχθομαι, evtl. aus ἄχθος erweitert: ἀχθηδών, -όνος f. ‘Last, Belästigung’ (A., Th., Pl. usw.); zur Bildung vgl. ἀλγηδών u. a., Schwyzer 529f., Chantraine Formation 361. I-200-201

Αχιλλεύς, ep. auch ’Αχιλεύς Sohn des Peleus und der Thetis (seit Il.). Davon ’Αχιλλήϊος, f. ’Αχιλληΐς, att. ’Αχίλλειος. — Das Schwanken λλ ~ λ, das in dem entsprechenden Schwanken σσ ~ σ in ’Οδυσ(σ)εύς ein Gegenstück hat, ist nicht sicher erklärt. Nach Sjölund Metrische Kürzung im Griechischen (Diss. Uppsala 1938) 29ff. ist ’Αχιλεύς durch metrische Kürzung veranlaßt; ähnlich Chantraine Gramm. hom. 1, 110. Zweifel bei Debrunner IF 57, 149. Schulze Q. 230 A. 2 sieht in ’Αχιλ(λ)εύς zwei hypokoristische Wechselformen eines unbekannten Vollnamens. — Die antike Herleitung aus ἄχος ‘Schmerz, Trauer’ hat Kretschmer Glotta 4, 305ff. wieder aufgenommen, indem er ein vermittelndes *ἄχιλος (vgl. ὀργίλος von ὀργή usw.) ansetzt. Eher ist vorgriechischer Ursprung anzunehmen, s. z. B. Debrunner l. c. Vgl. die Ausführungen bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 139f. I-201

ἀχλύ̄ς(später -ῠς), -ύος f. ‘Nebel, Finsternis, Dunkel’ (ion. poet. seit Il., hell. u. späte Prosa). Ableitungen: Adjektiva: ἀχλυώδης ‘neblicht, trübe’ (Hp., Arist., hell. usw.); ἀχλυόεις ‘trübe, dunkel’ (Epigr. ap. Hdt., hell. u. späte Epik). Denominative Verba: ἀχλύω ‘dunkel werden oder machen’ (ep. seit Od.) mit ἄχλυσις ‘Verdunkelung’ (Syn. Alch.); ἀχλύνομαι ‘dunkel werden’ (Q. S.); zur Bildung Schwyzer 727 (unten) f., 733 ε; ἀχλυόομαι, -όω ‘dunkel werden, bzw. machen’ (Thphr. u. a.). — Für sich steht ἀχλυδιᾶν· θρύπτεσθαι H. nach den Krankheitsverben auf -ιᾶν (Schwyzer 732), anscheinend mit einer hiatustilgenden δ-Erweiterung; wahrscheinlich liegt eine Kontamination mit χλιδᾶν (χλιδιᾶν) vor. — ἀχλύς kann bis auf das Genus und die darauf beruhende Vokallänge mit apreuß. aglo n. (u-Stamm; Pauli, s. Kretschmer KZ 31, 332) identisch sein. ? Die Heranziehung des reduplizierten arm. aɫǰ-a-m-uɫǰ-k‘ (pl.) ‘Finsternis’ (Meillet MSL 10, 279; vgl. H. Petersson Arische und armen. Studien 124ff.) setzt, außer der an sich möglichen Metathese von idg. gh-l, noch eine Palatalisierung des gh in voraus. Alb. vágull ‘dunkel, schwachsichtig’ (Mann Lang. 28, 38) muß wegen des Anlauts ausscheiden. I-201-202

ἄχνη f. ‘Spreu, Schaum, Flaum’ (poet. seit Il., auch Hp.). Davon ἀχνῶδες· ἄχνῃ ὅμοιον H. — Zum Vergleich melden sich einerseits — mit anderem Suffix — ἄχυρον ‘Spreu’, anderseits — im Suffix dazu stimmend, aber im Guttural abweichend — lat. agna (aus *ac-nā) ‘Ähre’, got. ahana ‘Spreu’ usw. (vgl. zu ἄκων). In letzterem Falle wäre also für ἄχνη eine Suffixform -snā (vgl. Schwyzer 327) anzusetzen mit Anlehnung an einen s-Stamm (vgl. zu ἀκοστή), falls man nicht Einfluß von ἄχυρον mit ursprünglicher Aspirata annehmen will. Weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 30 m. A. 3. — Vgl. ἄχυρον. I-202

ἄχνυμαι, ἄχομαι, ep. Ptz. auch ἀχεύων, ἀχέων (vgl. unten); Aor. ἀκαχέσθαι, ἀκαχεῖν, ἀκαχῆσαι, Perf. ἀκάχημαι, wozu ein neues Präs. ἀκαχίζομαι, -ίζω; es kommen hinzu die seltenen Präsentia ἀκαχύνω (Antim.), ἀκάχομαι (Q. S.) und ἀχνάσδημι (Alk. 81), Umbildung auf -άζω von *ἄχνημι, *ἄχναμαι (neben ἄχνυμαι, vgl. Schwyzer 693 A. 4, 716 Mom. 4). ‘betrübt sein, trauern’, Akt. ‘betrüben’ (ep. lyr. seit Il.); Daneben als altes Verbalnomen ἄχος n. ‘Trauer, Leid, Schmerz’ (vorw. ep. lyr. seit Il.); außerdem ἀχνύς, -ύος f. (Kall.) nach ἄχνυμαι. — Der neutrale s-Stamm ἄχος hat eine genaue formale Entsprechung in dem ursprünglichen neutralen s-Stamm got. agis n., ags. ege m. ‘Furcht, φόβος’; der Bedeutungsunterschied ist aber nicht zu übersehen. Zu dieser und anderen nominalen Bildungen gesellt sich das primäre thematische Ptz. got. un-agands ‘furchtlos, ἀφόβως’, das zu dem ebenfalls thematischen ἄχομαι stimmt; parallele Neubildungen sind indessen bei so produktiven Formkategorien natürlich keineswegs ausgeschlossen, vgl. Jacobsohn KZ 45, 342. — Das Präteritopräsens got. ōg ‘ich fürchte’ ebenso wie air. ad-āgor ‘ich fürchte’ (beide aus idg. oder ) bestätigen die aus anderen Gründen wahrscheinliche Annahme, daß ἄχνυμαι die bei den νυ-Präsentia zu erwartende schwundstufige Wurzelform enthält. — In ἀχεύων könnte der Rest eines nasallosen athematischen Präsens *ἀχευ-μι (neben ἄχ-ν-υ-μαι) bewahrt sein; das daneben stehende ἀχέων kann sich zu ἄχος wie κρατέων zu κράτος verhalten, s. Schwyzer 696 β, 724 Mom. 1. Anders urteilt über diese mehrdeutigen Formen Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 366f.: ἀχέων aus *ἀχέϝ-ων, ἀχεύων dagegen aus *ἀχεύ-ι̯ων; letzteres auch Schulze Q. 64; vgl. noch Fraenkel Lexis 2, 194f. Nach K. Meister HK 33 ist das immer am Versende (gegenüber ἀχέων im Versinnern) auftretende ἀχεύων vom Metrum verursacht. I-202-203

ἀχράς, -άδος f. ‘wilder Birnbaum und seine Frucht, Pyrus amygdaliformis’ (Kom., Arist. usw.). Davon ἀχράδινος (Dsk.) und der parodierende Demos-name ’Αχραδούσιος (Ar. Ec. 362). — Bildung wie οἰνάς, ἐρινάς und andere Baum- und Pflanzennamen (Chantraine Formation 356f.), aber sonst dunkel. Ob das ausgesprochen suffixale δ in ἀχρ-άδ- mit dem δ in dem synonymen, aber ganz anders gebildeten ἄχερδος (s. d.) zusammenhängt, ist zweifelhaft. Vielleicht umgebildetes Fremdwort. I-203

ἀχρεῖον Akk. sg. n. Bedeutung unsicher (ἀχρεῖον ἰδών Β 269; ἀ. δἐγέλασσε σ 163; ἀ. κλάζειν Theok. 25, 72); als Vorderglied in ἀχρειό-γελως Adj. (Kratin.); ἀχρείως γελᾶν (APl.). — Wohl einfach mit ἀχρεῖος ‘nutzlos, eitel’ (s. χρή) identisch. Zum Syntaktischen s. Schwyzer-Debrunner 77 ζ. — Andere Auffassungen sind bei Bq notiert. I-203

ἄχρι, ἄχρις (zum Auslaut Schwyzer 404f., 620) Adv., Präp. und Konj. ‘bis zum Ende, völlig; bis (zu); so lange als’ (seit Il.); ἄχροι (Korkyra; nach den Adv. auf -οι). — Vgl. μέχρι, das sich durch das dazu genau stimmende arm. merj ‘nahe’ als alt erweist. Wahrscheinlich ist ἄχρι durch Kontamination von μέχρι und einem unbekannten synonymen Adverb entstanden. Näheres s. μέχρι. I-203

ἄχυρα n. pl., selten -ον sg., ‘Spreu’ (ion. att.); kollektiver Sing. ἀχυρός oder ἄχυρος m. ‘Spreuhaufen’ (Kom.). Mehrere vereinzelt belegte Ableitungen: ἀχυρώδης (Arist. u. a.), ἀχύρινος (Plu.), ἀχυρικός (Sammelb.), ἀχυρῖτις, -ιδος f. (AP; zweifelhaft); Subst.: ἀχυράριος m. ‘Eintreiber der ἄχυρον-Steuer’ (Ostr.), ἀχυρών, -ῶνος m. ‘Vorratshaus für Spreu’ (Delos), ἀχύριος m. ‘Spreuhaufen’ (Heraklea). Denominatives Verb ἀχυρόω ‘mit Spreu bestreuen oder mischen’ (Arist., Thphr. usw.); davon ἀχύρωσις (Arist.). — Für sich steht, mit unklarer Bildung, ἀχυρμιαί f. Pl. ‘Spreuhaufen’ (Ε 502, AP 9, 384, 15; auch byzant. und neugr.; s. Scheller Oxytonierung 4ff., 85ff., auch über die Bildung m. weiterer Lit.; dazu noch Fraenkel Glotta 32, 18); dieselbe Bildung auch in ἀχύρμιος (Arat. 1097, Attribut von ἄμητος), vielleicht aus ἀχυρμιαί dichterisch neu geschaffen; zweifelhaft ἀχυρμός (Ar. V. 1310; Konjektur von Dindorf für ἀχυρός). — In Form und Bedeutung erinnert ἄχυρον an ἄχνη, das alt zu sein scheint (s. d.), aber vielleicht von ἄχυρον beeinflußt worden ist. Sonst dunkel; Zusammenhang mit ἄχωρ (s. d.) immerhin denkbar; s. zuletzt Benveniste Or. 20 und 36 (ἄχυρον : ἄχνη alter r : n-Stamm?). Abzulehnen Petersson KZ 47, 267f. (s. WP. 2, 510). I-203-204

ἀχυρμιαί s. ἄχυρα. I-204

ἄχωρ, -ορος (Ar. Fr. 410, Hdn. Gr. 2, 937), ἀχώρ, -ῶρος (Alex. Trakl., Dsk. usw.) m. ‘Grind, Schorf, Kopfausschlag’. Ableitungen: ἀχωρώδης (Aët., Hp. Liqu. 6 als v. l.); ἀχωρέω od. -ιάω (coni. in Paul. Aeg. 3, 3) ‘von ἄχωρ leiden’. — Hierher auch ἄχορα· τὰ πίτυρα. ἔνιοι δὲ κρανίον H. — Unerklärt. Nach Güntert Götter und Geister 102f. zu Αχέρων usw. (s. d.). Über eine ebenfalls verfehlte Deutung Bezzenbergers s. WP. 1, 64. Vgl. ἄχυρον. I-204

ἄψ Adv. ‘zurück, rückwärts, wieder’ (ep. seit Il.). Davon ἄψερον = ὕστερον, πάλιν (Alk., H., Zonar.), nach ὕστερον erweitert. — Mit lat. abs ‘fort, zurück’ identisch. Verhältnis zu ἀπό unklar. Zum auslautenden -ς vgl. ἐξ und die übrigen bei Schwyzer 620 angeführten Adverbia auf -ς (-ξ, -ψ). I-204

ἀψίνθιον auch ἄψινθος f. (m.) und ἀψινθία f. n., ‘Wermut, Artemisia Absinthium’ (Hp., X. usw.). Ableitungen: ἀψίνθινος (Alex. Trall.), ἀψινθίτης οἶνος (Dsk. usw., s. Redard Les noms grecs en -της 96); außerdem ἀψινθᾶτον ‘Trank aus Wermut bereitet’ (Aët., Alex. Trall.) und ἀψινθάτιον (Pap.; nach den Nomina auf -άτιον); vgl. lat. absinthiātum (vinum). — Schon das νθ-Element läßt auf vorgriechischen Ursprung schließen, vgl. Schwyzer 61. I-204

ἁψίς, -ῖδος f. ‘Masche eines Netzes, Radfelge, Gefüge usw.’ (Kretschmer Glotta 10, 233f.). — Erweiterung bzw. Umbildung auf -ιδ- eines unbekannten Verbalnomens zu ἅπτω, s. d. I-204

ἄψορρος Adj., -ον Adv. ‘zurückgehend, zurück’ (poet. seit Il.). — Eig. wohl "mit dem ὄρρος abgewandt", vgl. παλίν-ορσος; dazu Wackernagel Unt. 1 A. 2 (wo für ρρ statt ρσ in ἄψορρος Dissimilation erwogen wird) und 226 A. 1. Anders Bechtel Lex. s. v. : ἄψορρος falsch für ἀψόροος. — Die Form ἀψόρροος in ἀψορρόουΩκεανοῖο (Σ 399, υ 65) ist entweder aus ἄψ und ῥόος mit dem Kompositionsvokal -ο- selbständig gebildet oder vielmehr von ἄψορρος nach ῥόος umgestaltet. Weiteres s. ὄρρος. I-204-205

ἄω ‘(sich) sättigen’ s. ἆσαι. I-205

ἀών, -όνος Art Fisch (Epich., H.). Auch (im Plur.) Name eines Gewandes (PAmh. 2, 3a II 21; IIIp). — Unerklärt. I-205

ἄωροι 1. πόδες von Skylla gesagt (μ 89), außerdem im Gegensatz zu den ὀπίσθιοι πόδες (Philem. 145). — Nach Aristarch = ἄκωλοι; "τοὺς γὰρ Ἴωνας λέγειν φασὶ τὴν κωλῆν ὥρην καὶ ὡραίαν" (Sch. μ 89). Nach SIG 1037 (Miletos IV-IIIa) ist ὥρη ein Teil des Opfertieres, aber von der κωλῆ getrennt. Bechtel (s. Lex.) vergleicht lat. sūra (Näheres bei W.-Hofmann s. v.) und übersetzt: ‘Beine, die keine Waden haben’ (?). I-205

ἄωρος 2. m. ‘Schlaf’ (Sapph. 57); unsicher Kall. Fr. 177, 28 Pfeiffer. — Nach EM 117, 14 = ὦρος, "κατὰ πλεονασμὸν τοῦ ᾱ μηδὲν πλέον σημαίνοντος. ὦρος γὰρ ὁ ὕπνος". — Weiteres s. ὦρος; vgl. auch ἀωτέω. I-205

ἀωτέω, nur Präsens, mit ὕπνον als Objekt Κ 159, κ 548, als ‘schlafen’ erklärt, — wobei ὕπνον als Akk. des Inhalts fungiert (vgl. Schwyzer-Debrunner 75f.); in derselben Bedeutung absolut Simon. 37, 5. — Von H. wird dagegen der Ausdruck ἀωτεῖτε (γλυκὺν ὕπνον, κ 548) mit ἀπανθίζετε τὸν ὕπνον glossiert; von ἄωτος, s. d. — Die Übersetzung ‘schlafen’ legt, falls richtig, Zusammenhang mit (dem allerdings unklaren) ἄωρος ‘Schlaf’ nahe; die Stammbildung bleibt indessen dunkel (vgl. Schulze Q. 72 und 99, außerdem Bechtel Lex.). Oder verbirgt sich hinter dem -τ- ein r : n-Stamm vom Typus ὕδωρ : ὕδατος ? I-205

ἄωτος -ον n. m., ‘Flocke, Flaum, feine Wolle; das Feinste in seiner Art’ (ep. lyr. seit Il.). Ableitung ἀωτεύειν· ἀπανθίζεσθαι H., ὑφαίνειν AB. — Seit Buttmann Lexilogus oft als ursprüngliches Verbalnomen (*"das Wehen") zu ἄημι gezogen; semantisch und formal gewiß möglich. Die dabei voraussetzende -Abtönung ist sonst nirgends belegt (got. Prät. waiwō ist Analogiebildung). I-205

βᾶ 1. Interjektion, das Blöken eines Lamms imitierend (Hermipp. 19). — Elementarschöpfung. I-205

βᾶ 2. A. Supp. 892 (lyr.) — wird als Kurzform von βασιλεῦ gedeutet. Vgl. Schwyzer 423 A. 2. Var. lect. πᾶ. I-205

βαβάζειν Daneben βαβίζω, -ύζω (Zenod.). · τὸ <μὴ> διηρθρωμένα λέγειν. ἔνιοι δὲ βοᾶν H. Nominale Formen: βάβαξ m. ‘Plauderer’ (Archil., Lyk.); βάβακοι· ὑπὸΗλείων τέττιγες, ὑπὸ Ποντικῶν δὲ βάτραχοι H. — Onomatopoetische Elementarschöpfungen wie viele andere ähnliche Bildungen; vgl. u. a. βαβαί, βάζω, βαΰζω, βαβράζω, βάβαλον; auch βάρβαρος, βαβύρτας, βόμβος usw. Über entsprechende Bildungen in anderen Sprachen s. z. B. Pok. 91, W.-Hofmann s. babit. I-206

βαβαί Ausruf der Verwunderung (E., Ar., Pl. usw.); erweiterte Form βαβαιάξ (Ar.), — vgl. Kretschmer Glotta 22, 254. Elementarschöpfung; vgl. βαβάζω und παπαῖ. Daraus lat. babae. I-206

βάβακα · τὸν γάλλον H. — Mit βάβαξ ‘Plauderer’ (wegen des Geschreis) identisch. Vgl. E. Maaß RhM 74, 469ff. I-206

βαβάκινος · χύτρας εἶδος H. — Unter Heranziehung von ἐμβακανίτης· τὸ μετὰ τοῦ ταρίχους καὶ στέατος σκευαζόμενον βρῶμα H. erschließt Latte Glotta 32, 41 eine unreduplizierte Form *βάκινος (-ον), die, selbst vielleicht kleinasiatisch, in lat. bacchinon (Greg. Tur.) vorliegen soll (woraus frz. bassin). — Hypothetisch; vgl. W.-Hofmann s. baccīnum. I-206

βαβάκτης m. Beiwort des Pan (Kratin.), des Dionysos (Corn.); nach EM 183, 45 und H. teils = ὀρχηστής, μανιώδης, teils = λάλος, κραύγασος. — Vgl. βαβάξαι· ὀρχήσασθαι bzw. βαβάζω, s. d. Im Sinn von ὀρχηστής bzw. ὀρχήσασθαι nach Bechtel BB 23, 248 zu βέμβιξ ‘Kreisel, Wasserstrudel, Hummel’ (?), s. d. Vgl. noch v. Windekens Beitr. z. Namenforschung 4, 126 mit kühnen semantischen Kombinationen. I-206

βάβαλον · κραύγασον. Λάκωνες H. — Onomatopoetisches Lallwort, vgl. βαβάζω usw.; zur Liquida vgl. λάλος und Bildungen auf bal- bei Pok. 91f. — Zum lautähnlichen spätgr. Lallwort βαβάλια ‘Wiege’ Oehl IF 57, 11. — βάβαλον· αἰδοῖον ist, falls richtig überliefert, eine nasallose Variante von βάμβαλον· ἱμάτιον. καὶ τὸ αἰδοῖον. Φρύγες; vgl. Latte ad loc. mit Lit. S. auch βαλλίον. I-206

βαβήρ · ὁ Ἄρης H. — Phantastische Hypothese bei Grošelj Živa Ant. 3, 196. I-206

βαβράζω ‘zirpen’, von den Zikaden (Anan., H.). — Onomatopoetische Reduplikationsbildung, vgl. βαβάζω mit weiteren derartigen Fällen. I-206

βαβρήν · ὑπόστασις ἐλαίου κατὰ Μακεδόνας H. — Nach Hoffmann Maked. 73f. zu βάπτω. Er zieht auch heran βαβύας· βόρβορος, πηλός, nach EM 186, 1 tarentinisch. Für letzteres erwägt v. Blumenthal Hesychst. 20 messapischen Ursprung (Endung -uos). — Alles hypothetisch. I-206

βαβύρτας · ὁ παράμωρος H., auch PN (s. Latte ad loc.), — Nomen agentis auf -τᾱς (vgl. Chantraine Formation 319) von einem Verb *βαβύρω, bzw. Umbildung eines Nomens, vgl. lat. baburrus ‘stultus, ineptus’; reduplizierte Elementarschöpfung. Vgl. die ähnlichen Bildungen oben und die Beispielsammlung bei W.-Hofmann s. babit, wo auch Literatur. I-207

βαγαῖος · ὁ μάταιος. ἢ Ζεὺς Φρύγιος. μέγας. πολύς. ταχύς H. — Die Glosse ist nicht in Ordnung, s. Solmsen Wortforschung 139 A 1. Sowohl die Zusammenstellung mit apers. baga- ‘Gott’ usw. (vgl. βάγος) als auch die mit *bhāgos ‘Buche’ (vgl. Ζεὺς φηγωναῖος, Torp IF 5, 193f. Kretschmer Einl. 198f.) entbehren daher der Grundlage. Möglicherweise ist der bithynische Ζεὺς Βαληος (s. βαλήν) gemeint. I-207

βάγος · κλάσμα ἄρτου <ἢ> μάζης. καὶ βασιλεὺς καὶ στρατηγός. Λάκωνες H. — Wohl mit Latte (z. St.) als Kontamination von ϝάγος (zu ἄγνυμι) und ἀγός zu erklären. Dagegen nach Pisani KZ 67, 111 im Sinn von βασιλεύς = apers. baga- ‘Herr, Gott’ (vgl. den Volksnamen Βαγαδάονες Kretschmer Kleinas. Forsch. 1, 1ff., Glotta 18, 232). Kritik bei Petersen AmJPh 56, 64ff., der wenig überzeugend eine Kontamination von ἀγός und βασιλεύς annimmt. Vgl. auch Belardi Doxa 3, 197. I-207

βαδᾶς · κίναιδος ὡςΑμερίας H. S. βάταλος. I-207

βάδην Adv. ‘Schritt für Schritt, langsam’ (seit Il.). Davon βαδίζω ‘einherschreiten, marschieren’ (ion. att., fast ausschließlich Prosa) mit mehreren Nomina: βάδισις ‘das Einherschreiten’ (ion. att.), βαδισμός ds. (Pl.; vgl. Chantraine Formation 147), βάδισμα ‘ds.’ (X., D. u. a.) mit βαδισματίας m. (Kratin.; volkstümliche Bildung, s. Chantraine 93); postverbales Nomen βάδος in βάδον βαδίζειν (Ar. Av. 42), s. Fraenkel IF 28, 224f. — Außerdem das Nomen agentis βαδιστής m. ‘Fußgänger’ (E.), ὄνος βαδιστής ‘Paßgänger, Zelter’ (Pap.) und das Adjektiv βαδιστικός ‘zum Schreiten geeignet usw.’ (Ar., Arist. usw.). — Adv. auf -δην, wohl ursprünglich Akkusativ eines Nomens (vgl. Schwyzer 626), von βαίνω; s. d. I-207

βάδιον s. 2. βάτος. I-207

βάζω ‘schwatzen, sprechen’ (poet. seit Il.; zur Bedeutung und Gebrauch Fournier Les verbes "dire" 49ff.), vorw. im Präsensstamm; βέβακται θ 408. Davon βάξις ‘Sage, Ruf, Kunde’ (lyr. u. trag.), βάγματα pl. (A. Pers. 637 in lyr.). — Eine parallele Bildung ist βάσκειν· λέγειν (zu tilgen mit Latte?), κακολογεῖν H.; vgl. das bedeutungsähnliche λάσκειν. Herleitung aus *βάκ-σκειν (Schwyzer 708; vgl. Βάκις) ist möglich, aber kaum notwendig. Von βάσκειν ist βάσκανος (s. d.) schwerlich zu trennen. S. auch ἀβακής. Onomatopoetisch, vgl. βαβάζω. I-207-208

βάθρον s. βαίνω. I-208

βαθύς ‘tief, hoch’, übertr. ‘reichlich usw.’ (seit Il.). — Die etymologische Einreihung von βαθύς hängt von der Beurteilung des hochstufigen βένθος ab. Wenn man diese Form als eine analogische Neuerung ansieht (nach πένθος, Schwyzer RhM 81, 201 mit Thurneysen, Risch 125f.; dagegen Seiler l. c.), kann βαθύς die Tiefstufe von βῆσσα (s. d.) enthalten. Andernfalls bleibt es ohne Anknüpfung. S. auch βάσσος und βυθός. Komp. und Sup. βαθύτερος, -τατος; vereinzelt βάθιον, βάσσον, βάθιστος (Seiler Steigerungsformen 52). Davon βαθύτης ‘Tiefe’ (Phld., Luk. u. a.). Faktitives Verb βαθύνω ‘vertiefen, aushöhlen’ (seit Il.); itr. ‘in die Tiefe gehen, sinken’ (Ph. u. a.); davon βάθυσμα ‘Vertiefung’ (Thphr.). Zu Βαθύλος, -υλλος s. Leumann Glotta 32, 218. — Neben βαθύς stehen βένθος n. ‘Tiefe’ (poet. seit Il.) und das geläufigere, aber später auftretende βάθος n. (ion. att.), auch als ethischer Begriff, s. Zucker Philol. 93, 31ff. I-208

βαΐα f. ‘Amme’ (Str., Inschr., s. Wilhelm Glotta 16, 277). — Ausdruck der Kindersprache ohne Etymologie. I-208

βαῖβυξ m. ‘Pelikan’ (Hdn. Gr., H. ex Philet., Choerob.). — Zum Suffix vgl. ὄρτυξ, ἶβυξ usw. (Chantraine Formation 397). Sonst ohne Anknüpfung. I-208

βαίνω nur Präsensstamm, Nicht hierher βαμβαίνων (Κ 375); s. d. Als Jotpräsens steht βαίνω zunächst für *βάν-ι̯ω, weiterhin für *βάμ-ι̯ω (vgl. unten) mit antevokalischer Form der Schwundstufe vor dem Halbvokal neben der antekonsonantischen Form in βά-σκω ebenso wie in mehreren nominalen Ableitungen: 1. βάσις ‘Schritt, Gang, Grund, Boden’ (seit Pi. und A., in Komp. seit Il.) = aind. gáti-, s. unten. Davon βάσιμος ‘gangbar, zugänglich’ (S., Tim. usw.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 46ff.). 2. βατήρ, -ῆρος m. "der Treter" = ‘Schwelle, Basis usw.’ (Amips., Inschr. usw.). 3. -βάτης, -ου m. zu Komposita: ἀνα-, ἀπο-, ἐμ-, κατα(ι)-, παρα(ι)-βάτης usw. (seit Il.) als Ableitungen von ἀναβαίνω usw., außerdem in Zusammenbildungen mit nominalem Vorderglied, z. B. στυλο-βά-της; daneben -βατήριος, ebenfalls zu den komponierten ἀνα-, ἀπο-βαίνω usw.; das Simplex βατήριον (λέχος) nur Ps.-Phok., außerdem das Fem. βατηρίς (κλῖμαξ) AP. 4. -βατος zu Komposita (ἀναβαίνω usw.): ἀνα- (ἀμ-)βατός usw. (seit Il.); βατός als Simplex (sehr selten) ‘gangbar, zugänglich’ (X., Arr. u. a.); darüber z. B. Chantraine Formation 302ff. Zu -βάτης und -βατος gehören als Nominalabstrakta Bildungen auf -σία, z. B. ὑπερβασία ‘Übertretung, Frevel’ (ep. lyr.). Ferner sind als Denominativa davon abgeleitet Verba auf -εύω und -έω, z. B. ἐμβατεύω ‘betreten, einen Besitz antreten’ (trag., D. usw.); selten Simplex βατέω ‘besteigen’ (Theok., AP), βατεύω ‘zertreten’ (Pap.); 5. -βάς, -άδος f. in ἐμβάς; s. d. 6. βάθρον ‘Grund(lage), Stufe, Sitz, Fußgestell’ (ion. att.), auch βάθρᾱ (Ar. u. a.), mit βαθρικόν, βάθρωσις (Inschr.) und anderen seltenen Ableitungen. 7. βαθμός und βασμός m. ‘Stufe, Ehrenstufe, Schwelle usw.’ (hell.; βαθμίς f. ‘Stufe, Schwelle, Fußgestell’ schon Pi.); davon βαθμώδης und βαθμηδόν (spät). Neben dem geläufigen βαίνω gibt es mehrere andere, vereinzelt belegte Präsentia: 1. βάσκω, nur in dem hauptsächlich als Interjektion gebrauchten Ipv. βάσκε, -τε ‘auf!’ (vorw. Il.; zur Bildung vgl. unten); ferner die reduplizierten 2. βιβάσκω (seit Il.), gewöhnl. Kausativ (Schwyzer 707 A. 2; weitere Einzelheiten bei Wackernagel Unt. 18 A. 2); 3. βίβημι (βίβᾱμι), -άω (zu ἔβην, s. unten) in βιβάς, βιβῶν, βιβᾷ ‘schreiten’ (ep. dor.; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 300); daraus erweitert 4. βιβάζω (nachhom.) kausativ ‘bringen usw.’; 5. βιβάσθων in μακρὰ β. (Il.), metrische Verlängerung von βιβάς am Versende (Pisani Ist. Lomb. 77, 535ff. m. Lit., außerdem Fraenkel IF 60, 144f., Chantraine Gramm. hom. 1, 327, Shipp Studies 37). ‘gehen’ (seit Il.), mit zahlreichen Komposita: ἀνα-, ἀπο-, ἐκ-, ἐμ-βαίνω usw. — Die außerpräsentischen Tempora von βαίνω, βάσκω werden von einer anderen Wz. βη- (βᾱ-) gebildet: ἔβην (das auch als Aorist zu εἶμι und ἔρχομαι dienen kann, Bloch Suppl. Verba 63ff.), βήσομαι (faktitive Neubildungen ἔβησα, βήσω nach ἔστησα, στήσω), βέβηκα (seit Il.). Davon die Ableitungen βῆμα, βᾱ͂μα n. ‘Fußtritt, Stufe, Rednerbühne usw.’ (h. Merc. usw.; = aw. gāman- n. ‘Schritt’) mit βηματίζομαι ‘ausschreiten’ (hell.) und βηματιστής m. (Olympia IVa, Ath.); ferner βηλός (βᾱλός) m. ‘Schwelle’ (Il., A. u. a.), βηλά n. pl. = πέδιλα (Panyas.); zum Suffix Chantraine Formation 240. Außerdem -βήτης, -ου m. in Zusammenbildungen wie ἐμπυριβή-της (τρίπους) ‘über dem Feuer stehend’ (Ψ 702); auch in διαβή-της m. ‘Zirkel, Bleiwaage usw.’ (Ar., Pl. u. a.; von διαβῆναι) usw., s. Fraenkel Nom. ag. 1, 33f.; vgl. noch ἀμφισβητέω. Das Jotpräsens βαίνω ist mit lat. venio identisch (zur Bedeutung ‘gehen’ und ‘kommen’ vgl. Porzig Satzinhalte 330f.); ebenso entsprechen einander die sḱ-Präsentia βάσκε und aind. gácchati ‘er geht’ (wozu noch lit. gìmstu ‘geboren werden’, falls mit Leumann IF 58, 120 -stu aus idg. -sḱō; zur Bed. unten; unsicher dagegen toch. A kumsam ‘ich komme’, 3. pl. kumseñc; wegen 3. sg. kumnäṣ usw. wohl aus -na-sḱ- mit Wegfall des n zwischen m und s; vgl. Pedersen Tocharisch 170). In beiden Fällen liegt Tiefstufe der Wz. gem- vor mit sekundärem Übergang von -m in -n; darüber Schwyzer 309. Die Hochstufe erscheint z. B. in got. qiman ‘kommen’, aind. -gam-am ‘ich ging’ (Aor.), wahrscheinlich auch in lit. gemù ‘geboren werden’, falls eig. ‘(zur Welt) kommen’; zur Bed. außer Leumann a. a. O. noch Porzig Gliederung 209; hierher somit auch ἐβάθη· ἐγεννήθη H.? — Unter den hierhergehörigen Nomina ist alt βάσις = aind. gáti-, beide vorwiegend in Komposita gebraucht wie die entsprechenden Bildungen im Lat. (z. B. con-ventio) und Germ. (z. B. got. ga-qumþs). Alt ebenfalls -βατος = aind. (-)gata-, lat. -ventus. Das reduplizierte βίβημι hat ein genaues Gegenstück in aind. jígāti ‘er geht’; ebenso stimmt der Aor. ἔβην völlig zu aind. -gā-m ‘ich ging’; das Nomen βῆμα zu aw. gā-man- n. ‘Schritt’. — Wie sich die idg. Wurzelformen gem- und g- zueinander verhalten, ist unklar; wahrscheinlich liegen uralte Kreuzungen vor. An g- erinnert, gewiß nicht zufällig, die bedeutungsverwandten drā- (s. ἀποδιδράσκω) und sthā- (s. ἴστημι); vgl. dazu WP. 1, 678. Näheres über diese sehr weitverzweigte Wortsippe WP. l. c., Pok. 463ff., außerdem Ernout-Meillet und W.-Hofmann s. veniō. Vgl. noch βέβαιος, βέβηλος, βωμός, βαστάζω, βητάρμων. I-209-210

βαιός Hom. dafür ἠβαιός; s. d. ‘klein, gering’ (ion. poet.); Davon βαιών, -όνος m. N. eines kleinen Fisches = βλέννος (Epich.), vgl. Strömberg Fischnamen 32, Chantraine Étrennes Benveniste 10; im Sinn von ‘μέτρον παρὰΑλεξανδρεῦσι’ (H.) falsch für βάϊον, s. βάϊς. — Unerklärt. I-210

βάϊς, -ιν βάϊον (βάϊν) n. ‘ds.’, auch ‘Meß-stange’ (Ev. Jo., Pap.). f. ‘Palmblatt’ (LXX, Pap.), Davon Adj. βάϊνος (Sm.) ‘aus Palmblatt’, βαΐνη f. ‘Palmzweig’ (LXX). — Aus kopt. bai; vgl. Schwyzer 582. I-210

βαίτη f. ‘(Ziegen)fell, Rock oder Zelt aus Fell’ (Hdt., Sophr., Theok. usw.), auch übertr. ‘warme Stube einer Thermenanlage’ (Magnesia, Mantinea; vgl. v. Wilamowitz Hermes 35, 540 A. 2). Davon βαίτωνα· τὸν εὐτελῆ ἄνδρα und βαιτάς· εὐτελὴς γυνή H. Dagegen βαίτιον· βοτάνη ἐμφερὴς δικτάμνῳ, ἤγουν γλήχωνι H. aus βλίτιον entstellt, s. βλίτον. — Aus βαίτη stammt nach Thumb Zeitschr. f. d. Wortf. 7, 261ff. got. paidaχιτών’ und andere germ. Wörter, ahd. pfeit f. ‘Hemd, Rock’ usw.; aus dem Germ. finn. paita ‘Hemd’. Hierher wahrscheinlich auch (mit k-Suffix) alb. petkë ‘Gewand’. Herkunft sonst unbekannt. — Ältere Lit. bei Bq, WP. 2, 104, Pok. 92f.; außerdem noch Pisani Sprache 1, 138 und (mit einer sehr fraglichen idg. Etymologie) Krogmann KZ 71, 121ff. I-210-211

βαίτυλος m. Art (magischer) Stein (Sotakos von Karystos bei Plin. N. H. 37, 135), der nach Dam. Isid. 94, 203 vom Himmel fiel, nach H. u. a. von Kronos verschlungen wurde; auch N. eines Gottes (Syrien). Dem. βαιτύλιον (Dam. u. a.). — Herkunft unbekannt. Nach Zuntz Class. et Mediaeval. 8, 169ff. (wo ausführlich über die Quellen) mediterranes Fremdwort, woraus vielleicht auch sem. bethel als Gottesname. I-211

βάκανον n. ‘Kohl’ (PFay.), auch ‘Kohlsame’ (Mediz.). Dem. βακάνιον (POsl.). — Zum Suffix vgl. λάχανον und andere Pflanzennamen bei Chantraine Formation 199. Sonst unerklärt. I-211

βάκηλος m. ‘Verschnittener, Eunuch im Dienst der Kybele, weibischer Mann’ (Kom., Luk. u. a.). — Unerklärt; vgl. κάβηλος und κάληβος in ähnlicher Bedeutung. Nach E. Maaß RhM 74, 472ff. und Nehring Sprache 1, 165 liegt Metathese vor; anders Kretschmer Glotta 16, 192. — Zur Bedeutung noch Lucas RhM 88, 189f. I-211

βάκκαρις, -ιδος, -ιν ‘Salbe aus der Asarumpflanze’ (ion., Kom. u. a.). Auch βάκκαρ n. = ἄσαρον (Plin.). Daneben βάκχαρι n. (Aret.) und βάκχαρ n. (Ps.-Dsk.). f. — Lydisches Wort nach Sch. A. Pers. 42; vgl. βάκκαρις· ... ἄλλοι δὲ μύρον Λυδόν H. — Vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 176 A. I-211

βακόν · πεσόν. Κρῆτες H. — Von Bechtel Dial. 2, 782 im Anschluß an Fick BB 29, 196 zu einem Verb *βά̄κω, Aor. *ἔβᾰκον ‘wuchtig sein’ und zu βάκτρον (s. βακτηρία) gezogen; vgl. noch βάκται· ἰσχυροί H. Zur Bedeutung vgl. σκήπτειν ‘stützen, aufstemmen’, aber auch ‘niederstürzen’. — Vgl. zu ἀβακής und βακτηρία. I-211

βακτηρία ‘Stab, Stock, Szepter (als Wahrzeichen der Richter)’ (att., Arist. usw.). Daneben die vereinzelt belegten βακτήριον (Ar., Men.), βακτηρίδιον (H.), βακτηρίς, -ίδος f. (Achae. [?]). — Eine andere Bildung ist βάκτρον n. ‘Stock, Knüppel’ (A. und E. in lyr., Theok.). f. Davon βακτρεύω ‘stützen’ (Arg. metr. in S. OC) mit βάκτρευμα (E. Ph. 1539 [lyr.]), falls nicht direkt von βάκτρον, vgl. Chantraine Formation 186f. — βακτηρεύω (Suid.) ist von βακτηρία beeinflußt. — βακτηρία ist eigentlich eine Abstraktbildung von *βακτήρ, das neben βάκτρον steht wie ἀροτήρ neben ἄροτρον. Eine andere Ableitung desselben Wurzelelementes ist in βάκται· ἰσχυροί H. vermutet worden. Das zugrundeliegende Verb vielleicht im Partizip βακόν, s. d. — Aus dem Latein gehört hierher baculum ‘Stab, Stock’, wohl aus *bak-tlo-m (anders Pisani REIE 3, 53: aus *ba-tlo-m durch osk.-umbr. Vermittlung); aus baculum wiederum als LW βάκλον ‘Stock, Keule’ (Aesop. u. a.) mit βακλίζω ‘prügeln’ (Pap.), ebenso (als Rückbildung) air. bacc ‘Haken, Krummstab’ usw. Dagegen sind die aus dem Germanischen und Baltischen herangezogenen Wörter (s. z. B. Pok. 93) von sehr zweifelhaftem Wert. I-211-212

Βάκχος m. N. des Dionysos und seiner Diener, auch des Zweiges, den die dem Gotte Geweihten tragen (Xenoph., S., E. usw.). Davon Βάκχη f. ‘Bacchantin’ (A., S., E. usw.), βακχεύω, Βακχεύς, Βακχεῖος und mehrere andere Ableitungen (vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς par. 71), wie das Grundwort vorwiegend poetisch. Zu βακχάω (von Βάκχος, A.) s. Schwyzer 726 A. 2. — Fremdwort unbekannter Herkunft. Mit Βάκχος hängt irgendwie zusammen lyd. Baki- in Bakivalis = Διονυσικλέους, wohl eher Entlehnung aus dem Griechischen als (mit v. Wilamowitz Glaube 2, 63) umgekehrt. Nach v. Windekens Beitr. z. Namenforschung 4, 125ff. zu βαβαί, βαβάκτης usw. I-212

βάκχυλος m. = ἄρτος σποδίτης (Nik. Fr. 121). Nach H. eleisch. — Unerklärt. I-212

βάλαγρος N. eines Süßwasserfisches, wahrsch. eine Karpfenart (Arist.). Andere Formen sind: βάλερος, βαλῖνος (βαρῖνος), βαλλιρός (Arist.). m. — Herkunft unbekannt. Vgl. Thompson Fishes s. v., Strömberg Fischnamen 39. Eine sehr unsichere Vermutung bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 49 A. 2. I-212

βαλανεῖον n. ‘Badstube, warmes Bad’ (Ar., Thphr. usw.). Dem. βαλανίδιον (Pap.). — Daneben entweder als Grundwort oder wohl eher durch retrograde Ableitung (κναφεῖον : κναφεύς usw.) βαλανεύς m. ‘Bader’ (Ar., Pl. usw.) mit βαλανεύω ‘ein Bad aufwärmen, Bader sein’ (Kom.) und βαλανευτής ‘Bader’ (Pap.), βαλανεύτρια (Poll., Lib.), βαλανευτικός (Pl., Pap.); außerdem βαλανίτης (-είτης, vgl. Redard Les noms grecs en -της 12, 38) ‘Bader’ (Plb.), βαλάνισσα (AP) und βαλανίς (Suid.) ‘Bäderin’, βαλανικός ‘zum Bad gehörig’ (Sch.). Für sich steht βαλανάριον n. ‘Badelaken’ od. ähnl. (Pap., Inschr.) mit dem lat. Suffix -ārium. — Unerklärt. Der auf Froehde bei Fick 1, 404 zurückgehende Vergleich mit aind. galana- ‘träufelnd, das Träufeln’ (Lex., Gramm.; von galati ‘herabträufeln’), der zunächst ein Nomen *βάλανος, -ον ‘Begießen, Guß’ (von βάλλω ‘(be)werfen’, okkas. ‘mit Wasser, Blut usw. bewerfen, bespritzen’) voraussetzt, ist aus verschiedenen Gründen sehr unwahrscheinlich. Erstens ist die Zusammenstellung von βάλλω mit galati sehr zweifelhaft (s. βάλλω); zweitens heißt βάλλω nur okkasionell und sekundär ‘bespritzen’; drittens erwartet man für die aus dem ägäischen Kulturkreis eingeführte Sitte des Badens in warmem Wasser keine auf vorgr. idg. Sprachgebrauch zurückgehende Benennung. Entweder ist also βαλανεῖον (und βαλανεύς) ägäisch wie ἀσάμινθος (s. d.), oder es ist im Griechischen selbst geschaffen. Die formal sich aufdrängende Anknüpfung an βάλανος ‘Eichel’ (mit allerhand technischen Nebenbedeutungen) bleibt aber semantisch zu begründen; ob von βάλανος = ‘Verschluß-Zapfen’, woraus βαλανεῖον eig. *‘verschlossener Raum’?? — Aus βαλανεῖον stammt lat. bal(i)neum. I-212-213

βάλανος f. ‘Eichel, eichelformige Frucht, Dattel’, übertr. von verschiedenen eichelförmigen Gegenständen, z. B. ‘Verschluß-Zapfen’, auch Fischname (seit Od.). Zahlreiche Ableitungen, die sich z. T. an die technischen Sonderbedeutungen von βάλανος anlehnen. Substantiva: βαλάνιον ‘Eicheltrank’ (Nikoch.), ‘Stuhlzäpfchen’ (Mediz.), βαλανίς ‘Pflock, Pfropfen’ (Hp., Pap.), βαλανίτης (λίθος) ‘eichelförmiger Stein’ (Plin.), -ῖτις ‘Kastanienart’, vgl. Redard Les noms grec en -της 53 und 70. Adjektiva: βαλανωτός ‘mit einem Pflock befestigt, mit Eicheln geschmückt’ (Parm., X., Ath.), βαλανώδης ‘eichelähnlich’ (Thphr.), βαλάνινος ‘aus Datteln gemacht, dattelfarbig’ (Thphr., Pap.), βαλανηρός ‘eichelähnlich’ (Thphr.). Verba: 1. βαλανίζω ‘Eicheln abschütteln’ (AP, Zen.), ‘ein Stuhlzäpfchen anbringen’ (Hp.) mit βαλανισμός (Hp., Zen.) und βαλάνισις (Gloss.); 2. βαλανόω ‘mit einem Pflock befestigen, zuriegeln’ (Ar.); von diesem Verb in einer verschiedenen Bedeutung oder direkt vom Nomen (vgl. Chantraine Formation 279) βαλάνω[σις] ‘das Recht, Eicheln einzusammeln’ (IG 5 [2] 456, Megalopolis). — Erbwort mit Verwandten in mehreren anderen Sprachen. Am nächsten kommt arm. kaɫin, Gen. kaɫnoy ‘Eichel’ mit eno-Suffix gegenüber -n̥no- (-əno-) in βάλανος; ablautende und mit Dental erweiterte Formen liegen vor in lat. glans, -ndis, russ.-ksl. želudь (aus *zelǫdь), alb. lênd m., tosk. lëndë f. ‘Eichel’. Eine ganz abweichende Bildung dagegen im Baltischen, z. B. lit. gìlė aus *gilii̯ā ‘Eichel’. Einzelheiten bei Pok. 472f. mit weiterer Lit.; außerdem Dumézil BSL 40, 53, Manu Lang. 17, 21. — Nach Specht KZ 66, 74 (mit Curtius Grundz. 475) gehören βάλανος und verwandte Wörter zur Sippe von βάλλω als "die herabgefallene Frucht"; sehr hypothetisch. I-213

βάλαρις, auch βάλλαρις Pflanzenname = βρύον, λυχνίς (Ps.-Dsk.), ‘βοτάνη τρίφυλλος’ (H.). — Unerklärt. I-213

βαλαύστιον n. ‘Blume des wilden Granatapfels’ (Dsk., Gal., Pap.). Davon βαλαύστινος, βαλαύστρινος (Pap.). — Unerklärt. I-214

βαλβίς, -ῖδος f. ‘Start- und Zielschnur, -strick, -pfahl’ (att.), übertr. ‘Brunnenloch’ (Gal.), wovon βαλβιδώδης ‘mit Aushöhlungen versehen’ (Hp.); vgl. zur Bedeutung Wendel Herm. 69, 345. — Bildung auf -ίς wie κρηπίς, κνημίς u. a., aber sonst dunkel. Als technischer Terminus gewiß LW. Nach Grošelj Živa Ant. 4, 164ff. vorgriechisch (zu Δελφοί usw.). I-214

βάλε Interj. m. Opt. ‘o daß doch!’ (Alkm., Kall.); auch ἄβαλε (ἆ βάλε) m. Ind. und Inf. (Kall. u. andere). — Wahrscheinlich nach P. Diels KZ 43, 190ff., Kretschmer Glotta 3, 162 (s. auch Debrunner GGA 1910, 15) Ipv. Aor. von βάλλω und mit der litauischen Permissivpartikel te-gùl identisch. I-214

βαλιός ‘weißgefleckt, scheckig’ (E. in lyr., AP), ‘schnell’ (Opp. u. a.; nach Vorbild von ἀργός). Mit verschobenem Akzent (Schwyzer 380, 635) Βαλίος als Name des Pferdes Achills (Il.). Davon wohl βαλία· ὀφθαλμία H. — Vgl. zur Bildung πολιός und andere Farbenadjektiva auf -ι(ϝ)ός (Schwyzer 472, Chantraine Formation 123); sonst dunkel. Wegen des im Indog. sehr seltenen b-Lautes hat man wiederholt fremden Ursprung vermutet; so Solmsen KZ 34, 72ff. (thrakisch), Pok. 118 und Grošelj Živa Ant. 3, 203 (illyrisch), v. Windekens Le Pélasgique 75f. mit Georgiev (pelasgisch), Schwyzer 68 A. 3 (makedonisch?). — Unwahrscheinliche idg. Etymologie bei Schulze Kl. Schr. 117. Anknüpfung an βάλλω (Bq, WP. 1, 691) ist schwer semantisch zu rechtfertigen. I-214

βαλίς = σίκυς ἄργιος (Ps.-Dsk.). Davon βαλιδικά (κάρυα; Pap.). — Zum βαλιός? I-214

βαλλάντιον (besser beglaubigt als βαλάντιον, s. Blaß-Debrunner7 par. 11 A. 2) n. ‘Beutel, Geldbeutel’ (Kom., Thphr. usw.). Dem. βαλλαντίδιον (Eup., Hld.). — Nicht sicher gedeutet; nach Krahe (briefl.) nordbalkanisch, zu lat. follis usw. Vgl. βαλλίον. I-214

βάλλεκα · ψῆφον H. — Von Schmidt ad loc. mit lat. (iber.) bal(l)ūca ‘Goldsand, Goldkörner’ verglichen; s. auch W.-Hofmann s. balūx und Belardi Doxa 3, 198 m. Lit. I-214

βαλ(λ)ήν, -ῆνος m. ‘König’ (A. Pers. 657 [lyr.], S. Fr. 515 [lyr.] u. a.), auch N. eines mythischen Steins (Ps.-Plu.). Davon βαλληναῖον (ὄρος) = βασιλικὸν ὄ. — Unerklärt. Nach H. u. a. phrygisch. Von Fick (s. Solmsen Wortforsch. 138f.) zu lat. dēbilis usw. gezogen. Jedenfalls kleinasiatisch; vgl. Solmsen a. a. O. und W.-Hofmann s. dēbilis mit weiterer Lit. Abzulehnen v. Windekens Le Muséon 61, 280 (zu toch. A wäl, B walo ‘König’). Man könnte an aram. balēna ‘unser Herr’ denken. I-214

βαλλητύς f. Name eines Volksfestes in Eleusis, bei dem nach Ath. 9, 406 dff. Steine geworfen wurden; nach H. = ἑορτὴΑθήνησιν, ἐπὶΔημοφῶντι τῷ Κελεοῦ ἀγομένη. Vgl. auch L. Deubner Attische Feste 69. — Wegen der schwerverständlichen Stammform (trotz des Futurums βαλλή-σω; vgl. βέλε-μνα, βλῆ-μα) verdächtig, ein volksetymologisch angepaßtes LW zu sein; vgl. Schwyzer 291. S. auch Benveniste Noms d’agent 73. I-215

βαλλίζω = βάλλω (Sophr.), auch = κωμάζω, χορεύω (Ath. u. a.), aus Sizilien und Magna Graecia bekannt (Ath. 8, 362bf.). Davon βαλλισμός ‘Tanz’ (Alex., Ath.) und βαλλιστής, woraus lat. ballista ‘Schleudermaschine’ (seit Plaut.); βαλλίστρα ‘ds.’ (Prokop.). — Erweiterung von βάλλω; zu der nicht ganz klaren Bedeutungsentwicklung s. Paessens RhM 90, 146ff. und Radermacher ebd. 91, 52ff. mit weiterer Lit. Lat. ballāre ‘tanzen’ kann wegen der abweichenden Form schwerlich direkt aus βαλλίζω entlehnt sein. — Die Zusammenstellung mit dem aind. ἅπ. λεγ. (ŚB) balbalīti ‘wirbelt’ (Wackernagel Ai. Gramm. 1, 181) ist aufzugeben. I-215

βαλλίον n. ‘φαλλός’ (Herod.). Davon Βαλλίων EN (Axionik.), lat. Ballio (Pt.); auch der thrak. Volksname Τρι-βαλλοί? — Falls βαλλίον, wie ansprechend vermutet worden ist, zu der Sippe von φαλλός gehört, muß es einer anderen indog. Sprache (dem Thrak.-Phrygischen?) angehören. Vgl. Bechtel Dial. 3, 286, Wahrmann Glotta 19, 162. Hierher vielleicht auch βά(μ)βαλοναἰδοῖον’, s. d. I-215

βάλλις, -εως f. Pflanze mit wunderbaren mediz. Eigenschaften (Xanth. 16). — Dunkel. Vgl. die anklingenden Pflanzennamen βάλ(λ)αρις, βαλλωτή. I-215

βάλλω, Aor. βαλεῖν, Perf. βέβληκα, Fut. βαλῶ, auch βαλλήσω (vgl. zu βαλλητύς) ‘werfen, treffen’ (seit Il.). Ark. δέλλω in ἐσ-δέλλω = ἐκ-βάλλω, auch ζέλλω (EM, vgl. unten). Zahlreiche gebräuchliche Komposita: ἀνα-, ἀπο-, ἐμ-, ἐκ-βάλλω usw. mit mehreren Ableitungen. — Davon viele Nomina, vorw. actionis od. instrumenti: 1. βόλος m. ‘das Werfen (eines Fischernetzes), Zugnetz, Zug’ (vorw. poet. seit A.); in Komposita (auch Prosa), z. B. πρόβολος m. ‘Vorsprung’ usw. (seit Od.) zu προβάλλω; vgl. Leroy Mélanges Boisacq 2, 101f. — 2. βολή f. ‘das Werfen, der Wurf’, von Wurfwaffen, vom Donnerkeil, von den Sonnenstrahlen usw. (vorw. poet. seit Il.); zahlreiche Ableitungen von Komposita, die auch der Prosa angehören. — Von βόλος und βολή: βολίς, -ίδος ‘Wurfgeschoß, Würfelfall, Würfel’ (LXX, Plu., AP), auch ‘Senkblei’ (Sch.), wovon βολίδιον (Olymp.), aber in dieser Bedeutung vielmehr postverbal zu βολίζω ‘(das Senkblei) auswerfen’ (Act. Ap. 27, 28, Eust.), Pass. ‘ins Wasser sinken’ I 216(Gp.); βόλιμος ‘verschoben, vertagt’ (Gonni, Chios), vorw. zu Komposita: ἀνα-, ἐκ-, ἐμ-βόλιμος usw., s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 60f., 52, 55ff.; βολεός (λίθος) ‘zusammengeworfen’ (Inschr.); βολεών m. ‘Düngerhaufen’ (Din., Nik. u. a.), vgl. κοπρών und andere Nomina auf -(ε)ών bei Schwyzer 488, Chantraine Formation 164; βολιστικός ‘für das Zugnetz bestimmt’ (Plu.). — 3. βέλος n. ‘Wurfgeschoß’, bes. ‘Pfeil, Wurfspieß’, auch ‘Waffe’ im allg. (seit Il.); davon τὰ βελικά (Ath. Mech.); vgl. indessen auch βελόνη. — 4. βέλεμνα n. pl. von *βέλεμα (vgl. βλῆμα unten), sek. sg. βέλεμνον ‘Pfeil, Wurfspieß’ (poet. seit Il.). — 5. -βλής zu Komposita, z. B. προβλής, -ῆτος ‘vorspringend, Vorsprung’ (seit Il.) von προβάλλω. — 6. βλῆμα (für *βέλεμα, Specht KZ 63, 207ff.) ‘Wurf, Wurfgeschoß, Wunde’; zahlreiche Ableitungen von Komposita, z. B. πρόβλημα ‘Vorsprung, Schutzwehr, Problem usw.’ (ion. att.). — 7. -βλησις nur vereinzelt zu Komposita, z. B. ἀνάβλησις ‘Aufschub’ (seit Il.). — 8. -βληστρον (mit unklarem σ, vgl. Chantraine Formation 334, Schwyzer 706) in ἀμφίβληστρον ‘Zugnetz usw.’ (Hes., Hdt., A. usw.); vom Simplex βληστρίζω ‘heftig werfen, schütteln’ (Hp., Xenoph. u. a.) mit βληστρισμός (Hp.). — 9. -βληθρον in τὰ ἔμβληθρα ‘Verladekosten’ (Pap.), vgl. Schwyzer 532 A. 4. — 10. βαλλητύς und 11. βλῆτρον s. bes. — 12. Für sich steht βολετισμός ‘das Angeln’ (Orac. in Ath. Mitt. 25, 399) von *βολετίζω, das (über *βολετός?) auf βόλος zurückzugehen scheint. — Die Nomina agentis sind dagegen selten. Vom Simplex nur βλήτειρα ὀιστῶν (Alex. Aet.); zu den Komposita treten, fast ausschließlich seit hellenistischer Zeit (μεταβολεύς D.), Nomina auf -ευς, z. B. ἀμφιβολεύς, auf; außerdem διαβλήτωρ (Man.) = διάβολος. Als Hinterglied endlich eine Bildung auf -έτης in der Zusammenbildung ἑκατηβελέ-της (Il. usw.) = ἑκατηβόλος. — Adjektiva: Zu den Komposita Bildungen auf -βλητικός und -βλήσιμος; Adverbia auf -δην, z. B. παραβλήδην (Il. usw.). — Als Deverbativum wird allgemein βολέω angesetzt auf Grund der epischen Perfektformen βεβολήατο, βεβολημένος usw.; kaum notwendig, s. Frisk Eranos 40, 86f., außerdem Chantraine Gramm. hom. 1, 435, Shipp Studies 43f. — Zum epischen Gebrauch von βάλλω nebst Ableitungen s. Trümpy Fachausdrücke 104ff., Porzig Satzinhalte 112f. — Ion. att. βάλλω und ark. δέλλω (mit sekundärer Assibilation ζέλλω) repräsentieren verschiedene Ablautstufen eines Verbs, das wegen des wechselnden Anlautes einen ursprünglichen Labiovelar g- enthalten hat. Die Geminata -λλ- erklärt sich entweder aus einem Jotpräsens *βαλ-ιω (z. B. Brugmann-Thumb 347) oder, vielleicht besser, aus einem (ursprünglich athematischen) Nasalpräsens *βαλ-ν-ə-ω, athem. *βάλ-ν-η-μι (Specht KZ 59, 98, Wackernagel-Debrunner KZ 67, 159f.); die dafür angeführten Gründe sind allerdings nicht zwingend. Auf jeden Fall ist die von βάλλω repräsentierte Schwundstufe als alt zu betrachten; das hochstufige δέλλω (ζέλλω) stammt aus dem Aorist ἔζελεν· ἔβαλεν H., der, wie z. B. ἔτεμε, eigentlich athematisch war (Specht a. a. O.). Das neben βαλ-, δελ- (durch Analogie βελ-) stehende βλη- in βέ-βλη-κα usw., das auf eine zweisilbige Wurzel schließen läßt (vgl. noch βέλε-μνα), hat ein genaues Gegenstück in aw. ni-γrā-ire ‘sie werden niedergeschleudert’; in Betracht kommt auch toch. A B klā- ‘fallen’. Die zweisilbige Wurzel wird durch aind. ud-gūrṇa- ‘emporgehoben’ (Schwundstufe wie in pūrṇá- ‘voll’ gegenüber πλή-ρης) bestätigt, s. Wackernagel-Debrunner a. a. O., wo auch andere aind. Formen besprochen werden. — Sehr unsicher ist dagegen, ob aind. galati ‘herabtröpfeln’, ahd. quellan ‘hervorquellen’ usw. (s. Bq s. βάλλω, WP. 1, 690f., Pok. 472f.; vgl. auch zu βλύζω) hierhergehören; darüber Wackernagel-Debrunner a. a. O.; außerdem Fraenkel KZ 71, 39 (gegen Verbindung mit lit. gulė́ti ‘liegen’). Weitere Lit. bei Schwyzer 693 A. 9. — Vgl. noch βούλομαι, βάλανος, βελόνη, βῶλος, βωλόναι. I-216-217

βαλλωτή f. Pflanzenname, ‘Ballota nigra’ (Dsk.). — Unerklärt. Vgl. die ähnlichen βάλ(λ)αρις, βάλλις und Strömberg Pflanzennamen 151. I-217

βαλμός · στῆθος H. — Unerklärt. Nach Grošelj Živa Ant. 3, 196 vorgriechisch. Zum Suffix vgl. λαιμός und andere Körperteilnamen. I-217

βάλσαμον n. ‘Balsamstrauch, duftendes Öl davon, Balsam’ (Arist., Thphr. usw.). Ableitungen: βαλσαμίνηβούφθαλμον’ (Ps.-Dsk.), ‘ὀποβάλσαμον’ (Plin.); zur Bildung Strömberg Wortstudien 38; — βαλσαμῶδες n. ‘κασία-ähnliche Rinde’ (Plin.). — Aus dem Semitischen entlehnt; vgl. hebr. bāśām, arab. bašām ‘Balsamstrauch’ und Lewy Fremdw. 41. Zu den fremden Pflanzennamen auf -αμον, -αμος s. Schwyzer 494, Chantraine Formation 133. I-217

βαμβαίνω ‘mit den Zähnen klappern, stottern’ (Κ 375, Bion, AP). — Onomatopoetisches Intensivum. Ähnliche Bildungen in ähnlichen Bedeutungen: βαμβακύζω (Hippon.), βαμβαλύζω (Phryn., H.); vgl. γογγύζω u. a.; außerdem βαμβαλεῖν H. und βαμβαλιαστύς, schwach bezeugte v. l. h. Ap. 162 für κρεμβαλιαστύς; s. Weber RhM 82, 193 A. 2. — Vgl. zu βαβάζειν, βάβαλον. — Die Deutung ‘taumeln’ (z. B. Schwyzer 647, zu βαίνω) ist wenig glaubhaft. I-217

βαμβραδών, -όνος f. Art Sprotte (Epich., Sophr.). — Vgl. die synonymen βεμβράς, μεμβράς. Vielleicht nach der Lautgebung benannt und mit βαμβρασμός· καχλασμός; βαμβράσσει· ὀργίζεται (Kyr.) verwandt; ausführlich über dieses Benennungsprinzip Strömberg Fischnamen 63ff. Zur Bildung vgl. Tiernamen wie τενθρηδών, τερηδών (Schwyzer 529f., Chantraine Formation 360f.). I-218

βάναυσος, -ον Adj. und Subst. m. ‘gewerbetreibend, Handwerker’; übertr. ‘gemein, niedrig’ (ion. att.). Davon βαναυσία ‘Handwerk, handwerksmäßige, niedrige Gesinnung’ (ion. att.), βαναυσικός (X., Arist.). — Unerklärt. Nach EM 187, 40 aus *βαύναυσος dissimiliert, von βαῦνος ‘Ofen’ und αὔω, was allerdings zu H.s Erklärung von βαναυσία, βάναυσος gut stimmt (βαναυσία· πᾶσα τέχνη διὰ πυρός. κυρίως δὲ ἡ περὶ τὰς καμίνους. καὶ πᾶς τεχνίτης χαλκεὺς ἤ χρυσοχόος βάναυσος), aber trotzdem nach Volksetymologie schmeckt. Nach Brugmann RhM 62, 634ff. aus *μάναυσος dissimiliert, zu μαναύεται· παρέλκεται H. und weiterhin zu μανός. Semantisch wenig befriedigend. — S. auch die Kritik anderer Ansichten bei Kretschmer Glotta 21, 178. I-218

βανωτός m. ‘Art Geschirr, das als Maß gebraucht wird’ (Pap. IIIa, Kallix.). Demin. βανώτιον (Pap.). — Zum Ausgang vgl. das bedeutungsverwandte κιβωτός; sonst dunkel, offenbar (ägyptisches?) Fremdwort. I-218

βάπτω, Aor. βάψαι ‘tauchen, eintauchen’, bes. ‘durch Eintauchen härten, färben’ (seit Od.). Viele Ableitungen: 1. βαφή ‘das Eintauchen, Stählung, das Färben, Farbe’ (ion. att.) mit βαφικός ‘zum Färben gehörend, geeignet’ (Ph., Luk. usw.); 2. βάμμα ‘Farbe, Brühe’ (Pl., Arist., Nik. u. a.); 3. βάψις ‘Stählung, Färben’ (Antiph. Soph., Perikt.). — Nomina agentis: βαφεύς ‘Färber’ (Pl. usw.), wohl zunächst von βαφή, vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς par. 133, mit βαφεῖον ‘Färberei’ (Str., Pap.); βάπτης m. ‘Eintaucher, Bader’ (Eup.), auch N. eines Edelsteins (Plin.); fem. βάπτρια (Eup.). — Adj. βαπτικός (Sch. u. a.). — Die erweiterte Verbform βαπτίζω ‘(ein)tauchen, taufen’ (Hp., Pl., hell. u. spät) trat an die Stelle von βάπτω, weil dies fast ausschließlich übertragen = ‘färben’ benutzt wurde. Davon die spät belegten Nomina: βαπτισμός, βάπτισμα, βάπτισις ‘Taufe’, βαπτιστής ‘Täufer’. Durch Metathese daraus βιπτάζω (Epich., Sophr.), vgl. Solmsen Unt. 44, Schwyzer 268. — βάπτω wird allgemein als altes Jotpräsens mit awno. kvefja ‘niederdrücken, untertauchen, ersticken’ (wozu aschwed. kvaf n. ‘Tiefe’ u. a.) gleichgesetzt. Die Nebenform βύπτειν· βαπτίζειν H. wird daher von Schwyzer RhM 81, 202 als eine andere Form der Schwundstufe (vgl. γυνή gegenüber βανά; s. auch zu βῆσσα und βαθύς) beurteilt. Aber abgesehen davon, daß man eher *γύπτειν erwartet hätte, erklärt sich βύπτειν unschwer als eine Neubildung nach δύπτειν (s. δύω) oder vielleicht noch besser nach dem gewöhnlichen und bedeutungsverwandten κύπτειν. — Weitere, sehr unsichere oder entschieden abzulehnende Kombinationen bei Bq, WP. 1, 674, Pok. 465f. I-218-219

βάραθρον, ep. ion. βέρεθρον (äol. Form?, Chantraine Gramm. hom. 1, 114), woraus über *βέρθρον (nach Kretschmers Regel) durch Dissimilation βέθρον (Krates), ark. ζέρεθρον (für δ-; vgl. ζέλλω = δέλλω s. βάλλω) n. ‘Schlund, Abgrund’, bes. der Felsenschlund βάραθρον in Athen. Davon βαραθρώδης ‘voll von Abgründen’ (Str., Ph., Plu.). — Verbalnomen zu βιβρώσκω (s. d.) ‘verschlingen, verzehren’. — Vermutungen zum Vokalwechsel βερε- : βαρα- bei Specht KZ 59, 117 (urspr. βέρεθρον, pl. *βαραθρά?), Borgström NTS 16, 142f. — Über sehr fragliche illyrische Verwandte s. die kritischen Bemerkungen von Krahe IF 58, 220. S. außer βιβρώσκω auch βορά. I-219

βάρακος · ἰχθὺς ποιός H., auch (als N. eines Süßwasserfisches) in einer böot. Inschrift; daneben βαρκαῖος (Theognost.). — Unerklärt; vgl. Thompson Fishes s. v., Lacroix Mélanges Boisacq 2, 52. I-219

βάραξ, -κος (Epil.), βήρηξ (Ath. usw.), H. auch βήραξ; πάραξ (Test. Epict.) m. Bezeichnung eines Gebäcks. — "Der schwankende Anlaut läßt auf fremden Ursprung schließen" (Bechtel Dial. 2, 368). Nach Grošelj Živa Ant. 3, 197 wahrscheinlich illyrisch und mit lat. fermentum ‘Gärung, Sauerteig’, nhd. Brot verwandt. Vgl. βάρηκες. I-219

βάρβαρος, -ον Subst. m. und Adj. ‘Ausländer, ausländisch, Nicht-Grieche, ungriechisch’, auch ‘ungebildet, roh’ (ion. att., bei Homer im Komp. βαρβαρόφωνος, von den Karern Β 867). Ableitungen: βαρβαρικός ‘ausländisch, fremd’ (Simon., Th., X., Arist. usw.) mit βαρβαρίκιον N. eines Kleidungsstückes (Pap.); βαρβαρώδης (Sch., Tz.). — Denominative Verba: 1. βαρβαρίζω ‘sich auf Barbarenweise betragen’, bes. in bezug auf die Rede, ‘es mit den B., d. h. den Persern halten’ (Hdt., X., Arist., hell.) mit βαρβαρισμός ‘der Gebrauch fremder Sprache und Sitte, Sprachfehler’ (Arist., hell.) und dem Adv. βαρβαριστί ‘in barbarischer Weise, Sprache’ (Ar., Plu. u. a.). 2. βαρβαρόομαι ‘zum Barbaren werden, verwildern’ (S., E. u. a.). — Onomatopoetische Reduplikationsbildung, mit aind. (nachved.) barbara- ‘stammelnd’, pl. Bez. nichtarischer Völker, identisch. Ebenso sumer. barbar ‘Ausländer’, sem.-babyl. barbaru ‘der Fremde’. Nach Weidner Glotta 4, 303f., Specht KZ 66, 11 und Lexis 3, 70 stammen βάρβαρος und aind. barbara- aus babyl.-sumer. Quelle. Aus βάρβαρος lat. barbarus. Das Wort hat sich gewiß zuerst auf die Sprache bezogen, s. Specht a. a. O. (gegen Weidner) und Schwyzer 78 mit A. 5. — Über ähnliche Bildungen in anderen idg. Sprachen WP. 2, 105f., Pok. 91f. I-219-220

βάρβιτος f. oder m., ein lyraähnliches vielsaitiges Instrument (Pi., Anakr. usw.) mit dem Denominativum βαρβιτίζω (Ar.) und dem davon gebildeten βαρβιτιστής (Sch.). später auch -ον n. — Daneben βάρμιτος (EM 188, 21, als äolisch bezeichnet; vielleicht die ursprünglichere Form, vgl. Bechtel Dial. 1, 118, Schwyzer 257), auch βάρμος (Phillis ap. Ath. 14, 636c; unsicher Alk. 143, 4 Reinach) und βάρωμος (Ath. 4, 182f., Euph.). — Fremdwort unbekannter (phrygischer?) Herkunft, s. Str. 10, 3, 17. Nach Grošelj Slavistična Revija 4, 250 zu φόρμιγξ (?). I-220

βαρδῆν · τὸ βιάζεσθαι γυναῖκας. ’Αμπρακιῶται H. — Nach v. Blumenthal IF 49, 178 f. als illyrisch zu idg. bher- ‘spalten’; nach Pisani RhM 97, 62 A. 14 ebenfalls illyrisch, aber zu idg. bher- ‘tragen’, lat. forda ‘trächtig, schwanger’. Bechtel Dial. 2, 282 zieht es dagegen als *ϝαρδῆν zu ἄρδαλος ‘Schmutz’. S. auch Latte z. St. mit Hinweis auf Pischel BB 7, 334, der aind. mr̥dnā́ti ‘zerreiben’ vergleicht (zum Lautlichen Schwyzer 277). — Alles hypothetisch. I-220

βάρηκες Nach EM 188, 37ff. = τὰ οὖλα τῶν ὀδόντων, σιαγόνες, τολύπη usw. Im Sinn von ‘τολύπη’ auch βάρακες H. — Wie βάραξ ‘Art Gebäck’ von Grošelj Živa Ant. 3, 197 zu lat. fermentum usw. gezogen (?). I-220

βᾶρις 1., -ιδος, -ιος f. ‘ägyptischer Nachen, eine Art Floß’ (Hdt., A. usw.). — Ägypt. Wort, vgl. kopt. barī ‘Nachen’. Aus βᾶρις lat. bāris, barca (< *bārica) ‘Barke’, vgl. W.-Hofmann s. v. Zur verstärkenden Form βούβαρις (Philist. 56) s. Chantraine Étrennes Benveniste 16. I-220

βᾶρις 2., -ιδος, -εως f. ‘Turm, Palast’ (LXX, J. u. a.). — Wahrscheinlich mit Krahe IF. 57, 116 aus dem Illyrischen mit aus au durch illyrische Monophthongisierung; vgl. βαυρία· οἰκία EM (aus dem Messapischen). Dazu mit anderem Ablaut βύριον, s. d. I-220

βαρί̄της m. N. eines Vogels (Dionys. Av. 3, 2). — Wohl von 2. βᾶρις; Redard Les noms grecs en -της 81 vergleicht fragend πυργίτης (Beiwort von στρουθός Gal. 6, 435). I-220

βάριχοι · ἄρνες H. S. ἀρήν. I-220

βαρνάμενος (att. und kork. Epigramm) — = μαρνάμενος (s. μάρναμαι), wohl durch Dissimilation (Kretschmer KZ 35, 605, Fraenkel Glotta 2, 37). Anders J. Schmidt Kritik d. Sonantentheorie 27 m. A. 1 und Schwyzer 277: aus idg. *(m)br̥-. I-221

βᾶρος m. oder -ον n. Art Gewürz (Mnesim. 4, 62). — Unerklärtes Fremdwort. I-221

βαρύες · δένδρα H. S. βορέας. I-221

βαρ<υ>κα · αἰδοῖον παρὰ Ταραντίνοις. καὶ περόνη H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 10f., Zeitschr. f. ON-forsch. 12, 65f. illyrisch-messapisch zu lat. feriō, forō, φάρυγξ usw.; die Bedeutungsentwicklung läßt sich verschieden auffassen. Zum Suffix vgl. lat. verrūca, festūca usw. I-221

βαρύς ‘schwer(wiegend)’, vom Ton ‘tief’ (seit Il.). Abstraktbildung βαρύτης, -ητος f. ‘Schwere, Wucht; Tiefe’ (att. hell.). Denominative Verba: 1. βαρύνω ‘beschweren, drücken, belästigen’, Med. ‘beschwert werden’ (seit Il.) mit βάρυνσις ‘Beschwerung’ (Artem., Plot.; zum Typus s. Holt Les noms d’action en -σις 136 m. A. 1) und βαρυντικός ‘beschwerend’ (Arist.); 2. βαρύθω ‘von der Schwere niedergedrückt sein’ (ep. vereinzelt seit Il.), nach μινύθω, φθινύθω usw. (Chantraine Gramm. hom. 1, 327); 3. βαρέω s. unten. — Eine Umbildung von βαρύς nach βριαρός ist, falls richtig überliefert, βαρύαρον· ἰσχυρόν, στερέμνιον H. — Neben βαρύς steht βάρος n. ‘Schwere, Last’, als Simplex erst Hdt. und A., als Hinterglied (χαλκο-, οἰνο-βαρής) schon Il.; es wurde nach Muster von anderen Wortpaaren (vgl. Porzig Satzinhalte 246f.) zu βαρύς neugebildet oder wenigstens im Vokalismus (für *βέρος, *δέρος, vgl. unten) danach umgeformt. Davon βαρύλλιον ‘Instrument um das Gewicht von Flüssigkeiten zu messen’ (Hero), wie ἔπος : ἐπύλλιον usw. (Leumann Glotta 32, 214ff. m. Lit.). — Das epische Partizip βεβαρηώς (οἴνῳ βεβαρηότες, -ότα γ 139, τ 122) geht von οἰνοβαρής (Α 225; daneben mit metrischer Verlängerung am Versende οἰνοβαρείων ι 374, κ 555) aus, wovon auch οἰνοβαρέω (Thgn.); daraus das mediale βεβαρημένος (Pl. usw.) und das athematische primäre βόρημαι (Sapph. Supp. 25, 17), endlich auch βαρέω (Hp. Morb., spät), vgl. K. Meister HK 175, Schwyzer 724; davon βάρησις (Iamb., Inschr. Thrakien). — Über ngr. βαρέω, auch ‘schlagen’, Hatzidakis Glotta 22, 132. — βαρύς ist mit aind. gurú-, aw. gouru-, got. kaúrus ‘schwer’ formal und semantisch identisch; nahe kommt, mit regelmäßigem Übergang in i-Stamm aber mit nicht ganz klarem Vokalismus, lat. gravis. Die Hochstufe liegt u. a. vor im aind. Komparativ gárīyān (gegenüber der Sekundärbildung βαρύτερος), die Schwundstufe u. a. in lett. grũts ‘schwer’ = osk.-lat. brūtus ‘ds.’; vgl. noch βριαρός, βρίθω (s. βρί). Näheres z. B. bei Pokorny 476f.; s. auch Fraenkel KZ 69, 77f. (über baltische Verwandte). I-221-222

βάσανος f. ‘Probierstein, Prüfung, Untersuchung (durch die Folter), Qual’ (Thgn., Pi., ion. att.), semantisch teilweise postverbal zu βασανίζω. Davon βασανίτης λίθος (H., Ptol., vgl. Redard Les noms grecs en -της 53). Denominatives Verb βασανίζω ‘an den Probierstein reiben, (die Echtheit) prüfen, foltern’ (ion. att.) mit βασινισμός ‘Folterung’ (Alex., Apok.), gewöhnlich von βάσανος ersetzt; βασανιστής m. ‘Untersucher, Folterer’, f. -ίστρια (Antipho, Ar. u. a.); βασανιστήριον ‘Folterkammer’ (Theopomp. Kom. usw.), τὰ βασανιστήρια ‘Folterinstrumente’ (Plu. u. a.); Adj. βασανιστήριος ‘zur Folterung dienend’ (J.). — Letzten Endes stammt βάσανος aus ägypt. baḫan, Bez. einer Schieferart, die von den Ägyptern als Prüfstein des Goldes verwendet wurde. Zu den Griechen kam das Wort u. a. durch lydische Vermittlung (βάσανος als Λυδία λίθος bezeichnet B. 22); der Wandel von in σ () ist unklar. Sethe BerlSb. 1933, 894ff.; vgl. Kretschmer Glotta 24, 90. — Bei Plin. 36, 58 wurde basaniten in basalten verschrieben, woraus Basalt und andere moderne Formen, s. Niedermann Mus. Helv. 2, 127f. I-222

βασιλεύς m. ‘König’, von den Perserkriegen an namentlich der Perserkönig, ‘Fürst, Herrscher’ (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen, darunter mehrere miteinander konkurrierende und einander ablösende Femininbildungen, alle von beschränktem Gebrauch, da der Begriff der Königin und der Fürstin vor dem des Königs und des Fürsten ganz zurücktritt: βασίλεια (aus *-ηϝ-ι̯ᾰ; Od., ion. poet.); βασιλίς (S., E., Pl.), auch als Adj., s. unten; βασιληΐς (Man., Epigr. Gr. 989, 3), als Adj. alt, s. unten; βασίλισσα (Inschr. Athen 337a, Kom. usw.; nach üblicher Annahme nach Κίλισσα, Φοίνισσα und anderen Bildungen zu ικ-Stämmen, die allerdings einer anderen sozialen Schicht angehören); βασίλιννα ‘Gattin des ἄρχων βασιλεύς in Athen’ (D., Men.; wie Κόριννα, Φίλιννα usw., wohl hypokoristisch, Schwyzer 491; anders Chantraine Formation 205); βασίλη (S. Fr. 210; Rückbildung aus βασίλεια nach Πηνελόπεια : Πηνελόπη?, Boßhardt Die Nomina auf -ευς 24). — Zwei Deminutiva: βασιλίσκος, auch übertr. als Schlangen-, Fischname usw. (Hp., hell. u. spät; vgl. Strömberg Fischnamen 91f.), βασιλίδιον (Plu.; vgl. Chantraine Formation 70). — Adjektiva: βασιλήϊος (Od., ion., äol., poet.), βασίλειος (att.); f. auch βασιληΐς (seit Il.), -λίς (E. usw.); n. substantiviert βασιλήϊον, βασίλειον, gew. pl. -ήϊα, -εια ‘königlicher Palast’ usw. (ion. att.); βασιλικός (Hdt., A. usw.), auch substantiviert in verschiedenen Ausdrücken. — Patronymikon: βασιλείδης ‘Prinz’ (Pl. Kriti. 116c). — Abstraktbildung: βασιληΐη, att. -εία ‘Königswürde, Königtum’ (Hdt. usw.) mit dem Desiderativum βασιλειάω ‘nach der Königswürde trachten’ (Kom. Adesp., J.). — Denominative Verba: βασιλεύω ‘König sein, herrschen’ (seit Il.) mit dem einmaligen Nom. agentis βασιλεύτωρ (Antim.; vgl. ἡγήτωρ); βασιλίζω ‘zur Partei des Königs gehören, der Königswürde nachstreben’ (Plu., J., App. u. a.) mit βασιλισταί N. einer kgl. Gilde (Inschr.). — Adv. βασιλίνδα Spielterminus (Poll.). — Ägäisch pa-si-re-u. — Außer βασιλεύς besitzt das Griechische noch zwei Wörter für ‘König, Herrscher’, das sicher altererbte κοίρανος (s. d.) und das unerklärte, wahrscheinlich fremde ἄναξ (s. d.). Von diesen ist βασιλεύς das jüngste, s. darüber Wackernagel Unt. 209ff. und Boßhardt Die Nomina auf -εύς 22ff. Die bis in die neueste Zeit (z. B. Thibau Revue Belge de phil. 25, 582ff., v. Windekens Le Pélasgique passim, Fraenkel Gnomon 22, 239) wiederholten Bemühungen, βασιλεύς aus dem Indog. herzuleiten, sind erfolglos geblieben. Auch die Versuche, an kleinasiatische und andere sprachlichen Elemente anzuknüpfen (Wackernagel und Boßhardt a. a. O., außerdem Kretschmer Glotta 10, 222, der an libyisch βάττος = βασιλεύς [Hdt. 4, 155] erinnert, und v. Windekens Le Muséon 61, 283ff. mit Lit. und willkürlichen eigenen Kombinationen), kommen über allgemeine Vermutungen nicht hinaus. So muß βασιλεύς immer noch als ein wenigstens in Einzelheiten unklares Fremdwort betrachtet werden. I-222-223

βάσκανος, -ον Adj. und Subst. m. ‘beschreiend, verleumderisch, behexend; Verleumder’ (att. usw.). Davon βασκανία ‘das Beschreien, Behexen, Verleumdung’; βασκάνιον ‘das Behexen, Zauber’; βασκοσύνη ‘ds.’ (Poet. de herb., mag. Pap.), haplologisch für βασκ(αν)οσύνη (Schwyzer 263). Neben βάσκανος das wohl denominative βασκαίνω ‘beschreien, verleumden, behexen, beneiden’ (vgl. Schwyzer 700, 725) mit βασκαντικός und ἀ-βάσκαντος ‘dem das Behexen nicht schadet bzw. schaden möchte’ (zum optativischen Sinne Kretschmer Glotta 27, 229), auch aktiv ‘nicht behexend’ (Pap. u. a.). — Da sich als Grundbedeutung dieser aus der attischen und späteren Lit. wohlbelegten Wortsippe ‘beschreiend, beschreien’ empfiehlt, liegt es nahe, in βάσκανος ein Verbalnomen des bei H. belegten βάσκειν· λέγειν, κακολογεῖν zu sehen mit weiterem Anschluß an das onomatopoetische βάζω (s. d.). Indessen kann βάσκειν im Sinn von κακολογεῖν auch eine semantische Rückbildung aus βάσκανος sein, wobei für βάσκανος als Zauberwort nördlicher Ursprung in Betracht käme (Kretschmer Einleitung 248 A. 4, G. Meyer IF 6, 106), vielleicht von einem thrako-illyr. Vertreter von φημί, φάσκω, idg. bhā- ‘sprechen’ (Walde LEWb2 s. fascinum, der auch für βάσκειν denselben Ursprung erwägt). — Über das mit βάσκανος irgendwie in Verbindung stehende lat. fascinum s. W.-Hofmann s. v. mit ausführlichen Lit.-Hinweisen. I-223-224

βασκᾶς, -ᾶ m. Entenart (Ar. Av. 885, v. l. Arist. HA 593b 17), zur Bildung vgl. ἀτταγᾶς, ἐλασᾶς und andere Vogelnamen Chantraine Formation 31, Schwyzer 461. Daneben βοσκάς, -άδος (Arist. ibid., Alex. Mynd. ap. Ath. 9, 395 d, wohl volksetymologisch = βοσκάς ‘sich nährend, genährt’) und φασκάς, -άδος f. (Alex. Mynd. ibid.); H. registriert alle drei Formen. — Thompson Birds s. βοσκάς erinnert an sardisch busciu und anklingende italienische Dialektformen. Sonst dunkel. Zu βοσκάς· φασκάς· ++Λίβιοι H. bemerkt Latte fragend: "<Ιλ>λυριοι? (propter β pro φ)." I-224

βασκαύλης ein Hausgerät unbekannter Art (POxy. 1, 109, 22, III-IVp). — Bedeutung und Herkunft unbekannt. Grenfell-Hunt denken fragend an lat. vasculum. I-224

βασκευταί · φασκίδες, ἀγκάλαι. βάσκιοι· δεσμαὶ φρυγάνων H. — Nach Fick BB 29, 199 (vgl. auch Hoffmann Makedonen 61) makedonisch und mit lat. fascia ‘Binde, Band’, fascis ‘Bund, Bündel’ urverwandt. Demgegenüber muß φασκίδες die griechische Lautform repräsentieren. Unsicher ist, ob φάσκωλος ‘Mantelsack, Ranzen’ hierhergehört, s. d. — Näheres bei WP. 2, 135f., Pok. 111 m. Lit. I-224

βάσκω s. βάζω und βαίνω. I-224

βασσάρα f. ‘Fuchs’ (Sch. Lyk. 771), ‘Tracht der Bacchantinnen’ (EM, AB, H.), wohl eig. ‘Fuchsbalg’ (metonymisch); ‘Bacchantin’ (Sch. Lyk. 771, EM), im Plur. Titel einer Tragödie des A. (Sch. Ar. Th. 135); ‘Dirne’ (Lyk., EM). Davon βασσάριον ‘Fuchs’ (Hdt. 4, 192; Libyen), βασσαρίς ‘Bacchantin’ (Anakr.), ‘Fuchs’ (H.), βασσαρεύς Beiname des Dionysos (Hor., Corn.), βάσσαρος = βάκχος (Orph.); βασσαρικός = βακχικός (AP); denominatives Verb ἀνα-βασσαρέω (mit Tmesis) ‘im Taumel aufjubeln’ (Anakr.). — Näheres bei Pisani Stud. itfilcl. N.S. 11, 217ff.; s. auch Boßhardt Die Nomina auf -ευς 76f. Ohne Etymologie; Hypothese von Pisani a. a. O. I-224

βάσσος · οὐδετέρως· ἡ βῆσσα H. — Vielleicht mit Schwyzer RhM 81, 199f. (wo gegen die herkömmliche Akzentuierung βᾶσσος) aus *βάθ-σος (zum Suffix Schwyzer 513 m. Lit.). Über die Möglichkeit, vulgärlat. bassus ‘niedrig’ daraus herzuleiten, s. Kretschmer Glotta 22, 258f.; dazu W.-Hofmann s. v. 1, 851. — Vgl. βῆσσα und βαθύς. I-224-225

βαστά · ὑποδήματα. ’Ιταλιῶται H. — Johansson IF. 19, 121 vergleicht ansprechend βαστά als messapisch mit ahd. usw. bast ‘Bast’; weitere Anknüpfungen unsicher. Nach Jacobsohn Zeitschr. f. d. Alt. 66, 238ff. als iranisches (skythisches) Wanderwort = aw. ap. basta- ‘gebunden’ (vgl. πεῖσμα, πενθερός), der Form nach verlockend, aber sachlich unzulänglich begründet. Über die sehr fragliche Verwandtschaft mit lat. fascis (vgl. s. βασκευταί) s. W.-Hofmann s. v. I-225

βαστάζω, Aor. βαστάσαι, spät βαστάξαι ‘(empor-)heben, tragen, ertragen, fassen’ (poet. seit Od., hell. und spät). Seltene Ableitungen: βάσταγμα ‘Last’ (E., Plb., Plu. u. a.), βασταγή ‘Transport’ (Lyd.) mit βασταγάριος ‘Transportarbeiter’ (Pap.), βαστάγιον ‘Schultergehenk’ (Eust.), βαστακτής ‘Träger’ (Gloss.), βαστακτικῶς (Sch.). — Hierher noch βάστραχαις· τοὺς τραχήλους. Βοιωτοί H. (EM), wahrscheinlich aus βάστακας (von βάσταξ, vgl. μάσταξ und Bechtel Dial. 1, 303) durch Einwirkung von τράχηλος entstellt oder damit kontaminiert; in βαστραχηλίζει· τραχηλίζει H. und βαστραχαλίσαι· τραχηλιάσαι EM ist die Vermischung noch weiter gegangen. — Nicht sicher erklärt (ältere Versuche bei Bq). Auch die Anknüpfung an βαίνω (s. Schwyzer Mélanges Pedersen 70) bedarf einer näheren semasiologischen Begründung. Somit bleibt auch die formale Zerlegung unklar; jedenfalls ist -(τ)άζω als suffixales Element abzutrennen. Schwyzer Gramm. 706 ist geneigt, in -στάζω eine Erweiterung von *-στω angeblich = lit. -stu, aksl. -stǫ zu sehen. I-225

βασυνίας m. Art Kuchen als Opfergericht, aus der Hekate-Insel bei Delos bekannt (Semos 3). — Ohne Etymologie, gewiß Fremdwort. Vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 264 m. A. 2. I-225

βάταλος · καταπύγων καὶ ἀνδρόγυνος, κίναιδος, ἔκλυτος H., nach Harpokration von Eup. (82) = πρωκτός gebraucht. Davon βαταλίζομαι ‘wie ein βάταλος leben’ (Theano), -ίζω (τὰ ὀπίσθια, von einem Pferde) ‘hin und her drehen’ (Hippiatr.). Eine Kurzform (vgl. Chantraine Formation 31f.) ist βατᾶς· ὁ καταφερής. Ταραντῖνοι H.; daneben βαδᾶς· κίναιδος ὡςΑμερίας H. — Nach Aeschin. 1, 126; 2, 99 wurde Demosthenes in seiner Jugend Βάτ(τ)αλος genannt, "διαἰσχρουργίαν τινὰ καὶ κιναιδίαν"; diesen Spitznamen legt D. (18, 180) auch sich selbst zu. Damit wurde wahrscheinlich auf seinen Sprachfehler angespielt, λ für ρ zu sprechen und somit für βατταρίζειν ‘poltern, brudeln’ (eine andere Redeschwäche des D.) βατταλίζειν zu sagen; s. Holst Symb. Oslo. 4, 11ff. — Als volkstümliche Benennung entzieht sich βάταλος einer genauen Analyse (vgl. Chantraine Formation 247). Beziehung zu βατέω ‘besteigen, bespringen’ scheint immerhin möglich, obgleich natürlich sehr unsicher (βαδᾶς dann nach βάδην, βαδίζω?). Kaum besser mit Specht KZ 66, 11f., Lexis 3, 70 (nach Johansson KZ 36, 343) als orientalisches LW zu aind. batá- etwa ‘Schwächling’ (ἅπ. λεγ. RV 10, 10, 13). I-225-226

βατάνη = πατάνη (Matro). — Größere Verbreitung hat das Deminutivum βατάνιον (Kom., Pap.; nach H. sizilisch). Vgl. dazu die Wiedergabe von lat. p durch β in βάτελλα, βατέλλιον (Pap.) aus lat. patella. Umgekehrt z. B. lat. buxus gegenüber πύξος; dazu Sommer Hb. d. lat. Laut- u. Formenlehre 197. I-226

βᾰτιᾰ́κη f. Art Becher (Diph., Arist., Delos u. a.). Demin. βατιάκιον (Pap., Delos). — Technisches Fremdwort ohne Etymologie. I-226

βάτος 1. f., auch m. ‘Brombeerstrauch, Dornbusch’ (seit Od.), m. ‘Stachelrochen’ (Epich., Arist.), wegen der Stacheln mit einem Brombeerstrauch verglichen (Strömberg Fischnamen 47); βάτον n. ‘Brombeere’ (D. S.), vgl. Wackernagel Syntax 2, 17; Schwyzer-Debrunner 30. Ableitungen: βατία (βατιά?) ‘Brombeergestrüpp’ (Pi.); βάτιον N. des Maulbeerbaums auf Salamis (Parth.), vgl. Strömberg Pflanzennamen 53; βατίς N. einer Rochenart (Epich., Ar., Arist.); vgl. βάτος im selben Sinn, ausführlich Thompson Fishes s. v.; Vogelname (Arist. HA 592b 17: ὄρνις σκωληκοφάγος), vgl. Thompson Birds s. v.; Pflanzenname ‘Crithmum maritimum’ (Plin., Colum.); βάτινον ‘Brombeere’ (Gal.); βατόεις ‘dornig’ (Nik.). — Nicht hierher dagegen Βατίεια = σῆμα Μυρίνης (Β 813) und der PN Βάτεια (Hellanik.), die vielmehr als illyrisch zu betrachten sind, s. Heubeck Würzburger Jahrbücher 4 (1949-50), 202ff. — Ohne Etymologie. Bertoldi Glotta 21, 258ff. erinnert an μαντία ‘Brombeere’, durch Dsk. 4, 37 für Dakien bezeugt, und an mehrere Namen verschiedener Sträucher auf iberischem und gallo-romanischem Gebiet, die das Element ma(n)t- enthalten. Es handelt sich nach ihm um ein weitverbreitetes Mittelmeerwort. I-226

βάτος 2. Flussigkeitsmaß = ägypt. ἀρτάβη, att. μετρητής (LXX, NT, J.), auch βάδος geschrieben. m. Davon βάδιον = 50 ξέσται (Pap.). — Fremdwort, = hebr. bath. I-226

βάτραχος (mit mehreren dialektalen Nebenformen, s. unten) m. ‘Frosch’ (att. hell., auch Hdt. 4, 131), als N. eines Fisches ‘Lophius piscatorius’ (Arist., Ael.; vgl. Strömberg Fischnamen 92f.). Mehrere vereinzelt belegte Ableitungen. Deminutiva: βατραχίς (Nik.), auch Bez. einer froschgrünen Kleidung (Ar. u. a.); βατράχιον (Paus.), Pflanzenname ‘Ranunculus’ (Lehnübersetzung; Hp., Dsk., nach dem Standort, vgl. Strömberg Pflanzennamen 119); βατραχίδιον (Plu.); βατραχίσκοι· μέρος τι τῆς κιθάρας H.; zur technischen Funktion des Suffixes Chantraine Formation 408. — βατραχίτης, -ῖτις (λίθος; nach der Farbe, Plin., Pap. u. a.; s. Redard Les noms grecs en -της 53). Adjektiva: βατράχε(ι)ος ‘froschfarben’ (Ar., Nik.), βατραχειοῦς ‘ds.’ (Attika IVa f), ntr. βατραχιοῦν N. eines Gerichtshofes in Athen, nach der Farbe des Anstriches (Paus.). Denominatives Verb: βατραχίζω ‘sich wie ein Frosch benehmen’ (Hippiatr.). — Zu βάτραχος, das nebst seinen Ableitungen in der Literatur dominiert, sind allerhand Nebenformen, hauptsächlich aus lexikalischer Quelle, bezeugt: ion. βάθρακος mit regelmäßiger Hauchversetzung (Schwyzer 269); auch βότραχος (Hp.) und βρόταχος (Xenoph. 40, vgl. Bechtel Dial. 3, 109); dieselbe Umstellung des ρ in βρατάχους· βατράχους H.; — βρούχετος· .. βάτραχον δὲΚύπριοι H. (nach βρυχάομαι, vgl. Schwyzer 182); βύρθακος· βάτραχος H.; βρύτιχοι· βάτραχοι μικροὶ ἔχοντες οὐράς H. (nach βρύω); — sogar βριαγχόνην· βάτραχον. Φωκεῖς H. (schwerlich richtig; vgl. zunächst ἰαχέω, ἰαχή; ähnlich das ebenfalls korrupte βρόγχος· βάτραχος H.); auch βλίκανος, βλίκαρος, βλίχα(ς) (H., EM, Suid.); βλίταχος (H.). — βάβακοι· ὑπὸΗλείων τέττιγες, ὑπὸ Ποντικῶν δὲ βάτραχοι H. (βαβάζω, s. d.). — Neugr. Formen bei Hatzidakis Lexikogr. Archiv (Anh. ’Αθ. 26) 48ff., s. auch G. Meyer IF 6, 107f. — Die zahlreichen Wechselformen beruhen teilweise auf volksetymologischer Umdeutung, hängen aber wahrscheinlich auch mit den Tabuvorstellungen zusammen, die im Volksglauben den Frosch umgeben. Wie die Mehrzahl der Namen des Frosches in verschiedenen Sprachen, ist auch βάτραχος ohne Etymologie. Sämtliche Erklärungsversuche aus alter (Bq, WP. 1, 698f.) wie aus neuer Zeit (v. Windekens Le Pélasgique 76ff.) sind erfolglos geblieben. Zum χ-Suffix in Tiernamen Specht Ursprung 255. I-226-227

βατταρίζω Bez. eines Sprechfehlers, etwa ‘poltern, brudeln’ (Holst Symb. Oslo. 4, 11; vgl. βατταρισμοῖς· φλυαρίαις H.; vereinzelt bei Hippon., Pl. [Tht. 175d?], Cic., Luk.). Davon βατταρισμός (Phld., Porph., H.), βατταριστής H. Daneben Βάτταρος (Herod.). — Eine ähnliche Bildung ist βαττολογέω ‘plappern’ (Ev. Matt. 6, 7, Simp.) mit βαττολογία· ἀργολογία, ἀκαιρολογία H., vgl. noch den EN Βάττος (Hdt. 4, 155), nach einer Tradition = ἰσχόφωνος καὶ τραυλός. S. auch βάταλος. Onomatopoetische Wörter; vgl. z. B. lat. butubatta; zu βαττολογέω bes. Blaß-Debrunner7 Anh. par. 40 m. Lit. I-227

βαυβάω ‘schlafen’ (E. Fr. 694 u. a.), auch faktitiv ‘einschläfern’ = κοιμίζω (H.); ‘beschlafen’ (Meister Herodas 859f.). Davon βαυβών m. = ὄλισβος (Herod.), wohl auch βαυβώ· τιθήνη Δήμητρος. σημαίνει δὲ καὶ κοιλίαν, ὡς παρ’ ’Εμπεδοκλεῖ (fr. 153) H.; weitere Belege bei Headlam-Knox zu Herod. 6, 19; zur Bildung Schwyzer 478. — Erweiterte Form βαυβαλίζω ‘einschläfern’ (Alex. 229); vgl. zu βαυκαλάω. — Ursprüngliches Lallwort, s. Oehl IF 57, 18f. mit Parallelen aus mehreren Sprachen; dazu noch Schulze Kl. Schr. 680. I-228

βαΰζω, dor. βαΰσδω ‘bellen’, vom Hunde; übertr. von Personen ‘schmähen, rufen usw.’ (A., Kom., Theok.). Davon βαϋστικός (Sch.). Auch βαυβύζω (Pap.). — Expressive Verbalisierung der Lautimitation βαύ βαύ (Kom.), vom Hundegebell. Ebenso lat. baubor ‘bellen’, lit. baũbti ‘brüllen’, vom Rinde usw. Schwyzer 716, W.-Hofmann s. baubor m. Lit., Pok. 95. I-228

βαυκαλάω - Daneben βαυκαλίζω ‘ds.’ (AB, H.). ‘einschläfern, einlullen, in den Schlaf wiegen’, überhaupt ‘pflegen’ (Krates Ep., Luk., Aret.) mit βαυκάλησις (Krates Ep., Ruf.) und βαυκάλημα (Sokr. Ep.). Postverbal βαυκάλη ‘Wiege’ (Sor.). — βαυκαλάω und βαυκαλίζω sehen wie Denominativa von βαύκαλος aus, das nur im EM 192, 20 bewahrt ist: βαύκαλον· μαλακιζόμενον, τρυφερόν, καὶ ὡραϊστόν. Es handelt sich jedenfalls um eine expressive Erweiterung auf -αλ- von βαυκός (s. d.); vgl. βαυβαλίζω neben βαυβάω und die Adj. auf -αλος bei Chantraine Formation 245 und 247, Schwyzer 483. I-228

βαυκάλιον Bez. eines enghalsigen Gefäßes (Pap. u. a.), βαύκαλις, -ιδος f. N. eines Kühlgefäßes (Sopat., AP). Dazu mittelgr. βαύκη. n. — Ägyptisches Wort, aber Vorbild unklar. Ausführlich darüber Nencioni Riv. degli stud. or. 19, 98ff. — Vgl. καυκάλιον und βῖκος. I-228

βαυκός ‘geziert, affektiert’ (Arar. 9), als Vorderglied in βαυκοπανοῦργος (Arist. EN 1127b 27). Davon (oder von βαυκίζομαι) βαυκίδες pl. ‘Art Frauenschuhe’ (Kom., Herod.; zur Bildung Schwyzer 464f., Chantraine Formation 337f.). Denominativum βαυκίζομαι, -ίζω ‘geziert sein, θρύπτεσθαι’ (Alex. Kom., H., AB) mit βαυκίσματα pl. ‘Geziertheit, τρυφερώματα’ (AB, H.) und βαυκισμός ‘Art Tanz’ (Poll., H.). Außerdem der EN Baucis. — Eine λ-Erweiterung liegt in βαύκαλος vor, s. βαυκαλάω. — Familiäres Wort ohne Etymologie. Zum Ausgang vgl. γλαυκός, φολκός und einige andere mehr oder weniger unklare Adjektiva. Reiches Material zum κ-Suffix bei Specht Ursprung 186ff.; außerdem Solta Sprache 2, 122ff.; die Vermutung einer ursprünglichen Ich-Deixis schwebt ganz in der Luft. I-228

βαῦνος H. auch βαύνη· κάμινος ἢ χωνευτήριον. m. ‘Schmelzofen, Brennofen’, auch = χυτρόπους (Eratosth., Max. Tyr. u. a.); — Technisches Wort unbekannten Ursprungs. Vgl. zu βάναυσος. I-229

βαυρία f. messapisch = οἰκία (EM 389, 25). Davon βαυριόθεν = οἴκοθεν (Kleon Sik. 2). — βαυρία unterscheidet sich nur im Ablaut (idg. ou) von βύριον, s. d. Vgl. auch 2. βᾶρις. I-229

βδάλλω, fast nur Präsens (vereinzelte Aoristformen βδάλας, βδήλαιο) ‘saugen, melken’ (Pl., Arist. usw.). Davon βδάλσις ‘das Saugen’ (Gal., Aët.) und βδαλεύς ‘Melkeimer’ (Sch.), vgl. zunächst ἀμολγεύς ‘ds.’ und andere Nomina instrumenti bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 21. Semantisch damit unvereinbar scheint dagegen βδαλοί· ῥαφίδες θαλάσσιαι. καὶ φλέβες κρισσώδεις H. — βδάλλω ist ein Jotpräsens mit regelmäßiger Schwachstufe der Wurzel; die Hochstufe liegt in βδέλλα (s. d.) vor, außerdem in βδέλλω = βδάλλω Sch. Theok. 11, 34. Außergriechische Verwandte fehlen. Unwahrscheinlich Winter Prothet. Vokal 34. I-229

βδέλλα f. ‘Blutegel’ (ion. att.), auch = βδέλλιον (spät). Denominative Verba: βδελλίζω ‘Blutegel ansetzen’ (Mediz.), βδελλάζεται· ἀμέλγεται Erot. — βδέλλα ist eine feminine ιᾰ-Ableitung, "die Saugerin", u. z. entweder von der hochstufigen Verbalwurzel βδελ- oder von einem unbekannten Wurzelnomen. Vgl. βδάλλω, auch βλέτυες. I-229

βδέλλιον n. ‘Harz der orientalischen Weinpalme’ (Dsk., Plin. u. a.), auch βδέλλα (J. usw.). — Orientalisches LW, vgl. hebr. bedōlaḥ, assyr. budulḫu. Näheres bei Lewy Fremdw., Schrader-Nehring Reallex. 1, 84f. I-229

βδελυρός ‘ekelhaft, abscheulich’ (att. hell. u. spät) mit βδελυρία ‘ekelhaftes Wesen’ (att., Hp., hell. u. spät) und dem Denominativum βδελυρεύομαι (D.). Neben βδελυρός steht das von einem Gutturalstamm gebildete Jotpräsens βδελύσσομαι (-ττ-), Fut. βδελύξομαι ‘Ekel empfinden, verabscheuen’ (att., Hp., hell. u. spät), Akt. -ύσσω, -ύττω ‘Ekel verursachen’ (LXX u. a.) mit verschiedenen μ-Ableitungen: βδελυγμία ‘Ekel, Seekrankheit’ (Kratin., X. u. a.), βδελυγμός (LXX), βδέλυγμα (LXX, NT); Verbaladj. βδελυκτός, auch in βδελύκτροπος (aus *βδελυκτο-τροπος A. Eu. 52); ähnliche Silbendissimilation auch in Βδελυ-κλέων (Ar.)? Der Guttural, der auch in βδελυχρός (Epich.) auftritt, hat wohl zunächst nur expressiven Wert, vgl. Chantraine Formation 225f. — βδελυρός (wahrscheinlich für -υλός, Leumann Glotta 32, 223 A. 2) und βδελύσσομαι gehen auf einen Stamm (Adjektiv?, vgl. Schulze Kl. Schr. 124 A. 1) βδελυ- zurück, von βδέ-ω mittels eines λυ-Suffixes (vgl. θῆ-λυ-ς) gebildet. Das λ-Suffix allein in βδέλλων· τρέμων ἢ βδέων, βδέλεσθαι· κοιλιολυτεῖν H. (dafür mit Latte u. a. βδύλλων und βδέννυσθαι?), aber außerdem in βδόλος ‘Gestank’ (Kom. Adesp. 781; auch in γαλεόβδολον, s. γαλέη); vgl. Schwyzer 459. — Näheres bei Kieckers IF 30, 190ff. (mit in Einzelheiten anderer Auffassung) und s. βδέω. I-229-230

βδέω, Aor. βδέσαι (AP) und βδεῦσαι (Hierokl.) ‘fisten’ (Kom. u. a.) mit βδέ-σμα (Gloss.). Daneben die Neubildungen βδ-ύλλω ‘(vor Furcht) fisten, fürchten’ (Ar. u. a.) und βδέννυμαι· ἐκκενοῦμαι τὴν κοιλίαν Suid. (βδένεσθαι H., richtig?; fragliche Kombination bei Specht Ursprung 351 A. 1); vgl. Schwyzer 685, 697 und 736, Debrunner IF 21, 97f. — Davon βδόλος und βδέλλων(?), auch βδελυρός und βδελύσσομαι (s. dd.). — Altererbtes onomatopoetisches Verb, das auch im Baltisch-Slavischen und im Latein vorhanden ist: gr. russ. bzdetь, kl. russ. bzdíty, pezdíty, lit. bezdù, bezdė́ti (aus dem Kl.russ.?), lat. pēdō aus *pezdō; idg. pezd-, pzd- > bzd-. Somit steht βδέω zunächst für *βzδέω; zum Schwund des z Schwyzer 326 Zus. 5. Näheres bei WP. 2, 68f., W.-Hofmann s. pēdō. — Vgl. das lautlich anklingende πέρδομαι. I-230

βέβαιος ‘fest, sicher, standhaft’ (ion. att. usw.). Davon βεβαιότης f. ‘Festigkeit, Sicherheit’ (Pl. Th. usw.) und das Denominativum βεβαιόω ‘befestigen, (ver)sichern, verbürgen’ (ion. att.) mit mehreren Ableitungen: nwgr. βεβαιωτήρ, ion. att. βεβαιωτής ‘Bürge’ (vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 158, 160, 214; 2, 206; Erika Kretschmer Glotta 18, 90, Benveniste Noms d’agent 43f.), f. βεβαιώτρια (Pap.), Adj. βεβαιωτικός ‘bestätigend’ (Epikt., S. E., Pap.); — βεβαίωσις ‘Befestigung, Bürgschaft’ (Th. usw.), βεβαίωμα ‘Beweis’ (J.). — βέβαιος enthält eine reduplizierte Form von βῆναι und knüpft sich dadurch am besten an das Perfektum βέβηκα, Ptz. βεβαώς ‘ich stehe’ an, wozu auch die Bedeutung gut paßt. Demgemäß will es Wackernagel Unt. 113 A. 1 aus *βεβα-υσ-ιος (vgl. *ϝιδ-υσ-ιος > ἰδυιος) erklären, was jedenfalls möglich zu sein scheint. I-230

βέβηλος, dor. βέβᾱλος ‘ungeweiht, profan, öffentlich’ (Trag., Th., Pl. usw.) mit dem Denominativum βεβηλόω ‘entweihen’ (LXX, NT usw.), wovon βεβήλωσις (LXX, Ph.). — Wie βέβαιος scheint βέβηλος eine Ableitung vom Perfekt βέβη-κα zu sein, obwohl die Bildungsweise der Aufklärung bedarf. Deshalb schlägt Schwyzer IF 45, 252ff. vor, darin eine alte sakrale Hypostase von *βὲ βηλοῦ "vor (außerhalb) der Schwelle (sc. des Tempels)" zu sehen, von *βὲ = lit. bè ‘ohne’ und βηλός (vgl. pro-fānus). Die Hypothese setzt u. a. voraus, daß kyren. βάβαλος aus βέβ- assimiliert ist; vgl. die Bedenken bei Kretschmer Glotta 18, 235. I-230-231

βεβράδα · ἀθερίνην H. S. βεμβράς. I-231

βέβροξ · ἀγαθός, χρηστός, καλός H. — Nach Grošelj Živa Ant. 3, 197f. ungriechisches Wort, zu lat. for(c)tis usw.(?). Vgl. βεβρός. I-231

βεβρός ‘einfältig, töricht’ (Hippon.). H. auch βεμβρός· τετυφωμένος, πάρετος. — Unerklärt. I-231

βειέλοπες · ἱμάντες οἷς ἀναδοῦσι Λακεδαιμόνιοι τοὺς νικηφόρους H. — Nach Solmsen Unt. 255 aus *ϝιελ- zu γίς (= ϝίςἱμάς, lat. vieō ‘binden, flechten’ usw.; nach Kalén GHÅ 26 [1920] : 2, 105ff. (wo ausführliche Behandlung) aus *ϝεισελ-ελοπες zu aind. veṣṭate ‘umwickeln’ und *ἔλοφος ‘Zipfel, Band, Riemen’, vgl. ἀργέλοφοι usw. (?). I-231

βείομαι, βέομαι, βίομαι Hom. s. βίος. I-231

βέλα · ἥλιος καὶ αὐγή, ὑπὸ Λακώνων H. — S. 1. εἵλη ‘Sonnenwärme’ . I-231

βέλεμνα s. βάλλω. I-231

Βελλεροφόντης m. N. eines argivischen Heros (Ζ 155 usw.), von den Alten als "Töter des Belleros" gedeutet. — Wie ’Αργεϊφόντης unterliegt auch Βελλεροφόντης dem Verdacht, ein zurechtgelegtes Fremdwort zu sein (Malten Hermes 79, 10ff., Schwyzer 62). Das Hinterglied wird sonst allgemein als "Töter" erklärt; in dem Vorderglied sieht Kretschmer Glotta 24, 237f., 273 und 31, 92ff., darin den antiken Gelehrten im Prinzip folgend, den vorgriechischen Namen eines örtlichen Dämons oder Unholdes. — Sehr kühn und wenig wahrscheinlich Heubeck Beitr. z. Namenforschung 5, 25ff. (mit Referat anderer Deutungen): Vorderglied *βελ(λ)ερός zu βελτίων, Hinterglied zu εὐθένεια. I-231

βελλούνης · τριόρχης. Λάκωνες H. — Unsichere Hypothese bei Grošelj Živa Ant. 4, 166: vorgriechisch, zu φαλλός, lat. Balliō usw. I-231

βελόνη f. ‘Nadel’ (att., Arist., Batr.) mit dem Deminutivum βελονίς (Hermipp.); beide auch als Fischnamen, s. Strömberg Fischnamen 36f. — Bildung wie περόνη und andere Gerätenamen bei Chantraine Formation 207. Die in formaler Hinsicht naheliegende Anknüpfung an (βέλος,) βάλλω (s. die Lit. bei Bq) stößt auf semantische Schwierigkeiten. Fick 1, 404 zieht daher βελόνη (wie auch βέλος) mit δέλλιθες· σφῆκες (s. d.) zu lit. geliù, gélti ‘stechen’, was begrifflich entschieden vorzuziehen ist. Auch βέλος kann sehr wohl hierher gehören, vgl. ὀξυβελὴς ὀϊστός Hom., ist aber dann offenbar mit βάλλω assoziiert worden, was den Anlaut β- für δ- erklären kann, sofern man nicht äolischen Ursprung annehmen will. I-231-232

βέλτερος (Hom., poet.), βελτίων (nachhom.), Superlativ βέλτατος (A.), βέλτιστος (att. usw.), dor. (Theok.) βέντιστος (λτ > ντ) ‘besser, der beste’. Von βελτίων : βελτιόιης ‘Überlegenheit’ (Sch.) und das Denominativum βελτιόω (Ph., Plu. usw.) mit βελτίωσις (Ph., Plu. u. a.); außerdem mit doppelter Steigerung βελτιώτ<ερ>ς (Telesill. 6; nicht ganz sicher). — Über ἀβέλτερος s. bes. — Gegen die Anknüpfung an βούλομαι (Lit. bei Persson Beiträge 210 A. 1; zuletzt Seiler Steigerungsformen 91ff.) spricht vor allem das durchgehende β-, das wegen seiner Verbreitung nicht gut äolisch sein kann und sich auch schwerlich durch Assoziation mit βούλομαι erklären läßt. Beachtung verdient immerhin kret. δέλτον· ἀγαθόν (Phot.). — Deshalb wohl doch besser mit Ahrens KZ 8, 358f., Osthoff IF 6, 1ff. zu aind. bálam n. ‘Kraft’, lat. dē-bilis ‘kraftlos’, aksl. boljьjь ‘größer’ usw. (aber nicht mit Pisani Ist. Lomb. 76 : 2, 23 toch. A empele ‘stark, gewaltig’). Die Hauptschwierigkeit liegt aber in der Bildung, wobei namentlich das -τ- unklar ist. Hypothese bei Seiler l. c. (wo auch Lit.): ein begrifflich komparatives *βελτός ‘erwünscht’ > ‘vorgezogen, besser’ wurde auch formal, einerseits zu βέλτερος (βέλτατος), anderseits zu βελτίων (βέλτιστος), gesteigert. I-232

βέμβιξ, -ῑκος f. ‘(Brumm)kreisel’ (Ar., Kall.), auch ‘Wasserstrudel’ (Opp.), ‘Wirbelsturm’ (H.) und ‘summendes Insekt, Hummel’ (Nik., Parmeno). Davon βεμβικώδης ‘kreiselähnlich’ (Ath.), βεμβικίζω ‘kreiseln’ (Ar.). Vgl. auch mit anderer Bildung βεμβρεῖ, βεμβ(ρ)εύει· δινεύει H. — βέμβιξ (zur Bildung Chantraine Formation 382, außerdem Specht Ursprung 211 mit buntem Vergleichsmaterial) gehört mit βόμβος ‘dumpfer Ton’ (s. d.), aind. bimba- m. n. ‘Scheibe, Kugel usw.’, lett. bamba ‘Kugel, Ball’, lit. bambù, bambė́ti ‘brummen’ und vielen anderen Wörtern familiären und expressiven Charakters zu einer umfassenden Wortgruppe, die lautmalend oder allgemein lautsymbolisch Schalleindrücke oder allerhand aufgeblasene oder aufgedunsene Gegenstände bezeichnet; es handelt sich dabei mindestens ebensosehr um elementare als um erblich bedingte Übereinstimmung. Die Annahme einer Schwundstufe in βαβάκτης (s. d.), βαβάξαι steht auf sehr schwachen Füßen. Laut- und begriffsähnlich sind πέμφιξ, πομφόλυξ (s. dd.). — Näheres bei WP. 2, 107ff,, Pok. 93ff.; reiches Material aus dem Nordischen (mit Lit.) bei Lidén GHÅ 40 (1934 : 3) 48ff. I-232

βεμβράς, -άδος f. eine Art Sprotte (Aristomen., Numen. ap. Ath.). Daneben μεμβράς (Kom., Arist. u. a.) mit μεμβράδιον. Auch βεβράδα· ἀθερίνην und βεμβίδιον· ἰχθύδιον λεπτόν H. — Strömberg Fischnamen 67f. vermutet dissimilatorische Reduplikation von βράζω ‘brummen’ mit Beziehung auf die angebliche Lautgebung des Fisches. — Vgl. βαμβραδών. I-233

βένθος s. βαθύς. I-233

βερβέριον n. ‘ärmliches Kleid’ (Anakr. 21, 3). — Reduplizierte Bildung, vgl. βερρόν und βειρόν· δασύ, auch βίρροξ· δασύ. Μακεδόνες H. — Daran erinnert lat. burra ‘zottiges Gewand, Wolle’, reburrus ‘widerhaarig’ (Fick KZ 22, 203). Sonst ohne Anknüpfung. Vgl. W.-Hofmann s. v. und s. birrus. S. auch βύρσα. I-233

βερκνίς · ἀκρίς H. — Bildung wie ἀκρίς; zum. Stamm vgl. die Synonyme βρύκος, βρεῦκος, βροῦκος, -α, βροῦχος, βραῦκος, -α, βρόκος; dazu Strömberg Wortstudien 17 und unten s. βροῦκος. Unmögliche Analyse der "Wurzel" bei Specht Ursprung 168 u. ö. I-233

βερνώμεθα · κληρωσώμεθα. Λάκωνες H. — Dazu das irgendwie entstellte βερρέαι· κληρῶσαι. — Wahrscheinlich mit Kretschmer KZ 35, 605 und Fraenkel Glotta 2, 37 zu μέρος, μείρομαι durch Dissimilation aus μερ-ν- (eine andere lautliche Erklärung bei Osthoff IF 6, 8ff.). Nach v. Blumenthal Glotta 18, 153f. dagegen illyrisch, vgl. zunächst φερνή ‘Mitgift’. Auch in βερωνετῶν· ἀλλὰ ἀνετῶν H. will v. Blumenthal Hesychst. 3 ein illyrisch-messapisches βέρ’ = φέρ(ε) finden. I-233

βεῦδος n. Bez. einer kostbaren Frauenkleidung (Sapph., Kall. u. a.). — Nach EM 195, 52 = ἄγαλμα in Hermione. — Unerklärtes Fremdwort. Verfehlte idg. Etymologie bei Fick BB 6, 211. I-233

βήλημα · κώλυμα, φράγμα ἐν ποταμῷ. Λάκωνες H. — Dazu messen. ἤλημα. — Aus *ϝέλ-νημα, s. εἴλω und ἁ̄λής. I-233

βηλός und βῆμα s. βαίνω. I-233

βήξ, βηχός (auch βηκός, s. Schulze Kl. Schr. 703) m. f. ‘Husten’ (ion. att.). Ableitungen: Deminutivum βηχίον, auch Pflanzenname ‘Hustenkraut, Tussilago farfara’ (Lehnübersetzung), als Heilmittel gegen Husten (Lehmann KZ 41, 94, Strömberg Pflanzennamen 8 5f.); in derselben Bedeutung auch βηχικόν (Paul. Aeg.). βηχία(ς), -ίαι ‘Heiserkeit’ (Nikomach. Math., Menipp.). — βηχώδης und βηχικός (Mediz.). — Denominativum βήσσω, Aor. βῆξαι ‘Husten’ (ion. att.) mit βῆγμα (Hp.). — Wie mehrere andere Krankheitsbezeichnungen stellt auch das Wurzelnomen βήξ als Nomen agentis das Leiden als eine lebendige Macht dar (ohne daß man es sich darum mit Radermacher WienAkSb 202, 1 S. 10 A. 2 als einen "Hustendämon" vorzustellen braucht). An und für sich kann βήξ auch postverbal zu βήσσω sein. — Herkunft unbekannt, vielleicht ursprünglich onomatopoetisch. I-233-234

βήρυλλος f. N. eines Edelsteins, ‘Beryll’ (LXX usw.), βηρύλλιον ‘ds.’ (LXX, D. S.). Davon βηρύλλιος Pflanzenname (Ps.-Dsk.) und βηρυλλίτης (λίθος, Cat. Cod. Astr.). — Mit dem Stein ist auch die Benennung im hellenistischen Zeitalter aus Indien gekommen: prākrit veruliya aus veḷuriya (sanskritisiert vaiḍūrya-). Das Wort ist dravidisch und wahrscheinlich von Vēḷūr, jetzt Bēlūr, N. einer Stadt in Südindien, abgeleitet, s. Master BSOAS 11, 304ff. — βήρυλλος ist aus βηρύλλιον rückgebildet, s. Leumann Glotta 32, 215 A. 6. I-234

βῆσσα, dor. βᾶσσα f. ‘Schlucht, Bergmulde, Tal’ (poet. seit Il.), übertr. als N. eines Trinkbechers (Ath.); im letzteren Sinn auch βησ(σ)ίον (Pap.). Ableitung βησσήεις (Hes. u. a.). — Wenn man βένθος als Neubildung ansieht (vgl. zu βαθύς), kann βῆσσα aus *βᾱθ-ι̯ᾰ als feminine Ableitung eines Wurzelnomens (vgl. unten) oder eines Verbs (Schwyzer 473f.) die Hochstufe von βαθύς enthalten. Aus anderen Sprachen ist besonders zu vergleichen aw. vi-gāϑ- f. ‘Schlucht’, Wurzelnomen wie *βηθ-, *βᾱθ-; daneben steht im Altindischen das thematische Verb gā́hate und das ebenfalls thematische Nomen gāhá- m. ‘Tiefe’; die Wortsippe ist auch im Keltischen vertreten, z. B. air. bāidim ‘untertauchen, ertränken’. — Ausführlich über βῆσσα Schwyzer RhM 81, 193ff. (auch über ngr. ON); WP. 1, 665, Pok. 465. Vgl. βυθός. I-234

βῆτα s. ἄλφα. I-234

βητάρμων m. ‘Tänzer’ (θ 250, 383, Man., Nonn.) "ἀπὸ τοῦ ἡρμοσμένως βαίνειν" H. Daraus als scheinbares Grundwort βηταρμός ‘Tanz’ (A. R. 1, 1135). — Das Hinterglied kann nicht gut von ἁρμονία usw. (s. d.) getrennt werden und regiert als Verbalnomen das Vorderglied (vgl. z. B. πολυ-κτήμων; dazu Sommer Nominalkomp. 12 m. A. 2, 117). Dies enthält ein Nomen von βῆ-ναι, über dessen Bedeutung und Form sich nichts mit Bestimmtheit sagen läßt. Ansprechend vermutet Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 35 Haplologie aus *βηματ-άρμων; nach Brugmann Sächs. Ges. Ber. 51 (1899) 199 A. 1 ist das Vorderglied entweder *βητος, *βητη oder (mit Dissimilation) *βῆτρον = aind. gā́tram ‘Glied’. Anders Belardi Doxa 3, 198: βη-τ- (Nom. *βής) wie δω-τ- (Nom. δώς). — Abzulehnen Bechtel Lex. 81f.; s. Knecht Τερψίμβροτος 34 und Schwyzer 442 A. 6. I-234

βίᾱ, βίη f. ‘Kraft, Gewalt’ (seit Il.). Ableitungen: βίαιος ‘gewaltsam’ (seit Od.) mit βιαιότης (Redner); βιατά̄ς m. ‘stark’ (Alkm., Pi., AP). Denominatives Verb βιάομαι, βιάω (seit Il.; wohl ursprünglich primär, vgl. unten), erweitert βιάζομαι, βιάζω (seit Il.; metrisch abwechselnd, Shipp Studies 119; zu βία : βιάομαι : βιάζομαι ausführlich Schwyzer Mélanges Pedersen 66) ‘Gewalt anwenden, bewältigen, erzwingen’; — von βιάζομαι : βιασμός ‘Gewaltanwendung’ (Eup. usw.), βιαστής (Ev. Matt.) und βιαστήρ (Gorg.) ‘gewalttätiger Mensch’, βιαστικός ‘Gewalt übend’ (Pl., Arist. usw.). — Zu βινέω s. bes. — In βία ist ein altes zweisilbiges Wurzelnomen bewahrt, das in identisch gleicher Form auch in aind. j(i)yā́ ‘Übergewalt’ fortgesetzt wird; zum Lautlichen Meeussen KZ 65, 261ff. Zu dem nasalinfigierten ji-n-ā́ti und dem hochstufigen thematischen jáyati bietet das Griechische dagegen keine Entsprechungen, ebensowenig wie das Präsens βιάομαι im Altindischen ein Gegenstück hat. Zum Futurum βιή-σεται (Emp.) vgl. indessen das im Ablaut identische Futurum jyā-syáti. I-235

βιβάζω, βιβάς, βιβάσθων, βιβάσκω s. βαίνω. I-235

βίβλος, älter (s. unten) βύβλος f. N. der ägyptischen Papyrusstaude, ‘Cyperus Papyrus’, ‘Papyrusbast, -rolle, Papier’ (Hdt., A. usw.). Davon βύβλινος (seit Od.), βίβλινος (Pap.) ‘aus Papyrus gemacht’; βυβλιά (Akz. nach Wackernagel-Debrunner Phil. 95, 191f.) ‘Papyrusbeet’ (Tab. Heracl.; unsicher, s. Scheller Oxytonierung 47). — Ferner βυβλίον, durch Assimilation βιβλίον (woraus βίβλος; anders Kretschmer KZ 57, 253 A.) ‘Papier(blatt), Buch’ (ion. att.; zur Bildung Chantraine Formation 59); davon βιβλιακός ‘zum Buch gehörig, gelehrt’ (Plb. usw.). Deminutivbildungen: βιβλί̄διον (βυ-) ‘Büchlein, libellus’ (D. usw.; aus βιβλι-ίδιον? Schulze Q. 353; anders Chantraine 69); auch βιβλ(ι)άριον (βυ-), βιβλ(ι)αρίδιον, βιβλιδάριον. — Durch Rückbildung steht -βιβλος (zu βιβλίον) für *-βιβλιος im Hinterglied, s. Debrunner IF 60, 42f. — Der Papyrusbast (und danach die Papyrusstaude) wurde nach der phönikischen Hafenstadt Byblos (Gubla, Gebal) benannt, von wo aus der Bast nach Verarbeitung zu den Griechen exportiert wurde. Lewy Fremdw. 172; außerdem Schwyzer 141 m. A. 4, 153. — Anders Alessio Studi etr. 18, 122. I-235

βιβρώσκω, ‘(auf)essen, verzehren’ (seit Il.); βέβρωκα, ἔβρων usw. (zu den einzelnen Formen s. unten). Mehrere Ableitungen, die alle von der Wurzelform βρω- ausgehen. Nomina actionis: βρωτύς (ep. poet.) und βρῶσις (ep. ion. hell.) ‘Speise, Nahrung’ (Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’action 67; noch unglaubhafter über die Bedeutung Holt Les noms d’action en -σις 80ff.; vgl. noch Porzig Satzinhalte 184); im selben Sinn auch βρώμη (ep. seit Od.) und βρῶμα (ion. att.) mit βρωμάτιον (Ath.) und βρωματίζω ‘zu essen geben’ (Aq.); außerdem βρωτόν (: ποτόν; E., X. usw.); von βρῶσις : βρώσιμος ‘eßbar’ (A. usw.; nach πότιμος, ἐδώδιμος, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 50f.). — Nomen agentis: βρωτήρ ‘Fresser, fressend, verzehrend’ (A. usw.), im Sinn von ‘Motte’ auch βρωστήρ (Aq.). — Adj. βρωτικός ‘gefräßig’ (Hp., Arist. u. a.). — Deverbativum: βρωσείω ‘zu essen wünschen, hungrig sein’ (Kall.). — Zu βούβρωστις s. bes. — Das Verb βιβρώσκω nebst den obengenannten Ableitungen hat sich vom Perfekt βέβρωκα (Il.; vgl. πέπωκα; daneben der einmalige Opt. βεβρώθοις Δ 35; vgl. dazu Chantraine Gramm. hom. 1, 429; anders, nicht besser, Schwyzer 662), βέβρωμαι (A.), wohl auch vom Aorist ἔβρων (h. Ap. 122) aus zu einem vollständigen Paradigma entwickelt: Fut. βρώσομαι (hell.), Präs. βιβρώσκω (Babr.), βρώζω (Herod.), ἀναβρώσκων (H.). Auch neue Aoristformen traten hinzu: ἐβρώθην (Hdt.), ἔβρωσα, -ξα (hell., vgl. βρόξαι). — Sogar die ältesten Formen dieses weitverzweigten Paradigmas stehen isoliert. Nur das Verbaladjektiv βρωτός ‘eßbar’ (E. X. usw.; alt?) kann im Ablaut zu lit. gìrtas ‘betrunken’ und zu aind. gīrṇá- ‘verschlungen’ stimmen, obwohl das etwas unsicher ist; s. zu dieser schwierigen Frage Schwyzer 360f. Sonst weichen die verschiedenen Sprachen stark voneinander ab: z. B. arm. Aor. 3. sg. eker (idg. *e-ger-et = gr. *ἔδερε, *ἔβερε) neben dem Präs. utem (zu idg. ed-) mit demselben Suppletivsystem wie ursprünglich für das Griechische vermutet werden kann; aind. Perf. jagāra (idg. *ge-gor-e = gr. *βέβορε), Aor. garat, gārīt, wozu Präs. giráti, formal = aksl. žьrǫ, aber trotzdem wahrscheinlich parallele Neubildungen; lat. vorāre, s. zu βορά. Das griechische System hat sich somit schon in ältester Zeit ausgeglichen, wobei die Wurzelform βρω- von einem nicht sicher festzustellenden Ausgangspunkt weiterwucherte. Unabhängige Bildungen haben sich nur in βάραθρον und βορά (-βόρος) ebenso wie in dem abseitsstehenden δέρη (s. dd.) erhalten. I-235-236

βιδυ(ι)οι, βιδεοι m.Pl. "Aufseher", Bez. spartanischer Beamten, die mit Aufsicht über die männliche Jugend beauftragt waren (Lakonien, Messenien [IIa-Kaiserzeit], Paus.). — Aus *ϝιδυσ-ι̯οι, d. h. der Schwundstufe des Ptz. Perf. εἰδώς; vgl. hom. ϝιδυῖα (s. οἶδα). Eine ähnliche Bildung ist in βέβαιος vermutet worden, s. d. — Ausführlich über die Form, einschließlich des Akzents, Kalén Quaestiones grammaticae graecae (GHÅ 24 [1918]: 1) 5ff., wo auch eine unsichere Theorie über den Übergang υ(ι) > ε. S. auch Schwyzer 540. I-236-237

βιζακίων · μικρῶν λίθων Suid. — Lewy KZ 59, 190 vergleicht u. a. aram. bizqā, bīzeqā ‘abgebrochenes Stück, Scherbe, Steinchen’. I-237

βῖκος m. ‘Gefäß mit Henkeln’, auch als Maß (Hdt., X., Pap. usw.; zur Verbreitung Solmsen Wortforsch. 65 m. A. 2). Deminutiva: βικίον (Pap., Dsk. [v. l.], Gp.), βικίδιον Suid. — Wahrscheinlich ägyptisches Wort; vgl. äg. bꜣḳ.t ‘Ölgefäß als Maß gebraucht’ (Nencioni Stud. itfilcl. 16, 223). S. auch βαυκάλιον. I-237

βῑνέω, Ipf. βινεσκόμην, Fut. βινήσω ‘coïre, futuere, τὸ βίᾳ μίγνυσθαι’ (Kom., Sol. ap. H.). Davon das desiderative βινητιάω (Ar., Luk.), wie von *βινητής; vgl. ὠνητιάω : [ὠνητής :] ὠνέομαι. — Niedriges Wort, das sich eben deswegen einer genauen Analyse entzieht. Gewöhnlich zu βία ‘Gewalt’ gezogen (vgl. ζάει· βινεῖ H.), aber weder aind. jinā́ti ‘überwältigen, bedrücken’ noch das nur bei den Gramm. belegte Ptz. jī-na- = *βῑνός geben eine befriedigende Anknüpfung. Auch der Anschluß an npers. gāyad ‘futuit’ (Lidén IF 19, 328) bleibt bei einer unsicheren Wurzeletymologie stehen. I-237

βιός m. ‘Bogen’, auch ‘Bogensehne’ vereinzelt möglich (Trümpy Fachausdrücke 66f.; Il. usw.). Keine Ableitungen. — Bis auf den Auslaut mit aind. j(i)yā́, aw. ǰyā ‘Sehne (des Bogens)’ identisch; zum Lautlichen Meeussen KZ 65, 261ff. Da die fem. -Stämme im Indoiranischen, u. a. durch Umgestaltung zu -Stämmen, verlorengegangen sind, würde ein urspr. fem. βιός den Stammunterschied erklären, s. Schwyzer-Debrunner 32 A. 4. — Unsicher ist die Zugehörigkeit von lit. gijà ‘Faden’, aksl. ži-ca ‘Sehne’, s. WP. 1, 194 m. Lit., Pok. 481. I-237

βίος m. ‘Leben(sführung), Lebensunterhalt, Vermögen’ (seit Od.). Daneben als primäre Bildungen βιοτή f. ‘Leben(sart), Lebensunterhalt’ (vorw. poet. seit Od.), βίοτος m. ‘Leben, Lebensgut’ (poet. seit Il.; nach θάνατος neugebildet?, s. Porzig Satzinhalte 343) mit dem herabsetzenden Deminutiv βιότιον (Ar.); mit anderem Vokalismus kret. βίετος (vgl. unten); außerdem als vereinzelte Umbildung nach den Adjektivabstrakta βιότητα Akk. (h. Hom. 8, 10 am Versende). — Von βίοτος oder βιοτή (nicht von βιότης) das Adj. βιοτήσιος ‘lebenserhaltend, lebenslang’ (A. R., AP u. a.; nach βροτήσιος usw.; vgl. Chantraine Formation 41f.); ferner das denominative βιοτεύω ‘leben, sein Leben erhalten’ (Pi., Th. usw.), wovon βιοτεία (X., Plb.) und βιότευμα (Sokr. Ep.). Neben βίος stand ein primärer langvokalischer Wurzelaorist ἐβίω-ν, βιῶ-ναι (seit Il.), zu dem nach und nach die übrigen Tempusformen hinzugeschaffen wurden: σ-Aor. Med. trans. (kaus.) ἐβιώσαο (θ 468), Akt. intr. ἐβίωσα (Hdt.), Fut. βιώσομαι, Perf. βεβίωκα, außerdem das auch kausativ gebrauchte (ἀνα)βιώσασθαι, (ἀνα)βιώσκομαι; zuletzt, für ζώ-ω, ζῆν, das Präsens βιόω. Alt war dagegen das futurisch gebrauchte βέομαι, βέῃ (O 194 u. a.), βείομαι (X 431; metr. Verlangerung?), βιόμεσθα (h. Ap. 528; Umbildung nach ἐβίων?); zur Erklärung s. unten. — Von ἐβίων usw.: βίωσις ‘Lebensweise’ (LXX, NT u. a.), ferner (oder von βίος) βιωτός ‘lebenswert’ (att.) mit βιωτικός ‘auf das Leben bezüglich, lebensfähig’ (Arist., Plb. usw.). Dagegen βιώσιμος ‘lebensfähig’ (Hdt., Soph. usw.) zunächst nach θανάσιμος (: θάνατος) von βίοτος oder βίος in Anlehnung an ἐβίων; unklar Arbenz Die Adj. auf -ιμος 71f. — Für sich steht, mit δ aus idg. g (s. unten), herakl. ἐνδεδιωκότα, falls = ἐμβεβιωκότα, vgl. Schwyzer 300. — Der Aorist ἐβίων fußt auf einer zweisilbigen idg. Wurzel gii̯ō- mit schwundstufiger Anfangs- und hochstufiger Endsilbe. Die entsprechende -Stufe, gii̯ē-, liegt in ὑ-γιής (mit Übertritt zu den σ-Stämmen) vor, s. d. Neben dieser Wurzelform stehen im Griechischen noch folgende : 1. Als rhythmische Wechselform gi̯ō-, gi̯ē- in ζώ-ω, ζῆν (s. d.). 2a. Mit reduzierter Endsilbe - (vgl. δο-τός : δί-δω-μι) in βιο-τή, βίο-τος (vgl. ἄρο-τος), idg. gii̯ə-; ebenso in βίο-ς, das somit als ein zweisilbiges Wurzelnomen betrachtet werden darf; vgl. indessen unten. 2b. Mit reduzierter Endsilbe - (θε-τός : τί-θη-μι; idg. gii̯ə-) evtl. in kret. βίετος, falls nicht Umbildung nach den Nomina auf -ετος. 3. Mit hochstufiger Anfangssilbe und reduzierter Endsilbe, wobei der Reduktionslaut vor dem hinzutretenden Themavokal gesetzmäßig wegfiel: gei(ə)-, gei(ə)- in βέομαι, βέῃ, die dann als kurzvokalische Konjunktive des Aorists ἐβίων zu gelten haben. Die Erklärung dieser offenbar alten Formen kann indessen nicht als sicher betrachtet werden, s. Schwyzer 780 m. A. 8, Chantraine Gramm. hom. 1, 452 m. Lit.; jedenfalls verfehlt Bechtel Lex. s. βείομαι. Die übrigen idg. Sprachen bieten von dieser vielgestaltigen Wortgruppe keine Formen, die den oben genannten unmittelbar entsprechen. Wir müssen uns deshalb mit einem Vergleich der einschlägigen Wurzelformen begnügen. Wir finden dabei: 1. die in ἐ-βίω-ν vorliegende langvokalische Stufe idg. gii̯ō-, gii̯ē- in aw. ǰyā-tu- ‘Leben’ = aind. *jiyā-tu-, nach jívati in jīvā́tu- umgebildet; aw. ǰyā-tu- entspricht, wenn zweisilbig gelesen, idg. gi̯ō-, gi̯ē- in ζώ-ω, ζῆ-ν; 2. die für βέομαι angenommene Hochstufe gei(ə)-, goi(ə)- in aw. gaya- ‘Leben’, aind. gáya- m. ‘Lebensgut’, idg.goi(ə)-; 3. die für βίοτος usw. angesetzte Schwundstufe gii̯ə- vielleicht in arm. kea-m ‘ich lebe’ (vgl. arm. ara-wr ‘Pflug’ gegenüber ἄρο-τρον); anders Meillet Esquisse2 110. — Dagegen vermißt man im Griechischen die einsilbige Reduktionsstufe g-, die z. B. in aw. ǰī-ti-, aksl. ži-, wohl auch in lat. vīta, osk. bíitam (Akk.) vorliegt (vgl. W.-Hofmann s. vīvō). Auch die davon ausgehende u-Erweiterung in lat. vīvus, aind. jīvá-, aksl. živъ usw. ‘lebendig’ und in vīvō, aind. jī́vati, aksl. živǫ ‘leben’ fehlt im Griechischen, wo sie indessen in ζωϝός (s. ζώ-ω) zutage tritt. (Nach Specht KZ 62, 111 A. 2 ist deshalb βιῶ-ναι von gii̯ō()- ausgegangen; jedenfalls nicht zu beweisen). Die kurzvokalische Nebenform gĭu̯o- in got. qius, air. beo ‘lebendig’ ist auch für βίος (als *βίϝος) angesetzt worden (z. B. WP. 1, 670), ohne Not und nicht wahrscheinlich, s. Meillet BSL 26, 16ff.; jedenfalls sind βιο-τή und βίο-τος am leichtesten als Primärbildungen verständlich. I-238-239

βίρρος m. ‘Art Überwurf’ (Artend., Pap.). Deminutiv βιρρίον (Pap.). — Aus lat. birrus ‘ds.’, ursprünglich wohl keltisch, vgl. mir. berr, kymr. byrr ‘kurz’. W.-Hofmann s. birrus m. Lit., außerdem Friedmann Die jon. und att. Wörter im Altlatein 92. I-239

βίττακος m. ‘Papagei’ (Eub., Ktes.). — S. ψιττακός; dazu Nehrung Glotta 14, 184f. (Entlehnung aus einer asiatischen Sprache). I-239

βλάβη βλάβος n. f., ‘Schaden’ (ion. att., nicht Hom.). Davon βλαβερός ‘schädlich’ (Hes., ion. att.), zu ἀβλαβής wie z. B. κρατερός zu ἀκρατής (vgl. Schwyzer 482); außerdem, nach den poetischen Adj. auf -όεις, βλαβόεις (Nik.) und βλαβύσσειν· βλάπτεσθαι H. — Neben βλάβη, βλάβος steht seit alters (Il. usw.) das primäre βλάπτω, βλάψαι, ἐβλάβην ‘schädigen’, vereinzelt (T 82, 166 = ν 34) ohne Präsenssuffix βλάβεται; nach gewöhnlicher Annahme (Schwyzer 685, Chantraine Gramm. hom. 1, 311) eher alt als zu ἐβλάβην neugebildet. Von βλάπτω: βλαπτικός (Ph., Arr. usw.) und βλαπτήριος (Opp.); vgl. Chantraine Formation 396 bzw. 43ff.; außerdem βλάψις (Pl.). — Im Kretischen mit abweichendem Stammauslaut und Vokalismus: ἀβλοπές· ἀβλαβές H., ἀβλοπία = ἀβλάβεια, καταβλαπεθαι = -εσθαι (Inschr.). Die durchgehende Schwachstufe der Wurzel (kret. -λο- steht dialektisch für -λα-) hat vom Präsens und von dem η-Aorist aus sämtliche verbale und nominale Formen erobert. Die Nomina βλάβη und βλάβος sind also wenigstens in ihrer jetzigen Form dem Verb gegenüber sekundär; vgl. aber unten. — Da βλαβ- wegen der kretischen Formen sehr wohl aus βλαπ- assimiliert sein kann (Schwyzer 257), ist es möglich, damit aind. mŕ̥c- f., marká- m. ‘Beschädigung, Zerstörung’, mr̥k-tá- ‘beschädigt’, marcáyati ‘beschädigen’ und entsprechende awest. Formen, məhrk- f. usw., gleichzusetzen. Mit βλάπτω kann also (das allerdings unsichere) aind. mr̥c-ya-ti identisch sein. Hinter βλάβ-η, βλάβ-ος liegt dann wahrscheinlich ein Wurzelnomen *βλάψ = aind. mŕ̥c-, aw. məhrk-. — Dagegen bleiben lat. mulceō, mulcō sowohl wegen des Gutturals wie wegen der Bedeutung fern, s. W.-Hofmann s. vv. Vgl. auch βλάσφημος. I-239-240

βλαγίς · κηλίς. Λάκωνες H. — Höchst unsichere Vermutung bei v. Blumenthal Hesychst. 23f. mit einem Versuch, auch βλαί<ςβλητή. Λάκωνες H. daran anzuschließen. I-240

βλαδεῖς auch βλαδόν· ἀδύνατον (für βλαδύν?) H. · ἀδύνατοι ἐξ ἀδυνάτων, βλαδαρόν· ἐκλελυμένον, χαῦνον, βλάδαν· νωθρῶς, — βλαδύς (= aind. mr̥dú-, lat. mollis) und βλαδαρός sind auch in der Literatur zu verspüren, s. ἀμαλδύνω und Debrunner IF 60, 324. Die herkömmliche Zusammenstellung mit ἀμαλδύνω wird u. a. von Fraenkel IF 51, 149 verteidigt. — Unannehmbar v. Blumenthal Hesychst. 15: messap.-illyr. zu φλαδεῖν. I-240

βλαισός ‘auswärts gekrümmt, krumm(beinig), sich ringelnd’ (Hp., X., Arist. usw.). Davon als Erweiterung βλαισώδης, ferner βλαισότης und das denominative βλαισόομαι mit βλαίσωσις (alles Arist. und Gal.). — Bildung wie γαυσός, γαμψός, λοξός und andere volkstümliche Wörter (Chantraine Formation 434, Specht Ursprung 199f.). Sonst unerklärt; daraus wahrscheinlich trotz der abweichenden Bedeutung (durch oskische Vermittlung?) lat. blaesus ‘lispelnd, lallend’; s. W.-Hofmann s. v. I-240

βλά̄ξ, -κός m. f. ‘schlaff, stumpfsinnig, dumm’, auch als Fischname (Erot.); zur Erklärung Strömberg Fischnamen 33f. Davon βλακικός und βλακώδης ‘ds.’; βλακότης; auch βλακίας· ἰχθὺς ποιός H. — Denominatives Verb βλακεύω ‘schlaff usw. sein’ mit βλακεία und βλάκευμα. — Im Gegensatz zu den zahlreichen sekundären Ableitungen auf -ᾱξ, die namentlich der attischen Komödie angehören (γαύραξ, πλούταξ, στόμφαξ usw.), hat das mutmaßlich primäre und adjektivisch gebrauchte βλά̄ξ nebst Ableitungen einen weniger affektiven Stilcharakter und demgemäß eine weitere Verbreitung (Hp., Heraklit., Pl., Ar., X., Arist. usw.). Wegen des ᾱ muß es ins Ion.-Attische von außen her eingedrungen sein; vgl. Björck Alpha impurum 2 67f. — Wenn, wie wahrscheinlich, μαλακός damit zu verbinden ist, unterscheidet es sich ablautsmäßig davon nur durch die einsilbige Hochstufe *μλᾱ- > βλᾱ-, die sich u. a. sowohl im Indo-Iranischen, z. B. aind. mlā-tá- ‘weich’ (dazu Thieme KZ 66, 235ff.), wie im Keltischen, z. B. air. mlāith ‘sanft, weich’ (< *mlā-ti-), findet; sehr fraglich dagegen lat. flaccus, s. Ernout-Meillet und W.-Hofmann s. v. — Verwandt ist βληχρός, s. d.; vgl. noch μαλακός, μύλη, ἀμαλδύνα und andere daselbst genannte Wörter. I-240-241

βλάπτω s. βλάβη. I-241

βλαστάνω, ‘keimen, sprossen’ (A., Pi. usw.), Aor. βλαστεῖν intr. Fut. βλαστήσω (Thphr.), Aor. 1 ἐβλάστησα ‘hervorbringen’ (Emp., Hp. usw.), Perf. βεβλάστηκα (Hp. usw.), ἐβλάστηκα (E.); dazu neue Präsentia βλαστέω und βλαστάω, wohl denominativ, s. unten. Verbalnomina: βλάστημα ‘Keim, Sproß’ (A. usw.; zur Bildung Chantraine Formation 177f.), danach vereinzelt βλαστημός ‘Wachstum, Sproß’ (A.); βλάστησις ‘das Keimen, das Sprossen’ (Arist., Thphr.) mit βλαστητικός ‘keimend, sprossend’ (Thphr.). Daneben direkt vom Verb βλαστικός ‘ds.’ (Thphr. usw.). Als Rückbildungen vom Verb sind zu betrachten βλαστός ‘Keim, Sproß, Stengel’ (Hdt., S., Thphr. usw.) und βλάστη auch ‘Ursprung, Geburt’ (S., Pl. usw.); zur Bedeutung Fraenkel Nom. ag. 2, 138f., wo auch über den Plur. βλάστα. Deminutiv βλαστάριον· ἕλιξ ἀμπέλου EM. Erweiterte Form βλαστεῖα (Nik.), nach den zahlreichen Nomina auf -εῖον (Chantraine 60f., Mayser Pap. 1: 3, 12ff.). — Von βλαστός, βλάστη wahrscheinlich βλαστέω ‘keimen’ (Thphr.) und βλαστάω ‘hervorbringen’ (LXX) ebenso wie βλαστόω (An. Ox.). — Der Aorist βλαστεῖν, von dem schließlich alle übrigen verbalen und nominalen Formen ausgehen, läßt sich in βλασ-τεῖν, βλα-στεῖν (s. βαστάζω) oder *βλαθ-τεῖν zerlegen. Im letzten Fall bietet βλωθρός ‘hochragend’ (s. d.) einen möglichen Anhalt (Schulze KZ 28, 281 = Kl. Schr. 362); sonst kann man bei μολεύω ‘die Ausläufer beschneiden’ (s. d. und βλώσκω) Anknüpfung suchen. Bei einer Analyse βλασ-τεῖν macht das σ Schwierigkeiten. Zum τ-Element vgl. Schwyzer 704ff. — Aus anderen Sprachen bietet nur ahd. blat usw. ‘Blatt’ einen semantisch ansprechenden Vergleich (Hirt PBBeitr. 23, 305f.); es gehört aber wahrscheinlich zu lat. flōs usw., s. φύλλον. I-241

βλασφημέω, βλασφημῆσαι ‘schmähen, lästern, verleumden’ (Pl., Redner, Arist. usw.). Daneben βλασφημία ‘Schmähung, Verleumdung, Gotteslästerung’ (Demokr., E., Pl., Redner usw.) und, erheblich seltener und im ganzen später, βλάσφημος ‘lästernd, verleumdend, der Verleumder’ (D., Arist., LXX usw.). — Nach den Belegen zu schließen sind βλασφημέω und βλασφημία (vgl. besonders die gegensätzlichen Begriffe εὐφημέω und εὐφημία) älter als ihr angebliches Grundwort βλάσφημος. Es handelt sich somit wahrscheinlich um eine Bildung wie καλλιερέω (: καλὰ ἱερά), ἀνδραγαθέω, ἀνδραγαθία (: ἀνὴρ ἀγαθός), δειροτομέω (: δειρὴν τέμνειν), πολιορκέω, πολιορκία (: πόλις, ἕρκος), die nach dem Muster von z. B. οἰνοχοέω : οἰνοχόος : οἶνον χεῖν direkt aus einer Wortgruppe gebildet worden sind, vgl. Schwyzer 726. In βλασφημέω, βλασφημία fungiert als Hinterglied φήμη; der vordere Bestandteil hat mehrere hypothetische Deutungsversuche hervorgerufen (βλάβος, μέλεος usw., s. Bq). — Es verdient notiert zu werden, daß auch die Synonyme κερτομέω, λοιδορέω (s. dd.) in ihren Anfangsgliedern unklar sind. In allen diesen Fällen haben wir es mit expressiven und volkstümlichen Wörtern zu tun, die einer logischen Zerlegung spotten. I-241-242

βλαττοῖ · παιδαριεύεται H. — Latte ad loc. vergleicht lat. blatiō, blaterō ‘plappern, schwätzen’, mit denen es als Lallwort wenigstens elementarverwandt ist, vgl. βαβάζω. — Andere Hypothese bei Debrunner GGA 1910, 7. I-242

βλαύτη f. ‘Pantoffel, Sandale’ (Kom., Pl., Herod.). Deminutivum βλαυτίον (Ar. u. a.). Faktitives Verb βλαυτοῦν· ὑποδέειν. ἢ πλήσσειν σανδαλίῳ, οἱ δὲ ὑποδήματι H. (aus Men.). — Fremdwort, vgl. Schwyzer 61. — βλαῦδες· ἐμβάδες usw. H. ist nach ἐμβάδες aus βλαῦται entstellt, evtl. umgebildet. I-242

βλεμεαίνω (σθένεϊ βλεμεαίνων, -νει Θ 337 usw., immer am Versende) ‘sich brüsten, trotzen’. Daneben ἀβλεμής ‘kraftlos’ (Nik., Longin.), -έως ‘unmäßig’ (?; Panyas.). — Bildung wie μενεαίνω und vielleicht als Reimwort dazu geschaffen, s. Güntert Reimwortbildungen 151 m. Lit. Es steht jedenfalls neben *βλέμος in ἀ-βλεμής wie μενεαίνω neben μένος und ist als denominativ davon zu verstehen; näheres s. μενεαίνω. — Ohne Etymologie. I-242

βλέν(ν)ᾰ (Hp. u. a.), βλέννος n. (Arist.) f. ‘Rotz, Schleim’. Ableitung βλεννώδης ‘rotzig, schleimig’ (Hp., Arist.). Daneben βλεν(ν)ός ‘rotzig, schleimig, dumm’ (Epich., Sophr.), mit regelmäßig zurückgezogenem Akzent βλέννος m. N. eines Fisches (Sophr., Opp., H. als Erklärung von σιαλίς), vgl. Strömberg Fischnamen 29. — Da die Gemination expressiv sein kann (Meillet BSL 26, 15f.), wird jede Erklärung sehr unsicher. An und für sich dürfte nichts hindern, βλέννος auf *μλεδ-σ-νος zurückzuführen (Schwyzer 322 m. Lit., Lejeune Traité de phonétique 105; anders Specht KZ 62, 213f.) mit Anschluß an aind. ū́rṇa-mradas- ‘wollen-weich’ (= gr. *-βλεδής), Präs. mr̥dnāti, mardati, auch (vi)-mradati (< *-mled-eti) ‘erweicht’ (zu mr̥dú- ‘weich’; s. ἀμαλδύνω), mr̥t-s-nā f. ‘(guter) Lehm’, wozu u. a. noch, mit unsicheren Grundformen, aind. maṇḍa- m. n. ‘Schaum von gekochtem Reis’, mir. blind ‘eines toten Mannes Speichel’; s. Brugmann IF 6, 103 A. 1; WP. 2, 288, Pok. 718. Der sehr beschränkte Wert dieser Kombinationen liegt indessen auf der Hand. I-242-243

βλέπω, Aor. βλέψαι, übrige Formen spät ‘blicken, sehen, schauen’, oft mit Präposition, ἀνα-, ἀντι-, ἀπο- usw. (vorw. att., hell. und spät, nicht bei Hom.; zur Bedeutung Bloch Suppl. Verba 105f.). Ableitungen: βλέψις ‘das Sehen’, ἀνά-, ἀντί-βλεψις usw. (X., Arist. usw.) mit βλεψίας N. eines Fisches (Strömberg Fischnamen 42); βλέμμα ‘Blick, Auge’ (att. usw.); daneben vereinzelt βλέπος ‘ds.’ (Ar., vgl. Schwyzer 512) und βλέπησις ‘ds.’ (Ar. [falsche Konj. in PHolm. 16, 33], nach αἴσθησις usw., s. Chantraine Formation 279). — Adj. βλεπτικός ‘mit dem Sehen begabt’ (Hdn. u. a.). — Expressive Deverbativa : βλεπάζοντες· βλέποντες und βλεπετύζει· βλέπει H., viell. für βλεπετίζει, vgl. χρεμετίζει (Debrunner IF 21, 268). — Zu βλέφαρον s. bes. — Statt βλέπω steht bei Alkman 23, 75 ποτι-γλέποι Opt. (dagegen Epid. [IVa] ποτι-βλέψας) wie γλέφαρον für βλέφαρον (auch Pi.); das Schwanken β~γ legt die Annahme eines labiovelaren Anlauts g- nahe, der durch Dissimilation vor dem folgenden π sein labiales Element eingebüßt hätte, s. Schwyzer 298f. m. Lit.; vgl. noch v. Blumenthal Hesychst. 21, der auf maked. γλέπου = βλέπω hinweist. — Etymologie unbekannt. I-243

βλέτυες · αἱ βδέλλαι H. — Als Bildung auf -τυ- ist βλέτυς zunächst als ein Nomen actionis zu verstehen, das in ein Nomen agentis übergegangen ist (vgl. z. B. die Beispiele bei Brugmann Grundr.2 2: 1, 610f.); der Akzent, wenn richtig überliefert, wie in μάρτυς u. a. Der Stamm findet sich auch in καταβλέθει und καβλέει· καταπίνει, βλεῖ· βλίσσει, ἀμέλγει, βλίζει H.; zu bemerken noch βλωμός (s. d.) und βλῆρ· δέλεαρ H., EM (als äolisch bezeichnet), das nicht nur für *βλῆ-αρ (Schulze Q. 102f.), sondern auch für *βλέ-αρ stehen kann. Zum Vokalismus in βλέ-τυς usw. vgl. z. B. πτε-ρόν. Somit bedeutet βλέτυς eigentlich ‘das Trinken’ > ‘die Trinkerin’ (vgl. βδέλλα). Weitere Verwandte s. δέλεαρ. Vgl. auch βλῆραι. I-243

βλέφαρον, -α n. gewöhnl. pl. ‘Augenlider’, poet. auch ‘Augen’ (seit Il.). Davon βλεφαρίδες f. pl. (selten sg.) ‘Augenwimpern’, auch ‘Augenlider’ (Ar., X., Arist.); im selben Sinn βλεφαρίτιδες τρίχες (Paul. Aeg.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 105); βλεφαρικός ‘auf die Augenlider bezüglich’ (Cael. Aur.); βλεφαρίζω ‘blinzeln’ (Sch.). — Wie neben βλέπω γλέπω, so auch neben βλέφαρον γλέφαρον (Pi., Alkm.). Ursprüngliche Verwandtschaft mit βλέπω ist nicht glaubhaft, aber wahrscheinlich wurde es im Zusammenhang mit der Bedeutungsverschiebung zu ‘Augen’ damit assoziiert, wobei auch der Anlaut nach βλέπω umgebildet werden konnte (Brugmann Grundr.1 2, 1157 A. 1). — Unwahrscheinliche Etymologien sind bei Bq notiert. I-243-244

βλῆραι · αἱ κνίδαι. ἄλλοι χόρτον. οἱ δὲ τῶν ὀσπρίων τὴν καλάμην H. — Unhaltbare Hypothese bei Strömberg Wortstudien 54f. Die Bedeutung ‘χόρτος’, d. h. ‘Futter’ macht eine Anknüpfung an die Wortsippe von βλῆρ (s. βλέτυες) möglich. I-244

βληστρίζω s. βάλλω. I-244

βλῆτρον nur O 678 ξυστὸν κολλητὸν βλήτροισι. Wort unsicherer Bedeutung; vgl. die tastenden Erklärungen bei H.: τῆς ἁμάξης τροχοί. σφῆνες. ἐμβλήματα. οἱ δὲ γόμφους καὶ συμβολὰς ἀξόνων, also ‘Reif, Ring’ oder ‘Pflock’. — Die Anknüpfung an βάλλω ist wegen der unsicheren Bedeutung nicht strikt zu beweisen. — Das faktitive Ptz. βλητρώσας ‘mit β. versehend’ wird von H. mit ἐμβαλών erklärt. I-244

βληχή, dor. βλᾱχά̄ (vgl. unten) f. ‘Geblök’ (μ 266, A. Th. 348 [lyr.], E. Kyk. 48 [lyr.]). Daneben βληχάομαι ‘blöken’ (Ar., Theok. u. a.), der Form nach denominativ aber in Wirklichkeit wahrscheinlich eine unabhängige Intensivbildung wie βρυχάομαι, μυκάομαι usw. (s. Schwyzer 683), wobei das früher aber vereinzelt belegte βληχή als postverbal zu beurteilen ist. — Von βληχάομαι auch βληχηθμός (Ael., Nonn., wie μυκηθμός u. a.), βλήχημα H., βληχάς (Opp., nach μηκάς, Schwyzer 508) und βληχητά pl. ‘blökende Tiere’ (Eup., Ael., wie ἑρπετά u. a.). — Außerdem βληχώδης ‘blökend’ (Babr.), zunächst von βληχή. — Erweiterte Verbalform βληχάζω (Autokr.). — Alte Elementarschöpfung, die indessen gleichzeitig mit mehreren gleichartigen und gleichbedeutenden Wörtern in anderen idg. Sprachen genetisch verwandt sein kann, z. B. čech. blekati, mnd. bleken > nhd. blöken; ohne Guttural russ.-ksl. blějati, lett. blêt, mhd. bloejen; mit Dental germ., z. B. ags. blǣtan, ahd. blāʒen; alles mit (urspr.) -Vokal. Das nur bei den Tragg. in lyrischen Abschnitten vorkommende βλᾱχά̄ muß ein Hyperdorismus sein; zu beachten βληχάομαι bei Theok. I-244

βλῆχνον auch βλῆχρον (Dsk., Sch.), βλήχρα H. n., ‘Farnkraut’. — Ohne Etymologie. I-244

βληχρός ‘schwach’ (ion. poet.). Daneben ἀβληχρός (Hom. usw.; s. d.). — Wahrscheinlich zu βλά̄ξ (s. d.), aber im Gegensatz dazu echt ionisch. Das -χ- kann als expressiv-volkstümlich erklärt werden (vgl. die Beispiele bei Chantraine Formation 225f., Schwyzer 498); der Umweg über einen σ-Stamm (*μλᾱκ-σ-ρός, s. WP. 2, 290) ist entbehrlich. Abzulehnen Bechtel Glotta 1, 71, Lexil. s. ἀβληχρός (zu μαλάχη). — Zum Pflanzennamen βλῆχρος, der damit identisch sein kann, Strömberg Pflanzennamen 24. I-244-245

βλήχων, -ωνος, ion. γλήχων, dor. γλά̄χων, auch βληχώ, -ς usw. (darüber Schwyzer 479) f. Art Minze, ‘Mentha pulegium’ (h. Cer. usw.). Davon βληχωνίας als Attribut (Apposition) von κυκεών (Ar.); zahlreiche semantische Parallelen bei Chantraine Formation 94f.; — βληχώνιον (Sch.). Außerdem γληχωνίτης (οἶνος; Dsk., Gp. usw., vgl. Redard Les noms grecs en -της 96). — Herkunft unbekannt, wahrscheinlich Fremdwort. Der Wechsel β- ~ γ- kann auf Dissimilation beruhen (Schwyzer 299). Über eine volksetymologische Anknüpfung an βληχάομαι Strömberg Pflanzennamen 155. I-245

βλῑμάζω ‘antasten, drücken, quetschen, z. B. die Frauenbrüste’ (Kom., Hp.), auch = βλίττω (EM). Verbalnomen βλίμασις· ἡ τῶν τιτθῶν θλῖψις H. Davon ist nicht zu trennen βλιμάξαι· βαστάσαι (wohl ‘fassen’ od. ähnl.; nach Latte korrupt), ἀτιμάσαι H. mit βλίμη· προπηλακισμός, ὕβρις H. EM, wenigstens semantisch postverbal. — Unerklärt. I-245

βλίτον n. ‘Melde’ (Hp., Kom., Thphr., Dsk.). Davon einige volkstümliche und herabsetzende Personenbezeichnungen: βλιτάς f. ‘altes Weib’, βλιτο-μάμμας Schimpfname unsicherer Bedeutung (Ar. Nub. 1001; oder zu μέλι?), βλίτωνας· τοὺς εὐήθεις H. — Daraus entlehnt lat. blitum ‘Melde’, als Bed.-LW auch bliteus ‘abgeschmackt, blöde, albern’, beide seit Plaut. — Unklar. — Von Persson Beiträge 1, 213 und Anderen als *μλ-ιτον zu μύλη, ἀμαλδύνω (s. dd.) usw. gezogen mit Hinweis auf nhd. Melde zu idg. mel-dh-. I-245

βλίττω, analog. βλίζω (H.), Aor. βλίσαι ‘Honig ausschneiden, zeideln’ (att., Arist.). Davon βλιστηρίς f. ‘zeidelnd’, — Beiwort von χείρ (AP), zu *βλιστήρ ‘Zeidler’; vgl. Βλιστίχη EN. Aus *μλιτ-ι̯ω (Fick 1, 516), Denominativum von μέλι, -ιτος ‘Honig’ mit bemerkenswerter Schwundstufe; vgl. Schwyzer 723 m. A. 8, Meillet BSL 27, 124. I-245

βλιχώδης (Hp.), βλιχανώδης (Diph.) ‘klebrig’. — Offenbar mit dem synonymen γλίσχρος, γλίχομαι irgendwie zusammenhängend, u. z. daraus entweder durch Dissimilation (vgl. s. βλήχων) oder durch Kontamination mit einem anderen Wort entstanden. I-245

βλοσυρός Adjektiv unsicherer Bedeutung, vorw. poet. (seit Il.), aber auch Pl., Thphr. u. a. Vereinzelte Komposita und Ableitungen: βλοσυρώπῑς f. (Λ 36; -ῶπις Man.; zur Quantität des ι Schwyzer 463 A. 5 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 208), -ωπός (AP, D.P.), -ώπεε (Dual, Opp.); βλοσυρόμματος (Kerk.), βλοσυρόφρων (A. in lyr.). — βλοσυρότης (Eust.). — Ohne sichere Etymologie. Kühne Hypothese von Leumann Hom. Wörter 141ff. (wo ausführliche Behandlung): ein rein literarisches und künstliches Wort, aus dem hom. Komp. βλοσυρώπις eig. ‘geieräugig’ oder ‘geierantlitzig’ (von Γοργώ) herausgelöst; βλοσυρ(ός) also eig. ‘Geier’ und als äolisch aus idg. *gl̥tur(os) mit lat. voltur(us) ‘ds.’ identisch. — Jedenfalls ist βλοσυρός ein sehr altertümliches und poetisches Wort, über dessen eigentliche Bedeutung schon früh Unsicherheit herrschte. I-245-246

βλύζω, Aor. βλῠ́σαι ‘hervorquellen (lassen), hervorsprudeln’ (poet. seit Il. und späte Prosa); daneben βλύω (LXX, A. R. usw.) und βλυστάνω (Prokop. u. a.); auch mit Präposition (ἀπο-, ἐκ-). — Verbalnomina: βλύσις (AP), βλύσμα, ἔκ-~ (Pap., Hdn.), βλυσμός (Gloss.); Adj. βλύδιον· ὑγρόν, ζέον H. — An βλύζω erinnern κλύζω, φλύζω (vgl. Güntert Reimwortbildungen 149); zu βλύω vgl. φλύω, auch βρύω. Eine Erweiterung liegt in βλυστάνω vor (vgl. βλαστάνω und Schwyzer 700); von βλύζω ist βλύδιον nicht zu trennen (Schulze KZ 54, 301 = Kl. Schr. 362); βλύω ist zweifellos sekundär. — Seit Fick 1, 36; 404 vergleicht man aind. galati ‘herabtröpfeln’, ahd. quellan usw. (vgl. s. βάλλω). I-246

βλωθρός ‘hochgewachsen’ (von Bäumen, ep. seit Il.). Keine Ableitungen. — Wenn aus *μλωθρός, kann βλωθρός mit einem arisch-germanischen Wort für ‘Kopf’ eng verwandt sein, aind. mūrdhán- m. ‘Kopf’, oft übertr. ‘Gipfel usw.’, ags. molda m. ‘der obere Teil des Kopfes, Scheitel’. Sogar direkte Ableitung von einem idg. r-n-Stamm kann vorliegen; zur Entsprechung gr. ρω : aind. ūr < idg. l̥̄ Schwyzer 361. In Betracht kommt auch toch. A malto ‘zuerst’ (Fraenkel IF 50, 6f.). — Anders Pisani KZ 62, 271 (zu toch. mrāc). — Vgl. βλώσκω und μέλαθρον, auch βλαστάνω. I-246

βλωμός m. ‘Bissen, Stück’ (Kall.), ὀκτά-βλωμος (Hes. Op. 442). Davon βλωμίδιον (Eust.), βλωμιαῖος (Philem. ap. Ath. 3, 114e; cod. βλωμίλιος). — Verbalnomen zu βλέει in καβλέει H. (s. βλέτυες), nach ψωμός gebildet (Güntert Reimwortbildungen 151 — βλωμοί· στραβοί H. muß ein anderes Wort sein (nach Grošelj Živa Ant. 3, 198 zu βάλλω[?]). I-246

βλώσκω, Aor. μολεῖν, Fut. μολοῦμαι (βλῶξαι, βλώξω Lyk.), Perf. μέμβλωκα, auch mit Präp. ‘gehen, kommen’ (vorw. poet., auch dor., seit Il.). κατα-, προ-, ἐκ- usw., Davon προμολή, gew. pl. -αί ‘Vorsprung, Auslauf’ (Ar., Kall.); als Zusammenbildungen αὐτόμολος ‘Überläufer’ (Hdt., Th. usw.) mit αὐτομολέω, -ία, -ησις und ἀγχίμολον (ἦλθε, Il. usw.) altes Absolutivum, s. Wackernagel Mus. Helv. 1, 226ff. — Zu ἔβλω· ἐφάνη, ὤχετο, ἔστη; ἀγχιβλώς· ἄρτι παρών H. gehört βλῶσις· παρουσία H. — Das Präsens βλώσκω aus *μλώ-σκω (vgl. μολ-εῖν, μέ-μβλω-κα) hat außerhalb des Griechischen keine sichere Entsprechung. (Nach v. Windekens Lexique étymologique s. v. zu toch. A mlosk-, mlusk- etwa ‘entrinnen’). Dagegen kehrt der Aorist auf slavischem Gebiet wieder, z. B. serb. iz-mòlīti eig. *hervorkommen lassen’, d. h. ‘vorzeigen’, slov. molíti ‘hinstrecken, hinhalten’. Weitere, z. T. unsichere Verwandte, bei WP. 2, 294f., Pok. 1, 721f. — Ablautsmäßig ist μολεῖν als die ο-farbige Hochstufe einer zweisilbigen Wurzel zu betrachten, von der βλώσκω wahrscheinlich die idg. Schwundstufe ml̥̄-, möglicherweise die langvokalische Stufe mlō- repräsentiert (Schwyzer 360ff.). — Vgl. βλωθρός und μολεύω, auch μέλαθρον und μέλλω. I-246-247

βοάγρια n. pl. ‘Stierschilder’ (Hom., AP). — Zusammenbildung aus βοῦς ἄγριος ‘wilder Stier’; das Komp. Βοάγριος als Flußname (Lokris) schon B 533. — Zu βόαγρος ‘Wildstier’ (Philostr.) vgl. σύαγρος ‘Wildschwein’ und Schwyzer 439. I-247

βοή f. ‘lauter Ruf, Geschrei’. Daneben βοάω, Aor. βοῆσαι (ion. auch βῶσαι) ‘laut rufen, schreien’ (beide seit Il.) mit selten vorkommenden Ableitungen: βοητύς ‘Ruf’ (α 369 ohne merkbaren Unterschied von βοή χ 77 und 133; voreiliger Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 70), βόᾱμα, βόημα ‘ds.’ (A. u. a.), βόησις ‘ds.’ (Thd., Quint.); βοητής ‘Rufer’ (Hp.; kaum mit Fraenkel Nom. ag. 1, 165 βοήτης, von βοή), fem. βοᾶτις (αὐδά) ‘laut’ (A. in lyr.). Hierher auch der Fischname βόᾱξ, βόηξ, βῶξ (Epich., Ar., Arist. u. a.)?; vgl. Strömberg Fischnamen 66, Björck Alpha impurum 62. — Zu βοηθέω, -θόος, -θός und βωστρέω s. bes. — Formal kann βοάω entweder ein Denominativum von βοή oder ein intensives Deverbativum vom Typus ποτάομαι sein, wobei βοή als postverbal zu beurteilen wäre. Die eigene Bedeutung und die Bildungsweise der semantisch verwandten γοάω, μυκάομαι usw. (Schwyzer 683) entscheiden zugunsten der letzteren Alternative. — Aus anderen Sprachen melden sich zum Vergleich das aind. Intensivum jóguve ‘laut aussprechen’ und eine balto-slavische Gruppe, z. B. lit. gaudžiù, gaũsti ‘heulen’, aksl. govorъ ‘Lärm’. Diese können aber ebensogut zu γοάω gehören; bei einer solchen Gruppierung kann man auch eine germanische Gruppe, z. B. ags. cīegan (< urg. *kaujan) ‘rufen’ einbeziehen. Eine Zurückführung von γοάω auf eine vor der anzunehmenden Schwundstufe γυ- (γογ-γύ-ζω) entlabialisierte Wurzel gou-, woraus auch βοάω (Aufrecht KZ 1, 190), ist bedenklich. So liegt der Gedanke nahe, mit Persson Beiträge 898 A. 2 und Anderen βοάω aus einer Lautimitation bū (s. βύας) mit formaler Anlehnung an γοάω (Güntert Reimwortbildungen 162 A. 1) herzuleiten. — Lat. boō, boāre ist aus βοάω entlehnt (W.-Hofmann s. v.). I-247-248

βοηθόος, dor. βοᾱθόος, att. und Hdt. βοηθός (vgl. unten) ‘der auf den Ruf zu Hilfe eilt, helfend, Helfer’ (seit Il.; zur Bedeutung Schulze Kl. Schr. 188). Davon als Denominativum ätol. βοᾱθοέω, lesb. βᾱθόημι, durch Hyphärese (Schwyzer 252) dor. βοᾱθέω, att. und Hdt. βοηθέω ‘auf den Ruf zu Hilfe eilen, helfen’ (zur Verbreitung E. Kretschmer Glotta 18, 96f.). — Ableitungen. Von βοαθόος bzw. βοηθό(ο)ς: ätol. βοαθοΐα (< *βοαθοϝία), att. βοήθεια (Umbildung nach den Nomina auf -ειᾰ [Schwyzer 469] mit Umfärbung des Vokals nach βοηθέω) ‘Hilfe’. Von βοηθέω: als Rückbildung βοηθός (evtl. aus βοηθόος kontrahiert; s. Schwyzer 469 und Sommer Nominalkomp. 26 A. 4); ferner βοήθησις ‘(Ab)hilfe, Heilmittel’ (Hp. u. a.) mit βοηθήσιμος (Thphr.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 93) und βοηθητικός (Arist. u. a.); βοήθημα ‘ds.’ (Hp., Arist., Plb. u. a.) mit βοηθηματικός (Dsk.). — βοηθόος ist eine Zusammenbildung aus einem Ausdruck (ἐπὶ) βοὴν θεῖν od. ähnl. (vgl. Schulze a. a. O.). Nachbildungen von βοηθέω, βοηθός sind die synonymen βοηδρομέω (Eur., Plu. u. a.) mit dem Festnamen βοηδρόμια pl. (D. usw.; davon die Monatsnamen Βοηδρομιών und Βοηδρόμιος) und βοηδρόμος (E.; zur Verbreitung E. Kretschmer a. a. O.). I-248

βόθρος m. ‘Loch, Grube, Graben, Vertiefung’ (seit Il.; zur Bedeutung s. Hutchinson JHSt. 55, 1ff.; auch als Sportterminus, s. Jüthner WienStud. 53, 68ff.). Deminutivum βοθρίον (Alkiphr., Gp.), auch ‘kleines Eitergeschwür’ (Hp.). Denominative Verba, vereinzelt belegt: βοθρέω (Nonn.), βοθρεύω (Gp.), βοθρόω (Gal. u. a.), βοθρίζω (Heliod. ap. Orib.) ‘eine Grube graben usw.’. — Neben βόθρος steht in derselben Bedeutung und mit demselben Stammwechsel wie z. B. in αἰσχρός : αἰσχύνομαι (vgl. auch Schwyzer 481, Chantraine Formation 208) βόθῡνος m. (Kratin., X., Arist. u. a.); Deminutiv βοθύνιον (Zos. Alch.), Nom. ag. βοθυνωτής ‘Grabenzieher’ (Aq.). — βόθρος und βόθυνος sind kaum von einer weitverzweigten Wortgruppe der Bed. ‘graben usw.’ zu trennen, die u. a. von folgenden Wörtern vertreten ist: lit. bedù ‘stechen, graben’, bẽdrė ‘Grube’, lat. fodio ‘graben’, fossa ‘Graben’, gall. bedo- ‘Kanal, Graben’, kymr. bedd ‘Graben’; in Betracht kommen auch germ., z. B. got. badi ‘Bett’, heth. padda- (pidda- ?) ‘graben’, toch. A pat- ‘pflügen’. Diese Etymologie setzt indessen voraus, entweder daß ein idg. bhodh- ausnahmsweise schon vorgriechisch zu bodh- dissimiliert sei, oder daß βόθρος seinen Anlaut von βαθύς bezogen hätte, was nicht ausgeschlossen ist; vgl. Alkiphr. 3, 13 ἐμβαθύνας βόθρια. — Nach H. Petersson Heteroklisie 128ff. gehört βόθρος dagegen mit anlautendem Labiovelar zu γυθίσσων· διορύσσων H. und weiterhin zu βαθύς usw. (s. βυθός). I-248-249

Βοιωτός gew. pl. Βοιωτοί, sing. gew. Βοιώτιος (vgl. K. Meister HK 14) Volksname (seit Il.). Deminutivum Βοιωτίδιον (Ar.); weitere Ableitungen: Βοιωτία Landschaft in Hellas mit βοιωτιακός (Delos IIIa, Str.) und βοιωτικός (D. S., Plu.); f. Βοιωτίς (X.). Denominativum βοιωτιάζω (-ίζω) ‘es mit den Böotern halten, böotisch sprechen’ (Aeschin., X. u. a.). — Von Schulze ZGLE 30 mit dem Bergnamen Βοῖον ὄρος in Nordepirus zusammengestellt, der nach Krahe IF 57, 121 illyrisch ist. Nicht mit Radermacher und antiken Gewährsmännern als "Rinderland" zu βοώτης usw.; s. Krahe a. a. O. I-249

βόλβιτον -ος m. (Thphr., Dsk.), βόλβιθος (PMag. Par.; nach σπύραθος, σπέλεθος usw., s. Chantraine Formation 367); daneben βόλιτον, -ος (Kratin., Ar.) n., ‘Kuhmist’; zur Bedeutung und Verbreitung Rohlfs ByzZ 37, 54f.; davon βολίτινος (Ar.) und βολίταινα N. eines übelriechenden Fisches (Arist.). — Vgl. zu βολβός. Die gewöhnliche Annahme, βόλιτον sei durch progressive Dissimilation aus βόλβιτον entstanden (Schwyzer 260, Solmsen BphW 1906, 722), ist kaum überzeugend. Eher ist βόλβιτον eine euphemistische oder scherzhafte Angleichung an βολβός; die Form der Komödie und der niedrigen Sprache wurde wohl als zu derb empfunden. Für βόλιτον ist Anknüpfung an βάλλω, βόλος zu erwägen, vgl. bes. βολεών ‘Düngerhaufen’. Die Schwierigkeit, die in der nicht aufgeklärten Ableitung liegt, hängt offenbar mit der Volkstümlichkeit des Ausdrucks zusammen. I-249

βολβός m. ‘Zwiebel’ (att., Arist., Thphr. usw.). Mehrere Deminutiva: βολβίον (Hp.), βολβάριον (Epikt.), βολβίσκος (AP) ‘kleine Zwiebel’; βολβίδιον N. eines starkriechenden Fisches (Hp.). — Dagegen müssen βολβίτιον (Gal.), βολβιτίνη (H., vgl. auch Arist. und Speus. ap. Ath. 7, 318e), die ebenso einen Fisch bezeichnen, zu βόλβιτον gehören. Die Beurteilung vom Fischnamen βολβιτις (Epich.) hängt vom Akzent ab: falls βολβῖτις, zu βολβός; falls dagegen βολβιτίς, zu βόλβιτον. Vgl. Thompson Fishes 33, Fraenkel Nom. ag. 2, 174 A. 1; auch Redard Les noms grecs en -της 85. — Sicher von βολβός kommt der Pflanzenname βολβίνη (Thphr., s. Strömberg Theophrastea 86). — Außerdem βολβώδης (Thphr.). — Lautsymbolische Reduplikationsbildung ohne direkte Verwandte (lat. bulbus ist LW). Rein lautlich erinnern daran einige Ausdrücke für runde od. ähnl. Gegenstände, z. B. lat. bulla ‘Wasserblase usw.’, βυλλά· βεβυσμένα H., lit. bur̃bulas ‘Wasserblase’ usw., vgl. βομβυλίς s. βόμβος; ferner arm. boɫk ‘Radieschen’, aind. bálba-ja- m. Grasart, ‘Eleusine indica’, eig. "balba-geboren". Genetische Verwandtschaft kann für arm. palar ‘pustula’ in Betracht kommen (doch sehr unsicher). S. WP. 2, 111, Pok. 103; auch W.-Hofmann s. bulbus (mit reicher Lit.) und βῶλος. I-249-250

βολεός, βολέω, βολεών s. βάλλω. I-250

βόλινθος m. Tiername, viell. ‘Wisent’, = βόνασος (Arist.). — Wegen βόνασος viell. aus *βόνινθος dissimiliert. An βοῦς (sekundär?) angelehnt; sonst dunkel, wahrscheinlich vorgriechisch (Krahe Die Antike 15, 180). Nach v. Windekens Le Pélasgique 79ff. pelasgisch. I-250

βόμβος m. ‘dumpfer Ton’ (ion. att. usw.) mit βομβώδης (Ael., Gal.), βομβήεις (APl., Nonn.; poetische Bildung, vgl. Chantraine Formation 272, Schwyzer 527), βομβικός (Sch.), Adv. βομβηδόν (A. R., Luk.). Daneben βομβέω ‘dumpf tönen’ (seit Il.) mit βόμβησις (LXX), βομβητής (AP), βομβήτρια fem. (Orph.), βομβητικός (Eust.). — βομβάξ Interjektion, als ironische Imitation eines schwülstigen Stils (Ar. Th. 45), mit intensiver Reduplikation βομβαλοβομβάξ (ibid. 48). — Mit βόμβος hängen zusammen: 1. βομβυλιός (Akz. nach Hdn. 1, 116; ion. att.) ‘summendes Insekt, Hummel’, auch übertr. als Bezeichnung eines enghalsigen Kruges (wegen des beim Ausgießen entstehenden Lautes; oder zu βομβυλίς?), ebenso βομβύλην· λήκυθον H. und βομβυλία· κρήνη ἐν Βοιωτίᾳ H. (richtig überliefert?); Denominativum βομβυλιάζω (Arist.); — mit anderer Sinnfärbung: βομβυλίδας· πομφόλυγας H. — 2. βόμβυξ, -ῡκος m. ‘dumpftönende Flöte, der tiefste Ton der Flöte’ (Ar., Arist. usw.) mit βομβυκίας (κάλαμος; Thphr.) und Βομβύκᾱ f. N. einer Flötenspielerin (Theok.); auch = ‘Hummel’ od. ähnl., wovon βομβύκιον Art Biene usw. (Arist. u. a.). — 3. βομβρύζων· τονθορύζων, βοῶν; βομβρυνάζειν· βρενθύεσθαι H. — Gehört mit βέμβιξ (s. d.) zu einer großen Wortgruppe lautimitierenden oder lautsymbolischen Charakters, die sich auch mit den s. βολβός besprochenen Bildungen berühren. Außer den s. βέμβιξ genannten Wörtern seien noch erwähnt: lit. bim̃balas, lett. bam̃bals ‘Käfer’, russ.-ksl. bubenъ ‘Trommel’, alb. bumbulit ‘es donnert’, ano. bumla f. ‘Trommel’; mit derselben Bedeutung wie βομβυλίς lit. bum̃bulas, bur̃bulas ‘Wasserblase’. Lat. bombus ist gr. LW. — Lit. s. βέμβιξ und βολβός. I-250-251

βόμβυξ, -ῡκος m. ‘Seidenwurm’ (Arist., Alkiphr.). Davon βομβύκιον ‘Kokon des Seidenwurms’ (Arist.) und βομβύκινος (Lib., Ps.-Kallisth.). — Orientalisches LW, vgl. osm. türk. pambuk ‘Baumwolle’. Daneben πάμβαξ (Suid.), παμβακίς (AP) ‘Baumwolle’; durch Assimilation βαμβάκιον (Suid.), βαμβακοειδής (Dsk.); zunächst aus mpers. pambak ‘Baumwolle’, woraus auch arm. bambak, oss. bämbäg ‘ds.’. Aus dem Iran. stammt wruss. bambák usw.; aus dem Griech. lat. bombȳx (Plin. usw.) und spätlat. bambax, bambagium mit ital. bambagia. Daneben ital. bombagio, frz. bombasin usw. Die Quelle von russ. bumága ‘Baumwolle, Papier’ ist strittig; viell. aus dem Ital., s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v., wo auch weitere Lit. — S. auch Lokotsch Et. Wb. d. europ. Wörter or. Ursprungs Nr. 1617. I-251

βόνασ(σ)ος m. ‘Wisent’ (Arist., Str.). — Unerklärtes Fremdwort. Vgl. βόλινθος. I-251

βορά f. ‘Fraß (eines Raubtiers)’ (ion. att., vorw. poetisch). Daneben βορός ‘gefräßig’ (Ar. Pax 38 u. a.), wie θοός usw. gebildet (Schwyzer 459), aber trotzdem vielleicht aus Zusammenbildungen wie δημο-βόρος (s. u.) herausgelöst; vgl. Porzig Satzinhalte 304. — Regelmäßiges Verbalnomen (Chantraine Formation 18f.) zu einem primären Verb, das mit gewöhnlichem e-Vokalismus im arm. Aorist e-ker ‘er aß’ und in lit. geriù, gérti ‘trinken’ vorliegt, aber im Griech. von dem anders gestalteten βιβρώσκω (s. d.) ersetzt worden ist. Lat. vorāre kann, falls nicht iterative Sekundärbildung, von einem Nomen *vorā = βορά ausgehen. — Eine alte Zusammenbildung mit verbalem Hinterglied ist δημο-βόρος ‘das Volk verzehrend’ (Il., ebenso θυμο-βόρος), das bezüglich des Hinterglieds mit aind. aja-gará- "Ziegen verzehrend", ‘Boa’ und aw. aspō-gara- ‘Rosse verzehrend’ identisch ist; lat. carnivorus (Plin.) ist dagegen eine gelehrte Neubildung nach griechischem Vorbild, s. W.-Hofmann s. vorō. — Vgl. βιβρώσκω, βάραθρον, δέρη. I-251

βόρασσος m. Bez. der in der Blütenscheide eingeschlossenen Frucht (Dsk. 1, 109, 5). — Ägyptisches Wort; vgl. arab. bosr ‘unreife Dattel’. I-251

βόρατον s. βράθυ. I-251

βορβορίζει · γογγύζει, μολύνει. Κύπριοι H. mit βορβορισμός (Cael. Aur.) = βορβορυγμός; βορβορύζω ‘knurren’ (vom Magen) (Hp.) mit βορβορυγή· ποιός τις ἦχος, ὅν καὶ κορκορυγὴν καλοῦσιν H., βορβορυγμός ‘ds.’ (Hp.); im selben Sinn auch βορβόρωσις (Archig. ap. Aët.), als ob von βορβορόω (s. βόρβορος). — Onomatopoetische Reduplikationsbildung. Zusammenhang mit βόρβορος ist wegen der stark abweichenden Bedeutung nicht einleuchtend; bei Wörtern dieser Kategorie ist anderseits mit den unerwartetsten und seltsamsten Bedeutungsveränderungen (etwa über die Kindersprache?) zu rechnen. In βορβορίζει gehen übrigens die beiden Vorstellungen zusammen. I-251-252

βόρβορος m. ‘Schlamm, Kot’ (ion. att.). Ableitungen: Βορβορῖται N. eines Vereins in Thera (Inschr.) und einer manichäisch-gnostischen Sekte (Epiph. u. a.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 189, 217, 259 m. Lit. — βορβορώδης ‘voll Schlamm, schmutzig’ (ion. att.). — Denominative Verba: βορβορόω ‘mit Schlamm füllen’ (Arist.), βορβορίζω ‘schlammartig sein’ (Dsk.); = μολύνει H. — Vgl. auch zum Vorherg. — Expressive Reduplikationsbildung, vielleicht onomatopoetisch (vgl. βορβορίζει). Falls Erbwort, kann es zu russ.-ksl. usw. bara ‘Sumpf’, illyr. Metu-barbis (Inselname, eig. "zwischen Sümpfen"?) und einigen anderen weniger sicheren oder sehr unsicheren EN und Appellativen gehören, s. Vasmer Russ. et. Wb. s. bara, Krahe Glotta 22, 125 und Sprache 1, 39 mit weiteren Angaben. — Die Zusammenstellung mit arm. kork ‘Schmutz’ (Bugge KZ 32, 12) setzt eine an und für sich mögliche idg. Grundform *gorg(or)o-s voraus. I-252

βορέας, -ου, kontr. βορρᾶς, -ᾶ (att.), βορέης, kontr. βορῆς, -έω (ion.), βορίαις (lesb.) m. ‘Nordwind, Norden’, auch EN (seit Il.); zur Bed. im allg. Nielsen Class. et Mediaeval. 7, 1ff. Ableitungen: βόρειος, ion. βορήιος (zur Bildung Chantraine Formation 52, Schwyzer 468 : 3) ‘auf den Nordwind bezüglich, nördlich’; fem. auch βορε(ι)άς, βορηιάς, vorwiegend als Patronymikon (A., S. usw.); in dieser Funktion auch Βορηΐς (Nonn.); mask. Entsprechung Βορεάδης, -ηιάδης (D. S., AP; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 184). Neben βόρειος vereinzelt belegte andere Bildungen, fast alle späten Datums: βορραῖος (A. u. a.), βορειαῖος (APl.); βορεινός, βορ(ρ)ινός (Pap. usw.; vgl. Wackernagel Unt. 104 A. 1); βοριακός (IGRom.), βορεῆτις f. (D. P.). — Βορεασταί N. der Verehrer des B. in Athen (H.; vgl. ’Απολλωνιασταί usw.) und Βορεασμοί N. des Festes (H., wie von *βορεάζειν; vgl. ’Αδωνιασμός und ἀδωνιάζειν). — Lokaladverbia: βορέηθεν, βορρᾶθεν, βορρόθεν usw. — Denominatives Verb: βορεύω ‘vom Norden kommen’ (vom Sturm; Thphr.). — Nicht sicher gedeutet. Von Prellwitz ansprechend als ‘Bergwind’ zu einem Wort für ‘Berg’ gezogen, das mit wechselnder Stammbildung und wechselndem Ablaut in mehreren idg. Sprachen vorkommt: aind. girí- = aw. gairi- ‘Berg’, lit. gìrė ‘Wald’, aksl. gora ‘Berg’, wozu noch illyr. bora ‘Berg’ in Namen (Krahe IF 57, 125ff.); s. noch δειράς. Demnach wären die ‘Υπερ-βόρεοι eig. ‘die jenseits der Berge wohnenden’ (Pedersen KZ 36, 319). Die Stammbildung ist indessen nicht ganz aufgeklärt; Vermutungen bei Pedersen Cinq. décl. lat. 66 und bei Schwyzer 461. (Zu den Windnamen auf -ίας im allg. Chantraine Formation 95.) Hierher noch nach Mann Lang. 17, 21 alb. gorén m. ‘Norden’. — Andere Etymologien von βορέας bei WP. 1, 682 und Bq; dazu Pedersen a. a. O. A. 1. — Noch unsicherer ist die Zugehörigkeit von βαρύες· δένδρα H. (Osthoff Etym. Parerga 1, 48); anderer Vorschlag bei WP. 1, 689 m. Lit. I-252-253

βόσκω (seit Il.), Fut. βοσκήσω (seit Od., aber s. Chantraine Gramm. hom. 1, 446), ἅπ. λεγ. βώσεσθε (A. R. 1, 685; vgl. unten); übrige Formen ἐβοσκήθην, βεβόσκηκα, ἐβόσκησα hell. und spät ‘auf die Weide treiben, weiden’, Med. ‘sich nähren, weiden’. Abgeleitete Nomina actionis: βοσκή ‘Futter, Weide’ (A. E. in lyr., Arist., Pap.); βόσκημα (vgl. βοσκή-σω) ‘ds.’, aber gew. (im Plur.) ‘Vieh auf der Weide, Herden’ (Trag., X., Arist. usw.) mit βοσκηματώδης (Str. usw.); βόσκησις ‘Futter’ (Sm. u. a.). — Nomina agentis: βοσκός ‘Hirt’, auch ‘sich selbst ernährend’ (Aesop. u. a.); wohl aus Zusammenbildungen wie γηρο-βοσκός (S. usw.) verselbständigt, vgl. Schwyzer 541; fem. βοσκάς ‘sich (selbst) ernährend, ernährt’ (Nik., Aët.) mit βοσκάδιος (Nik.); vgl. βασκᾶς; βοσκήτωρ ‘Hirt’ (EM, Sch.). — Neben diesen Wörtern, die alle von der ursprünglich auf das Präsens beschränkten σκ-Erweiterung ausgehen, finden sich ältere Ableitungen von der Verbalwurzel: βόσις ‘Futter’ (Τ 268 u. a.); βοτόν ‘Weidevieh’, bes. ‘Schaf’ (poet. seit Il.) mit βότε(ι)ος ‘aus Schaf bestehend’ (Pap. u. a.), βοτάνη (s. d.) und βοτέω ‘weiden’ (Nik., H.); βοτήρ ‘Hirt’ (o 215, Trag., späte Prosa; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 215; 2, 2f.) mit βοτηρικός (Plu., AP); fem.βότειρα (Eust.); daneben βώτωρ (Hom., AP; Fraenkel op. cit. 1, 14f., Benveniste Noms d’agent 29 mit Versuch einer funktionellen Differenzierung von βοτήρ); in Zusammenbildungen -βώτης und -βότης (συ-βώ-της, ἱππο-βό-της, Fraenkel 1, 35); — als Vorderglied in βωτι-άνειρα ‘Männer ernährend’ (ep. seit Il.); umstrittene Bildung, s. zuletzt Knecht Τερψίμβροτος 11, außerdem Sommer Nominalkomp. 170, 178, 180f., Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 33ff. — Sowohl Bedeutung wie formale Struktur lassen darauf schließen, daß die Sippe von βόσκω altererbt ist. Am nächsten kommt lit. gúotas ‘Herde’ (Fick 1, 408), das mit dem semantisch nahestehenden βοτόν bis auf den Ablaut (δῶ-ρον : δο-τός) identisch sein kann. Aus lit. gaujà ‘Herde, Rudel’, gujù, guìti ‘treiben’ geht indessen hervor, daß lit. gúotas einen reduzierten Langdiphthong ōu enthalten hat, wozu im Griechischen als Schwachstufe eintrat; vgl. denselben Prozeß in äol. πώνω ‘trinken’ (aus pōi- neben pī- in πίνω) : ποτόν ‘Trank’. — Weiterer Anschluß an βοῦς usw. (Hirt Der idg. Ablaut 31) ist schon aus semantischen Gründen etwas bedenklich, da βόσκω keineswegs speziell von Rindern, sondern "mindestens ebenso oft und gern von Schafen, Ziegen, Schweinen, Pferden, ja überhaupt von allen lebenden Wesen" gebraucht wird (Wackernagel Unt. 245). Zu bemerken ist die allgemeine strukturale Ähnlichkeit mit den Sippen lat. pāscō und gr. ποιμήν (s. d.). I-253-254

Βόσπορος m. N. mehrerer Meerengen, aber vorzügl. = die Meerenge von Konstantinopel, auch auf den Hellespont bezogen (Hdt., A. usw.). Vereinzelt gebrauchte Ableitungen: Βοσπόρειος, -ιος, -ίτης (S.), Βοσπορεῖον N. eines Tempels (Decr. ap. D.), Βοσπορηνός, -ᾱνός ‘Bewohner des Königtums von B.’ (Str.); zur Bildung Chantraine Formation 206; Schwyzer 490 m. Lit. — Eig. "Rinderfurt", aus *Βοόσ-πορος durch Hyphärese entstanden; s. zuletzt Kretschmer Glotta 27, 29. I-254

βόστρυχος, pl. auch βόστρυχα (AP), m. ‘Haarlocke’, auch übertr. in verschiedenen Bedeutungen (poet. seit Archil. und A., auch Arist. [als Insektenname] und späte Prosa). Ableitungen: Deminutivum βοστρύχιον, auch ‘Weinrebe’ (Arist., AP), βοστρύχια· στέμφυλα H.; vgl. βότρυχος s. βότρυς; — βοστρυχώδης (Philostr.), βοστρυχίτης (οἶνος) ‘Weintrester’ (Aët.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 96), auch N. eines Steins (Plin.); βοστρυχηδόν ‘in Locken, lockenweise’ (Luk.). — Denominutiva: βοστρυχίζω ‘in Locken legen’ (Anaxil., D. H.), βοστρυχόομαι ‘sich locken’ (Ach. Tat.). Zum χ-Suffix Schwyzer 498, Chantraine Formation 402 (unklar Specht Ursprung 254); — Herkunft unbekannt. Von Froehde BB 10, 295f. mit awno. kvaster ‘Quast’ und verwandten germanischen Wörtern verglichen, wozu noch lat. vespicēs pl. ‘dichtes Gesträuch’, aind. guṣpitá- ‘verflochten, verschlungen’, alb. gjeth ‘Laub, Zweig’, aserb. gvozd ‘Wald’ usw.; alles semantisch und formal sehr hypothetisch. Weitere Lit. bei WP. 1, 644f., bes. Persson Beiträge 125f. I-254

βοτάνη f. ‘Weide, Futterkraut, Gras’ (seit Il.). — Steht neben βοτόν wie πλεκτάνη neben πλεκτός, δόκανον neben δοκός, λεκάνη neben λέκος, ὀρφανός neben lat. orbus usw. (Chantraine Formation 199, Schwyzer 490) und setzt jedenfalls eine nominale τ-Ableitung von βόσκω (s. d.) voraus. Anders Meillet BSL 25, 103: τ Hiatkonsonant; dazu Schwyzer 289. Deminutiva βοτάνιον (Thphr., Dsk.), βοτανίδιον (Sch.); adjektivische Ableitungen βοτανικός (Plu., Gal. u. a.), βοτανώδης (Ath. u. a.); poet. Adverb βοτάνηθεν (Opp.); denominatives Verb βοτανίζω ‘das Unkraut ausjäten’ (Thphr., Pap. u. a.) mit βοτανισμός ‘das Jäten’ (Pap.). I-254-255

βότρυς, -υος pl. auch βότρυα (Euph.), m., ‘reife Traube, Weintraube’, auch übertragen von traubenähnlichen Gegenständen (seit Il.). — Begrifflich gehört βότρυς zu ἄμπελος, οἶνος usw., was zweifellos für fremde Herkunft spricht (Meillet MSL 15, 163). Unbefriedigende idg. Etymologien (Fick, H. Petersson) bei Bq und WP. 1, 671; 2, 109; s. noch W.-Hofmann s. botulus. Mehrere Ableitungen, vorwiegend spät: βότρυον ‘Beertraube’, auch als Pflanzenname = θλάσπι (Thphr., Ps.-Dsk.); Deminutivum βοτρύδιον (Alex. u. a.). Adjektiva: βοτρυόεις ‘traubenreich’ (Ion. Eleg., A. R. usw.; poetische Bildung, s. Schwyzer 526f., Chantraine Formation 270ff.), βοτρυώδης ‘traubenartig’ (E., Thphr.) und die vereinzelt belegten βοτρυηρός ‘vom Traubengeschlecht’ (Thphr., vgl. οἰνηρός usw. Chantraine 233), βοτρύϊος ‘ds.’ (AP), βοτρυωτός ‘mit Trauben geschmückt’ (Delos IIa, vgl. καρυωτός usw. Chantraine 305, Schwyzer 503). — βοτρυΐτης, -ῖτις (λίθος) Perlenart, ‘Kalamine’ (Dsk., Gal., Plin. usw., vgl. Redard Les noms grecs en -της 53). — Adv. βοτρυδόν (seit Il.). — Nomen agentis: βοτρεύς ‘Winzer’ (Pap., vgl. δρεπτεύς ‘ds.’, ἀμοργεύς [von ἀμόργη] u. a., Boßhardt Die Nomina auf -ευς 81ff.). — Denominativum: βοτρυόομαι ‘Trauben bilden’ (Thphr.). — Isoliertes Nomen actionis: βοτρυμός· τρυγητός H., wie von *βοτρύω; vgl. Schwyzer 492. — Durch Kreuzung von βόστρυχος und βότρυς entstanden βότρυχος ‘Haarlocke’ und βοστρύχιον ‘Weinrebe’, s. βόστρυχος und Güntert Reimwortbildungen 148. I-255

βοῦα ἀγέλη παίδων. ·βουαγόρ· ἀγελάρχης, ὁ τῆς ἀγέλης ἄρχων παῖς. Λάκωνες H., auch Inschr. (neben βουαγός). Hierher noch συμβοῦαι· συνωμόται. συμβουάδ<δ>ει· ὑπερμαχεῖ. Λάκωνες H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 9 illyrisch = φυή; semantisch unbefriedigend. Vgl. Bechtel Dial. 2, 368f. und Kretschmer Glotta 17, 242 m. Lit., die an das offenbar damit zusammenhängende βουὅα· ἀγέλη τις EM (zu σεύειν?) erinnern. I-255

βουβάλιον gew. pl. -ια n., ‘Art Armbänder’ (Kom., Inschr.), auch = ἄγριος σικυός (Hp., Ps.-Dsk.). — Technisches und familiäres Wort ohne Etymologie (oder etwa von βούβαλις nach dem Stoff?). Nach Fraenkel Glotta 2, 34ff. aus steigerndem βου- und einem mit βάλανος zusammenhängenden Hinterglied (?). Daraus (nach Fraenkel) durch Dissimilation, evtl. durch volksetymologische Anknüpfung an Βούπαλος, βουπάλινα (Delos) und βουπαλίδες· περισκελίδες H. I-255-256

βούβαλις, -ι(δ)ος βούβαλος m. f., ‘(afrikanische) Antilope’ (Hdt., A., Arist. usw.), später auch ‘Büffel’ (Agath.), vgl. Persson Beiträge 1, 38; Schrader-Nehring Reallex. 1, 52; 2, 263. Davon βουβάλειος (Hdt.). Lat. LW būbalus. — Wahrscheinlich zu βοῦς, aber in der Bildung dunkel. Die lautliche Identität mit lat. būbulus ‘zum Rinde gehörig’ dürfte zufällig sein; an genetischen Zusammenhang mit aind. gavala- ‘wilder Büffel’ ist nicht zu denken. — Nach v. Windekens Le Pélasgique 79f. aus βού-βαλος mit pelasgischem Hinterglied (zu βόλινθος, φαλλός usw.). I-256

βούβαστις f. ‘Leiste, Schamgegend’ mit βουβαστικά n. pl. ‘Heilmittel gegen Wunden in der Schamgegend’ (Aët.). — Zu βουβών, aber im übrigen unklar. I-256

βουβητις, -ιος (Akzent?) f. gew. als "Rinderfurt", "stream for watering cattle" erklärt (Tab. Heracl. 2, 13, 14). — Als dorisch nicht zu ἔβην (ἔβᾱν). Eine Grundform *-βα-ετις (Schwyzer 270) überzeugt nicht; die Zusammenstellung mit lit. gė́tis ‘Viehtrift’ (Fick 1, 407, Bechtel Dial. 2, 418) ist hypothetisch. Fremde Herkunft (Kretschmer KZ 30, 579, Fraenkel Nom. ag. 1, 116 A. 1) scheint nicht glaubhaft. I-256

βούβρωστις f. ‘Heißhunger’ (Ω 532, Kall. u. a.), auch als Göttin personifiziert (wie Πενία, Plu., s. Schulze Kl. Schr. 399 A. 5). — Enthält wie die synonymen βούλιμος, βούπεινα u. a. ein steigerndes βου- (Schulze a. a. O., Schwyzer 434); das Hinterglied zu βιβρώσκω, wahrscheinlich nach dem synonymen νῆστις (Risch 35), aber nicht als Nomen actionis (= βρῶσις), sondern als Nomen agentis wie in ἄμπωτις (s. d.). I-256

βουβών, -ῶνος m. ‘Leiste, Schamgegend’ (seit Il.); auch, zunächst elliptisch als mediz. Terminus, ‘Drüse neben der Scham, bes. in krankhaft geschwollenem Zustande’ (Hp., Arist. usw.); spät auch βομβών (Moeris, Hdn.; volksetymologische Verdrehung nach βόμβος). Ableitungen: βουβωνίσκος ‘Verband für die Leiste’ (Heliod. ap. Orib.; vgl. γραφίσκος, κυκλίσκος und andere [mediz.] Gerätenamen bei Chantraine Formation 408), βουβώνιον "Drüsenpflanze", ‘Aster amellus’ (Dsk., Strömberg Pflanzennamen 87); βουβωνώδης und βουβωνιακός (Mediz.). — Denominative Verba: βουβωνιάω ‘an geschwollenen Schamdrüsen leiden’ (Ar. usw.; vgl. σπληνιάω und andere Krankheitsverba auf -ιάω Schwyzer 732) mit βουβωνίασις (Gal.); βουβωνόομαι ‘einen β. bilden’ (Hp.). — Bildung wie μυών, σιαγών und andere Körperteilnamen, aber sonst unerklärt. Der alte Vergleich mit aind. gavīnī́ f. du. ‘Teil des Unterleibes in der Gegend der Geschlechtsteile’, etwa ‘die Leisten’ (Bugge, Fick) ist begrifflich verlockend; wir hätten dann mit zwei unabhängig voneinander geschaffenen volkstümlichen oder vulgären Ausdrücken zu tun. Die Zusammenstellung mit βουνός ‘Hügel’, βύω ‘vollstopfen’ usw. (Persson Beiträge 250ff.) setzt voraus, daß die Bedeutung ‘Drüse’ od. ähnl. die ältere ist oder daß βουβών von einem (unliterarischen) Worte dieser Bedeutung abgeleitet ist. — Verfehlt Charpentier KZ 46, 44ff. I-256-257

βουγάϊε Vok. etwa ‘Prahlhans’ (Ν 824, σ 79). — Enthält dasselbe verstärkende präfixale βου- wie βούβρωστις (s. d.), βουκόρυζα, βούπαις usw.; das Hinterglied zum Präsens γαίω (vgl. bes. κύδεϊ γαίων). Das ᾱ in -γάϊε ist somit schwerlich äolisch für *-γά̄ϝιε (Schulze Q. 68; Zenodot schrieb βουγήϊε, vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 22), auch nicht metrisch gedehnt, sondern steht für *-γαι-ϊε; das ganze ist somit eine Zusammenbildung. I-257

βουκόλος m. ‘Rinderhirt’, auch adjektivisch (appositiv) gebraucht (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen βουκολίαι ‘Rinderherden’ (h. Merc., Hes., Hdt.; anders Porzig Satzinhalte 214), βουκόλια (-ιον) ‘ds.’ (Hdt. usw.); βουκολεῖον ‘Amtsgebäude des ἄρχων βασιλεύς’ (Arist. Ath. 3, 5; vgl. πρυτανεῖον usw.); βουκολίς f. Subst. und Adj. ‘Weide, zur Weide gehörig’ (D. H.); βουκολίσκος Art Verband (Gal.; vgl. βουβωνίσκος s. βουβών); βουκολίνη· κίγκλος τὸ ὄρνεον H.; vgl. Thompson Birds s. v.; βουκολικός ‘den Hirten betreffend’, "bukolisch" (Theok. usw.). — Zwei Denominativa : 1. βουκολέω ‘Rinderhirt sein, (Rinder) weiden’ (seit Il.), auch übertr. = ‘sich selbst od. andere mit etw. (z. B. Hoffnungen) füttern’, ‘täuschen’; davon βουκόλησις ‘das Weiden’ (Plu.), βουκόλημα ‘Täuschung’ (Babr.), βουκολητής· ἀπατεών H., βουκολίαι ‘das Weiden’ (A. R.), aber auch (im Sing.) = κακολογία H. — 2. βουκολιάζομαι, -ιάζω ‘Hirtenlieder singen’ (Theok., Mosch., nach ἀδωνιάζω usw., vgl. Schwyzer 735) mit βουκολιαστής ‘Sänger eines Hirtenliedes’ (Theok.) und βουκολιασμός ‘Hirtengesang’ (Ath., v. l. -ισμός als von -ίζω, so Eust.). — Aus βουκόλος auch, zunächst als Kurzname, Βοῦκος (Theok.); davon βουκαῖος (Theok., Nik.). — Alte Zusammenbildung von βοῦς und πέλομαι (zum Lautlichen s. Schwyzer 298), die im Keltischen ein genaues Gegenstück hat: mir. búachaill, kymr. bugail ‘Hirt’. Daneben mit anderer Lautentwicklung αἰπόλος und ἀμφίπολος (s. dd.). Der Labiovelar wird in ägäisch qo-u-ko-roβουκόλος’ vermutet. — Gegen die irrige Herleitung aus κέλλω s. zuletzt Wahrmann Glotta 17, 242. I-257-258

βουκονιστήριον (IGRom. 3, 484, Oenoanda IIp). — Von Heberdey-Kalinka Reisen in südwestl. Kleinasien 2, 70 einleuchtend als ‘Arena für Stierkämpfe’ erklärt unter Hinweis auf κονιστήριον (Vitr., Pergamon) = κονίστρα ‘Arena’. Dagegen nach Radermacher WienStud. 32, 203f. = βυκανιστήριον ‘Ort wo sich die Herolde, βυκανιστῆρες (s. βυκάνη) aufhielten, Auktionshalle’ mit ου nach lat. būcina und -ο- für -α-, das auch sonst in hellenistischer Zeit vorkommt; lautlich nicht unmöglich, aber sachlich wenig passend. I-258

βουλιμία f. "Ochsen-hunger", ‘Heißhunger’ (Timokl., Arist.); davon βουλιμιάω ‘Heißhunger haben’ (Ar., X., Arist. usw.) mit βουλιμίασις (Plu.). — Ableitung von βούλιμος, das eig. adjektivisches Bahuvrihi ist: ‘verhungert’ (Alex.), aber auch = βουλιμία (Plu. u. a.) steht durch formalen Anschluß an λιμός. Vgl. Risch IF 59, 59 m. A. 2. — βουλιμ(ι)ώδης (Mediz.) und βουλιμώττω (Suid.) = βουλιμιάω. — Enthält als Vorderglied βοῦς in derselben steigernden Funktion wie in βούβρωστις, βουγάϊε usw. (s. dd.). — Nach βουλιμία, βούλιμος bildeten hell. Dichter βούπεινα. I-258

βούλομαι ‘wollen, wünschen’ (ion. att. seit Il.). Dialektische Nebenformen : ark. kypr. eretr. (auch Hom., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 311) βόλομαι, lesb. βόλλομαι, dor. (kret.) βώλομαι; thess. βέλλομαι, böot. βείλομη, dor. (Herakl. usw.) δήλομαι, lokr. delph. δείλομαι. Die übrigen Tempusformen gehen alle vom Präsens aus: βουλήσομαι, ἐβουλήθην, βεβούλημαι; zu βέβουλα (Α 113) s. unten. — Davon als Nomina actionis: 1. βουλή ‘Wille, Entschluß; Rat’ (seit Il.; zur Bed. Porzig Satzinhalte 229f.). Dialektale Nebenformen: dor. ark. βωλά, lesb. βόλλα. Abgeleitete Adj.: βουλαῖος ‘zur β. gehörig’ (att. usw.) nebst den seltenen und poetischen βουλήεις ‘wohlberaten, klug’ (Sol.) und βούλιος ‘ds.’ (A.). 2. βούλησις ‘Wille, Absicht, Testament’ (att.). 3. βούλημα ‘ds.’ (ion. att.) mit βουλημάτιον ‘Testament’ (Pap.). — Von βουλή als Denominativum βουλεύω (βωλ-, βολλ-εύω), -ομαι ‘(sich) beraten, beschließen’ (seit Il.), oft präfigiert συμ-~, mit zahlreichen Ableitungen: 1. βούλευμα ‘Beschluß, Plan’ (ion. att.) mit βουλευμάτιον (Ar.); 2. βούλευσις ‘Beratung, Anschlag’ usw. als juristischer Terminus (att.); 3. βουλεία ‘Ratsherrnwürde’ (Ar., X. usw.; vgl. πολιτεία u. a., Chantraine Formation 89); 4. βουλεῖον ‘Rathaus’ (Chalkedon, Delphi; vgl. ἀρχεῖον usw.). 5. Nomen agentis βουλευτής ‘Ratgeber’ (seit Il.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 186 m. A. 1), f. βουλευτίς (A. Fr.; Fraenkel 1, 164); dazu βουλευτικός ‘beratend’ (att. usw.), auch βουλευτήριος ‘ds.’ (A.; vgl. Schwyzer 467, Chantraine 43). Daneben 6. als unabhängiges Nomen loci: βουλευτήριον ‘Rathaus, Ratssaal’ (ion. att.; Chantraine 63). — Βουλεύς Bein. d. Zeus (Mykonos), auch EN (Apollod.), von βουλή oder βουλεύω, s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 98. — Die obengenannten Präsensformen können alle, mit Ausnahme von βόλομαι, auf *βόλσομαι bzw. *βέλσομαι, *δέλσομαι zurückgeführt werden und stellen somit eigentlich einen kurzvokalischen Konjunktiv des σ-Aorists dar. Die voluntativ-prospektive Bedeutung des Verbs hat die konjunktivische Form hervorgerufen, die dann als Präsens Indikativ umgedeutet wurde (vgl. Wackernagel Syntax 1, 60) und zu dem Verbalnomen *βολσά (vgl. γονή, πνοή usw.) Anlaß gab. Neben diesem medialen Aorist stand anfänglich ein aktives intransitives Perfekt mit präsentischer, wahrscheinlich intensiver Bedeutung *βέβολα ‘es ist mein (fester) Entschluß’, von dem eine indirekte Spur in προ-βέβουλα ‘ich ziehe vor’ (Α 113) mit neueingeführtem ου nach βούλομαι (anders Brugmann IF 32, 184) bewahrt sein mag. Zu bemerken auch pamph. βΟλΕμενος (Schwyzer 728 m. Lit.), das vielleicht als iterativ-intensiv aufgefaßt werden kann (zum Typus Schwyzer 719 β 1). — Vom Perfekt aus wurde dann der ο-Vokal (und das β-) sekundär auf den σ-Aorist *βόλσομαι für *βέλσ-, *δέλσομαι übertragen. Bei der Ausbreitung des o-Vokals kann auch das Substantiv βουλή mitgewirkt haben. Auch das primäre thematische Präsens βόλομαι scheint seinen Vokalismus auf ähnliche Weise erhalten zu haben. (Anders Specht KZ 59, 104: βόλομαι antevokalische Schwundstufe wie πολύς, πόλις.) Übrigens könnte βόλομαι (aus *βέλομαι) auch als kurzvokalischer Konjunktiv zu einem athematischen Wurzelaorist betrachtet werden. — Hoffmann Dial. 2, 312, Fick BB 6, 212, Meillet IF 5, 328, MSL 20, 130f., Kretschmer Glotta 3, 160ff. (wo ausführliche Behandlung). Anders über βουλή z. B. Porzig Satzinhalte 229f., Lejeune Traité de phonétique 132. Da durch den Wechsel β- ~ δ- labiovelarer Anlaut für βούλομαι gesichert ist, stellt es sich unschwer zu βάλλω mit einer Bedeutungsentwicklung "sich (im Geiste) auf etw. werfen", βάλλεσθαι ἐν θυμῷ, μετὰ φρεσί od. ähnl., s. Kretschmer a. a. O. Die starke Bedeutungsverschiebung hat früh zu einer durchgreifenden Umgestaltung des Formsystems geführt, bei der der strukturale Zusammenhang mit βάλλω verlorenging. — Über das Verhältnis zwischen βούλομαι, ἐθέλω und λῆν s. Braun Atti R. Ist. Veneto 98, 337ff., Rödiger Glotta 8, 1ff., Wifstrand Eranos 40, 16ff. I-258-259

βουλῡτός m. eig. "Rinderausspannen", ‘Abend’ (Π 779 = ι 58 im Ausdruck βουλυτόν δε, Ar., A. R. usw.). Davon βουλύσιος (Arat.). — Zusammenbildung von βοῦς od. λύ-ω (λῡ- wie z. B. in lat. so-lū-tus) mittels des το-Suffixes wie in ἁμαξ-ι-τός, ἀκμό-θε-τον usw. (Chantraine Formation 303). Versuch, βουλυτός in eine semantische Reihe einzuordnen, bei Porzig Satzinhalte 343. — Cic. Att. 15, 27, 3 verwendet dafür in derselben Bedeutung die modernere Bildungsweise βούλῠσις (wie ἔκ-λυσις usw.). I-259-260

βουνός m. ‘Hügel, Bühl’ (Hdt., Philem., LXX, Plb. usw.). Mehrere sparsam belegte Ableitungen: βοῦνις f. ‘hügelig’ (A. in lyr., von der Erde, in den Mund der Danaiden gelegt; vgl. θοῦρις usw. Schwyzer 464); übrige Ableitungen hell. und spät: Deminutiv βουνίον (Priene IIa), βουνώδης (Plb., Plu.), Βουναία (Ἥρα) ‘Hügelgöttin’ (nach dem Ort des Tempels, Paus.), Βουνίτης (Πάν, AP; vgl. Redard Les noms grecs en -της 207); βουνίζω ‘anhäufen’ (LXX). — Hierher wohl auch (nach dem Standort) die Pflanzennamen βουνιάς Art Rübe (Agatharch. usw.) und βούνιον ‘Bunium ferulaceum’ (Dsk.), vgl. Strömberg Pflanzennamen 117. Von Hdt. 4, 199 als kyrenäisch bezeichnet, somit wahrscheinlich LW. Die Anknüpfung an βουβών, βύω (s. dd.) hat wenig Wert. — Vgl. auch βωνίτης. I-260

βουπαλίδες, βουπάλινα s. βουβάλιον. I-260

βοῦς, βοός, Akk. dor. und Η 238 βῶν, wozu dor. Nom. βῶς; att. Akk. βοῦν nach βοῦς (Einzelheiten z. B. bei Schwyzer 577; s. auch unten) f. m. ‘Rind, Kuh, Ochse’ (seit Il.). Als Vorderglied steht βοῦς (βου-, βο-) außerdem in zahllosen Komposita. Ableitungen: Deminutiva βοΐδιον (Ar. usw.), auch βούδιον (Hermipp., Pap., nach βοῦ-ς, vgl. Chantraine Formation 69), βοϊδάριον (Ar.). — βούτης ‘Rinderhirt’, auch Adj. ‘vom Rind’ (A. E. in lyr., Theok. usw.); βοεύς ‘Riemen von Rindsleder’ (β 426 am Versende, nach ὀχεύς, vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 30f.); βοών, -ῶνος m. ‘Kuhstall’ (Heraklea). — Adjektiva: βόειος, βόεος ‘vom Rind’ (seit Il., vgl. Schmid -εος und -ειος 24f.), Subst. f. βοείη, βοέη ‘Rindsfell’ (seit Il.); danach mit κ-Suffix βοει-κός (Th. u. a.) und βο-ϊκός (Elis, Priene; vgl. Chantraine 393, Schwyzer 498); auch βόϊνος (Gloss., Eust.); βοώδης (Adam., Apollon. Lex.). Als Hinterglied in Zusammenbildungen außerdem -βοιος, z. B. ἐννεά-βοιος (Il.) aus *-βοϝιο- = aind. gávya- (vgl. unten). — Denominatives Verb βοόω ‘in einen Ochsen verwandeln’ (Eust.). — Zu Βοῦκος, βουκαῖος s. βουκόλος. Über steigerndes βου- s. βούβρωστις, βουγάεϊ, βουλιμία. — Altes Erbwort für ‘Rind, Kuh, Ochse (Stier)’, das in einer Reihe von Sprachen unverändert oder mit leisen Modifizierungen bewahrt ist: aind. gaúḥ (= *βωῦς > βοῦς), Akk. gā́m (= βῶν, vgl. oben), lat. bōs (aus dem Osk.-Un.br.), Gen. pl. boum = βοῶν = aind. gávām, umbr. Akk. bum = βῶν; ferner arm. kov (u-Stamm) ‘Kuh’, air. bó ‘Kuh’, germ., z. B. ahd. chuo, toch.A ko, ki, B keu ‘Kuh’, lett. gùovs ‘Kuh’, aslav. gov--do ‘Rind’. Idg. Grundform Nom. *gōu̯-s, Akk. *g-m, daneben gŏu̯- z. B. in βο(ϝ)-ός, βο(ϝ)-ί = aind. Lok. gáv-i, lat. Abl. bove. Davon *gou̯-io- in -βο(ϝ)ιος = aind. gávya-, auch arm. kogi ‘Butter’. S. noch ἑκατόμβη. — Die Annahme, die Indogermanen hätten das Wort und den Begriff von den Sumerern entlehnt (sumer. gu, *gud ‘Stier, Rind’, z. B. Ipsen IF 41, 175), scheitert schon an der sehr verwickelten und offenbar hochaltertümlichen Morphologie des idg. Wortes; vgl. Specht Ursprung 32f. — Näheres bei WP. 1, 696f., Pok. 482f., W.-Hofmann s. bōs. I-260-261

βουσός nur im Dat. βουσοῖ (Orchomenos, Arkadien, Schwyzer 664, 15; 18) f., nach gewöhnlicher Annahme ‘Rindertrift’ aus *βου-σόϝος (mit Kontraktion, vgl. Schwyzer 450), vgl. μηλοσόη· ὁδός, διἧς πρόβατα ἐλαύνεται. ‘Ρόδιοι H.; — Zusammenbildung mit σεύω (s. d.). Anders Schwyzer Glotta 12, 5 A. 1, Fraenkel Glotta 32, 22: = ion. βυσσός ‘Tiefe, Grund’. I-261

βοῦτ(τ)ις auch βούτη f., ‘Faß in Form eines abgestumpften Kegels’ (Hero, Aët.). Deminutivum βουτίον (Hippiatr.). — Ohne Zweifel Fremdwort = lat. buttis ‘Faß’. Vgl. auch βυτίνη und βωτίον, βωσίον (s. d.). I-261

βούτῡρον n. ‘Butter’ (Hp., Arist., LXX usw.). Davon βουτύρινος (Dsk.). Eig. ‘Kuhquark’, aus βοῦς und τυρός, der Form nach ein neutrales substantiviertes Bahuvrihikompositum, wie βούσταθμον (: σταθμός) usw. Daneben, mit Anschluß an τυρός, βούτυρος (Gal.). — Aus βούτυρον stammt lat. būtȳrum, woraus weiterhin die westgermanischen Formen, ahd. butera usw. — Vgl. Schrader-Nehring Reallex. 1, 177f., Olck P.-W. 3, 1089ff. I-261

βρά · ἀδελφοί, ὑπὸΗλείων (cod. Ιλειων) H. — Wohl zu φράτηρ, u. z. als illyrisches Element des Dialekts (alb. vëlā). Vgl. Kretschmer Glotta 3, 33; s. auch Schwyzer 65 A. 2 (S. 66) und Latte z. St. I-261

βραβεύς m. ‘Kampfrichter, Richter, Anführer’ (Trag., Pl.; zur Bedeutung Boßhardt Die Nomina auf -ευς 41f.). Denominatives Verb βραβεύω ‘richten, entscheiden’ (Isok. usw.) mit βραβευτής = βραβεύς (Is., Pl. usw.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 63), βράβευμα ‘Richterspruch’ (S.), βραβεία ‘Entscheidung’ (E., Lyk.), βραβεῖον ‘Kampfpreis’ (Men., Ep. Kor. usw.). — Unerklärt. Zu den schon bei Bq gebuchten ganz hypothetischen und anfechtbaren Deutungsversuchen kommen mehrere neue derselben Art hinzu: WP. 1, 686 (lit. ger̃bti ‘ehren’), Grošelj Slavistična Revija 4, 262f. (βερνώμεθα, s. d.), Georgiev IF 60, 171ff. und v. Windekens Le Pélasgique 82f. (aind. brávīti ‘sprechen’, allerdings verschieden motiviert). — Eher mit Debrunner Eberts Reallex. 526, Chantraine Formation 125 vorgriechisch und unbekannten Ursprungs. I-261-262

βράβῠλον βράβυλος f. ‘Schlehdorn, Prunus spinosa’, auch ‘Schlehe’ (Aret., AP usw.). n. ‘Schlehe’ (Theok. usw.), — Unerklärtes Fremdwort. Zu bemerken noch βραβύλη = ἀνεμώνη ἡ φοινικῆ (Ps.-Dsk.). I-262

βράγος · ἕλος H. — Erinnert an βράχος, βράχεα ‘seichte Stellen’ und von Fick BB 29, 199f. als makedonisch damit identifiziert. — Anders, kaum besser, nach Zupitza (s. WP. 2, 235): zu ahd. bruochBruch, Sumpf’. I-262

βράγχος auch βάραγχος (Hippon.), βράγχη f. (Xenokr.) ‘ds.’ und βραγχία· ἡ περιτράχηλος ἀλγηδών H. m. ‘Heiserkeit, Bräune’ (Hp., Th., Arist. usw.), — Die semantische Berührung und formale Ähnlichkeit mit βρόγχος ‘Luftröhre’ springt in die Augen; sie hat offenbar den Bedeutungsübergang bei βράγχια verursacht. Der Vergleich mit dem Aorist βραχεῖν ‘rasseln, krachen’ (Johansson KZ 36, 345f.) läßt sich nicht näher begründen. Außerhalb des Griechischen scheint das sonst isolierte air. brong(a)ide ‘heiser’ eine annehmbare Anknüpfung zu bieten (Fick 2, 186). — Zur Vokalentfaltung in βάραγχος usw. s. Schwyzer 278, 831 mit Lit. Ableitungen: βραγχαλέος ‘heiser’ (Hp., vgl. Debrunner IF 23, 37, Chantraine Formation 255), βραγχώδης ‘der Heiserkeit anheimgefallen’ (Hp.), auch βραγχός ‘heiser’ (AP). — Daneben als Denominativum, evtl. als deverbatives Intensivum βραγχάω ‘von Heiserkeit, Bräune angegriffen sein’ (Arist. usw.), auch βραγχιάω (Arist. u. a.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω, nicht mit Schwyzer 732 von βράγχια); erweitert βραγχιάζοισθε· πνίγοισθε H. — Mit anderer Bedeutung βράγχια pl. ‘Fischkiemen, Luftröhrenäste’, auch βαράγχια, βαράχνια (Hdn., H.). I-262

βραδύς Steigerungsformen βραδύτερος, -τατος, auch βραδίων und βάρδιστος, außerdem βραδίστατος (Ael.); s. Seiler Steigerungsformen 56f. m. Lit. Vgl. noch βράσσων s. βραχύς. ‘langsam, träge’ (seit Il.). Ableitungen: βραδυτής, -τῆτος ‘Langsamkeit’ (seit Il.; zur Endbetonung Schwyzer 382 m. Lit.), βράδος ‘ds.’ (X., Epikur., nach dem Oppositum τάχος). Denominatives Verb βραδύνω ‘zögern, verzögern’ (A., S., Pl. usw.) mit βραδυσμός (Sch.). — Kann mit lit. gurdùs ‘saumselig, langsam’, lett. gur̃ds ‘müde, matt’ als idg. *gr̥dús identisch sein (Fraenkel Phil. 97, 172, KZ 69, 76ff.). Anders Bechtel Lex. (zu ἀμέρδω), noch anders Walter KZ 11, 437 u. a. (zu lat. gurdus ‘stumpf’). Kritik bei Fraenkel a. a. O., W.-Hofmann s. gurdus. I-262-263

βράθυ n. ‘Sebenbaum, Juniperus sabina, Cedernart, Juniperus foetidissima’ (Dsk.), auch βόρατον n. (D. S., Sm., Dsk.). — Semitisches Wort, vgl. aram. berāt, hebr. berōš, assyr. burāšu ‘Cypresse’. Lat. bratus N. einer vorderasiatischen Cypressenart. Lewy Fremdw. 34, Schrader-Nehring Reallex. 1, 671, Cuny Rev. ét. anc. 20, 223ff. Zum u-Stamm in βράθυ vgl. μῶλυ, μίσυ, σῶρυ (Chantraine Formation 119), auch δάκρυ = ‘Harz’ o. ä. Peripl. M. Rubr. 30. I-263

βράκανα · τὰ ἄγρια λάχανα H. (Pherekr., Luk.). — Hypothese von Prellwitz u. a.: zu ahd. moraha, ags. moru ‘Möhre’. Anders über die germ. Wörter Knutsson Die germ. LW im Slavischen (LUÅ 1929) 31f. I-263

βρακεῖν · συνιέναι, βράξαι· συλλαβεῖν, δακεῖν, καταπιεῖν H. — Hierher noch δυσβράκανον· δυσχερές, ... δυσκατανόητον H. — Schon von Roth KZ 19, 223 zu aind. mr̥śáti ‘berühren, anfassen’ gezogen. Die anklingenden und teilweise synonymen βράψαι· συλλαβεῖν, ἀναλῶσαι, κρύψαι, θηρεῦσαι und βράπτειν· ἐσθίειν, κρύπτειν, ἀφανίζειν, τῷ στόματι ἕλκειν, ἢ στενάζειν können von μάρψαι, μάρπτειν beeinflußt sein. Auch βρακεῖν und μάρπτειν sind direkt miteinander verglichen worden unter Annahme einer Assimilation von κ an das anlautende μ- zu π (Lit. bei Schwyzer 302); kaum überzeugend, s. μάρπτω. — Zu βρακεῖν nach Persson Beitr. 79 A. 1 auch βράκετον· .. πλῆθος und βράττειν· πληθύνειν, βαρύνειν H. — Andere Kombinationen bei WP. 2, 283, W.-Hofmann s. merx, Belardi Doxa 3, 200. Vgl. auch βρόξαι. I-263

βράκος · κάλαμος. ἱμάτιον πολυτελές H. S. ῥάκος. — Anders Belardi Doxa 3, 199f. I-263

βράπτειν, βράψαι s. βρακεῖν. I-263

βράσσω, βράζω, att. βράττω, auch ἐκ-βρήσσω (Gal.), Aor. βρᾰ́σαι, ἐβράσθην, Fut. βράσω, Perf. βέβρασμαι ‘aufschütteln, werfen, worfeln; aufsprudeln, sieden’ (ion. att.). — Von Bezzenberger BB 27, 152f. mit lett. murdēt ‘aufsprudeln’, lit. murdýnas ‘quellige Stelle im Boden’, mùrdau, mùrdyti ‘etwas im Wasser usw. rüttelnd behandeln’ verglichen. — Der Vokalismus ist mehrdeutig. Davon βρασμός ‘das Aufschütteln, Erdbeben usw.’, βράσμα ‘das Aufschütteln, Sieden usw.’ mit βρασματίας Art Erdbeben (Posidon. u. a.; vgl. μυκητίας σεισμός, σεισματίας usw. bei Chantraine Formation 94f.), βράσις ‘das Sieden’ (Orib.); — βράστης m. ‘Aufschuttler’ (vom Erdbeben, Arist.), βραστήρ ‘Getreideschwinge’ (Gloss.). I-263

βράσσων Komparativ, s. βραχύς. I-264

βραχεῖν Ind. βράχε, ἔβραχε · ἠχῆσαι, ψοφῆσαι H. ‘krachen, knarren’ (ep. seit Il.). — Expressives Schallwort, vgl. βρυχάομαι. S. auch βράγχος. I-264

βραχίων, -ονος m. ‘Oberarm, Arm’ im Gegensatz zu πῆχυς = ‘(Unter)arm’ (seit Il.). Davon βραχιόνιον ‘Armspange’ (Delos IIa), βραχιονιστήρ ‘ds.’ (Plu. u. a.); vgl. ποδιστήρ (πέπλος A.), ἑλικτῆρες ‘Ohrgehänge’ (Ar., Lys.), σωφρονιστῆρες ‘Weisheitszähne’ (Hp. u. a.) und andere Geräte- und Körperteilnamen bei Chantraine Formation 327f. Außerdem βραχιάλιον, -άριον (Sm., Th., Aq.) und βραχιόλιον (Alex. Trall.) im Anschluß an lat. bracchiāle ‘Armspange’, bracchiolum ‘Ärmchen’, s. unten. — Nach Pollux 2, 138 wird der Oberarm βραχίων genannt, ὅτι ἐστὶ τοῦ πήχεως βραχύτερος; vgl. Bechtel Lex. s. v. Wohlbegründete Bedenken bei Seiler Steigerungsformen 42f. — Daraus als LW lat. bracchium, woraus ferner kymr. braich usw.; vgl. W.-Hofmann s. v. I-264

βραχύς mit βραχύτερος, -τατος, βράχιστος· βραχίων nur Choerob., H.; sonst im Sinn von ‘(Ober)arm’, s. bes.; außerdem als ἅπ. λεγ. βράσσων τε νόος (Κ 226), falls nicht zu βραδύς (nach θάσσων?), s. Seiler Steigerungsformen 43, 56f. gegen Curtius Grundz.5 672. ‘kurz’ (Hdt., Pi. usw.) Davon βραχύτης, -τητος ‘Kürze’ (Pl., Th. usw.; zur Betonung Schwyzer 528 A. 7), außerdem βράχεα n. pl. ‘seichte Stellen’ (Hdt., Th. usw.; aus βραχέα mit Akzentverschiebung?; vgl. Schwyzer 380; τὸ βράχος nur Prokop.). Denominatives Verb βραχύνω ‘abkürzen’ (Hp., Pl. usw.). — Altes Wort, das in genau übereinstimmender Gestalt im Indoiranischen und Germanischen bewahrt ist: aind. (ved.) múhuḥ, múhu Adv. ‘plötzlich’, muhūrtá- n. ‘kurze Weile, Augenblick’, mind. Form für *mr̥hú-, aw. mərəzu- ‘kurz’ in mərəzu-ǰīti-, mərəzu-()va- ‘langes Leben’ bzw. ‘langlebig’ (vgl. ὁ βίος βραχύς Hp.), sogd. murzak ‘kurz’; ahd. murg(i) ‘kurz’, ags. myrge ‘kurzweilig’, got. *maúrgus Grundlage von ga-maúrgjan ‘verkürzen’; idg. *mr̥ĝhú-; daneben im Vokalismus abweichend (unursprüngliche Hochstufe?) lat. brevis aus *mreĝhu̯-i-. WP. 2, 314 m. Lit., außerdem Wackernagel Glotta 10, 22f., Bloch Don. nat. Schrijnen 369. I-264

βρέγμα, βρεγμός s. βρεχμός. I-264

βρέμω nur Präsensstamm ‘brummen, brausen, rauschen’ (poet. seit Il.). Davon mehrere Verbalnomina: 1. βρόμος ‘Gerausch’ (poet. seit Il., sp. Prosa) mit βρόμιος ‘rauschend’ (Pi.), gew. Βρόμιος als Beiname des Bacchos (A., Pi. usw.), auch ‘bacchisch’ (E. usw.; vgl. v. Wilamowitz Eur. Her. 366); fem. βρομιάς (Pi. u. a.); in derselben Bedeutung βρομιώδης (AP), fem. βρομιῶτις, auch ‘Bacchantin’; denominatives Verb βρομιάζομαι = βακχεύω (AP); über βρόμος als Pflanzenname = ‘Hafer’ (Hp., Thphr. usw.), wegen seiner vermuteten Kraft gegen Blitzschläge zu schützen, s. Strömberg Pflanzennamen 79f. mit zahlreichen Parallelen; — 2. βροντή ‘Donner’ (seit Il.) mit βρονταῖος ‘donnernd’ (Arist. u. a.), βροντώδης (Agath., Vett. Val. usw.), βροντεῖον ‘Donnermaschine’ (Poll.), Βρόντης N. eines der Kyklopen (Hes.; zur Bildung Schwyzer 561), Βροντήσιος (Ζεύς) = Jupiter Tonans (Mon. Anc.; zur Bildung Chantraine Formation 41f.), βροντητικός (Eust.); auch βροντέα N. eines Edelsteins (Plin.; wegen der schützenden Kraft); Denominativum βροντάω ‘donnern’ (seit Il.), auch βροντάζω (Pap., H.); vgl. Porzig Satzinhalte 262 und 343; — 3. -βρεμέ-της in Zusammenbildungen wie ἐρι-, ὑψι-βρεμέ-της (poet. seit Il.); — 4. -βρέν-τᾱς in ἀναξι-βρέν-τᾱς ‘dounerbeherrschend’, ἀργι-βρέν-τᾱς (lyr.); daraus βρενταί· βρονταί H.? — Zwei deverbative Bildungen : 1. βρομέω (Iterat.-Intens.) ‘rauschen, summen’ (poet. seit Il.; vgl. Schwyzer 719 m. A. 11); zu ngr. (Kreta usw.) βρομεῖ, βρομίζει ‘es stinkt’ s. Hatzidakis Glotta 22, 130ff. und unten s. βρῶμος; 2. βρωμάομαι ‘schreien (von Eseln u. a.)’ (Ar., Arist.) mit βρώμησις, βρωμήεις, βρωμήτωρ, βρωμητήρ. — Außerdem βρεμεαίνων· ἠχῶν H., vgl. zu βλεμεαίνω. — Die Ähnlichkeit mit lat. fremo ‘brummen, brüllen, tosen’, ahd. breman ‘brummen, brüllen’, kymr. brefu ‘brüllen’ usw. (s. WP. 2, 202f., W.-Hofmann s. fremō) kann kaum zufällig sein, aber eine lautgesetzliche Zurückführung dieser sämtlichen Verba auf ein gemeinsames idg. bhrem- ist wegen des β- in βρέμω unmöglich. So kann man für βρέμω mit einer unaspirierten onomatopoetischen Variante brem- auskommen (vgl. Persson Beitr. 36 A. 1 mit allzu weitgehenden Schlüssen), sofern man nicht vorzieht, über mrem- bei μορμύρω Anknüpfung zu suchen, was kaum besser ist. Andere, noch entferntere Möglichkeiten bei Bq. Vgl. χρεμετίζω und φόρμιγξ. I-264-265

βρένδον · ἔλαφον. βρέντιον· ἡ κεφαλὴ τοῦ ἐλάφου (H., EM). — Messapisches Wort, das auch in mehreren ON, z. B. Βρεντέσιον = Brundisium, eingeht. Verwandte im Nordgermanischen und Baltischen, z. B. nschwed. dial. brind(e) ‘männliches Elentier’, norw. brund ‘Männchen vom Renntier’, lett. briêdis ‘Elen, Rothirsch’ (wohl germ. LW); vgl. noch ohne Dentalsuffix alb. brî, brîni ‘Horn, Geweih’. — Lit. bei Pok. 169f., außerdem Krahe Glotta 17, 94 A. 4, Fraenkel Gnomon 21, 39 m. Lit. und Glotta 32, 24, Rix Beitr. z. Namenforschung 5, 115ff. Unannehmbare Kombinationen bei Specht Ursprung 120. I-265

βρένθος m. 1. N. eines Wasservogels (Arist., Ael.; vgl. Thompson Birds s. v.), 2. ‘Stolz’ (Ath.), 3. = ‘τύμβος’ H. — βρένθον· μύρον τι <τῶν παχέων>, ὡς βάκκαρις, οἱ δὲ ἄνθινον μύρον H. Davon βρένθειον (μύρον; Sapph., Pherekr.); βρένθινα· ριζάρια τινά, οἷς ἐρυθραίνονται αἱ γυναῖκες τὰς παρειάς H.; βρενθίνῳ· ἀνθίνῳ H.; — βρένθυς, -υος f. ‘Parfüm aus βρένθειον μύρον’ (Phld.). — βρένθιξ· θριδακίνη. Κύπριοι H. — Neben diesen seltenen, z. T. nur lexikalisch belegten Nomina steht ein weit gewöhnlicheres Verb βρενθύομαι nur Präsensstamm ‘sich brüsten, stolz gebärden, anmaßend auftreten’ (att. und spät), auch βρενθύνομαι (AP), wozu jedenfalls βρένθος im Sinn von ‘Stolz’ postverbal ist. Ob dagegen der Vogel nach seinen Bewegungen benannt ist oder das Verb vom Vogelnamen ausgeht, läßt sich kaum entscheiden. Dasselbe gilt vom Verb gegenüber βρένθον = μύρον nebst Ableitungen. Über das isolierte βρένθος = ‘τύμβος’ ist ebenfalls schwer zu urteilen. So schweben alle Etymologien tatsächlich in der Luft. Frühere Versuche bei Bq und WP. 1, 699; s. auch W.-Hofmann s. grandis. — Zu erwägen ist die Zugehörigkeit von βρινδεῖν· θυμοῦσθαι, ἐρεθίζειν H. als illyrisch (v. Blumenthal Hesychst. 6, Krahe DLZ 1930, 1654); anders, gewiß nicht besser, bei WP. 1, 686. S. auch Latte z. St. und Alessio Studi Etruschi 15, 190ff., der βρέντιον, βρένδον (s. d.) heranzieht. I-266

βρέτας, -εος n. ‘hölzernes Götterbild’ (A. usw., auch sp. Prosa). Davon der Spitzname Βρέτων (Attika), Bechtel Namenstudien 13f. Sonst keine Ableitungen. — Mittelmeerwort ohne Etymologie, vgl. Benveniste Rev. de phil. 58, 128f. Indogerm.-pelasgische Erklärung bei v. Windekens Le Pélasgique 15f., 33f. I-266

βρέφος n. ‘Neugeborenes, Kind, Tierjunges’ (auch Ψ 266. vorw. poet., auch Hdt. und späte Prosa). Seltene und späte Ableitungen: βρεφύλλιον Demin. (Luk., Eust.), βρεφώδης ‘kindisch’ (Ph. u. a.), βρεφικός ‘ds.’ (Ph., Eust.), βρεφόθεν ‘von Kindheit an’ (Eust.). Als Vorderglied in βρεφο-κτόνος ‘kindertötend’ (Lyk.), -κομέω, -τροφέω (Eust., Tz.). — Zu vergleichen ist aksl. žrěbę, žrěbьcь ‘Füllen’, von dem sich βρέφος nur durch die Stammbildung und die Stellung der inneren Liquida unterscheidet: βρέφος < idg. *grebh-, žrěbę < *gerbh- (durch slav. Metathese). Sonst isoliert. Unsicher ist wegen des Nasals nur. brommach ‘Füllen’ (< *grombhākos); über aind. gárbha- ‘Mutterleib, Leibesfrucht’ s. δελφύς. I-266

βρεχμός m. ‘Vorderhaupt, Oberschädel’ (ep. seit Ε 586), daneben mit sekundärem -γμ- (vgl. Schwyzer 206 A. 1) βρέγμα n. ‘ds.’ (Stratt., Hp., Arist. usw.); auch βρεγμός (EM), βρέχμα (v. l. Alkiphr. 3, 5). Vgl. Porzig Satzinhalte 283f. Keine Ableitungen. — Die Anknüpfung an βρέχω ‘benetzen’, weil dieser Teil des Schädels bei den neugeborenen Kindern noch weich ist (Hp., Arist.), überzeugt nicht. Seit Graßmann KZ 12, 93 gewöhnlich mit einem westgermanischen Wort für ‘Gehirn’ zusammengestellt, ags. broegen, mnd. bragen usw. (urg. *braʒna-), wobei der Anlaut verschieden beurteilt wird: mregh- oder b(h)regh-, vgl. Persson Beiträge 35. Sehr unsicher. — Benveniste BSL 31, 80 erinnert an aw. mərəzu- ‘Wirbel des Halses und Rückens’ und verschiedene neuiran. Wörter für ‘Hals’, die ebenfalls auf uriran. *mr̥z- zurückgehen. I-266-267

βρέχω, Aor. βρέξαι, βρεχθῆναι, βραχῆναι ‘nässen, überfluten’, auch ‘regnen (lassen)’ (vorw. ion. poet., hell. und spät). Ableitungen: βροχή ‘Regen, Bewässerung, Überschwemmung’ (Demokr., Thphr., Pap. usw.) und die seltenen βροχετός ‘Regen’ (AP, nach ὑετός), βροχμός ‘das Benetzen’ (EM) mit βροχμώδης (Demokr.), βρέγμα (Erot.). — Von βροχή, *βρόχος, evtl. direkt von βρέχω : βροχίς ‘Tintenfaß’ (AP), βρόχιον ‘ds.’ (Pap.), βροχικός ‘regnerisch’ (Cat. Cod. Astr.). — Seit Prellwitz und Bezzenberger BB 27, 153 (s. auch Trautmann Balt.-slav. Wb. 182) zu lett. merguôt ‘sanft regnen’, merga ‘sanfter Regen’, russ. morosítь ‘fein regnen’ usw. gezogen, die alle auf idg. merg(h)-, morg(h)- zurückgehen gegenüber mregh- in βρέχω (vgl. zu βρέφος). Man kann gegen diese Etymologie einwenden, daß bei βρέχω die Vorstellung des Durchnässens, des Überflutens überwiegt, während die baltoslavischen Wörter den Begriff des feinen Regens ausdrücken. Unter Vergleich mit frz. noyer ‘ertränken’ aus lat. necāre ‘töten’, auch ‘ersticken’, und πνίγειν ‘ersticken’, auch ‘ertränken’, pass. ‘ertrinken’ (weitere Beispiele bei Schulze Kl. Schr. 148ff.) vermutet deshalb H. Fraenkel Glotta 12, 1f., βρέχω sei ursprünglich ‘ersticken’, woraus ‘zudecken, überfluten’ (so bei Pi.); dazu als Verbalnomen βρόχος *‘Würgung’, ‘Würgeschlinge’ (s. d.). Vgl. βρύχιος. I-267

βρήσσειν · τὸ μετὰ βηχὸς ἀναπτύειν. ἔνιοι ταῦτα χωρὶς τοῦ ρ γράφουσι (Gal. Lex. Hipp.); βρήσσει· βήσσει H. Davon βρῆγμα· ἀπόπτυσμα ἀπὸ θώρακος, παρὰΙπποκράτει H. und, nach Bechtel Namenstudien 12f., auch der böot. PN Βρεικίδας (= Βρηκ-). — Expressives (onomatopoetisches) Reimwort zu βήσσειν, vgl. βραχεῖν. — Außerdem das lautimitierende βρήσσουσιν· βληχῶνται. φωνεῖ τὰ πρόβατα H. I-267

βρί (βρῖ) · ἐπὶ τοῦ μεγάλου καὶ ἰσχυροῦ καὶ χαλεποῦ τίθεται H., auch = βριθύ (A. D.). Als Vorderglied z. B. in βρι-ήπυος ‘stark schreiend’ Beiw. des Ares (Ν 521), Zusammenbildung mit ἠπύω, Βριάρεως myth. EN (Α 403 usw., Bechtel Lex. s. βριήπυος, Immisch RhM 47, 294, Heubeck Würzburger Jahrbücher 4, 214f.), βριηρόν· μεγάλως κεχαρισμένον H. (vgl. zuletzt Sommer Nominalkomp. 139 gegen Hoffmann Glotta 28, 23f.). Neben diesem nur als Vorderglied belegten βρι- steht das Adjektiv βριαρός ‘wuchtig, schwer’ (ep. seit Il.) wie das Oppositum χαλαρός neben χαλί-φρων; hinzu kommt βριάω ‘wuchtig machen od. sein’ (Hes., Opp.) wie χαλάω, somit vielleicht Rückbildung aus βριαρός; vgl. Schwyzer 682f., Bechtel a. a. O. — Alt und verbreitet ist die θ-Erweiterung in βρί̄θω, βέβρῑθα, wozu βρῖσαι, ‘wuchtig, schwer belastet sein’, auch ‘belasten’ (ion. poet. seit Il., sp. Prosa, vgl. Schwyzer 703, Risch 217) mit den seltenen βρῑθύς ‘wuchtig, schwer’ (poet. seit Il.), βρῖθος n. ‘Wucht, Last, Schwere’ (Hp., E. usw.), βριθοσύνη ‘ds.’ (Il., Nonn., vgl. die zahlreichen hom. Nomina auf -σύνη bei Risch 138, Porzig Satzinhalte 72, 226). — S. noch βρίμη, βριμάομαι; auch βρίζω und ὕβρις. — Mit größter Wahrscheinlichkeit zu βαρύς, von dem es sich durch die Schwundstufe der Wurzelsilbe und die ῑ-Erweiterung unterscheidet; neben dem einsilbigen ῑ wohl zweisilbiges ια (< ii̯ə) in βρια-ρός; vgl. zu 1. ἀρύω. Eine analoge -Erweiterung liegt vor in lat. (osk.-umbr.) brūtus = lett. grũts ‘schwer’. — Nach einer scharfsinnigen Vermutung von Wackernagel KZ 61, 197f. hat βρι- ein Gegenstück in aind. grī-ṣmá- m. ‘Hochsommer’, eig. *‘die Zeit des heftigen, starken Sommers’? (zu sámā ‘(Halb)jahr’, aw. ham- ‘Sommer’). — Sehr fraglich ist dagegen die Heranziehung von air. brīg ‘Kraft, Macht, Wert’ und verwandten keltischen Wörtern (Fick 2, 185). I-267-268

βρία = πόλις, τεῖχος, thrakisches Wort (Str. 7, 6, 1), βρίαν· τὴν ἐπἀγροῖς (ἄκροις?) κώμην H. — Zu toch. A ri, B riye ‘Stadt’, < *u̯rii̯ā. Lidén Aufsätze für Kuhn 143ff. Hierher vielleicht auch ῥίον ‘Berghöhe, Vorgebirge’ (s. d.). I-268

βρίγκα m. · τὸ μικρόν. Κύπριοι H. βρίγκος N. eines Seefisches (mittlere Kom. bei Ath. 322e), nach H. = ἰχθῦς κητώδης, was zu den Angaben bei Ath. schlecht stimmt (Thompson Fishes s. v.); außerdem bei H.: ἀνωδόρκας· βρίγκος (cod. βρίκχος) ὁ ἰχθῦς, ὑπὸ Θηβαίων, wozu Strömberg Fischnamen 58. Auch als PN (Eretria). — Unerklärt; vgl. Bechtel Dial. 1, 446. I-268

βρίζω ‘schläfrig sein, einnicken’ (Δ 4, 223, A.), Aor. ἔβριξα (E. Rh. 826 [lyr.], v. l. ἔβρισα), βρίξαι· ὑπνῶσαι, νυστάξαι; βρισθείς· ὑπνώσας H.; βριζώ, -οῦς f. = ἐνυπνιόμαντις (Semus 5). — ἄβρικτον· .. ἄγρυπνον, ἀβρίξ· ἐγρηγόρως H. (vgl. zur Bildung ἀπρίξ und Schwyzer 620). — Unerklärt. Anknüpfung an βρί-, βρίθω usw. (Curtius Grundz. 475, vgl. somno gravatus) scheint nicht ausgeschlossen . I-268

βρίθω s. βρί. I-269

βρίκελοι · οἱ μὲν τοὺς ἱστόποδας, ἀπὸ τοῦ βάρους καὶ τοῦ ξύλου· οἱ δὲ βαρβάρους· Δίδυμος δὲ τὰ τραγικὰ προσωπεῖα, παρὰ Κρατίνῳ, οἷον βροτῷ εἴκελοι, ἐν Σεριφίοις H. — Unerklärtes Wort unsicherer Bedeutung. Nach Grošelj Živa Ant. 4, 166f. als vorgriechisch zu φρίκες· χάρακες H. I-269

βρίμη · ἀπειλή. καὶ γυναικεία ἀρρητοποιΐα H., was sich auf A. R. 4, 1677 Μηδείης βρίμῃ πολυφαρμάκου beziehen dürfte; sehr fragliche Konjektur h. Hom. 28, 10 (von Athena); außerdem wahrscheinlich Orph. Fr. 79 = ‘das Brüllen’. Daneben βριμός· μέγας, χαλεπός H., Βριμώ Bein. der Hekate und Persephone (A. R. u. a.), βριμώδης (Herm. ap. Stob. [?]). — Mehrere Verba: βρῑμάομαι etwa ‘zürnen, vor Zorn schnauben’ od. ähnl. (Ar. Eq. 855, Phld.) mit βρίμημα (H., APl. [?]), gewöhnlicher ἐμ-βριμάομαι (A. usw.) mit ἐμβρίμημα, ἐμβρίμησις (LXX usw.); βριμόομαι ‘ds.’ (X., Ph.) mit βρίμωσις (Phld.), βριμαίνεται· θυμαίνεται, ὀργίζεται; βριμάζων· τῇ τοῦ λέοντος χρώμενος φωνῇ, βριμάζει· ὀργᾷ εἰς συνουσίαν. Κύπριοι H. — Spärlich belegte Wortgruppe, die schließlich auf eine nominale μ-Ableitung von βρι- in βριαρός, βρίθω zurückgehen muß; Bedeutung etwa ‘Schwere, Wucht, Gewalt, Ungestüm’. Die sehr sparsamen Belege der fraglichen Wörter, die im Sprachgefühl keine festen Wurzeln hatten, machen eine genaue Bedeutungsbestimmung unmöglich. Vgl. Solmsen KZ 42, 207 A. 2 m. Lit. — S. auch ὄβριμος. I-269

βριτύ · γλυκύ. Κρῆτες H. — Unerklärt. Als Vorderglied in Βριτό-μαρτις Bein. der Artemis auf Kreta, auch N. einer Göttin od. Nymphe auf Kreta und Dreros (Inschr., Kall., Str.). Davon Βριτομάρτια n. pl. Fest auf Delos (Inschr.). — Nach Solin. 11, 8 = ‘dulcis virgo’; das Hinterglied seit Diefenbach (s. Solmsen KZ 35, 483 A. 1) zu lit. martì ‘Braut, Jungfer’, krimgot. marzus ‘nuptiae’. Daneben auch Βριτόμαρπις, -μάρπεια (Kreta); nach Marinatos ’Αρχ. Δελτ. 9, 79ff. zu Μάρπησσα, N. einer verwandten Gottheit in Ätolien, und von Wahrmann Glotta 19, 170 als die ursprüngliche Form angesehen, woraus Βριτόμαρτις, wenig wahrscheinlich, durch Dissimilation entstanden wäre. Andere Nebenform Βρυτόμαρτις, s. Wahrmann a. a. O. — Abzulehnen Magnien (s. Glotta 21, 178). I-269

βρόγχος m. ‘Luftröhre, Kehle’ (Hp., Arist. u. a.). Davon βρόγχια n. pl. ‘Luftröhrenäste’ (Hp. u. a.), βρογχίη f. ‘Röhrensystem zwischen Herz und Leber’ (Hp., vgl. ἀρτηρία), βρογχεῖον ‘Luftröhrenknorpel’ (S. E.). — βρογχωτήρ ‘Halsöffnung eines Kleids’ (J.; vgl. τροπωτήρ ‘Ruderriemen’ = τροπός und die Sekundärbildungen auf -τήρ bei Chantraine Formation 327f.). — Denominativum βρογχιάζει· καταπίνει H. — Vielleicht zu βρόξαι (s. d.), βρόχθος mit unerklärter Nasalinfigierung. I-269-270

βρόμος, βροντή s. βρέμω. I-270

βρόξαι Aor., in der Lit. vorwiegend ἀνα-, κατα-βρόξαι ‘wieder einschlucken, verschlucken’ (ep. seit μ 240, δ 222; βρόξαι als Simplex H. [= ῥοφῆσαι], AP), ἀναβροχέν (λ 586), Perf. ἀναβέβροχεν (Ρ 54 nach Zenodot für ἀναβέβρῠχεν). Daneben βρόχθος m. ‘Schluck, Schlund’ (Hp., Theok., AP u. a.) mit βροχθώδης ‘seicht, untief’ (?; Nik. Th. 366, EM) und βροχθίζω ‘einen Schluck nehmen u. ähnl.’ (Arist. u. a.). — Der o-Vokalismus, der im Perfekt zu Hause ist, fällt im Aorist auf; äolischer Ursprung liegt nahe, vgl. βράξαι· .. καταπιεῖν H. Die nicht seltene Schreibung (Form) κατα-βρῶξαι (Ar., Lyk. u. a.) beruht auf alter Vermischung mit βιβρώσκω. — An βρόχθος, wohl zunächst als Nom. actionis "das Verschlucken" zu verstehen, erinnern mehrere Körperteilnamen wie γνάθος, στῆθος, γρόνθος usw. (Schwyzer 510f., Chantraine Formation 367, Specht Ursprung 253f.; auch Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 44f.); das jedenfalls suffixale -θος läßt verschiedene Auffassungen zu. — Aus anderen Sprachen sind einige germanische und keltische Nomina zum Vergleich geeignet: mhd. krage ‘Hals, Kehle, Nacken, Kragen’, meng. crawe ‘Kropf der Vögel’, die als Sekundärbildungen oder Nomina agentis auf idg. *grŏgh-ēn (gr. *βροχήν; vgl. αὐχήν usw.) zurückgehen können, und air. brāgae ‘Hals, Nacken’, mkymr. breuant ‘Luftröhre’ u. a. aus urkelt. *brāg-, idg. zunächst grōgh- (gr̥̄gh- ?). Weiterer Anschluß an die Sippe von βιβρώσκω, βάραθρον ist dann zu erwägen. Fick 1, 410, Kretschmer 31, 405; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 683. — Hierher wohl auch βρόγχος. I-270

βροτός m. f. ‘Mensch’ als sterbliches Wesen aufgefaßt, ‘der Sterbliche’, auch ‘sterblich’ (poet. seit Il.). Davon βρότεος (τ 545 usw.), βρότειος (Archil., A. usw.) ‘zu den Sterblichen gehörig, menschlich’ (vgl. Wackernagel Unt. 69 A. 1, Schmid -εος und -ειος 28f.); βροτήσιος ‘ds.’ (Hes., Pi. usw.; nach ’Ιθακήσιος, φιλοτήσιος usw., vgl. Chantraine Formation 41f.; unrichtig Fraenkel Nom. ag. 2, 151 nach Schulze: zu βροταί· γυναῖκες H., vgl. Latte z. St.). — Altes Privativkompositum ἄ-μβροτος (vgl. unten) ‘unsterblich, göttlich’ (daneben als einmalige Neubildung ἀ-βρότη [νύξ] Ξ 78, vgl. ἀμφιβρότη [ἀσπίς] ‘den Mann rings deckend’ Β 389 usw.?, s. auch βρότος) mit ἀμβρόσιος ‘zu den Unsterblichen gehörig, göttlich’ und dem Abstraktum ἀμβροσίη eig. "Unsterblichkeit", konkretisiert ‘Ambrosia’, von den Göttern als Speise usw. gebraucht (sämtl. poet. seit Il.). — βροτός, äolisch für *βρατός, ist mit arm. mard ‘Mensch’ formal und begrifflich identisch (idg. *mr̥tó-s); dazu, der Form nach übereinstimmend, aber durch die partizipielle Funktion semantisch abweichend, aind. mr̥tá-, aw. mərəta- ‘tot’, wozu noch lat. mortuus, aksl. mrъtvъ ‘tot’ (Suffix nach vivus, živъ); das negierte Oppositum in aind. a-mŕ̥ta-, aw. a-məša- ‘unsterblich’ = ἄ-μβροτος, aber auch ‘nicht tot, lebendig’; vgl. dazu Thieme Studien 15ff. mit feinsinnigen, aber unnötig zugespitzten und nicht immer überzeugenden Auslegungen. — Neben βροτός steht mit anderem Ablaut μορτός· ἄνθρωπος, θνητός H. = aind. márta-, aw. marəta- ‘der Sterbliche, Mensch’. — Als alte, im Griechischen isolierte Verbalnomina gehören βροτός und μορτός zu einem idg. Wort für ‘sterben’, das u. a. in lat. morior, aind. mriyáte, lit. mir̃ti, aksl. mrěti, arm. meṙanim, vielleicht auch in heth. mer- ‘verschwinden, absterben’ vorliegt; dazu noch got. maúrþrMord’ usw. Einzelheiten bei WP. 2, 276, Pok. 735. — Vgl. auch μαραίνω. I-270-271

βρότος bis auf μέλανα βρότον (ω 189) nur am Versende in der Formel βρότον αἱματόεντα (Η 425 usw.), m. gewöhnlich als ‘geronnenes Blut’ erklärt. Davon, ebenfalls formelhaft, βροτόεις in ἔναρα βροτόεντα (Ζ 480 usw.) und βροτόεντἀνδράγρια (Ε 509); außerdem das einmalige βεβροτωμένα τεύχεα (λ 41 = Q. S. 1, 717; danach Stesich. 42 δράκων ... κάρα βεβροτωμένος). — Wahrscheinlich äolisch (in Lautgebung und Akzent) für *βρατός und eng verwandt mit aind. mūrtá- ‘geronnen’ (Präs. mūrchati), zu dem es sich verhält wie στρα-τός (äol. στρο-τός) zu aind. stīr-ṇá- ‘ausgebreitet’ (Bugge KZ 19, 446). — Anders Leumann Hom. Wörter 124ff.: βρότος aus ἄμβροτος, das von einem Dichter falsch als ἀναίμων gedeutet wurde. — Hierher vielleicht mit Schulze KZ 29, 257f. (Kl. Schr. 361f.) auch ἀμφιβρότη (ἀσπίς Β 389 usw.) als ‘corpus undique tegens’ zu einem Wort für ‘Körper’ (*βροτόν?), vgl. aind. mū́rti- ‘Körper, Gestalt’ (andere Auffassung s. βροτός). I-271

βροῦκος m. Art Heuschrecke (Thphr., nach H. ion.). Daneben βροῦχος (LXX, Ph. usw.), βρούκα (kypr., H.); βραῦκος (kret.), βραύκη (AB, H.), βρε<ῦ>κος· ἡ μικρὰ ἀκρίς, ὑπὸ Κρητῶν H., βρύκος (H.), βρόκοι· ἀττέλεβοι, ἀκρίδες H. — Von diesen Formen ist βρύκος (und βροῦχος) schon von EM (danach Fick 1, 409) mit βρύκω ‘gierig abfressen, mit den Zähnen knirschen’ zusammengestellt worden. Die formale Ähnlichkeit kann indessen sehr wohl auf sekundärer volks- etymologischer Angleichung beruhen. Sonst sind diese volkstümlichen Wörter nicht befriedigend aufgeklärt. Der Vergleich mit russ. brýkatь ‘(mit den Hinterfüßen) ausschlagen’, klruss. brykáty ‘mutwillig herumspringen, laufen’ und anderen slavischen Wörtern aus idg. breuq- (v. d. Osten-Sacken IF 28, 146f.) hat einen sehr beschränkten Wert. — Zum Vokalwechsel vgl. Schwyzer 198. S. auch βερκνίς. I-271-272

βρόχθος s. βρόξαι. I-272

βρόχος m. ‘Schlinge (zum Erhängen), Strick, Band, Masche’ (ion. att. seit Od.). Davon βροχίς ‘Masche usw.’ (AP, Opp.) und βροχωτός ‘aus β. bestehend’ (Neophr., Aq., Sm.; zur Ableitung aus einem Nomen Chantraine Formation 305, Schwyzer 503). — Für eine Grundform *μρόχος spricht μόροττον· ἐκ φλοιοῦ πλέγμα τι, ᾧ ἔτυπτον ἀλλήλους τοῖς Δημητρίοις H. Herangezogen hat man daher einige slavische Wörter, z. B. aksl. mrěža ‘Netz, Schlinge’, serb. mrȅža ‘Netz’ (< idg. *merəghi̯ā), ferner lett. mer̂ga, mar̂ga ‘Geländer usw.’, lit. márška ‘Stück Leinwand, kleines Fischernetz’ (idg. *morəgh-skā?); näheres bei Vasmer Russ. et. Wb. 2, 119 m. Lit. — Wegen des auffallenden a-Vokals unsicher ir. braig ‘Kette’, braga ‘Gefangener, Geisel’; Erklärungsversuch von Walde Stand und Aufgaben 178. — WP. 2, 272f. nach Lidén Stud. 14 u. a. — Vgl. βρέχω (eig. ‘erwürgen, ersticken’?) und μέρμις. I-272

βρυαλίζων · διαρρήσσων H. (zu ῥήσσω = ‘stampfen’, vom Tanzen). Davon βρυαλιγμόν· ψόφον, ἦχον. βρυαλίκται· πολεμικοὶ ὀρχησταί· ‘μενέδουποιἼβυκος καὶ Στησίχορος H. — Von *βρύαλος (-η, -ον), nominale Ableitung unbekannter Bedeutung von βρύω (s. d.), bzw. λ-Erweiterung desselben, vgl. zu βαυκαλάω. Zur Bedeutung vgl. βρυάσομαι· ἀναβακχεύσομαι μετά τινος κινήσεως H. I-272

βρύκω, Aor. βρῦξαι, Fut. βρύξω ‘beißen, gierig abfressen’, nicht immer von βρύχω ‘mit den Zähnen knirschen’ zu unterscheiden (Kom. usw.; nach Moer. u. a. attisch). Davon βρυγμός (Eup.), βρύγμα (Nik.); βρυκετός· ταὐτὸν τῷ βρυγμῷ, καὶ βρυκηθμὸς ὁμοίως. Δωριεῖς H.; vgl. δακετόν bzw. βρυχηθμός; — βρυκεδανός· πολυφάγος ... H., vgl. πευκεδανός u. a.; — βρύγδην ‘dicht bei’ (AP). — Unter der Voraussetzung, κ in βρύκω sei für γ oder χ aus βρῦξαι, βρύξω durch Entgleisung sekundär entstanden (Osthoff ZGdP 313f.), kann βρύκω aus *grūĝ(h) mit aksl. gryzǫ, grysti ‘nagen’ identisch sein; damit ablautend lit. gráužiu, gráužti ‘nagen’. Auch arm. krcem ‘nagen’ aus *kurcem kann dazu stimmen, wenn man dieselbe analogische Metathese wie in turc, Gen. trcoyγνάθος’ (zu τρώγω) usw. annimmt; darüber Lidén Armen. Stud. 34f. m. Lit.; c in krcem (< idg. ) kann übrigens aus dem synonymen aracem ‘essen’ eingeführt sein. Aus dem Keltischen werden außerdem herangezogen air. brōn ‘Kummer’, kymr. brwyn ‘stechender Schmerz’ (urkelt. *brŭgnos). — WP. 1, 697f. m. Lit., Pok. 485f. I-272-273

βρῦτος -ον n. m., ‘Gerstenbier’ (Archil., Hekat. u. a.), auch βροῦτος, βρύττιον (H.). Daneben βρύτεα (-ια) n. pl. ‘Weintrester, τὰ στέμφυλα’ (Ath., Aret., H.). — Ableitungen: βρύτινος (Kratin.), βρυτικός (Antiph.). — Thrakisches Wort, das bis auf die Vokalqualität mit awno. ags. brođ, ahd. prod ‘Brühe’, air. bruth ‘Glut’ identisch sein kann (idg. *bhrū̆tos, -om). Begrifflich am nächsten kommt lat. dēfrŭtum n. ‘der eingekochte Most, Mostsaft’, eig. ‘das Ausgekochte, Vergorene’, Verbalnomen neben dēferv(e), dēfervescō ‘ausgären’. Somit alte Benennung eines uralten Verfahrens und uralten Produkts, letzten Endes von einem Verb der Bedeutung ‘aufbrausen (beim Gären, Brauen usw.)’ mit zahlreichen Ablegern und Verwandten, u. a. lat. ferv(e). Aus thrak. βρύτεα, -ια stammt durch illyrische Vermittlung (vgl. alb. bërsī) lat. brīsa ‘Weintrester’. — Reiches Material bei W.-Hofmann s. dēfrŭtum, außerdem WP. 2, 167f., Pok. 143f.; dazu noch Bruch IF 40, 241ff., Pisani JCeltStud. 1, 51 (mit hypothetischen romanischen Kombinationen). — Vgl. auch φρέαρ, φορύνω. I-273

βρῡχάομαι, Perf. βέβρῡχα (mit Präsensbed.), Aor. βρυχήσασθαι ‘brüllen, heulen’ (vorw. poet. seit Il., späte Prosa). Ableitungen: βρυχηθμός ‘Gebrüll, Geheul’ (Arist., Opp. u. a.), βρύχημα ‘ds.’ (A., APl., Plu.); retrograde Bildung βρυχή (Opp., vgl. βρύχω); — βρυχητής ‘Brüller, brüllend’ (AP), βρυχητήρ ‘ds.’ (Doroth.), βρυχητικός (Tz.). — βρυχηδόν ‘mit Gebrüll’ (A. R., Nonn.). — Erweiterte Verbform βρυχανάομαι (Nik.; vgl. Schwyzer 700). — Hierher auch βρούχετος· .. βάτραχον δὲ Κύπριοι, βρυχός· κήρυξ H. (auch βρυκός). — Zum Formenbestand vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 95 A. 3 (S. 96). — Die Bedeutung des intensiven, bei Hom. alleinherrschenden Perfekts βέβρυχα (vgl. μέμυκα, κέκραγα und Schwyzer-Debrunner 263), zu dem nach den Schallverben auf -άω (Schwyzer 683) das Präsens βρυχάομαι mitsamt dem noch späteren Aor. βρυχήσασθαι hinzugebildet wurde, legt onomatopoetischen Einfluß nahe, ohne daß man deswegen auf die naheliegende Anknüpfung an βρύχω (s. d.) zu verzichten braucht. Expressiver Ausdruck und als solcher mannigfachen umwandelnden Assoziationen unterworfen. I-273

βρῠ́χιος ‘(unter)seeisch, tief’ (A., Tim., A. R. u. a.). Daneben ὑπόβρυχα ‘unter dem Wasser’, urspr. als Adj. im Akk. Sg. faßbar (ε 319, Hdt. 7, 130; vgl. Bechtel Lex. s. v.), dann sicher Adv. (Arat., Q. S. u. a.). Im selben Sinn ὑποβρύχιος (ion. seit h. Hom. 33, 12, hell.); danach περιβρύχιος ‘rings umflutend’ (S. Ant. 336 [lyr.]). Nach Muster von ὑποβρύχιος : ὑπόβρυχα bildet Opp. H. 2, 588 zu βρύχιος den Akk. βρύχα ‘Meerestiefe’. — Alle diese Bildungen können von einem Nomen *βρύξ, βρυχός etwa ‘Wasser, Meer(estiefe)’ ausgegangen sein; zur Bildung von ὑπόβρυχα, ὑποβρύχιος Schwyzer-Debrunner 532. Weitere Beziehungen unsicher. Begrifflich nahe liegt βρέχω (das indessen vielleicht von einer anderen Grundvorstellung ausgeht, vgl. s. v.); dabei wäre *βρύξ wie ἄγυρις neben ἀγείρω usw. als Schwundstufe zu betrachten (Schwyzer 351). — Schwerlich mit Bechtel Lex. 323 zu βέβρῡχε (Quantität!, *βρύξ eig. "der Brüller"?). I-273-274

βρύχω nur Präsensstamm ‘mit den Zähnen (τοὺς ὀδόντας) klappern’, auch intr. (Hp., Nik., Act. Ap. usw.). Davon βρυχή (ὀδόντων) ‘das Zähneklappern’ (A. R., Q. S.), βρυχηθμός (Men., falls nicht von βρυχάομαι), βρυγμός (Hp., Ev. Matt. u. a.); Adv. βρυχηδόν (AP). — Expressives Wort, das formal und semantisch einerseits an βρύκω ‘nagen’, anderseits an βρυχάομαι ‘brüllen’ erinnert. Nahe kommt arm. krčem atamanc̣ ‘mit den Zähnen klappern’ (vgl. krcem s. βρύκω); aber arm. kann mit gr. χ nicht gleichgesetzt werden, sondern muß auf sekundärer Umbildung beruhen. I-274

βρύω nur Präsensstamm (bis auf βρύσας Prokop.) ‘sprossen, treiben, sprudeln, strotzen’ (poet. seit Il., späte Prosa [auch trans.]). Davon βρύσις (Suid., Eust.), βρυσμός (Ark.), auch EN wie Βρύας, Βρύσων. — Erweiterte Form βρυάζω ‘ds.’, auch übertr. (poet. seit A., Epik. u. a.), nur Präsensstamm bis auf βρυάσομαι· ἀναβακχεύσομαι μετά τινος κινήσεως H. (sehr unsicher ἀνεβρύαξαν Ar. Eq. 602). Davon βρυασμός ‘Üppigkeit’ (Plu.), Βρυάκτης Beiname des Pan (Poet. ap. Stob.). — βρύον n. ‘(See)moos, Blütenkätzchen’ (Hp., Arist., Thphr. usw.) mit βρυώδης ‘moos-, kätzchenähnlich’ (Alex. Aphr., Dsk. usw.); auch, mit Anknüpfung an βρύω, ‘üppig, überwachsen’ (Arist.), in dieser Bedeutung auch βρυόεις (Nik.); βρυώνη, βρυωνία ‘schwarze, weiße Weinrebe’ (Nik., Dsk. usw.; zur Bildung Chantraine Formation 207f.); Deminutivum βρυωνίς (Nik.). — Zur l-Ableitung in βρυαλίζων s. d. — Denominatives Verb βρυόομαι ‘mit βρύον bedeckt werden’ (Arist.). Bemerkenswertes Kompositum: ἔμβρυον n. ‘Neugeborenes (Lamm)’ (ι 245 u. a.; wohl auch A. Eu. 945 [lyr.]), ‘ungeborene Leibesfrucht’ (Hp., Arist. u. a.), von βρύω mit ἐν nach Muster von ἔμπεδος, ἐγκέφαλος und anderen nominalen Hypostasen. — Eine überzeugende Etymologie von βρύω fehlt. Mehrere Vorschläge, u. a. zu lat. frutex (Osthoff MU 5, 85ff.), zu ahd. krūt ‘Kraut’ (Persson Stud. 123). Weitere Lit. bei Bq s. v., W.-Hofmann s. frutex und verū, WP. 1, 689. — Als mutmaßliches Verbalnomen von βρύω steht βρύον ziemlich vereinzelt da; vgl. indessen θύον ‘Baum mit wohlriechendem Holz’, falls zu θύω ‘(verbrennend) opfern’. I-274-275

βρῶμος m. ‘Gestank’, falsch für βρόμος (LXX, Gal. u. a.) wohl in Anlehnung an βρῶμα (vgl. Ev. Mark. 7, 19). Davon βρωμώδης, βρομώδης ‘stinkend’ (Str., Plu., Ath. usw.); βρωμέω (-ο-) ‘übel riechen’ (Al.). — Mit βρόμος ‘Geräusch’ identisch; das Wort ist im Sinn von ‘Furz’ aus der akustischen in die Geruchssphäre übergegangen, vgl. ngr. κρούω ‘stoßen, farzen, stinken’. Hatzidakis Anh. zu ’Αθ. 27, 3ff., dazu Kretschmer Glotta 9, 222f., 11, 98. Anders z. B. Kalitsunakis, s. Glotta 12, 198. Vgl. auch ngr. βρομεῖ ‘es stinkt’ s. βρέμω. — Daraus lat. brōmus, brōmōsus, exbrōmō. I-275

βύᾱς m. ‘Uhu’ (Arist., D. C.). Aus der Lautimitation βῦ nach den Nomina auf -ᾱς (Schwyzer 461, Chantraine Formation 27f., 30). Daneben nach den Verba auf -ζω βύζω (βύας ἔβυξε D. C., vgl. Schwyzer 716). Postverbal βῦζα = βύας (Nik.). — Elementare Schallnachahmung: arm. bu ‘Eule’ (= georg. bu), npers. būm ‘ds.’, lat. būbō ‘Uhu’, bulg. buh ‘ds.’. Weiteres Material bei WP. 2, 112f., Pok. 97f., W.-Hofmann 119, Schrader-Nehring Reallex. 2, 216. — Vgl. βύκτης und βοάω. I-275

βύβλος s. βίβλος. I-275

βυβός = ‘μεστός, πλήρης, μέγας’ (Sophr. 115 aus Suid. u. H.). — Familiäre Reduplikationsbildung, mit βύω, βυνέω (s. d.) usw. verwandt. Zu den Wörtern auf -βός s. Chantraine Formation 261. Vgl. Specht Ursprung 264. I-275

βυθός ‘(Meeres)tiefe, Grund’ (ion. poet., hell.). Davon βύθιος ‘zur Tiefe gehörig, tief’ (spät), Fem. βυθῖτις (ψάμμος AP; vgl. Redard Les noms grecs en -της 23). m. Denominativum βυθίζω ‘versenken’ (S., Plb. usw.) mit βυθισμός (Hld.). Außerdem das Ptz. βυθόωσα (ῥίζα) ‘in die Tiefe gehend’ (Nik. Th. 505). — Daneben βυσσός m. ‘Meerestiefe, Grund’ (Il., Hdt., Arist.) mit βυσσόθεν ‘aus der Tiefe’ (S., Kall. usw.). Bemerkenswerte Komposita: ἄβυσσος ‘grundlos’ (Hdt., A., E., Ar.), Subst. f. ‘Abgrund, Unterwelt’ (= hebr. təhōm, LXX, NT, Pap.; zur Bildung und Bedeutung vgl. Schwyzer RhM 81, 203); — βυσσοδομεύω ‘tief, heimlich erdenken’ (Od., Hes., danach späte Prosa), metrisch bedingt für βυσσοδομέω (Eust., Suid.) wie οἰκοδομέω usw., s. K. Meister HK 31, Chantraine Gramm. hom. 1, 368. — Nebenform βύσσα (Opp.) nach βῆσσα; l-Erweiterung in βύσσαλοι· βόθροι, βυσσαλεύοντι· τῷ βυθῷ ἐφικνουμένῳ H. — Hinsichtlich des Inlauts erinnern βυθός : βυσσός an βαθύς : βάσσος; Grundform von βυσσός entweder *βυθι̯ός oder *βυθσός, vgl. Schwyzer a. a. O. — Die Hesychglosse γυθίσσων· διορύσσων läßt auf labiovelaren Anlaut schließen, wodurch Verwandtschaft mit βῆσσα (und βαθύς) nahegelegt wird. Dann verhält sich γυθίσσων zu βῆσσα, βαθύς wie γυνή zu böot. βανά; das β in βυθός, βυσσός wäre von βῆσσα, βαθύς übernommenen. Schwyzer RhM 81, 201f. (Gramm. 296), wo auch das unsichere aw. guδa- herangezogen wird. Weitere Beziehungen s. βῆσσα; vgl. auch πυθμήν. I-275-276

βυκάνη f. ‘Jagd-, Signalhorn’ (Plb. usw.). Davon βυκανάω ‘in Horn blasen’ (Plb.) mit βυκάνημα (App.) und βυκανητής (Plb., App.); auch βυκανιστής (Plb., D. H.) von βυκανίζω (Eust., vgl. unten); davon auch βυκανισμός ‘dumpfer Ton’ (Nikom., Ptol.). — Aus lat. būcina entlehnt mit Suffixübertragung nach Muster von māchina : μηχανή (Niedermann IF 37, 147f. gegen Cuny Mél. Saussure 108ff., der Entlehnung aus einem ungeschwächten *būcana durch die unteritalischen Griechen annimmt). Abzulehnen Haupt AmJPh 47, 310, vgl. Wahrmann Glotta 17, 255. — Neben βυκ- (vgl. βύζω, βύκτης) kommt auch die genauere Wiedergabe βου- vor. Direkt aus dem Latein stammt βουκινάτωρ (Lyd.) = būcinātor; von būcina ebenfalls βουκινίζω (S. E.). — S. auch βουκονιστήριον. I-276

βύκτης m. Beiwort des Windes, nur in βυκτάων ἀνέμων κ 20, von den Alten durch πνεόντων, φυσητῶν erklärt (danach Lyk. und Orph. Α., auch ohne Hauptwort im Sinn von ‘Sturmwind’). — Falls mit den Alten = ‘blasend’, zu βεβυκῶσθαι· πεπρῆσθαι <παρὰ> Θετταλοῖς H. (Hoffmann Dial. 2, 224, Bechtel Dial. 1, 204) und weiterhin zu βυνέω (s. d.). Nach Fraenkel Nom. ag. 1, 19 A. 1 dagegen zu βύζω, βύξαι ‘wie ein Uhu heulen’ (s. βύᾱς). — Anderssprachige Beispiele von k-Erweiterungen sowohl des schallnachahmenden bū wie von bu ‘aufblasen’, die aber für die Erklärung von βύκτης belanglos sind, bei WP. 2, 112f. und 116f., Pok.97f. und 100f., auch Bq s. v. I-276

βυνέω (Hdt., Ar.), auch βύνω (Hdt.), βύζω (Aret., H.), βύω, Aor. βῦσαι, Fut. βύσω; βέβυομαι (seit Od.), ἐβύσθην, (παρά)βυστος, ‘vollstopfen, anfüllen’. oft mit Präposition δια-, ἐπι-, παρα-, προ-, Ableitungen: βύσμα ‘Pfropf’ (Hp., Ar. u. a.), βύστρα ‘ds.’ (Antiph., Luk.); Adv. βύζην (aus *βύσ-δην, vgl. unten) ‘dicht gedrängt, eng aneinander’ (Hp., Th. usw.), wozu sekundär βυζόν· πυκνόν, συνετόν, γαῦρον δὲ καὶ μέγα H. — Außerdem mit λ-Suffix und Assimilation (oder expressiver Gemination) βυλλά· βεβυσμένα H., wozu das denominative βεβυλλῶσθαι· βεβύσθαι H. — Wie κυνέω läßt sich βυνέω als ein infigiertes Nasalpräsens *βυ-νέ-σ-ω auffassen, wobei βυν- sogar ein schwundstufiges βυν-σ- (3. Pl. *βύνσοντι, daraus διαβύνεται Hdt. 2, 96?, vgl. Schwyzer 692) fortsetzen könnte. Die Erklärung setzt für βυνέω ein sehr hohes Alter voraus. In Frage kommt auch *βυσ-νέω mit sekundärem -έω, vgl. z. B. ἐν-δυνέω neben δύνω, δύω. — Zum Vergleich eignet sich zunächst alb. m-bush ‘anfüllen’, ferner einige keltische und germanische Wörter für ‘Beutel, Tasche’, z. B. mir. būas auch ‘Bauch’ (idg. *bousto-), ano. posi, ags. posa, ahd. pfoso, urg. *pŭsan- (idg. *bŭson-); außerdem z. B. aschw. pusin ‘geschwollen’; alb. m-bush und mir. būas können jedoch auch idg. bh- enthalten. Auszugehen ist von einer weitverbreiteten Imitation des Aufblasens b(h)u, p(h)u, die zu jeder Zeit neugebildet werden konnte; die genetischen Vergleiche sind also mit Vorbehalt zu empfehlen. Vgl. βυβός, βουβών, βύτανα. — Reiches, aber etwas ungesichtetes Material bei WP. 2, 114ff., Pok. 98ff. I-276-277

βύνη βύνι, -εως n. (nach κίκι, κόμμι usw.) f., ‘Gerstenmalz’ (Pap., Aët.). Sehr zweifelhaft βυνεύς· σκεύασμά τι κρίθινον H. (trotz Lagercrantz ad PHolm. 15, 33), viell. aus dem Gen. βύνεως falsch erschlossen. — Fremdwort unbekannter Herkunft. I-277

βύριον · οἴκημα, βυριόθεν· οἴκοθεν H., (EM). — Messapisches Wort, das sich bis auf das i̯o-Suffix im Germanischen wiederfindet: ano. būr n., ahd. ags. būr m. ‘Hütte, Zimmer, Käfig’ (urg. *būra-). Hierher wahrscheinlich auch βυρμός· σταθμός H., s. v. Blumenthal Hesychst. 3. Daneben mit anderem Ablaut βαυρία, βᾶρις (s. dd.). S. auch Krahe IF 57, 116. — Alles r-Ableitungen eines Worts für ‘wohnen’, s. φύω. I-277

βυρρός · κάνθαρος. Τυρρηνοί H. — Nach der Farbe genannt, aus gr. πυρρός, = lat. burrus ‘feuerrot, scharlachrot’ (Paul. Fest. 31). Fohalle Mélanges Vendryes 157f., dazu Kretschmer Glotta 16, 166. I-277

βύρσα f. ‘(abgezogene) Haut, Fell’ (ion. att. seit Hdt.). Mehrere späte Ableitungen: Deminutivum βυρσίς (H.); βύρσινος ‘ledern’ (D. C.), βυρσικός ‘ds.’ (Gp.), auch ‘von Gerbern benutzt’ (Hippiatr., zu βυρσεύς), βυρσώδης ‘ds.’ (Gal.); — βυρσεύς ‘Gerber’ (Act. Ap., Artem., Pap.) für älteres βυρσοδέψης (Ar. Pl. usw.) mit Ableitungen, vgl. Boß- hardt Die Nomina auf -ευς 76; daneben βυρσεύω ‘gerben’ (H.) und βυρσεῖον ‘Gerbgrube’ (Sch.). — Denom. βυρσόω ‘mit Häuten bedecken’ (Ath. Mech.). — Alt nur βυρσίνη ‘Lederriemen’ (Ar. Eq. 59, 449, wegen des Wortspiels mit μυρσίνη). — Technisches LW ohne Etymologie. I-277-278

βύσσος f. "Byssos", feine Flachsart und Leinwand, auch auf baumwollene und seidene Stoffe bezogen (Emp., Theok., Str. usw.). Davon βύσσινος ‘aus β. gemacht’ (seit Hdt.); βύσσωμα ‘Netz aus β.’ (AP; zur Bildung vgl. πέπλωμα usw. Chantraine Formation 187). — Durch semitische Vermittlung (hebr. aram. būṣ, Lewy Fremdwörter 125f.) aus dem Ägyptischen (wꜣḏ Linnenart), s. Spiegelberg KZ 41, 127ff. I-278

βύσταξ m. ‘Schnurrbart’ (Antiph.), βύσταγα· πώγωνα H. — Wahrscheinlich aus μύσταξ nach βυνέω umgebildet, vgl. βῦσαι· ἐπιθεῖναι, φορτῶσαι, κρύψαι H. Nach Güntert Reimwortbildungen 128 Fremdwort. I-278

βύτανα · κόνδυλοι. οἱ δὲ βρύτανα H. — Bildung auf -ανον (Chantraine Formation 197ff., Schwyzer 489f.); gewöhnlich ebenso wie βυτθόν· πλῆθος H. (expressive Gemination, falls nicht dial. für βυστόν) und βύττος· γυναικὸς αἰδοῖον H. als volkstümliche Dentalerweiterung des imitativen bu ‘aufblasen’ (s. βυνέω) betrachtet. — WP. 2, 115 nach der ausführlichen Behandlung von Persson Beiträge 254, 272, 274. I-278

βυτίνη · λάγυνος ἢ ἀμίς. Ταραντῖνοι H. Daneben πῡτί̄νη ‘mit Weidenzweigen oder Bast umflochtene Weinflasche’ (Poll.), Titel einer Komödie des Kratinos. — Wie viele andere Gefäßnamen ohne Etymologie. Daraus vlat. butina mit weiteren Entlehnungen ins Germanische, z. B. ags. byden, ahd. butin, nhd. Bütte; aus dem Germanischen finn. putina, russ. bódnja usw., s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v. Auch lat. buttis ‘Faß’ mit but(t)icula, butticella hängt damit irgendwie zusammen (W.-Hofmann s. v.). — Neugr. Formen und ON bei Georgakas ByzZ 42, 78. I-278

βωβός Bez. eines Gebrechens, nach H. = χωλός, πηρός (πτορός cod.); bei Plu. Fr. inc. 149 mit κωφός koordiniert; im Neugr. = ‘stumm’. — Bildung wie κολοβός, κλαμβός usw. (Chantraine 261, Specht Ursprung 262f.); nach Grošelj Živa Ant. 4, 168f. als ‘stumm’ onomatopoetisch zu βωβύζειν· σαλπίζειν H. I-278

βωλήτης m. (Ath.), auch βωλίτης (Gp., Gal.) ‘Pilz, spez. Champignon’. Davon βωλήτιον ‘pilzförmige Schale’, βωλητάρια πινάκια (Pap.), βωλητῖνος ἄρτος (Ath.), nach der Form. — Aus lat. bōlētus (seit Sen.), das nach Niedermann IFAnz. 29, 31f. seinen Namen von der Stadt Boletum in Spanien bezogen hat; formal und sächlich nicht ohne Bedenken, s. W.-Hofmann s. v. Bedenklich ebenfalls Machek Lingua posnaniensis 2, 48 : βωλήτης sei aus derselben Quelle wie slav. bъdla ‘Champignon’ entlehnt. (Nicht besser über die slav. Wörter bei Vasmer Russ. et. Wb. 1, 93.) — Die Form βωλίτης, nach den zahlreichen Ableitungen auf -ίτης, hat auch die Bedeutung ‘Wurzelknolle der Lychnis’, offenbar durch Assoziation mit βῶλος, erhalten und ist auch ins Latein (Plin.) übergegangen. Näheres bei Redard Les noms grecs en -της 70. I-278-279

βῶλος f. (m.) ‘Erdscholle, (Erd)kloß’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen. Deminutiva βωλίον (Ar., Arist.), βωλάριον (Str. usw.); — βωλίς· μάζης εἶδός τι ἐν ταῖς θυσίαις H.; βωλόναι nach Einigen = κολῶναι; vielleicht βωλῶναι zu schreiben (H. aus S.). — Adj. βωλώδης (Thphr., Pap.), βώλινος (H.); Adv. βωληδόν (Dsk.); Verbalnomen βώλωσις ‘Kloßbildung, Zusammenballung’ (Pap.) als von *βωλόομαι; vgl. die Bildungen ohne Verb bei Chantraine Formation 288. — Alt ist βῶλαξ f. = βῶλος (poet. seit Pi.; ἐριβῶλαξ wie ἐρίβωλος seit Il.); vgl. die Sekundärbildungen auf -αξ bei Chantraine Formation 379. Davon βωλάκιος (Pi.), βωλάκιον (H., Zonar.). — Nicht sicher erklärt. Vielleicht ursprünglich lautsymbolisch und zu βολβός (s. d.) usw. I-279

βωμός m. ‘Stufe, (Wagen)gestell’, bes. ‘Altar’ (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen. Deminutiva: βωμίς ‘Staffel’ (Hdt.), βωμίσκος techn. Terminus mit verschiedenen Spezialbedeutungen (Hero, Nikom. usw.), βωμίσκιον (Pap.), βωμισκάριον (Inschr.); βῶμαξ· μικρὸς βωμός, ὑποκοριστικῶς H. — βωμῖτις (sc. γῆ) ‘geweihtes Land’ (Pergamon); — βωμίστρια ‘Priesterin’ (Nik.; nach den Bildungen auf -ίστρια zu -ίζειν, Chantraine Formation 106); βώμᾱξ· βωμολόχος H., volkstümlich-pejorative Bildung, Chantraine Formation 381f.; Björck Alpha impurum 263 A. 1; davon βωμάκευμα (Sch., EM). — Adj. βώμιος (S., E. usw.), auch Monatsname (Lamia); βωμικός (Kibyra), βωμιαῖος (S.). — βώμευσις· βωμοῦ ἵδρυμα H., wie von *βωμεύω, vgl. zu βώλωσις s. βῶλος. — Hierher auch als Denominativum βώμηνεν· ὤμοσε H. von *βωμαίνω ‘(mit der Hand auf dem Altar) schwören’. — Verbalnomen mit auffallender -Stufe zu ἔ-βη-ν (ἔ-βᾱ-ν); zur Bedeutung vgl. z. B. βάσις und apers. gāϑu-, npers. gāh ‘Platz, Stätte, Thron’ (von gā- = βᾱ-, βη-). — Verfehlt E. Maaß Arch. f. Religionswiss. 23, 221ff. (vgl. Wahrmann Glotta 17, 244), Lewy KZ 55, 32 (sem. LW). — S. auch Porzig Satzinhalte 262, 286f. I-279

βωνίτης, -τᾱς m. ‘βουκόλος’ (Kall., H., Suid.). — Eig. dor. für βουνίτης (von βουνός, s. d.; vgl. βωνίτας· τοὺς ἐν ἀγρῷ H.) mit volksetymologischem Anschluß an βοῦς, βῶς. Redard Les noms grecs en -της 39. — Nicht mit Baunack Phil. 70, 367 = *βωϝίτας. I-279-280

βωρεύς βωρίδιον n., auch βουρίδιον (Alex. Trall.). m., ‘Seebarbe’ (Xenokr.), — Nach Boßhardt Die Nomina auf -ευς 61 aus βῶροι· ὀφθαλμοί H., weil neben den βωρίδια u. a. auch die τυφλίδια erwähnt werden. Ebenso Strömberg Fischnamen 42f. mit anderen Beispielen desselben Benennungsmotivs. Aber βῶροι steht wahrscheinlich für *ϝῶροι (s. ὁράω); anderseits kann βωρεύς von den gleichbedeutenden kopt. bori, arab. būrī nicht getrennt werden, s. Thompson Fishes s. v. — Zu den EN auf Βωρ- (Βῶρος, Βώρακος, Βώριμος) s. Boßhardt a. a. O. I-280

βωσίον n. Bez. eines Hausgeräts; Deminutivum βωσιδία (Pap., vgl. unten). Aus βωτίον· σταμνίον H. mit Übergang von τι > σι, s. Olsson Symb. Oslo. 4, 62f.; davon βωτάριον (Zos. Alch.). Die Femininform βωσιδιαι (bis) ist wahrscheinlich nur schlechte Orthographie für -ίδια; Olsson erwägt daneben Übergang ins Femininum nach λήκυθος, στάμνος usw. — Ohne Etymologie; vgl. βοῦτ(τ)ις. I-280

βωστρέω nur Präsensstamm ‘rufen, anrufen’ (poet. seit Od.). — Zu βοάω wie ἐλαστρέω (ep. ion. seit Il.) zu ἐλαύνω, ἐλά-σαι, καλιστρέω (Kall.) zu καλέω. Expressive Erweiterung, ursprünglich auf einem nominalen τερ-, τρο-Suffix aufgebaut (vgl. Risch 266), aber im einzelnen unklar. — Bechtel Lex. vergleicht die lit. Deverbativa auf -teriu, terėti. I-280

βωτάζειν · βάλλειν H. S. γατάλαι und οὐτάω. I-280

βωτιάνειρα, βώτωρ usw. s. βόσκω. I-280

γα dor. usw. für γε, s. d. I-280

γάβαθον καβαθα pl. (Akz.?, Pap. IIIa), auch f. sg. (Edict. Diocl., s. unten); ζάβατος· πίναξ ἰχθυηρὸς παρὰ Παφίοις H.; außerdem [.]αβαθα τρία Cumont Fouilles de Doura-Europos 372, 13. Zum Lautlichen Schwyzer 209. · τρυβλίον H.; — Orientalisches LW, viell. aus einem unbelegten sem. Fem. *ḳabbat (H. Bauer bei W.-Hofmann s. gabata; vgl. κάβος). Aus derselben Quelle lat. gabat(h)a ‘Schale, Schüssel, hölzernes Gefäß’ mit verschiedenen Ablegern: gr. καβαθα (Edict. Diocl.), kalabr. gávata ‘catino di terracotta’, franz. jatte, ahd. gebiza, gebita ‘Eßgeschirr’. Aus ngr. γαβάθα türk. kuvata. S. W.-Hofmann a. a. O., außerdem Hubschmid Rev. int. d’onomastique 4, 19. — Daneben γάβενα· ὀξυβάφια, ἤτοι τρυβλία H.; Bildung unklar, neugr. Formen bei Kukules ’Αρχ. 27, 61ff., unterital. bei Rohlfs WB 399; s. noch Hubschmid a. a. O., Belardi Doxa 3, 200. I-280-281

γαγάτης (sc. λίθος) m. ‘Pechkohle, Gagat’ (Orph., Plin., Dsk. usw.). — Nach Plin. 36, 141 von Γάγας Stadt und Fluß in Lykien. Daraus lat. gagātēs, wovon franz. jais, dt. Gagat usw. Vgl. Redard Les noms grecs en -της 53, 234. I-281

γαγγαίνειν · τὸ μετὰ γέλωτος προσπαίζειν H. — Redupliziertes Schallwort, seit Fick (1, 33 und 398; 2, 109) zu aind. gañjana- ‘verachtend, besiegend’ (formal = *γάγγανος), ags. canc ‘Hohn, Spott’ (= aind. gañja-, nur lexikalisch belegt). — Über lat. ganniō und einige keltische und slavische Wörter, die besser beiseite bleiben, s. W.-Hofmann s. v., WP. 1, 535, Pok. 352. — Vgl. auch γογγύζω. I-281

γάγγαμον γαγγάμη f. (Str.) n. ‘Netz, bes. zum Austernfang’ (A., Opp.), Ableitung γαγγαμεύς· ἁλιεύς, ὁ τῇ γαγγάμῃ ἐργαζόμενος H. Daneben γαγγαμευτής ‘ds.’ (conj. EM), vielleicht nach ἁλιευτής neben ἁλιεύς; evtl. von *γαγγαμεύω (Boßhardt Die Nomina auf -ευς 82). — Als technischer Terminus der Entlehnung verdächtig. Falls indogermanisch, kann es zu γέντο ‘er faßte’ (s. d.) gehören. I-281

γαγγλίον n. ‘Geschwulst, Überbein’ mit γαγγλιώδης (Mediz. seit Hp.). — Nicht sicher erklärt. Nach L. Meyer mit Intensivreduplikation zu ἄγλις, γέλγις, γάλινθοι, γέλινθοι (s. dd.), denen Solmsen Wortforsch. 223 einige slavische Ausdrücke für ‘Geschwulst, Drüse usw.’, z. B. aksl. žьly, hinzufügt. Weitere hypothetische Verwandte bei W.-Hofmann s. galla, WP. 1, 612, Pok. 357. I-281

γάγγραινα f. ‘Brand’ (Hp., NT, Plu. usw.). Davon die Adj. γαγγραινικός und γαγγραινώδης, das Denominativum γαγγραινόομαι mit γαγγραίνωσις und γαγγραίνωμα (alles Hp. usw.). — Intensive Reduplikationsbildung mit demselben Suffix wie in φαγέδαινα. Als nächste Grundlage hat wahrscheinlich ein Nomen gedient, dessen Form sich nicht genau feststellen läßt (vgl. Chantraine Formation 108f.); möglich sind z. B. *γάγγρων, *γάγγρος, auch γάγγρα, nach Alexander Polyhistor bei St. Byz. s. Γάγγρα eine Benennung der Ziege. Schon die Alten haben γάγγραινα ansprechend mit γράω ‘fressen’, athem. Ipv. γράσθι, verknüpft. Ob die Intensivreduplikation schon beim Verb vorlag (*γαγγράω, *γαγγραίνω) oder sich erst beim Substantiv einstellte, ist nicht zu entscheiden. — Näheres bei Solmsen Wortforsch. 231f. I-281

γαδή · κιβωτός H. — Wertlose Vermutung bei Winter Prothet. Vokal 17. Nicht zu trennen von γάνδιον· κιβώτιον H. Zum Vergleich bietet sich lat. gandeia N. eines Fahrzeuges bei den Afrikanern, s. W.-Hofmann s. v. S. noch Belardi Rend. Acc. Lincei 8 : 9, 620 mit weitgehenden Kombinationen. I-282

γάδος N. eines Fisches, auch ὄνος benannt (Dorio ap. Ath. 7, 315f.). Daneben γάδαρος (Diogenian) = γαϊδάριον (Pap. VI-VIIp), ngr. γάϊδαρος. — Über anklingende Benennungen des ὄνος oder ὀνίσκος, γαλίας, γαλλερίας, χελλαρίης usw. s. Strömberg Fischnamen 130f. I-282

γάζα f. ‘Schatzkammer, der königliche Schatz’ (Thphr., OGI 54, 22 [IIIa], Plb. usw.); als Vorderglied in γαζο-φύλαξ ‘Schatzwächter’ mit γαζοφυλακέω und γαζοφυλάκιον (alles hell.). Keine Ableitungen. — Nach Pomp. Mela 1, 64 u. a. persisch, vgl. mpers. ganj. Aus dem Griechischen stammt lat. gaza, wohl auch syr. gazā. I-282

γαῖα f. ‘Erde’, auch personifiziert (poet. seit Il.). Seltene Ableitungen: γαιήϊος ‘aus der Erde (Gaia) entsprossen’ (poet. seit Od.; nach den Adj. auf -ήϊος, vgl. Chantraine Formation 52), γαιών ‘Erdhaufen’ (Tab. Heracl. 1, 136) neben γα-εών (IG 14, 322 II 83, Halaesa), γαιόω ‘in Erde verwandeln’ (Tz.). Unter den Komposita ist zu nennen dor. γαιάοχος, lak. γαιάϝοχος, ep. γαιήοχος Beiw. des Poseidon, s. d. — Unklar. Vielleicht Kontamination von αἶα, μαῖα und γῆ (Schwyzer 473 m. Lit.). I-282

γαιάοχος lak. γαιάϝοχος, ep. γαιήοχος (seit Il.) m. (dor.), Beiwort des Poseidon (sekundär auf Zeus usw. bezogen) eig. Bedeutung unbekannt, gewöhnlich als ‘erdbewegend, Erderschütterer’ (= ἐννοσίγαιος, s. d.) erklärt; — das Hinterglied jedenfalls zu ὀχέω, lat. vehō usw., was verschiedene konkrete Sinnfärbungen zuläßt. Nach Borgeaud KZ 68, 221f. = ‘Heimführer d. h. Gemahl der Gaia’ = Ποσειδῶν (s. d.). An eine Kultlegende erinnernd, nach der Poseidon ἵππιος in Gestalt eines Hengstes die in eine Stute verwandelte Demeter d. h. die Erdgöttin besprungen habe, erwägt Kretschmer Glotta 5, 303 eine Deutung Γαῖαν ὀχεύων oder Γαίᾳ ὀχούμενος in erotischem Sinne; die Glossierung mit ὀχεύων kann insofern in die Irre führen, als dies Verbum wahrscheinlich nichts mit ὀχέω zu tun hat, s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 30 (zu ὀχεύς). — Wieder anders Nilsson Gr. Rel. 1, 419 als Alternative (nach Hesych): ‘unter der Erde fahrend’ (von Poseidon als altem Flußgott). — Auch die exakte Deutung des Zeusepithets αἰγίοχος (s. αἰγίς) muß als unsicher gelten. I-282

γαῖσος auch γαῖσον n. m., Bez. eines Wurfspießes (Plb., Ph. Bel., LXX usw.). — Wie lat. gaesum aus dem Gallischen. — Daneben γαισᾶται, -οι ‘mercennarii’ (Plb.) aus lat. gaesātī ‘mit einem g. bewaffnete gallische Soldtruppen’, vgl. die EN Gaesāto-rīx, Gaeso-rīx, vandal. Gaise-rīcus, got. Rada-gaisus (Kretschmer Zeitschr. f. d. Alt. 66, 8, Jacobsohn ibid. 219ff.). — Andere keltische Formen sind z. B. air. gae, korn. gew ‘Speer’. Hierher noch das germ. Wort für ‘Speer’, ahd. as. gēr, ags. gār, anord. geirr m.; über die naheliegende Annahme einer Entlehnung aus dem Keltischen Schrader-Nehring Reallex. 2, 425. — Weitere Anknüpfungen sind höchst unsicher, vgl. s. χαῖος. Wie bei vielen anderen Waffennamen ist mit fremdem Ursprung zu rechnen (nach Ath. 6, 273f. war γαῖσος iberisch). Vgl. noch L. Hahn Rom und Romanismus im griech. Osten 49. I-282-283

γαίω ‘sich freuen’ (κύδεϊ γαίων) s. γάνυμαι und γηθέω. I-283

γάλα, γάλακτος ‘Milch’ (seit Il.); seltene oblique Formen Dat. γάλακι (Kall. Hek. 1, 4, 4), Gen. γάλατος (Pap.), τοῦ γάλα (Pl. Kom.). n. Ableitungen: γαλάκτιον ‘Milchtropfen’ (M. Ant., verächtlich deminuierend), pl. ‘Milchkuchen’ (Alkiphr.); γαλακτίς (πέτρα) N. eines Steins (Orph.) = γαλακτίτης (Dsk.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 53), beide auch als Pflanzennamen = τιθύμαλλος (Aët., Gloss.; nach dem Milchsaft, s. Strömberg Pflanzennamen 58, Redard 70); γάλαξ N. eines weißen Schalfisches (Arist.; vgl. Strömberg Fischnamen 109; zur Bildung Chantraine Formation 379); γάλιον s. bes. — Adjektiva: γαλακτώδης ‘aus Milch bestehend, mit Milch gemischt usw.’ (Arist., Hp. u. a.), γαλάκτινος ‘milchfarben’ (AP, Pap.). — Denominative Verba: 1. γαλακτίζω ‘milchähnlich sein usw.’ (Dsk. u. a.) mit γαλακτισμός ‘das Säugen’ (Mediz.); 2. γαλακτόομαι ‘zu Milch werden’ (Thphr. u. a.) mit γαλάκτωσις (Thphr.); 3. γαλακτιάω ‘von Milchüberfülle leiden’ (weil der Abfluß verhindert ist, Poll., H.). — Durch Assibilation entstanden Formen mit ξ: γαλαξίας (κύκλος) ‘die Milchstraße’ (D. S., Luk. usw.; zur Bildung Chantraine 95; daneben im Anschluß an das Grundwort γαλακτίας Ptol.); γαλάξια n. pl. N. eines Kybelefestes in Athen, bei dem ein Milchgericht γαλαξία gespeist wurde (Inschr., Thphr., H.), davon Γαλαξιών Monatsname auf Delos (Inschr. IIIa). Danach γαλαξαῖος und γαλαξήεις ‘milchähnlich, milchweiß’ (Nonn.). — Für sich steht γαλατμόν· λάχανον ἄγριον H., seit Fick BB 28, 108 als Zusammenbildung von γάλα und τέμνω erklärt (vgl. γάλιον); eine Sekundärbildung *γαλακτ-μόν (Strömberg Pflanzennamen 58) wäre hart, aber vielleicht nicht ganz unmöglich. — Unklar γάλαγγα ‘Alpinia officinarum’ (Aët.). — Eine alte Zusammenbildung aus γάλα und θῆσθαι ist γαλα-θη-νός ‘milchsaugend’ (vorw. poet. seit Od.); zum Suffix vgl. ἀγανός usw. (Schwyzer 452), auch τιθήνη (unklar Bechtel Lex. s. v.). — Neben γάλα steht γλάγος n. (poet. und selten seit Β 471) mit den späten, ebenfalls poetischen γλαγερός, γλαγόεις; außerdem περιγλαγής (Π 642, wonach νεογλαγής [Max.]) und γλαγάω (AP); andere Formen: γλακῶντες· μεστοὶ γάλακτος H.; κλάγος· γάλα. Κρῆτες H. (zur Erklärung unten); mit hypokoristischer Gemination γλακκόν· γαλαθηνόν H. — Über γάλα als Hinterglied Sommer Nominalkomp. 83. — Altererbtes Wort für ‘Milch’, das indessen außerhalb des Griechischen nur in lat. lac bewahrt ist (altes Fremdwort?, Porzig Gliederung 132); Grundform somit *glakt-, das in γλακτο-φάγος (Ν 6 usw.) vorliegen kann, falls nicht vielmehr sekundäre Synkope. Daraus, mit Schwund der Endkonsonanten und Vokalentfaltung in der einsilbigen Nom.-Akk.-Form (vgl. zu γυνή) γάλα, wozu analogisch γάλακτος. — Die τ-losen Formen γλάγος, γλακῶντες und κλάγος sind nicht sicher erklärt. Die Annahme J. Schmidts Pluralbild. 179, das -t sei ursprünglich wie z. B. in aind. yákr̥-t (s. ἧπαρ) nur im Nom.-Akk. zu Hause, ist allenfalls möglich, aber ebensogut kann ein sekundär reduziertes *γλάκ[τ] zugrunde liegen. Die Formen γλάγος und κλάγος lassen verschiedene Deutungen zu; wahrscheinlich ist γλάγος aus *γλάκος assimiliert (Solmsen IFAnz. 19, 31); κλάγος kann umgekehrt eine Metathese sein (Schulze KZ 33, 399 = Kl. Schr. 304; anders Kretschmer KZ 33, 471, v. Blumenthal Hesychst. 25); nach Havers Sprachtabu 122 wäre die Umstellung durch Tabu verursacht, was schwer zu begründen sein dürfte. — Aus lat. lac mir. lacht usw. Dagegen ist altchin. lak (aus *glak oder *klak) ‘Kumys, säuerliches Milchprodukt’ jedenfalls in erster Linie ein nordasiatisches (türkisches) LW, vgl. türk. dial. raky, araky; daraus u. a. arab. ’araq, japan. sake usw., s. Karlgren DLZ 1926, 1960f. — Vgl. Schwyzer IF 30, 438ff., Kretschmer Glotta 6, 305. — Abzulehnen Hirt IF 21, 173f. (vgl. Kretschmer Glotta 1, 373), Meillet MSL 17, 60, Müller-Graupa Glotta 19, 69ff., Mann Lang. 28, 33 usw. — Vgl. WP. 1, 659, Pok. 400f., W.-Hofmann s. lac. Zu den verschiedenen idg. Ausdrücken für ‘Milch’ s. Ernout-Meillet s. lac, Buck Synonyms 385. I-283-284

γάλας · γῆ. παρὰ Εὐκλίτῳ H. — Unsichere Vermutungen über mediterranen Ursprung bei Belardi Doxa 3, 200. I-284

γαλέη, γαλῆ f. ‘Wiesel, Marder’ (ion. att. seit Hdt., Ar.), auch als Fischname (Ael.), vgl. Strömberg Fischnamen 108. Davon γαλιδεύς ‘junges Wiesel’ (Krat.), nach λυκ-ιδεύς und anderen Nomina auf -ιδεύς (Chantraine Formation 364; vgl. unten); γαλεώτης ‘Eidechse’ (Ar., Arist.), ‘Wiesel’ (Luk.); zur Bildung vgl. Schwyzer 500; auch ‘Schwertfisch’ (Plb., Str.), vgl. s. γαλεός. — Bemerkenswerte Komposita: γαλε-άγκων (Arist., Plu.), auch γαλι-άγκων (Hp.; nach den zahlreichen Vordergliedern auf -ι: ἀργι-, κυδι-, καλλι- usw.; vgl. unten) eig. ‘wieselarmig’, d. h. ‘mit kurzem Oberarm’, vgl. Solmsen Wortforsch. 225f.; γαλεό-βδολον n. "Wieselfurz", ‘Taubnessel’, eig. substantiviertes Bahuvrihikompositum, = γαλήοψις "Wieselauge" (Dsk.); zur Namengebung s. Strömberg Pflanzennamen 138f., Lehmann IF 21, 193 A. 1. — Zu γαλεός s. bes. — Die Bildung von γαλέη macht es wahrscheinlich, daß das Wort ursprünglich das Fell bezeichnete, vgl. ἀλωπεκ-έη usw. (Chantraine Formation 91), auch lat. galea unten. Die zugrunde liegende Wortform bleibt unsicher. Seit Osthoff Etym. parerga 183f. vergleicht man lat. glīs ‘Hasel-, Bilchmaus’ und aind. giri-, girikā f. ‘Maus’ (nur lexikalisch belegt). Die Bildungen γαλ-ιδεύς und γαλι-άγκων lassen sich jedoch nicht als Zeugnisse eines ehemaligen griechischen ι-Stammes verwerten, s. oben. — Fern bleibt (trotz Schwyzer 299) kymr. bele ‘Wiesel’ (vgl. W.-Hofmann s. fēlēs). — Von der ursprünglichen Bedeutung ‘Wieselfell’ scheint lat. galea ‘Hehn aus Leder’ auszugehen, vgl. κυνέη eig. ‘Hundsfell’, gew. ‘Sturmhaube’. — Aus γαλέη stammen nach Hesseling Neophilologus 6, 207ff. auch ital. galea, -ia, ndl. galei usw. Bez. eines Schiffes (wegen der Geschwindigkeit). I-284-285

γαλεός m. ‘Haifisch’ (Pl. Kom., Arist. usw.), auch = γαλέη (Aret.). Davon γαλεώδης ‘haifischartig’ (Arist.), γαλεώτης ‘Schwertfisch’ (Plb., Str.; vgl. unten), auch γαλαξίας = γαλεός (Gal.) mit unerklärtem Anschluß an γαλαξίας ‘Milchstraße’; bemerkenswertes Kompositum γαλεώνυμος = γαλεός (Phylotim. ap. Gal.), Kontamination von diesem und καλλιώνυμος Bez. eines Fisches, s. Strömberg Fischnamen 108f. — Daß der Haifisch nach dem Wiesel benannt wurde, hat Strömberg a. a. O. wahrscheinlichgemacht, aber die Bildungsweise von γαλεός ist unklar. Zur Not könnte eine Rückbildung aus γαλεώτης (von γαλέη) nach Muster von ἀσκαλαβώτης : ἀσκάλαβος vorliegen. — Ausführlich über γαλεός Thompson Fishes s. v. I-285

γαλήνη, dor. γαλά̄νᾱ f. ‘Stille’, bes. ‘Meeresstille’ (seit Od.). Mehrere Ableitungen: γαλήνεια (γαλάνεια) = γαλήνη (Eur. in lyr.), vielleicht nach dem sinnverwandten σαφήνεια; nicht von γαληνής (nur Arist. Phgn. 811b 38, nach den Adj. auf -(ην)ής); γαληναίη (A. R. 1, 1156; vgl. ἀναγκαίη neben ἀνάγκη); daneben das Adj. γαληναῖος (AP, Epigr.); Demin. γαληνίδιον (Gloss.). — γαληνός ‘still, ruhig’ (E., Pl., Arist. usw.; eher nach den Adj. auf -ηνός zu γαλήνη neugebildet als mit Schwyzer 514 eine davon unabhängige νο-Ableitung von einem σ-Stamm) mit γαληνότης (S. E.); γαλήνιος (Luk.), γαληνώδης (Schol.). Durch Vermischung mit den zahlreichen ρο-Adjektiva (nicht alter r-n-Wechsel) entstand γαληρός H.; daneben, nach den Adj. auf -ερος, γαλερός H., vgl. γελανής und γελαρής s. γελάω. — Denominative Verba: γαληνίζω ‘Meeresstille hervorrufen’, intr. ‘still sein’ (Hp., E. usw.) mit γαληνισμός (Epikur.); γαληνιάζω ‘still sein’ (Hp. u. a.), γαληνιάω ‘ds.’ (Epikur. usw.). — γαλήνη, γαλά̄νᾱ, wie das sinnverwandte σελήνη gebildet, steht für *γαλασ-νᾱ und geht somit von einem nominalen σ-Stamm aus, der mit anderem Ablaut in γέλως, γελασ-τός usw. und auch in dem bei Jo. Gramm. Comp. 3, 1 als äolisch bezeichneten γελήνη (für *γελᾰ́ννα wie σελᾰ́ννα?) vorliegt. Zur Bedeutung, eig. ‘Heiterkeit’, vgl. γελεῖν· λάμπειν, ἀνθεῖν H. Ablautsmäßig stimmt γαλήνη zu arm. caɫr ‘Gelächter’; weiteres s. γελάω. Vgl. noch γλήνη, γλῆνος. I-285-286

γάλι · ἱκανόν H. — Für *ϝάλι; s. ἅλις. I-286

γαλιάγκων s. γαλέη. I-286

γαλίας, γαλλερίας usw. Fischnamen, s. γάδος. I-286

γάλινθοι · ἐβέβινθοι. οἱ δὲ γάλιθοι H. Daneben γέλινθοι· ἐρέβινθοι H. — Nach Solmsen Wortforsch. 223 zu γέλγις usw. (s. d.). Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 9 u.ö. I-286

γάλιον n. ‘Taubnessel, Galium’ (Dsk. 4, 95). Daneben (ibid.) γαλάτιον (vgl. ἁλάτιον und den Gen. γάλατος) und γαλαίριον (dunkel). — Zu γάλα, weil es zum Gerinnen der Milch als Lab gebraucht wird (Dsk. l. c., vgl. Strömberg Pflanzennamen 108). — Nach Fick BB 28, 108 ist γάλιον Kurzform für γαλατμόν (s. γάλα); eine direkte Ableitung von γάλα scheint auch möglich. Andere Namen der Taubnessel, γαλεόβδολον und γαλήοψις, legen indessen auch für γάλιον Zusammenhang mit γαλέη nahe. I-286

γάλλια · ἔντερα H. — Vielleicht mit Lidén KZ 61, 22f. als *ϝάλλια aus *ϝάλνια zu εἰλύω ‘winden, drehen usw.’; vgl. besonders awno. vil n., Dat. pl. -jum ‘viscera’, idg. *u̯el-i̯o-. Zur Lautentwicklung vgl. lesb. thess. στάλλα aus *στάλνᾱ und die Diskussion bei Schwyzer 283c. I-286

γάλως, -ω att. (nach Hdn. Gr.), ep. Dat. sg. und Nom. pl. γαλόῳ, Gen. pl. γαλόων (Il.) f. ‘Schwester des Mannes’. — Altertümliches Verwandtschaftswort, das nach Hermann Gött. Nachr. 1918, 222f. ursprünglich die unverheiratete Schwester des Mannes bezeichnete. Am nächsten kommt lat. glōs ‘Schwester des Mannes’ (sekundär ‘Frau des Bruders’); hierher noch arm. tal ‘ds.’ (i-Stamm; mit t- für c- wohl nach taygr ‘Bruder des Mannes’, s. zu δαήρ) und einige slavische Wörter, z. B. spätksl. zъlъva ‘ds.’. Sehr unsicher γέλαρος· ἀδελφοῦ γυνή, Φρυγιστί H. (für *γέλαϝος? Hermann a. a. O.). — Im Auslaut stimmt γάλως, gewiß nicht zufällig, zu πάτρως, μήτρως (s. dd.); wenn diese Übereinstimmung alt ist, muß hom. γαλόῳ durch Übertritt in die o-Deklination erklärt werden. Einzelheiten bei Solmsen KZ 34, 39 und 45, 98; reiche Lit. bei W.-Hofmann s. glōs. I-286-287

γαμβρός m. ‘Schwiegersohn, Eidam; Schwager’, poet. auch ‘Schwiegervater’ und ‘Bräutigam’ (seit Il.). Seltene und späte Ableitungen: γαμβρά ‘Schwägerin’ (Pap.), γαμβροτιδεύς ‘Sohn eines γαμβρός’ (Iamb., nach λεοντιδεύς usw.), γάμβρια· δῶρα ἢ δεῖπνα γαμβροῦ H., γαμβρεύω ‘sich verschwägern’ (LXX, J.). — Zum Vergleich melden sich die Benennungen des Schwiegersohnes in anderen Sprachen, die indessen alle von γαμβρός mehr oder weniger stark abweichen: lat. gener, alb. dhëndër, dhândër auch ‘Bräutigam’, aind. jā́mātar- = aw. zāmātar- mit sekundär hinzugefügtem -tar- nach anderen Verwandtschaftsnamen, vgl. aw. zāmaoya- (aus -mavya-) ‘Bruder des Schwiegersohnes’ (Grundwort unbekannt) und aind. jāmí- ‘verschwistert, verwandt’, f. auch ‘Schwiegertochter’. Für sich stehen die baltisch-slavischen Benennungen: lit. žéntas, aksk. zętъ, lett. znuôts, letzteres = γνωτός ‘Verwandter’. Aus dem Aind. wird noch herangezogen: jārá- ‘Freier, Buhle’, wobei -- eine nasalis sonans m̥̄ vertreten müßte. Abweichend heth. kaena-, gaena- ‘Verschwägerter, Verwandter’. Die balto-slavischen und albanesischen Wörter werden gewöhnlich zur Sippe von γίγνομαι gezogen (lit. žéntas, lett. znuôts usw. nach Schulze KZ 63, 113 vielmehr zu γιγνώσκω); ob auch lat. gener dahin gehört oder nicht vielmehr nach genus usw. umgebildet ist, bleibt unentschieden. Anderseits kann γαμβρός von γαμέω, γάμος beeinflußt sein. Die schwankende Formengebung der betreffenden Wörter verrät volkstümlichen Ursprung und volksetymologische Umbildungen. — Reiche Lit. bei W.-Hofmann s. gener. Vgl. γαμέω. I-287

γαμέω ‘heiraten’ (vom Manne), ‘sich verheiraten’ (vom Weibe), Präs. (Inf. u. Ptz.) wahrscheinlich seit Od., Fut. γαμέω (γαμῶ), Aor. γῆμαι (beide seit Il.), Perf. γεγάμηκα, -ημαι (att.); späte Formen γαμήσω, ἐγάμησα, ἐγαμήθην; einmalige Futurform γαμέσσεται Ι 394 ‘verheiraten’ (Aristarch dafür γε μάσσεται). Daraus rückgebildet γάμος m. ‘Heirat, Hochzeit’ (seit Il.) mit γαμικός (Pl., Arist. usw.), γάμιος (Mosch., Opp. u. a.), γαμίζω ‘verheiraten’ (A. D., NT). — Von γαμέω: γαμετή ‘Gattin, Frau’ (seit Hes.); von γάμος: γαμέτης ‘Gatte, Ehemann’ (A., E., X. usw.) mit γαμέτις (AP u. a.). — Ohne sicheren Ausgangspunkt, vielleicht von einem l-Nomen (Schwyzer 483), γαμήλιος ‘hochzeitlich’ (seit A.) mit dem Monatsnamen Γαμηλιών (Attika, Arist. u. a.); auch γαμήλευμα ‘Ehe’ (A. Ch. 624 [lyr.], freie poetische Bildung, vgl. Chantraine Formation 186); l-Suffix auch in γάμελα n. pl. ‘Heiratsopfer’ (Delphi Va) und Γαμίλιος Monatsname (Dodona). — Zu γαμήσιμος ‘nubilis’ (Gloss.) s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 88. — Sekundäre Erweiterung γαμίσκομαι (Arist. usw.; vgl. Schwyzer 709); Desiderativum γαμησείω (Alkiphr.). — Schwerlich von γαμβρός zu trennen, das allerdings auch von γαμέω sekundär attrahiert sein kann. Falls mit γαμβρός urverwandt, kann γαμέω wegen seines palatalen Anlauts nicht (mit Hermann Gött. Nachr. 1934, 61, Kretschmer Glotta 26, 65, E. Maaß RhM 77, 1; dagegen Wahrmann Glotta 19, 214) zu γέντο, ὕγγεμος = συλλαβή, γέμω usw. gehören, was sonst immerhin möglich wäre. Gegen Anknüpfung an βαίνω (Georgiev) Kretschmer Glotta 26, 65, Specht Gnomon 13, 172f., Schwyzer 720 A. 12. Da die Sippe von γαμβρός sonst keine Verba enthält, bieten sich für die Analyse von γαμέω keine außergriechischen Vergleichspunkte. Auszugehen ist von einer zweisilbigen Wurzel γαμε-, von der der Aorist ἔγημα (dor. ἔγᾱμα) eine einsilbige Reduktionsstufe repräsentiert, vgl. Specht KZ 59, 96. I-287-288

γάμμα γέμμα (Demokr.) n. (X. u. a.), Buchstabenname. Deminutivum γαμματίσκιον (Lyd. Mag.). — Aus dem Semitischen, vgl. hebr. gīmel und das Wort für ‘Kamel’: hebr. gāmāl, aram. gamlā, nilnub. kam (Schwyzer 140 m. A. 4). I-288

γαμφηλαί f. pl. (selten sg.) ‘Kinnbacken eines Tieres’ (poet. seit Il.). Daraus rückgebildet γαμφαί (Lyk.). — Bildung wie τράχηλος usw. und kaum von γόμφος, γομφίος zu trennen. Der α-Vokalismus macht indessen Schwierigkeit: volkstümliches Wort oder Schwundstufe *γαφ- (= aind. jabh-) mit wiederhergestelltem Nasal? — Wenig wahrscheinlich mit Pedersen (s. WP. 1, 534) zu russ. gubá ‘Lippe’ und verwandten slavischen Wörtern. I-288

γαμψός ‘krumm’ (Ar. Nu. 337 [lyr.], Hp., Arist. u. a.) mit γαμψότης, γαμψόομαι (Arist.) und γαμψωλή (H.). Kompositum γαμψῶνυξ (poet. seit Il.), γαμψώνυχος (Epich., Arist. usw.) ‘krummkrallig’. — Offenbar zu γνάμπτω (s. d.); der Wegfall des -ν- erklärt sich unschwer als dissimilatorisch, wenn man γαμψός als eine Rückbildung aus dem früher belegten verbalen Reduktionskompositum γαμψώνυχ(ο)- ansieht, s. Leumann Hom. Wörter 156 m. Lit. Dadurch erübrigt sich die Annahme einer Kontamination von γνάμπτω und κάμπτω (Güntert Reimwortbildungen 115f.). I-288-289

γᾶναι (cod. γάναι) · περιπτίσαι (cod. -ύσαι) H. — Für ϝᾶναι, s. αἵνω. I-289

γάνος 1. n. ‘Erheiterung, Glanz, Erquickung’ (poet. seit Sapph., A.). Davon als Erweiterung γάνωμα = γάνος (Ph., Plu. usw., vgl. Chantraine Formation 186f.), ferner γανώδης (Thphr.) und das Denominativum γανόομαι (spät -όω) ‘heiter, glänzend werden (erheitern, polieren usw.)’ (Anakr., Ar., Pl. usw.) mit γάνωσις ‘das Polieren usw.’ (Plu. u. a.), γανωτής (Gloss.). — Denominativ γανεῖν· λευκαίνειν (H., EM). — Verbalnomen zum Präsens γάνυμαι (s. d.) nach den Nomina auf -νος (wie γλῆνος u. a.; vgl. auch Schwyzer 512 Mom. 3). S. auch διηγανές. I-289

γάνος 2. · παράδεισος (nach EM kyprisch), γάνεα· κήπους H., vielleicht auch inschriftlich belegt (Kypern, Mytilene). — Aus hebr. gan ‘Garten’, vgl. Lewy Fremdw. 114. I-289

γάνυμαι außerpräsentische Formen, alle vom Präsens γάνυμαι gebildet, nur vereinzelt belegt (Fut. γανύσσομαι schon Il.). ‘sich erheitern, sich ergötzen’ (poet. seit Il., späte Prosa), Davon γανύματα· ἀρτύματα (AB), γανύσματα (Paul. Sil., nach ἡδύσματα), woraus durch Rhotazismus γανύρματα H. (Baunack Phil. 70, 374f.); γανυρόν· λευκόν, ἡδύ, ἱλαρόν H. (γανερόν EM). Als Vorderglied in Γανυ-μήδης usw. Zu γάνος s. bes. — Erweitertes Präsens γανύσκομαι (Them. u. a.). — Hinzu kommen die epischen Partizipformen γανόωντες, γανόωσαι usw. ‘glänzend, schimmernd’ (seit Il.), Neubildungen nach den Verba auf -ανάω (vgl. Risch 274, Chantraine Gramm. hom. 1, 360), außerdem das spät belegte Präs. Ind. γανόωσιν (Arat. 190) und γανάσσαι· σμῆξαι, ἡδῦναι H. — Wenn man γάνυμαι als nasalinfigiertes Präsens in γά-ν-υ-μαι zerlegt, was für diese Bildung ein sehr hohes Alter voraussetzt (vgl. zu κλύω), erzielt man Anschluß an γαῦρος und das Jotpräsens γαίω aus *γᾰϝ-ι̯ω, weiterhin auch an γηθέω usw., s. d. I-289

γαπελεῖν · ἀμελεῖν H. — Bechtel KZ 44, 354 vergleicht die EN arg. Γαψίας, delph. Γάψων, außerdem noch, ganz willkürlich, ags. ceaflas pl. ‘Kinnladen’ (eigentliche Bed. ‘oscitari, Maulaffen feil halten’). Vgl. Kretschmer Glotta 5, 307. I-289

γάρ Partikel ‘gewiß, denn, nämlich’ (seit Il.). — Aus γε ἄρ (s. dd.). Zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 560. I-289

γάργα · αἴγειρος H. — Fick Vorgr. Ortsnamen 82 vergleicht damit den attischen Demennamen Γαργηττός und Γάργαρα (Troas). I-289

γαργαλίζω ‘kitzeln’ (Pl., Arist. usw.) mit γαργαλισμός (Pl., Hp., Arist. usw.). Rückbildungen γάργαλος (Ar. Th. 133) und γαργάλη (Kom.). Daneben γαγγαλίζω (Phryn.) mit γαγγαλίδες· γελάσινοι H. und γαγγαλιάω (H.). — Onomatopoetische Bildung mit Intensivreduplikation (für *γαλ-γαλ-), vgl. Schwyzer 259 und 647. I-290

γάργαρα n. pl. ‘Menge (Leute)’ (Kom.), dissimilierte Form γάργαλα· πλῆθος, πολλά H. Davon γαργαρίς· θόρυβος H. und γαργαίρω ‘wimmeln’ (Kom., Sophr.); auch γαργάρται· λίθοι αὐτοφυεῖς (H.)? Mit anderem Vokal γέργερα· πολλά H. — Intensive Reduplikationsbildung onomatopoetischer Natur, die mit ἀγείρω, vielleicht auch mit ἀγοστός (s. dd.) in eine Gruppe ähnlicher Wörter gehört, die alle ihrer Art wegen einer genauen morphologischen Analyse Widerstand leisten, z. B. lit. gurgulỹs ‘Wirrwarr von Fäden, dichter Schwarm (von Vögeln)’, gùrguolė ‘Menge, Masse (Leute, Bienen)’, gretà ‘dicht zusammen, nebeneinander’, lat. grex ‘Herde, Schar’; vielleicht auch mir. graig ‘Pferdeherde’ und andere keltische Wörter (Pok. 382), falls nicht mit Thurneysen KZ 59, 6 aus dem Lat.; unsicher aind. nágara- ‘Stadt’; nach Tedesco Word 3, 80ff. aus *nr̥-gara- "Männerversammlung", nach Meile BSL 45 p. IV vielmehr dravidisch; — zu aind. gan̥á- ‘Schar’, das auch hierhergezogen worden ist, s. Kuiper Proto-Munda Words in Sanskrit (Amsterdam 1948) 54f., der es als vorarisch ansieht. — Weitere Lit. bei WP. 1, 590, Pok. 382f., W.-Hofmann s. grex. I-290

γαργαρίζω ‘gurgeln’ (Orib., Sch.) mit γαργαρισμός (Alex. Trall.) und γαργαρισμάτιον ‘Gurgelwasser’ (Marcell. Emp.). Postverbal γαργαρεών m. ‘uvula’, auch ‘Luftröhre’ (Hp., Arist.); zur Bildung vgl. besonders ἀνθερεών ‘Kinn’, auch ‘Kehle’. Mit anderem Vokalismus γέργερος· βρόγχος H. — Onomatopoetische Reduplikationsbildung, vgl. Schwyzer 423. ? Die Sippe von βιβρώσκω hat damit nichts zu tun. I-290

γάρκαν · ῥάβδον. Μακεδόνες H. — Vgl. γάρρα· ῥάβδος, γάρσανα· φρύγανα. Κρῆτες H. und γέρρον, s. d. — Abzulehnen Specht Ursprung 206 und 236: s ~ k idg. Suffixwechsel. Bezzenberger BB 27, 165 vergleicht lett. zars ‘Ast, Zweig’, was von Mühlenbach-Endzelin Lett.-dt. Wb. s. v. abgelehnt wird. — Nach Pisani Acme 1, 312 zu βράκος· κάλαμος und lat. virga, sehr unwahrscheinlich. S. auch Belardi Doxa 3, 200f. I-290

γάρος ‘Fischbrühe, Kaviar’ (A., S., Kom.), auch n. (Pap.), γάρον (Str.) m. Späte Ableitungen: Deminutivum γάριον (Arr., Pap.); γαράριον und γαρηρόν ‘Gefäß für γ.’ (Pap.); γαριτικός (Pap.); γαρῖνος und γαρίσκος Fischnamen (Marcell. Sid.); zur Bildung usw. Strömberg Fischnamen 41 und 88. — Herkunft unbekannt. Daraus lat. garum. I-290-291

γαρριώμεθα · λοιδορούμεθα H. — Expressives Wort, zunächst zu lat. garrio, -īre ‘schwatzen, plaudern’, weiterhin wahrscheinlich zu γῆρυς usw., s. d. und Bechtel Dial. 2, 369 m. Lit. — Anders Georgiev (s. Schwyzer 299): zu δερίαι· λοιδορίαι H. (s. d.). I-291

γαστήρ, -τρός, -τέρος (zur Flexion Schwyzer 568, Chantraine Gramm. hom. 1, 96 und 215) f. (nach νηδύς? Wackernagel-Debrunner KZ 67, 162) ‘Bauch, Mutterleib, Magen, Magenwurst’ (seit Il.). — Ohne Zweifel mit Prellwitz KZ 47, 297f. und Lagercrantz GHÅ 26 (1920): 2, 65ff. aus *γρασ-τήρ als "Fresser" zu γράω (s. d.); formal = aind. grastar- ‘Verfinsterer’ (als astron. Terminus), eig. "Verschlinger"; vgl. ngr. γλάστρα ‘Blumentopf’ mit anderer Form der Dissimilation, dazu Kretschmer Glotta 12, 219. Andere Deutungen von Brugmann IF 11, 271 A. 1 (zu γέμω) und Szemerényi WuS NF 1, 154ff. (s. γέντα). — Beispiele verschiedener Benennungen des Magens bei Janzén Zeitschr. f. slav. Phil. 15, 54f. Mehrere Ableitungen, vorwiegend aus der Volks- und Fachsprache: Deminutivum γαστρίον (Miletos Va usw., vgl. Schwyzer 470); γάστρα, -η ‘der Bauch eines Gefäßes, ein bauchiger Topf’ (Il., Inschr. usw., vgl. μήτρα und Schwyzer 532, Chantraine Formation 24); γάστρων ‘Dickbauch’ (Alk., Ar. u. a.), γάστρις m. f. ‘Fresser, bauchig’ (seit Ar.), γαστρώδης ‘bauchig’ (Hp., Ar.). Denominativum γαστρίζω ‘auf den Bauch schlagen, sich den Bauch füllen’ (Ar., Theopomp. usw.) mit γαστρισμός (Sophil.). Oft als Vorderglied (γαστρο-, γαστρι-). I-291

γατάλαι · οὐλαί H. — Seit Kuster und Ahrens allg. in γατειλαί geändert (Bechtel Lex. 339 dafür γατηλαί) und als ϝατειλαί zu ὠτειλή gezogen, s. d. Die ev. Wurzelidentität ist selbstverständlich auch mit suffixaler Verschiedenheit vereinbar. I-291

γαυλός — Daß γαῦλος von γαυλός nicht zu trennen ist, wird durch die semantischen Parallelen bei Solmsen Wortforsch. 217 wahrscheinlich gemacht. Falls indogermanisch, wird es am besten zusammen mit γωλεός und γύαλον (s. dd.) zu ahd. kiol, awno. kióll ‘Schiff’ (sehr unsicher aind. [lex.] gola- ‘runder Wasserkrug’) gezogen und dadurch in eine reich verzweigte Wortfamilie eingeordnet, die im Griechischen u. a. auch durch γυρός vertreten ist. — Dieser idg. Etymologie steht allerdings eine Erklärung aus dem Semitischen entgegen, die durch die Angabe bei H. s. γαυλοί: καὶ τὰ Φοινικικὰ πλοῖα γαῦλοι καλοῦνται eine gewisse Stütze erhält. Der von Lewy Fremdw. 151 und 210 aus dem Phönikischen herangezogene Inselname Gawl bietet aber dafür einen sehr schwachen Anhalt, und sonst bleibt zum Vergleich nur hebr. gullā ‘Ölkrug’ übrig. γαῦλος mit Akzentverschiebung (s. Hdn. Gr. 1, 156) Bez. eines (runden) Lastschiffes (Epich., Hdt., Ar. usw., vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 7). m. ‘Melkeimer, Schöpfeimer, Krug, Bienenkorb’ (seit Od.); Davon γαυλίς (Opp.) und γαυλικός (X., von γαῦλος). I-291-292

γαυνάκης auch (mit Assimilation?, vgl. Schwyzer 257) καυνάκης (Ar. V. 1137, Men., Arr., Pap.) und καυνάκη f. (Pap.) m. — ersisches (altiranisches) LW, aus *gauna-ka- ‘haarig, farbig’ zu aw. gaona- ‘Haar, Haarfarbe’; andere iran. Formen bei Morgenstierne Pashto 25. Aus dem Iranischen ebenfalls assyr. gunakku N. eines Kleidungsstückes; aus γαυνάκης lat. gaunaca (seit Varro). — Näheres bei Schwyzer ZII 6, 234ff. Bez. eines persischen Pelzes (Pap., Peripl. M. Rubr., Clem. Al.), Komposita καυνακοπλόκος, -ποιός (Pap.). Deminutivum γαυνάκιον, I-292

γαῦρος ‘stolz, übermutig’ (Archil., E. usw., späte Prosa). Ableitungen: γαύρᾱξ ‘Prahler’ (Alk.), γαυρότης ‘Übermut, Ausgelassenheit’ (Plu.). Denominative Verba: γαυριάω ‘sich brüsten, stolz sein’ (Kratin., X., D. usw.; zur Bildung Schwyzer 732) mit γαυρίαμα (LXX, Phld. usw.); γαυρόομαι ‘ds.’ (E., X. usw., -όω ‘stolz machen’ Plu., D. C.) mit γαύρωμα (E., Aristid.). — Zu γάνυμαι, γαίω, γηθέω (s. dd.). Eine r-Ableitung auch in mir. gūaire ‘edel’ (aus *gauri̯os). I-292

γαύσαπος (Str.), γαυσάπης (Varro) Bez. eines zottigen Kleiderstoffes, ‘Fries’. — Nach Jokl (briefl.) bei W.-Hofmann s. gausapa aus einer indog. Balkansprache entlehnt, vgl. alb. gëzóf ‘Pelz aus Fellen, Mantel’. Aus dem Griech. stammt lat. gausape(s), -a, -um. — Gegen Entlehnung aus dem Assyrischen (guzippu, kuzippu Bez. eines Kleids, H. Lewy KZ 58, 26ff.) s. Hofmann a. a. O. I-292

γαυσός (γαῦσος) ‘auswärts gekrümmt, schief’ (Hp.). Davon γαυσάδας· ψευδής H., wohl eig. substantivisch; vgl. besonders Σιμάδας (von Σίμων, σιμός, Schwyzer 509 m. Lit.); denominatives Verb γαυσόω (Sor., H.). Außerdem ἔγγαυσον· ἔνσκαμβον H., vgl. Strömberg Greek Prefix Studies 127. Zur Bildung vgl. βλαισός, λοξός und andere bedeutungs- und stilverwandte Adjektiva bei Chantraine Formation 434, Solmsen Wortforsch. 244. — Genaue außergriechische Entsprechungen fehlen. Wird gewöhnlich mit γαυλός, γυρός, γύαλον usw. zu der allumfassenden Sippe idg. geu- (gēu-) ‘biegen, krummen, wölben’ gezogen; die allgemeine Bedeutung ebenso wie der schwankende Vokalismus und die wechselnden Formantien beschränken den Wert der landläufigen Zusammenstellungen. Da sich das σ-Suffix sehr wohl aus dem Griechischen selbst erklären läßt, haben Vergleiche mit semantisch abseits liegenden ähnlichen Bildungen in anderen Sprachen (WP. 1, 558, Pok. 398) kein Interesse. I-292-293

γε, dor. böot. γα hervorhebende Partikel ‘gerade (nur), eben, jedenfalls’ (seit Il.). — Verbindungen wie ἐμέγε, σέγε legen einen Vergleich mit got. usw. mi-k, þu-k sehr nahe; doch kann mik auch nach ik ‘ego’ gebildet sein (Sommer IF 42, 130f.). Funktionell verwandt ist -χι, wozu aind. hi; daneben aind. ha und gha; — lit. ne-gù, ne-gì ‘nicht’, aksl. ni-že ‘neque’, toch. — ()k in nṣ-äk ‘ego’ (Mask.) usw., heth. ammuk ‘me, ego’ usw. können sowohl idg. g wie gh enthalten. — Einzelheiten bei Wackernagel-Debrunner 561 m. Lit.; dazu Pok. 418. I-293

γέγωνα ‘sich (beim Rufen) vernehmlich machen, zu erkennen geben, verkünden’ (vorw. poet. seit Il.; zur Bedeutung Wackernagel Unt. 156f.); altes Perfektum neben dem auch als Präteritum (Plusquamperfekt) gebrauchten γέγωνε auch ἐγέγωνε, ἐγεγώνει, ἐγεγώνευν (-εον) mit den Inf. γεγωνέμεν, -εῖν, wozu das Ptz. γεγωνέοντες (Chios Va); Imperativ γέγωνε (A., E.) wozu γεγωνείτω (X.) und 3. sg. Präs. Ind. γεγωνεῖ (Arist.); neugebildeter Aorist γεγωνῆσαι (A.), Fut. -ήσω (E.). Spätes Verbalnomen γεγώνησις (Plu.). Aus dem Ptz. Perf. γεγωνώς entstand das Adj. γεγωνός, -όν ‘laut vernehmlich’ (A., Antiph., späte Prosa). Neubildung auf -ίσκω: γεγωνίσκω (A., E., Th. u. a.). — S. γιγνώσκω. I-293

γεῖσον, γεῖσσον γεῖσος n. (LXX, hellenist. Inschr.) n. ‘Vorsprung, Sims, Zinne’ (E., Ar., Thphr. usw.). Deminutivum γείσιον (J.); γείσωμα ‘schräges Dach’ (Poll.; zur Bildung Chantraine Formation 186f.); γείσωσις· τὸ τῆς στέγης ἐξέχον H. (EM), viell. von γεισόω (EM), aber vgl. Chantraine 288. — Nach Steph. Byz. s. Μονόγισσα karisch. Jedenfalls Fremdwort wie viele andere Ausdrücke des Hausbaus, vgl. Schwyzer 62. I-293

γείτων, -ονος m. f. ‘Nachbar’, auch adjektivisch ‘benachbart’ (seit Od.). Spätes Femininum γείταινα (AB, nach τέκταινα usw.). Die übrigen Ableitungen gehen entweder von der Hochstufe γειτον- oder der Schwundstufe γειτν- aus. Mit Hochstufe: γειτονία ‘Nachbarschaft’ (Pl., Arist. u. a.) woneben γειτονέω ‘benachbart sein’ (A., Kall. u. a.) mit γειτόνημα (Alkm., Pl. u. a.) und γειτόνησις (Luk., Plot.). Ein anderes Denominativum ist γειτονεύω (Hp., X., Str. u. a.) mit γειτονεία (Megalop. II-Ia, Phld. u. a.). — Außerdem γειτοσύνη ‘Nachbarschaft’ (Str., nach den Nomina auf -οσύνη) mit γειτόσυνος (AP). — Die Schwundstufe kennzeichnet besonders γειτνιάω ‘benachbart sein’ (S., Ar., D. usw.) mit den Ableitungen γειτνίασις (Arist.) und γειτνίαμα (H.). Postverbal γειτνία ‘Nachbarschaft’ (hell. und spät) mit γειτνιακός (J.), γείτνιος (Pap.), γειτνέω (Pap.). Erweiterte Verbform γειτνιάζω (Aesop.). Durch Kreuzung entstanden γειτονιάω (Theopomp.) und γειτονίασις (Termessos IIp), vgl. Radermacher Glotta 25, 199. — Als Hinterglied steht endlich die Schwundstufe in τὰ Μεταγείτνια N. eines Festes in Milet (Va) mit dem Monatsnamen Μεταγειτνιών (ion. att.), woneben in derselben Bedeutung Πεδαγείτνιος usw. (Rhodos, Kos, Chalkedon). — Falls die Abstufung am Stammende alt ist und nicht als analogische Neuerung eintrat, muß γείτων ein erhebliches Alter haben. Eine Etymologie ist indessen noch nicht gefunden. I-293-294

γελανδρόν · ψυχρόν H. (an unrichtiger Stelle). — Erinnert an lat. gelidus usw., aber die merkwürdige Bildungsweise läßt ein Textverderbnis vermuten. Unwahrscheinlich Specht Ursprung 130 m. A. 1. Nach v. Windekens Le Pélasgique 5 pelasgisch. I-294

γελάω, Aor. γελάσ(σ)αι (seit Il.), dazu γελάσομαι, ἐγελάσθην, γεγέλασμαι (att. usw.) ‘lachen’. Ableitungen: γέλασμα ‘das Lachen’ (A., vgl. unten), γελαστύς ‘ds.’ (Kall.), γελαστής ‘Lacher, Spötter’ (S.) mit γελάστρια (Sch.), ἐγγελαστής (E., vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 35), γέλασις (EM), woneben γελάσιμος (Stratt., Luk., wahrscheinlich direkt von γελάω; etwas abweichend Arbenz Die Adj. auf -ιμος 82 und 84). — γελασῖνος ‘der Lacher’ (Ael., Anaxandr.), im Plur. ‘Vorderzähne, Backengrübchen’ (Poll., Alkiphr. usw.), kaum von *γελασ-, s. u. — Erweiterte Verbformen γελάσκω (AP) und γελασείω (Pl.). — Neben γελάω steht γέλως, -ωτος (ep. Akk. γέλω als Variante von γέλων, γέλον, att. Gen. γέλω) m. ‘das Lachen, Gelächter’ (seit Il.), wozu, wahrscheinlich als denominativ, γελώω (Od., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 365f.) und das Adjektiv γελοῖος (seit Β 215, wo γελοίϊος, wohl metrisch, vgl. Schwyzer 467 und Chantraine 1, 168) mit γελοιότης (Ath.) und den Denominativa γελοιάω (sicher h. Ven. 49) und γελοιάζω (LXX, Plu. u. a.) mit γελοιασμός, γελοιαστής, γελοιαστικός (hell. und spät). — Wie αἰδοῖος neben αἰδώς, ἠοῖος neben ἠώς steht γελοῖος neben γέλως; dem daraus erschlossenen Stamm γελωσ- tritt an die Seite γελασ- in ἀ-γέλασ-τος ‘ohne Gelächter, finster’ (seit θ 307; vgl. ἀγέραστος zu γέρας und Frisk Adj. priv. 18 A. 1), vielleicht auch in γελᾱνής (Pi.), wenn aus *γελασ-νής (für *-νός? Schwyzer 513; davon γελᾱνόω B.), vgl. Benveniste Or. 125, und in γελαρής· γαλήνη. Λάκωνες H., falls aus *γελασ-ρής; vgl. auch unten; — somit auch in γελάω, γελάσ-σαι aus *γελασ-ω (anders Specht KZ 63, 221: für *γέλᾱ-μι, *γελά̄-ω, zweisilbiges primäres Verb; ebenso γέλασμα für *γέλα-μα). — Endlich bietet das Äolische den o-Stamm γέλος m. (vgl. ἔρως : ἔρος : ἐραστός). — Von γέλως unterscheidet sich das synonyme arm. caɫr, Gen. caɫu ‘Gelächter’ (woneben ci-caɫim ‘lachen’) hinsichtlich des Ablauts (cal- = gr. γαλ-, vgl. γαλήνη; somit γέλως für *γαλώς nach γελάω, γελασ- ?); arm. -u könnte an und für sich zu -ω(σ)- in γέλως stimmen, ist aber mehrdeutig. Der Nom.-Akk. auf -r kann zur Not in γελαρής und γαληρός (s. γαλήνη) vorliegen. Wenn somit die morphologischen Einzelheiten etwas unklar bleiben, besteht kein Zweifel über die sehr nahe Zusammengehörigkeit der griechischen und armenischen Wörter. — Die ursprüngliche anschauliche Bedeutung ist in γελεῖν· λάμπειν, ἀνθεῖν H. bewahrt. — Vgl. γλήνη, γλῆνος, γαλήνη, auch Γελέοντες. I-294-295

γέλγη n. pl. ‘Trödel(waren)’ (Eup., Luk.). Nach H. auch = βάμματα, καὶ ἄτρακτοι, καὶ κτένες. Dazu γέλγει· βαπτίζει, χρωματίζει und γέλγια· πήνη, σπάθη, κουράλια H. — Volkstümliches Wort ohne Etymologie. Vgl. γέλγις. I-295

γέλγις, -ῑδος, -ῑθος, pl. γέλγεις, γέλγιθες f. ‘Knoblauchkopf, seine Zehen’ (Thphr., Hp., AP). Davon γελγιδόομαι ‘sich in γ. verwandeln’ (Thphr.), γελγιθεύειν· ἀπατηλογεῖν H. — Das synonyme ἄγλις (s. d.) macht die Annahme einer reduplizierten Grundform *γέλ-γλις möglich. Weitere Beziehungen zu γαγγλίον (s. d.) und zu idg. gel- ‘ballen, Gerundetes, Kugeliges’ (WP. 1, 612 m. Lit., Pok. 357) ermangeln einer näheren Begründung. Vgl. bes. Solmsen Wortforsch. 222ff. und Strömberg Theophrastea 85f.; auch Specht Ursprung 255. I-295

Γελέοντες pl. N. einer der vier ionischen Phylen; daraus der Eponym Γελέων, nach Hdt. 5, 66 Sohn des Ion, auch Epitheton des Zeus (Attika). Daneben Γλεόντων φυλῆι (Attika; vgl. Schwyzer 682 A. 3). — Eigentliche Bedeutung unbekannt; Anknüpfung an γελεῖν· λάμπειν, ἀνθεῖν H. ("die Glänzenden" o. ähnl. als Bez. einer Adelsklasse) ist ohne Zweifel möglich. Vgl. Nilsson Cults 147 m. A. 16; zum Lautlichen Schwyzer 243. I-295

Γελλώ, -οῦς äol. Γέλλω f., N. eines Gespensts (Sapph.); nach H. εἴδωλονΕμπούσης τὸ τῶν ἀώρων, τῶν παρθένων, auch δαίμων, ἥν γυναῖκες τὰ νεογνὰ παιδία φασὶν ἁρπάζειν. — Dazu mgr. und ngr. Γυλοῦ Art Gespenst, s. Maas ByzZ 17, 224f., Kretschmer Glotta 2, 331. I-295

γέμω nur Präsensstamm ‘voll, angefüllt, belastet sein’ (ion. att.). Davon γόμος ‘Schiffsladung, Fracht, Last’ (ion. att.) mit dem faktitiven γομόω ‘beladen’ (Babr., Pap. u. a.), woraus γόμωσις (Pap.); poet. γέμος n. ‘Last’ (A. Ag. 1221). — Deverbativ mit kausativer Bedeutung (vgl. Schwyzer 717) γεμίζω, Aor. γεμίσαι ‘anfüllen, befrachten’ (A., Th., D. usw.) mit γέμισμα H. (als Erklärung von γέμος); daneben γεμόω ‘ds.’ (Pap.). — Einen sicheren Verwandten haben γέμω, γόμος in umbr. kumiaf Akk. pl. f. ‘gravidās’ (= gr. *γομίας von *γόμιος), woraus als LW lat. gumia m. f. ‘Schlemmer, Fresser’. Dadurch wird die Zusammenstellung mit dem lautlich identischen lat. gemō (seit W. Meyer KZ 28, 174) sehr wahrscheinlich (dagegen Walde1 und Ernout-Meillet). Eine Bedeutungsübertragung auf das seelische Gebiet ‘(vor Kummer) belastet sein’ > ‘(vor Kummer) seufzen, stöhnen’ hat nichts Auffallendes. — Weitere Kombinationen s. γέντο. I-296

γενεά, γενεή s. γίγνομαι. I-296

γένειον, γενειάς s. γένυς. I-296

γέννᾰ f. ‘Geburt, Herkunft, Geschlecht, Nachkommenschaft (vorw. poet. seit Pi., A.). Davon γεννάδᾱς m. ‘edel (von Geburt)’ (Ar., Pl. usw.; parodistisch-ironische Bildung, Björck Alpha impurum 51ff.), att. γεννήτης ‘Geschlechtsgenosse’ (Is., D., Pl. usw.); γεννικός ‘edel’ (Kom., Pl. u. a.); dagegen γεννήεις ‘erzeugend’ wegen seiner Bedeutung zu γεννάω, s. u. — Alt ist γενναῖος ‘von guter Abstammung, edel, tüchtig’ (ion. att. seit Ε 253) mit γενναιότης (E., Th. usw.), γενναιάζω ‘tüchtig sein’ (Sch.) und γενναΐζομαι ‘ds.’ (Suid.). — Neben γέννα, γενναῖος steht γεννάω ‘zeugen, hervorbringen’ (Pi., Hdt., A. usw.) mit mehreren Verbalnomina: 1. γέννημα ‘das Erzeugte’ (S., Pl. usw.; auch γένημα in Anlehnung an γένος) mit γεννηματικός (J.) und γεννηματίζω (Aq.); 2. γέννησις ‘Erzeugung’ (E., Pl. u. a.); 3. γεννητής ‘Erzeuger’ (S., Pl. u. a.); 4. γεννήτωρ (A., E., Pl. u. a.) und γεννητήρ (App.) ‘ds.’ mit γεννήτειρα (Pl.), γεννήτρια (Phryn.); zu den Nomina agentis vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 19, Chantraine REGr. 59-60, 249f. — Von γεννάω außerdem die Adjektiva γεννητικός ‘erzeugend’ (Arist. u. a.) und γεννήεις ‘erzeugend’ (Emp.). — Daß γέννα postverbal zu γεννάω ist, hat Wackernagel KZ 30, 300 und 314 mit Recht behauptet. Bedenken erweckt immerhin γενναῖος, das wie eine Ableitung von γέννα aussieht. Sowohl wegen seines früheren Erscheinens wie vor allem wegen seiner weiteren Verbreitung ist man aber trotzdem geneigt, es anders zu beurteilen. Mit Fraenkel Nom. ag. 2, 21 von einem verschollenen *γέννη (zu *γεννάναι) auszugehen scheint wenig ratsam, vgl. Sandsjoe Die Adj. auf -αιος 5. So kann man sich immerhin fragen, ob nicht γενναῖος mit Schwyzer Glotta 5, 195f. (vgl. Scheller Oxytonierung 114f. m. A. 1) für *γενε̯αῖος steht oder eine expressive Gemination enthalten kann, die später auch in γεννάω und γέννα eindrang (vgl. Meillet BSL 26, 15f., Chantraine Formation 46). — Die Bildung von γεννάω ist strittig. Es ist von den νᾱ-Verba (δάμνημι, δαμνάω) nicht zu trennen, aber der Stamm γεν-, der trotz Wackernagel Unt. 175 als regelmäßige Schwundstufe einer zweisilbigen Wurzel (idg. ĝn̥̄-) schwerverständlich ist, muß Umformung nach γένος usw. erlitten haben; Vermutungen darüber von Brugmann Grundr.2 II : 3, 307 A., vgl. noch Schwyzer 694 A. 1. — Weiteres s. γίγνομαι. I-296-297

γένος n. ‘Geschlecht, Abstammung, Familie, Gattung usw.’ (seit Il.). Davon γενικός ‘zum γ. gehörig’ (Arist. usw.; vgl. Chantraine Formation 390f.); zu ἡ γενική (πτῶσις) ‘Genetiv’ Wackernagel Syntax 1, 18f.; γενισμός ‘Einteilung (des Ackerlandes) in Klassen’ (Pap.), wie von *γενίζειν, nach den Verbalnomina auf -(ι)σμός, vgl. Mayser Pap. 1 : 3, 62. γένημα (LXX, Pap. u. a.) mit γενημάτιον (Pap.) für γέννημα, s. d. sub γέννα. — Sehr oft -γενής als Hinterglied, z. B. εὐ-γενής, ἀ-γενής; vereinzelt ἀ-γένειος ‘kinderlos’ (GDI 1891, 29, Delphi). — Mit lat. genus n., aind. jánas- n. (ἅπ. εἰρ. RV. 2, 2, 4, zweifelhafte Lesart) formal und begrifflich identisch. Altes Verbalnomen zu γίγνομαι, s. d. I-297

γέντα n. pl. ‘Eingeweide’ (Kall., Nik.), nach H. = κρέα, σπλάγχνα. — Ohne Etymologie; nach Eust. thrakisch. Nach Szemerényi WuS NF 1, 156f. (wo näheres über die Belege) zu γαστήρ (s. d.). I-297

γεντιανή Pflanzenname, ‘Gentiana’ (Dsk., Hp. Ep.). Daneben γεντιὰς ῥίζα (Androm. ap. Gal., Dsk.), wohl für *γεντιανάς, Chantraine Formation 353. — Gemäß Dsk. 3, 3 nach dem illyrischen König Gentis benannt; dafür könnte — außer dem mehrdeutigen Suffix — der Umstand sprechen, daß die Pflanze in den Alpen gedeiht, vgl. Strömberg Pflanzennamen 135. — Zu den verschiedenen Namensformen des betreffenden illyrischen Königs, gew. Gent(h)ius, s. Krahe Lex. altillyr. Personennamen 53f. I-297

γέντο ‘er faßte, er griff’ (Il.). — Das athematische γέντο ist wie λέκτο ‘er legte sich’ zu beurteilen, d. h. als ein medialer Wurzelaorist, evtl. als ein sigmatischer Aorist mit analogisch ausgedrängtem σ (*λέκ-σ-το, *γέμ-σ-το; zu μ s. unten), vgl. Schwyzer 751 Zus. 2 m. Lit. In beide Verba ist die Hochstufe aus Systemzwang sekundär eingeführt worden. Dagegen liegt nach Wackernagel Unt. 175 A. Schwundstufe einer zweisilbigen Wurzel (idg. *gm̥̄to) vor, eine phonetisch sehr hypothetische und morphologisch kaum notwendige Annahme. Zu γέντο aus *γέμτο gesellen sich der Ipv. ἀπό-γεμε· ἄφελκε. Κύπριοι und das Verbalnomen ὕγ-γεμος· συλλαβή. Σαλαμίνιοι H., wohl auch γάγγαμον ‘Netz’ (s. d.). — Aus anderen Sprachen werden hierhergezogen mir. gemel ‘Fessel’, lett. gùmstu, gùmt ‘greifen usw.’; auch aksl. žьmǫ, žętiσφίγγειν, comprimere’. Das aksl. Wort leitet bedeutungsmäßig über zu gr. γέμω ‘voll(gestopft) sein’ (s. d.), das sich somit als thematisches Präsens neben dem athematischen (sigmatischen) Aorist γέντο auffassen läßt. — Arm. čim, čem ‘Zaum’, čmlem ‘zusammendrücken’ scheiden dagegen aus, da Palatalisierung von arm. k (aus idg. velarem g) nicht zu beweisen ist. — Weitere, sehr unsichere Kombinationen bei WP. 1, 572f. mit reicher Lit., Pok. 368f. S. auch γαμέω. I-297-298

γένυς, -υος (ῡ bisweilen metrisch gedehnt) f. ‘Kinnbacke, Kinn’, auch übertr. ‘Schneide des Beils’ (seit Il.). Auf hochstufigem Stammauslaut basiert die Ableitung γένειον (aus *γενεϝ-ιον) ‘Kinn, Kinnbart’ (seit Il.), wovon γενειάς ‘Kinnbart’, auch ‘Kinnbacke, Wange’ (poet. seit Od.); γενειάτης, -ήτης, f. -ᾶτις, -ῆτις ‘bärtig’ (Theok., Kall., Luk. usw., vgl. ὑπηνήτης), γενειόλης ‘ds.’ (Hdn.); γενειαστήρ ‘Kinnriemen’ (Poll., vgl. βραχιονιστήρ u. a. s. βραχίων); — ferner die Denominativa γενειάω ‘einen Bart bekommen (haben)’ (seit Od., vgl. κομάω), γενειάζω ‘ds.’ (Philem., Theok. usw., auch auf γενειάς beziehbar) mit γενείασις (Plot.), γενειάσκω ‘ds.’ (Pl., X.). — Von γένυς auch (nach den Nomina auf -ηΐς) γενηΐς ‘Schneide des Beils’ (S. Ant. 249 Gen. γενῇδος). — Altererbtes Wort, das in mehreren Sprachen bewahrt ist, bisweilen mit leisen Modifikationen: als ursprünglicher u-Stamm im Keltischen, Germanischen und Tocharischen, z. B. air. giun, gin ‘Mund’, kymr. gen ‘Wange, Kinn’, pl. geneu, got. kinnus ‘Wange’, toch. A śanw-e- du. ‘die beiden Kinnbacken’; es kommen hinzu lat. gena ‘Wange’ (nach māla umgebildet, aber mit bewahrtem u in dentes genu-īnī ‘Backenz?hne’), arm. cnawt ‘Kinnbacke, Wange’ (aus *cin-awt, idg. *ĝen-). Auch aind. hánu- f. ‘Kinnbacke’ ist letzten Endes mit γένυς identisch; das anlautende h- (für j-) muß auf sekundärer Entgleisung beruhen. Aw. zānu- in zānu-draǰah- nach gewöhnlicher Deutung ‘im Vorstrecken des Kinns bestehend’ ist in dieser Hinsicht zweideutig; die Vokallänge ist jedenfalls unursprünglich. — Die Suche nach einer primären Bedeutung ‘Krümmung, Winkel’ (zu lat. genū, s. Güntert WuS 11, 124ff. m. Lit.) hat keinen Sinn, vgl. Kretschmer Glotta 19, 210f. — S. auch γνάθος. I-298

γεράνδρυον s. γέρων. I-299

γέρανος f. (m.) ‘Kranich’ (seit Il.), auch übertr. ‘Kran’ und als Fischname (s. Strömberg Fischnamen 120). Ableitungen: γερανίς Art Verband (Mediz.). γερανῖτις N. eines Steins (Plin., vgl. Redard Les noms grecs en -της 53), γερανίας ‘mit Kranichhals versehen’ (Phryn.), γεράνιον ‘Geranium’, auch γερανογέρων benannt (Strömberg Pflanzennamen 54 und 159); γερανίζω ‘wie ein K. schreien’ (Gloss.). — Ausführlich über γέρανος Thompson Birds s. v. — Idg. Name des Kranichs, der aus mehreren Sprachen bekannt ist, u. z. entweder wie im Griechischen mit n-Suffix oder mit u-Suffix; wahrscheinlich liegt alter Stamm- und Deklinationswechsel vor. Der n-Stamm erscheint in arm. kṙun-k, im Keltischen, z. B. gall. tri-garanos ‘mit drei K.’, kymr. garan, im Germanischen, z. B. ags. cran, ahd. kran-uh, in lit. garnỹs ‘Reiher, Storch’; der u-Stamm ist gesichert durch lat. grūs, ebenso wie durch baltische und slavische Formen, z. B. lit. gérvė, aksl. žeravь. — Neben dem thematischen γέρανος ist durch H. auch ein n-Stamm überliefert, γέρην (oder γερήν). Das Wort war wohl ursprünglich ein Nomen agentis, "der Rufer, der Krächzer’ o. ä., zu aind. járate, gr̥ṇā́ti ‘rauschen, singen’ usw., s. Solmsen Wortforsch. 119. Neuere Lit. zur Flexion usw. bei W.-Hofmann s. grūs, außerdem Specht Ursprung 127 und 161. I-299

γέρας -αος oder -ως n. ‘Ehre, Ehrengabe, Belohnung’ (seit Il.); urspr. Bedeutung ‘Alter’, s. γῆρας. Ableitungen: γεραιός ‘alt’ (seit Il., vorw. poet., vgl. Wackernagel Unt. 208f.; Akzent wie παλαιός) mit γεραιότης (Pap.); γεράσμιος ‘ehrenvoll, ehrwürdig’ (poet. seit h. Merc., vgl. Schwyzer 493 A. 10); Komp. ἀ-γέρασ-τος ‘ohne Ehrengabe’ (poet. seit Il.); denominatives Verb γεράζω ‘ehren’ (EM). — Neben γέρας steht, wahrscheinlich von einem alten r-Stamm (Benveniste Origines 16; anders Schwyzer 516 nach J. Schmidt), γεραρός ‘ehrwürdig’ (poet. seit Il., späte Prosa), später auch = γεραιός (A. in lyr. usw.), fem. γέραιρα (Il. [v. l.] u. a., s. Bechtel Lex. m. Lit.); davon γεραίρω ‘ehren, auszeichnen’ (seit Il.). — Eine nahe Entsprechung von γέρας liegt vor in aind. jarás- (f.?) ‘Alter’ (Bildung wie αἰδώς); ein r-Stamm könnte in lat. glārea ‘Kies’ eingehen, falls aus *grārea zu grānum usw., vgl. W.-Hofmann s. v. — Verwandte sind γέρων, γῆρας, γραῦς, s. dd. Vgl. auch γεργέριμος. I-299

γεργέριμος Art Oliven (Kall., Ath. u. a.). — Unerklärt. Über die Zusammenstellung mit aind. jarjara- ‘zerbrechlich, hinfällig’ (und gr. γέρων usw.) s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 104 m. A. 58. I-299

γερδιος (Akz. unbekannt) auch γέρδις m. (f.), ‘Weber’ (Pap. seit IIa). Komposita: γερδιοραβδιστής (Pap.), γερδοποιόν (Gloss.). Besondere Femininformen γερδία (Edict. Diocl.) und γερδίαινα (Pap.). Sonstige Ableitungen γερδιακός ‘zum Weber gehörig’ und γερδιών ‘Weberschuppen’ (Pap.). — Mit lat. gerdius (seit Lucil.) identisch, aber sonst unklar. Das Wort ist wahrscheinlich aus dem Griech. ins Lateinische gewandert, nicht umgekehrt. Auch hebr. girdā ‘Weber’ usw. dürfte aus dem Griech. stammen, s. H. Bauer u. a. bei W.-Hofmann s. v. I-300

γερήνιος hom. Beiwort des Nestor, nach den Alten von einer Stadt Γέρηνα oder Γέρηνον in Messenien, vgl. ξεῖνος ἐὼν ... παρἱπποδάμοισι Γερήνοις (Hes. Fr. 15, 3). — Delebecque Cheval 38 vergleicht die stehende Formel γερήνιος ἱππότα Νέστωρ mit dem vereinzelt vorkommenden Ausdruck γέρων ἱππηλάτα Νέστωρ (γ 436, 444) und will aus diesem Grunde γερήνιος für synonym mit γέρων erklären. Aber der letztgenannte Ausdruck ist offenbar eine Nachbildung von γέρων ἱππηλάτα Πηλεύς (Η 125) u. ä. — Noch anders Mahlow und Düntzer (Bildung wie ἀπηνής), s. Kretschmer Glotta 18, 204. I-300

γεροῖος, γεροίταν, γέρυς s. γέρων. I-300

γέρρον n. Bez. verschiedener aus Flechtwerk gemachter Gegenstände, ‘Schild aus Flechtwerk’ (Hdt., X. u. a.; γερροφόρος ‘Schildträger’ Pl., X. u. a.), ‘Umzäunung, Bude, Wagenkorb usw.’ (D., Str. u. a.), auch ‘Rute, Pfeil’ (Eup., Alkm., = ‘τὸ αἰδοῖον’ Epich.). Davon γερράδια· στρωτηρίδια H.; zur Bildung Chantraine Formation 72, Schwyzer 487. — Auch γέρσυμον (γέρσιμον Latte)· ἄκρον ἁλιευτικοῦ καλάμου H. kann hierher gehören (vgl. γέρρον = ‘Rute’), aber die Neben formen γένσιμον (-ντ- Musurus) H. und κέρσιμον (Sch.) machen jede Deutung hypothetisch, vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 80; jedenfalls nicht mit Latte zu ἀγείρω. — Mit α-Vokalismus γάρρα· ῥάβδος und γάρσανα· φρύγανα. Κρῆτες H.; im Suffix abweichend γάρκαν· ῥάβδον. Μακεδόνες H.; s. d. — Bis auf den Akzent ist γέρρον aus *γέρσον (vgl. γάρσανα und Schwyzer 284f.) mit awno. kiarr n. ‘Gebüsch, Gesträuch’, aschw. kioerr, nschw. kärr n. ‘Sumpf, Morast’ (urg. *kerzá-), formal identisch: idg. *gérso-m n.; die nordische Betonung muß eine Neuerung sein; zur Bedeutung Lidén Stud. 7f. Verschiedene nordische Wörter zeigen idg. o-Vokalismus, z. B. awno. und nnorw. kass (aus *kars) ‘Weidenkorb’, urg. *kársa-, idg. *górso-s m.; weiteres s. Lidén a. a. O. Daneben Schwundstufe in γάρσανα und γάρρα. — Auch arm. caṙ ‘Baum’, pl. ‘Gestrüpp’ kann hierher gehören, falls palatales anzusetzen ist (= gr. *γάρσον); dabei fallen einige bei Lidén herangezogene, in Bedeutung und Form etwas abseits liegende aind. Wörter weg; vgl. WP. 1, 593. — Aus γέρρα pl. stammt lat. gerra f. ‘Rutengeflecht’. I-300-301

γέρων, -οντος m. ‘Greis’, οἱ γέροντες ‘die Alten’ als amtlicher Terminus (seit Il.), auch attr. als Adj. ‘alt’ (poet. seit Il.). Mehrere Ableitungen: γερούσιος ‘den Alten zukommend’ (Hom.; zum Lautlichen Chantraine Formation 41, Schwyzer 270), abstrakte Kollektivbildung γερουσία ‘Rat der Ältesten, Senat’ (in Sparta, Karthago usw., D., Arist. usw.) mit γερουσίας ‘Mitglied der γ.’ (Sparta), γερουσιαστής ‘ds.’ (Plb., Hyettos; nach den Bildungen auf -ιαστής Chantraine 316ff., vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 176; 2, 71), γερουσιακός ‘zur γ. gehörig’ (Teos). — Mit bewahrtem -ντ- im Anschluß an das Grundwort: Deminutiva γερόντιον (Ar., X. usw.), γεροντάριον (Gloss.); γεροντικός ‘zu den γέροντες gehörig’ (Pl., Str. usw.), γερόντειος (Ar.), γεροντίας· πάππος H. Denominativa: 1. γεροντεύω ‘Senator sein’ (Sparta), mit γεροντεία (Ephesos); auch γεροντία (X., nach γεροντ- für γερουσία). 2. γεροντιάω ‘altern’ (D. L., nach den Krankheitsverben auf -ιάω, Schwyzer 732). — Neben γέρων, γέροντ-, eig. Part. Präs. (s. unten), stehen einige spärlich belegte Bildungen auf γερυ- : γέρυς und γερύτας· γέρων H., wohl nach πρέσβυς und πρεσβύτας (Schwyzer 463, Redard Les noms grecs en -της 11 und 29; anders Leumann Glotta 32, 224 A. 1 mit Referat anderer Ansichten). Die EN Γερύλος, Γέρυλλος und Γερυς, -υδος (Akz. unbekannt) sind als Koseformen für Γέρων zu beurteilen (Bechtel Namenstudien 15, Leumann a. a. O.). — Von den Formen auf -οι- erklärt sich γεροίταν· πάππον. Κρῆτες H. unschwer als invertierte Schreibung für γερύταν wie Ποίτιος für Πυ- (zum Letztgenannten Schwyzer 195; anders Grošelj Živa Ant. 3, 198); γεροῖα n. pl. ‘alte Geschichten’ (Korinn.) kann, falls richtig überliefert, Neubildung nach den Adj. auf -οῖος sein (nach Bechtel Dial. 1, 304 von γέρως, das nur als EN auf Chios belegt ist und sich als sekundäre Namensform erklären läßt, s. Namenstudien 15f.). — Sehr fraglich ist (trotz Scheller Oxytonierung 33 A. 2) γερωνία (H.), vgl. Latte z. St. — γερωχία (Ar. Lys. 980) ist vielleicht graphischer Ausdruck für lak. γερωία (Baunack Phil. 70, 486f., v. Fritz AmJPh 66, 196f.; anders Wackernagel Unt. 208 A. 2; vgl. noch Schwyzer 218 A. 1). — Eine hellenistische Neubildung ist γεράν-δρυον ‘alter Baum(stamm)’, eig. Substantivierung von γεράνδρυος (Thphr. usw.), nach μελάν-δρυον ‘Kernholz’ (Thphr.; vgl. τὸ μέλαν δρυός ξ 14), s. Strömberg Theophrastea 99; verfehlt Specht Ursprung 142; daneben γεράνδρυες H. nach δρῦς. — γέρων ist mit aind. járant-, osset. zärond ‘Greis, alt’ identisch. Das Wort kann im Altindischen (RV.) noch als Part. zu dem im RV. vereinzelt belegten, auch kausativ benutzten Präsens járati ‘alt machen, werden’ (gew. jū́ryati, jī́ryati ‘gebrechlich, alt werden’) betrachtet werden; es hat sich aber überall früh vom Verb isoliert, vgl. Specht KZ 63, 215ff. — Andere Bildungen dieser weitverzweigten Wortsippe sind arm. cer, -oy ‘Greis’ (= gr. *γέρο-ς), npers. zar ‘ds.’; nach geläufiger Annahme auch, mit l-Suffix, germ., z. B. ahd. karal, ano. karl ‘Mann’, nhd. Kerl; s. aber Porzig Sprachgesch. u. Wortbed. 348. Für sich steht das Wort für ‘Korn’, lat. grānum usw., vgl. auch γίγαρτον. — Weiteres bei WP. 1, 599f., Pok. 390f., W.-Hofmann s. grānum. — Vgl. γέρας, γῆρας, γραῦς. I-301-302

γεύομαι, Aor. γεύσασθαι, Fut. γεύσομαι, Perf. γέγευμαι ‘kosten’ (seit Il.), vereinzelt γεύω, γεῦσαι ‘kosten lassen’ (Hdt., att.; vgl. Schwyzer-Debrunner 234), sekundär athemat. γεύμεθα (Theok. 14, 51). Ableitungen, alle ziemlich sparsam belegt: γεῦμα ‘das Kosten, Speise’ (ion. att.) mit γευματικός (Tanagra IIIa, Bed. unsicher), γεῦσις ‘das Kosten, Geschmack usw.’ (Demokr., Arist. u. a., vgl. Holt Les noms d’action en -σις 124), γευθμός ‘ds.’ (Nik., vgl. Chantraine Formation 137, Schwyzer 493), γεύστης ‘der Schmecker’ (Chios), γευστήριον ‘Becher zum Kosten’ (Kom.); Adj. γευστικός ‘zum Kosten gehörig’ (Arist. usw.). — Das Kompositum ἄ-γευσ-τος ‘nicht kostend, unerfahren’ (att. usw.), wozu später γευστός (Arist.), erweist eine Grundform *γεύσ-ομαι, die zu dem primären germanischen Verb got. kiusan, ano. kjōsa ‘prüfen, wählen’, ahd. as. kiosan ‘schmecken, prüfen, wählen’ genau stimmt, aber trotzdem vielleicht eine Neuerung ist, s. Ernout-Meillet s. gustus. Daneben stehen andere Bildungen wie das ebenfalls primäre, aber schwundstufige aind. juṣáte, -ti ‘kosten, genießen’ und die deverbativen lat. gustāre = ahd. as. kostōn ‘kosten, schmecken’, aind. joṣáyate ‘kosten, Gefallen finden’ = got. kausjan ‘kosten, prüfen’. Von den verschiedenen Verbformen lebt im Griechischen nur γεύομαι weiter; auch die Verbalnomina gehen sämtlich, einschließlich ἄ-γευσ-τος (gegenüber aind. -juṣ-ta-), auf das hochstufige γευ(σ)- zurück. Weiteres bei WP. 1, 568f., Pok. 399f. m. Lit. — Nach Specht Sprache 1, 49 wäre der u-Laut in γεύομαι ebenso wie in anderen Ausdrücken des Essens und Genießens sakraler Natur (?). I-302

γέφῡρα (ion. att.), böot. βέφυρα, kret. δέφυρα, lak. δίφουρα (H.) f. ‘Brücke’, in der Il. oft als ‘Damm, Erdwall’ erklärt (dagegen Lamer, s. unten). Davon das Deminutivum γεφύριον (Ael.) und γεφυρίς· πόρνη τις ἐπὶ γεφύρας, ὡςΗρακλέων H. (auch mit einer anderen Deutung); ferner die Denominativa 1. γεφυρόω ‘eine Brücke schlagen’ (ion. att.; Il. ‘aufdämmen’?, vgl. oben) mit γεφύρωσις ‘Überbrückung’ (Str., Arr. u. a.), γεφύρωμα ‘Brücke’ (J.), γεφυρωτής ‘Brückenbauer’ (Plu.). 2. γεφυρίζω ‘verunglimpfen, verhöhnen’ (Plu.), nach H. "επεὶ ἐνΕλευσῖνι ἐπὶ τῆς γεφύρας τοῖς μυστηρίοις καθεζόμενοι ἔσκωπτον τοὺς παριόντας"; davon γεφυρισμός (Str.), γεφυριστής (Plu., H.). — In der Bildung mit dem sicher idg. ἄγκῡρα übereinstimmend, macht γέφυρα auch durch den Anlautswechsel, der auf labiovelares g- schließen läßt (evtl. gu̯-, s. Schwyzer 298 und 301), den Eindruck eines Erbworts. Dunkel bleibt indessen γ-; gegen dissimilatorischen Verlust des labialen Elements wegen des folgenden φ (Schwyzer 298f. m. Lit.) Lejeune Traité de phonétique 38 A. 2. — Angesichts der nahen Beziehungen zwischen Griechisch und Armenisch kann die auffallende Ähnlichkeit mit arm. kamurǰ ‘Brücke’ (Meillet BSL 22, 17 und 36, 122 mit Bugge; von Hübschmann Armen. Gramm. 1, 457 abgelehnt) trotz der lautlichen Unregelmäßigkeit (φ aus idg. bh wäre arm. w; umgekehrt ἦμαρ gegenüber arm. awr) kaum zufällig sein. — Oft als vorgriechisch erklärt, so von Lamer IF 48, 230 A. 4, PhilWoch 1932 = Festschrift Poland 123ff. (dazu Kretschmer Glotta 21, 158 und 22, 259), Krahe Die Antike 15, 181. — Verfehlt Loewenthal WuS 10, 182f. (eig. ‘Flechtwerk’, zu γύψος usw.). I-302-303

γῆ, dor. γᾶ, kypr. ζᾶ f. ‘Erde, Land’ (seit Il.); ion. plur. γέαι Neubildung (Schwyzer 473 A. 4 m. Lit., Schwyzer-Debrunner 51, K. Meister HK 172, 253). Ableitungen: Deminutiv γῄδιον (Ar., X. usw.); die Adjektiva γήϊνος ‘irden, irdisch’ (ion. att.), dor. γάϊνος, γεώδης ‘erdartig, erdig’ (Pl., X., Arist. usw.), γεηρός ‘ds.’ (Hp., Pl. usw., vgl. s. ἐγγαροῦντες); vereinzelt γῄτης (S. Tr. 32) ‘Landmann’, vgl. γαῗται· γεωργοί H. und Redard Les noms grecs en -της 36; Denominativum γεόομαι ‘zu Erde werden’ (D. S.) Als Vorderglied in zahlreichen Komposita γη- (γα-), gewöhnlich γεω- aus γη-ο- (spät auch γε-η- aus γη-η-, γε-ο- und γειο- nach -γειος aus -γη-ιος): γη-γενής ‘erdgeboren’ (ion. att.), γή-λοφος (Pl., X. u. a.), γεώ-λοφος (X., Plb. usw.) ‘Erdhügel’, γεωμετρία, -ίη ‘Feldmeßkunst’ (ion. att.), γεωργός ‘Landmann’ (ion. att.) aus γη(-ο)-ϝοργός oder -ϝεργός, vgl. γαβεργός· <ὁ> ἀγροῦ μισθωτής. Λάκωνες H. — Ohne Etymologie. Vgl. γαῖα und αἶα. I-303

γηθέω (seit Il.), dor. γᾱθέω, Perf. γέγηθα (poet. seit Il.), dor. γέγᾱθα, Aor. γηθῆσαι, γᾱθῆσαι (Hom., Pi. usw.), spätes Präs. γήθομαι, γήθω, γά̄θω ‘sich freuen’. Wenige Ableitungen: γηθοσύνη (ep. seit Il., Ph.), γηθόσυνος ‘freudig’ (poet. seit Il.; vgl. Risch 138f., dazu Porzig Satzinhalte 227 mit Versuch, die Wörter bildungsgeschichtlich einzuordnen; s. auch Frisk Eranos 43, 220); spät γῆθος n. (Epikur., Plu. u. a.) und γηθαλέος (Androm., ap. Gal.). Außerdem noch γᾶσσαν· ἡδονήν H., falls mit Baunack Philol. 70, 376 aus *γᾱθ-ι̯αν. — Wegen lat. gaudeō, gāvīsus sum wird γηθέω gewöhnlich auf *γᾱϝεθέω (evtl. -αθέω) zurückgeführt, das seinerseits als *γᾱϝ-εθ-έω zu zerlegen ist (vgl. Schwyzer 703). Die Kontraktion muß sehr früh gefolgt sein (Kretschmer Glotta 4, 324 und 337 gegen Jacobsohn KZ 43, 42ff.) und auch für das Perfekt (urspr. *γέ-γᾱϝ-α zu γαίω?; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 429) maßgebend gewesen sein. Dadurch wird Anschluß an γαίω aus *γᾰϝ-ι̯ω, γαῦρος, γάνυμαι ermöglicht (s. dd.). Das graeco-lat. Präsens *gāu̯edheiō, das als alte idg. Bildung auffallend ist, steht im Ganzen isoliert da; in Betracht kommt immerhin lit. džaugiúos ‘sich freuen’, falls aus *gaudžiúos umgestellt (Hirt BB 24, 280). I-303-304

γηθυλλίς (dor. γᾱθ-), -ίδος f. (Epich., Eub., Nik. u. a.), γήθυον n. (Ar., Thphr. u. a.), γήτειον n. (Ar., Anaxandr., Kall. u. a.) N. einer Zwiebel (vgl. Strömberg Theophrastea 84). — Nicht sicher erklärt. Von Kalén GHÅ 24 (1918) : 1, 103ff. in γη-θυλλίς zerlegt und als ‘Erdsäckel’ erklärt; entsprechend will er aus γήθυον ein *θύον ‘sacculus’ (auch in τήθυον postuliert) gewinnen. Dabei wird das ebenfalls gut beglaubigte γήτειον nicht berücksichtigt. I-304

γῆρας, -αος, -ως n. ‘Alter’ (seit Il.). Ableitungen: γηραιός ‘alt’ (seit Hes.; vgl. zu γεραιός s. γέρας), γηραλέος ‘ds.’ (Anakr., Xenoph., Pi., A. usw.; s. Debrunner IF 23, 13f.; nach den Adj. auf -αλέος; nicht mit J. Schmidt und Schwyzer 516 von einem alten σ-losen Stamm γηρα-), γηράεις ‘ds.’ (Alk., vgl. Chantraine Formation 272f.). Außerdem γήρειον ‘Distelflaum’ (Arat., Nik.) und γηράνιον· γεραν<ογέρων> H.; zum Benennungsmotiv vgl. Strömberg Pflanzennamen 159 A. 1; γηράμων H., mit ++γράζα glossiert. — Daneben γηράσκω ‘altern’ (seit Il.), Aor. 3. sg. ἐγήρα, Part. γηράς (Il. usw.), Inf. γηράναι oder γηρᾶναι (A., S., vgl. Schwyzer 682 mit Referat auch anderer Ansichten); Aor. 1 ἐγήρασα (Hdt., A. usw.; auch kausativ gebraucht nach ἔφυσα: ἔφυν usw., Schwyzer 755γ); Fut. γηράσομαι, -σω (ion. att.), wozu später γεγήρακα, ἐγηράθην. Neugebildetes Präsens γηράω (X. usw.); Aor. γηρείς (Xenoph.) nach δαμείς usw. (anders Specht KZ 59, 85). — Von γηράσκω: γηράσιμος ‘alternd’ (Tlos), vielleicht über γήρασις (Ammon., Suid., vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 88); daneben γήρανσις (Arist.) nach ὑγίανσις (Chantraine 281). — Neben γέρας mit alter Vokalkürze in der übertragenen Bedeutung ‘Ehre(ngabe)’ steht γῆρας mit auffallender Vokallänge in der ursprünglichen Bedeutung ‘Alter’. Da die Länge gleichzeitig dem Verb eignet, spricht alles dafür, daß sie vom Verb auf das Nomen übertragen wurde, wodurch γέρας formal und semantisch isoliert wurde; nur in γεραιός hat sich die alte Bedeutung bewahrt. — Eine sichere Erklärung des η steht indessen noch aus. Gegen die Annahme einer Übertragung von ἥβη, ἡβάω (seit Osthoff IF 19, 235ff.) spricht der Umstand, daß sich bei Homer noch ἡβάω und γηράσκω gegenüberstehen. Die sich gegenseitig ergänzenden Parallelbildungen ἡβάσκω und γηράω sind erst nachhomerisch. Die Nomina γέρας und ἥβη weichen im Formalen allzu sehr voneinander ab, um eine Vokalentgleisung wahrscheinlich zu machen. So ist man geneigt, das η dem zweisilbigen Aoriststamm in ἐγήρα, γηράς (s. oben und vgl. aind. jari-mán- ‘Alter’) zuzuschreiben; die entsprechende Länge im ved. s-Aorist jāri-ṣuḥ (3. pl.) bietet allerdings dafür keinen genügenden Anhalt. — Vgl. γέρας, γέρων, γραῦς. I-304-305

γῆρυς, dor. γᾶρυς, -υος f. ‘Stimme, Ton, Ruf’ (poet. seit Il., späte Prosa). Davon γηρύω, γαρύω ‘anstimmen, singen, verkünden’ (poet. seit h. Merc., Hes.) mit γήρυμα (A., Plu.). — Isolierter hochsprachlicher Vertreter einer Sippe, die namentlich im Keltischen zahlreich repräsentiert ist; Dehnstufe wie in γῆρυς u. a. in air. gāir f. ‘Geschrei’. Aus dem Germanischen werden hierhergestellt got. kara f. ‘Sorge’ und die damit identischen ags. cearu f. ‘ds.’, ahd. chara f. ‘Wehklage’; vereinzelte entlegene Bildungen aus dem Armenischen und dem Iranischen verzeichnen WP. 1, 537, Pok. 352 und W.-Hofmann s. garriō. Aus dem Griechischen noch mit expressiver Gemination γαρριώμεθα· λοιδορούμεθα H., s. d. I-305

γίγαρτον n. ‘Weinbeerkern’ (Simon., Ar. usw.; zu den Bezeichnungen verschiedener Kerne vgl. Strömberg Theophrastea 140). Davon γιγαρτίς· σταφίς H., γιγαρτώδης ‘kernähnlich’ (Thphr.). — Reduplizierte Bildung, gewöhnlich zur selben Familie wie lat. grānum, nhd. Korn, Kern usw. gezogen (s. γέρων); vgl. auch Schwyzer 423. — Fremder Ursprung ist selbstverständlich keineswegs ausgeschlossen. I-305

Γίγας, -αντος m., gew. pl. ‘Giganten’, Benennung eines wilden riesenhaften Volkes (seit Il.), bei Hes. als Söhne der Gaia dargestellt. Davon einige späte und spärlich belegte Adjektiva: Γιγάντειος, -ταῖος, -τικός; außerdem Γιγάντιος als Monatsname (Lokris, Phokis). Ebenso als Vorderglied in Γιγαντο-μαχία (Pl. u. a.) usw. — Reduplizierte Bildung; zum Suffix vgl. Ἄβαντες, Κορύβαντες, ἀλίβαντες usw. (Schwyzer 526 : 4); wahrscheinlich vorgriechisch (Kretschmer Glotta 14, 99). — Von H. Petersson Et. Miszellen 15f. zu lett. gāgans ‘langer Strick, Riese’ gezogen; wohlbegründeter Zweifel bei Kretschmer Glotta 15, 197. I-305-306

γιγγίς, -ίδος f. N. einer Rübenart (Alex. Trall.); davon γιγγίδιον Art Mohrrübe (Dsk.). — Volkstümliches Wort (Strömberg Pflanzennamen 21), vielleicht mit Solmsen Wortforsch. 213f. für *γεγγίς mit Assimilation zu γογγύλος, s. d. Bedenken bei WP. 1, 638. I-306

γιγγλισμός · γαργαλισμὸς ἀπὸ χειρῶν, γέλως H. — Onomatopoetisch, vgl. γίγγρος. I-306

γίγγλυμος (γύγλ-) m. ‘Türangel, Türzapfen, Gelenk’ (X., Arist., Epid., Delos usw.). Davon γιγ(γ)λύμιον (Anthem.), γιγγλυμώδης (Arist.), γιγγλυμωτός (Ph. u. a.) mit γιγγλυμόομαι (Hp.). — Technischer Terminus unbekannter Herkunft (vgl. Schwyzer 423). Verfehlt H. Petersson Griech. und lat. Wortstud. 8f. (zu air. glūn ‘Knie’ usw.). Anderer Versuch bei Prellwitz, vgl. WP. 1, 618. I-306

γίγγρος -ᾱς m. m., N. einer kleinen phönikischen Flöte oder Pfeife (mittl. u. neue Komödie). Davon γιγγράϊνοςγ.-ähnlich’ und γιγγραντός ‘für γ. bestimmt’ (Ath.); γιγγρίαι· αὐλοὶ μικροί, ἐν οἷς πρῶτον μανθάνουσιν, γιγγρασμός· ἦχος, γιγγρί· ἐπιφώνημά τι ἐπὶ καταμωκήσει λεγόμενον. καὶ εἶδος αὐλοῦ H. — Mit ρ-Suffix und Dissimilation: γίγγλαρος (Poll.), γιγγλάριον (AB). Nach Ath. 4, 174f. von Γίγγρης, phönikischer Name des Adonis. Vielmehr expressive onomatopoetische Bildung aus *γιρ-γρ-ο- dissimiliert, vgl. zu γῆρυς und γέρανος; reiches Material bei WP. 1, 592, W.-Hofmann s. gingriō, -īre ‘schnattern, von Gänsen’. — Lat. gingrina ‘genus quoddam tibiarum exiguarum’ (Paul. Fest.) ist griechische Entlehnung. Eine ähnliche Bildung ist γιγγλισμός, s. d. I-306

γίγνομαι, ion. usw. γί̄νομαι (mit Assimilation und Dehnung, Schwyzer 215), thess. böot. γίνυμαι (Neubildung, Schwyzer 698), Aor. γενέσθαι, Perf. γέγονα, γέγαμεν, Med. (neugebildet) γεγένημαι, Fut. γενήσομαι; jungatt. usw. γενηθῆναι und γενηθήσομαι; transitiver s-Aorist γείνασθαι (ep. usw., aus *γεν-σ-, nähere Analyse unsicher; s. außer Schwyzer 756 besonders Wackernagel Unt. 175 mit kühner Erklärung), wozu γεινόμεθα, -μενος (wohl entweder für γί(γ)νομαι, Schwyzer 715, oder für γεν- mit metrischer Dehnung, Specht KZ 66, 204f. nach Schulze Q. 182ff.); athemat. Wurzelaorist ἔγεντο (Hes. usw.; wohl analogische Neubildung, vgl. Schwyzer 678f. m. Lit.) ‘geboren werden, werden, entstehen’. Zahlreiche Verbalnomina, z. T. altererbt. Nomina actionis: 1. γένος und γόνος, γονή (s. dd.). 2. γενεά, ion. -ή ‘Geschlecht, Nachkommenschaft’ (vorw. poet. seit Il.; zu der eigenartigen Bildung s. Chantraine Formation 91). 3. γενέ-θλη (poet. seit Il.) und γένε-θλον (A., S.) ‘ds.’ mit γενέθλιος und den seltenen und späten γενεθλιακός, γενεθλίδιος, γενεθλίωμα, γενεθλιάζω. 4. γενε-τή ‘Geburt’ (Hom., Arist. u. a.) mit Γενετυλλίς Kosename der Aphrodite als Schutzgöttin der Geburt (Ar. u. a.; vgl. Chantraine 252 und Leumann Glotta 32, 218 A. 3). 5. γένε-σις ‘Geburt, Ursprung’ (seit Il.). 6. γέν-νᾰ (s. d.). — Nomina agentis: γενέ-τωρ (ion. dor. poet.) und γενε-τήρ (Arist. usw.) ‘Erzeuger’; Versuch einer Bedeutungs-Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 46; Fem. γενέτειρα (Pi. usw.) aus -τρια (Schwyzer 381); γενέ-της (ion. poet.) ‘Erzeuger’, auch ‘Sohn’ (aus dem Komp. αἰει-γενέτης usw., s. Fraenkel Nom. ag. 1, 48); davon γενέσια n. pl. ‘Feier der dahingeschiedenen Väter, Parentalia’ (Hdt. usw.), später ‘Geburtsfest’ durch Anschluß an γενετή, γένεσις, vgl. Jacoby Class. Quart. 38, 65ff.; zu γενέτωρ und γενέτης auch Chantraine REGr. 59-60, 246ff. — Sonstige Ableitungen: γνήσιος ‘von echter Abkunft, echtbürtig’ (seit Il.; zunächst von einem verschollenen Nomen, vgl. Scheller Sprachgesch. und Wortbed. 399ff.); γνωτός, -τή ‘Verwandte(r), Bruder, Schwester’ (ep. seit Il.; oder zu γιγνώσκω?, s. unten) außerdem in Zusammenbildungen -γνη-τος, z. B. κασί-γνη-τος ‘Bruder’ (s. d.) und -γν-ος in νεο-γν-ός ‘neugeboren’ (h. Hom. usw.), mit ιο-Ableitung in ὁμό-γν-ιος ‘von gleicher Abstammung’, vorw. als Bez. der Stammgötter (Trag. usw.). — Altes Verb, von dem mehrere mit den griechischen genau übereinstimmende Formen nebst zugehörigen Verbalnomina (die allerdings teilweise auf parallelen Neuschöpfungen beruhen können) in anderen Sprachen vorliegen: redupl. Präsens γίγνομαι = lat. akt. gignō ‘erzeugen’; thematischer Aorist ἐγένετο = aind. them. Impf. ájanata (Präs. jánate, -ti = lat. genit); Perf. γέγονα = aind. jajā́na. Ferner die Nomina γένος und γόνος (s. dd.); γενέτωρ, γενετήρ = lat. genitor, aind. jánitar- und janitár-, γενέτειρα (aus -τρια) = aind. jánitrī, lat. genitrī-x; γενετή = lat. Genita Māna N. einer Göttin (dagegen γένεσις Neubildung nach den hochstufigen zweisilbigen Nomina für die alten schwundstufigen aind. jātí- ‘Geburt, Familie’, lat. nāti-, ags. (ge)cynd ‘Art usw.’; zur Abstufung im allg. vgl. Borgström NTS 16, 144f.); γνωτός = lett. znuōts ‘Schwiegersohn, Schwager’ (nach Schulze KZ 63, 113 vielmehr zu γιγνώσκω); vgl. noch ahd. knōt (got. Dat. knōdai) ‘Geschlecht’; -γν-ος in Zusammenbildungen = z. B. lat. prīvi-gn-us ‘abgesondert geboren’ = ‘Stiefkind’, νεο-γν-ός : got. niu-kla-hs ‘ds.’ (aus *-kna- [idg. *-ĝn-o-] dissimiliert); -γν-ιος in ὁμόγν-ιος = gall. Abe-gnia. — Zahlreiche andere Formen aus verschiedenen Sprachen bei WP. 1, 576ff., Pok. 373ff., W.-Hofmann s. gignō. I-307-308

γιγνώσκω, ion. usw. γῑνώσκω (vgl. γί̄νομαι neben γίγνομαι), epidaur. γνώσκω, Aor. γνῶναι, Perf. ἔγνωκα, Fut. γνώσομαι, mit analog. -σ- γνωσθῆναι, ἔγνωσμαι, später σ-Aor. γνώσασθαι (Man.) ‘erkennen, kennenlernen’ (seit Il.). Ableitungen: γνῶσις ‘Erkenntnis, Einsicht’ (ion. att.), oft in Komp., z. B. ἀνά-γνωσις ‘das Wiedererkennen, das (Vor)lesen’ zu ἀνα-γιγνώσκω ‘erkennen, (vor)lesen’; γνώμη ‘Erkennung, Gedanke, Ansicht’ (Thgn., Hdt., Pi. usw.) mit γνωμίδιον (Ar.) und γνωμικός (spät); selten γνῶμα ‘Kennzeichen, Ansicht’ (Hdt., A. usw.) mit γνωματεύω (Pl. usw.); gewöhnlich dagegen γνώμων m. (f.) ‘Kenner, Beurteiler usw.’ (ion. att.; daraus wahrscheinlich lat.-etr. grōma, lat. norma, s. W.-Hofmann s. vv.); zu γνώμη, γνῶσις s. bes. Snell Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplat. Philosophie. 1924; — γνωτός ‘erkannt, bekannt’ (Il., S.), gewöhnlich mit analog. -σ- γνωστός (A., S., Pl. usw.; ἄγνωστος seit Od.) wie in γνωστήρ ‘Identitätszeuge, Bürge’ (X., Pap., vgl. Schaefer Mus. Helv. 6, 49ff.) und γνώστης ‘ds.’ (LXX, NT, Pap. usw.); öfters in Komp., z. B. ἀναγνώστης zu ἀνα-γιγνώσκω (vgl. oben); ebenso γνωστικός ‘zur Einsicht gehörig, theoretisch’ (Pl., Arist. usw.) und das Denominativum γνωστεύω ‘die Identität erkennen’ mit γνωστεία (Pap.). — Für sich stehen mit ρ-Suffix γνώριμος ‘erkennbar, bekannt, nobilis’ (seit Od.) und γνωρίζω ‘erkennen, kundtun’ (ion. att.) mit γνώρισις, γνώρισμα, γνωρισμός, γνωριστής, γνωριστικός (Pl., Arist. usw.); zu Grunde liegt ein nominaler ρ-Stamm (*γνῶρον?), Einzelheiten bei Arbenz Die Adj. auf -ιμος 24 und 31f.; vgl. auch unten. — Mit abweichendem Vokal ἀγνοέω ‘nicht (er)kennen’ (seit Il.; ἠγνοίησα mit falschem -οι-; s. z. B. Chantraine Gramm. hom. 1, 99) mit ἀγνοίᾱ, ἄγνοιᾰ (att.), wahrscheinlich nach νοέω und Zus.-setzungen, ἀνοίᾱ, ἄνοιᾰ usw.; die Annahme eines Adjektivs *ἄγνο-ϝος (Schwyzer 472 A. 8 mit Solmsen und Anderen) neben ἀγνώς, ἀγνῶτος ‘unbekannt’ (seit Od.) ist (trotz lat. cognĭtus) entbehrlich. — Das Präsens γιγνώσκω ist bis auf die Reduplikation (epidaur. γνώσκω) mit lat. (g)nōscō, apers. xšnāsa- in xšnāsāhiy ‘du sollst merken’ (Konj.) usw., wohl auch mit alb. ńoh identisch; dem Aor. Opt. 2. sg. γνοίης (= *γνοίιης) entspricht aind. jñeyā́ḥ (γνώσασθαι dagegen späte Parallelbildung zu aind. -jñāsam); identisch sind ebenfalls γνωτός, lat. nōtus, aind. jñātá- (wozu noch air. gnāth ‘gewohnt, bekannt’, toch. B a-knātse ‘unwissend’). In allen drei Sprachen hat sich die einsilbige langvokalische Wurzelform mit -Farbe fast ausnahmslos durchgesetzt (vgl. noch ἔγνωκα, lat. nōvī, aind. jajñaú usw.), ebenso in aksl. znajǫ, znati ‘erkennen’. Aus diesem Rahmen fällt im Griechischen außer der Neubildung ἀγνοέω (s. oben) nur das semantisch isolierte γέγωνα (s. d.); es läßt ein altes Ablautsystem ahnen, das sich auch sonst, z. B. in got. usw. kann, pl. kunnum, Part. kunþs ‘bekannt’ (daneben z. B. ags. cnāwanknow’ aus idg. *ĝnē-), lit. žénklas ‘Zeichen’ (mit Stoßton aus einer zweisilbigen Wurzelform *ĝenə-), pa-žìntas ‘bekannt’, pa-žį́stu ‘ich erkenne’, arm. Aor. can-eay ‘ich erkannte’ (mit Tiefstufe) verrät. — Zu γνώριμος vgl. lat. ignōrō, dessen aber wegen des isolierten und darum alten in gnārus als Neubildung verdächtig ist (W.-Hofmann s. gnārus m. Lit.). — Die Gleichung γνῶσις = lat. nōti- = aind. -jñāti- kann natürlich in Anbetracht der großen Produktivität der betreffenden Suffixe auf Neubildung beruhen. Das gleiche gilt von den ebenfalls übereinstimmenden γνῶμα, aruss. znamę (unsicher phryg. κνουμανει [Dat.] ‘Grab’). In seiner allgemeinen phonetischen Struktur an das Verb für ‘geboren werden, erzeugen’ erinnernd (s. γίγνομαι), unterscheidet sich γιγνώσκω davon vor allem durch die früh um sich greifende Wurzelform ĝnō-. Daß diese beiden Verba ursprünglich identisch gewesen wären (s. die Lit. bei WP. 1, 578, W.-Hofmann s. nōscō, vgl. noch s. γόνυ), ist eine Annahme, die sich streng genommen weder beweisen noch widerlegen läßt, aber eben deswegen wie alle derartigen Hypothesen, die mit ganz unbekannten vorgeschichtlichen Größen operieren, völlig ohne Interesse ist. I-308-309

γίννος m. Bez. des Maulesels (Arist., Str., H.), auch γινος (Ialysos). — Fremdwort unbekannten Ursprungs. Vgl. zu ὄνιννος. I-309

γλάγος s. γάλα. I-309

γλάζω ‘einen Gesang (μέλος) erklingen lassen’ (Pi. Fr. 97); vgl. γλαγγάζει· κέκραγε H. (Kyr.). — Onomatopoetisch, vgl. κλάζω. — Man vergleicht seit Fick und Zupitza einige germanische Wörter, z. B. awno. klaka ‘zwitschern’. I-309

γλάμων, -ωνος (Kom., Lys.), γλαμυρός (Hp., H., EM) ‘triefäugig’. — Von γλάμος· μύξα H. nach den Adj. auf -ων (στράβων usw., Chantraine Formation 161) bzw. -υρός (φλεγυρός usw., ebd. 231). Dazu das Denominativum γλαμάω (Poll., Moer.) und γλάμυξος = γλαμυρός mit γλαμυξιάω (EM), nach μύξα oder für γλα[μο]-μυξος. — Das langvokalische γλημώδης = γλαμυρός (Gal.) ist durch Kreuzung mit λημώδης entstanden. Nicht sicher gedeutet. An γλάμων usw. erinnern einige baltische und germanische Wörter, z. B. lit. glẽmės, gléimės pl. ‘Schleim’, engl. clammy ‘klebrig, zäh’; außerdem alb. ngl ́omë ‘feucht, frisch’ (WP. 1, 617 m. Lit., Pok. 361). — Aus dem Griechischen stammt lat. glamae ‘Augenbutter’, s. W.-Hofmann s. grāmiae m. Lit. I-309-310

γλάνος m. ‘Hyäne’ (Arist.). Davon der Fischname γλάνις, -ιος, (-εως), -ιδος m. (f.) ‘Silurus, Wels’ (Kom., Arist. u. a.; γλάνιος Hdn.), so genannt wegen seiner Gefräßigkeit und seiner Lautgebung, s. Strömberg Fischnamen 70; ausführlich über den Fisch Thompson Fishes s. v. — Ohne Etymologie. I-310

γλαρίς, -ίδος f. ‘Meißel’ (S., Delos IIIa, Kall. u. a.). — Bildung wie die semantisch verwandten γραφίς, γλυφίς, κοπίς usw. (Chantraine Formation 338). Erklärung sonst unsicher; nach H. Lewy KZ 55, 24 aus *γρα-ρίς dissimiliert, zu γράω ‘fressen, nagen’ . I-310

γλαυκός bei Hom. (Π 34) und späteren Dichtern (Trag. usw.) vom Meere, nachhom. entweder auf die Farbe ‘hellblau, blaugrau’ oder auf Lichterscheinungen ‘funkelnd, leuchtend’ bezogen. Mehrere Ableitungen: γλαῦκος N. eines Fisches (Kom. usw.; zum Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 23f., zum Sachlichen auch Thompson Fishes 48) mit den Deminutiven γλαυκίδιον und γλαυκίσκος (Kom.); γλαυκία ἢ γλαυκίον· βοτάνη τις H. (Plin.); auch ‘Mohnsaft’ (Dsk., Gal.) und N. einer Entenart (Ath.), beide nach der Farbe; γλαυκίδανον N. einer Augensalbe (Gal.), nach den mannigfachen Gerätenamen auf -ανον (Chantraine Formation 198f.), anscheinend über *γλαυκίς; γλαύκινος Attr. von ἱμάτιον (Plu.) mit γλαυκινίδιον = γλαυκίδιον (Amphis); γλαυκειοῦς (χιτωνίσκος, Attika IVa). — γλαυκότης (Arist., Plu., Corn.). — Denominative Verba: 1. ep. Part. γλαυκιόων ‘funkelnd, glänzend’ (nach μειδιόων? Leumann Hom. Wörter 151); 2. γλαυκίζωγ. sein’ mit γλαυκισμός (PHolm.); 3. γλαυκόωγ. färben’ (PHolm.), γλαυκόομαι ‘den Star bekommen’ (Hp., J.) mit γλαύκωσις (Hp., Gal.) und γλαύκωμα ‘grüner Star’ (Arist., Mediz.), das indessen auch direkt von γλαυκός ausgehen kann (vgl. Chantraine 186f.; γλαυκόομαι dann sekundär?); 4. γλαύσσω ‘leuchten’ (H., EM), διαγλαύσσω A. R. 1, 1281; vgl. λευκός: λεύσσω. — Mehrere Eigennamen: Γλαῦκος, Γλαύκη (seit Il.), Γλαύκων, -ίων usw.; auch als Vorderglied. — Zu γλαυκῶπις s. unten. — Die gewöhnliche Anknüpfung an γαλήνη, γελάω usw. (s. dd.) kommt (auch mit Hilfe von *ἀγλαϝός) über eine allgemeine Ähnlichkeit nicht hinaus. Da das ep. Attribut der Athens γλαυκῶπις, nach βοῶπις zu schließen, als ‘die Eulen-äugige’ bzw. ‘die Eulen-antlitzige’ zu verstehen ist, kann γλαῦξ ‘Eule’ schon aus diesem Grunde schwerlich eine hypokoristische Kürzung von γλαυκῶπις (Prellwitz) sein. — Nach Leumann Hom. Wörter 148ff. erwuchs γλαυκός auf rein literarischem Wege aus dem mißverstandenen Vorderglied in γλαυκῶπις, das schon von den epischen Dichtern als adjektivisch (mit wechselnder Bedeutung) aufgefaßt wurde. I-310-311

γλαυνός m. Art Chiton (Poll. 7, 48). — Unerklärt. I-311

γλαῦξ, -κός f. ‘Nachteule’ (Kom., Arist. usw.). — Nach den Alten von γλαυκός wegen des funkelnden Blickes, was von Thompson Birds s. v. (wo ausführlich zum Sachlichen) als Volksetymologie abgelehnt wird. Nach Prellwitz aus γλαυκῶπις hypokoristisch gekürzt; vgl. dazu s. γλαυκός. Einige Vogelnamen mit k-Suffix notiert Specht Ursprung 204. I-311

γλαφυρός ‘ausgehöhlt, hohl’ (ep. lyr. seit Il.), ‘geglättet, fein, zierlich’ (Kom., Arist. usw.). Davon γλαφυρότης ‘Glätte, Eleganz’ (Ph., J., Luk. u. a.) und γλαφυρία ‘ds.’ (Plu., Iamb.). — Vereinzelt γλάφυ n. ‘Höhle, Grotte’ (Hes. Op. 533) und γλάφω ‘aushöhlen’ (Hes. Sc. 431), ‘einritzen’ (ClassRev. 12, 282; Koptos IIp; richtig?). — Die Bildung von γλαφυρός (wohl aus -υλός dissimiliert, Leumann Glotta 32, 223 A. 2) scheint auf einen u-Stamm *γλαφύς hinzudeuten (λιγυρός : λιγύς usw.). Ob das einmalige γλάφυ eine Altertümlichkeit darstellt, bleibt immerhin etwas fragwürdig; ebenso kann γλάφω als ἅπ. λεγ. im Sinn von ‘aushöhlen’ gegenüber γλαφυρός sehr wohl sekundär sein. Wenn es viel später in der Bedeutung ‘einritzen’ wieder erscheint, macht es (falls überhaupt richtig gelesen bzw. geschrieben) den Eindruck einer Kreuzung von γλύφω und γράφω. Der Gebrauch von γλαφυρός im Sinn von ‘geglättet usw.’, der sich auch stilistisch gegen die früher belegte Bedeutung ‘ausgehöhlt’ abhebt, setzt eine Grundbedeutung wie ‘schaben’ voraus, oder aber es liegt eine Verschiebung der Assoziationen vor. — Eine ansprechende Anknüpfung bieten einige slavische Wörter für ‘aushöhlen, nagen’, z. B. bulg. glob m. ‘Augenhöhle’, sloven. glóbati ‘aushöhlen, nagen’. Dagegen ist russ. globá ‘Querbalken, lange Stange’ keine Stütze für die Ansetzung einer ursprünglichen Bedeutung ‘schaben, glätten’, da es wahrscheinlich nicht zu glob usw. gehört (Vasmer Russ. et. Wb. s. v.). I-311

γλέπω, γλέφαρον s. βλέπω, βλέφαρον. I-311

γλήνη f. ‘Augapfel’ (Hom. [auch als verächtliche Anrede Θ 164, vgl. Porzig Satzinhalte 347], S.), auch ‘Augenstern, Pupille’ (Ruf. Onom., H.), übertr. ‘Gelenkhöhle’ (Gal.), ‘Wabe’ (AB, H.) γλήνεα n. pl. ‘Schaustücke, Schmucksachen’ (Ω 192, A. R. 4, 428), ‘Sterne’ (Arat.); sg. γλῆνος = γλήνη (Nik.), = φάος H. — Ableitung γληνις (IG 5 [1] 1447, 9, Messene III-IIa) Bed. unbekannt. Ein hellenistisches Kunstprodukt ist γλήν = γλήνη (Hermesian.), vgl. Schwyzer 584 A. 6. EN: Γλῆνος, Γλῆνις, Γληνώ, Γληνεύς, vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 130. — Unsicher ist die Bedeutung von τρί-γληνα (ἕρματα Hom.); außerdem τρίγληνος als Attribut der Hekate (Ath.). — Neben γλήνη, γλῆνος stehen einerseits γαλήνη, γέλως, anderseits γλαινοί· τὰ λαμπρύσματα τῶν περικεφαλαιῶν, οἷον ἀστέρες H. Eine Zusammenführung aller dieser Wörter unter einen Hut setzt eine zweisilbige Wurzel mit Vokalwechsel voraus: γελα-, γαλα-, γλαι-, γλη-; letzteres kann sowohl urg. γλη- wie γλᾱ-, sogar auch γλασ- enthalten. Schwierigkeit bereitet dabei nur γλαι-νοί; die Ansetzung von idg. ĝləi- ist natürlich ein Notbehelf. (Anders, ebenso hypothetisch, über den α(ι)-Vokal Specht Ursprung 322). Auch die Gleichsetzung von γλαινοί mit ahd. kleini ‘glänzend, zierlich, fein, klein’, ags. clǣneclean’ hat bei der knappen Dokumentierung des griechischen Wortes wenig Wert (-αι- in γλαινοί sekundär, etwa von dem Oppositum κελαινός?). — Zu -νος in γλῆ-νος vgl. κτῆ-νος, ἄφενος, δάνος, auch γάν-ος usw. (Chantraine Formation 420, Schwyzer 512f., Porzig Satzinhalte 295). — Nach Machek Listy filol. 72, 70 gehört zu γλήνη slav. zrěnica ‘Pupille’ für *zlěn-ica nach zьrěti ‘sehen’ durch Volksetymologie. — Lamer IF 48, 231f., der für γλήνη eine Grundbedeutung ‘Püppchen’ ansetzt, hält das Wort für ägäisch. I-311-312

γλήχων, dor. γλά̄χων s. βλήχων. I-312

γλία, γλίνη, γλίον s. γλοιός. I-312

γλῖνος (γλεῖνος) m. ‘kretischer Ahorn’ (Thphr.). — Ohne Etymologie. I-312

γλίσχρος ‘klebrig, gierig, karg’ (ion. att.). Davon γλίσχρων ‘Geizhals’ (Ar.), γλισχρότης ‘Klebrigkeit, Knauserei’ (Arist., Thphr. usw.), γλισχρία ‘ds.’ (Sch.). Denominative Verba: 1. γλισχραίνομαι ‘klebrig sein’ (Hp., Gal.) mit γλίσχρασμα ‘Pflanzenleim’ (Hp. u. a.); 2. γλισχρεύομαι ‘knauserig sein’ (M. Ant.). — Zu γλίχομαι, γλοιός (s. d.). Die Bildung bleibt im Einzelnen dunkel, was offenbar mit dem Gefühlston des Wortes zusammenhängt, vgl. Chantraine Formation 225. Eine rein grammatische Analyse (zu *γλίσχω aus *γλίχ-σκω oder mit Metathese aus *γλιχ(ε)σ-ρο- ?, Walde-Pokorny 1, 619 bzw. Schwyzer 328) ist unter solchen Umständen etwas zweifelhaft. I-312

γλοιός m. ‘klebriger Stoff, Harz, Gummi’, auch Benennung des klebrigen, mit Schweiß gemischten Öls, das nach dem Ringen mit dem Striegel abgestrichen wurde (Semon., Hdt., Ar., Arist. u. a.); sekundär Adj. (Pap.; aber Ar. Nu. 449 ehestens Subst.). Davon γλοιώδης (Pl.. Arist. u. a.); γλοιάς· ἡ κακοήθης ἵππος καὶ πολυδήκτης παρὰ Σοφοκλεῖ H., γλοίης, -ητος m. (Hdn., H., EM; zur Bildung Chantraine Formation 267). Denominative Verba γλοιόομαι ‘klebrig werden’ (Dsk.), γλοιάζω ‘die Augen schließen, e-n schief, mißtrauisch ansehen’ (Hp., H., EM). — Neben γλοιός steht in derselben Bedeutung, aber mit anderem Ablaut γλία (EM); außerdem mit ν-Suffix γλίνη (EM) mit γλινώδης (Dsk., Ath. u. a.); zu γλία ferner γλίον· εὔτονον, ἰσχυρόν (H., EM, Eust.), wohl auch γλιᾶται· παίζει, ἀπατᾷ H., γλιῶσαι· τὸ παίζειν EM. — Mit geminiertem τ-Suffix γλίττον· γλοιόν (H., Eust.). — Primäres Verb mit χ- Suffix γλίχομαι, bis auf ἐγλιξάμην (Pl. Kom.) nur im Präsensstamm, eig. ‘an etwas kleben’, d. h. ‘heftig verlangen’ (Hdt., att.); postverbal γλιχός (H.), γλιχώ (EM). — Zu γλίσχρος s. bes. — Falls aus *γλοιϝός, hat γλοιός eine genaue formale Entsprechung in russ. dial. glev ‘Schleim der Fische’ (slav. *glěvъ aus idg. *gloi-u̯o-s), wahrscheinlich auch in ahd. klēo, Gen. klēwes ‘Klee’ (urg. *klaiu̯az; nach dem klebrigen Saft der Blüte). Wenn dagegen = *γλοιι̯ός (mit expressiver Gemination), besteht Identität mit ags. clǣg ‘Lehm, clay’ (urg. *klaii̯az). — Das ν-Suffix in γλίνη, das auch in russ. -ksl. glěnъ ‘Schleim, zähe Feuchtigkeit’ (idg. *gloi-no-s) und in russ. glína ‘Ton, Lehm’ (idg. *glei-nā) erscheint, stammt aus einem Nasalpräsens, air. glenim (*gli-nā-mi), ahd. klenan ‘kleben, schmieren’. — Die Hesychglosse γλίττον erklärt sich wie lat. glittus ‘klebrig’ am einfachsten als expressive Verdoppelung des t-Suffixes in lat. glūten n. ‘Leim’ (aus *gloi-t-en-; wohl alter r-n-Stamm, s. Benveniste Origines 104) und lit. glitùs ‘klebrig’. — Zu γλία gesellt sich am nächsten russ. glej ‘Ton, Lehm’ (aus *glьjь). — Ohne außergriechische Entsprechung ist dagegen γλίχομαι; andere Beispiele von χ- erweiterten Präsentien bei Schwyzer 702. — Zahlreiche weitere Vertreter dieser Sippe bei WP. 1, 619ff., W.-Hofmann s. glūten, Pok. 362f. I-312-313

γλουρός m. ‘Gold’ (AP, H.), γλούρεα· χρύσεα H. — Nach H. phrygisch. S. χλωρός. I-313

γλουτός m. ‘Hinterbacken’, du. (X.) und pl. ‘Gesäß’ (seit Il.). Davon γλούτια ‘ds.’, auch Bez. tuberkulöser Erhabenheiten des Gehirns (Gal.). — Zur Bildung vgl. das synonyme πρωκτός. — Kann mit sloven. glûta, glúta ‘Beule, beulenartige Geschwulst’ (falls aus *glout-) bis auf den Ausgangsvokal identisch sein; auch das semantisch etwas abseits liegende ags. clud m. ‘mass of stone, rock’, neng. cloud ‘Wolke’ kann bis auf den Ablaut (idg. ) dazu stimmen. Ohne t-Suffix dagegen aind. (ved.) glaú- m. ‘Klumpen, Auswuchs’ (mit Langdiphthong). Schwyzer 501 A. 10, 577 A. 11 erwägt darum für γλουτός eine sekundäre τ(ο)-Flexion wie bei χρώς, -τός. — Buntes Material bei Bq, WP. 1, 617ff., Pok. 361f. I-313-314

γλυκύς ‘süß, angenehm’ (seit Il.); zu den Steigerungsformen γλυκίων, γλύσσων, γλυκύτερος, γλυκ(ε)ιότερος Seiler 48ff. Mehrere Ableitungen: γλύκων individualisierend (Ar. Ek. 985, wie πλατύς : Πλάτων u. a.), auch als EN, wozu Γλυκώνειος (Heph. u. a.); poetische Erweiterung γλυκόεις (Nik.); Deminutivbildungen: γλυκάδιον ‘Weinessig, Süßigkeiten’ (Choerob., H.; zur Bedeutung vgl. ἦδος = ὄξος), γλυκίδιον (Pap.). — γλυκίν(ν)ᾱς m. ‘Kuchen, mit süßem Wein hergestellt’ (Seleuk. ap. Ath., als kretisch bez., H.). — Abstraktbildung γλυκύτης ‘Süßigkeit’ (Hdt., Arist. usw.). — Denominative Verba: 1. γλυκαίνω ‘versüßen’ (Hp., Arist. usw.; vgl. πικραίνω; nicht *γλυκύνω wie ἡδύνω wegen der Folge υυ, Schwyzer 733; jedoch γλύκυσμα [Lib., Sch.] nach ἥδυσμα) mit γλύκανσις (Thphr.) und γλυκαντικός (S. E. u. a.); 2. γλυκάζω ‘ds.’ (LXX, Epikt. usw.) mit γλύκασμα, γλυκασμός (LXX u. a.); γλυκασία ‘Familienliebe’ (Sammelb.); 3. γλυκίζω ‘ds.’, auch intr. (Pagae, Gp. u. a.) mit γλυκισμός (Kallix. u. a.); 4. ἐγ-γλύσσω ‘süßlich sein’ (Hdt. 2, 92; ἔγγλυκυς erst Dsk.; vgl. λευκός : λεύσσω usw. Schwyzer 725); daran bildungsmäßig angeschlossen γλύξις ‘süßer Wein’ (Phryn. Kom. u. a.); auch γλεῦξις· οἶνος ἕψημα <ἔχων> H., vgl. γλεῦκος. — Alte aber seltene Parallelbildung ist γλυκερός (poet. seit Od., späte Prosa; vgl. κρατύς : κρατερός und Chantraine Formation 229f., Schwyzer 482f.), f. (mit regelmäßig zurückgezogenem Akzent) Γλυκέρα als EN mit Γλυκέριον. — Mit Geminata: γλυκκόν· γλυκύ und γλύκκα· ἡ γλυκύτης H.; gewöhnlich als *γλυκ-ϝ-ον, -ᾱ erklärt, falls nicht expressive Gemination (vgl. Chantraine Formation 124). — Für sich stehen die Pflanzennamen γλύκη· βοτάνη τις ἐδώδιμος H. und das sehr eigenartige γλυκυμή = γλυκύρριζα (Hp. ap. Gal.), von *γλυκυμος wie ἥδυμος?; vgl. außer Schwyzer 494 A. 3 die zahlreichen Pflanzennamen mit γλυκυ- als Vorderglied bei Strömberg Pflanzennamen 63. — Im Ablaut abweichend γλεῦκος n. ‘Most, süßer Wein’ (Arist., Pap., Gortyn usw.) mit γλεύκινος ‘aus γ. bereitet’ (Dsk., Mediz.), γλευκίτης (οἶνος) = γλεῦκος (Arist.-Komm.); γλευκήσας ‘von γ. berauscht’ (H.); auch γλεύκη = γλυκύτης (Sch.) und γλεῦξις, s. γλύξις oben. — Falls γλυκύς zu lat. dulcis gehört, wie gewöhnlich angenommen wird, muß γλ- für δλ- (durch Assimilation an das folgende κ?) stehen, was sich weder beweisen noch widerlegen läßt. Auch der υ-Vokal ist als vermutete Schwundstufe unregelmäßig; vgl. indessen zu λύκος. — Zu arm. kaɫcr ‘süß’, das bisweilen hierhergezogen wird, s. zu ἡδύς. — Das hochstufige γλεῦκος ist späte Neuerung nach den vielen gleichgebildeten neutralen σ-Stämmen. I-314-315

γλῠ́φω, Aor. γλύψαι, Fut. γλύψω ‘ausmeißeln, gravieren’ (ion. att.). Nomina actionis: γλυφή ‘das Eingraben, Stich’ (D. S., Plu. usw.), γλύμμα ‘das Eingegrabene, Petschaft’ (Eup., Str., Pap.). Mehrere Nomina agentis oder instrumenti: γλυφίς, gew. pl. -ίδες ‘Kerbe(n), bes. am hintern Ende des Pfeilschaftes’ (seit Il.), auch ‘Meißel, Messer usw.’ (J., AP u. a.; vgl. ἀκίς, σκαφίς und Porzig Satzinhalte 352); γλύφανος ‘Schnitzmesser’ (h. Merc. u. a.; vgl. φάσγανον, δρέπανον und andere Nomina auf -ανον, -ανος (-ανη) bei Chantraine Formation 198ff.); γλυφεῖον ‘ds.’ (Luk.); ἑρμογλυφεῖον ‘Bildhauerwerkstatt’ (Pl.), Zusammenbildung von ‘Ερμᾶς γλύφειν; γλυφεύς ‘Bildhauer, Graveur’ (J. u. a.), zunächst von γλυφή, s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 73; daneben γλυφευτής ‘ds.’ (Pap. VIp), wie von *γλυφεύω; γλυπτήρ = γλύφανος (AP), γλύπτης ‘Graveur’ (APl.) mit γλυπτικός (Poll.). — Adj. γλυφική (τέχνη; Thrake). — Der durchgeführten Schwundstufe in γλύφω nebst sämtlichen Ableitungen steht im Germanischen ein primäres Verb mit bewahrtem Ablautswechsel eu : ou : u entgegen: z. B. ahd. Präs. kliobanklieben, spalten’, Prät. kloub, Opt. klubi. Auch lat. glūbō ‘abschälen’ vertritt als altes primäres Verb wahrscheinlich die Hochstufe eu, obwohl es an und für sich ebenso wie das deverbative ahd. klūbōnklauben, zerpflücken’ ein (sekundär verlängtes?) enthalten kann. Hierher vielleicht noch russ. glýboko ‘tief’ usw., s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v. I-315

γλωρόν · νομόν H. — Kukules ’Αρχ. 27, 61ff. vergleicht ngr. (Karpathos, Kypros) γλωρός = χλωρός; χλωρονόμι ‘Gras’. Anders Latte z. St. I-315

γλῶσσα, att. γλῶττα, ion. auch γλάσσα (s. unten) f. ‘Zunge, Sprache’ (seit Il.). Davon die Deminutiva γλωσσάριον (Dsk., Pap.) und γλωσσίδιον (Zen.); ferner γλώσσημα ‘Pfeilspitze’ (A.), ‘altertümliches od. dialektisches Wort’ (Quint., M. Ant.; zur Bildung Chantraine Formation 186) mit γλωσσηματικός (D. H.); γλωσσώδης ‘gesprächig’ (LXX u. a.), γλωσσός ‘ds.’ (Hdn.); γλωσσίς ‘Zungenentzündung’ (Hippiatr.). — γλωττίς ‘Mündung der Luftröhre, Ansatzstück, Stimmritze’ (Hero, Luk., Gal.), auch N. eines Vogels (Arist., vgl. Thompson Birds s. v.); γλωττικός ‘zur Zunge gehörig’ (Arist.); denominatives Verb γλωττίζω ‘mit der Zunge küssen’ mit γλωττισμός (AP). — Unter den Komposita ist zu nennen γλώσσ-αργος ‘gesprächig’ (Pi., J. u. a.), aus γλώσσ-αλγος ‘ds.’ dissimiliert; danach στόμαργος, vgl. Strömberg Wortstudien 31 nach H. Lewy KZ 55, 24f.; anders (zu ἀργός ‘schnell beweglich’) Willis AmJPh 63, 87ff. — Eig. "mit Spitze, Stachel versehen", ια-Ableitung von γλῶχες, s. d. Die ion. Form γλάσσα, die von der Schwundstufe ausgeht, ist vielleicht aus einem Paradigma γλῶσσα, *γλασσᾶς entstanden; der urspr. Tonsitz kann in γλωσσᾶι (Pind.-Pap.) bewahrt sein (Schwyzer 474 m. Lit.). — Nach Havers Sprachtabu 60f. (mit Specht) soll γλῶσσα durch Sprachtabu das alte Wort für ‘Zunge’ (lat. lingua usw.) verdrängt haben. Es kann aber mindestens ebensowohl volkstümlich-expressiv sein. I-315-316

γλῶχες f. pl. ‘Grannen der Ähren’ (Hes. Sc. 398). Davon γλῶσσα, s. d.; ferner γλωχί̄ς, γλωχί̄ν, -ῖνος f. ‘Spitze des Jochriemens, des Pfeils usw.’ (seit Il.); Bildung wie ἀκτίς, δελφίς usw. Davon γλωχινωτός (Paul. Aeg.). — Ohne sichere Anknüpfung. Die Zusammenstellung mit serb.-ksl. usw. glogъ ‘Dorn’ (Bezzenberger-Fick BB 6, 237) wird zuletzt von Machek Lingua Posnaniensis 2, 145 angezweifelt. I-316

γναθμός m. (Hom., E.), γνάθος m. (ion. att.) ‘Kinnbacken, Backen’. Davon der Parasitenname Γνάθων mit Γναθώνειος, Γναθωνίδης und Γναθωνάριον (Plu., Luk., Longus). Denominatives Verb γναθόω ‘an den Backen schlagen’ (Phryn. Kom.). — γναθμός ist eine Umbildung von γνάθος nach den bedeutungsverwandten λαιμός, βρεχμός, ὀφθαλμός u. a. — Zu γνάθος stimmt bis auf den Ablaut lit. žándas ‘Kinnbacken’, lett. zuôds ‘Kinn, scharfe Kante’; die lit. Akzentuierung verrät eine zweisilbige Wurzel, die in γνάθος in reduzierter Form vorliegt. Weitere Beziehung zu γένυς ist glaubhaft. Auch κάναδοι· σιαγόνες, γνάθοι H. wird von Hoffmann Makedonen 52 als makedonisch herangezogen; es kann aber ebensogut zu κνώδων, κνώδαλον gehören, s. Specht KZ 59, 113 A. 1, v. Windekens Le Pélasgique 13 A. 1 (S. 14). — Spechts Analyse von γνάθος (Ursprung 87 und 254) bedeutet keinen Fortschritt. I-316

γνάμπτω, Aor. γνάμψαι, Verbaladj. γναμπτός ‘kr?mmen, biegen’ (poet. seit Il.). Davon γναμπτήρ ‘Kiefer’ (Androm. ap. Gal.), γνάμψις ‘Biegung’ (EM); vgl. auch γαμψός. Ohne inneren (dissimilatorisch geschwundenen?) Nasal γνάπτει· κάμπτει und γναπτός = γναμπτός H. — Da γνάμπτω offenbar von κάμπτω beeinflußt worden ist (vgl. auch κνάμπτω), schweben alle Erklärungen in der Luft. Sehr unsichere Vermutungen bei WP. 1, 581, Pok. 370. I-316

γνάπτω, γνάφαλλον, γναφεύς usw. s. κνάπτω. I-316

γνήσιος mit γνησιότης (Arist., Pap. u. a.) s. γίγνομαι. I-316

Γνίφων s. Κνίφων. I-317

γνόφος m. ‘Finsternis’ (Arist., Chron. Lind. usw.). Davon γνοφώδης (LXX); — γνοφίας N. eines Windes (Lyd. Mens.; zur Bildung Chantraine Formation 95); γνόφεον· μέλαν H.; γνοφόω ‘verfinstern’ (LXX). — Späte Form für δνόφος, s. d. I-317

γνύθος n. (Lyk.), m. (H., auch γνυθός) ‘Höhle, Grube’. — Bildung wie βάθος, βυθός, aber sonst dunkel. Daneben γνυφαί· νάπαι H. I-317

γνύξ Adv. ‘knielings’ (ep. seit Il.; zur Bedeutung auch Erbse Glotta 32, 240ff.). — Von γόνυ (s. d.) mit Schwundstufe und analogischem -ξ nach πύξ, λάξ usw. (Schwyzer 620). Dieselbe Schwundstufe auch in γνύπετοι· ἐκτεταμένοι, δειλοί, ἄλλοι δὲ κατηφεῖς und einigen anderen (z. T. unsicher überlieferten) aus γόνυ und πίπτειν erwachsenen Zusammenbildungen bei H. Eine Kurzform davon ist γνύπωνες· στυγνοί, κατηφεῖς, ἄτολμοι, παρειμένοι. καὶ μαλακοί, ἀπὸ τοῦ εἰς γόνυ πεπτωκέναι H. I-317

γνώριμος, γνωρίζω s. γιγνώσκω. I-317

γνωτός ‘Verwandter’ s. γίγνομαι. I-317

γοάω, Fut. γοήσομαι (spät -ήσω), Aor. γοῆσαι (Amorgos u. a.), isoliertes Präteritum 3. pl. γόον Ζ 500 (entweder Imp. = γόεον durch Hyphärese oder neugebildeter Aorist wie ἔκτυπον, vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 392 A. 1; s. auch Leumann Hom. Wörter 186f.) ‘jammern, klagen’ (poet. seit Il.). Davon γόης, -ητος m. ‘incantator, Zauberer, Betrüger’ (ion. att.) mit γοητικός (Arist. u. a.) und γοητεύω ‘bezaubern’ (Pl., D. u. a.; ngr. γητεύω, Kretschmer Glotta 16, 183 m. Lit.), wovon γοητεία und γοήτευμα (Pl. u. a.), γοήτευσις (Plot.), γοητευτικός (Poll. u. a.), γοητεύτρια (Eust.); Fem. γοῆτις (AP). — Neben γοάω steht γόος m. ‘Klage’ (ep. lyr. seit Il.; zum Gebrauch vgl. Porzig Satzinhalte 86) mit γοερός ‘klagend, beweinenswert’ (A., E. in lyr.), analogische Neubildung γοηρός (Lyk. u. a.), γοώδης ‘ds.’ (Pl., Arist.), auch γοεδνός (A. in lyr.), nach ὀλοφυδνός, σμερδνός usw. (vgl. Schulze Kl. Schr. 398); außerdem γοήμων (APl., Nonn., eher auf γοάω zu beziehen, vgl. Chantraine Formation 173f.). — Wie βοάω, μυκάομαι usw. (Schwyzer 683) ist γοάω als eine deverbative Intensivbildung aufzufassen und γόος somit postverbal. Sehr nahe steht das germ. Iterativum (Intensivum) ahd. gi-kewen ‘nennen, heißen’, ags. cīegan ‘rufen, nennen’ aus urg. *kaujan (= gr. *γοϝέω). Daneben mit tiefstufiger Wurzel und hochstufiger Reduplikationssilbe das aind. Intensivum jó-guv-e ‘laut aussprechen’. — Eine wohlbekannte r-Ableitung ist aksl. govorъ ‘Lärm’ mit govoriti ‘lärmen’ (russ. usw. auch ‘sprechen’). — Vgl. zu βοή, βοάω; außerdem WP. 1, 634 und Pok. 403 mit weiterem Material. I-317-318

γόγγρος m. 1. ‘Meeraal’ (mittlere Kom., Arist.); 2. ‘(krankhafter) Auswuchs am Stamme namentlich der Olive’ (Thphr.). Von 1. das Deminutivum γογγρίον (Sch. Opp. H. 1, 113); ebenso γογγρώδης H. (γογγρώδης τῆς ἐλαίας ἔκφυσις als Erklärung von γόγγρος); im selben Sinn γογγροειδής (Arist.). Von 1. auch γογγρώνη etwa ‘angeschwollene Drüse im Halse’ (Hp., Gal.; zur Bedeutungsübertragung vgl. χοιράς ‘ds.’, von χοῖρος ‘Ferkel’; Bildung wie κροτώνη = 2. γόγγρος). — Als botanisch-medizinischer Terminus ist γόγγρος zweifelsohne nur eine Übertragung von γόγγρος = ‘Meeraal’; sowohl die Massigkeit und Dicke wie die Gefräßigkeit des Fisches konnte das Bild veranlassen, vgl. z. B. καρκίνος, lat. cancer. Oft, z. B. von Fohalle Mélanges Vendryes 157ff. (vgl. dazu Kretschmer Glotta 16, 166) im Sinn von ‘Meeraal’ als Mittelmeerwort betrachtet; vgl. indessen γογγύλος. — Lat. conger (gonger) ist griechisches LW. I-318

γογγύζω ‘murren, unwillig, mürrisch sein’ (LXX, NT, Pap. u. a., nach Phryn. ion.). Davon γογγυσμός (Anaxandr., LXX usw.) und γόγγυσις (LXX); γογγυστής (Ep. Jud., Thd.) und γόγγυσος (Thd., Hdn.; vgl. Chantraine Formation 435); γογγυστικός (Erot., EM). — Bei H. auch γογγρύζειν und γογγρύσαι· ὡς χοῖρος φωνῆσαι, nach γρύζειν. — Schallwort ohne sichere Entsprechung. Aind. gaṅgūyati ‘laut aufschreien’, guñjati ‘summen’ zeigen eine allgemeine elementarbedingte Ähnlichkeit. — Vgl. γαγγαίνειν. I-318

γογγύλος ‘rund’ (A., S., Pl., Ar. u. a.). Davon substantiviert (mit regelmäßigem Akzentwechsel) γόγγυλος "der Runde" = ‘κόνδυλος, die geballte Hand’ (Sch.), ‘ὄλυνθος, wilde Feige’ (Nik.). Sonstige Ableitungen: γογγυλίς (Kom. usw.), γογγύλη (Str., Dsk. usw.) ‘Rübe’, auch ‘rundes (kompaktes) Brot’ (Ar.), γογγυλίδιον ‘Pille’ (Mediz.); γογγυλώδης ‘rundlich’ (Sch.); Denominativum γογγύλλω ‘runden’ (Porson Ar. Th. 56 für metrisch unmögliches γογγυλίζω nach γογγύλ<λ>ειν· συστρέφειν H.); γογγυλεύματα· στρογγυλεύματα H. von *γογγυλεύω (falls nicht mit Schmidt nach der Buchstabenfolge -λώματα, dir. von γογγύλος). — Für sich steht, als Imitation der Tragikersprache, γογγυλά̄της Bed. unsicher, etwa ‘Feuerballschleuderer’?, Bez. d. Zeus (Lyk.). — Neben γογγύλος, wie στρογγύλος ‘rund’ (vgl. auch ἀγκύλος, καμπύλος) gebildet, steht γόγγρος ‘Meeraal’ (s. d.), eig. "der Runde, Massige", Substantivierung von *γογγρός ‘rund’, vgl. Αἰσχύλος : αἰσχρός; dazu noch das individualisierende γόγγων· μωρός H.; zur Bedeutung vgl. lat. pinguis, crassus. — Der in γογγύ-λος verbaute u-Stamm kann eine genaue Entsprechung haben in awno. kǫkkr ‘Klumpen’, urg. *kanku-z, idg. *gongu-s (Solmsen Wortf. 219 nach Zupitza). Solmsen zieht ferner heran γιγγίς, γιγγίδιον Benennungen von Rübenarten (s. dd.) aus *γεγγίς unter Annahme eines gewiß möglichen Übergangs ε > ι vor Nasal (vgl. Schwyzer 275), mit Assimilation an das folgende ι. In Betracht kommt dann auch lat. gingīvae ‘Zahnfleisch’ (vgl. W.-Hofmann s. v.), wozu noch mit Schwundstufe lit. gungulỹs ‘Ball’ usw. (vgl. γογγύλος, Specht KZ 55, 20f.; an Urverwandtschaft ist indessen kaum zu denken). Wir erhalten somit eine tadellose idg. Reihe geng-, gong-, gn̥g- in nominaler Funktion (‘Klumpen, Ball’ od. ä.), deren Wert allerdings durch den expressiven und lautsymbolischen Charakter der betreffenden Wörter einigermaßen beeinträchtigt wird. I-318-319

γόδα · ἔντερα. Μακεδόνες H. — Gewöhnlich zu aind. gudá- n. ‘Darm’, ndd. küt ‘ds.’ gezogen (WP. 1, 559, Pok. 393 mit buntem Vergleichsmaterial). Anders Latte z. St.: für γόλα zu χολάς, χόλιξ. I-319

γοδᾶν - γοδόν· γόητα H. · κλαίειν. Κύπριοι. — S. αὐδή; abweichend Latte z. St. I-319

γοεδνός, γοερός usw. s. γοάω. I-319

γοῖτα · οἶς H. — Mit Fick BB 29, 200 als ὗς zu lesen aus γοῖ γοῖ (als Vokativ) vom Grunzen des Schweins (AP 11, 327). — Verfehlt Gray AmJPh 62, 89ff. — Vgl. γοτάν· ὗν. Μακεδόνες H. I-319

γολοινά · χλωρά. ἢ γολονά H. — Nach Grošelj Slavistična Revija 4, 263f. zu aksl. zelenъ ‘grün’ usw. (s. χλόη). Latte hält, nicht ohne Grund, sowohl diese Glossen wie das folgende γολομένη· βοτάνη für korrupt. I-319

γολύριον · κέλυφος. οἰκεῖον Ταραντίνοις H. — Für *ϝολύριον zu εἰλύω ‘umhüllen’, s. d. — Nach v. Blumenthal Glotta 18, 146f. messapisch, vgl. βύριον. I-319

γόμος · ζωμός H. — Latte z. St. ändert die Erklärung in θωμός; v. Blumenthal Hesychst. 15 A. 1 neigt dazu, γόμος als messapisches (bzw. hylleisches oder makedonisches) Komödienwort zu χέω (aus *ĝh(o)u-mos) zu ziehen. — Beides hypothetisch. I-319

γόμφος m. ‘(hölzerner) Pflock, Nagel’ (seit Od.), auch als Fischname (Gloss.; nach der Gestalt, Strömberg Fischnamen 36), ‘Zahn’ (H.). Davon γομφίος (ὀδών) ‘Backenzahn’ (ion. att.), γομφίτης ‘Art Styrax’ (Aët. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 70), γομφάριον Fischname (Sch.; vgl. γόμφος). — Denominative Verba. Von γόμφος: γομφόομαι, -όω ‘mit Pflöcken befestigt werden bzw. befestigen, bes. von Schiffen’ (A., Ar. usw.) mit γόμφωσις (Gal., Sch. u. a.), γόμφωμα ‘Gefüge, Pflock’ (Plu., Longus u. a.; auch direkt auf γόμφος beziehbar); γομφωτήρ ‘Schiffbauer’ (AP; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 137), γομφωτήριον ‘Zapfen’ (Delos IIIa usw.); γομφωτικὴ τέχνη ‘Schiffbau’ (Pl.). — Von γομφίος : γομφιάζω ‘Zahnschmerzen haben, mit den Zähnen knirschen’ (LXX) mit γομφιασμός (LXX) und γομφίασις (Dsk.). — Altes Erbwort für ‘Zahn’, wohl ursprünglich ‘Reißzahn’ (vgl. unten), das in mehreren Sprachen bewahrt ist: aind. jámbha-, alb. dhëmb, aksl. zǫbъ, lett. zùobs, toch. A kam, B keme; dazu noch κόμβους· ὀδόντας γομφίους H.; nach Krahe IF 60, 297 illyrisch. In übertragener Bed. germ., z. B. ahd. kamb ‘Kamm’ (Kollektivum; nicht = ‘bezähnt’, was morphologisch unzulässig wäre), und lit. žam̃bas ‘Balkenkante, scharfe Kante’. — Wegen der abweichenden Bedeutung wird γόμφος, wenigstens im Sinn von ‘Pflock, Nagel’, bisweilen von den übrigen angeführten Wörtern getrennt und dafür zu lit. gémbė ‘Nagel zum Aufhängen, Knagge’ gezogen, s. WP. 1, 576. Die Bedeutungsverschiebung läßt sich aber unschwer aus dem Gebrauch der Reißzähne als Pflöcke erklären, s. Porzig Gliederung 184f. — Seiner Bildung nach erweist sich idg. *ĝombhos als Verbalnomen; zugehörige Verbformen liegen vor im aind. Aor. jambhiṣat ‘nach etw. schnappen’, mit dem Intensivum jañjabhyáte ‘ds.’, wozu das Iterativum jambháyati ‘zermalmen’; ferner lit. žembiù, žem̃bti ‘(zer)schneiden’, aksl. zębǫ ‘zerreißen’; vgl. Specht Ursprung 86f., weitere Lit. bei Vasmer Russ. et. Wb. s. zub (S. 462f.). I-319-320

γονή γόνος m. f., ‘Erzeugung, Nachkommenschaft, Geschlecht, Same’ (seit Il., vorw. poet. und technisch, vgl. unten). Davon γόνιμος ‘zeugungskräftig, lebensfähig’ (ion. att.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 54 und 58f.) mit γονιμότης ‘Zeugungs-, Lebenskraft’ (Theol. Ar. u. a.) und γονιμώδης (Orph.); γονικός (Arist.), γονόεις (Nik.), γονώδης (Hp.); γονίας χειμών ‘Sturm, der das Geschlecht heimsucht’ (A. Ch. 1067; nach den Windnamen auf -ίας, s. Chantraine Formation 95); γονάδες· μητέρες. Λάκωνες H. Als 2. Glied von Kompp. erscheint -γονος 1. in Ableitungen von Verbalkpp. von γίγνεσθαι, 2. in Bahuvrihi wie δίγονος, θεόγονος, 3. in Nom. agentis wie παιδογόνος. — γονεύς ‘Vater, Ahn’, gew. γονεῖς m. pl. ‘Eltern’ (h. Cer., Hes. usw.), nach τοκεῖς, τοκεύς, s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 28. Davon γονεύω ‘erzeugen’ (Thphr. usw.) und γονεία (Hdn.). — Durch Kreuzung von γον- und γεν- entstanden die spärlich belegten γόνημα = γένημα (Pap.), γονεά = γενεά (Phaistos), γονᾷ· γεννᾷ H. — Als altes Verbalnomen zu γίγνομαι ist γόνος mit aind. jána- m. (= aw. -zana-) ‘Geschlecht, Leute’, auch ‘Mensch’ identisch. Daneben γονή wie σπορά neben σπόρος usw. Die stärkere Tendenz zur konkreten Spezialisierung, die die Barytona auf -ος (als die im ganzen ältere Schicht) im Vergleich zu den Oxytona auf -ή kennzeichnet (Bolelli Studitfilcl N.S. 24, 91ff., Chantraine Formation 20f.), läßt sich bei γόνος nur insofern verspüren, als es poetisch auch im Sinn von ‘Sohn’ (als Fem. ‘Tochter’ E. IA 793) gebraucht wird. Vgl. noch Porzig Satzinhalte 251. S. auch γίγνομαι und γένος. I-320-321

γόνυ, Gen. (*γόνϝ-ατος >) γόνατος, ep. ion. γούνατος, ep. auch γουνός (aus *γονϝ-ός), pl. γόνατα, γούνατα, ep. auch γοῦνα ‘Knie’ (seit Il.), auch ‘Glieder, Knoten an den Halmen’ (Hdt., X., Thphr.; vgl. Strömberg Theophrastea 101). Davon γονατώδης ‘mit Knoten versehen’ (Thphr. u. a.) und mehrere Denominativa: γουνάζομαι ‘jmds. Kniee umfassen’ (ep. seit Il.) mit γούνασμα (Lyk.) und γουνασμός (Eust.), auch γουνόομαι (nur Präsensstamm) ‘ds.’ (zur Bildung Fraenkel REIE 2, 34ff. und Schwyzer 734: zu [λάβε] γούνων; aus der Ritualsprache, Shipp Studies 40); γονατόομαι ‘Knoten erhalten’ (Thphr.), γονατίζω ‘die Kniee beugen usw.’ (Kratin., Aq. u. a.). — Zu γνύξ und γωνία s. bes. — Altes Erbwort für ‘Knie’, das in mehreren Sprachen bewahrt ist. Nur im Ablaut des Stammvokals weichen davon ab heth. genu, lat. genū (idg. ), aind. jā́nu, mpers. zānūk (idg. , auch möglich); dagegen mit idg. wie γόνυ aber im Auslaut modifiziert toch. A kanw-eṃ, B kenīne ‘die beiden Kniee’ (du.), arm. cun-r (auch idg. an sich möglich), pl. (eig. du.?) cun-g-k‘ (aus ĝō̆nu̯- ?); mit Schwundstufe der Anfangssilbe z. B. aw. žnu-byas-čit_ (Dat. pl.; vgl. γνύ-ξ); ebenso, aber mit gleichzeitiger Hochstufe des Stammendes und Hinzufügung eines thematischen Vokals germ., z. B. got. kniu (urg. *kneu̯-a-, idg. *ĝneu̯-o-, vgl. zu δρῦς; zu den germ. Formen noch Smith Lang. 14, 95ff.). Weitere Einzelheiten zur Stammbildung und Flexion Schwyzer 520. — Anknüpfung an γένυς (s. d.) unter Annahme einer "Grundbedeutung" ‘Winkel, Krümmung’ bleibt gänzlich unsicher; daß γίγνομαι ein Denominativum von γόνυ wäre (Lit. bei W.-Hofmann s. genū, außerdem z. B. Onians The origins of European thought 174ff.), ist schon aus morphologischen Gründen ausgeschlossen; zur Bedeutung vgl. Benveniste BSL 27, 51ff. — Über den hom. Ausdruck θεῶν ἐν γούνασι κεῖται Schwyzer ’Αντίδωρον 283ff. — Vgl. ἰγνύη und γουνός. I-321

γόος s. γοάω. I-321

γοργός ‘furchtbar, schrecklich’ vom Blick oder Anblick (A., E., X. usw.), später auch ‘kräftig, lebhaft, behende’ (auch als Stilbegriff). Davon γοργότης ‘Kraft, Lebhaftigkeit’ (Hermog. u. a.), γοργία = agilitas (Gloss.) und die Denominativa γοργόομαι ‘unbändig sein’, vom Pferde (X.), γοργεύω ‘sich lebhaft benehmen, sich emsig bemühen’ (Pap., Sm., H.). — Schon bei Homer Γοργώ, -οῦς f. N. eines weiblichen Ungetüms mit versteinerndem Blick, wovon Γοργ-είη κεφαλή (Hom.; zur Bildung Schulze Q. 254 m. A. 4); pl. gew. Γοργόνες (seit Hes.), wozu neue Singularformen Γοργόνα (Akk.) usw. (E.); davon Γοργόνειος (A. Pr. 793 usw.), Γοργόνη (Hdn.), Γοργονώδης (Sch.) und die Pflanzennamen Γοργόνειον und Γοργονιάς (Ps.-Dsk. u. a.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 101). — Nach den Fem. auf -άς, -ίς: Γοργάδες (S. Fr. 163), von H. mit ἁλιάδες erklärt; daneben Γοργίδες· αἱΩκεανίδες H. — PN Γοργυθίων Θ 302 (Bildung unklar) und Γοργίας mit Γοργίειος ‘Gorgias-ähnlich’ (X. u. a.) und γοργιάζω ‘wie G. reden’ (Philostr.). — Unbefriedigende Erklärungen bei Osthoff Etym. parerga 1, 44ff. (air. garg(g) ‘rauh, wild’, aksl. groza ‘Graus, Schauder’) und Pedersen KZ 39, 379 (arm. karcr ‘hart’). Nach Leumann Hom. Wörter 154f., wo weitere Einzelheiten, vielmehr Rückbildung aus γοργώψ (γοργῶπις), γοργωπός (A. usw.); somit wäre von Γοργὡ auszugehen, das jedenfalls ebenso wie Μορμώ den Eindruck einer volkstümlichen Reduplikationsbildung macht. I-321-322

γοργυρα Hdt. 3, 145, γεργυρα Alkm. 132 (Akz. unsicher) f. ‘unterirdischer Abzugskanal’, auch als Gefängnis gebraucht (EM, H.), nach H. s. ἀρδάλια auch ‘Unterlage der Dachziegel’. Davon γοργύριον (Sparta). — Unerklärte Reduplikationsbildung; zum Wechsel ο : ε in der Anfangssilbe (ο aus ε assimiliert?) Schwyzer 255 m. Lit. Im selben Sinn steht κορχυρέα (Kork. IIa). I-322

γουνός m. Bed. nicht ganz sicher, wahrscheinlich mit EM und Orion = ὑψηλὸς τόπος, ‘Bühl, Hügel’ (ep. ion.). — Wenn der thessal. ON Γόννος (Γόννοι, Γοννοῦσσα) damit identisch ist (Fick BB 23, 21 und 34), war *γονϝος die ursprüngliche Form, die seit alters (EM) als eine thematische Erweiterung von γόνυ betrachtet worden ist. Von Γόννος, *Γοῦνος wahrscheinlich als eponymer Name Γουνεύς Β 748, s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 111f. — Die lautliche Ähnlichkeit zwischen γουνὸς (ἀλωῆς) und russ. gumnó ‘Tenne’ (Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 4, 359f.) muß zufällig sein, s. über das slav. Wort Vasmer Russ. et. Wb. s. v. I-322

γοῦρος m. Art Kuchen (Sol. 38, 3). Vgl. γῦρις, γυρίνη. I-322

γουττᾶτον n. ‘Art Kuchen’ (Chrysipp. Tyan. ap. Ath. 14, 647c). — Aus lat. guttātus, -um (seit Martialis) ‘getüpfelt, gesprenkelt’ (von gutta ‘Tropfen’). I-322

γράαι f. pl. N. eines Wassertiers (Peripl. M. Rubr. 38). — Indisches Wort, vgl. aind. gráha- auch ‘Krokodil’, grāhá- ‘Krokodil, Alligator, Schlange usw.’. Näheres bei Goossens Le Muséon 59, 621ff. I-323

γράβαν · σκαφίον, βόθρον H. Ngr. (Lakonien usw.) γράβα = τρώγλη, ‘Höhle, Loch’, oft in ON, vgl. Georgakas ByzZ 41, 360f., Rohlfs WB 461. — Wohl mit Kretschmer Arch. slav. Phil. 27, 234 (nach Loewe) aus dem Germ., got. ahd. graba ‘Graben, Grabscheit’. Man könnte auch an illyr. Ursprung denken, vgl. zu γράβιον. I-323

γράβιον n. ‘Holz einer Eichenart, Fackel’ (Stratt., Amerias, wohl auch S. Fr. 177 [cod. γραφίοις]). — Aus einem illyr. Wort für ‘Weißbuche, Eiche’, *grabu, das in umbr.-illyr. Grabovius ‘Eichengott’, Beiname des Iupiter enthalten ist und noch im Neugriech. lebt: γράβος (Epirus), γάβρος (Arkadien). Hierher auch als urverwandt das slav. Wort für ‘Hagebuche’, russ. grab usw., ebenso wie apreuß. wosi-grabis ‘Spindelbaum’. Lit. bei Vasmer Russ. et. Wb. s. v., außerdem Specht KZ 66, 58, Ursprung 63, Georgakas ByzZ 41, 361f., Porzig Gliederung 148. I-323

γραῖα, γρᾱΐς s. γραῦς. I-323

Γραικός Volksname, "Grieche" (Marm. Par. IIIa, Arist. Mete. 352 b 2, hell.), Γραική = Oropia (NO.-Attika). Davon Γραικίτης ‘griechisch’ (Lyk., St. Byz.; Redard Les noms grecs en -της 123), γραικίζω ‘griechisch sprechen’ (Hdn.) mit γραικιστί (EM). — Dieser Name, ursprünglich den epirotischen Doriern von ihren illyrischen Nachbarn beigelegt, wurde von den Italern übernommen und von ihnen auf sämtliche Hellenen übertragen. Der Gebrauch des Wortes in der hellenistischen Lit. geht teilweise auf lat. Graeci zurück. — Ohne k-Suffix erscheint der Name in lat. Graius, messap. graias, grahis. Zugrunde liegt der epirotische Volksname Γρᾶες, dessen Ursprung unbekannt ist. — Einzelheiten bei Schwyzer S. 80 Nr. 4 und 497 A. 7 m. weiterer Lit., außerdem Jacobsohn KZ 55, 37, Kretschmer Glotta 30, 156f. — Γραῖκες = αἱ τῶνΕλλήνων μητέρες (Alkm. 134) ist Umbildung von γραῦς nach γυναῖκες. I-323

γράπιςὁ ἐρρυτιδωμένος, gerunzelt, runzelig’ (EM), ‘abgestreifte Haut einer Schlange usw.’ (H.), auch S. Ichn. 177 in unbekannter Bed. Nach H. auch N. eines Vogels. Daneben γράπτης ‘runzelig’ (Eust.) und γραπίνης· οἶνος τραχύς H., EM; vgl. γραιόομαι ‘alt werden’, vom Wein. — Volkstümliches Wort unklarer Bildung, letzten Endes zu γραῦς, γῆρας usw.; vgl. besonders γῆρας = ‘abgezogene Schlangenhaut’. I-323

γράσος m. ‘Bocksgeruch’ (Kom., Arist. usw.). Davon γράσων ‘wie ein Bock riechend’ (M. Ant. u. a.; vgl. z. B. γνάθων von γνάθος und Leumann Sprache 1, 207 A. 13) mit γρασωνία = γράσος (Archig. Med.). — γράσος steht metonymisch für ‘Bock’ = "Nager, Näscher", von γράω, s. d. Zum σο-Suffix s., außer Chantraine Formation 433ff. und Schwyzer 516, bes. Solmsen Wortforschung 232f. I-324

γραῦς, Gen. γρᾱός (Einzelheiten der Flexion bei Schwyzer 574), ep. ion. γρηΰς (zum Akz. s. unten), γρηῦς f. ‘alte Frau’ (seit Il.), auch übertr. von der runzeligen Haut auf der Milch (Ar., Arist.) und als N. einer Meerkrabbe (Artem., H., vgl. Strömberg Fischnamen 95; im selben Sinn γραῖα [Epich.]). Eine synonyme Erweiterung nach den Femininen auf -ιᾰ ist γραῖα (poet. seit Od., auch als Adj. = ‘alt’) für *γραῖϝα aus *γρᾱϝ-ιᾰ mit der Kollektivbildung γραιβία ἢ γραιτία (d. h. γραιϝίαπανήγυρις. Ταραντῖνοι H.; vgl. Scheller Oxytonierung 32. — Ebenso, nach den Oxytona auf -ίς, γρᾱΐς, -ίδος (Charito u. a.), dor. γραῦις (Kall.), mit dem gewöhnlichen Demin. γρᾱΐδιον, γρᾴδιον (Ar. usw., verächtlich). — Von γραῦς : γραώδης ‘nach alter Weiber Art’ (Chrysipp., Str., NT usw.), von γραῖα : γραιολέας· πονηρὰς ἢ ὀλεθρίας γραίας H., nach den Adj. auf -όλης (die Übersetzung ὀλεθρίας ist Volksetymologie). — Denominative Verba. Von γραῦς : γραΐζω ‘die γραῦς von der Milch entfernen, abschäumen’ (Ar.); von γραῖα : γραιόομαι ‘alt werden’, vom Wein (AP). — Alte, eigenartige und nicht sicher erklärte Ableitung der Sippe γέρων, γέρας usw. Nach Schulze Q. 448, dem sich Schwyzer 480 anschließt, aus *γρᾱ-ι̯υ-, d. h. der einsilbigen langvokalischen Ablautstufe γρᾱ- (neben γερᾰ- in γέρα-ς usw.) und einem Suffix-ι̯υ- wie in ὑύς ‘Sohn’ (pl. υἷες usw.). Wie ὑ(ι)ύς, eig. "die Geburt", wäre somit das Oppositum γρηΰς (als altes Oxytonon; anders Berger, s. unten) eigentlich eine abstrakte Primärbildung "das Altern"; vgl. noch zu τηΰσιος. Andere, z. B. Brugmann IF 9, 372 (vgl. noch 18, 429f., 29,209), sehen in dem -υ- eine alte Erweiterung, die auch in aw. zaurvan- ‘Greisenalter’ vorliegt und ebenso in arm. cer-oyt‘ ‘Alter’ (von cer ‘Greis’), aind. Járūtha- N. eines Dämons u. a. gesucht worden ist, vgl. Wackernagel-Debrunner Aind. Gramm. II : 2, 499 m. Lit. (dagegen γέρυς wahrscheinlich nach πρέσβυς, vgl. zu γέρων; sehr unsicher toch. kur ‘schwach werden, altern’, Duchesne-Guillemin BSL 41, 146). — S. noch Berger Münch. Stud. z. Sprachwiss. 3, 5f., wo auch Lit.; außerdem H. Petersson Et. Miszellen 16. — Vgl. γέρων, γέρας, γῆρας, auch γράπις. I-324

γράφω, Aor. γράψαι ‘einritzen, schreiben’ (seit Il. [Aor.]), auch γρόφω (Melos; vgl. unten). Oft mit Präfix: ἀνα-, ἐπι-, συν- usw. Zahlreiche Ableitungen. Nomina actionis: 1. γραπτύες f. pl. ‘Kratzer’ (ω 229), ‘Schreibzeichen’ (A. R. 4, 279), vgl. Porzig Satzinhalte 183. 2. γραφή ‘Ritzung, Gemälde, Schrift usw.’ (ion. att.; γροφά epid.) mit γραφικός (ion. att.; auch auf γράφω bezüglich). 3. γράφεα n. pl. = γράμματα (arkad., el.). 4. γράφημα = γράμμα (AB). 5. γραμμή ‘Linie, Start- und Ziellinie usw.’ (Pi., Pl. usw.) mit γραμμικός ‘linear, geometrisch’ (Gal., Plu. usw.), γραμμιαῖος ‘ds.’ (Dam.), γραμμώδης (Thphr.); davon auch γραμμιστήρ N. eines chirurg. Instruments (Mediz., vgl. βραχιον-ιστήρ) und γραμμιστός (Eust.; γραμμίζω nur als unsichere Lesung Eust. 633, 63). 6. γράμμα, gew. pl. -ατα ‘Linie’, gew. ‘Schreibzeichen, Schreiben, Brief, Gesetz usw.’ (ion. att.); daneben γράσσμα (ark.; aus *γράφ-σμα), γράθματα (arg.) und γρόππατα (äol., Balbilla); zum Lautlichen Schwyzer 317 Zus. 1 und 523f. m. Lit., außerdem Specht KZ 62, 213 A. 1 (nicht besser) und Fraenkel Philol. 97, 163f. — Zur Bed. des Kompositums διάγραμμα (von διαγράφω) Bikerman Rev. de phil. 64, 295ff. — Von γράμμα, -ατα gehen mehrere Bildungen aus: Demin. γραμμάτιον (Luk.), γραμμάριον ‘Gewicht von 2 Obolen’ (Aët., von γράμμα als Bez. eines Gewichts); γραμματεύς ‘Schreiber, Sekretär’ (att. usw.) mit γραμματεύω ‘Sekretär sein’ und γραμματεῖον ‘Schreibtafel usw.’, Dem. γραμματ(ε)ίδιον (att. usw.); von γραμματεύω γραμματεία ‘Sekretariat’ (Pap., Plu. u. a.); Einzelheiten bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 55f.; — γραμματικός ‘zu γράμμα(τα) gehörig, Grammatiker, Philologe’ (att. usw.) mit γραμματικεύομαι ‘Grammatiker sein’ (AP); f. γραμματική (τέχνη) ‘Grammatik usw.’; γραμματιστής ‘Sekretär’, gew. ‘Elementarlehrer’ (ion. att.), eher von γράμμα nach den zahlreichen Nomina auf -ιστής als von dem seltenen γραμματίζω (Herod., messen. böot. usw.); dazu γραμματιστική ‘Elementarunterricht’ (Phld., Ph. usw.). — 7. γραμμός ‘das Schreiben’ (als Handlung, Hdn.). — Nomina agentis (instrumenti) : 1. γραφεύς, dor. ark. auch γροφεύς ‘Maler, Schreiber’ (Emp., att., hell.; zunächst von γραφή; zu δια-, ἐπι-γραφεύς usw. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 39f.) mit γραφεῖον ‘Pinsel, Griffel, Schreibstube’ (Arist., Pap. u. a.). 2. γραπτήρ ‘Schreiber’ (AP), woneben durch Kreuzung γραπτεύς (Sch.). 3. γραφίς ‘Griffel’ (Pl., LXX, AP u. a.; γροφίς epid.); im Sinn von ‘Stickarbeit, Gemälde’ (AP, Nonn.) von γραφή. 4. γραφίσκος N. eines mediz. Instruments (Cels.). 5. Viele Kompp. mit -γράφος als 2. Glied. — Als 2. Glied -γραφος in pass. Bedeutung (ἄγραφος usw.). — Desideratives Deverbativum γραψείω (Gloss.). — Der im Paradigma von γράφω vorauszusetzende ursprüngliche Ablaut ist schon in vorliterarischer Zeit, wahrscheinlich vom Aorist aus (anders Specht KZ 59, 103), zugunsten der Schwundstufe abgeschafft worden; auch die Ableitungen wurden von diesem Ausgleich betroffen. Nur die hauptsächlich auf dor. Gebiet beschränkten γροφά, -ίς, -εύς, -εύω, σύγγροφος, ἀντίγροφον usw., wonach auch das Präsens γρόφω, zeigen einen abweichenden ο-Vokalismus, der wie in στροφή usw. eine alte Hochstufe, allerdings mit Metathese nach γράφω (vgl. unten), enthalten kann, s. Bechtel Dial. 2, 116. — Ein Gegenstück zu γράφω mit ursprünglicher Hochstufe, idg. gerbh-, bietet das germ. primäre Verb ags. ceorfan ‘schneiden, kerben’, woneben mhd. kerben (schw. Vb.); ein Verbalnomen davon ist im Slavischen, z. B. aksl. žrěbii ‘Los’ (eig. *‘Kerbung, gekerbtes Stäbchen’?) vermutet worden. Näheres bei Vasmer s. žérebeĭ m. Lit.; entferntere Verwandte, die für das Griechische ohne Belang sind, bei WP. 1, 607f., Pok. 392. S. auch γριφᾶσθαι. I-325-326

γραψαῖος = κάραβος, ‘stacheliger Meerkrebs’ (Diph. Siph. ap. Ath. 3, 106d). — Herkunft unbekannt, vielleicht Mittelmeerwort. Die allgemeine Ähnlichkeit mit ital. (g)ravosta, nhd. Krebs, Krabbe und anderen germ. Wörtern ebenso wie mit κάραβος (s. d.) läßt keine Schlüsse zu. I-326

γράω ‘nagen, fressen’ (Kall. Fr. 200), athem. Ipv. γράσθι (kypr.), γρᾶ· φάγε. Κύπριοι H., präfigiert καγρᾶ· καταφαγᾶς. Σαλαμίνιοι H. (dazu Bechtel Dial. 1, 421 und 446). Nebenform γραίνειν· ἐσθίειν H. (nach den Verba auf -αίνειν). Davon γράστις f. ‘Grünfutter’ (Pap., Hippiatr.); die gewöhnliche Nebenform κράστις (Ar., Arist., Pap. usw.), durch die Seltenheit von γράω bedingt, muß auf volksetymologischer Verbindung mit einem anderen Wort beruhen; gegen die Annahme einer Assimilation an das folgende τ (s. Schwyzer 257) mit Recht Güntert Reimwortbildungen 155f., der allerdings wenig wahrscheinlich (wie auch Sommer Krit. Erläuterungen 60) κράστις als die ursprüngliche Form ansieht. Von γράστις : γραστίζω ‘füttern’ (Gp., Hippiatr.) mit γραστισμός (Hippiatr.); κραστίζομαι ‘weiden’ (Sophr.). — Daneben γράσσις (PHamb. 39 II, IIp) nach den Nomina auf -σις. — Zu γράσος s. bes. Hierher auch γαστήρ und γάγγραινα, wahrscheinlich auch γρῶνος, s. dd. Altes volkstümliches Wort, das mit aind. grásate ‘fressen, verschlingen’ identisch sein kann (für γράω ist auch eine idg. Grundform *gr̥s- möglich, für grásate auch *gresetai). Aus dem Germanischen gehört wahrscheinlich hierher anord. krās f. ‘Leckerbissen’, idg. *grēs-; unsicher dagegen lat. grāmen, s. W.-Hofmann s. v., wo auch weitere Lit. Ein anderer Ablaut auch in γρῶνος, s. d. I-326

γρηγορέω s. ἐγείρω. I-326

γρῆνος m. ‘Netz, netzartiges Kleid der Bacchanten’ (Eratosth.) — = ἀγρηνόν (H., Poll.), das die ursprüngliche Form sein muß (von ἄγρα, ἀγρέω; zum Suffix vgl. σαγήνη). Zum Wegfall des ἀ- s. Strömberg Wortstudien 45. I-327

γρίντης m. ‘Gerber’ (Hdn., H.). — Von γρῖνος, d. h. ϝρῖνος· δέρμα H., EM, nach Eust. äol. Auch γρίντης muß somit eine Schreibtischform für ϝρίντης sein. I-327

γρῖπος ‘Reuse’ (AP, Artem., D. L.) = γρῖφος m. (Plu., Opp., Pap.), das gewöhnlich übertragen = ‘Rätsel’ steht (Ar., Antiph., Demetr. usw.; vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 20), sekundär als Adj. ‘dunkel’ (Hdn. u. a.); m. davon γριφότης ‘Dunkelheit’ (Hdn.). — Von γρῖπος : γριπεύς ‘Reusenfischer’ (Sapph., Theok. u. a.) mit γριπεύω (Zonar.) und γριπηΐς (τέχνη, AP); γρίπων ‘ds.’ (AP); Denominativa γριπέω (Syrien), γριπίζω (Lib., H. u. a.) mit γρίπισμα (EM, Zonar.). — Von γρῖφος : γριφώδης ‘rätselhaft’ (Luk., Ath.), γριφεύω ‘gebe Rätsel auf’ (Ath.). — Zu γρῖπος, γρῖφος gibt es keine genauen Entsprechungen oder nähere Verwandte. Eine allgemeine Ähnlichkeit zeigen einige germanische Wörter, mhd. krëbe m. ‘Korb’, anord. kiarf, kerfi n. ‘Bündel, Bund’, die aber einen -Vokal enthalten, außerdem aind. grapsa- ‘Bündel, Büschel’. Versuche, mit dem griech. ῑ zurechtzukommen bei Pok. 387, WP. 1, 595 (nach Lidén Stud. 9ff.). Kühne Kombinationen bei Specht Ursprung 159. — Vgl. auch γέρρον. I-327

γρίσων, -ωνος m. ‘Schwein’ (Hdn. Gr. 2, 249, H.). — Onomatopoetisch, v. γρῦλος s. γρῦ, auch γρομφάς. I-327

γριφᾶσθαι · γράφειν, οἱ δὲ ξύειν καὶ ἀμύσσειν. Λάκωνες H.; γριφώμενα (ἀλγήματα Hp. Prorrh. 1, 100, Erot., H.). — Intensivbildung, mit γράφω verwandt, aber im Vokalismus nach einem unbekannten Muster (σκαριφᾶσθαι und Verw.?, s. d.) umgeformt. Hierher wahrscheinlich ἀγρεῖφνα, ἀγρίφη ‘Egge, Harke’, s. dd. I-327

γρομφάς, -άδος (H.) γρόμφις, -ιος f. (Hippon., H.), γρόμφαινα f. f. ‘Sau’ (Gloss.). Daneben γρομφάζω ‘grunzen’ (Gloss.). — Expressive Wörter, deren lautsymbolischer Charakter auf der Hand liegt. Vgl. mit identischem Anlaut das synonyme γρύζω, mit identischem In- und Auslaut στομφάζω ‘laut reden’. Die Nomina sind gewiß postverbal. — Nicht mit Goldberger Glotta 18, 60 zu γράφω. — Ob lat. scrōfa ‘Mutterschwein, Sau’ daraus entlehnt ist (s. W.-Hofmann s. v.), sei dahingestellt. I-327

γρόνθος m. ‘geballte Faust’ (PAmh. 2, 141, 10, IVp, Sch., Gloss.), ‘Handbreite’ (Aq., Hero), auch ‘Handgriff an einer Maschine’. Davon γρόνθων· ἀναφύσησις, ἢν πρώτην μανθάνουσιν αὐληταὶ καὶ κιθαρισταί (H., Poll.), wozu noch (mit Beziehung auf γρόνθος?) γρονθωνεύεται (cod. -θον-)· θυμοῦται H. — Die morphologische Mehrdeutigkeit von γρόνθος macht jede Erklärung hypothetisch. Eine allgemeine suffixale Ähnlichkeit zeigen mehrere andere Körperteilbenennungen wie στῆθος, μασθός, βρόχθος, κύσθος. Bei Abtrennung von θ wird über *γρόμ-θος Anschluß möglich an einige germanische Wörter, z. B. anord. krumma f. ‘Hand’, ahd. krimman ‘drücken, kratzen, kneifen’, weiterhin an lat. gremium ‘Scho?’ und noch einige Ausdrücke des Sammelns und Pressens. Direkte Anknüpfung an lit. grùmdau ‘von oben gewaltsam stoßend stopfen’ ist wegen der starken Produktivität der lit. Iterativ-Intensiva auf -dau sehr unwahrscheinlich (vgl. das primäre grumiù, grùmti ‘hineinpressen, -stopfen’). Auch slav. (russ. poln. usw.) gromáda ‘großer Haufen, Masse’ (daneben lit. grãmatas) ist gewiß eine slavische Neubildung auf -ada. — Reiche Lit. bei WP. 1, 591, W.-Hofmann s. gremium, Vasmer Russ. et. Wb. s. gromáda. I-327-328

γρόσφος m. Benennung eines Wurfspeers (Plb., Str., Plu.); οἱ γροσφομάχοι = lat. velites (Plb.). — Technisches LW unbekannter Herkunft. I-328

γρῦ, gewöhnlich mit Negation, Bez. einer geringen Größe oder eines geringen Maßes, oft von Lauten (Ar., D., Men. usw.); nach Sch. Ar. Pl. 17 vom Grunzlaut des Schweins, offenbar lautimitierend; nach H. auch = ὁ ὑπὸ τῷ ὄνυχι ῥύπος (im selben Sinne auch γρύξ nach den Nomina oder Adverbia auf -ξ) und = γρύτη; nach Suid. Ben. einer kleinen Münze. Davon mit verbalisierendem -ζω (Schwyzer 716; nicht aus *γρυδ- oder *γρυγ-) γρύζω, Aor. γρύξαι ‘grunzen’ (Ar. usw.) mit γρυσμός (Agathokl.); mit λ-Suffix γρῦλος, expressiv (hypokoristisch) geminiert γρύλλος ‘Ferkel (Ath., Plu., Zonar.), auch übertragen als Bez. des Aals (Diph. Siph., Nik.; wegen der Dicke und der Lautgebung, s. Strömberg Fischnamen 68f.); außerdem als PN Γρῦλος, -ων usw. (Bechtel Hist. Personennamen 581); das anscheinend davon abgeleitete γρῡλίζω (γρυλλίζω, von Phryn. verworfen) erscheint schon bei Ar. und D.; davon γρῡλισμός ‘das Grunzen’ (Arist.); auch γρύλλη· ὑῶν φωνή H. Die Zeitfolge der Belege läßt vermuten, daß γρῦλος ‘Ferkel’ (ebenso wie γρύλλη) postverbal ist und daß γρυλίζω eine expressive λ-Erweiterung enthält (nach θρῡλέω, -ίζω, θρῦλος?). — γογγρύζειν, γογγρύσαι (H.) sind durch Kreuzung mit γογγύζειν (s. d.) entstanden. — Das lautmalende γρύζω hat nahe Entsprechungen in lat. grunnio, grundio, ags. grun(n)ian, ahd. nhd. grunzen usw.; Näheres bei W.-Hofmann s. v. Aus dem Griechischen gehört noch hierher γρωνάδες· θήλειαι σύες und ngr. γουρούνι ‘Schwein’; s. Kretschmer Glotta 13, 135. — Über γρύλλος ‘Karikatur’ und γρυλλισμός Bez. eines Tanzes s. bes. I-328-329

γρύλλος m. ‘Karikatur’ (Plin. HN 35, 114); γρυλλο-γραφέω ‘karikieren’ (Phld.). — Auch Bez. eines unanständigen Tanzes (Phryn. PS p. 58 B.); im selben Sinn auch γρυλλισμός, wozu sekundär γρύλλος = ὁ ὀρχούμενος (ibid.). — Die Wörter werden von Phrynichos als "ägyptisch", d. h. hellenistisch bezeichnet, vgl. Latte Glotta 34, 190f., wo auch über die Bedeutung. Sonst dunkel; gegen Herleitung aus dem PN Γρύλλος (Plin.) Latte a. a. O. I-329

γρυμέα (codd. oft -αία), -εία f. ‘Kasten für alte Kleider, Trödelware usw.’ (Kom., Phld. usw.), γρυμεοπώλης (Luk.). In ähnlicher Bed. γρύτη f. ‘Schmuckkasten, Tand, Fischbrut’ (Sapph., Pap., Peripl. M. Rubr. u. a.); γρυτο-δόκη (AP), -πώλης (Kos, Pap.). Davon γρυτάριον Demin. (Zen., Pap.); γρυτεύεται· παρασκευάζεται H. — Die Bildung von γρυμέα, -αία, -εία hat kein näheres Gegenstück; zu γρύτη vgl. κίστη. Beziehung zu γρῦ als Ausdruck für ein kleines Maß scheint sicher. Seit Osthoff MU 4, 124 wird γρυμέα zu lat. grūmus ‘Erdhaufe, Hügel’, ags. cruma ‘Brot-krume’ usw. als "Zusammengekratztes" gezogen; weitere, noch unsichrere Kombinationen sind bei W.-Hofmann s. grūmus referiert. Ein Wort dieser Art und dieser Bedeutung bietet dem Etymologen ganz besondere Schwierigkeiten. — Aus γρυμέα wahrscheinlich lat. crumīna ‘Geldbeutelchen, Börse’; ausfuhrlich darüber Pfister IF 56, 200ff. Ebenso wird γρύτη als Quelle von lat. scrūta n. pl. ‘altes Ger?mpel, Trödelware’ betrachtet. I-329

γρυνόν = σίκυς ἄγριος (Ps.-Dsk. 4, 150). — Nicht sicher erklärt. Nach André Les ét. class. 24, 10 zu γρύσει = τήξει (Arist. Pr. 876b 15) wegen des flüssigen Inhalts. I-329

γρυνός γρουνός m. (Kall. Fr. anon. 84) m. ‘dürres Holz, Fackel’ (Hom. Fr. 18, Lyk. 86, 294). Vgl. noch γρύνη· λιβανωτός (Theognost. Kan. 108). Hierher auch der Stadtname Γρύνειον, Γρῦνοι (Äolis) nach Fick BB 23, 22 u. 213. — Ohne Etymologie. Hypothese von Prellwitz bei Bq s. v., WP. 1, 651, Pok. 406. I-329

γρῡπός ‘mit einer Habichtnase, krummnasig, gekrümmt’ (Pl., X., Arist. usw.). Davon γρυπότης (X., Arist. u. a.). Denominative Verba: γρυπόομαι ‘krumm werden, von den Nägeln’ (Hp., Alex. Aphr. u. a.) mit γρύπωσις (Mediz.); außerdem die bei H. und anderen Lexikographen belegten γρύπτω, γρυπαίνω und, mit Nasalinfigierung nach dem Typus λαμβάνω, γρυμπαίνειν· γρυποῦσθαι, συγκάμπτειν H. Ein thematischer Aorist ἔγρυπον (wie ἔκτυπον) ist literarisch belegt in der speziellen Bedeutung ‘gekrümmt werden, von der Erde bei einem Erdbeben’ (Melanth. Hist. 1); ebenso γᾶν ἐγρυμμέναν (Gortyn). In derselben Bedeutung auch das erweiterte γρυπανίζω (Antiph. Soph.) und γρυπάνιος (ebd.), wie von *γρύπανον; in anderer Bed. γρυπάλιον· γερόντιον. ἢ γρυπάνιον H. — Neben γρυπός steht, der Form nach als Wurzelnomen, der Vogelname γρύ̄ψ, -πός m. ‘Greif’ (Aristeas ap. Hdt., A. usw.); vgl. γύψ, σκώψ, γλαῦξ usw. Davon γρῦπαι· αἱ νεοσσιαὶ τῶν γυπῶν. οἱ δὲ γῦπαι H.; offenbar nach letzterem gebildet. — γρυβός· γρυψ H. ist nach den Tiernamen und Adjektiven auf -βος (Chantraine Formation 261) umgebildet. — Die allgemeine Ähnlichkeit mit ags. crumb, ahd. krumpkrumm’ usw., ist unverkennbar; die germ. Wörter lassen aber mehrere Deutungen zu, vgl. WP. 1, 596 und Kluge-Götze Et. Wb. d. deut. Spr. s. krumm. — Die Zusammenführung von γρυμέα, γρύτη, γρυπός unter ein gemeinsames idg. greu- ‘krümmen, gekrümmt, mit gekrümmten Fingern kratzen’ od. ähnl., das wiederum eine eu-Erweiterung von ger- ‘drehen, winden’ (vgl. s. γυργαθός) wäre (s. Pokorny 388f., WP. 1, 597f.), geht weit über das Beweisbare hinaus. — Nach Güntert Reimwortbildungen 132f. ist γρύψ von γύψ mit Angleichung an γρυπός umgebildet. Grimme Glotta 14, 17 nimmt ohne Grund Entlehnung aus dem Akkadischen (karūbu ‘Greif, Cherub’; vgl. hebr. kerūb und Lewy Fremdw. 11f.) unter hethitischer Vermittlung an. I-329-330

γρύτη s. γρυμέο. I-330

γρῶνος ‘hohl, ausgehöhlt, tief’ (Lyk., Nik.), γρώνη ‘Höhle, Loch, Backtrog’ (Nik., AP), γρώνους H. in verschiedenen Sonderbedeutungen. — Aus *γρωσ-νος zu γράω, s. d. I-330

γύαλον n. ‘Höhlung, Wölbung, z. B. eines Panzers, eines Fasses, eines Tals usw.’ (ep. lyr. seit Il.), urspr. auch ‘Höhlung der Hand’, vgl. ἐγγυαλίζω unten. Davon γυαλός Beiw. von λίθος (Kall. Fr. anon. 331), mit Akzentverschiebung γύαλος m. ‘würfelförmiger Stein’ (EM 243, 12); γυάλας Bez. eines Bechers (Megara und Makedonien, Ath. 11, 467 c; vgl. Solmsen Wortf. 216). Zusammenbildung ἐγ-γυαλ-ίζω ‘einhändigen’ (ep. lyr. seit Il.; vgl. Schwyzer 736). Davon unabhängig ἐγγύαλον (Orion) = ἔγκοιλον und nach diesem gebildet. — Mit anderem Suffixvokal γυέλιον· κόλπον H. — Zur Bildung vgl. ἀγκάλη, ὀμφαλός usw. (Chantraine Formation 245ff.). Die für ἐγγυαλίζω vorauszusetzende Bedeutung ‘Höhlung der Hand’ spricht für Zusammenhang mit lat. vola ‘ds.’, arm. kalum ‘nehmen, fassen’, die indessen beide formal mehrdeutig sind, s. W.-Hofmann s. v. Als nächste Grundlage wäre dann ein l-Stamm *g(u)u̯el-, *g(u)u̯l̥- ‘Höhlung (der Hand)’ anzusetzen. Ohne l-Suffix aw. gav- ‘Hand’ usw., s. ἐγγυάω. Über weitere, z. T. entlegene und unsichere Anknüpfungen s. γαυλός, γύης, γυρός, γωλεός. I-330-331

γυγαί · πάπποι H. (cod. πάμποι). — Falls richtig überliefert, als kleinasiatisches Wort zu heth. ḫuḫḫaš ‘Großvater’, hierogl.-heth. ḫuḫa-, lyk. χuga- ‘mütterl. Großvater (?)’. Grošelj Živa Ant. 1, 256, Whatmough Lang. 25, 288. — Brandenstein Sprachgesch. u. Wortbed. 65 zieht noch heran den lydischen Königsnamen Γύγης ebenso wie (sehr fraglich) den biblischen (angebl. skythischen) Volksnamen Magog. — Lat. avus, arm. hav ‘Großvater’ usw. (Sturtevant Lang. 4, 163, Pedersen Lykisch und Hittitisch 25f. u. a.) lassen sich lautlich mit γυγαί usw. nicht vereinigen. I-331

γύγης, -ου m. N. eines Wasservogels, viell. ‘Rohrdommel’ (Dionys. Av. 2, 16). — Wahrscheinlich onomatopoetisch nach dem Laute, vgl. Thompson Birds s. v. Nach Lidén Uppsalastudier tillegn. S. Bugge 92f. mit Vorbehalt zu lit. gùžas, -ùtis ‘Storch’, awno. kjūklingr ‘Küchlein’ usw. I-331

γύης, -ου m. 1. ‘Krummholz am Pflug’ (Hes. Op. 427, 436), ἄροτρον αὐτόγυον ‘Pflug, an dem Krummholz und Scharbaum aus einem Stück bestanden’ (Hes., A. R.); 2. gew. im Plur. ‘Ackerländer, Wiesen’ (Trag., Tab. Heracl., Pap.), auch als Maßbezeichnung in τετρά-γυος usw. (Hom. usw.); vereinzelt als Fem. überliefert, vgl. γύη· μέτρον πλέθρου H.; auch γύος m. (Pap.); 3. ‘das Gefüge der Halsknöchel’ (H., Poll.). — Wegen des maskulinen Genus ist für γύης schwerlich mit Solmsen Wortforsch. 216f. von einer abstrakten Bedeutung ‘Biegung’, sondern vielmehr von einer konkreten Bezeichnung eines krummen Gegenstandes auszugehen, woraus sich die verschiedenen Bedeutungen metaphorisch entwickelt haben. Letzten Endes liegt indessen wahrscheinlich ein Verbalabstraktum *γύη ‘Krümmung’ zugrunde (vgl. Schwyzer-Debrunner 33 A. 2, Specht Ursprung 357). Ob das η zur Wurzel gehört, ist schwer zu entscheiden; außerdem ist eine Grundform *γυ[σ]ᾱ- möglich, vgl. insbes., mit anderem Ablaut, npers. gōšā ‘Winkel, Ecke’. — Unklar ist die Bedeutung von ἀμφί-γυος ep. Beiwort von ἔγχος, δόρυ (Hom., A. R.; danach S. Tr. 504 [lyr.]); daraus metrisch erweitert ἀμφιγυήεις ep. Beiwort des Hephaistos ‘an beiden Seiten (Beinen) krumm’ (?). — Zur selben Sippe wie *γύη, γύης gehören die sinnverwandten γύαλον, γυῖα, γυρός usw. (s. dd.). Über die sehr unwahrscheinliche Heranziehung von lat. būra, būris ‘Krummholz am Pflug’ (zuletzt Pisani KZ 71, 123ff.) s. W.-Hofmann s. v. — Pelasgische Kombinationen bei v. Windekens Le Pélasgique (s. Index). I-331-332

γυῖα n. Pl. ‘Glieder’ (ion. poet. seit Il.), auch ‘Schoß’ (μητρὸς γ. h. Merc. 20); selten Sg. γυῖον = ‘Hand’ (Theok. 22, 121), ‘Körper’ (Pi., Hp.). Davon γυιόω ‘lähmen’ (ion. poet. seit Il.) mit dem postverbalen Adj. γυιός ‘gelähmt’ (Kall., Lyk. u. a.). — Ableitung auf -i̯o- von einem Nomen, das auch als Grundlage von γύης vermutet worden ist; die Ansetzung der Grundform hängt somit von der Beurteilung von γύης (s. d.) ab. I-332

γυλιός (γύλιος) m. ‘Tornister’ (Ar. usw.), auch N. eines Tieres, ‘Igel’?, ‘Stachelschwein’? (Sophr. 73). Daneben mit expressiver (volkstümlicher) Gemination γύλλιον· ἀγγεῖον πλεκτόν H. und die Fischnamen γυλλίσκοι· ἰχθύες ποιοί H., γυλάριον = μυξῖνος (Sch. Opp. H. 1, 111); auch γυλλάς· εἶδος ποτηρίου, παρὰ Μακεδόσιν H. mag hierhergehören. — Man vergleicht einige nur im Vokalismus (Ablaut) davon abweichende germ. Wörter wie awno. kýll ‘Sack, Tasche zum Aufbewahren von Mundvorrat’, ahd. kiulla ‘Tasche, Ranzen’, s. die Lit. bei WP. 1, 555 und W.-Hofmann s. vola. Weitere Verwandtschaft mit γύαλον usw. ist wahrscheinlich. I-332

γυλλός (Milet VI-Va), m. Bed. unsicher, ‘Steinblock’?, ‘Steinwürfel’?; nach H. κύβος, ἢ τετράγωνος λίθος; daneben γυλλοί· στολμοί H. (von Latte als korrupt angesehen). Davon γύλλινα· ἐρείσματα, γεῖσοι H.; dagegen γυλλάς· εἶδος ποτηρίου, παρὰ Μακεδόσιν, γύλλιον· ἀγγεῖον πλεκτόν H. wohl zu γυλιός, s. d. — Ohne Etymologie. Lewy KZ 55, 72f., der an hebr. gōlēl ‘Rollstein’ erinnert, erwägt semitische Herkunft. I-332

γυμνός ‘nackt, unbedeckt, unbewaffnet’ (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen. Substantiva und Adjektiva. 1. γυμνάς, -άδος f. m. ‘nackt’ (E.); oft postverbal zu γυμνάζομαι = ‘geübt’ (E., Attika); kollektiv = ‘geübte Mannschaft’ (Amorgos, Astypalaia, Kos). 2. γυμνής, -ῆτος m. ‘leichtbewaffneter Krieger zu Fuß’ (Tyrt., Hdt., E. usw.) mit γυμνητικός (X., Str., Plu.), γυμνήσιος (Arist., Str. u. a.) und γυμνητεύω ‘leichtbewaffnet sein’ (Plu.) , auch ‘nackt sein’ (1 Ep. Cor. 4, 11; durch Beziehung auf γυμνός), wozu γυμνητεία ‘leichtbewaffnete Mannschaft’ (Th.), ‘Nacktheit’ (Corn., Ptol.); — erweiterte Form γυμνήτης, f. -ῆτις ‘nackt’ (Lyk., Luk., Plu.). 3. γυμνικός (ἀγών) ‘gymnastisch’ im Gegensatz zu ἱππικός, μουσικός (Hdt., Th., Pl. usw.). 4. γυμνηλός ‘arm’ (H., EM, nach νοσηλός usw.). — Abstraktbildung γυμνότης f. (LXX, NT, Ph. usw.). — Denominative Verba. 1. γυμνόομαι ‘sich entblößen’ (seit Il.), -όω ‘ausziehen’ (Hdt., S.) mit γύμνωσις (Th., LXX usw.). 2. γυμνάζομαι ‘sich (nackt) üben’ (körperlich und geistig; ion. att.; -άζω ‘üben’ sehr selten) mit mehreren Ablegern: γυμναστής ‘Turnlehrer’ (Pl., X., Arist.) mit γυμναστικός ‘zur (Körper)übung gehörig’, ἡ γυμναστική (τέχνη) ‘Gymnastik’ (ion. att.); γύμνασμα ‘Übung’ (D. H., J., Ph. usw.), γύμνασις ‘ds.’ (Poll.); γυμνάσιον ‘körperliche Übung’ (Pi., ion. att., im Plur.), ‘Schule für körperliche und geistige Übungen, Gymnasium’ (att., hell.) mit γυμνασιώδης (Cic.); γυμνασία ‘(körperliche) Übung’ (att., hell.); zum Ausgang -σιον, -σία Schwyzer 469f. m. Lit. — Vereinzelt das Deminutivum γυμνασίδιον (Arr.) und γυμναστήριον (Gal., Aristaenet.), wie δικαστήριον. — 3. γυμνιεύω ‘entblößt, nackt sein’ (P. Ross. Georg. 3, 28, IVp). — Altererbtes Wort, das in mehreren indog. Sprachen bewahrt worden ist. Die wechselnden Formen beruhen teils auf lautlichen Vorgängen (Dissimilation), teils wahrscheinlich auch auf tabuistischen Verdrehungen. Im Westen (Lateinisch, Keltisch, Germanisch) finden wir Formen mit Dentalsuffix, z. B. lat. nūdus, air. nocht, got. nagaþs, nhd. nackt, awno. nøkkuiðr. Ihnen gegenüber stehen im Osten teils dehnstufige Formen ohne Suffix, z. B. lit. núogas, aksl. nagъ, teils Formen mit n-Suffix, aind. nagná-, aw. maγna- (Dissimilation?; weitere iran. Formen bei Bailey Trans. Phil. Soc. 1945, 6f.; s. auch Charpentier Acta or. 7, 188ff., wozu Morgenstierne ebd. 199), gr. γυμνός; die germ. n-Formen wie ano. nakinn, afries. naken können ihr Suffix von den n-Partizipien bezogen haben. Auch heth. nekumanza, das durch den e-Vokal von den übrigen Formen abweicht, kann nach den Adjektiven auf -u̯ant- (wofür -mant- nach u) neugebildet sein. Mit e-Vokal auch arm. merk, zunächst aus *megro- (vgl. aw. maγna-), aber in Einzelheiten dunkel; anders Benveniste Rev. ét. armén. 10, 187. — Das dem Griech. allein eigene γ- ist, wie m- im Iranischen und Armenischen, offenbar sekundär. Der υ-Vokal kann wie in νύξ ein Reflex des folgenden Labiovekars sein, die Lautgruppe -μν- dürfte idg. -gn- fortsetzen, vgl. ἀμνός (nach υ wäre allerdings -γν- zu erwarten). Neben γυμνός ist auch λυμνός überliefert (H.), das dissimilatorisch für *νυμνός stehen kann; zu bemerken noch ἀπολύγματος· ἀπογύμνωσις. Κύπριοι H. (trotz Bechtel Dial. 1, 445 schwerlich richtig; vgl. auch Latte z. St.). Eine befriedigende Erklärung des γ- in γυμνός ist noch nicht gefunden (eine Entwicklung *νυγνός > *μυγνός > γυμνός überzeugt nicht); vgl. Kretschmer Glotta 3, 335, Fick BB 6, 214, Bechtel Dial. 1, 445, Pisani Rend. Acc. Linc. 6 : 4, 345ff. Weitere Einzelheiten mit reicher Lit. bei W.-Hofmann s. nūdus. I-332-333

γυνή, γυναικός böot. βανά (Korinn.), Pl. βανῆκας· γυναῖκας H.; unsicher kypr. βονά (Kretschmer Glotta 5, 266, Schwyzer 275). f. ‘Weib, Frau’ (seit Il.), Zahlreiche Ableitungen und Komposita, fast alle von dem Stamm γυναικ(ο)- ausgehend und denen von ἀνήρ (ἀνδρο-) parallellaufend. Ausnahmen bilden nur γύννις, -ιδος m. ‘weibischer Mann’ (A., Ael. u. a.) mit hypokoristischer Gemination und Stammbildung und γύναιος in γύναια δῶρα (Od.), danach φυὴ γυναίη (Mosch. 2, 45); γύναιον n. ‘Frau’ (att., zärtlich und verächtlich, spät auch = γυνή), vgl. δείλαιος, μάταιος; nicht mit Schwyzer 583 vom Vokativ γύναι); ägäisch ku-na-ja?; außerdem γυναι-μανής (Γ 39 usw.) = γυναικο-μ. (Chrysipp. Stoik., Ph. usw.) nach παλαι-, ἰθαι- usw. — Vereinzelt belegte Deminutiva: γυναικάριον (Diokl. Kom., Epikt. u. a.), γυναίκιον (Longos), γυναικίσκιον· παιδίσκιον H. — γυναικίας m. ‘weibischer Mann’ (Eup. u. a.; wie νεανίας); γυναικωνῖτις ‘Frauengemach’ (Lys., Men. usw.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 110), selten γυναικών (X., wie ἀνδρών). — Adjektiva: γυναικήϊος, -εῖος (seit Od.; wie ἀνδρήϊος, -εῖος), γυναικικός (Arist. u. a.; wie ἀνδρικός rein gattungsbezeichnend), γυναικώδης (Plb. usw.: ἀνδρώδης), γυναικηρός (Diokl. Kom., Phryn.; nach πονηρός usw.). — Denominative Verba: γυναικίζω, -ομαι ‘sich weibisch benehmen’ (ion. att.) mit γυναίκισις (Ar., Lib.) und γυναικισμός (Plb. u. a.); γυναικόομαι, -όω ‘weibisch sein bzw. machen’ (Hp., Ph.). — Über die Stammbildung von γυνή als Hinterglied (ἄ- ἀνδρό- κατά- μισό- φιλόγυνος, ἀ- ἡμι- καλλι- ὀρσι- φιλογύναιξ, ἀγύναικος, ἀ- ἡμι- κακο- κατα- μισο- πολυ- φιλογύναιος, ἀ- ἀνδρο- μισο- νεο- πολυ- φιλογύνης) Sommer Nominalkomp. 62f.; zu den Einzelheiten der Flexion Schwyzer 582f. — Altes Wort für ‘Weib, Frau’, in der Mehrzahl der idg. Sprachen erhalten. Griech. γυνή, βανά, beide mit (verschieden gefärbten) Reduktionsvokalen, haben ein genaues Gegenstück in aind. (ved.) gnā́ ‘unirdische Frau, Göttin’ (oft zweisilbig gelesen), aw. gənā ‘Frau’. Zum unerklärten Stamm γυναι- stimmt arm. kanay- in den Pluralformen kanay-k‘ (Nom.), kanay-s (Akk.); das -κ- hat man in messap. gunakhaiγυναικί’ (?), ebenso in altphryg. bonok (griech. LW?) wiederfinden wollen (Lit. bei Schwyzer 583 m. A. 4). — Der labiovelare Anlaut, der schon aus dem Wechsel γ- und β- zu erschließen ist, wird u. a. bestätigt von got. qino (n-St.), air. ben (-St.) ‘Frau’, beide aus idg. *gen-. Die Hochstufe, die im Griech. zugunsten der durchgeführten Schwachstufe eliminiert wurde, erscheint noch u. a. in arm. kin, apr. genna, aksl. žena, aind. jáni-, toch. A śäṃ. Dagegen Schwach- bzw. Schwundstufe in air. ban- (in Komp.), Gen. sg. mnā (aus *bnā-s). Außerdem Dehnstufe, z. B. got. qens (i-Stamm) ‘Frau’. Weitere Formen bei WP. 1, 681f., Pok. 473f. m. Lit.; s. auch Vieillefond Mélanges Saunier (s. REGr. 57, 267). Wie das ursprüngliche Paradigma lautete, läßt sich nicht mehr feststellen, da überall Ausgleichungen stattgefunden haben. — Nicht hierher μνάομαι ‘freien’, sondern zu μέμνημαι, μιμνήσκω; s. Benveniste Sprachgesch. u. Wortbed. 13ff. I-334-335

γύπη - γύπας· καλύβας, καὶ θαλάμας. οἱ δὲ γυπῶν νεοσσιάς (durch Beziehung auf γύψ, s. d.). οἱ δὲ τὰς κατὰ γῆς οἰκήσεις, οἱ δὲ σπήλαια ... H.; · κοίλωμα γῆς, θαλάμη, γωνία. ‘Höhle’ (Kall. Aet. Oxy. 2080, 73). — Seit Johansson IF 2, 50 (weitere Lit. bei WP. 1, 560) zu einem germanischen Wort für ‘Kammer, Höhle, Stall usw.’, anord. kofi, ags. cofa, nhd. Koben usw. gezogen. Aw. gufra- ‘tief, geheimnisvoll’ ist wahrscheinlich fernzuhalten, s. Mayrhofer Wb. s. gabhīráḥ. — Zu γυπάριον, das wie ein Deminutivum aussieht, vgl. s. γύψ. I-335

γύπωνες pl. Ben. von Tänzern in Sparta Poll. 4, 104: οἱ δὲ γύπωνες ξυλίνων κώλων ἐπιβαίνοντες ὠρχοῦντο, διαφανῆ ταραντινίδια ἀμπεχόμενοι. Daneben ὑπογύπωνες. — Unerklärt. I-335

γυργαθός (Akz. nach Hdn. Gr. 1, 145) ‘Weidenkorb, Fischreuse’ (Ar., Arist. usw.); auch γυργαθον (BGU 1092, 29) und γεργαθος (POxy. 741, 5). Deminutivum γυργάθιον (PHolm. 18, 17). m. — Technisches (volkstümliches) Wort, im Ausgang zum synonymen κάλαθος (mit stammhaftem θ) stimmend, aber sonst unklar. Anknüpfung an die weitverzweigte Wortsippe ger- ‘flechten’ (s. γέρρον) ist gewiß möglich. I-335

γυρῖνος s. γυρός. I-335

γῦρις, -εως ‘feinstes Weizenmehl’ (Dsk., Pap., Ath. usw.). Auch γύριος (PSI 4, 428, 44, IIIa; nicht ganz sicher). f. Davon γυρίνη Art Kuchen (Luk.), γυρίτης (ἄρτος) ‘Brot aus γ.’ (Ath., Gp., H.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 88f.), γυριστήριος (Gloss.). — Technisches Wort ohne Etymologie. Vgl. γοῦρος. I-335

γῡρός ‘rund, gebogen, krumm’ (τ 246: γυρὸς ἐν ὤμοισιν, D. H. usw.). Daneben γῦρος m. ‘Rundung, Kreis, Baumscheibe’ (Thphr., Plb., LXX usw.) mit γύριος ‘einen γ. bildend’ (Anon. ap. Suid.), γυραλέος (Opp.). Denominatives Verb, sowohl auf γυρός wie auf γῦρος bezüglich (letzteres teilweise postverbal?), γυρόω ‘rund machen, krümmen, einen Kreis machen’ (LXX, Nik., Arat. usw.) mit γύρωσις (Pap., Gp.); auch γυρεύω ‘in einem Kreis laufen’ (Str., Babr.). Außerdem γυριστός ‘gebogen’ (Sch.) wie von *γυρίζω (dieses ngr. ‘kehre um’), γυρτόν· κυφόν H. (wohl nach κυρτός). — Von γυρός (γῦρος) auch γυρῖνος m. ‘Kaulquappe’ (Pl. u. a.) mit γυρινώδης (Arist.). — Hierher auch ON wie Γυραὶ πέτραι (δ 500), s. Bechtel Lex. s. v. — Auszugehen ist zunächst von einem zur Sippe geu- ‘krümmen’ (s. γύαλον mit weiteren Hinweisen) gehörenden r-Stamm (vgl. zu κύριος), der namentlich im Armenischen in verschiedenen Ausformungen mit wechselnden konkreten Bedeutungen vorliegt, z. B. kor ‘krumm’ (idg. etwa *gou̯ero-), kuṙ-n ‘Rücken’, kr-ukn ‘Ferse’ (< *gūro-); des weiteren lit. gur̃nas ‘Hüfte, Fußknöchel’, norw. kaure ‘krause Locke’, mir. gūaire ‘Haar’ u. a. m., s. WP. 1, 556f., Pok. 397f. (hauptsächlich nach Lidén Armen. Stud. 111ff.). I-335-336

γύψ, γῡπός m. ‘Geier’ (Il., E., Arist. usw.). Ableitungen: γυπιάς (πέτρα) ‘von den Geiern bewohnt’ (A. Supp. 796 [lyr.]; vgl. ὀρεστ-ιάς usw. Schwyzer 508); γύπινος ‘zum G. gehörig’ (Luk.), γυπιαῖος ‘ds.’ (Tz.), γυπώδης ‘Geier-ähnlich’ (Arist.). Auch γυπάριον, viell. ursprünglich zu γύπη (s. d.), wurde wenigstens auf γύψ bezogen (γυπαρίοις καὶ πυργιδίοις Ar. Eq. 793). — Einsilbiger Vogelname wie das Reimwort γρύψ und wie σκώψ, γλαῦξ usw. Wird allgemein zu geu- ‘krümmen’ (s. γῡρός, γύαλον usw.) gezogen; dieselbe π-Erweiterung wird auch in γύπη vermutet. I-336

γύψος f. ‘Gips, Zement’ (Hdt., Pl., Thphr. usw.). Davon γυψίον (Pap.), γυψική ‘Gipssteuer’ (Pap.), γύψινος (EM), γυψώδης (Sor.); denominative Verba: γυψόω ‘mit Gips überziehen’ (Hdt. u. a.) mit γύψωσις (Gp.) und γυψωτής (EM); γυψίζω ‘ds.’ mit γυψισμός (Pap.) — Aus dem Semitischen, s. Muß-Arnolt TransAmPhilAssoc. 23 (1892) 70. I-336

γωλεός m. ‘Höhle, Schlucht’ (Arist.), γωλ<ε>ιοί· σπήλαια. καὶ αἱ πρὸς θάλασσαν καταδύσεις H.; Plur. γωλε(ι)ά (Nik., Lyk.). — Seit Fick 1, 408 zu lit. guõlis, lett. guola ‘Lager, Schlafstätte, Nest’ (lit. guliù ‘sich legen, liegen’) gezogen, wozu nach Lidén Armen. Stud. 48f. auch arm. kaɫaɫ ‘Höhle, Schlupfwinkel’. Wegen der Bedeutung zieht Solmsen Wortforschung 217 m. A. 2 vor, γωλεός an die Sippe geu- in γύαλον usw. anzuknüpfen. (Unwahrscheinlicher Versuch, alle die genannten Wörter bei geu- ‘krümmen’ unterzubringen bei Persson Beiträge 1, 106f., 2, 936f.). Da das Reimwort φωλεός sowohl formal wie semantisch γωλεός hat beeinflussen können, ist eine sichere Beurteilung kaum möglich. — Vgl. zuletzt Fraenkel KZ 71, 40. I-336

γωνία f. ‘Ecke, Winkel(maß)’ (Hdt., Pl. usw.). Deminutivum γωνίδιον (Luk., M. Ant.). Weitere Ableitungen: γωνιαῖος (Pl. Kom., LXX usw.), γωνιήϊος (Delphi; nach den Adj. auf -ήϊος), γωνιώδης (Hp., Th.), γωνιακός (Prokl. u. a.); auch γώνιος (Pap. VIp); — γωνιάζω (Porph.) mit γωνιασμός ‘Abmessen, Abzirkeln’ (Ar., Lys.); γωνιόομαι (Dsk., Prokl.) mit γωνίωμα (Eust.) und γωνίωσις (Archig. Med.). — Zum Hinterglied -γωνος in τρί-γωνος usw. (wie -βιβλος zu βιβλίον usw.) s. Debrunner IF 60, 40ff. — Die offenbare Verwandtschaft mit γόνυ (s. d.) verlangt eigentlich eine Grundform *γονϝ-ία, die aber lautlich nicht befriedigt. Eine Grundform *γωνϝ-ία andrerseits hat in aind. jā́nu eine unzureichende Stütze. Einzelheiten bei Debrunner a. a. O. I-336-337

γῶος · μνημεῖον H. — Hypothese von zweifelhaftem Wert bei v. Blumenthal Hesychst. 15 A. 1: als messapisch (bzw. makedonisch oder "hylläisch") aus idg. *ĝhōu̯os neben *ĝhouos zu gr. χοῦς. I-337

γῶπας · κολοιούς. Μακεδόνες H. — Nach Lesny KZ 42, 297f. = γῦπας; nach Hoffmann Maked. 47 = σκῶπας. Wohlbegründete Bedenken bei Kretschmer Glotta 3, 307. I-337

γωρυτός m. (f.) ‘Köcher’ (φ 54, Lyk. u. spät). — Herkunft unsicher. Nach Benveniste Mélanges Boisacq 1, 42ff. skythisches LW (vgl. zu τόξον), u. zw. aus dem alten Wort für ‘Rind’ (s. βοῦς), iran. Γω- in Γω-βάρης usw., und einem unklaren Hinterglied, viell. zu npers. rūda und Verw., gew. ‘Darm, Eingeweide’; in der von B. für γω-ρυτός angesetzten Bedeutung ‘abgezogenes Fell’ (vgl. insbes. arab. rauδaq ‘ds.’), woraus durch Übertragung ‘Gegenstand aus Rindsleder’, muß es sich um ein anderes Wort handeln, s. Morgenstierne KZ 61, 29f. I-337

δα- Präfix in δα-φοινός, vorw. von Tieren, gewöhnlich als ‘sehr rot’ erklärt (ep. poet. seit Il.) und δά-σκιος ‘sehr schattig’ (ep. poet. seit Od.). — Mit verstärkendem δια-, äol. ζα- gleichwertig und wahrscheinlich aus diesem hervorgegangen, obwohl die Bedingungen unklar sind (Schwyzer 330, Lejeune Traité de phonétique 96 A. 2; auch Sjölund Metrische Kürzung 25f., Chantraine Gramm. hom. 1, 169 mit metrischer Erklärung). — Für δάσκιος (wonach mit falscher Übertragung des σ δασπέταλον· πολύφυλλον H.) kommt auch Verwandtschaft mit δασύς (etwa durch Haplologie aus *δασύ-σκιος?) in Betracht, vgl. s. v. I-337

δᾶ (Trag. in lyr., z. B. A. Eu. 874 οἰοῖ δᾶ φεῦ), Interj. — nach Sch. Ag. 1072, EM 60, 8 dorisch für γᾶ, γῆ, das Kretschmer (s. Δημήτηρ) auch in dor. Δαμάτηρ und in dor. Ποτειδάν (s. Ποσειδῶν) wiederfinden will. I-337

δᾱγύς, -ῦδος f. ‘Wachspuppe’ (Theok. 2, 110, Erinn.). — Technisches Fremdwort ohne Etymologie. I-337

δαδύσσομαι ‘zerrissen werden’ (Sophr. 117, H.); H. auch δαιδύσσεσθαι· ἕλκεσθαι und δαιδήσσουσι (für δαιδύσσουσι?) βασανίζουσι. — Seit Roscher Curt. Stud. 4, 199 und Osthoff IF 5, 282 mit lat. dūco = got. tiuhan ‘ziehen’ verglichen (s. auch ἀδευκής, ἐνδυκέως), mit Intensiv-Reduplikation und schwachstufiger Stammsilbe: *δαιδυκι̯ομαι. Dabei kann δα- späte Schreibung für δαι- sein (Schwyzer 841). I-337-338

δαεγώ · οἶδα, ἐπίσταμαι H. — Die Richtigkeit der Lesung (δαείω Latte mit Pearson) wird durch ngr. (Kappadokien) δαγώ ‘ich weiß’ glaubhaft gemacht (Kretschmer Glotta 12, 215 m. Lit.). Umgangssprachliche Kürzung für οἶδα ἐγώ (vgl. Schwyzer 769 A. 1). I-338

Δάειρα f. N. einer Erdgöttin in Attika, der ein trächtiges Schaf geopfert wurde (Pherekyd., Lyk., Inschr.), auch Δαῖρα (A. Fr. 277, Inschr.). — Δαειρίτης m. N. ihres Priesters (Poll.). — Bildung wie Κτεάτειρα, κυδι-άνειρα usw. Nach gewöhnlicher Annahme zu δαῆναι (s. d.), u. zw. als altes Fem. zu aind. dasrá- ‘wundertätig’ (vgl. δαΐ-φρων; urspr. Δαῖρα aus *δᾰσριι̯ᾰ, woraus Δάειρα nach Κτεάτειρα usw.?). Falls diese semantisch wenig begründete Zusammenstellung überhaupt richtig ist, kann Δάειρα direkt zu δαῆναι nach den erwähnten Mustern gebildet sein (Δαῖρα dann itazistische Schreibung?). Anders Nilsson Arch. f. Religionswiss. 32, 82f., Kern P.-W. 4, 1980f.: Fem. zu δαήρ, "die Schwägerin", was ebenfalls semantisch schwer zu begründen ist. I-338

δαῆναι, ep. auch δαήμεναι intr. Aor. Fut. δαήσομαι, Perf. δεδάηκα, δεδαώς (seit Od.), δεδάημαι (h. Merc. usw.), redupl. Aor. in kaus. Bed. δέδαε ‘lehrte’ (Od.), 3. pl. δέδαον H., Inf. δεδάασθαι wohl für δεδαέσθαι (π 316), sekundär δάε, ἔδαε (A. R.), δα[ι]ῆσαι· διδάξαι H.; Präs. διδάσκω, s. d. ‘lernen’ (ep. poet. seit Il.), — Der Stamm δα- kann auf idg. *dn̥s- zurückgeführt werden, wodurch Anschluß an δήνεα erreicht wird. Mithin liegt in δαῆναι die Schwundstufe von idg. dens- vor, das noch in aw. dīdaiŋhē ‘ich werde unterwiesen’ und in mehreren nominalen Formen, z. B. aind. dasrá- ‘wundertätig’ erscheint. Aor. δέ-δα-ε somit aus *de-dn̥s-e-t. — Vgl. δήνεα, διδάσκω, δαΐφρων. Ableitungen: δαήμων ‘kundig’ (ep. ion. seit Il.) mit δαημοσύνη (A. R. u. a.); privative Zusammenbildung ἀδαἡς (s. d.); δάησις (EM); unsicher Δάειρα, s. d. I-338

δᾱήρ, Akk. -έρα, Vok. δᾶερ, Gen. pl. δᾰέρων Ω 769 (Versanfang) und 762 (Il.), hellenist. und spät auch Akk. und Dat. sg. δαῖρα, δαιρί, Nom. pl. δέρες (Lydien), Gen. sg. δῆρος (Bithynien), vgl. unten, m. ‘Bruder des Gatten, Schwager’. Keine Ableitungen (vgl. Δάειρα). — Altertümliches Verwandtschaftswort, mit den gleichbedeutenden aind. devár-, arm. taygr, lit. diever-ìs, aksl. děver-ь genau übereinstimmend; griech. Grundform somit *δαιϝήρ (dazu δαιρί aus *δαιϝρί und *δαιϝρῶν für das metrisch unbequeme δᾰέρων?; weiteres zur Laut- und Stammbildung bei Schwyzer 266 und 568). Lat. lēvir ist am Ende nach vir umgeformt, zeigt außerdem ‘sabinisches’ l- für d- und umgangssprachliches für ae. Auch das hierhergehörige germ. Wort, ahd. zeihhur, ags. tācor, das durch den Guttural abweicht, ist von einem anderen Wort (zu lit. láigonas ‘Bruder der Frau’?) beeinflußt. I-338-339

δᾰΐ f. ‘im Kampf’ — isolierter ep. Dat. (auch Hes. Th. 650, A. Th. 925) eines Wurzelnomens *δαῦς mit neugebildetem Akk. δάϊν (Kall. Fr. 243). S. δήϊος und δαίω. I-339

δαί immer nach Interrogativ τί, πῶς δαί ‘was, wieso denn?’ (α 225, ω 299 [beide sehr fraglich]; Kom., E. u. a.; oft falsch für δέ). — Neubildung zu δή nach νή : ναί. Schwyzer-Debrunner 563 m. A. 3, 570. I-339

δαιδάλλω nur Präsensstamm ‘kunstvoll arbeiten, verzieren’ (ep. poet. seit Il.) mit δαίδαλμα ‘Kunstwerk’ (Theok. u. a.). — Daneben δαίδαλον n. ‘kunstvolle Arbeit, Zierat’ (ep. poet. seit Il.), Δαίδαλος N. eines mythischen Künstlers (Il. usw.), δαίδαλος ‘kunstfertig, kunstvoll’ (A. usw.); auch δαιδάλεος (ep. poet. seit Il., vgl. μαρμαίρω : μαρμάρεος usw. bei Schulze Kl. Schr. 118 A. 3; nach Leumann [s. u.] metrische Variante zu πολυ-δαίδαλος ‘reich an Zierat, sehr kunstfertig’); erweiternde Umbildung δαιδαλόεις (Q. S., Nonn., wie παιπαλόεις). — Vereinzelt belegte Denominativa: δαιδαλόω (Pi.), δαιδαλεύομαι (Ph.) mit δαιδαλεύτρια ‘geschickte Arbeiterin’ (Lyk.). — Das Verhältnis zwischen δαιδάλλω, δαίδαλος, δαίδαλον ist mehrdeutig. Leumann Hom. Wörter 131ff. ist geneigt, von einem Mittelmeerwort δαίδαλον ‘Zierat’ auszugehen, woraus einerseits das Denominativum δαιδάλλω, anderseits das Bahuvrihikompositum πολυ-δαίδαλος ‘reich an Zierat, vielverziert’, als Beiwort einer Stadt oder eines Volkes als ‘sehr kunstfertig’ umgedeutet; daraus wiederum das Adjektiv δαίδαλος ‘kunstfertig, verziert, kunstvoll’. — Dem gegenüber steht eine herkömmliche und an sich tadellose indog. Etymologie, nach der δαιδάλλω eine intensive Reduplikationsbildung ist, u. zw. entweder als Primärbildung (wobei δαίδαλον, δαίδαλος postverbal sein müssen) oder als Denominativum von δαίδαλον, -ος; vgl. Schwyzer 647 und 725. Aus dem Griechischen werden noch hierhergezogen δέλτος und δηλέομαι, s. dd. In Betracht kommen auch δάλλει· κακουργεῖ H. und δόλων ‘kleines Segel, Segelstange’ (Plb., D. S., Poll.). S. auch zu δόλος. — Aus anderen Sprachen kommen zahlreiche Wörter der Bedeutung ‘bebauen, spalten’ hinzu, die von einer Wurzel del- ausgehen, aber untereinander eine reiche Variation bieten und für die nähere Erklärung der griechischen Vertreter recht wenig abgeben, z. B. lat. dolāre ‘behauen, bearbeiten’ (deverbative Iterativbildung), aind. dár-dar()ti ‘zerspalten’ (reduphzierte athematische Intensivbildung, vgl. δαιδάλλω, s. aber auch zu δέρω), dālayati ‘spalten’, dalati ‘bersten’, air. delb ‘Gestalt, Form’ (aus *del-u̯ā), mhd. zoll m. ‘zylindrisches Holzstück usw., Zoll’, lit. dalìs ‘Teil, Anteil’, russ. dólja ‘ds.’. -Weiteres reiches, z. T. ungesichtetes Material bei WP. 1, 809ff., W.-Hofmann s. 1. dolō. I-339-340

δαιδύσσεσθαι · ἕλκεσθαι H. S. δαδύσσομαι. I-340

δαΐζω, Aor. δαΐξαι, Perf. Ptz. δεδαϊγμένος ‘zerschneiden, durchbohren’ (ep. poet. seit Il.). Davon δαϊκτήρ "Zerteiler" Beiname des Ares (Alk.), auch attributivisch von γόος (A. Th. 916 [lyr.]); in dieser Verwendung auch δαΐκτωρ (γάμος A. Supp. 798 [lyr.]); δαϊγμός (EM); als Hinterglied -δαΐκτας z. B. μηλοδαΐκτας (B.); daneben καρπο-δαισται (Gortyn); viell. zu δαίομαι mit analogischem -σ-, das auch in δεδαισμένον (ebd.), δαισθείς (E. in lyr.) vorliegen kann, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 194. — Deverbative Bildung auf -ίζω von δαίομαι (vgl. Schwyzer 736), s. d. Nicht mit Schulze Kl. Schr. 370 denominativ von *δᾰ-ϝός (δα-τέομαι). I-340

δαίμων, -ονος m. f. ‘göttliche Macht, Geschick, Gott’ (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen. Adjektiva: 1. δαιμόνιος ‘zum δ. gehörig, vom Geschick, von Gott gesandt’ (seit Il.); zu δαιμόνιε als Anrede s. die Monographie von E. Brunius-Nilsson Δαιμόνιε. Diss. Uppsala 1955; n. δαιμόνιον ‘göttliche Macht’, "Daimonion" (ion. att.); 2. δαιμονικός ‘ds.’ (Plu.); 3. δαιμονιακός ‘ds.’ (PMag. Osl. 1, 143; nach κυριακός u. a.); 4. δαιμονιώδης ‘einem δ. gleich’ (Ep. Jac., Prokl. u. a.). — Seltene und späte Femininbildungen: δαιμονίς (Prokl., Herm.) und δαιμόνισσα (PMag. Leid. W. 16, 48); vgl. βασιλίς, βασίλισσα. — Fragliche Abstraktbildung δαιμονή (Alkm. 69?, A. Eu. 727?), s. die Lit. bei Schwyzer 524. — Denominative Verba: 1. δαιμονάω ‘von einem δ. heimgesucht werden, besessen sein’ (A., E., X. usw.), 2. δαιμονιάω ‘ds.’ (Phld.), 3. δαιμονητιᾷ· δαιμονίζεται. Κρῆτες H., nach den Krankheitsverba auf -άω, -ιάω und -ητιάω (Schwyzer 731f.); 4. δαιμονίζομαι ‘ds.’ (Philem., NT usw.) mit δαιμονισμός (Vett. Val.), ‘vergöttert werden’ (S. Fr. 173, H.); 5. δαιμονιάζομαι = δαιμονιάω (Pap.). — Oft als 2. Glied von Komposita: 1. Bahuvrihi (βαρυ-, δυσ-, εὐ- [παν-, τρισ-, ὑπερ-], ἐχθρο-, ἰσο-, κακο-[τρισ-], κοιλιο-, ὀλβιο-, ὁμο-, φιλο-); 2. Substantiva (ἀγαθο- ‘guter Geist’, ἀνθρωπο- ‘verg?ttlichter, Mensch’, ἀρχι- ‘Oberdämon’, αὐτο- ‘urbildlicher Dämon’, βροτο- ‘Halbgott’ H., θεο- ‘niedre Gottheit’, νεκυ- ‘Totengeist’, νεκυο- ‘Totengott’, πλανο- ‘Truggeist’, τυραννο- ‘Übertyrann’, φυγαδο- alchemistische Bez. des Quecksilbers); dazu komische Augenblicksbildungen (βλεπε-, κρονο-, νακο-, σορο-, τρυγο-); 3. Rektionskomposita (ἀ)δεισι-. — Zu δαίομαι (s. d.), u. zw. wahrscheinlich im Sinn von ‘Verteiler, Zuteiler’ (vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 363); vgl. insbesondere apers. baga-, aksl. bogъ ‘Gott’ neben aw. baga- ‘Anteil, Los’, aind. bhága- ‘Anteil, Los, Geschick; Zuteiler, Herr’, zu bhájati ‘(zu)teilen’. Nach Porzig IF 41, 169ff. dagegen eig. "Zerreißer, Fresser (der Leichen)" als urspr. Totengott, was sich indessen mit der tatsächlichen Bedeutung von δαίμων schwer vereinigen läßt. Abzulehnen v. Windekens Le Muséon 63, 104ff. ("pelasgisch"). — Ausführlich über δαίμων Nilsson Gr. Rel.2 1, 216ff. Über die Bedeutungsentwicklung in neuerer Zeit (‘Dämon’ usw.) s. auch Chantraine Aspects du vocabulaire grec et de sa survivance en français. Paris 1954 (Institut de France 1954 : 19). I-340-341

δαίομαι ‘(ver)teilen’ (Od., Pi.), δαίνυμι, Aor. δαῖσαι, Fut. δαίσω *‘ver-, *austeilen’, ‘bewirten’, Med. ‘schmausen’ (poet. seit Il., auch Hdt.) ἐπι δαίομαι (ὅρκον h. Merc. 383). Mehrere Verbalabstrakta: 1. δαίς, -τός f. ‘Portion, Speise, Mahlzeit’ (vorw. poet. seit Il.), Kompp. ἁβρό-, ὁμό-; 2. δαίτη ‘Mahlzeit’ (poet. seit Il.); 3. δαιτύς, -ύος f. ‘ds.’ (X 496; nach ἐδητύς u. a., Porzig Satzinhalte 340, Chantraine Gramm. hom. 1, 96) mit δαιτυμών, -όνος m. ‘Gast’ (seit Od.; zur Bildung Chantraine Formation 173); erweitert δαιτυμονεύς (Nonn., vgl. ἡγεμών : -ονεύς); 4. δαῖσις ‘Verteilung (des Eigentums)’ (Gortyn) mit δαισάνη = πτισάνη (EM; vgl. δόσις in ähnlicher Bedeutung), δαίσιμον (-ιον EMἐδώδιμον H.; 5. δαιθμός ‘Verteilung, verteiltes Land’ (Inschr.); Versuch einer semantischen Differenzierung der Nomina actionis bei Benveniste Noms d’agent 66f. — Nomen loci: δαιτήριον (EM). — Nomina agentis: δαιτρός ‘Zerleger, Vorschneider’ (poet. seit Od.) mit δαιτροσύναι pl. ‘die Künste des Vorschneiders’ (π 253, Versende; vgl. Porzig Satzinhalte 226); denominativ δαιτρεύω ‘zerlegen, vorschneiden’ (ep. seit Il.) mit δαιτρεία (Hdn.); Δαίτωρ als EN (Θ 275), συνδαίτωρ ‘conviva’ (A. in lyr.); — daneben δαιτρόν ‘Anteil, Portion’ (Δ 262; vgl. Chantraine 331); — δαίτης als Priestertitel (E. Fr. 472, 12), als Hinterglied in λαγο-δαίτας (A. in lyr.) usw., s. Fraenkel Nom. ag. 1, 193f. — Für sich steht δαιταλεύς ‘Schmauser’ (A., Ar. u. a.), zunächst von einem λ-Nomen ebenso wie δαιταλάομαι ‘schmausen’ und δαιταλουργία (Lyk.); weitere Vermutungen bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 36. — Eine Erweiterung von δαίομαι ist δαΐζω. Zu δαίμων s. bes. — Zu δαίομαι (mit analogisch bewahrtem -ι-) stimmt aind. dáyate ‘zerteilen, Teil haben, zerstören’. Neben dieser di- phthongischen Form stehen aber monophthongische mit - bzw. - Vokal, z. B. dā́-ti ‘abschneiden’, di-tí- ‘das Verteilen’; außerdem noch das vokallose d-yá-ti ‘abtrennen, teilen’. Alle diese Formen können nur vereinigt werden unter Annahme einer ursprünglich langdiphthongischen Wurzel dāi-, die einerseits dā-, anderseits im Ablaut dăi- (dəi-) und dī-, letzten Endes sogar d(ə)- (zunächst aus dā- abgeschwächt) ergeben hätte. — Hierher auch δῆμος (dor. δᾶμος), s. d.; aus dem Germanischen und dem Armenischen noch einige Wörter für ‘Zeit’, wie ags. tīma, anord. tīme ‘Stunde, time’, urg. *tī-man-, idg. *dī-mon- (vgl. δαί-μων), ahd. zīt, anord. tīðZeit’, wahrscheinlich = arm. ti ‘Alter, Zeit’, idg. *dī-t(i)- (vgl. δαι-τ- in δαίς). — S. noch δατέομαι und δάπτω. I-341-342

δάϊος s. δήϊος. I-342

δαΐφρων ‘kundigen Sinnes, kundig, erfahren’, durch sekundäre Anknüpfung an δαΐ ‘im Kampf’ (s. d.) auch ‘tapfer’ (ep. seit Il.). — Kompositum mit φρήν (s. d.; vgl. ἄ-φρων usw.); das Vorderglied aus δασ-ι- zu aind. das-rá- ‘wundertätig’ (s. Δάειρα) mit demselben Wechsel von idg. i und ro wie z. B. in κυδι-άνειρα und κυδρός (Schwyzer 447 m. weiterer Lit.). — Über das Wortspiel ἀμφ’ ’Οδυσῆϊ δαΐφρονι δαίεται ἦτορ (α 48) s. Risch Eumusia. Festg. f. E. Howald (Zürich 1947) 88. I-342

δαίω ‘anzünden’, intr. Perf. δέδηα ‘lodern, brennen’, Ptz. δεδαυμένος, Aor. δαῆναι, ἐκδαβῇ (= -ϝῇἐκκαυθῇ. Λάκωνες H. (poet. seit Il.). Kompp. ἀνα- (A., Ar.) κατα- (H.). Viele Ableitungen. 1. δάος n. (aus *δάϝος) ‘Fackel’ (Hom., Q. S.) mit δᾱνός aus *δαϝεσ-νός ‘zur Fackel geeignet, trocken’ (ο 322, Ar. Pax 1134 [lyr.]). 2. δᾱλός m. ‘Feuerbrand’ (poet. seit Il.) aus δᾰϝελός (= δαβελός· δαλός. Δάκωνες H.), δαελός (Sophr.); δάϝος : δαϝελ-ός wie νέφος : νεφέλ-η; daneben δαῦλον· ἡμίφλεκτον ξύλον H. Deminutiv δᾱλίον (Ar.); δᾱλός auch = μελάνουρος ἰχθύς H. (nach den Leuchtorganen, Strömberg Fischnamen 55f., oder wegen des schwarzen Schwanzes?), metaphorisch ‘ausgebrannter = alter Mann’ (AP), mit hypokoristischer Gemination δαλλώ· ἡ ἀπόπληκτος. οἱ δὲ τὴν ἔξωρον παρθένον ἢ γυναῖκα πρεσβυτέραν ... H. 3. δαΐς (aus *δαϝίς), -ίδος, att. δᾴς, δᾳδός (vgl. unten) f. ‘Fackel’ (seit Il.), wovon das Deminutivum δᾳδίον (Ar., Hp. usw.), δᾳδίς ‘Fackelfest’ (Luk.), δᾴδινος ‘zur Fackel gehörig, aus Kienholz’ (Gal., Aët.), δᾳδώδης ‘harzig’ (Thphr., Plut.) zu δᾴς ‘Harz(überfülle)’ als N. einer Pflanzenkrankheit (Thphr.); ebenso δᾳδόομαι ‘von Harzüberfülle befallen werden’ mit δᾴδωσις (Thphr.), s. Strömberg Theophrastea 167. 4. δαύακες· θυμάλωπες H., vgl. Bechtel Dial. 1, 118, Grošelj Živa Ant. 2, 206. 5. δαερόν· μέλαν. καὶ τὸ καιόμενον H., vielleicht auch Emp. 90 für δαλερός. 6. δαηρόν· θερμόν, καυματηρόν, λαμπρόν, προφανές H. 7. δαηθμόν· ἐμπρησμόν H., zur Bildung vgl. Chantraine Formation 137f.; Latte mit Voß dafür δαιθμόν. 8. δαῦκος· ὁ θρασύς. καὶ βοτάνη τις Κρητική H., s. s. v. 9. Hierher wahrscheinlich auch in übertragener Bed. δαΐ ‘im Kampf’ aus *δαϝ-ί, Lok. von einem Wurzelnomen *δαῦς (Schwyzer 578). — Zu erwähnen auch das Kompositum θεσπι-δᾰές (πῦρ, Μ 177 usw.) ‘göttlich flammend’, eher zum Aor. δαῆναι als zu δάος. — Wie u. a. aus δεδαυμένος hervorgeht, steht δαίω als Jotpräsens für *δαϝ-ι̯ω; auf das daraus durch Metathese (wie in kor. Διδαίϝων) entstandene *δαίϝω muß att. δᾴς (δᾱις aus *δαιϝ-ις) zurückgehen. Das Perfekt δέδηα aus *δέ-δᾱϝ-α entspricht bis auf den Reduplikationsvokal aind. du-dāv-a (Gramm.), wozu mit regelmäßiger Schwundstufe das Präsens du-nó-ti ‘brennen, quälen’. Weitere aind. Formen bei WP. 1, 767, Pok. 179f. Die Sippe hat zahlreiche Vertreter im Keltischen, z. B. air. dōim ‘sengen, brennen’; aus dem Germanischen gehört hierher das schwundstufige sk-Präsens ahd. zuscen ‘brennen’. Weitere Verwandte s. δύη; auch δήϊος. I-342-343

δάκνω (ion. att.), Aor. δακεῖν (seit Il.), δῆξαι (Luk.); Fut. δάξομαι (Hp.), δήξομαι (E.); Perf. δέδηγμαι (Ar.), δεδαγμένος (Pi.), δέδηχα (Babr.), δέδακα (AP); Aor. Pass. δηχθῆναι (S.), δακῆναι (Aret.); Verbaladj. ἄ-δηκτος (Hes., Hp. usw.) ‘beißen’, auch ‘stechen’ (von Insekten), ‘verletzen’, Kompp. ἀμφι-, ἀνα-, ἀντι-, ἀπο-, δια-, ἐν-, ἐπι-, κατα-, συν-, ὑπερ-, ὑπο-. Mehrere Ableitungen. 1. Von δακ- in δακεῖν usw.: δάκος n. ‘Biß, Stich’, oft konkret ‘beißendes Tier’ (Pi., A., E. usw.) = δακετόν (Ar., Thphr. usw., vgl. ἑρπετόν u. a.), δαγμός ‘Biß, Stich’ (Ruf.), δάγμα ‘ds.’ (Nik.), δάκια· τὰ ἄγρια ὀρνιθάρια H.; — δάξ = ὀδάξ (Opp.) mit δαξ-ασμός = ὀδαγμός (Ti. Lokr.; nach μαρασμός usw., vgl. Chantraine Formation 141f.). 2. Von δηκ- in δήξομαι usw. : δῆγμα ‘Biß, Stich’ (A., S., X. usw.), δηγμός ‘ds.’ (Hp., Thphr. usw.), δῆξις ‘ds.’ (Hp., Arist. usw.); δήκτης ‘Beißer, beißend’ (E. Fr. 555, Plu., AP) mit δηκτήριος ‘ds.’ (E.) und δηκτικός (Arist. usw.); δήξ, δηκός ‘Holzwurm’ (Tz.) nach σφήξ usw. 3. Vom Präsens: δακνώδης ‘beißend, stechend’ (Hp., Gal.), δακνηρός ‘ds.’ (Phld. u. a. nach ὀδυνηρός usw.), δακνίς· ὀρνέου εἶδος H., δακνᾶς ‘Beißer’ (Phryn.). — Expressive Erweiterungen: δακνάζω (A. Pers. 171, AP), δαγκάνω (Hdn. usw.). — Der Aorist δακεῖν ist mit dem aind. Präsens dáśati ‘er beißt’ formal identisch; das Perf. dadáṃśa (= gr. *δέδογκα) ebenso wie viele Nomina, z. B. dáṃśa- ‘Biß, Bremse’ erweisen, daß α als Schwundstufe einer Nasalwurzel denḱ- fungiert. Mithin ist δηκ- in δήξομαι usw. als sekundäre Hochstufe zu δακεῖν nach Muster von λήψομαι : λαβεῖν anzusehen. — Auch das Germanische hat mehrere Nomina bewahrt, z. B. ahd. zangar ‘beißend, scharf’, zanga, anord. tǫng ‘Zange’; hierher noch alb. danë ‘Zange’ aus *donḱ-nā (vgl. Mann Lang. 28, 40). I-343-344

δάκρυ (poet. seit Il., auch Peripl. M. Rubr. 30 = ‘Harz’, vgl. s. βράθυ), Dat. pl. δάκρυσι (auch Prosa), δάκρυον n. (seit Il., aus δάκρυα neugebildet, Debrunner Mélanges Pedersen 202ff.) n. ‘Träne, Harz’. Kompp. παρά- δακρυ Pflanzenname (Ps.-Dsk.) und viele Bahuvrihi auf -δακρυς. Ableitungen. Deminutivum δακρύδιον als Pflanzenname (Ps.-Dsk., Alex. Trall.); — δακρυ-όεις ‘tränenreich’ (poet. seit Il., vgl. Risch Mus. Helv. 3, 255f.), δακρυώδης ‘tränend, nässend’ (von Wunden, Hp., Thphr. usw.); denominatives Verb δακρύω ‘(be)weinen’ (seit Il.) mit δάκρῡμα ‘was beweint wird’ (Orac. ap. Hdt. 7, 169), ‘Träne’ (A., E.); hell. *δάκρῠμα zu lat. dacrŭma, lacrĭma, s. zuletzt Leumann Sprache 1, 206. — Altes Wort für ‘Träne’, das auch im Armenischen, Germanischen und Keltischen erhalten ist: arm. artasu-k‘ pl. (aus *draḱu-, vgl. unten), sg. artawsr (aus *draḱu-r); germ., z. B. ahd. zahar, nhd. Zähre (urspr. pl.), got. tagr (mit grammat. Wechsel); kelt., z. B. abret. dacr, air. dēr, idg. *daḱr(o)-. — Daneben ahd. trahan, nhd. Träne aus urg. *trahnu-, idg. *draḱnu- mit demselben Anlaut wie im Armen.; vielleicht ist von idg. *draḱru- auszugehen, woraus durch Dissimilation die verschiedenen Formen entstanden sein könnten. — Ein bis auf den Anlaut zu δάκρυ usw. stimmendes Wort bieten die östlichen Sprachen: aind. áśru-, aw. asrū-, balt., z. B. lit. ašarà, toch. A ākär, vgl. Porzig Gliederung 185 und 202. Eine befriedigende Erklärung ist noch nicht gefunden; vielleicht liegt alte Kreuzung mit einem anderen Wort vor. Bemerkenswert ist heth. išḫaḫru- n. ‘Tränen(strom), Weinen’, im Auslaut übereinstimmend, aber sonst ganz abweichend; eine Vermutung darüber bei Sturtevant Comp. gr.1 143, s. auch Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre des Heth. 87. — Ältere Lit. bei WP. 1, 769, Bq, s. v.; außerdem W.-Hofmann s. lacrima, wo auch allerhand glottogonische Spekulationen besprochen werden; dazu noch Sapir Lang. 15, 180ff. (ebenfalls glottogonisch). I-344

δάκτυλος 1. m. ‘Finger’ (auch als Maß usw.), ‘Fußzehe’ (ion. att.); 2. Glied in vielen besitzanzeigenden Kompp. Ableitungen. Seltene Deminutiva: δακτυλίδιον (Ar.), δακτυλίσκος (Lebadeia), δακτυλίς (Steph. Med., Plin.); — δακτύλιος m. (-ον n.) ‘(Finger)ring’ (Sapph., Hdt., Ar. usw.) mit dem Deminutivum δακτυλίδιον (Delos IIIa, Pap. u. a.), auch δακτυλίδριον, -ίδρυον (Pap., aus -ύδριον [Chantraine Formation 72f.] dissimiliert bzw. umgestellt), δακτύληθρον (Them.; zur Bildung Chantraine 373), δακτυλήθρα ‘Fingerhandschuh’ (X. usw., Chantraine ebd.); — δακτυλῖτις Pflanzenname (Dsk.; nach der fingerdicken Wurzel, Strömberg Pflanzennamen 37, Redard Les noms grecs en -της 70), δακτυλεύς N. eines Meerfisches (Ath.; nach der Größe, Boßhardt Die Nomina auf -ευς 84f.). — Adjektiva: δακτυλ-ιαῖος ‘fingerbreit’ (Hp., Arist. usw.), δακτυλικός ‘zum Finger gehörig, daktylisch’ (Ath., Longin. usw.), δακτυλωτός ‘mit Fingern versehen’ (Ion. Trag., Didym. ap. Ath.). — Denominatives Verb δακτυλίζω ‘mit dem Finger zeigen usw.’ (H., Eust.) mit δακτυλιστής (Pap.) Berufsbezeichnung unklarer Bedeutung, vgl. Preisigke Wörterbuch s. v. — Keine überzeugende Etymologie. Böot. δακκύλιος (Tanagra), dessen -κκ- sich schwer aus -κτ- erklären läßt, legt eine Grundform *δάτκυλος nahe; der dadurch gewonnene leidliche Anschluß an ahd. zinko ‘Zinke’ ist jedoch semantisch wenig befriedigend. Bei einer ursprünglichen Lautfolge δακ-τυ- kommt auch Verwandtschaft mit got. tekan ‘berühren’, anord. tăka ‘nehmen’ in Betracht. Weitere Hypothesen bei W.-Hofmann s. digitus, wo auch reiche Lit. I-344-345

δάκτυλος 2. ‘Dattel’ (Arist. usw.). — Kaum mit 1. identisch, sondern eher aus einem semitischen LW (arab. daqal usw.) wegen der Ähnlichkeit zwischen dem Dattelpalmblatt und den ausgespreizten Fingern volksetymologisch umgebildet; vgl. Lewy Fremdw. 20f. I-345

δᾱλός s. δαίω. I-345

δαμάζω s. δάμνημι. I-345

δαμάλης, -ου m. ‘Bezwinger, Zähmer’ (von Eros, Anakr.), ‘junger (noch zu zähmender) Stier’ (Arist., AP); f. δάμαλις (A. usw.), δαμάλη (E., Theok. usw.) ‘junge Kuh’, Deminutivum δαμάλιον (Pap.); δάμαλος ‘Kalb’? (Hdn.); — denominativ δαμαλίζω ‘bezwingen, zähmen’ (Pi., E.). — Über Δάμαλις als EN Schmid Philol. 95, 118 A. 123. Von δάμνημι, δαμάσαι (s. d.); zur Bildung Chantraine Formation 236f. Direkte Beziehung zu air. dam ‘Ochse’ (aus *damos) und anderen keltischen Wörtern ist nicht glaubhaft. Vgl. noch W.-Hofmann s. damma ‘Gemse, Rehkalb usw.’. I-345

δάμαρ, -αρτος f. ‘Gattin, Ehefrau’ (poet. seit Il.; zur Bed. Gernet Mélanges Boisacq 1, 393ff.); δόμορτις· γυνή H. (äol.). Ohne Ableitung. — Nicht sicher erklärt. Nach Schulze KZ 28, 281f. (= Kl. Schr. 364) eine Zusammenbildung des Wortes für ‘Haus’ (s. δάπεδον, δεσπότης und δόμος) und der Wz. ἀρ- in ἀραρίσκω usw. mittels eines Dentalsuffixes; daraus δόμορ-τ-ις mit einem verdeutlichenden ι-Suffix (Schwyzer 451 m. A. 3). — Andere sehen in δάμαρ ein altes Neutrum auf -ρ (vgl. nhd. Frauenzimmer); s. zuletzt Benveniste Origines 30, Lejeune Traité de phon. 34 A. 3 (ältere Lit. bei Bq). I-345-346

δάμνημι, 3. sg. auch δαμνᾷ (viell. für äol. δάμνᾱ, Schwyzer 694), Aor. δαμάσ(σ)αι, intr. δαμῆναι, Perf. δέδμημαι (alles poet. seit Il.); zu δαμάσ(σ)αι neugebildetes Präsens δαμάζω (A. usw.), Fut. δαμάσσω, 3. sg. δαμᾷ (Il.), Aor. Pass. δαμα-σ-θῆναι (Il. usw.), auch (nach δέδμημαι usw.) δμηθῆναι (Il. usw.) ‘bezähmen, bändigen, bewältigen’, bes. von Pferden. Komp. ὑπο-. Ableitungen: δμητήρ (ἵππων) ‘Bändiger’ (h. Hom., Alkm.), f. δμήτειρα (Il.), δμῆσις (ἵππων) ‘Bändigung’ (Il.); ἀ-δμής, -τος f. m. ‘ungebändigt, unverheiratet’ (seit Od.), auch ἄ-δμη-τος ‘ds.’ (seit Il.), daneben ἀ-δάμα-σ-τος (Il. usw.), ἀ-δάμα-τος (Trag.), δμᾱτέα (dor.). δαμαστέα H.; zu ἀδάμας s. bes. — Vereinzelt belegte Simplicia der Wurzelformen δαμα- und, mit Anschluß an δάμνημι, δαμν-: Δαμαῖος ‘Rossebändiger’, Beiwort des Poseidon (Pi.), δαμάτειρα (AP), παν-δαμάτωρ ‘Allbändiger’ (poet. seit Il.), spätes f. πανδαμάτειρα; δάμασις und δαμαστικός (Sch.), δαμάστης ([Epich.] 301 [?], Gloss.); δαμνῆτις· δαμάζουσα, τιμωρός; δάμνος· ἵππος. Τυρρηνοί H.; als Vorderglied in δάμν-ιππος (Orph.) usw. — δαμασώνιον und δαμναμένη Pflanzennamen (Dsk., Ps.-Dsk.; als Liebesmittel, Strömberg Pflanzennamen 92). — Zu δαμάλης s. bes. Kaum hierher δμώς, s. d. — Das Präsens δάμνημι, äol. δάμνᾱμι hat eine genaue Entsprechung in air. damnaim ‘festbinden, (Pferde) bändigen’ und geht wie dies auf eine zweisilbige Wurzel zurück, die in δαμά-σαι zutage tritt; daneben die einsilbige langvokalische Form in δμη-θῆναι (dor. δμᾱ-). Die Sippe hat zahlreiche Vertreter, besonders im Altindischen, Lateinischen, Germanischen und Keltischen (in Betracht kommt noch heth. damaš-zi ‘er drückt, bedrängt’ mit s-Erweiterung [Kronasser Vgl. Laut- u. Formenlehre 175]), aber die verschiedenen Wörter stimmen nur selten zueinander. Zu bemerken indessen παν-δαμάτωρ = lat. domitor, aind. damitár-; es kann sich jedoch dabei um unabhängige Parallelbildungen handeln. Dazu als Hinterglied in Zusammenbildungen ἱππό-]δαμος (seit Il.) = aind. ariṃ-]dama- ‘den Feind bewältigend’; fraglicher dagegen (ἄ-)δμητος : aind. dāntá- (sicher Neubildung lat. domitus). — Die alten Präsentia lat. domāre = aind. damāyáti bzw. ahd. zamōn (hierher viell. heth. damaš-zi s. o.) und got. ga-tamjan, nhd. zähmen = aind. damáyati sind im Griechischen nicht vertreten. — Ursprüngliche Verwandtschaft mit dem alten Worte für ‘Haus’ (s. δόμος und δεσπότης) ist möglich. I-346

δᾰνᾰ́κη f. Ben. einer kleinen persischen Münze, wenig über einen Obol; ἐλέγετο δὲ καὶ ὁ τοῖς νεκροῖς διδόμενος ὀβολός H. (Kall., Poll., EM). — Aus dem Persischen, vgl. npers. dāna(k) ‘das Viertel einer dram (Drachme)’, eig. ‘kleines Korn’. Weiteres bei WP. 1, 831, Horn Neupers. Etymologie No 535f. I-347

Δαναοί m. pl. ‘Danaer’, griechischer Stammesname (Argos), von Homer als Gesamtname für die Griechen gebraucht. Nach einer alten Überlieferung hätten die Danaer ihren Namen von dem aus Ägypten stammenden König Danaos bezogen. — Kretschmer Glotta 24, 15ff. sieht in den Danaern die Leute des Skythenkönigs Tanaus, die im 15. Jahrh. auch nach Argos gekommen und dort mit den Griechen verschmolzen wären. Hierher nach Kretschmer auch die Flußnamen Tanais und Donau, ebenso der indoiranische Volksname Dā́nu- und das davon abgeleitete aind. Dānavá-, im RV usw. Bez. götterfeindlicher Dämonen. I-347

δάνδηξ, -ηκος m. Ben. eines großen Hundes (Ps.-Kallisth. 2, 33 cod. B). — Herkunft unbekannt. I-347

δάνος n. ‘Gabe’ (Euph. 42), ‘Darlehen, Schuld’ (Kall. Epigr. 48). Ableitung δάνειον n. ‘Darlehen’ (D., Arist. usw.) mit δανειακός (Cod. Just.) und dem Denominativum δανείζω, -ομαι ‘ausleihen, borgen’ (att., vgl. Schwyzer 735 A. 6; hell. auch δανίζω), wovon δάνεισμα ‘Darlehen’ (Th., D. usw.), δανεισμός ‘Darlehen, Borgen’ (att., Arist. usw.) und δανειστής ‘Wucherer, Gläubiger’ (LXX, NT, Ph. usw.) mit δανειστικός (Thphr., Pap., Plu. usw.). — Eine parallele Form ist δάνας· μερίδας. Καρύστιοι H.; vgl. dazu Schwyzer 488. — Im Ausgang zu den sinnverwandten ἄφενος, κτῆνος usw. stimmend, kann δάνος ein suffinales ν enthalten und die Schwundstufe des in δῶρον : lat. dōnum enthaltenen r:n-Stammes repräsentieren (vgl. Curtius Grundz. 237). Anders Fick 1, 238 und 451 Brugmann Grundr. 22 : 1, 256: zu δατέομαι (s. d.); vgl. bes. aind. diná- ‘geteilt’ angebl. = *δανός. I-347

δάξ mit δαξασμός s. δάκνω. I-347

δάος s. δαίω. I-347

δαπάνη s. δάπτω. I-347

δάπεδον n. ‘Fußboden, Erdboden’ (vorw. poet. seit Od.), daneben ζάπεδον (Xenoph., Paros). — Eigentlich "Hausboden", alte Zusammensetzung von der Schwundstufe des in δεσ-πότης und δόμ-ος (s. auch δάμαρ) vorliegenden Wurzelnomens und πέδον. Eine nur im Stammauslaut abweichende Entsprechung scheint im Nordgermanischen erhalten zu sein: awno. topt, (a)schwed. tomt ‘Bauplatz’ (Bugge PBBeitr. 21, 42), die auf urg. *tum-feti- (= *δα-πεδι-) zurückgeführt werden können. Dasselbe Vorderglied liegt wahrscheinlich auch in lit. dim-stis ‘Hof, Gut, Hofraum’ vor (Fraenkel Lit. et. Wb. s. v. mit Lit.). — Die Form ζάπεδον muß umgekehrte Schreibung sein nach dem Wechsel ζα- : δα- als Intensivpräfix (Solmsen RhM 60, 500, Schwyzer 330); vgl. ζακόρος. Ohne Ableitungen. I-347-348

δάπις, -ιδος f. ‘Teppich, Decke’ mit dem Deminutiv δαπίδιον (Kom.). — Wahrscheinlich mit Güntert Reimwortbildungen 151 volksetymologische Umbildung von τά-πις, τάπης (s. d.) nach δάπεδον. I-348

δάπτω, Aor. δάψαι ‘zerreißen, zerfleischen, verzehren’ (poet. seit Il.). Kompp. ἀπο-, δια-, κατα-, davon καταδαπάνη und καταδαπανάω (Hdt., X.). Vom Verbalstamm: δαπάνη ‘Aufwand, Kosten’ (ion. att. seit Hes. Op. 723; vgl. σκάπτω : σκαπάνη) mit mehreren Ableitungen: δαπάνυλλα (Kerk.; künstliches Deminutivum, vgl. Leumann Glotta 32, 219 A. 3); δαπανηρός ‘verschwenderisch’ (Pl., X. usw.) mit δαπανηρία Arist.); denominativ δαπανάω ‘aufwenden, verzehren’ (Hdt., att.) mit δαπάνημα (X., Arist. usw.), δαπάνησις (Aristeas) und δαπανητικός ‘verzehrend’ (S. E. u. a.); δαπανητής nur EM; postverbal δάπανος = δαπανηρός (Th. 5, 103; Plu.); vereinzelt δαπανούμενα (Andania Ia) wie von δαπανόω oder -έω. — Vom Präsensstamm das vereinzelt belegte δάπτης ‘Zerreißer’ (Lyk.), falls nicht vielmehr δάπ-της; vom Aoriststamm δαψ- mit λ-Suffix δαψ-ιλής ‘üppig, reichlich, freigebig’ (ion., Arist., hell.; δαψιλός Emp., wohl älter, Solmsen IF 31, 461ff.) mit δαψίλεια (Arist., Plb. usw.) und δαψιλεύομαι (LXX, Ph. u. a.); zur Bildung vgl. die Lit. bei WP. 1, 764; zur Bedeutung A. Wilhelm Glotta 25, 269ff. — Zu δαρδάπτω s. bes. — Das als Grundlage von δάπ-τω anzusetzende δαπ- ist als Wurzelnomen in lat. daps ‘(Opfer)mahl’ tatsächlich vorhanden, ebenso im tochar. Prateritum tāp- ‘essen’ (Fraenkel IF 50, 7); das ν-Suffix in δαπάνη hat ein nahes Gegenstück in lat. damnum ‘Aufwand, Verlust’ und awno. tafn ‘Opfertier, Opfermahl’, beide aus idg. *dap-no-m, ebenso wie in arm. tawn ‘Fest’ (aus *dap-ni-). Auch aind. dāpayati ‘teilen’ könnte urverwandt sein, ist aber formal nicht eindeutig, von der abweichenden Bedeutung zu schweigen; zu den übrigen, sehr fraglichen Kombinationen s. WP. 1, 765f. — Bei Abtrennung von -π- kann natürlich weitere Anknüpfung an δατέομαι (s. d.) erwogen werden. — Lat. dapinō ist LW aus δαπανάω. I-348

δαράται f. pl. Ben. von Kuchen, die bei Eheschließung von einer Phratrie dargeboten wurden (Delphi V-IVa); δαρατος m. Ben. eines thessalischen Brotes (Seleuk. ap. Ath. 3, 114b, Nik.); δαρατον n. (Koropa VI-Va; nicht ganz sicher). — Der Vergleich mit aind. dū́rvā Art Hirsengras, mndl. tarwe ‘Weizen’, engl. tare ‘Unkraut, Lolch’ (zuletzt Specht KZ 66, 18ff.; ältere Lit. bei WP. 1, 803) oder gar mit lit. dirvà ‘Acker, Feld, Flur’ usw. (vgl. Fraenkel Lit. et. Wb. s. v.) ist in jeder Beziehung zweifelhaft. — Vgl. δράμις. I-348-349

δάρδα · μέλισσα H. — Wahrscheinlich lautnachahmende Reduplikationsbildung mit lautlichem Anklang an aind. dardurá- ‘Frosch, Flöte usw.’, lit. dardė́ti ‘klappern, rasseln, schwatzen’, air. dardaim ‘brüllen (vom Hirsch)’ usw.; weitere Formen und Lit. bei WP. 1, 795, Pok. 203f., Fraenkel Lit. et. Wb. 83. Andere Kombinationen bei Belardi Doxa 3, 202 (Δάρδανοι usw.). I-349

δαρδαίνει · μολύνει, ἀνεδάρδανε· ἀνεμόλυνε H. — Nach Specht KZ 66, 203f. als δαρ-δ-αίνω, -άνω (vgl. ἀλδαίνω, -άνω) zu einem Wort für ‘Kot’, das auch in ags. tord n. ‘Kot’, awno. torðyfill ‘Mistkäfer’, ebenso wie in lett. dìrst ‘cacare’, lit. dìrsė ‘Hintern, Hinterteil’ vorliegt. Auszugehen ist von idg. der- ‘schinden, abspalten’ (s. δέρω); δαρδαίνω somit eig. ‘abscheiden’, ags. tord (aus idg. *dr̥-tóm) ‘Abscheidung’. Nach Fick KZ 44, 339 hierher noch der illyrische Volksname Δαρδανεῖς eig. "Schmutzfinken"; das Wort könnte somit auch illyr.-makedonisch sein, wodurch sich auch andere Anknüpfungen bieten, s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. dìrsė, WP. 1, 861. I-349

δαρδάπτω nur im Präsensstamm bis auf δαρδάψῃ (Opp.), δαρδάψαι· ῥῆξαι, σπαράξαι, δεδάρδαφε· καταβέβρωκε H. ‘zerreißen, verprassen’ (Hom., Hp., Ar., Luk.) — Intensive Reduplikationsbildung, u. zw. entweder zu δάπτω mit schwer erklärbarem ρ oder, semantisch weniger ansprechend, aus *δαρ-δάρπτω bzw. *δαρ-δράπτω zu δρέπω. — Lit. bei Bq s. v., WP. 1, 764, Schwyzer 647. I-349

Δᾱρεικός (στατήρ) m. N. einer persischen Goldmünze (Hdt., Th., Ar. usw.), auch Δαρῐκός (Herod.) und -ιχός (Sparta), vgl. Schwyzer 196 A. 2 m. Lit. — Von den Griechen jedenfalls als "Dareiosmünze" (vgl. louisdor), nach dem Bild des Königs, verstanden. Wahrscheinlich wurde auch die Münze von den Griechen nach dem König benannt. Abweichend betrachtet Horn Neupers. Etymologie Nr. 654 Δαρεικός als eine volksetymologische Zurechtlegung von *δᾰρῐκός = babyl. da-ri-ku (Bed. unsicher) aus apers. *dari- = aw. zairi- ‘gelb’ (vgl. s. χλωρός); dagegen Schwyzer IF 49, 10ff. I-349

δαρθάνω ‘einschlafen’. als Simplex im Präsens nur Hierokl. in CA, Aor. ἔδραθον υ 143; sonst meist κατα-δαρθάνω (seit Pl., vgl. Schwyzer-Debrunner 476), auch ἐγκατα-, ἐπικατα-, συγκατα-, ferner noch ἀπο- und παρα-, Aor. -δραθεῖν (Od.), -δαρθεῖν, Perf. -δεδάρθηκα (att.), später Aor. -δαρθῆναι (vgl. Schwyzer 759 A. 3). Vorwiegend und ursprünglich nur im Aorist gebraucht (Präs. [καθ-]εύδω). Keine Ableitungen. — Die allgemeine Ähnlichkeit mit aind. drā́-ti ‘schlafen’, lat. dormiō ‘ds.’, aruss. ksl. drěmati ‘schlummern’ ist nicht zu verkennen; das θ kann ohne Zweifel ein sekundäres Formans sein, vgl. Benveniste Origines 191, Chantraine Gramm. hom. 1, 329. Über Versuche, die verschiedenen Formen miteinander in Einklang zu bringen, s. die Lit. bei WP. 1, 821. Weitere Lit. bei W.-Hofmann s. dormiō, Vasmer Russ. et. Wb. s. dremátь. I-349-350

δάρ[ε]ιρ · τὸ ἀπὸ τοῦ μεγάλου δακτύλου ἐπὶ τὸν μικρὸν διάστημα. δάριν· σπιθαμήν. ’Αρκάδες. H. S. 2. δῶρον. I-350

δάρκα (v. l. δάκαρ) Art κασία (Dsk. 1, 13). Daneben δάρκανος = ἐρυθρόδανον (Ps.-Dsk. 3, 143); zur Bildung vgl. ἄκανος, ῥάφανος usw. (Strömberg Pflanzennamen 144). — Unerklärte Fremdwörter. I-350

δάρκες · δέσμαι H. S. δράσσομαι. I-350

δάρπη · σαργάνη, κόφινος H. ‘Korb’. — Nach Güntert IF 45, 347 Kreuzung von τάρπη (s. d.) und *δάρφη = aind. darbhá- ‘Grasbüschel, Gras’ usw. (WP. 1, 808, Pok. 211f.); nach Bechtel Dial. 2, 289 kann δ- für τ- "der vulgären Sprechweise" zugeschrieben werden. I-350

δᾴς, δᾳδός s. δαίω. I-350

δάσκιλλος m. N. eines unbekannten Fisches (Arist. HA 591 a 14: τέρπεται τῷ βορβόρῳ καὶ κόπρῳ). — Scheint der Form nach ein geminierter Kosename zu sein (Schwyzer 485). Wood AmJPh 48, 303 erklärt es aus δά-σκιος ‘schattenreich’ (s. δα-); über Fischnamen, die von σκιά abgeleitet sind, z. B. σκίαινα (nach der dunklen Farbe), s. Strömberg Fischnamen 27. I-350

δασπλῆτις (ο 234, Theok.); auch δασπλής, -ῆτος f. (Simon., Euph., Nonn.; -ῆτε als m. du. Nik.), δασπλήτης m. (An. Ox.). Beiwort der Erinyen, der Hekate, der Eumeniden usw.; f. Bedeutung schon in der Antike unbekannt. — Bildung wie χερνῆτις, κυνηγέτις usw. (Schwyzer 451). Mehrere Erklärungsversuche. Bei einer Zerlegung δασ-πλῆτις erhält man einen formal sehr ansprechenden, semantisch ungenügend begründeten Anschluß an πλησίον, ἄ-πλητος, dor. ἄ-πλᾱτος ‘unnahbar’, πλᾶτις ‘Gattin’ (Bechtel Lexil. mit vielen Vorgängern, s. Curtius Grundz. 278). Im Vorderglied wurde dabei teils δασύς (Osthoff MU 2, 46ff.), teils eine schwundstufige Genetivform von δα- ‘Haus’ in δά-πεδον (neben der Hochstufe in δεσ-πότης) vermutet (Fick BB 20, 179 usw.). — Anders Solmsen RhM 60, 497ff.: δα-σπλῆτις zu σφαλάσσειν, σπολάς usw. (s. ἀσπάλαξ) mit verstärkendem δα- wie in δα-φοινός; formal wenig befriedigend. Vgl. die Kritik dieser und anderer Vorschlage bei Kretschmer Glotta 4, 349; 8, 252. Abweichende Deutung des Vorderglieds bei Schwyzer 451 A. 4: aus *δατ-σπλῆτις ‘mit den Zähnen zerreißend’, zu schwundstufigem ὀδόντ- ohne Anfangsvokal (?). I-350-351

δασύς ‘dichtbewachsen, haarig, dichtbelaubt’, auch ‘aspiriert’ als Grammatikerterminus (ion. att. seit Od.). Kompp. ἀμφί- (Hom.), ἐν- (Dsk.), ἐπί- (Thphr.), ὑπέρ- (X., Ael.), ὑπό- (Dsk.). Ableitungen: δασύτης ‘Behaarung, Aspiration’ (Arist., Plb. usw.), δάσος n. ‘Dickicht, Behaarung’ (Men., Str. usw.), δάσυμα Bez. einer Augenkrankheit = τράχωμα (Sever. Med.; zur denominalen Ableitung vgl. Chantraine Formation 186f.); δασυλλίς f. Kosename des Bären (EM 248, 55; zum Bildungstypus Leumann Glotta 32, 218f.); Δασύλλιος Bein. des Dionysos (Paus.; nach EM l. c. παρὰ τὸ δασύνειν τὰς ἀμπέλους). Denominatives Verb: δασύνομαι, -ω ‘haarig werden bzw. machen usw.’ (Ar., Hp., Thphr. usw.) mit δασυντής, -τικός ‘aspirierend’ (Gramm.; von den Attikern), δασυσμός (Dsk.). — Daneben δασκόν· δασύ H.; vgl. Specht Ursprung 64, 188, falls nicht mit Latte z. St. aus δάσκιον entstellt. Zu δάσκιλλος s. bes. — Die Richtigkeit der alten Zusammenstellung mit lat. dēnsus hängt davon ab, ob -σ- hinter sonantischem erhalten blieb; s. zu dieser strittigen Frage Schwyzer 307 m. Lit., Hoenigswald Lang. 29, 290f. Für ein ursprüngliches *δατύς sind von Brugmann Sächs. Ber. 1901, 92ff. die mehrdeutigen EN Δατυς (delph.), Δατυου (phthiot.) angeführt worden. Gegen unmittelbare Identität von δασύς : dēnsus spricht jedenfalls der lat. o-Stamm; man hätte vielmehr *densuis erwartet. Die Grundform von dēnsus bleibt ebenfalls unsicher: *dens-os, *dn̥s-os, *densu̯os, *dn̥t-tos?, s. W.-Hofmann s. v., wo auch reiche Lit.; dazu noch Szemerényi Glotta 33, 257ff. — Alb. dënt ‘mache dicht, walke usw.’ ist besser fernzuhalten, s. Jokl bei W.-Hofmann s. v. Heth. daššuš ‘schwer, stark, fest’ läßt sich schwerlich gleichzeitig mit δασύς und dēnsus vereinigen, da für idg. zunächst heth. an zu erwarten wäre (anders Szemerényi KZ 73, 76). I-351

δατέομαι, ‘unter sich verteilen, (zu)teilen’ (ep. ion. kret. herakl. ark. seit Il.; zur Verbreitung Leumann Hom. Wörter 281); Aor. δάσ(σ)ασθαι, Perf. δέδασμαι aus dem Aor. neugebildetes Präsens δάσσω (Kall. Fr. anon. 145). Kompp. ἀνα- (mit ἀναδασμός ‘Bodenreform’), ἀπο- (mit -δάσιμος, -δασμός), δια-, ἐν-, κατα-, ποτ-. Ableitungen: δατητής ‘Verteiler, Liquidator’ (A., Arist. usw.), δατήριος ‘verteilend’ (A. Th. 711; haplologisch für *δατητήριος, Fraenkel Glotta 2, 31f.), δάτησις (Poll.). — δασμός ‘Verteilung, Tribut’ (seit Il.; aus *δατ-σμός, Schwyzer 321 und 493), δάσμευσις ‘Verteilung’ (X., wie von *δασμεύω; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 129 m. A. 3), δάσματα· μερίσματα H.; δαστήρ Ben. einer Behörde (Aetol.). — Erweiterte Präsensform δατύσσειν· λαφύσσειν, ἐσθίειν H. (nach λαφύσσειν; Näheres bei Debrunner IF 21, 242), vom Aoriststamm gebildetes Iterativpräteritum δασάσκετο (Ι 333). — Ohne sichere Entsprechung. Der Vergleich mit got. ungatassἄτακτος’ (vgl. ἄ-δαστος S.), ahd. zetten ‘streuen, ausbreiten’, nhd. verzetteln und anderen german. Wörtern (WP. 1, 766, Pok. 177f.) hat natürlich nur hypothetischen Wert. Die naheliegende Beziehung zu δαίομαι, δάπτω führt auf Abtrennung des -τ- als eines sekundären nominalen Suffixes, wobei δᾰ- als Schwundstufe der in δῆμος, δᾶμος vorliegenden sekundären Hochstufe von dāi- (s. δαίομαι) anzusehen ist. Zur Präsensbildung vgl. πατέομαι und Schwyzer 705f. und 676. — Aind. dita- ‘geteilt’ ist eine Neubildung des klassischen Sanskrit. I-351-352

δαῦκος m. N. verschiedener Umbellaten (Athamanta Cretensis, Peucedanum Cervaria, Daucus Carota; Hp., Dsk., Gal., H. usw.; zur Begriffsbestimmung Andrews ClassPhil. 44, 185); auch δαῦκον (Thphr.), δαύκειον (Nik.), δαυκίον (Gp.); daneben δαυχμός (Nik.), vgl. zu δάφνη. Davon δαυκίτης (οἶνος), vgl. Redard Les noms grecs en -της 96. — Die fraglichen Pflanzen sind alle durch ihren scharfgewürzhaften Geruch bzw. den bitteren oder sogar brennenden Geschmack der Wurzel gekennzeichnet, wodurch sich eine Anknüpfung an δαίω ‘anzünden, brennen’ zur Not rechtfertigen ließe; s. Solmsen IF 26, 106f., Wortf. 118 A. 1, wo auch auf die Scholien zu Nik. Th. 94 anläßlich von δαυχμός (v. l. δαῦκος) hingewiesen wird: Πλούταρχος πλείονα μέν φησι γένη τῆς βοτάνης εἶναι, τὸ δὲ κοινὸν τῆς δυνάμεως ἰδίωμα δριμὺ καὶ πυρῶδες. Weit näher liegt indessen die Annahme, daß die Daukospflanze ihren Namen von dem gummiartigen Saft bezogen hätte, der von gewissen Arten abgesondert wird und mit heller Flamme brennt; vgl. dazu δαυχμόν· εὔκαυστον ξύλον δάφνης. Zu beachten die Form καῦκον bei Ps.-Dsk. 2, 139, die durch Kreuzung mit κάω, καῦσαι entstanden ist. — Auch δαῦκος· ὁ θρασύς H. kann als "der Feurige" (von *δαυκός ‘brennend’) zu δαίω gehören (Solmsen a. a. O.). — Mediterraner Ursprung ist allerdings keineswegs ausgeschlossen. I-352

δαυλός, δαῦλος ‘dicht bewachsen’ (A. Supp. 93, Fr. 27, Nonn., Paus. Gr., H.). Komp. ἔνδαυλον· λοχ<μ>ῶδες, δασύ H. — Zur Bildung vgl. die Opposita ψωλός, ψιλός (Chantraine Formation 238). Direkte Beziehung zu δασύς ist lautlich unmöglich; wenn für δασύς ein τ-Formans angenommen wird (s. s. v.), kann natürlich δαυλός aus *dn̥su-lo- (s. Curtius Grundz. 233) bei dēnsus bleiben. Walde (s. WP. 1, 794) will mit Prellwitz δαῦλος (neben δά-σκιος A. Supp. 93) als δά-υλος (zu ὕλη) erklären. I-352-353

δαύω ‘schlafen’ (Sapph. 83), ἔδαυσεν· ἐκοιμήθη; ἀδαύως· ἐγρηγόρως H. — Reimwort zu ἰαύω, aber sonst unerklärt. Unwahrscheinliche Hypothese bei Güntert Reimwortbildungen 163. Nicht besser Bechtel Dial. 1, 118: zu aind. doṣā́ ‘Abend’ usw.; vgl. zu δείελος. I-353

δάφνη ‘Lorbeerbaum, -zweig, Lorbeer’ (seit Od.). Nebenformen: λάφνη· δάφνη. Περγαῖοι H. und δαύχνα (thess., kypr.) mit Δαυχναῖος (Aetol.); auch δαυχμός (Nik., H.; s. δαῦκος). f. Ableitungen: δαφνίς ‘Lorbeer, -baum’ (Hp., Thphr., Pap.; vgl. κεδρίς und Chantraine Formation 343), δαφνών ‘Lorbeerhain’ (Str. usw.), δαφνῖτις ‘Kassia aus Lorbeer usw.’ (Dsk., Gal. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 70f.), -ίτης (οἶνος, Gp.), Bein. des Apollon in Syrakus (H., EM). Adjektiva: δαφνώδης ‘lorbeerreich, -artig’ (E., Thphr.), δάφνινος ‘aus L. gemacht’ (Thphr. u. a.), δαφνιακός (AP, nach διονυσιακός usw.), δαφνήεις ‘lorbeerreich’ (Nonn.), δαφναῖος ‘zum L. gehörig’ (Nonn.), auch Bein. des Apollon (AP, Nonn.), Δαφναία Bein. der Artemis in Sparta (Paus.), auch Δαφνία (Olympia, Str.). — Δάφνις m. PN, Δαφνοῦς ON usw. — Wie das damit irgendwie zusammenhängende lat. laurus ist auch δάφνη ein unerklärtes Mittelmeerwort. Die wechselnden Formen sind teils als Varianten der gebenden Sprache, teils als wechselnde Wiedergabe bei der Entlehnung verständlich. — Solmsen Wortforschung 118 A. 1 und Bechtel Dial. 1, 205, Gött. Nachr. 1919, 343f. wollen δαύχνα, δαυχμός von δάφνη trennen und zu δαῦκος (s. d.) mit weiterem Anschluß an δαίω ‘anzünden’ ziehen; kaum überzeugend. Allerhand unmögliche idg. Etymologien bei W.-Hofmann s. laurus, wo auch weitere reiche Lit. I-353

δαφοινός s. δα- und φοινός. I-353

δαψιλής s. δάπτω. I-353

δέ ‘aber, und’ postpositive anknüpfende (adversative und kopulative) Partikel (seit Il.) — Wahrscheinlich mit Leumann Mus. Helv. 6, 85ff. durch Vokalreduktion aus δή (s. d.) infolge Funktions- und Lautschwächung entstanden. Nach Anderen, z. B. Delbrück Vergl. Synt. 2, 502ff., mit aksl. žeδέ’ identisch; wieder anders Brugmann Grundr.2 II 3, 999: zu ὅ-δε, οἶκόν-δε. — Weitere Einzelheiten bei Schwyzer-Debrunner 562 m. A. 1-4, wo auch über den Gebrauch. I-353

-δε lokale (deiktische) Postposition mit richtungsbezeichnendem Akkusativ, ursprünglich δέ akzentuiert (A. D., Hdn.), dann zum Unterschied von δέ ‘aber’ als Enklitikon behandelt (seit Il.). — Mit aw. -da (vaēsmən-da ‘zum Haus hin’) identisch; damit ablautend aksl. do (idg. *dŏ) ‘bis zu’, germ., z. B. ags. to, ahd. zuo ‘zu’ (idg. *dō); in Betracht kommen ferner lat. in-de und en-do, indu. — Die deiktische Funktion von -δε kommt auch in ὅ-δε usw. zum Vorschein. Einzelheiten mit Lit. bei Schwyzer 624, WP. 1, 769f., W.-Hofmann s. dē, Vasmer Russ. et. Wb. s. do. — S. auch δεῦρο. I-354

δέατο ‘schien’ daneben δεάμην· ἐδοκίμαζον, ἐδόξαζον und δέαται· φαίνεται, δοκεῖ H. ebenso wie die arkadischen Konj. δέᾱτοι und (Aor.) δεά[σε]τοι. Hierher wahrscheinlich auch der Aorist δοάσσατο, Konj. δοάσσεται (Hom.) für *δεάσσατο, -εται nach ἔδοξε (Wackernagel Unt. 61f.). — Zweisilbiger Verbalstamm δέᾰ-το (Schwyzer 680f.), der auch dem Adjektiv δῆλος (s. d.) aus *δέα-λος zugrunde liegt. Ohne genaue außergriechische Entsprechung. Einsilbige Formen mit entsprechender Bed. im Altindischen, z. B. dī́-de-ti ‘scheint’, Ipv. di-dī-hí, idg. dei-, dī-, letzteres somit als Reduktionsstufe gegenüber dem zweisilbigen deiə- in δέα-το. — Vgl. auch δῖος und Ζεύς. I-354

δέδαε s. δαῆναι. I-354

δέδια, δεδίσκομαι, δεδίττομαι usw. s. δείδω. I-354

δέελος s. δῆλος. I-354

δεῖ s. 2. δέω, δέομαι. I-354

δειδίσκομαι s. δηδέχαται. I-354

δείδω ‘(sich) fürchten’ (Hom.), altes Perfekt aus *δέ-δϝοι-α; Plur. δείδιμεν aus *δέ-δϝι-μεν, wozu ein neuer Sing. δείδια (Hom.; zur Erklärung Debrunner Mus. Helv. 3, 44f.), att. δέδιμεν, δέδια; daneben ein neues Perfekt δείδοικα, att. δέδοικα aus *δέ-δϝοι-κα (Spur davon in δεδροικώς [für δεδϝοι-]· <δε>δοικώς H.?), wozu ein neues Präsens δεδοίκω, Fut. δεδοικήσω (Sizilien); sigmatischer Aorist δε ῖσαι (seit Il.) aus *δϝεῖ-σαι (ἔδδεισε = *ἔ-δϝει-σε), themat. Wurzelaor. wahrscheinlich in περὶ γὰρ δίε (Ε 566 usw.) und δίον (Χ 251) aus *δϝί-ε, -ον (Hom.); vgl. zu δίεμαι; Fut. δείσομαι (seit Il.); altes Präsens fehlt. — Einzelheiten bei Schwyzer 769, 774, 782 usw. Mehrere Nominalbildungen, die aber infolge der Lautentwicklung größtenteils gegenüber dem Verb eine selbständige Stellung behaupten. Zu δείδω wurde immerhin δειδ-ήμων (Γ 56, Nonn.) nach den Adj. auf -ήμων (δαή-μων usw.) neugebildet; der Umweg über *δε-δϝει-ήμων (Schulze Q. 249) ist entbehrlich. Zu δεῖσαι außerdem δεισίλος· δειλός H.; zu δέδοικα : δεδείκελον· ἀεὶ φοβούμενον, δειλόν H. — Vgl. noch δέος, δεῖμα, δειλός, δεινός (s.vv.). — Expressives Deverbativum: δειδίσσομαι (ep.), att. δεδίττομαι, Aor. δειδίξασθαι, δεδίξασθαι ‘schrecken, erschrecken’, zunächst aus *δεδϝικι̯ομαι, falls nicht einfach Analogiebildung nach den Verba auf *(ί)σσω; schwerlich zu der unbelegten Schwundstufe von *δέδϝοικ-α. Neubildung nach den σκ-Verba δεδίσκομαι (Ar.). — Zu vergleichen ist in erster Linie das synonyme arm. erknč̣im, Aor. erkeay ‘fürchten’ mit dem Verbalabstraktum erkiwl ‘Furcht’. Auf idg. *du̯(e)i(s)- zurückführbar kann erke-ay zu *δϝεῖσ-αι genau stimmen. Das Präsens erknč̣im gehört zu einem ziemlich zahlreich vertretenen Typus mit infigiertem Nasal und suffixalem č̣, das auf eine Kombination sḱ-- zurückzugehen scheint; theoretische Grundform somit *du̯i-n-sḱ--. Die allgemeine Ähnlichkeit mit δεδίττομαι, δεδίσκομαι wird zufällig sein. Aus dem Iranischen gehört hierher das isolierte aw. dvaēϑā ‘Bedrohung’; in Betracht kommen ferner lat. dīrus ‘unheilvoll, grausig’, falls mundartliche Entwicklung aus *du̯ei-ros; mit s-Erweiterung und abweichender Bedeutung aind. dvéṣṭi ‘hassen’. — Über den oft erwogenen weiteren Zusammenhang mit δίς, δύω s. zuletzt Benveniste Word 10, 254f.; ältere Lit. bei WP. 1, 816f., W.-Hofmann s. dīrus. I-354-355

δείελος (-όν Hdn.) ‘nachmittägig, abendlich’, m. ‘Abend’ (ep. poet.), δείελον n. ‘Abendessen’ (Kall.); denominatives Verb δειελιήσας ‘gevespert habend’ (ρ 599; nach ἑστιήσας). Daneben δείλη f. ‘Nachmittag, Abend’ (nachhom.; auch Φ 111, falls nicht vielmehr δειέλη zu lesen, Wackernagel Unt. 166) mit δειλινός (LXX, Str., Plu. usw.), poet. δειελινός (Theok., Kall.). — Isolierte Denominativform δείλετο (η 289 nach Aristarch für δύσετο); vgl. θέρμετο zu θερμός u. a. m., Schwyzer 722f. — Sehr unsicher εὔδειλος (Alk. POxy. 2165 I 3) als Beiw. von λόφος; nach Gentili Maia 2 : 3, 1f. = ‘dal bel tramonto’ (?); s. εὐδείελος. — Nicht sicher erklärt. Semantisch ansprechend zieht Solmsen Unt. 87ff. einige indoiran. Wörter heran, aind. doṣā́ ‘Abend’, aw. daōšatara- ‘gegen Abend gelegen, westlich’, npers. dōš ‘die letztvergangene Nacht’, idg. deus-, dous-; dabei wäre δείελος metrische Dehnung für *δέελος aus *δεύσελος, δείλη durch Kontraktion entstanden. Weitere Anknüpfungen s. δύω. — Ältere Deutungsvorschläge bei Bq. I-355

δεικανόωντο s. δηδέχαται. I-355

δείκνυμι, auch thematisch δεικνύω (gewöhnlich als jüngere Bildung aufgefaßt; anders Bonfante BSL 34, 133ff.), kret. δίκνυτι, Aor. δεῖξαι ‘zeigen’ (seit Il.). Oft mit Präfix: ἀπο-, ἐν-, ἐπι-, κατα-, παραδείκνυμι usw. Ableitungen. Verbalabstrakta: δεῖξις, vorw. von Komposita: ἀπό-, ἔν-, ἐπί-δειξις usw. (ion. att.) mit wechselnden Bedeutungen; δεῖγμα ‘Probe, Warenhalle’, παρά-, ἔν-, ἐπί-δειγμα usw. (ion. att.) mit analogischem γ (Schwyzer 769 A. 6), wozu παρα-δειγματικός, δειγματίζω, δειγματισμός usw. (Arist., hell. und spät). Nom. agentis: δείκτης, ἐν-, προ-δείκτης usw. (hell. und spät) mit δεικτικός, ἀπο-, ἐν-δεικτικός usw. (att., Arist. usw.; auch auf δεῖξις, δείκνυμι beziehbar). Nomen loci: δεικτήριον ‘Schauplatz’ (Pap., EM) mit δεικτηριάς f. ‘Mime’ (Plb.). — Für sich steht δείκηλον ‘(mimische) Darstellung, Bild, Skulptur’ (Hdt., A. R., J. usw.; zum Suffix vgl. Chantraine Formation 242, Schwyzer 484) mit δεικηλίκτᾱς (dor.) ‘Schauspieler, ὑποκριτής’ (Plu., Ath.); auch δείκελον (Demokr. u. a., nach εἴκελος usw.) und δείκανον (EM). — Zu δίκη s. bes. — Neben dem primären νυ-Präsens mit sekundärer Hochstufe (Ausnahme kret. δίκνυτι), die auch alle übrigen Formen und Ableitungen bis auf δίκη erobert hat, steht im Italischen, Germanischen und Altindischen ein thematisches Wurzelpräsens mit Hochstufe in lat. dīcō (alt deicō) ‘sprechen’, got. ga-teihan ‘anzeigen, verkündigen’, ahd. zīhanzeihen, beschuldigen’ usw. (Fachwort der italisch-germanischen Rechtssprache, s. Porzig Gliederung 113); mit Schwachstufe in aind. diśáti ‘zeigen, weisen’ (= gr. δικεῖν ‘werfen’, s. d.). Auch andere Bildungen kommen vor, z. B. im Altindischen das Intensivum dédiṣṭe, im Iranischen das Jotpräsens aw. disyeiti ‘zeigen’; im Italischen und Germanischen die Deverbativa lat. dĭcāre ‘feierlich verkünden’, ahd. zeigōnzeigen’. Für sich steht heth. tekkuššāmi ‘ich zeige’ mit unerklärter uš-Erweiterung. — Weitere Formen und Literatur bei WP. 1, 776f., Pok. 188f., W.-Hofmann s. dīcō. Monographische Behandlung von J. Gonda Δείκνυμι. Diss. Utrecht 1929. I-355-356

δείλη, δείλετο s. δείελος. I-356

δειλός ‘furchtsam, elend’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.). Kompp. ἄ-, θρασύ-, πάν-, περί-. Ableitungen: Abstraktum δειλία ‘Feigheit, Nichtswürdigkeit’ (ion. att.) mit δειλιάω ‘sich fürchten’ (LXX, D. S. u. a.), ἀπο-δειλιάω (Pl., X. usw.) und (ἀπο-)δειλίασις (Plb., Plu.). Von δειλός auch δειλότης (H.) und die Denominativa δειλαίνω ‘furchtsam sein’ (Arist., Luk. u. a.), δειλόομαι (S. Ichn. 150?, LXX, D. S.). Daneben von δειλία : δειλιαίνω ‘in Furcht setzen’ (LXX). — Expressive Erweiterungen von δειλός : δείλαιος ‘elend, bedauernswert’ (Emp., Trag., Lys. usw.; vgl. μάταιος und Chantraine Formation 46ff.) mit δειλαιότης (Sch.); mit infigiertem -ακ- (Frisk Nom. 63f.): δείλακρος (Ar.), wovon δειλακρίων (Ar.; vgl. Chantraine 165) und δειλακρίνας (EM). — Grundform *δϝει-λός bzw. *δϝει-ελός (so Schulze Q. 244 A. 2; λ-Stamm neben *δϝεῖος > δέος wie νεφέλη : νέφος ?); zum Suffix vgl. ἔκπαγλος ‘erschrecklich’ und die Ausdrücke für Gebrechen bei Chantraine 238; weitere Beziehungen s. δείδω. — Abzulehnen Kuiper ZII 8, 255ff.: zu aind. dīná- ‘schwach, gering, elend’. I-356-357

δεῖμα n. ‘Furcht, Schreck’ (vorw. ep. poet. seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 267, 278f.). Ableitungen: δειμαλέος ‘furchtsam, furchtbar’ ([Arist.] Phgn., Mosch. u. a.; vgl. θαρσαλέος, σμερδαλέος usw.), δειματόεις (AP), δειματηρός (A. D.), δειματώδης (Aret.), Δειματίας Bein. d. Zeus (D. H.), Δείμας EN (vgl. Schwyzer 526 A. 5). Älter sind die Denominativa: δειμαίνω nur im Präsensstamm ‘(sich) fürchten’ (seit h. Ap.), δειματόομαι, -όω ‘erschrecken’ bzw. ‘in Furcht setzen’ (Hdt., A. usw.) mit δειμάτωσις. — Neben δεῖμα steht das meistens personifizierte Δεῖμος ‘der Schrecken’ (Il. u. a.; neben Φόβος, Ἔρις usw.; vgl. Chantraine Formation 182, Schwyzer-Debrunner 37, Porzig 283). — Aus *δϝεῖ-μα, Verbalabstraktum zu δείδω, s. d. I-357

δεῖνα, ὁ (ἡ, τό), τοῦ δεῖνος, οἱ δεῖνες usw., bisweilen indekl. τοῦ δεῖνα (weitere Formen bei Schwyzer 612), immer mit Artikel ‘N. N., der und der’ (att.). — Unerklärt. Nach gewöhnlicher Auffassung aus dem Plur. *τάδε ἔνα (vgl. ἐκεῖνος) ‘dies (und) jenes’ > *ταδεῖνα erwachsen, wozu ὁ δεῖνα usw. als Analogiebildung. Dagegen spricht vor allem, daß die Singularformen ungleich gewöhnlicher als die Pluralformen sind. — Unhaltbare Kombination bei Messing Lang. 23, 210f., s. Belardi Doxa 3, 202f. I-357

δεινός ‘furchtbar’, auch ‘außerordentlich, tüchtig usw.’ (seit Il.; vgl. zur Bedeutungsentwicklung Schwyzer 38). Kompp. πάν-, περί-, ὑπέρ-. Davon δεινότης (att.), vorw. als rhetorischer Terminus, s. L. Voit Δεινότης. Ein antiker Stilbegriff. Leipzig 1934. Denominativa: δεινόω ‘übertreiben, vergrößern’ (Th., Plu.), wovon δείνωσις (Pl. u. a.) mit δεινωτικός (Corn.) und δείνωμα (Phld.); δεινάζω ‘in Bedrängnis sein’ (LXX). — EN Δϝε̄νίας (kor.). Expressive Erweiterung Δεινάκων (Inschr.; Schwyzer 417 A. 1). — Aus *δϝει-νός als Verbaladjektiv zu δείδω (s. d.). Wegen der bei den no-Adjektiven vorherrschenden Schwundstufe der Wurzel kommt auch Anknüpfung an δέος (aus *δϝεῖος) in Betracht; zu *δϝεῖ-ος : *δϝει-νός vgl. ἔρεβος : ἐρεμ-νός. Das Wortpaar κλεινός (aus *κλεϝεσ-νός) : ἀ-κλε(ϝ)ής legt übrigens auch für δεινός neben *ἀ-δϝειής (> ἀ-δεής) eine Grundform *δϝειεσ-νός mit früh eingetretener Kontraktion nahe. I-357-358

δεῖπνον n. (seit Il.) ‘Mahlzeit’, bes. Benennung der Hauptmahlzeit, die bei Homer zu verschiedenen Tagesstunden, in Athen am Abend, eingenommen wurde. Kompp. mit -δεῖπνον im 2. Glied: 1. subst. ἀριστό-, λογό-, ψευδό-; 2. viele Bahuvrihi auf -δειπνος wie ἄ-, σύν-, φιλό-. Ableitungen. Deminutiva: δειπνίον (Ar.), δειπνάριον (Diph., AP). — δειπνῖτις (στολή) ‘Mahlzeitskleid’ (D. C.; vgl. Redard noms grecs en -της 111); δειπνοσύνη = δεῖπνον (Matro; parodierend); Δειπνεύς m. N. eines Heros in Achaia (Ath.; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 121). — Denominative Verba: 1. δειπνέω ‘das δεῖπνον einnehmen’ (seit Il.), wovon δειπνητής ‘Mittagsgast’ (Plb.) mit δειπνητικός (Ar. u. a.) und δειπνητήριον ‘Speisesaal’ (J., Plu. u. a.). Kompp. mit ἀπο-, ἐκ-, ἐπι-, κατα-, μετα-, περι-, προ-, συν-, ὑπερ-, ὑπο-. Davon Rückbildungen wie σύνδειπνον ‘gemeinsames Mahl’. 2. δειπνίζω ‘bewirten’ (seit Od.) mit δειπνιστήριον ‘Speisesaal’ (Mantinea Ia usw.); zum Bedeutungsunterschied zwischen δειπνέω und δειπνίζω vgl. Schwyzer 736. — Zusammenbildung δείπνηστος (-ός), scil. καιρός ‘Essenszeit’ (ρ 170, Nik.), von δεῖπνον und ἐδ- ‘essen’ (kompositionelle Dehnung) mittels des το-Suffixes wie in δορπηστός und ἄριστον; daraus umgebildet δειπνηστύς ‘ds.’ (H.). Ohne Etymologie; allem Anschein nach ein mediterranes Kulturwort neben den altererbten δαίς, δαίτη. I-358

δειράς, -άδος (poet. seit h. Ap.; πολυδειράδος Οὐλύμποιο am Versende Α 499 usw.), kret. δηράς f. ‘Anhöhe, Bergrücken’. Davon mit Überspringung des Suffixes (oder durch Beziehung auf δειρή; s. unten) δειραῖος ‘hügelig’; ebenso als Hinterglied ὑψί-δειρος. — Nebenform δεῖρος· λόφος. καὶ ἀνάντης τόπος H.; wohl nur aus ὑψί-δειρος falsch erschlossen. Zur Bildung vgl. Risch 134. — Als Grundform empfiehlt sich *δερσάς (zum Lautlichen Schwyzer 285), das sich nur in der Vokalstufe von aind. dr̥ṣád- ‘Fels, Mühlstein’ unterscheidet (Fick3 1, 106 usw.). Anders Ehrlich KZ 39, 569f.: aus *δερι̯ο- zu βορέας usw. (s. d.). — Spät auf δειρή bezogen (Schwyzer 507 A. 6 m. Lit.). I-358

δειρή s. δέρη. I-358

δειριᾶν ̌v. · λοιδορεῖσθαι. Λάκωνες, δειρεῖοι· λοίδοροι. οἱ αὐτοί, δερίαι· λοιδορίαι H. (Bechtel Dial. 2, 370 δεριᾶν, δεριαῖοι nach δερίαι; van Herwerden Lex. suppl. 192 δηριῆν usw.). — Unwahrscheinliche Hypothese bei Bezzenberger BB 16, 248, Zupitza Die german. Gutturale 78 (zu aind. járate ‘rauscht, tönt’, ahd. queran ‘seufzen’ usw.). Eher zu δέρω; vgl. die damit verwandten meng. mnd. terren ‘zanken, reizen’ usw.; s. auch λοιδορέω. I-358-359

δεῖσα f. ‘Dreck, Schlamm’ (Pap. seit IIa, Suid., EM), δείσ-οζος ‘nach Dreck riechend’ (AP). Davon δεισαλέος (Clem. Al., Suid., H.), δεισαλία = ἀκαθαρσία (Thd., H.); vgl. Debrunner IF 23, 23f. u. 38. Kompositum ἄδειος· ἀκάθαρτος. Κύπριοι H. mit regelrechtem Schwund des -σ- und α copulativum. — Unerklärt. Nach Solmsen Wortforsch. 236f. (wo ausführlich über die Bildung) zu aksl. židъkъ ‘succosus, ὑδαρός’, russ. židkij ‘dünnflüssig, schlank’ usw., die aber besser von Lidén Armen. Stud. 74f. zu arm. gēǰὑγρός, humidus’ gezogen werden (idg. *gheid-, *ghoid-i̯o-). S. auch Lasso de la Vega Emerita 22, 89 mit Referat älterer Deutungen. I-359

δεισίας (Akk. pl.) κρεῶν IG 22, 1356 (Attika IVa init). Daneben δεισιάδα· τὴν μοῖραν, οἱ δὲ διμοιρίαν H., vgl. διχάς ‘Hälfte’, μονάς usw. (Chantraine Formation 358). — Unerklärt. I-359

δέκα ‘zehn’. Kopulativ-Kompp. ἕν-, δώ-, auch δυώ-, δυό-. Davon als altererbte Bildung (vgl. unten) δέκατος (ark. lesb. δέκοτος wie ark. δυώδεκο) ‘der zehnte’; f. δεκάτη (sc. μερίς) ‘der Zehnte’ (ion. att.) mit δεκατεύω ‘den Zehnten eintreiben’ (ion. att.), wovon δεκάτευμα (Kall.), δεκάτευσις (D. H.), δεκατεία (Plu.), δεκατευτής (Harp.) und δεκατευτήριον ‘Zehnt-, Zollstätte’ (X.); vereinzelt δεκατόω ‘ds.’ (Ep. Hebr.); dazu δεκατός ‘zur Buße des Zehnten seines Vermögens verurteilt’ (kyren.), eher haplologisch für δεκα[τω]τός bzw. δεκα[τευ]τός als direkt von δέκα, s. Kretschmer Glotta 18, 212; — δεκάτη (sc. ἡμέρα) ‘der zehnte Tag des Monats bzw. nach der Geburt eines Kindes, wo die feierliche Namengebung stattfand’ (ion. att.) mit δεκαταῖος (Pl., Arist. u. a.; zur Bildung Schwyzer 596) und δεκατισταί (Bithynien; nach den Nomina auf -ισταί, vgl. Chantraine Formation 318f.). — δεκάς, -άδος f. ‘Dekade, Zehnergruppe, bes. von Soldaten’, überh. ‘Gruppe (von Soldaten) usw.’ (seit Β 126) mit δεκαδεύς ‘Angehöriger einer Dekade’ (X.) auch ‘Vorsitzender eines Zehnmännerkollegiums’ (Trozen), δεκαδικός (Herm. Alex. in Phdr. u. a.), δεκαδιστής, -ίστρια (Delos) = δεκατιστής; als Konj. Thphr. Char. 27, 11 (Näheres bei Fraenkel Nom. ag. 2, 71). — δεκανός ‘decurio, Aufseher’ mit δεκανία, δεκανικός (Pap. usw., vgl. Mayser Pap. 12 : 3, 88), nach v. Wilamowitz Glaube 2, 401 A. 2 makedonisch, dazu Schwyzer 71, 490, Instinsky, Reall. f. Antike u. Christentum 3, 603ff., jedenfalls nicht aus lat. decānus [nach primānus usw.], das erst spät belegt ist). — Semantisch isoliert steht das denominative δεκάζω ‘(Richter) bestechen’ (att.) mit δεκασμός (D. H., Plu.), volkstümlicher Ausdruck, eig. ‘in die δεκάς (scil. Λύκου), d. h. die Zahl der bestechlichen Richter eintragen’; Näheres bei Oldfather P.-W. 13, 2398f. — Sehr unsicher altatt. δεκᾶν (IG 12, 919). — Gr. δέκα, lat. decem, aind. dáśa und übrige damit identische Wörter für ‘zehn’ gehen auf idg. *déḱm̥ zurück. Daneben stand eine kollektive t-Erweiterung (s. zuletzt Sommer Zum Zahlwort 21 A. 1; auch über δεκάκις, -ιν) in aind. daśát, lit. dẽšimt, aksl. desętь, alb. djetë ‘zehn’, die auch den Ordinalia δέκατος, lit. dešim̃tas, aksl. desętъ, got. taihunda usw., idg. *déḱm̥tos, zugrunde liegen kann (anders Meillet BSL 29, 29f.; vgl. noch Porzig Gliederung 198). Lat. decimus, aind. daśamá- usw. dagegen aus *dḱm̥mos. — Das kollektive δεκάς ist dagegen griechische Neubildung: zum Suffix (= heth. -ant/d-) Sommer Münch. Stud. z. Sprachwiss. 4, 1ff. — Reiche Lit. bei W.-Hofmann s. decem, auch mit glottogonischen Etymologien; dazu noch Brandenstein Die erste idg. Wanderung (Wien 1936) 22. S. auch εἴκοσι und ἑκατόν. I-359-360

δεκάζω ‘(Richter) bestechen’, — von δεκάς; s. δέκα. I-360

δέκομαι s. δέχομαι. I-360

δεκτή · χλαῖνα, χλανίς H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 25 A. 1 durch Dissimilation aus *τεκτή, zu lat. tego, toga. — Ganz unwahrscheinlich. I-360

δέλεαρ, -ατος n. ‘Köder, Lockspeise’ (ion. att.). Denominatives Verb δελεάζω ‘ködern’ (ion. att.) mit δελέασμα (Ar.), δελεασμάτιον (Philox.), δελεασμός (Arist., A. D.) und den Nomina instrumenti δελεάστρα ‘geköderte Falle’ (Kratin.), δελέαστρον ‘ds.’ (Nikoph.); zu den letztgenannten δελαστρεύς ‘Fischer mit Köderfalle’ (Nik.; für *δελεα- metri causa, vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 68). — Daneben in derselben Bedeutung δείλατα pl. (Kall. Fr. 458), δελήτιον (Sophr.; δελῆτι· δελέατι H.), δέλετρον (Numen. ap. Ath., Opp.; nach den Nomina instr. auf -τρον), δέλος (PMagPar. 1, 939, Eust.; Neubildung nach den Neutra auf -ος). — Der Plural δέλευρα (Ath.) läßt für δέλεαρ auf einen ursprünglichen r-n-Stamm *δέλε-ϝαρ schließen; vgl. ἄλευρα : *ἄλε-ϝαρ. Das zweisilbige δελε- liegt auch vor im Deminutivum δελήτιον aus *δελεάτιον (vgl. auch ἄλητος zu ἀλέω, das freilich auch anders erklärt werden kann) und in der Neubildung δέλετρον (vgl. Chantraine Formation 332f.); es könnte sich auch mit der späten Neubildung δέλος vertragen. Davon abweichend nur die späte Zurechtlegung δείλατα aus *δέλ-ϝατα. Neben dem zweisilbigen δελε- steht regelrecht das einsilbige βλη- in βλῆρ (Alk.) aus *βλῆ-(ϝ)αρ bzw. *βλέ-(ϝ)αρ, s. βλέτυες. — Der an und für sich möglichen Annahme, δέλεαρ und βλῆρ seien durch Dissimilation aus *δέρεαρ und *βρῆρ entstanden und mit βιβρώσκω (s. d.), ahd. querdar ‘Köder’ verwandt (J. Schmidt KZ 25, 153, Schulze Q. 102f.), stehen einerseits Fälle wie πεῖραρ, φρέαρ mit unterbliebener Dissimilation, anderseits βλωμός usw. (s. d.) entgegen. So bleiben δέλεαρ und Verwandte mit anlautendem Labiovelar g- besser bei arm. klanem, Aor. ekul ‘verschlingen’, wozu noch russ. gɫotátь ‘schlucken’, gɫot ‘Schluck’, lat. gula ‘Schlund’, gluttio ‘verschlucken’. Besonders für die lateinischen, aber auch für die armenischen und slavischen Wörter kommt indessen dabei auch der rein velare Anlaut in Betracht, der durch das Keltische und Germanische, z. B. air. gelid ‘verzehrt’, ahd. kela ‘Kehle’, sichergestellt ist. — Einzelheiten mit älterer und jüngerer Literatur bei Bq und W.-Hofmann s. vv. I-360-361

δέλετρον 1. ‘Köder’ s. δέλεαρ. I-361

δέλετρον 2. ‘Fackel’ (Timach. ap. Ath. 15, 699e, H.). — Voreilige Vermutung von Osthoff ZONF 13, 6 (zu aind. jválati ‘hell brennen, flammen’); von Hofmann ebd. mit Recht abgelehnt. I-361

δελκανός m. N. eines unbekannten Fisches (Euthyd. ap. Ath. 3, 118b). — Nach dem Flußnamen Δέλκων, vgl. Δέλκος· λίμνη ἰχθυοφόρος περὶ τὴν Θρᾴκην H.; dazu Strömberg Fischnamen 85. — Δέλκος wird von v. Blumenthal Hesychst. 25 ganz willkürlich zu τέλμα gezogen. I-361

δέλλιθες · σφῆκες, ἢ ζῷον ὅμοιον μελίσσῃ H., Hdn. Gr. 1, 89. Davon δελλίθια· ἀνθρήνια. οἱ δὲ κηρία H. — Wie ὄρνῑ-θες usw. gebildet (Schwyzer 510), kann δέλλιθες zu βελόνη gehören (s. d.); die Geminata λλ könnte, falls aus λν assimiliert, sogar mit dem n-Stamm in βελόνη in direkter Verbindung stehen (Ribezzo Don. nat. Schrijnen 350). Unteritalische Formen bei Rohlfs WB 520; s. noch Fraenkel KZ 63, 194. I-361

δέλτα n., Gen. δέλτατος Demokr. 20, sonst unflektiert. Davon δελτωτός ‘wie der Buchstabe δέλτα geformt’ (Arat., Eratosth.). — Aus dem Semitischen; vgl. hebr. dāleth, eig. ‘Tor’; Einzelheiten bei Schwyzer 140 γ mit Lit. Wegen der formalen Ähnlichkeit auf das Delta des Nils (Hdt. usw.), des Indus (Str., Arr.) und anderer Flüsse übertragen; außerdem noch auf das αἰδοῖον γυναικεῖον (Ar. Lys. 151); dazu Schulze KZ 39, 612 = Kl. Schr. 365; altindische Parallele bei Pischel KZ 41, 176ff. I-361

δέλτος, kypr. δάλτος f. (zum unerklärten Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 4) ‘Schreibtafel’ (ion. att.). Deminutiva δελτίον (Hdt. u. a.), δελτάριον (Plb., Plu.). Denominatives Verb δελτόομαι ‘auf eine Tafel schreiben’ (A. Supp. 179). — Unsicher ἀδεαλτώhαιε (στάλαν) 3. sg. Aor. Opt. (elisch), wahrscheinlich ‘die Tafel (Schrift) von der Stele entfernen’ von *ἄδελτος ‘ohne δέλτος’; die Schreibung kann die offene elische Aussprache von ε auszudrücken versuchen (Sittig Gnomon 14, 484). — Seit Fick (14, 456) gewöhnlich als ‘Spaltholz, glatt zugehauenes Holzbrett’ zu δαιδάλλω, lat. dolāre usw. gezogen mit besonderem Hinweis auf das gleichgebildete germanische Wort für ‘Zelt’, ahd. zelt, ags. teld, awno. tiald, auch ‘Vorhang, Decke, Teppich’, urg. *telðá- n., idg. *deltó-m n.; der starke semantische Unterschied bleibt dabei noch zu erklären. Für Zusammenhang mit dolāre (über das mehrdeutige δαιδάλλω s. v.) spricht allerdings die von Schulze KZ 45, 235 (= Kl. Schr. 365f.) herangezogene Stelle aus Hieronymus epist. 8, 1 dedolatis ex ligno coaicillis; kypr. δάλτος wäre dann alter Ablaut. Bei einem Wort dieser technischen Bedeutung liegt indessen fremde Herkunft außerordentlich nahe; semitische Herkunft ist deshalb mehrfach angenommen worden (Lewy Fremdw. 171, Solmsen BphW. 1906, 757f., Grimme Glotta 14, 17). — δάλκιον· πινάκιον, οἷον γραμματίδιον H. scheint im Ausgang nach πινάκιον umgeformt bzw. verschrieben zu sein (Latte δάλτιον; besser δαλτίον). I-361-362

δέλφαξ, -ᾰκος f. (m.) ‘Sau, Mutterschwein’ im Gegensatz zu χοῖρος (ion. att.). Davon die Deminutiva δελφάκιον (att.) und δελφακίς (Pap. und Ostr.); ferner δελφακί̄νη ‘ds.’ (Epich. 124, 2; vgl. Chantraine Formation 204), Adj. δελφάκειος (Pherekr. u. a.). Denominativum δελφακόομαι ‘Sau werden’ (Ar. Ach. 786). — Wie κόραξ, σκύλαξ und andere Tiernamen gebildet (Schwyzer 497, Chantraine 377ff.) und wie diese im einzelnen unklar. Auszugehen ist jedenfalls von einem Wort für ‘Gebärmutter, Mutterleib’ (δελφύς?, *δέλφος?, s. ἀδελφός), somit eig. ‘Muttertier’. Vgl. δέλφιξ, δελφίς, Δελφοί. I-362

δέλφιξ, -ῐκος m. ‘nach Art des delphischen Dreifußes gearbeiteter Tisch’ (Plu., EM), lat. (mensa) Delphica. — Zu Δελφοί (s. d.) nach unbekanntem Vorbild; vgl. Schwyzer 497. I-362

δελφίς (spät -ίν), -ῖνος m. ‘Delphin’ (seit Il.), lesb. βέλφινες (EM). Deminutiva δελφινίσκος (Arist.) und δελφινάριον (Hero). Sonstige Ableitungen: Δελφίνιος "Delphinengott", Bein. des Apollon mit Bezugnahme auf Δελφοί (h. Ap. usw.); davon Δελφίνιον Tempel des Ap. Delphinios in Athen (att.); auch Δελφίδιος (Knossos). — δελφίνιον und δελφινιάς (Ps.-Dsk.) Pflanzennamen (nach der Form der Blätter, Strömberg Pflanzennamen 42); — δελφίνειος (Kyran.) und δελφινίς (Luk.). — Denominatives Verb δελφινίζω ‘wie ein Delphin hineintauchen’ (Luk.). — Zur Bildung im allg. vgl. ἀκτίς, γλωχίς, ὠδίς usw. Zugrunde liegt wie bei δέλφαξ ein Wort für ‘Gebärmutter’, vgl. zu δελφύς und ἀδελφός. Der Delphin wurde somit nach seinem Körperbau benannt (Kretschmer DLZ 1893, 170). I-362-363

Δελφοί m. pl. (h. Hom. usw.) äol. Βελφοί; sekundäre Dialektformen Δαλφοί, Δολφοί, Δερφοί (Schwyzer 205, 213, 275) N. der Einwohner von Delphi (auch attributivisch) und der Stadt selbst, wahrscheinlich durch sekundäre Übertragung (Gildersleeve Syntax 51, Lundahl Namn och bygd 31 [1943] 42ff.). Fem. Δελφίς ‘delphisch, Delphierin’ (Delph., S. usw.), Adj. Δελφικός (S., Pl. u. a.). — Nach Lundahl hieß der Ort ursprünglich *Δελφύς nach der Form des Geländes, woraus *Δελφϝ-οί (vgl. ἄστυ : *ἀστϝ-ός) > Δελφοί, das später auch auf den Ort übertragen wurde. Wie dem auch sei, jedenfalls machen es die von Lundahl aus dem Germanischen herangezogenen Parallelen sehr wahrscheinlich, daß der Name Δελφοί mit δελφύς zusammenhängt. I-363

δελφύς, -ύος dor. δελφύα f. (Greg. Kor.; nach μήτρα?) f., ‘Gebärmutter’ (Hp., Arist. usw.). Daneben δολφός· ἡ μήτρα H. — Neben dem Wort für ‘Gebärmutter’ mit seinem natürlichen femininen Genus steht mit schwundstufigem Stammvokal das dingbezeichnende Neutrum aw. gərəbuš- ‘Tierjunges’; somit ist auch für δελφύς ursprünglicher s-Stamm zu erwägen (Schwyzer 516 m. Lit.). Zu δολφός stimmt (falls nicht aus *δελφός, vgl. sekundäres Δολφοί) im Vokalismus aind. gárbha-, aw. garəwa- m. ‘Mutterleib, Gebärmutter, Leibesfrucht’. Der durch das Griechische gewährleistete labiovelare Anlaut (idg. *gelbh-u-, *golbh-o-) stimmt dagegen nicht zur Form einiger auch in der Bedeutung abweichender german. Wörter, ahd. kilbur n. ‘Mutterlamm’, ahd. kalbKalb’ usw., die deshalb ebenso wie lat. vulva und galba (W. Hofmann s. w. mit Lit.) fernzubleiben haben. — Wegen der Glosse ἀδελιφήρ· ἀδελφός. Λάκωνες H. (mit sekundärem anaptyktischem ι; Schwyzer 278) will Specht Ursprung 268 ohne Grund das bh-Element von einer "Wurzel" gel- abtrennen. I-363

δέμας s. δέμω. I-363

δεμελέας Akk. pl. f. ‘Blutegel’ (Epid.), δεμβλεῖς· βδέλλαι H. (mit -μβλ- aus -μλ-; allerdings zwischen δέμει und δέμνια; also mit Bücheler und Latte für δεμελεῖς?). — Unerklärt. Über die vergeblichen Versuche, lat. lumbrīcus ‘Eingeweidewurm usw.’ damit zu vereinigen s. die Literatur bei Bq und W.-Hofmann s. v. Auch die Heranziehung von alb. dhemjë ‘Raupe’, dhëmize ‘Fleischmade’ (WP. 1, 790f.) muß als sehr hypothetisch betrachtet werden. Nicht besser Winter Prothet. Vokal 32. I-363-364

δέμνια (selten sg. -ιον) n. pl. ‘Bettgestell, Bett’ (ep. poet. seit Il.). Keine Ableitungen. — Falls δέμνια ursprünglich die verbindenden Gurte bezeichnete, empfiehlt sich der Vergleich mit κρή-δεμνον ‘Kopfbinde’ (Pedersen Vergl. Gramm. d. kelt. Spr. 1, 167); δέμνια wäre dann eine ιο-Ableitung eines n-Stamms *δέμα oder r-n-Stamms *δέ-μαρ ‘Band’ (s. δέω ‘binden’). — Früher (Meister BB 11, 176) zu δέμω ‘bauen’ gezogen. I-364

δέμω, Aor. δεῖμαι, Perf. Med. δέδμημαι, dor. δέδμᾱμαι ‘bauen’ (seit Il.). Ableitungen: δέμας (nur Nom. und Akk.) ‘Körperbau, äußere Gestalt’ (ep. poet. seit Il.; zur Bed. Vivante Arch. glottol. it. 40, 44f.; vgl. unten), δομή ‘ds.’ (A. R., Nik., Lyk.), auch = ‘τεῖχος, οἰκοδομή’ (H., unsicher J. AJ 15, 11, 3) mit δομαῖος ‘zum Bau geeignet’ (A. R., APl., H.); — δόμος (δῶμα, δῶ), s. bes. — Deverbativer Aorist δωμῆσαι, -ήσασθαι (A. R., Lyk., AP usw.; δωμήσουσιν· οἰκοδομήσουσι H.), wohl von *δωμάω (allenfalls von *δωμέω, Schwyzer 719 A. 5), mit δώμημα (Lykien), ἐνδώμησις (Smyrna Ip usw.), δώμησις, δωμητύς H., δωμήτωρ (Man.). — Daneben kurzvokalische Formen, ebenfalls spät: δομέοντι· οἰκοδομοῦντι H., δεδομημένος (J., Aristid., Arr.) mit δόμησις, δόμημα (J.), δομήτωρ (Anon. Prog. in Rh.); wohl aus οἰκο-δομέω (ion. att.) ausgelöst (Schwyzer a. a. O.). — Alte Zusammenbildung νεό-δμᾱτος, νεό-δμη-τος (Pi. u. a.). S. auch μεσό-δμη. Nomen agentis οἰκοδόμος mit οἰκοδομέω ‘baue’. Adj. ναο-, πυργο- ‘Tempel, Burgen bauend’. — Das thematische Wurzelpräsens δέμω hat eine formale Entsprechung in dem german. Verb got. ga-timan, as. teman, ahd. zemangeziemen, passen’ (Fick 1, 66; 454). Die abweichende Bedeutung (eig. ‘fügen’ = δέμω?) macht aber jedenfalls die ursprüngliche Identität etwas fraglich. Sicher zu dieser Sippe gehört dagegen das auf einen mit δέμας parallel laufenden (diesem zugrunde liegenden? Benveniste Origines 33) r-Stamm zurückgehende german. Wort für ‘Bauholz’, z. B. anord. timbr, ahd. zimbar, nhd. Zimmer mit dem Denominativum got. timrjan usw. ‘zimmern’, urg. *tim(b)ra-, idg. *dem-r-o- oder eher *demə-ro- (zweisilbige Wurzel mit germanischem Wegfall des -ə-; vgl. δέμας aus *demə-s und die einsilbigen langvokalischen νεό-δμᾱ-τος, δέ-δμᾱ-μαι). — In Betracht kommt noch hier.-heth. ta+mi-ha ‘ich baute’ (Kronasser ΜΝΗΜΗΣ ΧΑΡΙΝ 1, 201 m. Lit.). — Weitere Verwandte s. δόμος. I-364

δέν (Demokr. 156), Gen. δενός (Alk. 76; Text unsicher) n. ‘etwas’. — Aus οὐδέν, μηδέν falsch ausgelöst; vgl. Leumann Hom. Wörter 108 m. A. 68. I-365

δενδαλίς, -ίδος f. Art Gerstenkuchen (Nikopho, Eratosth.), δενδαλίδας· οἱ μὲν ἄνθος τι, ἄλλοι τὰς λευκὰς κάχρυς, οἱ δὲ τὰς ἐπτισμένας κριθὰς πρὸ τοῦ φρυγῆναι, οἱ δὲ τὰς ἐκ κριθῶν μάζας γενομένας H. Auch δανδαλίς, δανδαλίδες (Poll., H.). — Im Ausgang an σεμίδᾱλις ‘feines Weizenmehl’ erinnernd, aber sonst unklar. Nach Prellwitz zu δαιδάλλω (?). I-365

δενδίλλω etwa ‘auf jn. hinsehen, Blicke werfen’ (Ι 180, A. R. 3, 281, S. Fr. 1039), δενδίλλει· σκαρδαμύττει, διανεύει, σημαίνει, ἀτιμάζει, σκώπτει H. — Intensive Reduplikationsbildung ohne Etymologie. Deutungsversuche von Wood ClassPhil. 9, 145, Charpentier KZ 47, 183, Fraenkel Gnomon 22, 239, Grošelj Živa Ant. 2, 66f. — Vgl. in ähnlicher Bedeutung δα(ν) δαίνειν· ἀτενίζειν, φροντίζειν, μεριμνᾶν H.; dazu Schwyzer 647. I-365

δένδρεον (Hom., Hdt., Pi.), auch δένδρον (att., auch Hdt.); n. Kompp. 1. subst. καρυό-, λιθό-, ῥοδό-, σταφυλό-; 2. viele Bahuvrihi auf -δενδρος; δένδρος n., m. (ion. dor.; vgl. unten) ‘Baum’. Mehrere Ableitungen, vorw. spät. Deminutiva: δενδρ-ύφιον (Thphr. usw.; vgl. Schwyzer 471 A. 7; unhaltbar Specht Ursprung 267), δενδρίον (Agathokl.). — δενδρώδης ‘baumreich, -ähnlich’ (Hp., Arist. u. a.), δενδρήεις ‘baumreich usw.’ (poet. seit Od.; zu δένδρεον nach den Adj. auf -ήεις, Schwyzer 527 m. Lit.), δενδρίτης, -ῖτις ‘zum Baum gehörig’, auch N. eines Steins (Thphr., D. H. usw.; vgl. Redard Les noms grecs en -της [s. Index]), selten δενδρώτης, -ῶτις ‘mit Bäumen bewachsen’ (Hdn., E.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 128 A. 2, Redard 13); δενδρικός ‘zum Baum gehörig, mit Bäumen bewachsen’ (Thphr., Pap. u. a.), δενδριακός ‘ds.’ (AP), δένδρινος ‘ds.’ (Gloss.), δενδραῖος ‘aus Bäumen stammend’ (Nonn.), δενδράς f. ‘aus Bäumen bestehend’ (Nonn.; poet. Bildung, Chantraine Formation 354f.). — δενδρών und δένδρωμα ‘Dickicht’ (Aq.). — Denominatives Verb δενδρόομαι, -όω ‘zu einem Baum aufwachsen, in einen Baum verwandeln’ (Thphr., Nonn. u. a.) mit δένδρωσις (Thphr.). — Zu δενδρυάζω s. δενδρύω. — Die Form δένδρος wurde aus den Pluralformen δένδρεα, -έων (von δένδρεον) neugebildet; auch die geläufige attische Form δένδρον ist sekundär; vgl. ἀδελφός aus ἀδελφεός und Schwyzer 583 m. Lit., Wackernagel Unt. 109f., Debrunner Mus. Helv. 2, 198, Shipp Studies 21f., 55. — Bis auf die dissimilatorische Reduplikation stimmt δένδρεον aus *δένδρεϝον zum germanischen Wort für ‘Baum’, got. triu, ags. treow ‘tree’ usw., urg. *treu̯a- idg. *dreu̯o-. Weitere Verwandte s. δόρυ, δρῦς. Aind. daṇḍá- m. ‘Stock, Prügel’ (nach Kuiper Proto-Munda Words in Sanskrit 75ff. einheimisches LW) ist mit gr. *δένδρεϝον lautlich nicht vereinbar. I-365-366

δενδρύω ‘untertauchen’ (epid.), erweiterte Form δενδρυάζειν· τὸ καταδύνειν καὶ κρύπτεσθαι, κυρίως εἰς τὰς δρῦς, καταχρηστικῶς δὲ καὶ ἐπὶ τοῦ ἁπλῶς δύνειν καὶ κρύπτειν EM 255, 55; ähnl. H. und Paus. Gr. Fr. 119: τὸ δρυσὶ σκέπεσθαι καὶ τὸ καθὕδατος δύεσθαι κτλ. — Intensive Reduplikationsbildung zu δρύεται· κρύπτεται, δρυάσαι· κατακολυμβῆσαι H. (nicht mit Latte aus <δεν>δρύεται, <δεν>δρυάσαι abgekürzt). Das primäre δρύεται kann für *νρύεται stehen, wodurch Anschluß an eine gleichbedeutende balto-slavische Wortgruppe erreicht wird, lit. neriù, nérti ‘untertauchen, hineinschlüpfen’, klruss. po-nerty ‘tauchen’, russ. kslav. -nьrǫ, -nrětiπαρεισδύεσθαι’ usw. (weitere Verwandte bei WP. 2, 334, Pok. 766, Vasmer Russ. et. Wb. s. norá). Die Anknüpfung an δρῦς beruht offensichtlich auf Volksetymologie. — Frisk Eranos 40, 81ff. I-366

δέννος m. ‘Beschimpfung, Lästerung’ (Hdt., Herod. u. a., wohl auch Archil. 65 [cod. δεινοῖς]). Daneben δεννάζω (vgl. κυδάζω) ‘beschimpfen, lästern’ (Thgn., S., E.); δεννόν· κακολόγον, δενναστόν· καταγέλαστον, λοιδορούμενον μετὰ καταγέλωτος H. — Ohne annehmbare Erklärung; unhaltbare Hypothesen von Brugmann und Johansson sind bei Bq, WP. 1, 673 und 696, Pok. 466 notiert. Die Geminata dürfte expressiv sein (Meillet BSL 26, 15f.; anders Hoffmann Dial. 3, 583). I-366

δεξαμενή f. ‘(Wasser)behälter, Zisterne’ (Hdt., Demokr., Pl. usw.). — Aus dem Partizip δεξαμένη (δέχομαι) mit oppositivem Akzent, vgl. Schwyzer 524f.; zur Bedeutung noch Redard Sprachgesch. u. Wortbed. 360. I-366

δεξιός ‘zur Rechten befindlich, rechts, glückverheißend, geschickt’ (seit Il.), Kompp. mit ἀ-, ἀμφι-, ἀμφοτερο-, δια-, δοκησι-, ἐν-, ἐπι-, ἰσο-, περι-, ὑπερ-. δεξιά, ion. -ιή ‘die Rechte’ (seit Il.); δεξιτερός ‘zur Rechten befindlich’ (ep. poet. seit Il.). — Ableitungen: δεξιότης ‘Geschicklichkeit, Gewandtheit’ (ion. att.). — Von δεξιά: 1. δεξιόομαι ‘mit der Rechten fassen, bewillkommnen, grüßen usw.’ (h. Hom., att.) mit δεξίωσις ‘Begrüßung’ Ph., Plu. usw.), δεξιωτικός ‘bewillkommnend’ (Eust.), δεξίωμα ‘Freundschaftsbezeugung, willkommenes Ding’ (S., E., D. C.; vgl. zum poetischen Gebrauch Chantraine Formation 184ff.; v. l. δεξίαμα); — 2. δεξιάζομαι ‘bewillkommnen, gutheißen’ (LXX, Pap.) nach ἀσπάζομαι. — Falls, wie sehr wahrscheinlich (Wackernagel Verm. Beiträge 11), aus *δεξιϝός (vgl. s. λαιός, σκαιός), ist δεξιός mit gall. Dexsiva dea identisch (vgl. Porzig Gliederung 138). Das Keltische und Germanische bieten auch sonst Formen mit u̯o-Suffix, aber ohne -i-, z. B. air. dess, got. taihswa, ahd. zeso, zesawer ‘rechts’, idg. *deḱs-u̯o-. Daneben stehen im Indoiranischen und Baltisch-Slavischen eine n-Ableitung, z. B. aind. dákṣiṇa- (dakṣiṇá-), lit. dẽšinas, im Albanischen eine t-Bildung unsicheren Alters, djathtë, vgl. Pedersen KZ 36, 291. — δεξιτερός = lat. dexter. Vgl. im allg. Porzig 132 und 166, Schwyzer 58 und 472, Benveniste Noms d’agent 118. — Unwahrscheinlich Specht Ursprung 133: alter Stammwechsel i : u. — Weiteres s. δέχομαι. I-366-367

δέομαι s. 2. δέω. I-367

δέος n. ‘Furcht’ (seit Il.; zur Bed. Schadewaldt Herm. 83, 129ff.), als Hinterglied z. B. in ἀ-δεής ‘furchtlos’ (seit Il.), θεουδής ‘gottesfürchtig’ (Od.) für *θεο-δϝεής, att. EN Θουδῆς. — Aus *δϝεῖος bzw. *ἀ-δϝειής, *θεο-δϝειής; Verbalabstraktum zu δείδω, s. d. Vgl. auch δεινός. I-367

δέπας, -αος n. ‘Humpen, Pokal’ (ep. poet. seit Il.; zur Bed. Brommer Herm. 77, 357f., 364f.). — Ägäisch di-pa, du. di-pa-e. — Poetische Erweiterung δέπαστρον ‘ds.’ (Antim.) mit δεπαστραῖος (Lyk.), vgl. Chantraine Formation 333f., Schwyzer 532. Wie viele andere Gefäßbezeichnungen ein Mittelmeerwort ohne Etymologie. I-367

δέρη (att.), δειρή (ion. seit Il.), δερϝα (ark.), δερα (Sapph.) ‘Hals, Nacken, Kehle’. Poetische Neubildung δείρεα pl. (Euph.; nach μέλεα, μήδεα, χείλεα und anderen Körperteilbezeichnungen); daneben δέρις (Alkiphr., H.; nach ῥάχις usw.). Viele poet. Bahuvrihi nur mit -δειρος, auch als 1. Glied nur δειραχθής (AP), δειροκύπελλον (Luk.), δειρόπαις (Lyk.). f. Vereinzelt belegte Ableitungen: Deminutivum δειράδιον (Poll.); δέραιον ‘Halsband, Halskette’ (E., X. usw.; aus der Hypostase περιδέρ-αιον ‘ds.’ [Ar. usw.]), δέριον ‘ds.’ (Charis.); δειρητής = στρουθός, "Halstier" (Nik. Fr. 123), δερβιστήρ (= δερϝ-) EM, δερ[ρ]ιστήρ· περιδέραιον ἵππου, δερ[ρ]ιστής (für -τήρ mit Latte?)· κυνάγχη περιαυχένιος H.; vgl. zu βραχιονιστήρ s. βραχίων. — Epische Zusammenbildung (ἀπο)δειροτομέω ‘den Hals abschneiden’, wie von *δειρο-τόμος; zum Bildungstypus Schwyzer 726. — Neben δέρη, δειρή aus urgr. δερϝᾱ (= ark.) steht auf dem indo-iranisch-baltisch-slavischen Gebiet ein gleichgebildetes Wort für ‘Nacken usw.’: aind. aw. grīvā́, russ. grī́va ‘Mähne, Bergrücken, Sandbank’ (urspr. ‘Hals’, vgl. russ. grívьna ‘Halsband’), lett. grĩva ‘Flußmündung, Dünamünde’, lit. ON Gryvà; vgl. zur Verbreitung Porzig Gliederung 172 und 113. Auf Grund dieser verlockenden Gleichung wird für δερϝα eine idg. Grundform *ger-u̯ā (neben *grī-u̯ā) angesetzt, wozu allerdings äol. δερα (für erwartetes *βερα) nicht stimmt. Der Unterschied ger- : grī- ist nicht aufgeklärt : nach Brugmann Grundr.2 2 : 1, 107, Persson Beiträge 890 alter Ablaut; nach Hirt IF 31, 7 grī- Fem. eines Wurzelnomens ger-; beiden Nomina wäre dann unabhängig voneinander ein u̯ā-Suffix hinzugefügt; ganz unwahrscheinlich. — Weiterer Anschluß an das idg. Wort für ‘verschlingen’ (s. βιβρώσκω) ist sehr wohl möglich, s. Schulze Q. 93ff. I-367-368

δέρκομαι, Aor. δρακεῖν, Perf. (mit Präsensbedeutung) δέδορκα ‘ansehen, blicken’ (poet. seit Il., Arist. u. späte Prosa). Auch mit Präfix ἀμφι-, ἀνα- usw. Davon die Verbalabstrakta δέργμα ‘Blick’ (A., E. usw.), δεργμός ‘ds.’ (H.), δέρξις ‘Sehvermögen’ (Orac. ap. Plu., H.); mit Schwundstufe δράκος n. ‘Auge’ (Nik. Al. 481). Verbaladjektiv als EN Δέρκετος (Kreta), δυσ-δέρκετος (Opp.). — δράκων, ὑπόδρα s. bes. — Erweiterte Verbform δερκιόωνται (Hes. Th. 911, am Versende, wahrscheinlich unecht); Neubildung zu δέδορκα nach den Verba auf -άζω (Schwyzer 735): δορκάζων· περιβλέπων H. — S. auch δορκάς. — Das Perfekt δέδορκα ‘ich sehe’ ist mit aind. dadárśa, aw. dādarəsa ‘ich habe gesehen’ identisch; der schwachstufige themat. Aorist ἔδρακον ist ebenfalls im Altindischen (neben gewöhnlicheren anderen Bildungen) zu belegen: -dr̥ś-an (3. pl.) usw. Als Präsens dieser Formen mit ihrer ursprünglichen punktuellen Bedeutung fungieren im Indoiranischen die durativen aind. páśyati, aw. spasyeiti (vgl. σκέπτομαι). Dafür tritt im Griechischen, wahrscheinlich als Neubildung (s. die Diskussion bei Bloch Suppl. Verba 109f.), δέρκομαι, wozu noch δερχθῆναι, δέρξομαι usw., vgl. Schwyzer 758 m. A. 1, Prévot Rev. de phil. 61, 133ff.; das hochstufige derḱ- ist auch in umbr. terkantur ‘videant’ (zuletzt Bonfante RIGI 19, 174) vermutet worden. — Alt ist das Verbaladj. Δέρκετος = aind. darśatá- ‘sichtbar’; dagegen ist die schwundstufige ti-Bildung (aind. dŕ̥ṣṭi- ‘das Sehen’) durch das hochstufige δέρξις ersetzt worden. — Auch andere idg. Sprachen haben dies Wort für ‘sehen’ bewahrt, namentlich das Keltische, z. B. air. ad-con-darc ‘ich habe gesehen’. Aus dem Germanischen: got. ga-tarhjanσημειοῦν, kennzeichnen’ (= aind. darśáyati ‘sehen machen, zeigen’, wäre gr. *δορκέω); ags. asächs. torht, ahd. zoraht ‘hell, deutlich’ (= aind. dr̥ṣṭá- ‘gesehen’, gr. *δρακτός). Isoliert alb. dritë ‘Licht’ (idg. *dr̥ḱtā). — Zu arm. tesanem ‘sehen’ s. δέχομαι, δοκέω. — WP. 1, 806f., Pok. 213. I-368

δέρω, auch δείρω, Aor. δεῖραι, Pass. δαρῆναι, δαρθῆναι, Perf. δέδαρμαι, auch mit Präfix ἀπο-, ἐκ- usw. ‘abhäuten, schinden’ (seit Il.). Zahlreiche Verbalnomina: 1. δέρμα ‘(abgezogene) Haut, Fell, Leder’ (seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 265) mit mehreren Ableitungen: Deminutivum δερμάτιον (Pl., Arist., Pap.); Adjektiva δερμάτινος ‘ledern’ (seit Od.), δερματικός ‘aus Haut, hautähnlich’ (Arist. u. a.) mit δερματίκιον Bez. eines Gewands (Pap.), δερματώδης ‘hautähnlich’ (Arist., Thphr. usw.), δερματηρός in δερματηρά f. ‘Gewerbesteuer der Gerber’ (Pap.; vgl. Mayser Pap. 1 : 3, 96), δέρμητες· οἱ ἐξ ἐφήβων περίπολοι (cod. περισσοί) H., vgl. γυμνῆτες, κούρητες usw. Seltene Denominativa: ἀπο-δερματόω ‘schinden, abhäuten’ (Plb.; δεδερματωμέναι als Erklärung von ἰσχαλωμέναι H.), ἀπο-δερματίζω (Mediz.), δερμύλλει· αἰσχροποιεῖ, οἱ δὲ ἐκδέρει (H., Sch.; vgl. Schwyzer 736). — 2. δάρμα (delph.; wohl aus δέρμα, Schwyzer 274; aber ἀποδάρματα Hdt. 4, 64 mit Ablaut). — 3. δέρος n. = δέρμα (poet., S., E., A. R. u. a.); auch (nach κρέας?) 4. δέρας ‘ds.’ (Chios, E.); 5. δάρος· τὸ βουτύπιον H. — 6. δορά ‘abgezogene Haut, Fell’ (ion. att.); davon δορεύς ‘Schinder’, auch übertr. als Bez. eines Wurfes beim Würfelspiel (Herod., Eub.; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 46), δορίς ‘Opfermesser’ (Kom. u. a.; vgl. κοπίς und Chantraine Formation 338), δορικός ‘aus Fell’ (Hp.), δορόω ‘bestreichen, überziehen’ (Inschr.) mit δόρωσις, δορώσιμος (Pap.), ἐνδόρωμα (Inschr., von ἐν-δορόω). — 7. δορός ‘lederner Schlauch, Sack’ (β 354; 380; vgl. Schwyzer 459). — 8. δέρρις f. ‘Haut’, insbes. als term. techn. für die zu Schirmen und Vorhängen bei Belagerungsarbeiten verwendeten Felle (Th., Kom. usw.), gewöhnlich aus *δέρ-σις (mit auffallender Hochstufe und Assimilation) erklärt, aber eher volkstümlicher Soldatenausdruck mit expressiver (hypokoristischer) Gemination (vgl. Chantraine 280; auch Schwyzer 115 A. 1); dazu δέρριον· τρίχινον σακίον H., δερρίσκος (Attika). — Dagegen mit regelmäßiger Schwundstufe und unterbliebener Assimilation 9. δάρσις ‘das Abhäuten’ (Gal.), formal = aind. dŕ̥ti- usw., s. unten. — 10. δέρτρον ‘Netzhaut, Darmfell’ (λ 579 usw.), durch Dissimilation δέτρον (H., Et. Gud.). — 11. δερτον (Akz.?) ‘abgehäutetes Schaf’ (Mykonos). — 12. δάρτης ‘Schinder’ (Gloss.). — 13. Verbaladjektiv δρατός (Ψ 169), δαρτός (Miletos Va usw.) = aind. dr̥tá- usw., s. unten; dazu δάρτινον· πέπλον λινοῦν H. — 14. δῆρις ‘Kampf’ s. bes. — Vgl. auch δόρκαι. — Das thematische Wurzelpräsens δέρω hat Entsprechungen im Germanischen und Baltisch-Slavischen, z. B. got. dis-, gataíran ‘zerreißen, zerstören’, ahd. (fir-)zeran ‘ds.’, nhd. (ver)zehren; lit. derù, dir̃ti (dìrti) ‘die Haut abziehen usw.’, aksl. derǫ, dьrati ‘schinden, reißen’. In Anbetracht der starken Produktivität dieser Verbklasse können natürlich unabhängige Parallelbildungen vorliegen. Daneben steht im Altindischen das athematische dár-ti ‘er spaltet’ ebenso wie das nā-Präsens dr̥ṇā́-ti ‘ds.’. Der sigmatische Aorist ἔ-δειρα aus *ἔ-δερσα hat ebenfalls ein Gegenstück außerhalb des Griechischen, u. zw. in aind. dárṣ-a-t (kurzvokalischer Konj.). Auch unter den Verbalnomina finden sich mehrfach formale Übereinstimmungen mit anderen Sprachen: δάρσις = aind. dŕ̥ti- ‘Schlauch’, got. ga-taúrhs ‘Zerstörung’, russ. dertь ‘Rodeland’; δρατός, δαρτός = aind. dr̥tá-, serb.-ksl. raz-drьtь ‘zerrissen’. Vgl. noch δέρ-μα gegenüber aind. dar-mán- m. ‘Zerstörer’ und, mit zweisilbiger Wz., dárī-man- n. ‘Zerstörung’. — Ein Jotpräsens (vgl. δείρω) erscheint auch in lit. diriù ‘schinden’; diese alte Schwundstufe würde tatsächlich zu gr. δαίρω (Hdt.) stimmen, das indessen als späte Schreibung für δέρω stark verdächtig ist. Dagegen fehlen im Griech. die sonst sehr häufigen n-Ableitungen, wie aind. dīrṇá- (zweisilbige Wurzelform) = germ., z. B. ags., asächs. torn eig. ‘Spaltung, Scheidung’ (= holl. torn), ‘Streit’ (vgl. δῆρις), ‘Zorn’; kelt. (kymr., korn., bret.) darn ‘Stück, Teil’, slav., z. B. russ. dërn ‘Rasen’. — Das Griechische hat somit im ganzen auf Grund des thematischen δέρω ein neues Formensystem aufgebaut, außerhalb dessen eigentlich nur die semantisch abweichenden δαρδαίνει· μολύνει H., δριμύς (beide übrigens nicht über jeden Zweifel erhaben), ebenso wie δῆρις (und δόρκαι) stehen. Weiteres reiches Material aus verschiedenen Sprachen bei WP. 1, 797ff., Pok. 206ff., Fraenkel Lit. et. Wb. s. dir̃ti, Vasmer Russ. et. Wb. s. derú. I-368-370

δέσποινα f. ‘Herrin, Hausfrau’, auch ‘Fürstin, Königin’ (seit Od.; vgl. zu δεσπότης). Davon δεσποινικός ‘im Dienst der Königin stehend’ (PMasp. 88, 10, VIp); zu ngr. δεσποινίς ‘Fräulein’ Schwyzer 133. — Als Fem. zu δεσπότης aus *δέσποτνι̯α nach dem Simplex πότνια (s. d.); die konsonantische Aussprache des ι und die daraus folgende Ausdrängung des τ hängen mit der Länge des Wortes zusammen; dissimilatorischer Schwund gegen das anlautende δ- (WP. 2, 77) ist ganz unwahrscheinlich. Die Ansetzung einer urspr. τ-losen Form (mit idg. Suffixwechsel t : n, J. Schmidt Kritik 105ff.) ist überflüssig und an sich wenig glaubhaft. Weitere Lit. bei Bq und Schwyzer 274. I-370

δεσπότης, -ου m. ‘Herr, Hausherr, Herrscher’ (Pi., Tyrt., Sapph., ion. att.; über das unerklärte Fehlen bei Homer [δέσποινα Od.] vgl. Wackernagel Unt. 209 A. 1). Auch als 2. Glied von Kompp. hinter αὐτο-, οἰκο-, φιλο-. Ableitungen: δέσποινα ‘Herrin’ s. bes.; auch δεσπότις ‘ds.’ (S., E., Pl. usw.), vereinzelt δεσπότειρα (S. Fr. 1040; nach ep. -τειρα, Chantraine Formation 105), δεσπότρια (Sch. E. Hek. 397); zu den Femininformen im allg. Fraenkel Nom. ag. 2, 27. Seltene Deminutiva δεσποτίσκος (E.), δεσποτίδιον (Aristaenet.). — Adjektiva: δεσπόσυνος ‘dem Herrscher gehörig’ (poet. seit Tyrt., h. Cer.), woneben δεσποσύνη ‘Herrschaft’ (Hdt.; vgl. Porzig Satzinhalte 226); δεσπόσιος ‘ds.’ (A. in kyr.), δεσποτικός ‘dem Herrn gehörig, herrisch’ (Pl., X., Arist. usw.), δεσπότειος (Lyk.). — Denominative Verba: 1. δεσπόζω vorw. Präsensstamm ‘Herr sein, herrschen’ (ion. att.), nach den Verben auf-(ο)ζω, vgl. auch πελάζω neben πελάτης; einen Stamm δεσποτ-, δεσποδ- (Schwyzer 734, Chantraine 26) hat es nie gegeben; davon δέσποσμα (Man.). 2. δεσποτέω ‘ds.’, vorw. im Pass. ‘einem δ. gehorchen’ (A., E., Pl.). 3. δεσποτεύω ‘ds.’ (LXX, D. C.); daneben δεσποτεία ‘Herrschaft’ (Pl., Arist. usw.; nach δουλεία usw.). — Alte Zusammenrückung, mit aind. dámpati- (daneben mit Umstellung in zwei Wörtern pátir dán), aw. dəng paitiš ‘Herr, Gebieter’ identisch. Nur hat sich im Griechischen daraus ein festes Kompositum entwickelt, wobei nach alten Mustern (lat. agricola, ἀγκυλο-μήτης neben μῆτις) für den i-Stamm (s. πόσις) ein -Stamm eintrat (Schwyzer 451 m. Lit.). — Das Vorderglied, idg. *dems- (woraus gr. δεσ-, aind. dam-; vgl. Brandenstein Arb. Ist. Sprachw. 4, 5f.), ist wahrscheinlich als Genetiv eines Wortes für ‘Haus’ (s. δόμος) zu erklären; s. zuletzt Humbach Münch. Stud. z. Sprachwiss. 6, 41ff. Nach Benveniste Origines 66ff. dagegen Schwundstufe eines s-Stammes; vgl. die Kritik bei Specht Gnomon 14, 33. — Ein altes Synonym ist lit. viẽšpats; s. οἶκος. I-370-371

δεταί pl. ‘Fackel’ s. 1. δέω. I-371

δευκής = γλυκύς (Nik. Al. 328). Daneben δεῦκος = γλεῦκος (Sch. A. R. 1, 1037). — Schon die Form von δευκής läßt darauf schließen, daß δευκής aus einem Kompositum, u. zw. dem u. a. als ‘bitter’ gedeuteten ep. ἀδευκής (s. d.) ausgelöst ist. Dann muß δεῦκος dazu eine künstliche Neubildung sein. Auch δευκές· λαμπρόν, ὅμοιον H. läßt sich als ein anderer Deutungsversuch von ἀδευκής verstehen. Anders dagegen δεύκει· φροντίζει H. und δεύκω = βλέπω EM 260, 54. — Vgl. ἐνδυκέως. I-371

δεύομαι, δεύω ‘ermangeln’ s. 2. δέω. I-371

δεῦρο Adv. ‘(hier)her’, auch als Interjektion und imperativisch ‘auf, wohlan’, wozu der Plur. δεῦτε (seit Il.); vereinzelter Sing. δεῦρε (att. Inschr.; nach den Imperativen auf -ε); daneben δευρί (Ar., And.) mit deiktischem -ί; äol. δεῦρυ (Hdn.) wie ἄλλυ-(δις), δεύρω Γ 240 (Hdn.) nach πρόσ(σ)ω. — Das Wort erinnert im Ausgang stark an die synonymen lit. aurè, aw. avarə und dürfte mit diesen irgendwie zusammenhängen; s. bes. Nyberg Symb. phil. Danielsson 237ff. mit älterer Lit. und weiteren iranischen Formen. Außerdem kommen in Betracht arm. ur ‘wo(hin)’, aus *ure, vgl. ure-k‘ ‘irgendwo(hin)’ und umbr. uru ‘illo’. Das Anfangselement ist schon längst als ein demonstratives Adverb *δε (vgl. die Postposition -δε) erklärt worden; somit eigentlich *δε-αυρο oder (weniger gut) *δε-υρο? Ähnlich lak. πέδευρα· ὕστερα H. aus πεδά-*αυρα? Weitere Einzelheiten bei Nyberg a. a. O.; außerdem Fraenkel Lit. et. Wb. s. aurè; auch WP. 1, 13 und 188. — Verfehlt Pisani Ist. Lomb. 73, 531ff. I-371-372

δεύτερος ‘der zweite’, der Ordnung und Zeitfolge, auch dem Range nach (seit Il.). Davon in spezialisierten Bedeutungen δευτεραῖος ‘zum zweiten Tag gehörig’ (Hdt., X. u. a.; von ἡ δευτέρα [ἡμέρα], vgl. Schwyzer 596); δευτερεῖα (sc. ἆθλα) n. pl., später auch -ον und als Adjektiv (Hdt. usw.; nach ἀριστεῖα u. a.); δευτερίας (οἶνος) Bez. des schlechteren Weins, der von den Trestern, den στέμφυλα, gepreßt wurde (Nikopho [?], Dsk. usw.; nach den Weinbezeichnungen usw. auf -ίας, Chantraine Formation 94f.; in derselben Bed. δευτερίναρ [lak.] H.); δευτέριον ‘Nachgeburt’ (Aq. u. a.). — Denominative Verba: δευτερεύω ‘der zweite sein’ (Plb., Str.), δευτεριάζω ‘ds.’ (Ar. Ek. 634; nach den Verba auf -ιάζω oder mit Anspielung auf δευτερίας?); δευτερόω ‘wiederholen usw.’ (LXX) mit δευτέρωσις (LXX) und δευτέρωμα (Eust.). — Neben δεύτερος steht vereinzelt die Superlativbildung δεύτατος (Τ 51, Mosch. u. a.). — Eig. ‘der zurückbleibende, in Abstand folgende usw.’, komparative Bildung zu δεύομαι, s. 2. δέω. I-372

δεύω 1. Aor. δεῦσαι ‘benetzen, etw. Trockenes mit Feuchtigkeit vermischen’ (vorw. ep. ion. poet. und spät). Sehr sparlich belegte Ableitungen: δεύσιμος (τόπος Sch. Μ 21), von *δεῦσις (Arbenz Die Adj. auf -ιμος), falls nicht vielmehr direkt von δεῦσαι; sehr unsicher δεύματα κρεῶν Pi. O. 1, 50; außerdem δευτήρ "Kocher", ‘Kessel’ (auct. ap. Poll. 10, 105). — Besser beglaubt sind einige Komposita der technischen Sprache: δευσοποιός ‘in Farbe getränkt, farbenfest’, auch übertr. ‘unvergänglich’ (Pl., mittlere Kom. usw.) mit δευσοποιέω und δευσοποιία (Alkiphr., Poll. u. a.); δευσο-ρούσιος (PMasp.VIp; vgl. ῥούσιος [aus lat. russeus ‘rötlich’]); das Vorderglied von δεῦσαι, zum ο-Vokal Schwyzer 442. — πηλοδευστέω ‘Mörtel machen’ (Attika) von *πηλο-δεύστης. — Unerklärt; vgl. διαίνω. I-372

δεύω 2. ‘ermangeln’ s. 2. δέω. I-372

δέφω, -ομαι ‘kneten, walken, masturbari’ (Ar., Eub.), Aor. ἐδέψατο bei Hippon.?, s. Scheller Münch. Stud. z. Sprachwiss. 6, 88ff. — Präs. 3. sg. δέψει (-εῖ?) Hdt. 4, 64; Aor. Ptz. δεψήσας μ 48. Davon δεφιδασταί m. pl. Mitglieder der Walkergilde (Argos), nach den Vereinsbezeichnungen auf -αστής, -ιστής (Chantraine Formation 317ff.), Bildung im übrigen unklar; über *δεφίς, *-ίζω? — δέψα ‘gegerbte Haut’ (Suid.); ἀδέψητος (υ 2; 142 u. a.). — Das Präsens δέψω (vgl. ἕψω) enthält gegenüber δέφω eine s-Erweiterung; vgl. die allerdings nicht ganz vergleichbaren Fälle bei Schwyzer 706. H. Petersson KZ 47, 285 vergleicht ansprechend arm. topem ‘schlagen’ (denominative Bildung), skr. dépati ‘stoßen, schlagen’, poln. deptać ‘treten’. Lat. depsō, -ĕre ist griech. LW.; vgl. W.-Hofmann s. v. mit Lit. — S. auch διφθέρα. I-372-373

δέχομαι att., δέκομαι (ion. äol. kret.), Aor. δέξασθαι (seit Il.). 3. pl. δέχαται (Μ 147), ep. Aor. Ptz. δέγμενος, Ind. ἐδέγμην usw., (metr. bedingt), προτί-δεγμαι· προσδέχομαι H. (vgl. Debrunner ΜΝΗΜΗΣ ΧΑΡΙΝ 1, 77ff., Specht KZ 63, 211f.; zur analogischen Aspirata bzw. Media im Stammauslaut Schwyzer 772 m. Lit. und 769 A. 6). ‘annehmen, aufnehmen, erwarten usw.’ Oft mit Präfix: ἀνα-, ἀπο-, εἰσ-, ἐκ- usw. Zahlreiche Ableitungen, vorw. von den Präfixkomposita. 1. -δόκος als Hinterglied in Zusammenbildungen (seit Il.; auch att.), z. B. ἰο-δόκος ‘Pfeile aufnehmend’ (ep.), δωρο-δόκος ‘Geschenke annehmend, bestechlich’ (att.); auch das Simplex δοκός ‘Balken’ (s. d.); δοχός ‘Behälter’ (Thphr., H.). 2. δοκάν· θήκην H.; auch in ἀν-δοκά ‘Bürgschaft’ (kret.), ἐσ-δοκά ‘Übernahme’ (ark.) usw., (ἀνα-, ἐκ- usw.)δοχή (att.) mit δοχαῖος (Nik.), δοχικός (Pap.); von δοκά, δοχή: ἀνδοκεύς ‘Bürge’ (H.; dor., vgl. E. Kretschmer Glotta 18, 91); (ἐκ-, ὑπο- usw.)δοχεύς ‘Aufnehmer, Empfänger usw.’ (hell. und spät; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 72); daneben πανδοκεύς ‘Gastwirt’ (retrograde Bildung, vgl. Boßhardt 57); zu δοχεύς: (ἐκ-, ὑπο- usw.)δοχεῖον ‘Behälter’ (hell. und spät). 3. (ἀπό-, ἔκ- usw.)δέξις ‘Aufnahme, Empfang’ (Hdt., E. usw.) mit δέξιμος ‘annehmbar’ (Pap.; direkt auf δέχομαι bezogen). 4. (ἐκ-, δια- usw.)δέκτωρ ‘der etwas auf sich nimmt’ (A. usw., poet.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 77; 2, 10; 12). 5. (ἀπο-)δεκτήρ ‘Einnehmer’ Bez. einer Behörde (X., Arist., Mantinea) mit dem Fem. δέκτρια (Archil., AP). 6. δέκτης ‘Almosenempfänger, Bettler’ (δ 248); ἀπο-, ὑπο-δέκτης ‘Einnehmer’ (att. hell. und spät; vgl. Fraenkel [s. Index]) mit (ἀνα-, ὑπο- usw.)δεκτικός ‘zum Aufnehmen usw. geeignet’ (Arist. usw.); ὑποδέξιος ‘zum Aufnehmen geeignet, geräumig’ (Hdt.), ὑποδεξί̄η ‘freundliche Bewirtung’ (Ι 73; vgl. Risch 115). 7. ἀρι-δείκετος, 8. δεξαμενή s. bes. — δόκιμος, δόχμη s. bes.; δόκανα, δοκάνη s. δοκός. — Deverbativa: δοκέω (δοκεύω, δοκάζω), προσ-δοκάω (s. dd.). Zu δεκανᾶται· ἀσπάζεται H. s. δηδέχαται. Zu δεκάζω (von δεκάς) s. δέκα. — Als Verwandte von δέκομαι, δοκέω kommen zahlreiche Wörter in Betracht, die auf idg. deḱ-, doḱ- zurückgehen (können) und sich nach der Bedeutung mit δέκομαι mehr oder weniger glatt vereinigen lassen (s. Redard Sprachgesch. u. Wortbed. 351ff., außerdem die Bemerkungen von Wistrand Der Instrumentalis als Kasus der Anschauung im Lat. [GHÅ 1941 : 25] 14ff.). So vor allem lat. decet ‘es ist angemessen, geziemt sich’ mit decus n. (= aind. *dáśas- in daśas-yáti ‘Ehre erweisen, verehren’, mir. dech ‘der beste, vorzüglichste’; s. auch δεξιός unten), dignus, doceō usw. (näheres bei W.-Hofmann s. decet); δέκομαι somit eig. ‘etwas als angemessen betrachten, sich aneignen, gern aufnehmen’? — Aus dem Armenischen gehört gewiß hierher das primäre tesanem, Aor. tesi ‘sehen’ (v. Windekens KZ 68,221); zur Bed. vgl. δοκεύω; die an sich wenig überzeugende Annahme einer Kreuzung von idg. derḱ- (s. δέρκομαι) und speḱ- (s. σκέπτομαι) erübrigt sich. — Sehr unsicher dagegen arm. əncay ‘Gabe’, toch. A täk- ‘urteilen, entscheiden’, tāskmāṃ ‘ähnlich’, B tasemane ‘ds.’, ebenso wie die aus dem Slavischen und Germanischen herangezogenen Wörter, z. B. aksl. dešǫ, desiti ‘finden’ (s. δήω), ahd. gi-zehōn ‘in Ordnung bringen’. Fern bleiben die formal wie semantisch stark abweichenden und miteinander übrigens nicht verwandten aind. átka-, aw. aδka- ‘Gewand, Mantel’ und heth. ḫatk- ‘(Tür) schließen’ (Benveniste Origines 156). — Für sich steht das langvokalische aind. dāś-noti, dā́ṣṭi, dā́śati ‘Opfer darbringen, Ehre erweisen’, s. δηδέχαται. — Aus dem Griechischen gehört hierher noch δεξιός, das zunächst von der Schwundstufe eines s-Stammes (vgl. decus usw. oben) *deḱs- mit dem adverbialen Lok. *deḱsi ‘rechts’ ausgeht; zur semantischen Begründung Redard 361; weitere Einzelheiten s. δεξιός. — Weitere Lit. bei Pok. 189ff.; dazu Fraenkel Lit. et. Wb. s. dẽšinas, Vasmer Russ. et. Wb. s. desitь. I-373-374

δέω 1. äol. usw. δίδημι (s. unten), Aor. δῆσαι, Perf. Med. δέδεμαι (seit Il.), wozu δέδεκα (att.), Aor. Pass. δεθῆναι (att.) ‘binden’. Oft mit Präfix ἀνα-, κατα-, ὑπο-, συν- usw. Verbalnomina: 1. -δημα (als Simplex [= aind. dā́man-, s. unten] nur Sch. A. R. 2, 535) insbes. in ὑπόδημα ‘Schuh, Sandale’ (seit Od.) mit ὑποδημάτιον (Hp., Arr.), ὑποδηματάριος ‘Schuster’ (Hypata IIp), διάδημα ‘Stirnbinde, Diadem’ (X., LXX usw.) mit διαδηματίζομαι (Aq.); sekundäre Schwundstufe in δέμα (Plb. usw.). 2. δεσμός, pl. auch δεσμά, δέσματα ‘Band, Fessel usw.’ (seit Il.; zum σμ-Suffix Schwyzer 493 und Chantraine 140f.) mit mehreren Ablegern: δέσμιος ‘gefesselt, fesselnd’ (Trag.), δεσμίης· μαστιγίας ὅς ἄξιός ἐστι δεσμῶν H., δεσμίς (Hp., Thphr.), δεσμίδιον (Dsk., Pap. u. a.), δεσμάτιον (Sch.), δεσμώματα pl. ‘Fesseln’ (A., E.); δεσμώτης ‘Gefangener’ (vgl. Bloch Mus. Helv. 12, 58) und δεσμωτήριον ‘Gefängnis’ (ion. att.); denominative Verba δεσμεύω ‘binden, fesseln’ (Hes. usw.) mit den seltenen δεσμευτής (Sch.), δεσμευτικός (Pl.), δεσμευτήριον (Pap.), δέσμευσις (Pap.); δεσμέω ‘ds.’ (hell. und spät) mit δέσμημα (Tz.); — ἀναδέσμη ‘Hauptbinde, Haarband der Frauen’ (Χ 469), δέσμη ‘Bündel’ (att. usw.). 3. δέσις ‘das Binden usw.’ (Pl. u. a.), bes. ὑπό-δεσις ‘das Untenanbinden der Schuhe, Sandale’ (ion. att.). 4. δεταί pl. ‘Fackel, Brand’ (Λ 554, Ar. V. 1361, H.); wohl eher Verbalnomen ‘das Binden, Bündel’ als von δετός (Opp.), vgl. Frisk Eranos 43, 222; Demin. δετίς (Gal.). 5. δητοί pl. ‘Bündel’ (Sammelb. 1, 5, IIIp). 6. -δετήρ, -δέτης in ἀμαλλο-δετῆρες ‘Garbenbinder’ (Σ 553, 554; künstliche Bildung, Chantraine Formation 323, Fraenkel Nom. ag. 1, 65; das richtige in) ἀμαλλο-δέται (Theok., AP) wie ἱππο-δέτης (S.), κηρο-δέτας (E. in lyr.) usw. 7. δέμνια, κρήδεμνα s. bes. — Diese Wortsippe, die sich innerhalb des Griechischen im ganzen selbständig vom Verb aus entwickelt hat, ist auch im Altindischen stark vertreten. Unmittelbar entsprechen einander indessen nur δετός (διά-δετος A., δετός erst Opp.) und aind. ditá- ‘gebunden’ ebenso wie δῆμα (ὑπό-δημα usw.; vgl. oben) und aind. dā́man- ‘Band’. Von den Präsentia ist δίδημι (seit Λ 105) wahrscheinlich Neubildung zu δήσω, δῆσαι usw. nach θήσω: τίθημι (Lit. bei Schwyzer 688). Der ε-Vokal in δέω, δέσις, δετός usw. muß ebenso wie in τί-θε-μεν, θέσις usw. die Schwundstufe - gegenüber dē- in δήσω usw. repräsentieren; auch im aind. Präs. -dyati (ā́-dyati u. a.) ‘binden’ liegt eine Reduktions- bzw. Schwundstufe vor. Ob δέω und -dyati als Jotpräsentia unter idg. *--, *d[ə]-ii̯ō (als satzphonetische Varianten) zu vereinigen sind, mag dahingestellt sein. Jedenfalls reicht das alleinstehende aw. nī-dyā-tąm (3. Sg. Ipv. Med.) nicht aus, um mit WP. 1, 771 nach Bartholomae WB 761 gegen alle sonstigen Indizien eine ursprüngliche langvokalische Wurzel dēi- anzusetzen. — Das Albanesische steuert zwei isolierte Verbalnomina bei: duai ‘Garbe’ (aus idg. *dē-n-), del ‘Sehne, Flechse, Ader’ (idg. *dō-l-). — Nicht hierher lat. redimiō, s. W.-Hofmann s. v. I-374-375

δέω 2. δέομαι (ion. att.), δεύω, δεύομαι (äol., ep. seit Il.), unpers. δεῖ, δεύει, Aor. δεῆσαι, δεηθῆναι, ep. ἐδεύησεν (ι 483 = 540; δῆσεν Σ 100, wenn richtig, Neubildung zu δεῖ), Fut. δευήσομαι ‘nachstehen, ermangeln, bedürfen’, δέομαι auch ‘bitten’. Wenige Ableitungen: δέησις ‘Bedarf, Bitte’ (att.) mit δεητικός (Arist. usw.), δέημα ‘Bitte’ (Ar. Ach. 1059). Von ἐπιδέω, -ομαι, ἐπιδεύομαι ‘ermangeln, entbehren’ : ἐπιδεής, ἐπιδευής ‘bedürftig, ermangelnd’ (Schwyzer 513); von ἐνδέω, ἐνδεῖ, ἐνδέομαι ‘ermangeln’: ἐνδεής (ion. att.) mit ἔνδεια (att., aus *ἐνδέεια), ἐνδέημα (Pap.). — δέω, δεύω können für *δέϝ-ω, aber wahrscheinlich auch für *δεύσ-ω stehen (zu dieser phonetischen Frage Schwyzer 348). In letzterem Falle kann man direkt an aind. doṣa- ‘Mangel’ aus idg. *douso- anknüpfen. Dann müssen δεύτερος, -τατος Neubildungen nach δεύω usw. sein. Eine Grundform *δέϝ-ω muß für doṣa- mit einer sehr wohl möglichen s-Erweiterung (einem vermittelnden s-Stamm *deu̯os-; gr. ἐπι-, ἐν-δεής ist jedenfalls Neubildung) rechnen. — Weitere unsichere Kombinationen s. δηρός. S. auch δυσ-. — Lit. bei Bq s. v. und WP. 1, 782. — Zur Geschichte und Bedeutung von δεῖ Goodell Class. Quart. 8, 91ff. I-375-376

δή ‘eben, in der Tat, gerade’, hervorhebende Partikel (seit Il.), wie δέ in der Regel an der zweiten Stelle des Satzes; auch in mehr oder weniger festen Verbindungen wie ἤ-δη, ἐπει-δή, δῆ-θεν, δῆτα usw.; zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 562f. — Vielleicht Kasusform (Instrumentalis?) eines Demonstrativums; es wäre dann mit lat. dē, air. dī ‘von — weg, von — herab’ formal identisch. Reiche Lit. bei W.-Hofmann s. dē. — Aus δή wahrscheinlich durch Schwächung δέ. S. auch δαί. I-376

δηαί ‘Gerstekörner’ EM 264, 13: δηαὶ προσαγορεύονται ὑπὸ Κρητῶν αἱ κριθαί; δητταί· αἱ ἐπτισμέναι κριθαί H. — Unhaltbare Hypothesen von v. Blumenthal Hesychst. 6 (als illyrisch zu aind. dhānā́ḥ f. pl. ‘Getreidekörner’, lat. fē-līx, fēc-undus) und von Jokl bei W.-Hofmann 1, 475, wo weitere Lit. (zu faciō, τίθημι usw. als "Setzung, Besitz" [?]). Nach Schulze Q. 288 A. 4 (S. 289) einfach für διαί, d. h. ζεαί (s. d.). — Latte z. St. erinnert an δατῶναι· ζειαί H. I-376

δηδέχαται 3. pl. Präs., Ipf. δήδεκτο, δηδέχατο (codd. δειδ-, vgl. unten) ‘begrüßen, bewillkommnen’ (Hom.). — Athematische Präsensbildung mit dehnstufiger Intensivreduplikation neben dem thematischen Wurzelpräsens δέκομαι, δέχομαι (s. d.; Einzelheiten bei Schwyzer 648). Daneben δηδίσκετο, δηδισκόμενος (Od.; codd. δειδ-; für *δη-δε[κ]-σκ- nach den Verba auf -ίσκω? Schwyzer 697 A. 3 mit Bechtel Lexil. 96) und die Nasalpräsentia δεικνύμενος, δεικανόωντο ‘huldigen, grüßen’ (Hom.), ebenfalls für dehnstufiges δηκ- (Wackernagel BB 4, 268f.); für δεικανόωντο könnte auch wegen δεκανᾶται· ἀσπάζεται H. metrische Dehnung in Frage kommen (Bechtel mit Leo Meyer). — Die Einführung der Schreibung δηκ- ermöglicht mit Wackernagel Anschluß an aind. dāśnóti (= δήκνυμαι; vgl. Schwyzer 697) usw. ‘Opfer darbringen, Ehren erweisen’ und weiterhin an δέκομαι, δέχομαι, s. d. I-376

δηθά ‘lange’ (Il., A. R.). Davon δηθάκι(ς) ‘oft’ (Nik., Man. u. a.) nach πολλάκι(ς). Denominatives Verb δηθύνω ‘verweilen, zögern’ (Hom., AP u. a.) wie ταχύνω zu τάχα (vgl. Schwyzer 733). — Zu δήν (s. d.) mit suffixalem -θα wie ἔν-θα usw. (Schwyzer 628). I-377

Δηϊάνειρα s. δήϊος. I-377

δήϊος ep. Beiwort (Il.) von πῦρ, auch von πόλεμος, ἀνήρ, dor. δάϊος, δᾷος ‘feindlich, Feind, kriegerisch’ (vgl. unten), auch etwa ‘grimmig, schrecklich’ (Trag. in lyr.); durch falsche Anknüpfung an δαῆναι ‘kundig, erfahren’ (APl.). Davon δηϊοτής, -τῆτος f. (zur Oxytonierung Schwyzer 528 A. 7 m. Lit.) ‘Feindseligkeit, Gemetzel, Schlacht’ (Hom.); bedeutungsmäßig teilweise postverbal zu δηϊόω (Porzig Satzinhalte 43, 78f., Trümpy Fachausdrücke 136ff.). Denominatives Verb δηϊόω, δῃόω ‘erschlagen, töten’ (ep. seit Il.), ‘verwüsten’ (ion. att., auch A. R.); isoliert δηϊάασκον (A. R. 2, 142) nach den ep. Bildungen auf -αασκ-. Davon δηϊοῦσα Beiname des κώνειον "die Erschlagende" (Ps.-Dsk.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 64). — Statt δηϊόω schlägt Wackernagel Unt. 170f. mit guten Gründen vor, im Epos δηΐω zu lesen (δήϊον für δῄουν Ε 452 usw.), da tatsächlich bei A. R. 3, 1374 und bei H. δῄειν· πολεμεῖν, φονεύειν belegt ist und als ein Denominativum von *δηΐς in Δηΐ-φοβος usw. (vgl. Kretschmer Glotta 10, 49f.) aufzufassen wäre; dadurch wurden sich auch die verschiedenen Bedeutungen ‘erschlagen’, bzw. ‘verwüsten’ leichter erklären. — Unter den zahlreichen EN auf Δηϊ- sei besonders erwähnt Δηϊ-άνειρα (S. usw.), nach ἀντιάνειρα (s. d.), κυδι-άνειρα usw. gebildet, aber mit verbaler Umdeutung des Vorderglieds : ‘den Mann vernichtend’; vgl. Sommer A. u. Sprw. 41. — Die gewöhnliche und offenbar alte epische Verbindung δήιον πῦρ (Versende; vgl. unten), πυρὸς δηίοιο im Verein mit dem Ausdruck θεσπιδαὲς πῦρ (Μ 177 usw.) macht eine ursprüngliche Bedeutung ‘brennend, lodernd’ mit weiterem Anschluß an δαίω ‘brennen’ (s. d.) sehr wahrscheinlich. Im übrigen ist die Beurteilung schwierig. Das metrisch unrichtige bzw. unbequeme δήιον in δ. πῦρ, πυρὸς δηίοιο will Schulze Q. 86 A. 1 (nach ihm Bechtel Lex. 97f.) in *δᾰ́ϝιον ändern und in Übereinstimmung damit bei Alkm. 79 πῦρ τε δαύιον (= δάϝ(ϝ)ιον mit Silbengrenze innerhalb des bilabialen Halbvokals) lesen. Von *δᾰ́ϝιος ‘brennend’ wäre δήϊος ‘feindlich, πολεμικός’ als ein besonderes Wort (von δηϊ- ‘Kampf’ in Δηΐ-φοβος usw.; vgl. auch δηΐω oben) zu trennen (Shipp Studies 59 betrachtet ansprechend das metrisch ungefüge δήιον πῦρ als Neubildung nach πυρὸς δηίοιο). — Nach anderen, z. B. Risch 105, wäre δήϊος sekundär auf δαίω bezogen, aber ursprünglich von δαΐ ‘Kampf’ abgeleitet (δήϊος metrische Dehnung für *δᾰ́ϊος). — Vgl. noch Solmsen Unt. 72 A. 1 (gegen Schulze), Schwyzer 578 (δήϊος aus *δά̄ϝιος wie δέδηε aus *δέ-δᾱϝ-ε neben δᾰϝ- in δᾰϝ-ί ‘Kampf’), Chantraine Gramm. hom. 1, 107 (mit Einzelheiten über den Gebrauch), Leumann Hom. Wörter 129, Björck Alpha impurum 340ff. (über die Bedeutung). I-377-378

δηκανόωντο, δηκνύμενος (codd. δεικ-) s, δηδέχαται. I-378

δηλαυγῶς · ἄγαν φανερῶς H., Ev. Mark. 8, 25 (v. l.). — Für τηλαυγῶς, aber nicht mit v. Blumenthal Hesychst. 24 als illyrisch-makedonisch, sondern durch Kreuzung mit δῆλος. I-378

δηλέομαι, Aor. δηλήσασθαι (ep. ion. seit Il.), δᾱλ- Theok. 9, 36; 15, 48; el. κα-δαλέοιτο, κα-δαλέ̄μενοι (κα-ζαλ-) ‘verderben, schädigen’. Ableitungen: δήλημα ‘Schaden, Verderben’, auch konkret (ep. poet. seit Od.; zur Bed. Chantraine Formation 183, Porzig Satzinhalte 242), und δηλήμων ‘schädigend, verderbend’ (Hom., Hdt., sp. Prosa); δήλησις ‘Beschädigung’ (ion., Thphr.); — δηλήεις ‘verderblich’ (Nik., Orph.), nach den nominalen αἰγλήεις usw.; δηλητήριος ‘ds.’ (Teos Va u. a.), -ιον ‘Gift’ (Hp. Ep., Plu. usw.), nach σωτήριος; δηλητήρ nur Hom. Epigr. 14, 8; δηλητηριώδης (Dav. Proll.). — Wahrscheinlich iterativ-intensives Deverbativum (Schwyzer 720). Daneben, mit quantitativem Ablaut, φρενο-δᾰλής ‘den Geist verderbend’ (A. Eu. 330 [lyr.]), δάλλει· κακουργεῖ H. (primäres Jotpräsens), wohl auch παν-δάλητος ‘vernichtet, nichtswürdig’ (Hippon. 2); außerdem, mit unbekannter Quantität, ἀδαλές· ὑγιές, δάλαν· λύμην, δαλῇ· κακουργῇ, δαλήσασθαι· λυμήνασθαι, ἀδικῆσαι H. Sehr fraglich ζά-δηλος (Alk., s. d.). — Mit der hypothetischen Annahme einer Grundbedeutung *‘spalten, zerstücken’ wird δηλέομαι zu der unter δαιδάλλω, δέλτος besprochenen Sippe idg. del- gezogen; in dieselbe allgemeine Bedeutungssphäre mit Übertragung auf das seelische Gebiet fällt u. a. lat. doleō, dolor; weitere Anknüpfungsmöglichkeiten bei W.-Hofmann s. doleō. Diese Etymologie setzt indessen für δηλέομαι urgr. als Dehnstufe von (neben Schwundstufe in φρενο-δᾰλής usw.) voraus, was sich auch mit den elischen Formen (wo ᾱ aus η sekundär wäre) verträgt; für δᾱλ- bei Theokrit muß man dagegen mit der Annahme eines Hyperdorismus auskommen. Vgl. dazu Wackernagel Glotta 14, 51f., der δᾱλ- für urgriechisch hält. S. auch Radermacher Festschrift Kretschmer 152f. — Ältere Lit. bei Bq. I-378

δήλομαι (dor.) s. βούλομαι. I-378

δῆλος ‘offenbar, deutlich’ (seit Od.: ἔκδηλος Ε 2), daneben δέελος ‘sichtbar’ (Κ 466). Denominatives Verb δηλόω ‘offenbaren, klar machen, kundtun’ (ion. att.) mit δήλωσις, δήλωμα (att. usw.), δηλωτικός (Hp., Arist. usw.). — Oft mit Präfix: ἀρί-δηλος (woneben, wahrscheinlich durch invertierte Schreibung [vgl. ζα- = δα-], ἀρί-ζηλος), ἔκ-, ἔν-, ἐπί-, κατά-δηλος usw. mit ἐκδηλόω usw.; zur Bildung und Bedeutung Strömberg Greek Prefix Studies (s. Index s. vv.). — Aus δίαλον· φανερόν und διάλας· τὰς δήλας καὶ φανεράς H., die als dialektisch für δεα- stehen können, erhellt, daß für δῆλος eine Grundform *δέαλος anzusetzen ist, die als Verbaladjektiv zu δέατο (s. d.) unmittelbar verständlich ist. Sie läßt sich auch für ἔκδηλος in Ε 2 einsetzen (Bechtel Lex. 98). Anders Schulze Q. 244 A. 2, Chantraine Formation 242 u. A., s. Bq s. v. — Das einmalige, in der Bedeutung etwas abweichende δέελος, aus dem das geläufigere εὐδείελος (s. d.) metrisch gedehnt sein kann, zeigt die Suffixvariante -ελο- (vgl. z. B. ἴκελος). I-378-379

Δημήτηρ, -τερος und -τρος (seit Il.), Δαμάτηρ (dor. usw.), auch Δωμάτηρ, Δαμμ- (thess.), weitere Einzelheiten bei Schwyzer 567f., Sommer Nominalkomp. 147, N. der griechischen Muttergöttin. Ableitungen: Δημήτριος ‘zu D. gehörig’ (A. usw.), auch als EN, wovon der Monatsname Δημητριών (Attika); Δημητρίεια pl. ‘Demeterfest’ (Samos IVa; nach ’Ασκληπίεια u. a.), Δημήτρια pl. auch ‘Demetriosfest’; Δημητριασταί N. der Demeterverehrer (Ephesos; vgl. ’Απολλωνιασταί usw.); Δημητριακός ‘zu Demeter oder Demetrios gehörig’ (D. S., Phld. u. a.); Δημήτρειοι pl. Bez. der Toten (Plu.). — Denominatives Verb δαματρίζειν· τὸ συνάγειν τὸν Δημητριακὸν καρπόν. Κύπριοι H. — Kurzform Δηώ (h. Cer. usw.) mit Δηῷος und Δηωΐνη. — Kompositum (Zusammenrückung) mit unklarem Vorderglied, bis auf die Umbildung des Stammes mit messap. damatura, wahrscheinlich N. einer Göttin, identisch (Krahe Glotta 20, 189, Sprache 1, 39; vgl. Δειπάτυρος s. Ζεύς). Von Kretschmer Wien. Stud. 24, 523ff., Glotta 17, 240 als "Mutter Erde" erklärt, aus δᾶ, einer lallwortartigen, vielleicht vorgriechischen Bezeichnung der Erde, und μάτηρ. Nach Ehrlich Betonung 62ff., dem sich Fraenkel Lexis 3, 50ff. anschließt, aus *Δασ-μάτηρ, idg. *dm̥s-, Gen. von *dem- ‘Haus’ (vgl. δεσπότης), was von Kretschmer Glotta 6, 294 mit Recht abgelehnt wird. Pisani IF 53, 28ff. und Georgiev Urgriechen und Illyrier (Sofia 1937) 9ff., 20ff. betrachten das Wort ebenso wie Δαμία, Δμία usw. als illyrisch und vergleichen alb. dhe ‘Erde’ (s. χθών); dagegen Kretschmer Glotta 27, 31. Nach Carnoy Mélanges Bidez 71ff. wäre Δη- nur eine andere lautliche Entwicklung als γῆ (beide zu βίος und Verw. [?]). Vgl. noch Fraenkel Glotta 3, 58f., wo auch Δαμία, Μνία herangezogen werden; anders über diese Wörter (zu δόμος usw.) Danielsson Eranos 1, 79f. — Ausführlich über Demeter Nilsson Gr. Rel. 1, 456ff. I-379-380

δημιουργός (att.), δημιοεργός (Od., Hdt.) m. ‘Handwerker’; daneben δημιοργός (ion.), δαμιοργός (dor., nwgr., ark., böot.), δαμιωργός (Astypal.), δαμιεργός (Astypal., Nisyr.) Bez. eines Beamten. — Mehrere Ableitungen, u. zw. in beiden Bedeutungen : δημιουργίς, δημιούργιον, δημιουργία, δημιουργικός, δημιουργεῖον; δημιουργέω mit δημιούργημα. — Aus *δημιο-ϝεργός, Zusammenbildung aus δήμια ἔργα mit verbaler Umdeutung des Hinterglieds nach dem Typus ψυχο-πομπός; daher ist auch für gewisse Dialekte als Hinterglied ein analogisch entstandenes -ϝοργός möglich; zum Lautlichen sonst Schwyzer 252f. — Weiteres s. δῆμος. I-380

δῆμος, dor. δᾶμος m. ‘Gau, Land’ (im Gegensatz zur Stadt), ‘Volk’ (seit Il.); in Athen auch Bez. der Unterabteilungen der Phylen. Sehr zahlreiche Ableitungen und Zusammensetzungen (die dor. Formen werden nicht besonders notiert). A. Substantiva: Deminutiva δημίδιον, δημακίδιον (Ar.) — δημότης, dor. auch δαμέτας (Karpathos) ‘Mann aus dem Volke, Gemeindegenosse’ (ion. att. dor.) mit zwei gewöhnlichen Adj.: 1. δημόσιος ‘dem Volk oder Staat gehörend, öffentlich’ (ion. att.) mit δημοσιεύω intr. ‘dem Staat dienen’, auch tr. ‘öffentlich machen’ und δημοσιόω ‘konfiszieren, öffentlich machen’ mit δημοσίωσις. 2. δημοτικός ‘zum Volke gehörig, dem Volke günstig, demokratisch’; über den Unterschied zwischen δημόσιος und δημοτικός, die sich beide auch direkt auf δῆμος beziehen, Chantraine Formation 392; — Fem. δημότις; Denominativum δημοτεύομαιδημότης sein, zu einem Demos gehören’ (att.). — B. Adjektiva (fast völlig von δημόσιος, δημοτικός ersetzt): δήμιος ‘das Volk angehend, öffentlich’ (seit Od.), ὁ δήμιος euphemistisch ‘Scharfrichter’ (att., Benveniste Sprache 1, 121), δημώδης ‘volksmäßig’ (Pl., Phld. usw.), δημόσυνος Bein. der Artemis (Athen IV-IIIa), δημότερος ‘dem Volke gehörend usw.’ (Kall., A. R. u. a.; nach ἀγρότερος). — C. Denominative Verba: 1. δημεύω ‘öffentlich machen, konfiszieren’ (att.) mit δήμευσις und δημεῖαι· αἱ τῶν δήμων συστάσεις H. (richtig?); 2. δημόομαι ‘öffentlich singen, vortragen’ (Pi., Pl. u. a.) mit δαμώματα· τὰ δημοσίᾳ ᾀδόμενα (Ar. Pax 797); 3. δημίζω ‘als Freund des Volkes auftreten’ (Ar. V. 699). — D. Adv. δημόθεν ‘vom Volke aus, auf Gemeindekosten’ (Od., A. R. u. a.). — Von den Komposita sei nur erwähnt δημοκρατία ‘Volksherrschaft’ (ion. att.), nach ὀλιγαρχία, μοναρχία (δημαρχία = ‘Amt des δήμαρχος’); Näheres über Bildung und Entstehung bei Debrunner Festschrift Edouard Tièche (Bern 1947) 11ff. — Zu δημιουργός s. bes. Zu δῆμος bietet das Keltische eine genaue Entsprechung in air. dām ‘Gefolgschaft, Schar’, akymr. dauu ‘cliens’, nkymr. daw(f) ‘Schwiegersohn’, akorn. dof ‘gener’; nur ist das irische Wort ein fem. -Stamm; idg. *dāmos somit ursprünglich fem.? (Pedersen Hittitisch 52). Ursprüngliche Bedeutung ‘Abteilung, Teil’, falls, wie wahrscheinlich, m-Ableitung eines Verbs ‘teilen’, s. δαίομαι. — Nach Pedersen a. a. O. hierher auch heth. damaiš ‘anderer, zweiter’; sehr fraglich; anders über damaiš Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre des Heth. 150. I-380-381

δημός m. ‘Fett von Tieren und Menschen’ (Il., Hes., Ar.). Keine Ableitungen oder Zusammensetzungen (wohl wegen der formalen Gleichheit mit den entsprechenden Bildungen zu δῆμος). — Zum Vergleich meldet sich in erster Linie — mit unklarer Grundform — alb. dhjamë ‘Fett, Speck, Talg’ (vgl. Porzig Gliederung 126 und 178). Falls ursprünglich ‘Flüssigkeit, Nässe’ (wegen der Eigenschaft des Fettes, beim Kochen und Braten flüssig zu werden; vgl. ksl. lojьστέαρ, Talg’ zu lijati ‘gießen’), kann δημός mit arm. *tam in tam-uk ‘feucht, benetzt’, wovon tamk-anamὑγραίνομαι, madefio’, identisch sein (idg. *dām-; für arm. *tam ist auch idg. *dəm- denkbar). Bei weiterer Abtrennung eines m-Suffixes kann man auch ein indo-iran. Wort für ‘Flüssigkeit, Wasser’ u. ähnl. einbeziehen, z. B. aind. dā́-nu- ‘Tropfen, Tau’, aw. dā-nu- ‘Fluß, Strom’, osset. don ‘Wasser, Fluß’, wozu auch kelt. Dānuvius ‘Donau’. Die angebliche gemeinsame Wurzel dā- ist allerdings nirgends zu belegen. — Lidén Armen. Stud. 73f. mit weiterer Lit., Pok. 175. I-381

δήν, dor. δάν, δοάν (s. unten), ‘lange’, auch ‘fern’ (Von der Mühll IF 50, 135ff., Mus. Helv. 12, 112; ep. poet. seit Il.). Davon δηναιός, dor. δᾱν- ‘lange lebend, lange dauernd’ (ep. poet. seit Il.) mit δηναιότης (Demokr.) und Δηναιών Monatsname (Erythrai); gewöhnlich zu αἰών, αἰεί gezogen und als Zeugnis eines alten ο-Stammes angeführt; es kann sich aber ebensowohl nach παλαιός, ἀρχαῖος gerichtet haben, vielleicht sogar nach ihrem Vorbild direkt aus δήν erweitert sein. — Wie das Oppositum πλήν (s. d.), dor. πλά̄ν eig. *‘nahe’ (zu πλησίον) ist δήν ein erstarrter Akk., u. zw. eines Wurzelnomens *δϝᾱ-, das auch in δηρός, δηθά (s. dd.) bewahrt ist. Die Schreibung δοάν (Alkm. 135) braucht nur eine Wiedergabe von δϝάν zu sein und beweist nicht die Existenz eines vollstufigen Nomens *δοϝά (Frisk Eranos 41, 48f.). Dagegen kann δαόν· πολυχρόνιον H. nicht nur für *δϝᾱ-ι̯όν, sondern auch für *δαϝόν stehen und direkt zu aksl. dav-ьnъ ‘alt’ gehören (Latte gibt δα<ναι>όν). — Weiteres s. δηρός. I-381-382

δήνεα n. pl. ‘Ratschläge, Anschläge’ (ep. seit Il., δῆνος H.). Mehrere Komposita, vorwiegend nur lexikalisch belegt: ἀδηνής· ἄκακος H., EM (woraus auch Semon. 7, 53 für überlief. ἁληνής), ἀδηνέως (Chios, H.), ἀδανές· ἀπρονόητον, ἀδηνείη· ἀπειρία, πολυδηνέα· πολύβουλον H. — Wahrscheinlich mit Brugmann Sächs. Ber. 1897, 187, (Grundr.2 2 : 1, 518) aus *δάνσεα mit analogischem α nach den verwandten δαῆναι, δαΐφρων (s. dd.) für *δένσεα, *δένσος = aind. dáṃsas- n. ‘Wunderkraft, kluge Tat’, aw. daŋhah- n. ‘Geschicklichkeit, Gewandtheit’, idg. *dénsos neben *dn̥s- in δα-ῆναι, δα-ί-φρων. Allerdings hätte man wie bei πάθος für πένθος eher vollständige Angleichung zu *δάος erwartet; vgl. noch die lautlichen Bedenken bei Bechtel Lex. 99 und bei Lasso de la Vega Emerita 22, 92, der auch aus semantischen Gründen die Verwandtschaft mit dáṃsas- ablehnt und mit Wackernagel KZ 29, 137 bei δήω (wozu nach W. noch δαῆναι usw.) Anschluß finden will. I-382

δῆρις, -ιος f. ‘Kampf, Streit’ (poet. seit Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 141ff.). Denominatives Verb δηρῐ́ομαι (Pi.), Aor. δηρί̄σαντο (θ 76), Akt. δηρῖσαι (Thgn., Theok. u. a.), Pass. δηρινθήτην (Π 756) als ob von *δηρίνω; vielleicht für δηρῑθήτην (Schwyzer 761 A. 5; s. auch Chantraine Gramm. hom. 1, 404), δηρινθῆναι (A. R. u. a.), Präs. metrisch umgebildet in δηριόωντο, δηριάασθαι usw. (Hom., A. R.; Schwyzer 727, Chantraine 1, 359); Ptz. Akt. δηριώντων (Pi. N. 11, 26; für -όντων nach Schulze Q. 384 A. 3), δηριόωντες (A. R. 1, 752 am Versende; zum Akt. Schwyzer-Debrunner 234, wenigstens teilweise metrisch bedingt). — δηρίττειν· ἐρίζειν H. nach den Verba auf -ίττειν. — Privatives Adj. ἀ-δήρῑ-τος ‘ohne Kampf’ (Ρ 42, wie ἀ-γέρασ-τος; ἄ-δηρις ohne Suffix AP); als Verbaladj. zu δηρίομαι ‘unbezwinglich (A. Pr. 105), ‘unbestritten’ (Plb., D. S. u. a.). — In formaler Hinsicht deckt sich δῆρις mit aind. -dāri- ‘zerspaltend’ (nur als Hinterglied und erst im Epos belegt); es gehört zu einem alten dehnstufigen Typus von Verbalabstrakta auf -i- (Osthoff ZdgP 118 und 607 m. Lit., Brugmann Grundr.2 2 : 1, 518). Ursprüngliche Bedeutung somit ‘Zerspaltung, Zwietracht’. Weitere Verwandte s. δέρω; vgl. noch Porzig Satzinhalte 353. I-382

δηρός, ‘lange dauernd’, dor. δᾱρός, gew. δηρόν, δᾱρόν als Adv. ‘lange’ (ep. poet. seit Il.; zum Gebrauch Björck Alpha impurum 126, 208, 210). — Zu δήν, δ(ϝ)ά̄ν aus *δϝᾱ-ρός und mit arm. erkar ‘lange dauernd, lang’ identisch (Meillet Rev. ét. armén. 4, 1ff.). Dieselbe Ablautstufe ist auch in heth. tuu̯a Adv. ‘fern, weit’, tuu̯ala- Adj. ‘entfernt, weit’ vermutet worden (Benveniste BSL 33, 142f.). Eine andere Form der Hochstufe liegt vor im aind. Komp. dávīyān ‘ferner’ mit analogischem Superlativ dáviṣṭha- gegenüber schwundstufigem apers. duvaištam, aw. dbōištəm ‘diutissime’; ebenso in arm. tev-em ‘ausdauern’. Schwundstufe dagegen in aind. dū-rá- ‘entfernt, lat. dū-dum ‘lange schon’ u. a. — Reiche Lit. mit Diskussion weiterer Kombinationen bei WP. 1, 778ff., Pok. 219f. Auch δέω, δεύω ‘nachstehen, ermangeln’ (s. 2. δέω) ist hierhergezogen worden. I-382-383

δῆτα s. δή. I-383

δήω nur Präsens (bis auf ἔδηεν· εὗρεν H.) in futurischer Bedeutung — Eigenartiges dehnstufiges thematisches Wurzelpräsens ohne sichere Entsprechung. Man vergleicht aksl. dešǫ, desiti, skr. dèsiti ‘finden’ (Pedersen IF 5, 47; vgl. auch zu δέχομαι) und alb. ndesh ‘treffen’ (Jokl WienAkSb. 168 : 1, 60ff.; slav. LW?, WP. 1, 783; Pok. 190). S. noch Vasmer Russ. et. Wb. s. desitь mit Lit. ‘ich werde finden’ (ep. seit Il.); die Futurbed. beruht auf dem perfektiven (konfektiven) Aspekt des Verbs (Schwyzer-Debrunner 265 m. Lit.). Keine Ableitungen. I-383

διά, thess. διέ, lesb, ζά (aus δι̯α). ep. δα- (s. d.); auch διαί (A., vorw. in lyr.; nach καταί, παραί, ὑπαί) Adv. und Präverb ‘entzwei, auseinander, durch’ (seit Il.), Präp. ‘durch’ (seit Il.); zur Bedeutungsentwicklung Schwyzer-Debrunner 448ff. — Wahrscheinlich aus *δισ-α zu lat. dis-, germ., z. B. asächs., ags. te-, ahd. zi-, ze- (woraus zir-, zer- durch Kreuzung mit ir-, er-), got. dis- (mit unklarem d- für t-; wohl lat. Entlehnung), alb. tsh- ‘auseinander, zer-’, mit angehängtem -α nach μετά, παρά usw. Vgl. δίς. Reiche Lit. bei W.-Hofmann s. dis-, WP. 1, 817ff., Pok. 232. I-383

διαβήτης m. ‘Zirkel’ (Ar.) von διαβαίνειν, ‘die Beine spreizen’, ‘Bleiwaage’ (Pl. , Plu.), dann ‘Heber’ (Colum., Hero) wegen der Ähnlichkeit der Gestalt; davon als med. t. t. ‘Harnruhr’ (Aret. u. a.) wegen des starken Harnflusses. Kalbfleisch BPhW 1944 (gegen Strömberg Wortstudien 89). Die Bedeutung ‘Zuckerkrankheit’ ist modern. — Vgl. βαίνω. I-383

διάγγαρον · δικέφαλον H. (an alphabetisch unrichtiger Stelle). — Wohl mit Schmidt und Latte als korrupt anzusehen. Rettungsversuch mit Hilfe des Illyrischen bei v. Blumenthal Hesychst. 24. I-383

διάζομαι s. ἄττομαι. I-383

διαίνω, Aor. διῆναι ‘benetzen, die Augen benetzen, (be)weinen’ (vorw. poet. seit Il.). Daneben διερός ‘flüssig, feucht, naß’ (Hes., A., Anaxag. usw.); für *διαρός? Vgl. μιαίνω : μιαρός. — Unerklärt. Die formale Ähnlichkeit mit δεύω beschränkt sich auf den gemeinsamen Anlaut; vielleicht liegen Kreuzungen vor. Vgl. Bechtel Lex. s. v. I-384

δίαιτα f. 1. ‘Leben(sweise), Lebensunterhalt, Diät, Aufenthaltsort, Wohnzimmer’ (Pi., ion., auch att.; über die Bed. ‘Schmuckgegenstände’ in d. LXX Del Medico ByzZ 44, 413ff.); 2. ‘Entscheidung, Schiedsspruch, Schiedsgericht’ (att.). Daneben 1. διαιτάομαι ‘sich ernähren, wo leben, sich aufhalten’ (ion. att.), -άω ‘ärztlich behandeln’ (Hp., Plu.); 2. διαιτάω ‘entscheiden, Schiedsrichter sein’ (Pi., att.). — Von 1: διαίτημα gew. im Plur. ‘Lebensweise, Lebensunterhalt, Diät’ (Hp., Th., X. u. a.) mit διατηματώδης; διαίτησις ‘Lebensweise’ (Hp., Pap.); διαιτητήρια pl. ‘Wohnzimmer’ (X.); διαιτητικός ‘zur Diät gehörig, diätetisch’ (Hp., Plb. u. a.), auch von 2: ‘zur Entscheidung gehörig’ (Str.); sehr unsicher διαιτί[α = διαίτησις (epist. Hadr.; Hesperia 3, 41). — Von 2: διαιτητής ‘Schiedsrichter’ (Hdt., att.) und διαιτήσιμος ‘zum Schiedsrichter gehörig’ (Is.; wohl direkt von διαιτάω nach ἐφέσιμος u. a.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 69f.); τὸ διαιτητικόν ‘schiedsrichterliche Entscheidung’ (Pap.). — διαίτωμα (Delph. IIa) = δίαιτα, wahrscheinlich nur daraus erweitert (Chantraine Formation 187). — Wie z. B. ἀρτάω aus *ἀ(ϝ)ερτάω neben dem primären ἀείρω, so steht δι-αιτάομαι, -άω neben dem primären αἴνυμαι (zur Bildung im allg. s. Schwyzer 705f. m. Lit.); es bedeutet somit ‘auseinandernehmen, zerlegen, verteilen’, woraus einerseits ‘Speise usw. verteilen, sich ernähren, leben’, anderseits, mit derselben Beziehung auf das Rechtswesen wie das verwandte αἴτιος (s. d. und αἶσα), ‘entscheiden’. Aus dem Verb wurde δίαιτα als retrograde Bildung geschaffen. Nur im medizinischen Sinn von ‘ärztlich behandeln’ ist διαιτάω als denominativ von δίαιτα ‘Diät’ zu betrachten. — Anders über διαιτάω, δίαιτα Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 23f. I-384

διά̄κονος, ion. διήκονος, sekundär διάκων (Pap.) m. ‘Diener, Aufwärter, Diakonus’ (ion. att. usw.). Fem. διακόνισσα (spät; vgl. Chantraine Formation 110). Weitere Ableitungen διακονία ‘Dienst, -leistung’ (att.), διακονικός (att.). — Daneben διακονέω, διη- ‘dienen, Diener sein’ (ion. att.) mit διακόνημα ‘Dienst’ (Pl., Arist. u. a.), διακόνησις ‘das Dienen’ (Pl.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 163), διακονητικός (Alex. Aphr. — Unklar διακόνιον N. eines Kuchens (Pherekr.). — Wie das synonyme ἀμφίπολος (s. d.) kann auch διάκονος von einem primären, in diesem Falle verschollenen Verb abgeleitet sein; es kann aber ebensowohl postverbal zu διακονέω sein, das dann wie ἐγ-κονέω ‘sich beeilen’ (s. d.) ein iterativ-intensives Deverbativum wäre (s. Schwyzer 719). Unklar ist die Bedeutung von δια- (vgl. Schwyzer-Debrunner 450 A. 2); die Vokallänge mag auf kompositioneller Dehnung beruhen (ebd.). Zur Bedeutungsentwicklung ‘sich beeilen’ : ‘Diener’ s. Lidén Armen. Stud. 52. — Vgl. auch διηνεκής. I-384-385

διᾱκόσιοι (τὴν διακοσίαν ἵππον Th. 1, 62), ion. διηκόσιοι, dor. usw. διακάτιοι ‘zweihundert’ mit διακοσιοστός ‘der zweihunderte’ (D. H.), ἡ διακοσιοστή Bez. einer halbprozentigen Steuer im ptol. Ägypten (Pap.); διακοσιάκις (Herod. Med.); — διακοσιάπρωτοι Bez. der höchsten Klasse der Steuerbezahler (Aphrodisias; nach δεκά-πρωτοι); διακοσιοντά-χους ‘zweihundertfaltig’ (Str.; nach ἑκατοντά-χους usw.), ebenso διακοσιοντάκις (Alex. Aphr.). — Ursprüngliche Form des Hinterglieds -κάτιοι, woraus -κόσιοι mit regelmäßiger Assibilation τ > σ und analogischem -ο- nach -κοντα, -κοστός; διᾱ-, διη- für δι- (s. δίς) nach τριᾱ-, τριη-κόσιοι usw. Einzelheiten bei Schwyzer 592f. Vgl. εἴκοσι und ἑκατόν. I-385

Διάκριοι m. pl. Ben. eines Teils der Bevölkerung im vorsolonischen Athen (Ar., Arist., Plu.); auch Διακρεῖς (Inschr.) nach Εὐβοεῖς usw. Davon Διακρία. — Hypostasierung aus διὰ (τὰ) ἄκρα ‘zwischen den Höhen’ im Gegensatz zu den Küsten- und Flachlandbewohnern (Παράλιοι und Πεδιακοί). In derselben Bedeutung auch ‘Υπεράκριοι mit τὰ ὑπεράκρια (Hdt. u. a.). Zur Bildungsweise Schwyzer-Debrunner 454 und 522; vgl. noch Wahrmann Glotta 17, 255f. m. Lit. I-385

διάκτορος m. ep. Beiwort des Hermes (Hom. usw.); von späten Dichtern, die es als ‘Bote’ verstanden, auch auf Iris, Athena, den Adler des Zeus usw. übertragen (Kall., AP, Nonn. u. a.); zuletzt auch als Adjektiv gebraucht (διάκτορα ... ἔγχεα Nonn.). Sekundär διάκτωρ (AP, H.; vgl. διάκων = διάκονος). — Bedeutung schon früh nicht mehr bekannt; von A. Pr. 941 als ‘διάκονος’, später gewöhnlich als ‘Bote’ aufgefaßt: ἀπὸ τοῦ διάγειν τὰς ἀγγελίας H., der indessen hinzufügt: ἢ οἷον διατόρως καὶ σαφῶς διαλεγόμενος. — Die Modernen sind kaum erfolgreicher gewesen: nach Bechtel Lex. mit Fick und Solmsen als διά-κτορος zu κτέρας: "einer, der gründlich über Schätze verfügt" (?); nach Östergaard Hermes 37, 333ff. als Todesgott zu κτέρες· νεκροί H., das aber unzweifelhaft eine Grammatikererfindung ist, um κτέρεα im Sinn von ‘Totenverehrung’ zu erklären (Solmsen IF 3, 98). Dagegen nach Thieme Studien 52f. aus *δια-ακτ-τορος "hinüber zum Ufer [der Persephoneia] überqueren lassend"; mehr kühn als überzeugend. I-385-386

διαμευστάς · ἀλαζόνας, διαμευτής· ψεύστης, ἀπατεών H. — Von *δι-αμεύομαι; s. ἀμεύσασθαι. I-386

διαμμοιρηδά Adv. ‘zur Hälfte’ (A. R. 3, 1029). — Zu μοῖρα, διαμοιράω nach ἀγεληδά, ἀποσταδά u. a. mit (metrischem) -μμ- nach ἄμμορος u. a. I-386

διαμπερές, auch mit Tmesis διὰ δἀμπερές (Schwyzer-Debrunner 426) Adv. ‘durch und durch, ununterbrochen’, lokal und temporal (ep. poet. seit Il.); διαμπερής als Adj. ‘durchbohrend’ (Hp.); διαμπερέως (Hp., Nik., H.), daraus ἀμπερέως· διαμπάξ H. — Von διά und ἀμπείρω (ἀμπείραντες ‘durchbohrt, aufgespießt habend’ Β 426; διαμπείρω [Q. S.] ist danach neugebildet für διαπείρω) mit Wurzelvokal wie in δια-περάω, περόνη usw. und Anschluß an die Adj. auf -ής (Schwyzer 513). Danach das synonyme διαμπάξ (A., E., X. usw.), zu ἅ-παξ, πήγνυμι. — Die Kombination δι(ά)-ἀνά noch in διάνδιχα (Hom.) u. a.; s. Schwyzer-Debrunner 449. Vgl. noch Strömberg Greek Prefix Studies 140f., Luther "Wahrheit" und "Lüge" 154f. I-386

διαπρύσιον Adv. (Hom. u. a.), -ιος Adv. (h. Hom. usw.), -ίως Adv. (D. S.) ‘durchdringend, weithin dringend’, bes. vom Laut, ‘weithin tönend, offenbar’. — Stimmt im Suffix zu τηΰσιος usw., somit zunächst für *δια-πρύ-τιος. Der Stamm erinnert an διαπρό ‘durch und durch’, wobei -τ- analogisch (hiatustilgend) sein kann, vgl. Risch 115. Für den unklaren υ-Vokal ist äolischer Ursprung vermutet worden (Chantraine Gramm. hom. 1, 25); andere Vorschläge bei Bechtel Lex. s. v. (zu πρύτανις, πρυμνός mit -υ- nach πύματος?) und Schwyzer-Debrunner 505; wieder anders Schwyzer KZ 63, 60 A. 1: δια-πρ-υ- zu διαπείρω mit υ-Suffix und Dentalableitung. I-386

διαττάω, Perf. Ptz. Pass. διεττημένος (διηττημένος Thphr. wie von δι-αττάω), als Simplex σῶσι 3. pl. Präs. (Hdt. 1, 200), ἐττημένος = σεσησμένος (Pherekr., att. Inschr.), ἐσσημένος (Delos IIIa). ‘sieben’ (att.); Davon das Verbalnomen διάττησις (Plu.), auch (postverbal) δίαττος· ἡ ἀλευρότ<τ>ησις, τὸ κόσκινον H. Am Kompositionsende ἀλευρό-ττησις ‘Mehlsieb’ (Poll., AB, H.), ‘gesiebtes Mehl’ (Suid.). — Daneben mit θ-Erweiterung σήθω, s. d. — Bei Ansetzung eines ursprünglichen *(δια-)τϝαίω ergibt sich eine allgemeine Ähnlichkeit mit aind. titaü- ‘Sieb’, eine lautlich größere aber begrifflich schwächere mit lit. tvóju ‘prügeln’. — Lit. sijóju, alb. shosh (aus *si̯ā-s-) ‘seihen’ sind aus lautlichen Gründen fernzuhalten. Schwyzer 320 m. Lit.; ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 713. — Die Schreibung mit Geminata erhielt sich, weil das Simplex außer Gebrauch gekommen war. I-386

δίβος m. N. eines Feldes des Damebretts (AP 9, 482). — Ohne Etymologie. I-387

διδάσκω, Aor. διδάξαι (wie ἀλύσκω : ἀλύξαι u. a.; s. Lit. unten), Perf. Med. δεδιδάχθαι; nachhom. διδασκῆσαι (Hes., Pi.), διδάξω (A. usw.), δεδίδαχα (Pl., X.) usw. ‘lehren’. Vom Präsensstamm: διδάσκαλος m. (f.) ‘Lehrer, (-erin)’ (ion. att. seit h. Merc.; zum iterativ-konativen Sinn Debrunner [s. u.]) mit διδασκαλία ‘Lehre, Unterricht’ (Pi., ion. att.), διδασκάλιον ‘das Gelehrte, Kenntnis’ (Hdt., X.), spät im Plur. ‘Lehrgeld’, διδασκαλικός ‘zum Lehrer, Unterricht gehörig usw.’, διδασκαλεῖον ‘Schule’ (ion. att.). — Vom Aorist (nach ταράξαι : ταραχή, τάραξις, τάραγμα u. ähnl.): διδαχή ‘Lehre, Unterricht’ (ion. att.), δίδαξις ‘ds.’ (E., Arist. u. a.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 144), δίδαγμα ‘ds.’ (ion. att.), διδαγμοσύνη ‘ds.’ (Astrol.; nach ἀγνωμοσύνη, μνημοσύνη usw.); — δίδακτρα pl. ‘Lehrgeld’ (Theok., Poll.; vgl. Chantraine Formation 332); διδακτήριον ‘Beweis’ (Hp.); — διδακτικός ‘zum Lehren geeignet’ (Ph., NT). — Redupliziertes σκ-Präsens mit faktitiver Bedeutung zu δαῆναι (s. d.) aus *δασ-ῆναι; wegen der Verdunkelung der Stammsilbe wurde die Reduplikation, z. T. auch das σκ-Suffix in die außerpräsentischen Tempora und die Ableitungen verschleppt. — Ausführlich über Etymologie und Formengeschichte Debrunner Mélanges Boisacq 1, 251ff. m. Lit. I-387

δίδημι s. 1. δέω. I-387

διδράσκω s. ἀποδιδράσκω. I-387

δίδυμος ‘doppelt, zwiefach’, Subst. pl. ‘Zwillinge’ (seit Il.), ‘Hoden’ (LXX u. a.). Vereinzelt belegte Ableitungen: διδυμάονε du., Dat. pl. -οσιν ‘Zwillinge’ (Hom.), bei Nonn. im Plur. und Sing. als Adj. = δίδυμος; wohl nur aus δίδυμος erweitert nach ὀπάων u. a. (Chantraine Formation 163, Schwyzer 521 m. Lit.); διδύμιος = δίδυμος (Sammelb. 1068); διδύμια, διδυμαῖα pl. als mediz. Termini ‘Hoden usw.’ (Hp., Gal. u. a.); διδυμωτός ‘gabelig’ (Kyran.); Διδυμών Monatsname in Alexandria (Ptol.). — διδυμότης ‘Dualität’ (Pl. u. a.). — Denominatives Verb διδυμεύω ‘Zwillinge tragen’ (LXX). — διδυμᾱ-τόκος, -η- ‘Zwillinge gebärend’ (Theok., Kall. u. a.) mit kompositioneller (metrischer) Dehnung für διδυμο-τόκος (Arist.), davon διδυμη-τοκέω (-ο-). — Familiäre Reduplikationsbildung, von δύο mit μο-Suffix (ἔτυμος u. a.) frei gebildet; ebenso ἀμφί-δυμος ‘doppelt’ (ep. seit δ 847). Analogische Bildungen wie τρί-δυμος (D. H., Ph. usw.) zeigen, daß δίδυμος wenigstens später auf δίς ‘zweimal’ bezogen wurde. — Vgl. auch Gonda Reflexions on the numerals "one" and "two" 48. I-387

δίδωμι, Fut. δώσω (διδώσω ν 358, ω 314; gegen die Auffassung als "infektives" Präsensfuturum [Brugmann, Chantraine Gramm. hom. 1, 442] Schwyzer-Debrunner 266), Aor. ἔδωκα, δοῦναι (vgl. unten), Pass. δοθῆναι, Perf. δέδωκα, δέδομαι ‘geben’ (seit Il.). Oft mit Präfix: ἀνα-, ἀντι-, ἀπο-, δια- usw. Zahlreiche Ableitungen sowohl vom Simplex wie von den Präfixkomposita, teilweise altererbt. Nomina actionis: 1. δώς f. ‘Gabe’ (Hes. Op. 356 neben ἅρπαξ f. ‘Raub’, aus δώ-ς oder *δώτ-ς, s. unten); 2. (ἀνά-, ἀντί-, ἀπό- usw.)δόσις ‘das Geben, Gabe’ (seit Il.; zur Bed. Schwyzer 504 A. 2 m. Lit., Benveniste Noms d’agent 76, Holt Les noms d’action en -σις 75, Rauillard Mélanges Boisacq 2, 219ff.) mit δοσίδιον (Inschr.) und δόσιμος, vorw. von Komp. ἐπι-, ἐν-, παρα- u. a. (Arbenz Die Adj. auf -ιμος 67ff.); 3. δῶτις, sehr unsicher; nach Fraenkel Nom. ag. 1, 105 (mit Boeckh) zweimal (!) im Amphiktyonengesetz von 380a für λωτις; außerdem δῶττις· δώς, φερνή H., jedenfalls entstellt; vgl. Latte z. St.; 4. δωτίνη, -ᾱ, ‘Gabe, Abgabe, Pachtzins’ (Hom., Hdt., auch Argolis; vgl. dazu die unsichere Hypothese Leumanns Hom. Wörter 279f.), wohl alte Bildung auf -(τ)ῑν- (Schwyzer 465 A. 5; anders Porzig Satzinhalte 346; davon δωτινάζω ‘Gaben einsammeln’ Hdt. 2, 180); 5. ἀπυ-δοσμος ‘das Verkaufen’ mit ἀπυδόσμιος (ark.); 6. -δομα in ἀπό-, διά-, πρό-δομα usw.; vgl. Wilhelm Glotta 14, 70f.; 7. δῶρον s. bes. — Nomina agentis: 8. (ἐκ-, ἐπι- usw.)δοτήρ ‘Geber’ (seit Il.), f. δότειρα (Hes. u. a.); 9. δώτωρ ‘ds.’ (poet. seit Od.); zu δοτήρ : δώτωρ Schwyzer 381 und 530; Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 46 und 49; 10. δωτήρ ‘ds.’ (θεοὶ δωτῆρες ἐάων θ 325 usw.; Kreuzung von 8 und 9, vgl. unten); 11. δότης = δοτήρ (LXX u. a.); früher nur in Komp., namentlich προδότης, f. -τις ‘Verräter, -in’ (ion. poet., att.) mit προδοσία ‘Verrat’ (ion. att.); 12. δώτης (Hes. Op. 355, Augenblicksbildung neben ἀ-δώτης; vgl. δώς oben und Fraenkel Nom. ag. 1, 118, Frisk Subst. priv. 20), ἐπιδώτης Bein. des Zeus in Mantinea und anderer Götter (Paus., Plu.) mit ’Επιδώτειον N. eines Tempels (Epidauros); 13. Δωτώ N. einer Nereide (Il., Hes.; vgl. unten). — Adj. δοτικός, vorw. mit Präfix ἐπι-, μετα- usw. (Arist. usw.), zunächst zu -δότης, (-)δοτός, aber auch auf (-)δόσις und δίδωμι bezogen. — Als Vorderglied δωσι- in Δωσί-θεος usw.; vgl. zu diesem vielbesprochenen Typus Schwyzer 442f. m. Lit., Knecht Τερψίμβροτος 11; s. auch unten. — Desideratives Deverbativum παρα-, ἐν- usw. δωσείω (Th. u. a.), Iterativpräteritum δόσκον (ep.). — Bis auf die Vokalqualität der Reduplikationssilbe stimmt δί-δω-μι, δί-δω-σι zu den ebenfalls athematischen aind. dá-dā-ti, aw. da-dāi-ti; die i-Reduplikation erscheint im Italischen, z. B. vest. di-de-t ‘dat’, vielleicht auch in lat. reddō, falls aus *re-di-dō. Ebenso entsprechen einander ganz die medialen Aoristformen ἔ-δο-το, aind. -di-ta, venet. zo-to (zum letztgenannten Krahe Sb. Heidelberg 1950 : 3, 30, Porzig Gliederung 95) und die Partizipien (-)δοτός, lat. dătus gegenüber der Hochstufe in z. B. aind. -dāta-, aw. dāta- und der Schwundstufe in aind. -tta- aus *-d-to-; als Simplex fungiert im Aind. das neugebildete dattá-. Der aktive Aorist ἔ-δω-κ-α (mit hinzugefügtem -κ- nach ἔθηκα, ἧκα, s. Schwyzer 741 m. A. 8 mit Referat anderer Ansichten) geht von einem langvokalischen Wurzelaorist *ἔ-δω-ν (vgl. ἔ-στη-ν) aus, der in aind. -dā-t, arm. et ‘er gab’ (aus *-dō-t) vorliegt. — Kypr. δΟϝεναι ist, falls = δωϝεναι, mit aind. dāváne ‘zu geben’ unmittelbar gleichzusetzen (anders Benveniste Origines 129; dagegen Specht Gnomon 14, 34); ein -Element ist auch im kypr. Opt. δυϝάνοι (worüber zuletzt Fraenkel IF 60, 142, Carter ClassPhil. 48, 23f.), lat. duim ‘dem’, lit. dovanà ‘Gabe’, daviaũ ‘ich gab’ und mehreren anderen Formen zu Hause; hom. att. δοῦναι kann indessen auch für *δο-έναι stehen, Schwyzer 808f. — Von den Nomina finden sich in anderen Sprachen wieder: δώτωρ = aind. dā́tar-, wozu noch mit sekundärer Schwachstufe lat. dător; δοτήρ : aind. dātár- (Hochstufe sekundär); δόσις = lat. dăti-; δώς, falls aus *δώτ-ς = lat. dōs, -tis (falls idg. *dō-t-, nicht *dō-ti-); falls δώ-ς, vgl. aind. dā́s ‘Geber’ (ἅπ. λεγ. RV. 6, 16, 26; vgl. Schwyzer 722). Das Vorderglied Δωσι- = aind. dāti-vāra- ‘das Geben liebend, freigebig’. — Weitere Einzelheiten aus den verschiedenen Einzelsprachen bei WP. 1, 814ff., Pok. 223ff. und in den einschlägigen Spezialwörterbüchern, insbes. W.-Hofmann s. 1. dō und duim. Ältere Lit. bei Bq. I-388-389

δίεμαι Konj. δίωμαι, δίηται, δίωνται (Ο 681 usw.), Opt. δίοιτο (ρ 317). trans. ‘(ver)jagen, verfolgen, vertreiben’ in δίεσθαι (Μ 276 usw.), intr. ‘eilen’ in δίενται (Ψ 475) und δίεσθαι (Μ 304); Daneben aktive Präteritalformen δίον ‘ich floh’ (Χ 251; zu δίε mit Bedeutungsverschiebung nach φοβέομαι?, s. Chantraine Gramm. hom. 1, 388), ἐνδίεσαν ‘sie jagten, setzten nach’ (Σ 584); außerdem περὶ γὰρ δίε (Ε 566 usw.) ‘er fürchtete sehr’, s. unten. — Vereinzelte außerhomerische Formen bei A.: δίομαι mit Inf. ‘ich fürchte’ (Pers. 700f. [lyr.] bis), διόμενος ‘verjagend’ (Supp. 819, Eu. 357 und 385 [alle lyr.]); in Gortyn ἐδδίηται (< ἐσδ- = ἐκδ-), ἐπιδίεθθαι, -διόμενος ‘wegjagen, verfolgen’ (GDI 4997-8). — Zu διώκω s. bes. — Wenn wir von δίε ‘fürchtete’ absehen, das wegen der Bedeutung besser mit Schulze Q. 355 als thematischer Wurzelaorist zu δέδοικα, δείδω gezogen wird, bleiben von den aktiven Formen nur die ἅπ. λεγγ. δίον und ἐνδίεσαν übrig. Von den belegten Formen können alle bis auf ἐνδίεσαν und das ebenfalls einmalige δίενται als thematisch aufgefaßt werden. Da ein athematisches zweisilbiges δίε-μαι nur in diesen zwei Formen eindeutig vorliegt, hat man oft mit Osthoff MU 4, 13 darin Analogiebildungen nach den semantisch verwandten und damit reimenden ἵενται, ἵεσαν sehen wollen. Wenn man sie dagegen für alt hält (Schwyzer 686, Chantraine Gramm. hom. 1, 293), sind die thematischen Formen hier wie oft sonst als Neuerungen zu beurteilen. Die als verwandt herangezogenen Wörter bringen keine sichere Entscheidung: die Zerlegung von διερός ‘rasch’ (s. d.) in διε-ρός liegt nahe, ist aber nicht zwingend; anderseits ist aind. dī́yati ‘fliegen’ sowohl formal wie semantisch zu wenig ausgeprägt, um die Existenz eines alten thematischen δίω beweisen zu können. — Aus anderen Sprachen werden noch air. dīan ‘schnell’, lett. diêt ‘tanzen’ zum Vergleich herangezogen (WP. 1, 774ff., Pok. 187). S. noch δῖνος, δίζημαι, ζητέω. I-389-390

διεράω ‘durchschütten, durchseihen’ (Plu.). Ableitungen: διέραμα ‘Trichter, Sieb’ (Plu.); in den Papyri oft als Fachausdruck des ägyptischen Transportwesens mit unklarer Bedeutung, die von διαίρειν ‘transportieren’ beeinflußt wurde und die Schreibung διαίρεμα hervorrief; davon διεραματίτης Ben. eines Transportbeamten oder Transportarbeiters, s. Redard Les noms grecs en -της 44 m. Lit. Die Loslösung von διερᾶν geht auch aus der Schreibung διάραμα hervor; davon διαραματία Bez. einer Liturgie. — Neben διέραμα διέρασις (Pap.), auch διαίρασις. Frisk Bankakten 28ff.; außerdem Redard 242, der διάρημα = λέμβος (Prokop.) zur Erklärung heranzieht. — S. ἀπεράω. I-390

διερός 1. bei Hom. Beiwort von ἀνήρ (ζ 201 ἀνὴρ διερὸς βροτός), von πούς (ι 43); bei Diog. Laert. (AP 7, 123) Beiw. von φλόξ. — Bedeutung schon in der Antike unbekannt, wie aus den tastenden Vorschlägen bei H.: διερός· λαμπρός, ζῶν, περιφανής hervorgeht. Die formal sehr naheliegende Anknüpfung an δίεμαι ist auch semantisch unbedenklich (etwa ‘rasch, regsam’?), wenn auch nicht strikt zu beweisen. — Nach Schulze (s. Bechtel Lex. s. v.) in ζ 201 = *δϝιερός ‘zu fürchten’, von δείδω (s. d.); semantisch wenig zutreffend. Ältere Lit. bei Bq. I-390

διερός 2. von Anaxag. 4, 12 als Oppositum von ξηρός gebraucht ‘feucht, naß’ (vorw. poet. seit A., aber auch Thphr. u. a.). — Zu διαίνω; vielleicht für *διαρός wie μιαρός : μιαίνω, mit Spur einer alten r-n-Flexion. I-390

δίζα · αἴξ. Λάκωνες H. — Lautlich erinnert δίζα aus *διγ-ι̯α stark an arm. tik ‘Schlauch’ aus idg. *digā (vgl. φύζα : φυγή); zur Bedeutung vgl. aind. meṣá- ‘Widder, Schaf, Fell’ = aksl. měchъ ‘abgezogene Haut, Schlauch’ und andere bei Lidén Armen. Stud. 10f. angeführte Parallelen. — Ahd. zigaZiege’, woneben mit hypokoristischer Konsonantendehnung zickī(n) ‘Zicklein’, weicht nur im Auslaut (idg. k oder gh) davon ab. — Wegen ahd. ziga will Fick KZ 42, 148 (s. auch Latte zur Hesychst.) mit Änderung von Λάκωνες in Καύκωνες δίζα als thrakisch aus idg. *diĝhā (= ahd. ziga) erklären; ähnlich v. Blumenthal Hesychst. 7f.: δίζα illyrisch. — Abzulehnen Meillet BSL 23, 259f. und Studia Indoiranica Geiger 1931, 234ff.: δ-ίζα mit δ-Präfix von *ἴζα, mit αἴξ ablautend. I-390-391

δίζημαι (ep. seit Il., ion., lyr.), διζησόμεθ’ (π 239; Konj. Aor., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 455, Schwyzer-Debrunner 258 A. 1), διζήσεαι (Parm. 8, 6; Fut.), Aor. ἐδιζησάμην (Heraklit. 101); dazu ein neues Präsens δίζομαι (Herod. u. a.; Näheres bei Schwyzer 689) ‘suchen, aufsuchen, untersuchen’ (att. dafür ζητέω). Davon δίζησις (Parm. u. a.), vgl. Porzig Satzinhalte 197. — Als Grundform von δίζημαι empfiehlt sich ein redupliziertes athematisches *δι-δι̯ᾱ-μαι, das auch den außerpräsentischen Formen und dem Nomen δίζησις als Grundlage diente. Der Verbalstamm findet sich außerdem in ζῆλος und ζητέω (s. dd.) wieder. Im übrigen dunkel; die Anknüpfung an δίεμαι oder δέατο (Lit. bei Bq und WP. 1, 775) ist ganz willkürlich. I-391

δίζω ‘zweifeln’ s. δίς. I-391

διηγανές · λαμπρόν H. — Von γάνος und διά mit kompositioneller Dehnung (vgl. διάκονος); ebenso, mit verbalem Hinterglied, διητανές· λιτόν, διατεταμένον H. Fick BB 28, 90. Verfehlt Prellwitz Glotta 19, 125. I-391

διηνεκής künstlich attisch (dorisiert) διᾱνεκής (Schwyzer 190 m. Lit.), -έως Adv. ‘ununterbrochen, stetig, endgültig, genau’ (ep. ion. seit Il., hell.; zur Bed. Luther "Wahrheit" und "Lüge" 64f.). — Aus δι(α)-ενεκ-ής mit kompositioneller Dehnung (vgl. ποδ-ηνεκής u. a.) zu ἐνεγκεῖν, ἐνεχ-θῆναι; zur Bildung des verbalen Hinterglieds Schwyzer 513. Das Simplex ἠνεκής (Emp., hell. Dichter) ist aus den Komposita ausgelöst. S. auch δουρηνεκής (s. δόρυ). I-391

δῑθύραμβος m. N. eines bei den Dionysosfesten gesungenen Liedes (seit Archil.), vereinzelt auch auf den Gott übertragen (E. Ba. 526 [lyr.]). Davon διθυραμβώδης (Ph u. a.), -ικός (Arist. u. a.), -ιος Monatsname (Gonni), διθυραμβέω ‘Dithyramben singen’ (hell.). — Schon die Bedeutung läßt darauf schließen, daß δῑθύραμβος ebenso wie die gleichgebildeten ἴαμβος, θρίαμβος ein vorgriechisches LW ist; vgl. Chantraine Formation 260, Schwyzer 61f. — Die alte Zusammenstellung des Hinterglieds mit aind. áṅga- ‘Glied’ ist von Brandenstein IF 54, 34ff. wiederaufgenommen worden, indem er διθύραμβος usw. als ägäisierte indog. Wörter ansieht. Bedenken bei Kretschmer Glotta 27, 219f. Wie Brandenstein urteilt auch Puhvel Glotta 34, 37ff. Neue, sehr kühne und fragliche idg. Etymologie von Grošelj Živa Ant. 3, 209ff., wo auch ältere Lit. Frühere Deutungsversuche bei Bq (mit Add. et Corr.). I-391-392

διῑπετής bei Hom. nur in διῑπετέος ποταμοῖο (Versende) ‘vom Himmel gefallen’, dann auch ‘himmlisch, des Himmels’ (h. Ven. 4, οἰωνοί), ‘heiter, klar’ (Emp., Hp., E. u. a.; vom Himmel usw.); vgl. Leumann Hom. Wörter 311. — Für διῑπετής (falls echt, metrische Dehnung) ist wahrscheinlich mit antiken Gewährsmännern (Sch. Od. 4, 477) διειπετής zu schreiben, wie Διειτρέφης (Inschr.) eine Analogiebildung nach Διϝεί-φιλος (ep. διί̄φιλος), wo der Dativ berechtigt war. Bechtel Lex. s. v. Zum verbalen Hinterglied vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 63, Risch 75. I-392

δικασπόλος m. ‘Rechtsverwalter, Richter’ (ep. poet. seit Il.). Davon die seltenen und späten δικασπολία und δικασπολέω. — Bildung wie αἰπόλος, βουκόλος (s. dd.), jedoch mit dem Unterschied, daß hier der Akk. pl. als Vorderglied zu dienen scheint. Der Grund, weshalb eine Kasusform des Plurals für den Stamm eintrat, ist allerdings nicht bekannt. Oder hatte der Plural eine besondere konkrete Sinnfärbung, die dem Singular nicht eignete? — Eine Analogiebildung nach δικασπόλος (nicht umgekehrt mit Bechtel Lex.) ist δικασκόπος Mytilene, Kyme, IV-IIIa). — Die Zerlegung δικα-σπόλος mit Anknüpfung an got. spillon ‘verkünden’ usw. (Lagercrantz Mélanges Boisacq 2, 59) hat innerhalb des Griechischen keine Stütze. I-392

δικεῖν Aor. ‘werfen’ (Pi., Trag.) auch ‘(in die Höhe) richten’ (E. HF 498) mit ἄνδικε· ἀνάρριψον, ἀνδικά· ὁ βόλος, ἀνδίκτης· τὸ ἀναριπτόμενον τῆς μυάγρας ξύλον (Kall.) H. Davon δίκτυον und δίσκος, s. dd. — Der formal sehr naheliegende Anschluß an δείκνυμι ist mit Recht von Brugmann IF 39, 144ff. und nach ihm von Gonda (s. δείκνυμι) 216ff. verteidigt worden: ‘in eine Richtung bringen, richten’, woraus ‘zeigen’ bzw. ‘werfen’. — Unhaltbare Wurzelanalyse bei Grošelj Živa Ant. 4, 169. I-392

δίκελλᾰ f. Ben. einer Hacke (Trag., Delos IIIa usw.). Davon δικελλίτης (Luk.). — Technischer Ausdruck ohne sichere Erklärung. Das sinnverwandte μάκελλα, μακέλη (seit Il.) scheint eine Zerlegung in δί- bzw. μά-κελλα zu erfordern, die indessen nur für δί-κελλα befriedigt: es wäre eine ι̯α-Ableitung von *δί-κελος od. ähnl., "mit zwei Zinken versehen"; vgl. s. κελεΐς, s. auch σκάλλω. Aber eine entsprechende Zurückführung von μα- auf idg. *sem- in εἷς ist nicht möglich. — Die Anknüpfung an δικεῖν (Bechtel Lex. nach Legerlotz, Chantraine Formation 99), wobei von einer λ-Ableitung *δικ-ελος auszugehen wäre, hat in der Bedeutung von δίκελλα (eig. *‘Worfel, Schippe’?) keinen genügenden Anhalt. I-392-393

δίκη f. ‘Weise, Sitte, Recht, Rechts-verhandlung, -sache, Strafe’ (seit Il.). Zahlreiche direkte und indirekte Ableitungen. 1. Deminutivum δικίδιον (Ar.; vgl. Fournier Les verbes "dire" 116). — 2. δίκαιος ‘gerecht, rechtmäßig’ (seit Il.); davon die Abstrakta δικαιότης ‘Gerechtigkeit’ (X., Pl. u. a.) und δικαιοσύνη ‘ds.’ (ion. att.; vgl. Porzig Satzinhalte 225), wozu sekundär δικαιόσυνος als später Bein. des Zeus; denominatives Verb δικαιόω ‘für gerecht halten, beanspruchen, verurteilen’ (ion. att.) mit δικαίωμα ‘Rechtsanspruch usw.’ und δικαίωσις ‘Rechtsforderung, Bestrafung’; auch δικαιωτήριον ‘Strafort’ (Pl. Phdr. 249a; wie δεσμωτήριον usw.) und δικαιωτής ‘Richter’ (Plu.) — 3. δικανικός ‘zum Prozeß gehörig, sachwalterisch, rechthaberisch’, oft herabsetzend (att.); das anscheinende Grundwort nur bei H.: δικανούς· τοὺς περὶ τὰς δίκας διατρίβοντας H. Die Vokallänge ᾱ an der einzigen metrischen Stelle, Ar. Pax 534, nach Chantraine Anales de filcl 6, 45ff. von νεᾱνικός; andere Erklärungsversuche bei Björck Alpha impurum 256f., 279f.; ein *δικικός war jedenfalls lautlich unbequem. — 4. δικαϊκός ‘gerecht’ (M. Ant.). — 5. Denominativum δικάζω ‘richten, Recht sprechen’, Med. ‘prozessieren’ (seit Il.; διαδικάζω att.); davon δικαστής ‘Richter’ (ion. att.) mit δικαστικός ‘zum Richter (zum Gericht) gehörig’ (Pl., X. u. a.) und δικαστεία ‘Amt eines δικαστής’ (Inschr.; wie von *δικαστεύω; nach βασιλεία u. a.); selten δικαστήρ ‘ds.’ (lokr., pamph. usw.), f. δικάστρια (Luk.), mit δικαστήριον ‘Gerichtshof, Gericht’ (ion. att.; auch auf δικαστής bezogen, vgl. Chantraine Formation 313f., Fraenkel Nom. ag. 1, 2) mit dem Deminutivum δικαστηρίδιον (Ar.) und δικαστηριακός (Phld.); von δικάζω ebenso die seltenen Abstrakta δικαστύς (Epigr. Samos; Fraenkel 1, 32 A. 2), δικασμός (Ph.), δικασία (Aq. usw.; διαδικασία att.), διαδίκασμα (Lys.), δίκασις (Sch.). — Privativkompositum ἄδικος ‘ungerecht’ mit ἀδικία und ἀδικέω, wovon ἀδίκημα (alles ion. att.). — Zur Hypostase ἀδικίου ‘wegen Veruntreuung’ vgl. Wackernagel Synt. 2, 288; zu ἀδίκιον Wackernagel-Debrunner Philol. 95, 190f. — Obwohl mit aind. diśā (ep.) ‘Richtung, Himmelsgegend’ formal identisch, stellt δίκη eine davon unabhängige Bildung dar. Zugrunde liegt wahrscheinlich ein altes Wurzelnomen, das in aind. díś- ‘Richtung, Himmelsgegend’, auch ‘Weise’ noch erhalten ist und auch in dem erstarrten lat. Ausdruck dic-is causā vermutet wird (zuletzt Wackernagel bei W.-Hofmann 1, 860). Als ursprüngliches Wurzelnomen kann δίκη ebensowohl ‘die Weiserin’ wie ‘die Weisung’ heißen. Nach Kretschmer Glotta 32, 2 soll δίκη ein altes Erbwort für ‘Recht’, lat. iūs, aind. (ved.) yóṣ ‘Heil, Glück’ ersetzt haben. Die Beziehung dieser Wortsippe auf das Rechtswesen ist indessen alt und kommt auch im Latein (dicis causa, iūdex) und im Germanischen zum Vorschein, s. δείκνυμι, wo auch weitere Verwandte. — Anders über δίκη Palmer Trans. Phil. Soc. 1950, 149ff. (= ‘Merkmal, (Grenz)zeichen’), Hirzel Themis, Dike und Verwandtes. Leipzig 1907 (zu δικεῖν; dagegen Kretschmer Glotta 1, 381). S. noch Kretschmer Glotta 13, 267f. (zu V. Ehrenberg Die Rechtsidee im frühen Griechentum. Leipzig 1921). Monographische Behandlung von D. Loenen. Dikè. Een histor. semant. Analyse. Amsterdam 1948 (Mededel. Nederl. Ak. v. Wet. Letterk. NR 11 : 6). I-393-394

δικλίδες (θύραι, πύλαι usw.) f. pl. (hell. und spät auch sg.) ‘doppelt angelehnt, zweiflügelig’ (poet. seit Il.); auch Subst. (Theok., AP). — Freie Zusammenbildung aus δι- (s. δίς) und κλι- in κλίνω (s. d.), κλί-σις nach den Femminen auf -ίς, -ίδος. I-394

δίκροος, δίκρους (δικρόος, δικροῦς, mit Hyphärese δίκρος) ‘gabelig’ (ion. att.; vgl. Ilberg Arch. f. Pap. 4, 281f.). Keine Ableitungen. — Wahrscheinlich aus *δί-κροϝ-ος, eig. ‘zweihörnig’, von δι- (s. δίς) und einem Wort für ‘Horn’, das auch in κερα[ϝ]-ός ‘gehörnt’, lat. cerv-us ‘Hirsch’, aw. srū- ‘Horn’ usw. vorliegt, aber sich nicht genau rekonstruieren läßt. S. außer κεραός auch κέρας. I-394

δίκταμνον, auch δίκταμον n. Pflanzenname, ‘Origanum Dictamnus’ (Arist., Theok., Dsk.). Davon δικταμνίτης (οἶνος, Dsk.); vgl. Redard Les noms grecs en -της 96. — Bildung wie σφένδαμνος, κάρδαμον usw. (Schwyzer 524 und 494). Vielleicht mit Chantraine Formation 216 von Δίκτη, Berg in Kreta; dazu Strömberg Pflanzennamen 126. Vgl. noch v. Wilamowitz Glaube 1, 119. I-394

Δίκτυννα Beiname der Artemis (Hdt., E. usw.). Davon Δικτυνναῖος (μήν) Monatsname auf Kreta (Inschr.). — Vom Bergnamen Δίκτη (Kreta), aber durch Volksetymologie an δίκτυον angeschlossen; s. Gonda Δείκνυμι (Diss. Utrecht 1929) 221f., außerdem Nilsson Gr. Rel. 311f. m. weiterer Lit. I-394

δίκτυον n. ‘Fangnetz, Fallstrick’ (seit Od.). Deminutivum δικτύδιον (Poll.); andere Ableitungen δικτυεύς ‘Netzfischer’ (Str., Ael.; Boßhardt Die Nomina auf -ευς 78) mit δικτυεία ‘Fischfang’ (Ael.; vgl. ἁλιεία); auch δικτυΐα möglich, s. Scheller Oxytonierung 41; — δικτυώδης ‘netzähnlich’ (Hp. Ep. usw.), δικτυωτός ‘ein Netzwerk bildend, gegittert’ (LXX, Plb. usw.); kann auch auf das Denominativum δικτυόομαι ‘in ein Netzwerk geformt werden usw.’ (LXX, Babr.) bezogen werden. — Thematische, wahrscheinlich nur rein formale Erweiterung eines u-Stamms (δίκ-τυ nur EM 275, 27; wohl aus dem sekundären Vorderglied [s. u.] ausgelöst), vielleicht über den Plural δίκτυα (Schwyzer 460f.; nach Fraenkel Glotta 32,31, der baltische Formen heranzieht, vielmehr altererbte Bildung), eig. ‘das Werfen, der Wurf’ (vgl. βόλος), Verbalabstraktum von δικεῖν ‘werfen’ (s. d.). — Das Kompositum δικτυ-βόλος (AP, Opp.) neben δικτυο-βόλος (Poll.) usw. ist nach δικτυ-αρχέω (Inschr.) und anderen Bildungen mit elidiertem -o- entstanden. I-394-395

δίκτυς N. eines unbekannten libyischen Tieres (Hdt. 4, 192); ὁ ἰκτῖνος ὑπὸ Λακώνων H. — Unerklärt. I-395

δίλασ(σ)ον n. Bez. eines Kleidungsstückes (BGU 814, 25; 816, 27; IIp). Daneben τετρά-λασ(σ)ον als Attribut von λέντι<ο>ν (PSI 8, 971, 17; III-IVp), vom Flachs (Ed. Diocl. 28, 61). — Das Hinterglied wahrscheinlich zu λάσιος ‘dicht behaart’ mit derselben Rückbildung wie in τετρά-βιβλος von βιβλίον, s. d. I-395

δί̄νη f. ‘Wirbel, Strudel’ (seit Il.) mit δινήεις, dor. δινάεις, äol. διννάεις (Alk.) ‘wirbelnd, strudelreich’ (poet. seit Il.); δῖνος m. ‘ds.’, auch ‘rundes Gefäß, runde Tenne usw.’ (ion. att. usw.) mit δινώδης ‘strudelreich’ (D. C., Plu.) und δινωτός ‘mit δ. versehen, gerundet, gedrechselt’ (Hom. u. a.; δινόω nur Eust.). — Neben δίνη, δῖνος steht ein primäres δῑνέω, Aor. δινῆσαι usw., auch δῑνεύω, (δίννηντες Ptz. pl. Sapph. 1, 11; vgl. unten) tr. ‘herumwirbeln’, itr. ‘sich im Kreise herumdrehen’ (vorw. poet. seit Il.) mit den Nomina δίνησις (Arist. u. a.), δίνημα (Man.), δίνευμα (coni. in Ar. Th. 122 und X. Eq. 3, 11; Orph.); — vereinzelt δινέμεν (Hes. Op. 598), δινομένην (Kall.), ἀπο-δινωντι Konj. ‘dreschen’ (Tab. Heracl.; unsicher; in ἀποδιδῶντι zu ändern?); äol. δίννω (Hdn.; Διννομένης Alk.), δινάζω (Artem. ap. Ath.). — Wenn man, was gewiß möglich ist, ein altes Nasalpräsens *δι-νέϝ-ω (vgl. *κῑ-νέϝ-ω, κί̄-νυ-μαι und Schwyzer 696) ansetzt, ist der Nasal nicht nur in die übrigen Verbformen, sondern auch in die Nomina δίνη, δῖνος (vgl. κλίνη : κλίνω) eingedrungen. Äol. δίνν- ist wie ξέννος u. a. (Schwyzer 228) zu beurteilen. Das bei dieser Zerlegung übrigbleibende δι- läßt sich in δίεμαι (s. d.) wiederfinden. — Die auf den Pylostafeln gelesenen qe-qi-no-to, qe-qi-no-me-no (Bennett The Pylos Tablets 1955, Ta 642, 3; 707, 2 usw.) hat Ventris Eranos 53, 108 mit δινωτός verglichen; ein labiovelarer Ursprung des δ- dieser gesamten Wortgruppe (vgl. βίος usw., dazu Schwyzer 300) wäre indessen seltsam. I-395-396

δίξοος, διξός s. δίς. I-396

δίον ‘ich floh’ s. δείδω. I-396

Διόνῡσος N. eines Gottes (seit Il.). Dialektische Nebenformen: Διώνυσος (ep. lyr.), Διόννυσος (thess. kret.), Ζόννυσος (äol.), ΔιΕνυσος (Amorgos), Δεύνυσος (Anakr.). Ägäisch δι-u̯o-nu-so-i̯o (Gen.)? Hypokoristischer Vok. Διονῦ (Phryn. Kom. 10); daneben διον(ν)ύς· ὁ γυναικίας καὶ παράθηλυς H., EM; διοννύς· ἡ γυναικεία καὶ θῆλυς ἐσθής (Eust.). Davon Διονύσιος, vorw. EN, mit dem Fem. Διονυσιάς; pl. n. τὰ Διονύσια ‘das Dionysosfest’ (att. usw.) mit Διονυσιακός (Th. usw.; auch auf Διόνυσος bezogen); Διονυσίσκος, Deminutivum, Ben. einer Person, die an den Schläfen knochenartige Auswüchse hat (Mediz.); denominatives Verb διονυσιάζω ‘die D. feiern’ (Luk. u. a.) mit Διονυσιασταί m. pl. N. der D.-verehrer (Nisyros usw.; vgl. auch zu ’Απολλωνιασταί s. ’Απόλλων). — Als Grundform ist *Διοσ-νυσος anzusetzen, woneben Διόνυσος nach anderen Stammkomposita (Einzelheiten bei Schwyzer 283). Nach einer antiken Überlieferung stammt Dionysos aus Thrakien. Als sein Vater galt Zeus, als seine Mutter die thrakische Erdgöttin Σεμέλη (s. d.). Da das Vorderglied somit allem Anschein nach den Genetiv des thrakischen Namens des Himmelsgottes enthält, hat Kretschmer (Einleitung 241f. m. Lit.) in dem Hinterglied ein thrakisches Wort für ‘Sohn’ sehen wollen, das an gewisse thrakische Namen wie Νῦσα (wo Dionysos aufwuchs; dazu Νῦσαι, Νύσιαι als Ben. der Nymphen, die ihn pflegten) und Nusatita (PN) erinnert. Diese Deutung, so nahe sie auch aus sachlichen Gründen liegt, entbehrt indessen jeder direkten oder indirekten sprachlichen Stütze (vgl. zu νυός). — Neue, höchst anfechtbare Erklärung aus dem Thrakisch-Illyrischen von Grošelj Živa Ant. 3, 205f. — Ausführlich über Dionysos Nilsson Gr. Rel. 1, 564ff. mit reicher Lit. I-396

δίοπος m. ‘Aufseher, Gebieter, Befehlshaber’ (Hp., A., E. u. a.); davon διοπεύω ‘Befehlshaber sein, ein Schiff führen’ (Test. ap. D.). — Von διέπω, s. ἕπω. I-396

δῖος ‘zum Himmel gehörig, göttlich’ (poet. seit Il.), auch ‘dem Zeus angehörig’ (Trag.), oft als Monatsname (Thessalien, Makedonien usw.). — Altererbtes Adjektiv, mit aind. div(i)yá- ‘himmlisch’, lat. dīus ‘göttlich’ identisch, idg. *diu(i)i̯o-; Ableitung vom Namen des Himmels und Himmelsgottes, s. Ζεύς. Das Zugehörigkeitsadjektiv kann hier wie oft den Genetiv des Grundwortes ersetzen, s. Schwyzer-Debrunner 176ff. m. Lit., außerdem Löfstedt Syntactica 1, 107ff.; nach Havers Sprachtabu 165 war dagegen δῖος gegenüber dem Gen. Διός "tabuisierend". — Neben dem maskulinen *δίϝ-ι̯ος stand als selbständige Femininableitung δῖα aus *δίϝ-ι̯ᾰ, zunächst in substantivischer Funktion ‘Himmelstochter, Göttin’, z. B. δῖα γυναικῶν ‘Göttin unter den Weibern’; danach δῖα θεάων usw.; vgl. Schwyzer-Debrunner 116. I-396-397

διοσκέω (Anakr. 3, 3; nicht ganz sicher) nach H. διαβλέπειν συνεχῶς τὴν ὅρασιν μεταβάλλοντα, d. h. ‘ununterbrochen nach j-m umherspähen’; H. fügt hinzu: τίθεται δὲ καὶ ἐπὶ τοῦ διαφορεῖσθαι τῷ σώματι καὶ τῇ ψυχῇ. — Sowohl Form wie Bedeutung lassen auf eine iterativ-intensive Bildung schließen. Sonst dunkel; vgl. Schwyzer 541 A. 7 m. Lit. I-397

Διόσκουροι Διοσκόρω du. (att.; auch Διόσκοροι) pl. (ion. hell.), ‘die Zeussöhne’, Ben. der Götterjünglinge Kastor und Polydeukes. Davon Διοσκο(ύ)ρειον, -ριον ‘Dioskurentempel’ (att. usw.), τὰ Διοσκο(ύ)ρ(ε)ια, -ήϊα (nach βασιλήϊα usw.) ‘Dioskurenfest’ (Inschr.), Διοσκουριασταί N. der Dioskurenverehrer (Pap.; vgl. zu Διονυσιασταί), Διοσκουριάς Stadtname. — Univerbierung unter éinem Akzent von Διὸς κοῦροι (κόρω), vgl. Schwyzer 427 und 445. S. 2. κόρος. Vgl. auch zu Τυνδαρίδαι. — Über die Dioskuren ausführlich Nilsson Gr. Rel. 1, 406ff. m. Lit. I-397

διόσπυρον auch διόσπυρος m. = λιθόσπερμον (Dsk.). n. "Zeusweizen", Ben. der kirschenähnlichen Frucht von Celtis australis (Thphr.); — Univerbierung unter éinem Akzent von Διὸς πυρός mit Übergang ins Neutrum nach den Bahuvrihibildungen wie βούγλωσσον. Semantische Parallelen bei Strömberg Pflanzennamen 128. I-397

δίπλαξ, -κος ‘in zwei Schichten, zweifach, doppelt’ (Il., Orph.); als Subst. f. ‘Doppelgewand’ (Hom., A. Pers. 277 [lyr.], Lyd.). Daneben τρίπλαξ ‘dreifach’ (Il.). — Mit umbr. tuplak n. ‘duplex’ = ‘furca’, lat. du-, tri-plex ‘zwei-, dreifach’ identisch, Bahuvrihikompositum mit mehrdeutigem Hinterglied, ehestens = πλάξ ‘Fläche’; auch πληγή ‘Schlag’ (vgl. ἁ-πληγίς ‘Einzelgewand’ [Herod., S. u. Ar. Fr.], δι-πληγίς ‘Doppelgewand’ [Poll.]) und πλέκω ‘flechten’ sind herangezogen worden; s. die Lit. und die Gegenargumente bei W.-Hofmann s. duplex. — Vgl. zu διπλάσιος und Bechtel Lex. I-397

διπλάσιος, ion. διπλήσιος ‘zweifältig, doppelt’ (Thgn., Hdt., att. usw.); auch διπλασίων (Arist. usw.). Davon διπλασιάζω ‘verdoppeln’ (att. usw.) mit διπλασιασμός und διπλασίασις, διπλασιαστικός. — Aus einem gleichbedeutenden Verbaladjektiv *δί-πλατος nach den ιο-Adjektiven formal erweitert wie ἀμβρόσιος aus ἄμβροτος, διφάσιος aus δίφατος usw. (Schwyzer 466, Chantraine Formation 41). Zugrunde liegt ein Verb der Bedeutung ‘falten’ (idg. pel-), von dem auch in ἁπλόος usw. (s. d.) ein Ableger erhalten ist. Got. ain-falþs ‘einfach’ und damit identische germanische Bildungen enthalten als Bahuvrihikomposita ein Wort für ‘Falte’, awno. faldr m., urg. *fálþa-z, idg. *pól-tos, wie φόρ-τος u. a. gebildet. Weitere Anknüpfungen bei WP. 2, 55f. — Ion. διπλήσιος ist Neubildung nach παραπλήσιος u. a., hell. διπλασίων nach den Komparativen auf -ίων (Schwyzer 598 A. 10, 536 A. 3), διπλάδιος (AP, Pap.) nach διχθάδιος usw. (nach Schwyzer 467 nur umgekehrte Schreibung für -ασ-). I-397-398

διπλόος, διπλοῦς s. ἁπλόος. I-398

διρκαία (Dsk.) = κιρκαία, ‘Vincetoxicum nigrum’; δίρκαιον n. (Ps.-Dsk.) = δαῦκος (s. d.) und στρύχνον ὑπνωτικόν, ‘Withania somnifera’; δίρκος m. ‘Same einer Pinienart’ (Paus. Gr.) f. — Nach Dsk. 4, 75 wäre die Pflanze nach der Zauberin Kirke benannt ("ἐπειδὴ δοκεῖ ἡ ῥίζα φίλτρων εἶναι ποιητική"), die Namensform διρκαία somit sekundär. Jedenfalls scheinen διρκαία, δίρκαιον entweder auf den Quellennamen Δίρκη zurückzugehen oder danach umgebildet zu sein. Vgl. Strömberg Pflanzennamen 93 und 152. I-398

δίς ‘zweimal’ (seit Od.); daneben als Vorderglied δι- ‘zwei-’ (seit Il.). Denominatives Verb δίζω ‘zweifeln, schwanken’ (Π 713, Orac. ap. Hdt. 1, 65 u. a.). Sonstige Ableitungen: διξός (ion.), δισσός, att. διττός ‘zweifach, doppelt’ mit δισσαχοῦ, -ττ- usw.; δίχα Adv. (Präp.) ‘entzwei, getrennt’ (seit Il.) mit διχῇ, διχοῦ usw.; als Vorderglied διχο-; davon διχάς f. ‘Hälfte, Mitte’ (Arat.; nach μονάς usw.) und das Denominativum διχάζω ‘zerteilen’ (Pl. usw.) mit διχασμός, δίχασις (hell.), διχαστῆρες ὀδόντες ‘die Schneidezähne’ (Poll.); auch διχάω (Arat., A. R.), διχαίω (Arat.; vgl. Schwyzer 676). — διχθά ‘entzwei’ (Hom.) mit διχθάδιος ‘zwiefach, doppelt’ (Hom. u. a.), διχθάς f. (als Adj.) ‘doppelt’ (Musae.). — Für sich steht δισκάζεται· διαφέρεται H.; metathetisch für *διξάζεται oder dissimilatorisch für διστάζεται? — Altes Zahladverb, mit aind. dvíḥ, lat. bis (alat. duis), mhd. zwir ‘zweimal’ identisch; als Vorderglied di- = aind. dvi-, lat. bi-, arm. erki- (vgl. zu δύο), germ., z. B. got. twi-, lit. dvi-; z. B. δί-πους, aind. dvi-pád-, lat. bi-pēs; vgl. Gonda Reflexions on the numerals "one" and "two" 41f. — Die Erklärung der gutturalen Ableitungen ist strittig; gegenüber gr. δίχα steht aind. dví-dhā ‘zwiefach’, dessen dh allerdings in δι-χ-θά eingehen könnte. Auch διξός und δισσός setzen zunächst Gutturalerweiterungen voraus: *διχθ-ι̯ο-, διχ-ι̯ο-? Vgl. Schwyzer 598 m. Lit. und Referat anderer Auffassungen. — Nach δίχα, διχθά auch τρίχα, τριχθά usw. (Schwyzer ebd.). — Idg. *du̯i-s gehört zu δύο; neben *du̯i-s in δί-ς steht *dis- in δι-ά, s. d. Vgl. auch δοιοί. I-398-399

δίσκος ̥ m. ‘Wurfscheibe’, auch übertr. von scheibeähnlichen Gegenständen (seit Il.). Davon das Deminutivum δισκάριον (Orib.); ferner δισκεύς N. eines Kometen (Lyd.; vgl. Scherer Gestirnnamen 107); unklar δίσκελλα· σπυρίς H., mit lateinischem Suffix?, vgl. das synonyme fiscella. — Denominatives Verb δισκέω ‘mit der Wurfscheibe werfen’ (ep. poet.) mit δίσκημα ‘Wurf, Geworfenes’ (vgl. die zahlreichen Nomina auf -(η)μα in der Tragödie bei Chantraine Formation 184ff.); auch δισκεύω ‘ds.’ (poet. und spät) mit δισκευτής (Arist.-Komm.) Kompositum δίσκ-ουρα n. pl. (Ψ 523) ‘Wurfweite’, aus δίσκου οὖρα (Ψ 431) zusammengezogen, s. 2. οὖρον. — Als *δίκ-σκος zu δικεῖν ‘werfen’ mit σκ-Suffix. Wegen der Seltenheit dieses Suffixes in nominalen Ableitungen vielleicht ursprünglich zu einem verschollenen σκ-Präsens. Vgl. Bechtel Lex. s. v. I-399

δισσός, διττός s. δίς. I-399

διστάζω, Fut. διστάσω ‘zweifeln, ungewiß sein, schwanken’ (Pl., Arist. usw.) mit διστασμός (Thphr.); daneben mit analogischem γ δισταγμός (Agatharch. u. a.), δίσταγμα (Phld.), διστακτικός (A. D., Sch.), διστάξιμος (Ptol.). — Nach gewöhnlicher und einwandfreier Annahme seit Solmsen (KZ 37, 20f., IF 14, 437) denominativ von *δι-στ-ος = aind. dvi-ṣṭh-a- ‘zweideutig’, awno. tvi-st-r eig. *‘zwiespaltig’, ‘traurig’, idg. *du̯i-sth-o-, Zusammenbildung aus du̯i- (s. δίς) und sthā- ‘stehen’ (s. ἵστημι); vgl. δύστηνος. An sich kann es aber auch eine Erweiterung von δίζω sein, vgl. ἑρπυστάζω neben ἑρπύζω, κλαστάζω neben κλάω usw. (Schwyzer 706). I-399

δίστροπον n. Ben. eines Gefäßes (Pap.), nach Preisigke Wörterbuch ‘eine Kanne, die vermutlich zwei Ausgüsse hatte’; eine andere sehr unsichere Vermutung bei van Herwerden Lex. suppl., der zwischen den Lesungen δί-στροφος und δί-τροπος schwankt. — Dunkel wie so viele Gefäßnamen. I-399

διφάσιος ‘doppelt, zweifach, zwei’ (Hdt. usw.), ebenso τριφάσιος ‘dreifach, drei’ (Hdt.), von H. auch als τρίφωνος erklärt. Daneben δίφατον· διφάσιον, δισσῶς λεγόμενον H. und τρίφατος ‘dreifach’ (Nik. Th. 102). — Bildung wie διπλάσιος, somit von δί-, τρί-φατος ausgehend. Das Hinterglied ist mehrdeutig. Die Anknüpfung an φημί, die in der Wiedergabe durch δισσῶς λεγόμενον bzw. τρίφωνος bei H. zutage tritt, ist auch in neuerer Zeit von Skutsch IF 14, 488ff. unter Hinweis auf das verwandte lat. bifāriam empfohlen worden. Nach Brugmann IF 17, 367, Grundr.2 2 : 1, 186 dagegen mit Prellwitz zu πεφνεῖν, φόνος, θείνω wie ἀρηΐ-φατος ‘im Kampf getötet’, also eig. ‘zweimal geschlagen’ (vgl. den ähnlichen Deutungsvorschlag von δίπλαξ), was indessen zu der Bedeutung von πεφνεῖν, φόνος ‘tot schlagen, morden’ weniger gut paßt. Kaum besser mit Walde Lat. et. Wb.2 90, Brugmann Grundr.2 2 : 2, 71 zu φαίνω als ‘doppelt sichtbar’; man hätte *δίφαντος wie ἄφαντος (schon Il.) erwartet. I-399-400

δῑφάω nur Präsensstamm bis auf δ[ε]ιφήσαντες· ψηλαφήσαντες H. ‘(auf)suchen, durchstöbern’ (einzelne, vorw. poet. Belege seit Π 747), διφέω (AP). Davon διφαλέος ‘nachspürend, scharfsinnig’ (Hymn. Is. 10), διφήτωρ (βυθῶν) ‘Erforscher (der Tiefen)’ (Opp.), ἀστρο-δίφης ‘Astronom’ (Herod., wohlverächtlich). Denominativum διφαδεύ<σ>ει· ἐξελεῖται H., wie von *διφάς; vgl. φυγαδεύειν : φυγάς. — Hierher auch δίφας Art Schlange (Artemid. 2, 13), δίφα<ντὸν ὄφιν. Κρῆτες H. (δίφατον ὄφιν cod.; corr. Salm.), "scil. a rimas scrutando appellatus" (Latte ad loc.); daneben, mit unerklärter Media, δίβαν· ὄφιν. Κρῆτες H. (nach Latte verdorben); vgl. den Schlangennamen παρείας und die übrigen Tiernamen auf -ᾱς, -ης bei Chantraine Formation 30f. Wahrscheinlich iterativ-intensives Deverbativum auf -άω (Schwyzer 717). Im übrigen unerklärt. I-400

διφθέρα f. ‘zubereitete Haut, Fell, Leder’, auch Ben. verschiedener lederner Gegenstände (ion. att.); διψάρα· δέλτος, οἱ δὲ διφθέρα H. (zum Lautlichen Schwyzer 326). Ableitungen. Deminutivum διφθέριον (Theognost.); διφθερίς = διφθέρα (AP; nach den Sekundärbildungen auf -ίς, Chantraine Formation 341ff.); διφθέρωμα ‘ds.’ (Thd.; vgl. ἄσκωμα von ἀσκός und Chantraine 187); — διφθερίας ‘Mann in Fell, Landmann usw.’ (Kom., Luk.; Chantraine 93); f. διφθερῖτις (Poll.; Redard Les noms grecs en -της 114); διφθεράριος ‘Pergamentmacher’ (Edict. Diocl. Asin.); — διφθέρινος ‘aus δ. gemacht, ledern’ (X., Str.). — Denominativum διφθερόομαι ‘in Fell gekleidet werden’ (Str.). — Zu δέφω, δέψω (de Saussure MSL 7, 91; Zweifel bei Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 2) mit ε für ι wie in ἱστίη usw. (Schwyzer 351 m. Lit.). Bildung unklar; vielleicht Erweiterung eines alten Neutrums auf -(τ)αρ (ἴκταρ, νέκταρ u. a.) wie ἡμέρα gegenüber ἦμαρ. — Über iranische LW aus διφθέρα, z. B. npers. daftar ‘office’, s. Bailey Trans. Phil. Soc. 1933, 50. I-400

δίφρος m. ‘Sessel, Stuhl, Wagenkasten, Wagen’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen. Deminutiva: διφρίσκος (Ar.), διφρίον (Tim. Lex.), διφρίδιον (EM); — δίφραξ ‘Stuhl’ (Theok.; familiäre Bildung, Chantraine Formation 379), δίφρακον ‘ds.’ (Samos IVa; ähnliche Bildungen bei Chantraine 384); δίφρις· ὁ ἑδραῖος, καὶ καθήμενος ἀεί, οἷον ἀργός H.; vgl. τρόχις ‘Läufer’, λάτρις u. a. — Adj. δίφριος (AP). — Denominatives Verb διφρεύω ‘in Wagen fahren’ (E. u. a.) mit διφρευτής ‘Wagenlenker’ (S.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 35), διφρευτικός (Ephor.), διφρεία ‘das Wagenlenken’ X. u. a.); gewöhnlicher in derselben Bedeutung διφρ-ηλάτης (Pi., Trag. usw.) mit διφρηλατέω und διφρηλασία. — Eig. "Zwei-Träger", Zusammenbildung von δίς und φέρω mittels des thematischen ο-Vokals, δί-φρ-ο-ς, ursprünglich einen mit zwei Henkeln versehenen Korbstuhl oder einen von zwei (an beiden Seiten) getragenen Tragsessel bezeichnend, dann auf den Wagenkasten bzw. auf einen gewöhnlichen Stuhl übertragen (vgl. Fraenkel ’Αντίδωρον 282). — Der Umstand, daß δι- in δίφρος bei Homer nie Position bildet und somit keine Spur des Digamma aufweist (Solmsen Unt. 211f.), kann durch Dissimilation gegen den folgenden Labial φ verursacht sein (ähnliche Fälle aus dem Aind. bei Debrunner IF 56, 171ff., Symbolae Hrozný 110f.) oder mag, wie z. B. bei ἱδρώς (Schwyzer 222 A. 5), darauf beruhen, daß δίφρος als Element der lebenden Sprache sich der epischen Tradition entzog. Ein Grund, deswegen für δι- ‘zweifach’ auch eine idg. Grundform *di- (wie in δι-ά) anzunehmen, liegt nicht vor. I-400-401

δίχα, διχθά usw. s. δίς. I-401

δίψᾰ, -ης f. (seit Il.), vereinzelt δίψη (A. Ch. 756), auch δίψος n. (Th., Pl., X. u. spät; nach πνῖγος, ῥῖγος usw.; vgl. Chantraine Formation 420) ‘Durst’. Ableitungen: δίψιος ‘durstig, trocken’ (Trag.), διψηρός ‘ds.’ (Hp.; nach αὐχμηρός u. a.; -ήρης Nik.), διψώδης ‘durstig’ (Hp. u. a.), διψαλέος ‘durstig, trocken’ (hell. und spät; nach ἀζαλέος usw.), διψάς f. ‘ds.’ (Thphr. ,Euph., Nik. usw.), auch als N. einer Schlange, deren Bisse einen schweren Durst verursachte (zur Bildung Chantraine 354f.); — δίψακος m. Ben. der Zuckerkrankheit (Mediz.; wegen der Trinksucht der Kranken, Strömberg Wortstudien 89), auch Pflanzenname ‘Dipsacus silvestris’ (Dsk., Gal.; zur Erklärung Strömberg Pflanzennamen 78), mit διψακερός ‘durstig’ (EM), nach H. = ταλαίπωρος; — διψοσύνη = δίψα (Orac. ap. Porph.). — Komp. πολυ-δίψιος ‘sehr durstig, wasserarm’, von Argos (Hom.); metrisch für *πολύ-διψος. — Daneben διψά̄ων Ptz. (λ 584), Inf. διψῆν (Hdt. usw.), 3. sg. διψῇ (Pi., Pl.), hell. usw. auch διψᾶν, -ᾷ; auch διψέω (Archil.) und διψώω (Tryph., AP); dazu δίψησις (Ath. 1, 10b; zweifelhaft) und διψητικός (Arist.). — Der Bildung nach stimmt διψά̄ων, διψῆν zu dem bedeutungsverwandten πεινά̄ων, πεινῆν; die Formen διψά̄ων, πεινά̄ων dürften als (äolische?) Analogiebildungen nach dem gewöhnlichen epischen Ausgang -ά̄ων zu erklären sein; διψῆν und πεινῆν sind unerklärt (Chantraine Gramm. hom. 1, 21 und 362, Leroy Sprachgesch. und Wortbed. 288f.; unwahrscheinlich über διψῆν, πεινῆν K. Meister HK 89 [trotz Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 376f.]). Die eigenartige Bildungsweise zeigt, daß es sich um keine Denominativa handeln kann; vielmehr sind δίψᾰ, δίψη und πείνη, πεῖνα als postverbal aufzufassen (Schwyzer 476, Chantraine a. a. O.). — Sonst dunkel. Unwahrscheinlich Schulze Q. 368, Kl. Schr. 328f.: aus *διψ-ά̄σ-ι̯ω zu lat. āreō. Zur Stammbildung von δίψα s. auch Solmsen Wortf. 241, der geneigt ist, δίψη (aus *δίπ-σᾱ) als die ursprüngliche Form anzusehen. Weitere Lit. bei Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 376f., außerdem Lasso de la Vega Emerita 22, 88f.; 96f. I-401-402

δίω s. δείδω und δίεμαι. I-402

διώκω (seit Il.), Aor. διῶξαι, διωχθῆναι, Fut. διώξω usw. (nachhom.) ‘verfolgen, wegtreiben, anklagen’. Kompp. mit ἀπο-, ἐκ-, ἐπι- usw. Mehrere Ableitungen: δίωγμα ‘das Verfolgen, das Verfolgte’ (Trag., Pl. usw.), διωγμός ‘Verfolgung’ (Trag., X. und spät) mit διωγμίτης Ben. eines Schutzmanns (Inschr. IIp usw.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 45 m. Lit.), διωγμιτικά = persecutiones (Cod. Just.); δίωξις ‘Verfolgung’, insbes. als rechtlicher Ausdruck ‘Anklage’ (att.), διωκτύς ‘Verfolgung’ (Kall.; vgl. Benveniste Noms d’agent 72 mit Versuch einer semantischen Differenzierung). — Nomen agentis διώκτης ‘Verfolger’ (NT), als Hinterglied in γνωμιδιώκτης (haplologisch für γνωμιδιο-δι. Kratin. 307) u. a., s. Fraenkel Nom. ag. 2, 81 A. 1; διωκτήρ ‘ds.’ (Babr.). — διωκτός (S. usw.), διωκτικός (Iamb.). — Erweiterte Form διωκάθειν (-εῖν?), ἐδιώκαθον (att.); zur Frage der präsentischen oder aoristischen Funktion Schwyzer 703 A. 6 m. Lit. — Das Präsens διώκει verhält sich zu δίεμαι wie das synonyme ϝιώκει (kor.) zu ϝίεμαι (s. ἵεμαι). Herkunft des ω unklar (nicht überzeugend Meillet MSL 23, 50f.); κ-Erweiterung wie in ἐρύ-κω, ὀλέ-κω usw., Schwyzer 702 m. A. 5, wo auch Lit. Ältere Lit. bei Bq. I-402

διωλύγιος Adj. unsicherer Bed. (Pl. Tht. 162a, Lg. 890e, hell. und spät); διωλύγιον nach H. = ἠχοῦν ἐπὶ πολύ, μέγα, καὶ σφοδρόν, διατεταμένον; nach den Sch. zu Pl. = περιβόητος und σκοτεινός, mithin sowohl auf ὀλολυγή wie auf ἠλύγη bezogen. — Die Beziehung auf ὀλολυγή überwiegt in späterer Literatur (etwa ‘laut jammernd, weit tönend’); die Platonstellen (διωλύγιος φλυαρία bzw. μήκη διωλύγια) sind nicht eindeutig. I-402

δμώς, -ωός ‘Sklave, Knecht’ (ep. poet. seit Il.; zur Verbreitung E. Kretschmer Glotta 18, 71f.), thematisch erweitert in δμῶος (Hes. Op. 430; auch Kall. Hek. 1, 4, 15 nach der Ergänzung von Gomperz); — f. pl. δμω-ιαί (δμῳαί) ‘Sklavinnen’ (vorw. ep. poet. seit Il.), sekund. sg. δμῳή (Q. S. u. a.) für urspr. *δμῶ-ι̯ᾰ, *δμῷα; zum Akzentwechsel vgl. ἄγυια : ἀγυιαί und Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 118f.; auch δμωΐς (A., E. u. a.) und δμωϊάς, δμῳάς (Q. S., Man.). m. Adj. δμώ-ϊος (AP). — Abstraktbildung μνω-ΐα (μνο-ΐα, μνῴα) Bez. der leibeigenen Bevölkerung in Kreta (Str. u. a.) mit μνωΐτης, μνοΐτης, μνῴτης (Hermon ap. Ath. 6, 267c, Poll.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 29, Bechtel Dial. 2, 790); zur Entwicklung δμ > μν vgl. z. B. μεσό-μνη aus μεσό-δμη; dazu Schwyzer 208. — Von Curtius 232 und anderen zu δάμνημι gezogen; aber vielmehr nach Bréal MSL 7, 448f. zu δόμος ‘Haus’ mit derselben Bildung wie in πάτρως, ἥρως usw. (ōu-Stamm; Schwyzer 479f,), wodurch Anschluß an aind. dámū-nas- ‘Hausgenosse’ usw. (s. δόμος) erreicht wird. S. auch Fraenkel Glotta 32, 23. — Zu dem Kompositum ὑπο-δμώς δ 386 (nicht zu ὑπο-δαμνημι) s. Sommer A. u. Sprw. 26. I-402-403

δνοπαλίζω, Fut. δνοπαλίξω etwa ‘schütteln’ (Δ 472, ξ 512; danach Opp. H. 2, 295). Davon δνοπάλιξις (Sch. Opp. z. St.). — Expressive Bildung, an δονέω und πάλλω erinnernd und vielleicht aus diesen zusammengefügt. Lit. bei Schwyzer 645 m. A. 1, wo ausführlich über derartige Erscheinungen. Zur Bildung s. auch Chantraine Gramm. hom. 1, 340. I-403

δνόφος ‘Dunkel, Finsternis’ (Simon., A. in lyr.). Davon δνοφερός ‘dunkel, finster’ (poet. seit Il., Hp.), auch δνόφεος (B.), δνοφόεις (Emp.), δνοφώδης (E., Hp.), vgl. Schmid -εος und -ειος 48. Komp. δνοφο-είμων ‘in dunkle Gewänder gehüllt’ (Attika IIp). Hell. dafür γνόφος usw. (s. d.) mit δν > γν, wohl ehestens als rein lautlicher Vorgang zu verstehen (Schwyzer 208, Niedermann WuS 8, 64 A. 1; Bq. s. v.; vgl. indessen auch Lejeune Traité de phonétique 68 A. 1). m. — Auf eine Nebenform *δνέφος n. deutet ἰο-δνεφής ‘veilchendunkel’, Beiwort von εἶρος (δ 135, ι426; vgl. Porzig Satzinhalte 300); sonst isoliert. Die allgemeine Ähnlichkeit mit ζόφος ebenso wie mit κνέφας und ψέφας (s. dd.; vgl. auch νέφος) kann nicht zufällig sein und dürfte wenigstens teilweise auf Reimbildungen und Kreuzungen von sinnverwandten expressiven Wörtern zurückzuführen sein, s. die Versuche bei Güntert Reimwortbildungen 112ff. Vgl. außerdem Petersen AmJPh 56, 57ff. I-403

δοάν s. δήν. I-403

δοάσσατο s. δέατο. I-403

δοθιήν, -ῆνος ‘Furunkel’ (Hp., Kom. u. a.), auch δοθιών, -όνος (Mediz., Hdn. Gr.). m. Davon δοθιηνικόν ‘Heilmittel gegen δ.’ (Paul. Aeg.). — Bildung wie λειχήν, ἀδήν, πυρήν usw. (Chantraine Formation 166f., Schwyzer 487) bzw. βουβών, μυών u. a. (Chantraine 162, Schwyzer 488); sonst dunkel. Einzelheiten bei Solmsen Wortf. 137f., der etwas voreilig als Grundwort ein Adjektiv *δοθιος ansetzt. Die Erhaltung von θι (vgl. μέσ(σ)ος aus *μέθι̯ος) macht späte Entlehnung wahrscheinlich. — Neugr. (Athos) διάθωνος, s. Kukules ’Αρχ. 27, 61ff. I-404

δοίδυξ, -ῡκος m. ‘Mörserkeule’ (Ar., Gal. u. a.). Als Vorderglied in δοιδυκο-ποιός (Plu.) und in dem parodierenden δοιδυκο-φόβα (Luk.). Denominative Verba διαδοιδυκίζω ‘die Faust wie eine Mörserkeule ballen’ (Kom. Adesp.), ἀναδοιδυκίζειν· ἀναταράσσειν H. (EM). — Reduplizierte Bildung ohne Etymologie. I-404

δοιοί, δοιώ du., pl. ‘zwei, beide’ (ep. seit Il.), δοιός sg. ‘doppelt’ (Emp., Kall. u. a.). Davon δοιάς f. ‘Zweiheit’ (Gloss.; nach μονάς usw.) und das Denominativum δοιάζω, -ομαι, Aor. δοιάξαι, auch δοάσσαι (durch Vermischung mit δοάσσατο) ‘zögern, sich überlegen’, auch (nach δοάσσατο) ‘sich vorstellen, glauben’ (B., A. R.). — Ein fester Ausdruck ist ἐν δοιῇ ‘in dubio, in Zweifel’ (Ι 230, Kall. u. a.), wovon ἐνδοιάζω ‘in Zweifel sein, schwanken’ (Th., D. H. usw.) mit ἐνδοιαστός, -ῶς ‘zweifelhaft’ (ion., Th. usw.) und den späten ἐνδοίασις, -άσιμος, -ασμός, -αστής, -αστικός. — Ägäisch du-wo-jo-jo? Alte Bildung zum Zahlwort δύο, mit aind. dvayá-, aksl. dъvojь ‘zweifach’, germ., z. B. ahd. zweiio, got. twaddje, anord. tveggja Gen. pl. ‘zweier’ identisch, idg. *du̯o(i)i̯ó-; daneben -du̯ei̯o- in lit. dvejì ‘(je) zwei’, ahd. zwī ‘Zweig’; somit wohl zunächst als Hochstufe von *du̯i- (s. δίς) zu beurteilen. — Die Bewahrung des intervokalischen ι im Griechischen und die germanische Geminata bzw. "Schärfung" zu got. ddj, anord. ggj kann auf analogischer Restitution bzw. Verschiebung der Silbengrenze beruhen (anders WP. 1, 819 mit Brugmann). Nach Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 119f. (wozu noch Fraenkel Glotta 32, 19) wäre von dem Ausdruck (ἐν) δοιῇ auszugehen, den er dem aind. Dat. f. dvayyái (Nom. dvay-ī́) gleichsetzt. — S. auch Gonda Reflexions on the numerals "one" and "two" 44 und 47f. I-404

δόκανα, δοκάνη s. δοκός. I-404

δοκεύω, ‘ins Auge fassen, beobachten, auflauern’ (ep. poet. seit Il.), δοκέω (seit Il.), Aor. δοκῆσαι, Fut. δοκήσω (vorw. poet. seit Od.), δόξαι, δόξω (Pi., h. Merc., ion. att.; vgl. unten), Perf. δεδόκημαι (Pi. usw.), δέδογμαι (Hdt. usw.) ‘ansehen, meinen, scheinen’, δοκεῖ μοι ‘es scheint mir’ (seit Il.); προσ-δοκάω, Aor. προσδοκῆσαι ‘erwarten’ (Hdt., att.). Ableitungen von δοκέω: 1. δόκησις ‘Glauben, Meinung, Vorstellung, Schein’ (Hdt., Th., S., E. usw.), δοκησι-δέξιος, -νους, -σοφος ‘in seiner eigenen Vorstellung geschickt usw.’ (Kom. u. a., parodierend). 2. δόκημα ‘Vorstellung, Wahn’ (E., vgl. Chantraine Formation 184ff.), ‘Beschluß’ (Argos); zu δόκημα, δόκησις vgl. v. Wilamowitz Eur. Her. 281f., 241; Holt Les noms d’action en -σις 147f. m. Lit. 3. δόγμα ‘Meinung, Beschluß, Lehrsatz’ (att., hell.; zu δόξαι, δόξω gebildet nach τάξαι, τάξω : τάγμα usw.) mit δογματικός ‘dogmatisch’, δογματίας ‘der δόγματα ausspricht’, δογματίζω ‘eine Meinung usw. kundgeben’ (hell. und spät). 4. δόξα ‘Ansicht, Meinung, Ansehen, Ruhm’, s. bes. Vereinzelt belegte Bildungen: 5. δόξις = δόξα (Demokr.; nach γνῶσις Schwyzer 505 m. Lit.). 6. δοκώ f. ‘ds.’ (E. El. 747; Chantraine 116). 7. δόκος m. ‘ds.’ (Xenoph. u. a.; Rückbildung nach φορέω : φόρος u. a.). 8. δοκή ‘ds.’ (Hdn.). — 9. δόκιμος ‘zuverlässig, bewährt, ansehnlich usw.’ (ion. att., dor.), wohl direkt von δοκέω, δέκομαι nach den verbal umgedeuteten χρήσιμος, μάχιμος u. a. (anders Arbenz Die Adj. auf -ιμος 39ff. mit reichem Material); Komposita εὐ-, ἀ-δόκιμος u. a.; davon δοκίμιον, δοκιμεῖον ‘Probe’ (Pl., hell. u. spät) und die Denominativa δοκίμωμι (äol.), δοκιμόω (Parm., Theok. u. a.) ‘glauben, wähnen’, δοκιμάζω ‘prüfen, billigen’ (ion. att.) mit δοκιμασία ‘Prüfung’ (att.; zur Bildung Schwyzer 469, Chantraine 85), δοκιμαστής, δοκιμαστήρ, -ήριον, δοκιμαστός, -ικός (att. usw.); auch, als postverbale Bildung, δοκιμή ‘Prüfung, Beweis’ (Ep. Phil., Ep. Kor.); — εὐδοκιμέω ‘in gutem Rufe stehen’ (seit Thgn.) mit εὐδοκίμησις (Pl. usw.); aber εὐδοκιμάζω (Pap. IVp) sehr fraglich, s. Kapsomenakis Voruntersuchungen 70f. — 10. δοκικῶ = δοκῶ (Hermipp. 12) scherzhafte Erweiterung der Komikersprache, vgl. Bechtel Glotta 12, 211. — Von προσδοκάω : προσδοκία ‘Erwartung,’ auch προσδόκημα (Pl. Phlb. 32c), προσδόκιμος (ion. att.). — Sowohl δοκέω wie προσδοκάω sind deverbative Ableitungen von dem primären (προσ-) δέκομαι (s. δέχομαι). Wie alle sekundären Verba waren sie anfänglich auf den Präsensstamm beschränkt, indem in die übrigen Tempora bei Bedarf das primäre Verb eintrat. Ein Rest dieses Systems ist in δόξαι, δόξω, falls mit -ο- nach δοκέω für *δέξαι, *δέξω, vermutet worden (Wackernagel KZ 33, 37; weiteres bei Schwyzer 718). — Die erweiterten Formen δοκεύω (s. oben) und δοκάζω ‘erwarten’ (Sophr., S. Fr. 221, 23) sind wegen der Bedeutung eher an -δοκάω, δέκομαι als an δοκέω anzuknüpfen. — Die semantischen Beziehungen der betreffenden Verba lassen sich leichter ahnen als genau verfolgen; dt. annehmen, annehmbar, angenehm; auffassen, ansehen können immerhin von der Bedeutungssphäre und den Bedeutungsübergängen eine allgemeine Vorstellung geben. Zu δοκέω stimmt formal lat. doceō ‘lehren’; die Bedeutung läßt sich verschieden auffassen, ist aber im Gegensatz zu dem iterativ-intensiven δοκέω kausativ. Zu δοκέω im allg. s. Fournier Les verbes "dire" passim, insbes. 166f.; — Weitere Verwandte s. δέχομαι und δοκός; zu δοκεῖ μοι auch Meringer IF 17, 159; dazu Wahrmann Glotta 17, 256. I-405-406

δοκός (vgl. Schwyzer-Debrunner 34 A. 2), spät auch m. f. ‘Dachsparre, Balken’ (seit Il.). Ableitungen. Deminutiva: δοκίς (Hp., X., Arist. u. a.), δοκίον (Arist., Delos IVa), δοκίδιον (Harp.). — δοκίας (Phlp.), δοκεύς (Heph. Astr.) Ben. eines Kometen (wie auch δοκός, δοκίς; Scherer Gestirnnamen 107). — δοκώδης ‘balkenähnlich’ (Gloss.). — δοκόομαι ‘mit Balken versehen werden’ (Pap., S. E.) mit δόκωσις (LXX usw.). — Von δοκός auch δόκανα n. pl. Ben. zwei aufrechtstehender Hölzer, die mit einer Querstange verbunden sind (Plu.), δοκάναι· αἱ στάλικες, αἷς ἵσταται τὰ λίνα, ἢ κάλαμοι H., d. h. ‘Stellhölzer für Jagdnetze’; vgl. die Gerätenamen auf -ανον, -άνη bei Schwyzer 489f., Chantraine Formation 198f. — Ohne Zweifel zu δέκομαι als Nomen agentis und somit zunächst als "Aufnehmerin (der Dachung)" zu verstehen. Diese Übersetzung trägt aber dem Begriff des Angemessenen und des Anpassens, der δέκομαι von Haus aus eignet, kaum Rechnung; vgl. die s. δέχομαι angeführten Arbeiten von Wistrand und Redard, wo auch weitere Lit. — Nach Benveniste Rev. de phil. 58, 127 sind δοκός, δόκανα vorgriechische Wörter. I-406

δολιχός ‘lang’ (ep. poet. seit Il.). Davon mit regelmäßigem Akzentwechsel (Schwyzer 420) δόλιχος m. ‘Langlauf’, Bez. der langen Rennbahn (att. usw.) mit δολιχεύω ‘einen Langlauf machen’, δολιχεύς ‘Langläufer’ (Sparta IIp); über δόλιχος als Pflanzenname (Thphr.) s. Strömberg Theophrastea 107 A. 1, Pflanzennamen 24. Erweiterte poet. Form mit metrischer Dehnung δουλιχόεις (AP); EN Δολιχίστη Insel vor Lykien, eig. Superlativ, und Δουλίχιον Insel im ion. Meere (Hom. usw.), vgl. Seiler Steigerungsformen 101. Oft als Vorderglied poetischer Komposita; zu bemerken δολιχό-σκιος Beiw. des ἔγχος (Hom.), nachhom. auch von οὐρά, ἰός usw. (Opp., Nonn.), nach herkömmlicher tadelloser Übersetzung ‘langschattig, einen langen Schatten werfend’. Nach Prellwitz eig. ‘langeschig’ = ‘langschäftig’, zu ahd. asc usw. — Altes idg. Wort für ‘lang’, das in mehreren Sprachen erhalten ist: aind. dīrghá-, aw. darəγa-, aksl. dlъgъ, serb. dȕg, lit. (mit unerklärtem d-Wegfall) ìlgas, heth. dalugi-. Der einsilbigen Reduktionsstufe im Indoiranischen und Baltisch-Slavischen entsprechen im Griech. und Heth. die zweisilbigen δολιχ- bzw. dalug- mit verschieden gefärbten Reduktionsvokalen (Erklärung strittig; s. Schwyzer 278, Specht Ursprung 126 m. Lit., Locker Glotta 22, 59, Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre des Heth. 42). Auch lat. indulgeō ‘nachsichtig sein’ und germ., z. B. got. tulgus ‘fest, standhaft’ werden hierhergezogen (Einzelheiten bei W.-Hofmann s. v.), ebenso alb. glatë, gjatë ‘lang’ (aus *dlagh-t-? Jokl Untersuchungen 315; anders Pedersen und Vasmer, s. W.-Hofmann s. longus). — Zu δολιχός gehört ἐνδελεχής ‘fortdauernd, ununterbrochen’ (att. usw.) mit ἐνδελέχεια, ἐνδελεχέω, -ίζω, -ισμός, wie ἐν-τελής, ἐμ-μελής usw. gebildet und somit von einem Nomen *δέλεχος n. ‘Länge’, mit ebenfalls zweisilbiger Wurzel, ausgehend, das von μῆκος (wie δολιχός von μακρός) verdrängt wurde. — Ein anderes Wort für ‘lang’ bieten die westeuropäischen Sprachen mit lat. longūs, germ., z. B. got. laggs, illyr. PN Λάγγαρος, Longarus, vielleicht auch gall. Λογγο-σταλητες (Volksname). Eine vermittelnde, sehr fragliche Grundform *dlongo- kann, trotz dem nasalierten mpers. drang, npers. dirang, den Unterschied zwischen den östlichen und den westlichen Formen nicht überbrücken. Vgl. Porzig Gliederung 123f., 190f. m. Lit.; zu δολιχός noch Bechtel Lex. s. v. I-406-407

δολιχόσκιος s. δολιχός. I-407

δόλος m. ‘Lockspeise, Lockmittel, Trug, List’ (vorw. poet. seit Il.). Ableitungen: δόλιος ‘arglistig, trügerisch’ (poet. seit Od., hell. Prosa) mit δολιότης (LXX), δολιεύομαι ‘betrügen’ (LXX, S. E.) und δολιόω ‘ds.’ (LXX, Sm.); — δολερός ‘ds.’ (ion. att.), δολόεις ‘listig, geschickt’ (poet. seit Od.). — Erweiterte Form δόλευμα ‘List’ (Aen. Tact.; vgl. Chantraine Formation 186f.). — Denominatives Verb δολόω ‘überlisten, berücken, verstellen, verfälschen’ (seit Hes.) mit δόλωσις (X. u. a.) und δόλωμα (A., Aen. Tact.; Chantraine a. a. O.); daneben δολίζω ‘verfälschen’ (Dsk.). — Hierher noch δολία = κώνειον, ‘Schierling’ (Ps.-Dsk.), vgl. Strömberg Pflanzennamen 64; δολεών· ὁ δοθιήν H., vgl. Latte z. St.; δολάνα· μαστροπός. <Δάκωνες> H.; familiäres Wort, vgl. ähnliche Bildungen bei Chantraine 199; auch δόλοπα· κατάσκοπον, μαστροπόν mit δολοπεύει· ἐπιβουλεύει, ἐνεδρεύει H. — Unklar δόλος· πάσσαλος H.; vgl. Latte z. St. m. Lit.; unsichere Hypothese bei Specht Ursprung 157 und 219. — Zu δόλων s. bes. Die Identität von δόλος und lat. dolus, osk. dolom, -ud (Akk. bzw. Abl.) liegt auf der Hand; sie hat die Frage hervorgerufen, ob nicht das italische Wort einfach Entlehnung aus dem Griechischen ist (W.-Hofmann s. v.). Auch eine germanische Wortgruppe wird zum Vergleich herangezogen: anord. tāl f. ‘Betrug, Arglist’, ags. tǣl f. ‘Tadel, Verleumdung, Spott’, ahd. zāla f. ‘Nachstellung, Gefahr’, urg. *tēlō, das einem idg. *dēlā mit gedehnter e-Stufe entsprechen würde (vgl. die Bildungen bei Brugmann Grundr.2 2 : 1, 153f.). — Das primäre Verb, das hinter δόλος und Verw. vermutet werden kann, ist nirgends bewahrt. Beziehung zu dolāre und δαιδάλλω (s. d. und W.-Hofmann s. dolus mit reicher Lit.) muß als hypothetisch betrachtet werden (eig. ‘Spalt-Falle’?; Porzig Satzinhalte 315). I-407-408

δόλων, -ωνος m. 1. Ben. eines Vordersegels (Plb., D. S.) bzw. der zugehörigen Stange (Poll.), lat. LW dolō (seit Liv.); davon δολωνικός (Pap.). — 2. ‘Art Stockdegen, Stilett’ (Plu. TG 10); Deminutivum δολίσκος· δόλων, παραξιφίς H. Lat. dolō ‘ds.’ (seit Varro). — Im Sinn von ‘Stockdegen’ lassen sich δόλων dolō unbedenklich aus δόλος, dolus herleiten ("der Meuchler"); dabei könnte δόλων ebensowohl aus dem früher belegten dolō entlehnt sein wie umgekehrt. — Über δόλων als Benennung eines Segels und das daraus entlehnte dolō läßt sich wegen der rein technischen, streng spezialisierten Bedeutung nichts Bestimmtes sagen. Die Zusammenstellung mit δέλτος (s. d.), ahd. nhd. Zelt, aksl. dlanъ ‘flache Hand’ usw. (Fick 3, 159, WP. 1, 811) ruht auf einer allgemeinen formalen, begrifflich sehr schwachen Ähnlichkeit; die Anknüpfung an lat. dolāre ‘behauen’ und Verw. (s. δαιδάλλω) setzt die bei Poll. 1, 91 belegte Bedeutung ‘Segelstange’ als die primäre voraus (vgl. ἱστός). I-408

δόμος m. ‘Haus, Wohnung, Zimmer’ (vorw. poet. [für οἶκος, οἰκία] seit Il.), auch ‘Lage, Schicht’ (Hdt., LXX, Plb. u. a.; vgl. unten). Kompp. subst. wie ὀπισθό-, πρό- und adj. wie ἀγχί-, ἰσό-. Davon δομόομαι ‘mit Wohnung versehen werden’ (Pap. VIp). — Mit aind. dáma- m. ‘Haus, Bau’ identisch, ebenso mit lat. domus, insofern es ein o-Stamm ist. Neben diesem o-Stamm steht ein alter u-Stamm, der in aksl. domъ, aind. dámū-nas- m. ‘Hausgenosse’ (anders darüber Pisani KZ 72, 213ff.), arm. tanu-tēr ‘Hausherr’ zu verspüren ist (lat. domus als u-Stamm dagegen vielleicht Neuerung, W.-Hofmann s. domus, Ernout Philologica 103); s. auch δμώς. Alt ist ebenso das in δεσπότης, δάπεδον, vielleicht auch in δάμαρ vorliegende Wurzelnomen (s. dd.). Über das unklare Δ(α)μία, Μνία s. Δημήτηρ. — Die nahe Beziehung zu δέμω hat für δόμος die Sonderbedeutung ‘Lage, Schicht’ hervorgerufen; seinem Ursprung nach gehört aber δόμος nicht als Verbalabstraktum direkt zu δέμω (wie z. B. φόρος zu φέρω), sondern wurde aus dem älteren Wurzelnomen bzw. u-Stamm umgebildet. Eine andere Umbildung ist δῶμα, s. d. Etw. abweichend Benveniste BSL 51, 15ff. I-408-409

δόναξ, auch δῶναξ, δοῦναξ (s. unten), -ακος m. ‘Rohr, was aus Rohr gemacht ist, Pfeilschaft, Hirtenpfeife, Leimrute usw.’ (poet. seit Il., auch Thphr.). Davon mit auffallender Örtlichkeitsbedeutung δονακεύς ‘Röhricht’ (Σ 576 -κῆα, Erweiterung am Versende?; danach AP 6, 64, Opp. H. 4, 507; vgl. die Fälle bei Boßhardt Die Nom. auf -ευς 21f.), auch ‘Vogelfänger’ (Opp. K. 1, 73) als Postverbale zu δονακεύομαι ‘Vögel mit Leimrute fangen’ (AP), vgl. Boßhardt 35; δονακών ‘Röhricht’ (Paus. u. a.); δονακήματα· αὐλήματα H.; zur nominalen Ableitung Chantraine Formation 178. — δονακώδης ‘rohrreich usw.’ (B. u. a.), δονακόεις ‘ds.’ (E. in lyr., AP), δονάκινος (H. s. κερκίδας; nicht sicher); δονακῖτις ‘aus Rohr gemacht’, auch Pflanzenname (AP, Ps.-Dsk.; Redard Les noms grecs en -της 71, 112, Strömberg Pflanzennamen 36); δονακηδόν ‘rohrähnlich’ (A. D.). — Unsicher Δονάκτας Beiname des Apollon (Theopomp. Hist. 281), vielleicht für Δονακίτης (Redard 208). Die Nebenformen δῶναξ (Theok. 20, 29 neben δόναξ Ep. 2, 3 und Pi. P. 12, 25), δοῦναξ (AP) scheiden als Hyperdialektisierungen (bzw., für δοῦναξ, als metrische Dehnung, Schulze Q. 205) für die Beurteilung aus. Da die Mehrzahl der Wörter auf -αξ etymologisch undurchsichtig sind, bleibt die herkömmliche Anknüpfung an δονέω ‘schütteln’, obwohl völlig annehmbar (vgl. die Parallelfälle bei Strömberg Pflanzennamen 76f.), etwas ungewiß. Der Vergleich mit lett. duonis ‘Schilf, Binsen’ (Fick; s. Bq und WP. 1, 776) ist verlockend; falls damit urverwandt, könnte δόναξ seinen Vokal von δονέω bezogen haben (vgl. zu κλόνις). Got. tains ‘Zweig’ und Verw. (Bugge, Fick) sind jedenfalls fernzuhalten. Verfehlt Ribezzo RIGI 1 : 3, 49 (zu lat. iuncus). — Nehring Glotta 14, 181 hält δόναξ für ungriechisch. I-409

δονέω, Aor. δονῆσαι ‘schütteln, erschüttern’ (ep. ion. seit Il., poet. und spät). Davon δόνημα (Luk.). Als Hinterglied z. B. in ἁλί-δονος ‘auf dem Meere herumgetrieben’ (A.). — Iterativ-intensive Bildung ohne Etymologie. Pelasgische Erklärung bei v. Windekens Le Pélasgique 4 (zu aind. dhunóti). I-409

δόξα f. ‘Ansicht, Meinung, Ansehen, Ruhm, Pracht’ (seit Il. [Κ 324]; zur Bedeutung dieses geistesgeschichtlich wichtigen Begriffs Greindl RhM 89, 220ff. [bei den Vorsokratikern], Buttmann Phil. 97, 25 m. Litt. [hellenistisch], Kittel Forschungen und Fortschritte 7, 457f., Mohrmann Sprachgesch. u. Wortbed. 321ff. [LXX, NT usw.]). Hypokoristisches Deminutivum δοξάριον (Arr., Luk.); denominative Verba: 1. δοξάζω ‘meinen, glauben, rühmen’ (Trag., Th., Pl. usw.) nut δόξασμα, δοξασμός, δοξαστής, -αστός, -αστικός (att. usw.), auch δοξασία (D. C.) und δόξασις (Simp.); 2. δοξόομαι ‘im Rufe stehen’ (Hdt.). — Zu δοκέω; Bildungsweise unklar. — Unter Ablehnung der früheren Erklärungsversuche (*δόκ-τι̯ᾰ, *δόκ-σᾱ) will Leumann Hom. Wörter 173ff. von dem adverbiellen Ausdruck παρὰ (κατὰ) δόξαν (seit Thgn.) ausgehen, das als παρὰ (τὸ) δόξαν, d. h. als Akk. Ntr. des Ptz. zum Aorist ἔδοξέ μοι zu verstehen wäre, aber etwa nach παρὰ μοῖραν als Akk. eines ᾰ-Femininums, παρὰ (τὴν) δόξαν, umgedeutet wäre; trotz der Kritik bei Fraenkel Gnomon 23, 374 (s. auch Tabachovitz Homerische εἰ-Sätze. Lund 1951. S. 140ff.) erwägenswert. I-409-410

δορά — Das angebliche kret. δορά = δοκός (EM, H.; zu δόρυ?) steht auf sehr schwachen Füßen, s. Latte z. St. Jedenfalls gehört δορόω ‘bestreichen, überziehen’ mit δόρωσις zu δορά ‘Haut, Fell’; unrichtig Xanthudides ’Αρχ. 28, 130ff. (vgl. Kretschmer Glotta 11, 230). s. δέρω. I-410

δορίαλλος auch δόριλλος. ‘τὸ γυναικεῖον αἰδοῖον’ (Ar. Fr. 367), — Unerklärt. Alte und neuere Deutungsversuche bei Kock z. St. I-410

δόρκαι · κονίδες H. — Wie δερκύλλειν· αἱμοποτεῖν H. (neben δερμύλλειν von δέρμα) zu δέρω mit einer κ-Erweiterung (Fick BB 28, 99). I-410

δορκάς, -άδος f. ‘Reh, Gazelle’ (Hdt. 7, 69, E., X.). Mehrere Nebenformen: δόρξ (Kall., Luk.; Akk. δόρκᾱ̆ν E. H. F. 376 [lyr.]; δόρκα Dindorf), δόρκος (Dsk., Opp.), δόρκων (LXX u. a.); auch ζορκάς (Hdt. 4, 192), ζόρξ (Kall., Nik.); ἴορκος (Opp.), ἴορκες, ἴυρκες (H.). — Ableitungen: Deminutiva: δορκάδιον (LXX, Delos IIIa), δορκαλίς (Kall. usw.; zur Suffixkombination -αλ-ιδ- Chantraine Formation 251f., 344); δορκαλῖδες ‘Würfel aus Rehknöcheln’ (Herod.; vgl. die technischen Wörter auf -ῑδ- bei Chantraine 346f.); δορκάδε(ι)ος ‘aus Reh(knöcheln) gemacht’ (ἀστράγαλος, Thphr., Plb., Inschr. u. Pap.; vgl. Schmid -εος und -ειος 52), δόρκειος (Theognost.), δόρκιος (Edict. Diocl.). — PN Δορκεύς usw., s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 130. — Wie κεμάς usw. gebildet, ist δορκάς ebenso wie δόρκος und δόρκων aus dem Wurzelnomen δόρξ erweitert. Wenn man von den sonst unverständlichen Formen mit ζ- ausgeht, erhält man eine direkte Übereinstimmung in einem keltischen Wort für ‘Reh’, korn. yorch, bret. iourch ‘Reh’, kymr. iwrch ‘caprea mas’, idg. *i̯ork-o-. Die δ-Formen beruhen auf volksetymologischem Anschluß an δέρκομαι; ἴορκος usw. können keltische (galatische) LW sein. — Sommer Lautst. 147f. I-410

δόρπον (hell. u. spät auch -ος m.) n. ‘Abendessen, Mahl’ (ep. poet. seit Il.). Davon δόρπιον ‘Zeit des Abendessens’ (Hp. Epid. 5, 22 v. l.), δόρπιος ‘zum δ. gehörig’ (Nonn.); δορπήϊα n. pl. ‘Speise, Mahl’ (Nik.; vgl. ξεινήϊα), Δορπία f. ‘Vorabend eines Festes, insbes. des Apaturienfestes’ (Hdt., Kom., Inschr.). Denominativa δορπέω ‘zu Abend essen’ (Hom.), δορπιάζειν· δειπνεῖν H. (vgl. συμποσι-άζειν u. ä.). — δορπηστός m. (scil. καιρός) ‘Zeit des Abendessens’ (Hp., A., X. u. a.), vgl. δειπνηστός s. δεῖπνον. — Unter Annahme einer gemeinsamen Grundform *dorq-o- kann δόρπον mit alb. darkë ‘Abendessen, Abend’ identisch sein, vgl. Mann Lang. 26, 384f., Porzig Gliederung 178. Weitere Beziehungen (zu δρέπω usw., Bq s. v., WP. 1, 801f. mit älterer Lit.) schweben in der Luft. I-410-411

δόρυ Gen. δόρατος (att.), δορός (Trag.), δουρός und δούρατος (Hom.), du. δοῦρε (Hom.), pl. δόρατα, δοῦρα, δούρατα n. ‘Holz, Baumstamm, Speer’ (seit Il.; über Bedeutung und Gebrauch im Epos Trümpy Fachausdrücke 52ff.). Ableitungen, im allg. spärlich belegt: Deminutiva δοράτιον (Hdt., Th. u. a.), δορύδιον (auct. ap. Orib. 47, 17, 5), δορύλλιον (Suid.); Adj. δουράτεος ‘hölzern’ (ep. seit Od.; von ἵππος usw.), auch δούρειος (E. Tr. 14, Pl. Tht. 184d), δούριος (Ar. Av. 1128), δορήϊος (AP 15, 14), ep. Reminiszenzen, Schulze Q. 102 A., 516; vgl. auch Schwyzer 468. — Denominativum δορατίζομαι ‘mit Speer kämpfen’ (H., EM) mit δορατισμός (Plu.). — Unsicher δορά (< *δορϝ-ά) = δοκός (EM), s. Latte zu H. s. δορά. — Kurznamen: Δοῦρις, Δορίης usw. Als Vorderglied in zahlreichen Komposita (worunter viele EN) neben δορυ- (δορατο-, δουρο-) auch δο(υ)ρι-, zunächst als Dativ (Instrumental) in δουρι-κλειτός u. a., dann auch analogisch ohne ausgesprochene Kasusfunktion nach anderen Vordergliedern auf -ι. Von den Komposita sind zu bemerken δορυ-σσόος ‘speerschwingend’ (Hes. Sc. 54, A. Supp. usw.; zu σείω, Wackernagel Glotta 14, 54), δουρηνεκές aus *δορϝ-ηνεκές Adv. ‘einen Speerwurf weit’ (Κ 357, zu ἐνεγκεῖν, vgl. διηνεκής und Hermann Gött. Nachr. 1943, 612f., Trümpy 52ff.). — Daneben δωρι- in EN, z. B. in Δωρί-μαχος (dor., böot.), Δωρι-κλῆς (ark., dor.); die gleiche Vokalisation auch in ἀσχέ-δωρος, s. d. Eine Erklärung aus -δορϝ-ος, die für gewisse dorische Gebiete lautgesetzlich ist, könnte wegen der weiten Verbreitung der betreffenden Eigennamen Bedenken erregen; da es sich aber dabei sehr wohl um Entlehnungen über die Dialektgrenzen hinaus handeln kann, ist eine Zurückführung auf dehnstufiges *-δωρϝ-ος (Osthoff Etym. parerga 1, 158ff. m. Lit.) kaum nötig. — Mit aind. dā́ru, aw. dāuru ‘Holz’ bis auf die Vokallänge identisch (vgl. γόνυ : jā́nu), hat δόρυ eine genaue Entsprechung in heth. taru ‘Holz’, wohl auch in toch. AB or ‘ds.’ mit unerklärtem Wegfall des d- (vgl. zu δάκρυ). Neben diesem alten stoffbezeichnenden Neutrum steht ein feminines Wort für ‘Baum, Eiche’, δρῦς, s. d. Vgl. noch δρυμά und δένδρεον. — Reiche Lit. bei W.-Hofmann s. larix. I-411-412

δορύκνιον n. Pflanzenname, ‘Convolvulus oleaefolius’ u. a. (Dsk., Nik., Plu.). Deminutivum δορυκνίδιον (Gal.). — Ohne Etymologie. I-412

δοῦλος ion. att., δῶλος kret.; m. ‘Sklave, Knecht’, auch als Adj. ‘sklavisch, knechtisch’ mit dem Komp. δουλότερος (Hdt.); δούλη f. ‘Sklavin, Magd’ (seit Il.); zur Verbreitung E. Kretschmer Glotta 18, 74f. Viele subst. und adj. Kompp. Ableitungen: δουλίς f. (Hyp., AP u. a.; vgl. Schwyzer 127 und 465) mit δουλίδιον (H.), δουλάριον (Ar. usw., vorw. von Sklavinnen gebraucht). — δουλοσύνη ‘Knechtschaft’ (ion. poet. seit Od.; vgl. Porzig Satzinhalte 226) mit δουλόσυνος (E. Hek. 448 [lyr.]); dazu Frisk Eranos 43, 220. — δούλιος, -ειος ‘sklavisch, knechtisch’ (vorw. poet. seit Hom.), δούλεος ‘ds.’ (A. R.), δουλικός ‘ds.’ (att. usw.), δουλικά (σώματα) n. pl. ‘Sklaven’ (Peripl. M. Rubr., Pap.). — Denominative Verba: 1. δουλεύω ‘Sklave sein, dienen’ (ion. att.) mit δουλεία, ion. -ηΐη ‘Knechtschaft’, δούλευμα ‘Knechtschaft, Knecht’ (Trag.; vgl. Chantraine Formation 186), δουλεύτρια ‘Dienerin’ (Eust.); 2. δουλόομαι, -όω ‘geknechtet werden, knechten’ (ion. att.) mit δούλωσις (Th., Pl. usw.) und δουλωτικός (Plu.). — Ägäisch do-e-ro, do-e-ra, wenn richtig als ‘Sklave, -in’ gedeutet, erweist für δοῦλος, δῶλος eine Grundform *δόελος. Wichtig für die Erklärung des Wortes ist eine Angabe bei H.: δοῦλος· ἡ οἰκία, ἢ τὴν ἐπὶ τὸ αὐτὸ συνέλευσιν τῶν γυναικῶν (unklar δωλοδομεῖς· οἰκογενεῖς; verfehlt Schulze Q. 95 A. 3); die Änderung in δοῦμος (Latte nach Wackernagel) ist erwägenswert, verstößt aber gegen die Buchstabenfolge. Das Wort ist jedenfalls entlehnt, u. zw. nach Lambertz Glotta 6, 1ff. (wo ausführliche Behandlung) karisch-lydisch (ähnlich Benveniste Rev. d. ét. lat. 10, 438f.), nach Aßmann Glotta 9, 94ff. aus dem Nordsemitischen. — Unhaltbare idg. Etymologien bei Bq. I-412

δοῦμος m. Ben. eines kleinasiatischen Kultvereins, speziell im Kreise von Magna Mater-Kybele-Attis (Inschr., AP). — Phrygisches Wort, mit gr. θωμός ‘Haufe, Schober’, germ. z. B. got. doms ‘Urteil, Sinn’ formal identisch. WP. 1, 828 mit Lit.; außerdem Wikander Feuerpriester in Kleinasien und Iran (Lund 1946) 1ff. I-412

δοῦπος m. ‘dumpfes Geräusch, Getöse’ mit δουπέω, Aor. δουπῆσαι, Perf. Ptz. Gen. δεδουπότος (Ψ 679, A. R. 1, 1304 u. a.; Neubildung, s. Schwyzer 771, Leumann Hom. Wörter 218) ‘dumpf tönen, tosen’, sekundär (durch Mißverständnis der stehenden Wendung δούπησεν δὲ πεσών, Leumann 217 m. Lit.) ‘im Kampfe fallen’ (vorw. ep. poet. seit Il.). Als Hinterglied in ἐρί-δουπος, auch ἐρί-γδουπος ‘mit lautem Geräusch, laut donnernd’ (ep. poet. seit Il.); der Anlaut γδ- auch in ἐγδούπησαν Λ 45 und μασίγδουπον βασιλῆα· μεγαλόηχον ... H., sowie in ἁλί-, βαρύ-, μελί-γδουπος. Die zahlreichen andern Kompp. haben als 2. Glied -δουπος. — An δουπέω, Intensivbildung wie βρομέω usw., erinnert ein baltisch-slavisches Schallwort, lett. dupêtiês ‘dumpf schallen’, serb. dȕpiti ‘(mit Getöse) schlagen’ usw.; toch. AB täp etwa ‘laut tönen, verkünden’ ist mehrdeutig. Da ein Anlaut gd- sonst weder aus dem Griechischen noch aus der idg. Grundsprache bekannt ist, bleibt die Beurteilung unsicher. Eine entsprechende Tenuisverbindung bietet das sinnverwandte κτυπέω, κτύπος; sowohl γδ- wie κτ- machen den Eindruck einer expressiven Lautimitation. — Schwyzer 718 A. 3, WP. 1, 781f., Pok. 221f.; s. noch Fraenkel Lit. et. Wb. s. dùpinas mit weiterer Lit. I-412-413

δόχμη oder δοχμή f. ‘Handbreit, Spanne’ (Kom.). — Eig. "die Quere", Substantivierung von δοχμός (s. d.) mit Akzentverschiebung (Schwyzer 380) bzw. Oxytonierung nach σπιθαμή, πυγμή u. a. Nicht zu δέχομαι als "der Empfang, die Empfängerin’. I-413

δοχμός (ep. ion. poet. seit Il., auch Delphi IIa), δόχμιος (ep. poet. seit Il.) ‘in die Quere gehend, schräg, schief’; δόχμιος auch als metr. Ausdruck ‘versus dochmius’ (Choerob. usw.) mit δοχμιακός, δοχμικός, δοχμαικός, δοχμιάζω (Sch. usw.). Denominatives Verb δοχμόομαι (δοχμωθείς) ‘in die Quere gehen, sich auf die Seite drehen’ (Hes., h. Merc.), Aor. Akt. u. Med. δοχμῶσαι, -ώσασθαι (Nonn.). — δοχμαλόν· χαμαίζηλον, ταπεινόν H. nach χθαμαλός. — Altes Reliktwort, mit aind. jihmá- ‘schräg, schief’ offenbar identisch. Über die lautliche Diskrepanz sind nur Hypothesen möglich: der griech. ο-Vokal muß eine Reduktionsstufe repräsentieren oder (nach J. Schmidt KZ 32, 374) aus *δαχμός assimiliert sein; in jihmá- muß j- aus d- an den inlautenden Guttural assimiliert sein (urar. *žižhmá- aus *dižhmá-), s. Schmidt a. a. O., Schwyzer 302g; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 769; s. auch Mayrhofer Wb. s. jihmáḥ. I-413

δραγατεύω (Thess. IIIa), Bed. nicht sicher; wahrscheinlich ‘Garben zusammenlesen’ (= δραγματεύω), ‘ernten’, — von δραγάτης *‘Schnitter, Feldarbeiter’, ngr. ‘Feldhüter’ (ἀρχιδραγάτης Ankyra IIp); zu δράσσομαι (s. d.) nach ἐργατεύομαι : ἐργάτης, Zingerle Glotta 15, 70ff. m. älterer Lit. Z. zieht noch heran: δραξών· ἐν Σικελίᾳ ἱερόν ..., εἰς ὅ οἱ γεωργοὶ εὐχὰς ἔπεμπον, ὅθεν καὶ δραξόνες (δρασοντες cod.) ἐκλήθησαν H.; vgl. auch Latte z. St. Ausführlich über δραγάτης mit neuem Erklärungsversuch Georgacas Orbis 4 (1956) 91ff. I-413-414

δραϝεους (GDI 1537, Phokis, frühestens VIa) Akk. pl. f. Ben. eines der Athena geweihten Gegenstandes. — Nach Ulbricht z. St. zu δραιόν· μάκραν, πύελον H. und δροίτη (s. d.); ganz hypothetisch. I-414

δράκων, -οντος ‘Drache, Schlange’ (seit Il.), auch Fischname, ‘Trachinus’ (Epich., Hp., Arist., vgl. Strömberg Fischnamen 121f.). - Fem. δράκαινα ‘Drachin’ (h. Ap., A. usw.) mit δρακαινίς Fischname (Kom.); vgl. unten. m. Deminutivum δρακόντιον (Delos IIIa), auch Pflanzenname ‘Arum dracunculum’ (Hp., Thphr. usw.; nach der Farbengebung, Strömberg Pflanzennamen 38); δρακοντίς N. eines Vogels (Ant. Lib.; vgl. Thompson Birds 91); δρακοντία Pflanzenname (Ps.-Dsk.); δρακοντίας (πυρός, σίκυς, πελειάς, Thphr. usw.); δρακοντίτης (λίθος; Ptol. Chenn., Plin., vgl. Redard Les noms grecs en -της 54). — δρακόντειος und δρακοντώδης ‘drachenartig’ (E. u. a.). — δρακοντίασις N. einer Krankheit (Gal.) wie von *δρακοντιάω, nach den Krankheitsnamen auf -ίασις, vgl. Holt Les noms d’action en -σις 137 A. 3. — Die seit alters herrschende Ansicht, der Drache sei nach seinem bannenden, lähmenden Blick benannt, ist von Fick BB 28, 99 in Zweifel gezogen worden. — Wenn, was immerhin wahrscheinlich ist, zu δέρκομαι, kann δράκων als ursprünglicher n-Stamm (wozu δράκαινα) vom Wurzelnomen *δρά(κ) = aind. dŕ̥ś- ‘Blick’ (vgl. ὑπό-δρα) gebildet sein. Der ντ-Stamm wäre dann nach den Partizipien eingeführt, Schwyzer 526, Chantraine Formation 268. Anders Specht KZ 63, 221. I-414

δραμεῖν Aor. (seit Il.), Fut. δραμοῦμαι (ion. att.), Perf. δέδρομα (Od.), δεδρόμᾱκα (Sapph.; vgl. unten), δεδράμηκα (ion. att.) ‘laufen’. Davon δρόμος mit mehreren Ableitungen (s. d.), δρομή (Hdn.), δράμημα ‘Lauf’ (Hdt., Trag.), auch δρόμημα (APl. u. a.; nach δρόμος). — Vereinzelt belegte Deverbativa: δρομάασκε (Hes. Fr. 117 v. l.); δρομήσασα (Vett. Val.); ὑπαδεδρόμᾱκε (Sapph.; kann auch äolische Schwundstufe sein), erweitert δρομάσσειν· τρέχειν H.; auch δρωμᾷ· τρέχει und δρωμίσσουσα· τρέχουσα H.; vgl. Schwyzer 718f. — Der Aorist- und Perfektstamm δραμ-, δρομ- verhält sich zu δρᾱ- in ἔ-δρᾱ-ν usw. (s. ἀπο-διδράσκω) wie der Präsensstamm βαν- aus *βαμ- in βαίνω zu βᾱ- in ἔ-βη-ν. Eine sichere außergriechische Entsprechung liegt vor im aind. Präsens dramati (Gramm.), Intens. dan-dram-yate ‘laufen’; sehr fraglich dagegen ags. trem ‘Fußtapfe’ und damit verwandte germ. Wörter (WP. 1, 796 m. Lit., Pok. 204f.). Es stehen also einander gegenüber idg. drem- : drā- wie gem- : g-; auf eine morphologische Erklärung dieser offenbar nicht zufällig einander parallel laufenden uralten Bildungen muß verzichtet werden, vgl. zu βαίνω. Eine dritte Variante (Kreuzungsform?) begegnet in aind. drávati ‘laufen’. — Als Präsens von δραμεῖν fungiert τρέχειν. Eine Vermutung über den Aspekt bei Benveniste Origines 120. I-414-415

δράμις f. Art Brot, nach Seleuk. ap. Ath. 3, 114b makedonisch. — Erinnert im allg. an δαράται usw. (s. d.); sonst dunkel. Vgl. Pisani Rev. intern. ét. balk. 3 (1937) 11. I-415

δραπέτης s. ἀπο-διδράσκω. I-415

δράσσομαι, δράττομαι, Aor. δράξασθαι, Perf. δέδραγμαι ‘mit der Hand fassen, greifen’ (ion. att. seit Il.). Kompp. mit δια-, ἐν-, κατα-. Davon δράγμα ‘Handvoll, bes. von Getreidehalm, Garbe’ (seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 241) mit δραγμεύω ‘Garben zusammenlesen’ (Σ 555) wie von δραγμός (E. Kyk. 170) für das metrisch unmögliche δραγματεύω (Eust. 1162, 17); als Vorderglied z. B. in δραγματ-ηγός (Pap.); — daneben δραγμίς ‘kleine Handvoll’ (Hp. Morb. 2, 55 v. l. zu δραχμίς), δραγμή ‘ds.’ (EM); δραχμή s. bes.; δράγδην ‘mit der Hand greifend’ (Plu., Q. S.). — Retrograde Bildung δράξ, -κός f. ‘Handvoll, Hand’ (LXX, Batr. usw.); dazu mit Metathese δάρκες· δέσμαι H. — δραγατεύω (δραξών) s. bes. — Unklar δρακτόν ‘kleine Vase’ (Inschr.). — Primäres Jotpräsens aus *δρακ- oder *δράχ-ι̯ομαι mit durchgeführter Schwundstufe. Ohne sichere Verwandte. In Betracht kommt wegen der Bedeutung in erster Linie arm. trc̣-ak ‘Reisigbündel’ (Petersson KZ 47, 265), vgl. naw-ak ‘kleiner Kahn’ usw.; das urspr. auslautende - läßt auf irgendeine Gutturalkombination schließen. Zwischen dem anlautenden t- und r (evtl. zwischen r und ) muß ein urspr. idg. oder (urarm. i oder u) gefallen sein. Was sonst aus dem Germanischen, Keltischen und Slavischen herangezogen worden ist, z. B. ahd. zarga ‘Seiteneinfassung eines Raumes, Rand’, mir. dremm ‘Schar, Abteilung von Menschen’, bret. dramm ‘Bündel’, aksl. po-dragъ ‘Saum, Rand eines Kleides’, bleibt fraglich. Ausführlich über die frühere Diskussion Bq s. v., WP. 1, 807f. I-415

δραχμή (ion. att.), δαρχμά (ark., el., Knossos), δαρχνά (Gortyn, aus -χμά Schwyzer 215f.) f. ‘Drachme’, Gewicht und Münze. Davon δραχμιαῖος ‘eine D. wert’ (att. usw.; nach ἡμιωβολιαῖος u. a., s. Chantraine Formation 49), auch δραχμαῖος, -ήϊος (Nik.); — Demin. δραχμίον (Aristeas). — Verbalnomen auf -μη, -μᾱ (σμᾱ?, Schwyzer 327) von δράσσομαι (s. d.), also eig. ‘das mit der Hand Fassen, Handvoll’ (von Obolen), vgl. σπιθαμή, πυγμή u. a. (Porzig Satzinhalte 289); δραχ- und δαρχ- repräsentieren verschiedene Formen der Schwundstufe. — Aus δραχμή stammen arab. dirham, arm. dram und andere orientalische Formen, s. Bailey BSOAS 13, 128f. mit Lit.; ngr. δράμι aus δραχμίον, mit Akzent nach osm. dirhém, Maidhof Glotta 10, 10. I-415-416

δρά̄ω, äol. 3. sg. δραῖσι, Aor. δρᾶσαι usw. ‘machen, tun’ (seit Od.; att. Prosa πράττω, ποιέω). Kompp. mit ἀνα-, ἀντι-, ἐπι-, παρα-, συν-, ὑπο-. Ableitungen: δρᾶμα ‘Handlung, Schauspiel, Drama’ (A. usw.) mit dem Deminutivum δραμάτιον (Plu. u. a.) und δραματικός ‘dramatisch’ (Arist. usw.); daneben mit analog. σ (vgl. δρηστήρ usw. unten) δρασμάτων· πανουργημάτων H. und δρασματικός = δραστήριος (Cat. Cod. Astr.); erweiterte Form δραμοσύνη ‘heiliger Dienst’ (Attika IVa), daneben δρησμοσύνη ‘ds.’ (h. Cer. 476) von *δρήσμων, vgl. Chantraine Formation 174, Porzig Satzinhalte 224. — δρᾶσις ‘Handlung, Aktivum, Stärke’ (A. D., Luk.) mit τὸ δράσιμον (A. Th. 554; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 78). — Mit analog. σ (Schwyzer 531): δρηστήρ, f. δρήστειρα (Od.), δρήστης, δράστης, δράστας (Archil., Pi. usw.) ‘Diener, -in’ (vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 167f.) mit δραστήριος ‘wirksam’ (A., Th. usw.), δραστηριότης (Eust.) und δραστηριώδης (Gal.), δραστικός ‘wirksam’ (Pl. usw.; auch direkt auf δράω bezüglich), δρηστοσύνη ‘Dienstfertigkeit, Gewandtheit im Dienen’ (ο 321); denominatives Verb δρηστεύω ‘Diener (bei der heiligen Handlung) sein’ (Lesbos). — Desiderativum δρᾱσείω ‘tun wollen’ (S., E., Ar.). — Neben δράω, wahrscheinlich als Neubildung nach βαίνω, φαίνω usw. steht δραίνω ‘tun wollen, tun können’ (Κ 96, Herod.; Ionismus, Bechtel Lex., Chantraine Gramm. hom. 1, 343) mit der Zusammenbildung ὀλιγο-δρᾰνέων ‘wenig könnend, ohnmächtig’ (Il., späte Prosa; von ὀλίγα δραίνειν nach ὀλιγηπελέων u. a., vgl. Schwyzer 724, Chantraine Gramm. hom. 1, 349; auch Bechtel Lex. s. ὀλιγοδρανέω mit anderer Analyse), wovon ὀλιγοδρᾰνία (A.), ὀλιγοδρᾰνής (Ar., Luk.); späte Neubildungen ἀδρᾰνής (LXX, Arr. usw.) mit ἀδράνεια (Hdn. u. a.), ἀδρανίη (A.R., Kall. u. a.), ἀδρανέω ‘unwirksam, schwach sein’ (Arat., Opp. u. a.), ἀδρανίζω ‘ds.’ (Sch.); daraus rückgebildet δράνος· ἔργον, πρᾶξις, ὄργανον, ἄγαλμα, κατασκεύασμα, δύναμις H. (wozu ngr. δράνα ‘Weinranke’?, Bogiatzides ’Αρχ. ’Εφ. 27, 115ff.), δρανεῖς· δραστικοί H. — Wenn man von dem wahrscheinlich neugebildeten δραίνω nebst Ableitungen absieht, gehen sämtliche Formen dieses Verbs einschließlich der Nominalbildungen auf eine einsilbige langvokalische Wurzel δρᾱ- (vgl. κρᾱ-, τλᾱ- usw.) zurück, von der seit alters eine zweisilbige Form im Baltischen, lit. daraũ, darýti, lett. darît ‘tun, machen, bilden’ vermutet wird (vgl. Schwyzer 675 m. A. 7 m. Lit.). Anders über darýti Fraenkel Lit. et. Wb.: Kaus. von derù, derė́ti ‘taugen, brauchbar sein’ (mit Mühlenbach-Endzelin s. darît) mit weiterem Anschluß an aind. dhár-ma- ‘Satzung, Gesetz’, dhāráyati ‘festhalten’ usw. (?). — Über δράω, δρᾶμα handelt Snell Philol. Suppl. 20 : 1 (1928) 1ff. und Philol. 85, 141ff. — Der allgemeine Begriff ‘tun, machen’ ist eine späte Abstraktion, die Ausdrücke dafür wechseln mithin stark von Sprache zu Sprache. Vgl. πράττω, ποιέω, ἔρδω. I-416-417

δρέπω (δρέπτω Mosch., Opp. usw.), Aor. δρέψαι (auch δραπών Pi., δρόπωσιν [Konj.] Alk.) ‘pflücken, abschneiden’ (seit Od.). Kompp. mit ἀνα-, ἀπο-, ἐπι-, κατα-. Davon δρεπάνη (vorw. poet. seit Il.), δρέπανον (seit Od.) ‘Sichel’ (δράπανον Epigr.) mit δρεπανηΐς ‘ds.’ (Nik.; zur Bildung Chantraine 346), δρεπάνιον (Seleuk. ap. Ath.); δρεπανίς ‘Mauerschwalbe’ (Arist., wegen der Form der Flügel, Thompson Birds s. v.; H. auch δραπανίδες· εἶδος ὀρνέου), δρεπανώδης ‘sichelförmig’ (Agath.). In Komp., z. B. δρεπανη-φόρος ‘sicheltragend’ (X.) mit vom Satzrhythmus begünstigtem -η- für -ο-, vgl. Schwyzer 438f. — δρέμμα· κλέμμα ("etwa vom Obstdiebstahl", v. Blumenthal Hesychst. 35, falls nicht für κλῆμα), οἱ δὲ κλάσμα H. — δρεπτεῖς H., δρεπεῖς EM = τρυγηταί, ‘Winzer’, wohl direkt zu δρέπ(τ)ω, s. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 81. Neben δρέπω steht mit ω-Abtönung δρῶπαξ m. ‘Pechmutze’, wovon δρωπακίζω ‘eine Pechmütze anlegen, die Haare ausreißen’ mit δρωπακισμός, -ιστής, -ίστρια (Mediz. u. a.). Hierher wohl auch δρώπτης· πλανήτης, πτωχός H. — Das dehnstufige δρωπ- findet sich in einem slavischen Wort für ‘kratzen, reißen’, z. B. russ. drápa-ju, -ti (sek. drjáp-), poln. drapać, skr. drâpām, drápati usw. Daneben Schwundstufe (δραπών usw.) in bulg. dъ́rpam, skr. dr̂pām, dŕpati. Auf idg. drōp- fußt auch lett. druõpstala ‘Schnitzel, Stückchen, Krümchen’. Sehr unsicher ist die Verwandtschaft von awno. trǫf n. pl. ‘Fransen’ usw. (idg. *drop-) und von gallorom. drappus ‘Tuch, Leinen’ usw. (W.-Hofmann s. v.). — Daß δρέπω irgendwie nut δέρω zusammenhängt, ist längst vermutet worden; ähnliche Bildungen sind u. a. τρέπω, κλέπτω (s. dd.). — Aus dem Griech. stammt wahrscheinlich alb. drapën ‘Sichel’. — WP. 1, 801f. m. Lit., Pok. 211. I-417

δρηστεύω, δρηστήρ usw. s. δράω. I-417

δρῖλος m. ‘(Regen)wurm, Beschnittener’ (AP, Amphissa; zur Bed. Diels IF 15, 4ff.). Davon δρίλακες· βδέλλαι H. (Chantraine Formation 380). — Ohne Etymologie. Das von M. Scheller bei Pok. 208 herangezogene δριάουσαν· θάλλουσαν H. geht wie δριάεντα· χλωρά von δρίος, pl. δρία ‘Gebüsch, Dickicht’ aus; die angenommene Grundbedeutung ‘schwellend, Schwellender’ (woraus sowohl ‘Beschnittener’ [: ‘Penis’] wie ‘Blutegel’) schwebt somit ganz in der Luft. — Eine unhaltbare Anknüpfung an arm. titeṙn ‘Krokodil’ (H. Petersson) ist bei Kretschmer Glotta 14, 229 notiert. Andere vergebliche Deutungsversuche von Loewenthal WuS 10, 186 und Sapir Lang. 15, 185. Früher u. a. zu δέρω gezogen. Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 799f. — S. auch κροκόδιλος. I-417-418

δρῑμύς ‘scharf, herb, bitter’ (seit Il.). Davon δριμύλος (Mosch.; deminutivisch, vgl. ἡδύλος u. a. Chantraine Formation 250) mit δριμυλέων als philosophischer Spitzname (Gal.); δριμύτης, -ητος f. ‘Schärfe usw.’ (ion. att.). Denominatives Verb δριμύσσω ‘einen beißenden Schmerz verursachen’ (sp. Mediz.; Debrunner IF 21, 243) mit δρίμυξις und δριμυγμός; auch δριμεύω (Anon. in EN). — Wenn eig. ‘zerspaltend, schneidend’, kann δριμύς aus *δρῑ̆σ-μύς (für *δρῑ̆σ-μός nach ὀξύς usw.?) zu lett. drīs-me ‘Riß, Schramme’ gehören. Weitere Verbindung mit der großen Sippe von δέρω ist sehr wohl möglich (Persson Beitr. 2, 779). I-418

δρίος pl. δρία n., ‘Gebüsch, Dickicht’ (ep. poet. seit ξ 353 [Genus dort unsicher]; vgl. ἄλσος, τάρφος u. a.; Porzig Satzinhalte 300). Davon vielleicht δριώνδενδρών’ in ἐν δριῶνας (Meineke; cod. ἐνδριώναςδρόμος παρθένων ἐν Λακεδαίμονι H. — Von Pedersen Vergl. Gramm. 1, 80 mit air. driss ‘vepres’ (st-Suffix) verglichen. Gewöhnlich zu δρῦς usw. (s. d.) gezogen; die Bildung bleibt indessen ganz unklar (vgl. Güntert Idg. Ablautprobl. 25). Nicht hierher mit Osthoff Etym. parerga 1, 156ff. δρίς· δύναμις H. (nach Herwerden zu lesen ἁ βίς [= ϝίς]; sehr fraglich). I-418

δροίτη f. ‘Badewanne’ (A., Nik., Lyk.), auch ‘Wiege’ (Alex. Aet.), ‘Sarg’ (Parth.), N. eines Tanzes (H.; dazu Lawler AmJPh 71, 70ff.). Erweiternde Umbildung δοῖτρον· πύελον, σκάφην H., aus *δροῖτρον. Sonst keine Ableitungen. — Nicht sicher erklärt. Nach Holthausen IF 17, 294 und Lidén 18, 414 aus *δροϝ-ιτᾱ, Parallelbildung zu ags. trīg, neng. tray ‘flacher Trog, Schüssel’ aus urg. *trau-i̯a-, idg. *drou-i̯o-, beide somit vom Wort für ‘Holz’ (s. δόρυ, δρῦς) abgeleitet; zur Bed. vgl. aind. dró-ṇam ‘Trog’. Die Bildung von δροίτη wäre auffallend, aber nicht ohne Seitenstücke, z. B. λά̄ϊτον, λήϊτον ‘Stadthaus’ von λᾱός, λεώς ‘Volk’, s. Schwyzer 504. Die jüngere Form δρύτη beruht auf der Aussprache υ für οι und auf daraus folgender Assoziation mit δρῦς. Ausführlich über δροίτη mit weiterer Lit. Wackernagel Unt. 187 A. 1. Abzulehnen Specht Ursprung 139: droi̯- (auch in δρίος) und drou̯- alter Stammwechsel; Sapir. Lang. 15, 185: zu ὕδωρ(?); Lasso de la Vega Emerita 23, 109ff.: zu δρύεται. — Aus δροίτη stammt wahrscheinlich lat. dureta ‘hölzerne Badewanne’ (Schwyzer KZ 62, 199ff.). I-418-419

δρόμος m. ‘Lauf, Wettlauf, Laufbahn, Rennbahn’ (seit Il.; zur Bed. Porzig Satzinhalte 273) = γυμνάσιον (Kreta; vgl. zu δρομεύς unten). Zahlreiche Ableitungen: δρομεύς ‘Wettläufer’ (att.), ‘ἔφηβος’ (kret.; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 38, Leumann Hom. Wörter 284f.); δρομάς f. (m., n.) ‘laufend’ (S. Ph. 678 [lyr.], E. in lyr., vgl. Schwyzer 507, Chantraine Formation 354), auch als Ben. eines Kamels (D. S., Str. usw.), als lat. LW dromas mit dromedārius, woraus δρομεδάριος, δρομαδάριος ‘Dromedar’ (Pap.; vgl. W.-Hofmann s. v.); — δρομαῖος ‘laufend, schnell’ (S., E., Ar., X. usw.), δρομικός ‘zum (Wett)laufen geeignet, schnell’ (Pl., D. usw.) mit δρομικότης (Simp.); — Δρόμιος Bein. des Hermes (Kreta), Δρομήϊος Monatsname (Kreta); — außerdem die vereinzelt und spät belegten δρομίας N. eines Fisches und eines Krebstieres (Eratosth., Ael.; wegen der Wanderungen bzw. der Schnelligkeit, Strömberg Fischnamen 51f., Thompson Fishes s. δρόμων); δρομαλός Beiw. des λαγωός (H.), δρόμων ‘leichter Kahn’ (Prokop., Lyd.), = ὁ μικρὸς καρκίνος H. (vgl. zu δρομίας), δρόμαξ (κάμηλος, Gp.); — δρόμιον ‘Wettlauf’ (Tab. Defix. Aud., Rom IV-Vp). — δρομή = δρόμος (Hdn. Gr.). — Zu δραμεῖν, s. d. I-419

δρόξιμα n. pl. ‘ungekochte, rohe Früchte’ (Pap. V-VIp) — = τρώξιμα ‘ds.’ (von τρώγω) durch volksetymologische Umbildung nach δρόσος, δροσερός ‘Tau; taufrisch, frisch’ (z. B. von λάχανα Ar. Pl. 298). I-419

δροόν · ἰσχυρόν. ’Αργεῖοι H. — Aus *δροϝ-όν, eig. ‘aus Kernholz’, von dem Wort für ‘Holz’ in δόρυ, δρῦς (s. dd.). Formal am nächsten steht ags. trīgtray’ aus idg. *drou-i̯o-, s. δροίτη. Dasselbe Wort ist auch im EN Δρούθου (Gen., Telos IIa) vermutet worden. — ἔνδροια· καρδία δένδρου καὶ τὸ μέσον H. kann für ἔνδρυα stehen. — Ausführlich Osthoff Etym. parerga 145ff. I-419

δρόσος (zum Genus Schwyzer-Debrunner 32 A. 4, 34 A. 1) f. ‘Tau’, oft übertr. von verschiedenen Flüssigkeiten (Hdt., Pi. usw., vorw. poet.); bei A. Ag. 141 (lyr., pl.) = ‘Jungtiere’ (λεόντων), ähnl. Kall. Hek. 1, 2, 3; nach Bechtel Lex. 139 und Benveniste BSL 45, 102 A. 1 Metonymie; anders Leumann Hom. Wörter 258 A. 11; vgl. zu ἕρσαι. Davon mehrere Adjektive ‘tauig, feucht’: δροσόεις (poet. seit Sapph.), δροσώδης (Kom.), δροσερός (E., Ar., AP), δροσινός (AP), δρόσιμος (Plu.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 98). — Abstraktbildung δροσία (Orac. ap. Luk. Alex. 53, Cat. Cod. Astr., auch ngr.; zur Bedeutung usw. Scheller Oxytonierung 54f.). — Hypokoristisch δροσαλλίς Ben. eines bithynischen Weins (Gp.); zur Bildung Chantraine Formation 252. — Denominative Verba: δροσίζω ‘besprengen, Tau bilden’ (Ar., Arist. usw.) mit δροσισμός (Olymp. Alch.); δροσόομαι ‘mit Tau besprengt werden’ (Anakreont.). Nicht sicher erklärt. Nach v. Windekens KZ 73, 26f. als pelasgisch zu got. driusan ‘herabfallen’, mhd. trōr ‘Tau, Regen’ usw. Ältere Vorschläge von Johansson, Brugmann, Meillet, Grošelj, alle unglaubhaft, sind bei Bq und v. Windekens referiert; abzulehnen ebenfalls Sapir Lang. 15, 185 (zu ὕδωρ). I-419-420

*δροτῆτα (Π 857 u. a.) s. ἀνήρ. I-420

δρυάσαι · κατακολυμβῆσαι, δρύεται· κρύπτεται H. S. δενδρύω. I-420

δρῠμά (spät auch δρῡμά, s. unten) n. pl. ‘Gehölz, Wald’ (ep. seit Il.). — Neutrale Kollektivbildung zu *δρῠμός = aind. drŭma- m. ‘Baum’, russ. drom ‘Dickicht, Urwald’, indog. m-Ableitung des Wortes für ‘Holz, Baum’, s. δόρυ und δρῦς. Die Vokallänge, die im Sing. δρῡμός (s. d.) und den mask. Pluralformen allein herrscht, ist aus δρῦς übertragen. Wackernagel Unt. 184ff. mit Lit. und weiteren Einzelheiten; außerdem Vasmer Russ. et. Wb. s. drom. Zum neutralen Plural s. Schwyzer 581. -Anders über δρυμά Machek Listy filol. 72, 71. I-420

δρυμάσσω, -ττω, Aor. δρυμάξαι, Fut. δρυμάξω etwa ‘zerreißen, zerschmettern’, intr. ‘krachen’ (= ληκεῖν Poll. 5, 93), auch sensu obscaeno; vgl. H.: δρυμάξεις· κυρίως μὲν σπαράξεις. χρῶνται δὲ καὶ ἐπὶ τοῦ συνέσει καὶ προσομιλήσεις (Kom. Adesp. 986); — δρυμάσσειν καὶ δρυμάξαι· τὸ τύπτειν ξύλοις. ἐδρύμαξεν· ἔθραυσεν, ἔσφαξεν. ἀδρύμακτον· καθαρόν. — Expressive Bildung, wahrscheinlich durch Kreuzung von δρύπτω mit einem anderen Verb (μάσσω?, ἱμάσσω?) entstanden. Die Erklärung mit ‘τύπτειν ξύλοις’ (H.) ist offenbare Volksetymologie (nach δρυμός). — Vgl. Debrunner IF 21, 225. I-420

δρῡμός, pl. -οί m. ‘Gehölz, Wald’ (Miletos Va, Trag., hell.). Vereinzelt belegte Ableitungen: δρυμώδης ‘waldig’ (D. S., Str. u. a.), δρύμιος ‘im Walde befindlich’ (Kypros, H.), δρυμῖτις (γῆ) ‘waldbewachsen’ (Pap. IIp), δρυμίς = δρυάς (An. Ox.); δρυμών = δρυμός (J., Opp. u. a.; nach den Ortsbezeichnungen auf -ών, Chantraine Formation I64f.) mit δρυμόνιος (Orph.). — Aus *δρῠμός (s. δρῠμά) mit sekundärer Vokallänge nach δρῦς, s. d. I-420

δρύπτω, Aor. δρύψαι, Opt. ἀπο-δρύφοι Ψ 187 = Ω 21 (wohl Präsens; δρυφόμενοι· φθειρόμενοι H.) ‘zerkratzen’, insbes. als Zeichen der Trauer (poet. seit Il., X., späte Prosa). Seltene Ableitungen: ἀμφι-δρυφής, ἀμφί-δρυφος ‘an beiden Seiten (Wangen) zerkratzt’ (Il.) mit verbalem Hinterglied (Schwyzer 513); δρυπίς f. N. eines Dornenstrauches (Thphr.), vgl. Strömberg Pflanzennamen 76. Außerdem die nur lexikalisch belegten δρυφή· ἀμυχή, καταξυσμή, δρυφάδες· ὄνυχες, καταξύσματα. λῦπαι, ὀδύναι. ἢ τὰ ἀπὸ πληγῶν πελιώματα, δρύφη· ξέσματα H. — Expressive Erweiterung bzw. Umbildung von δέρω, δρέπω (s. dd.), etwa nach θρύπτω (s. d.). Die φ-Formen sind analogische Neuerungen. Nach Specht Sprache 1, 48 wäre das u "sakral" (?). I-420-421

δρῦς, δρυός (dial. vereinzelt auch m., s. Schwyzer-Debrunner 37 A. 2) f. ‘Baum’, bes. ‘Eiche’ (seit Il.). Davon δρύϊνος ‘eichen, von Eichenholz’ (seit Od.), δρυΐνᾱς N. einer Schlange, die in Eichen haust (Nik., Dsk.); δρυΐτης Art Cypresse (Thphr.), Ben. eines Edelsteins (Plin.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 71 und 54); Δρυάς ‘Dryade, Baumnymphe’ (Plu.), auch Ben. einer Schlange (Androm. ap. Gal.; vgl. δρυΐνας); thematische Erweiterung in δρύου Gen. ‘Buschwerk’ o. ä. (POxy. 7, 1044, [7]; 8; 12, II-IIIp); dagegen gehören die thematischen Hinterglieder in μελάν-δρυ-ον ‘Kernholz’, ἔν-δρυ-ον ‘Holzpflock’ (Hes. Op. 469) u. a. zunächst zu δόρυ wie aind. dru- (s. unten) zu dā́ru. — Dasselbe gilt von den Komposita, z. B. δρύ-οχοι m. pl. ‘Schiffsrippen’ (seit Od.; vgl. Wackernagel Unt. 186, Hermann Gött. Nachr. 1943, 6f.), δρῠ(ο)-κολάπτης ‘Specht’ (Ar., Arist. usw.); Bedeutungsparallelen bei Schwentner KZ 73, 112f.; Kurzform (nach den Tiernamen auf -οψ) δρύοψ (Ar. Av. 304); auch als PN (Υ 455) und als Volksname, s. v. Wilamowitz Glaube 1, 52 A. 1. — Zu δρύφακτοι s. bes. — Von der sekundären Vokallänge abgesehen, die sich aus dem femininen Genus erklären läßt (Wackernagel l. c.) aber auch mit der Einsilbigkeit verknüpft worden ist (Specht KZ 59, 280ff.; dagegen Kretschmer Glotta 22, 240f.), ist δρῦς mit aind. dru- ‘Holz’ z. B. in dru-ṣád- ‘im Holz (auf dem Baum) sitzend’, su-drú- ‘aus gutem Holz bestehend’ identisch. Von den übrigen sehr zahlreichen Verwandten seien noch erwähnt : aksl. drъva n. pl. ‘Holz’, alb. dru f. (aus *druu̯ā) ‘Holz, Baum’, germ., z. B. got. triu aus urg. *treu̯a-, idg. *dreu̯-o- mit hochstufiger Endsilbe und thematischer Erweiterung. — Die Femininbildung δρῦς (nach Analogie anderer Baumnamen, vgl. Wackernagel Syntax 2, 17) ist, wie die übrigen oben genannten Wörter, aus den obliquen Kasusformen des Wortes für ‘Holz’, gr. δόρυ, aind. dā́ru (Gen. drú--aḥ und dró-; s. auch δροίτη) erwachsen. — Die Bedeutung ‘fest, stark’, die auf griechischem Boden vereinzelt in δροόν· ἰσχυρόν (s. d.) erscheint, ist namentlich im Germ., z. B. ags. trum ‘fest, kräftig, gesund’ (formal = δρῠμά ‘Gehölz’, aind. druma- ‘Baum’), got. triggws (aus *treu̯u̯a-, idg. *dreu()-o-) ‘treu’ vertreten. Da die Bedeutung ‘Holz’ die weitaus gewöhnlichste ist, wird sie die ursprüngliche sein, s. bes. Osthoff Etym. parerga 1, 169f. Nach Specht KZ.66, 58f., Benveniste Word 10, 257ff. wäre dagegen von einem Adjektiv ‘hart, fest’ auszugehen. — Weitere Formen und reiche Lit. bei WP. 1, 804ff., Pok. 214ff. und in den einschlägigen Spezialwörterbüchern, insbes. W.-Hofmann s. dūrus. I-421-422

δρύφακτοι m. pl. ‘Holzverschlag’, ‘(hölzerne) Schranken, Geländer, Erker’ (Ar., X., Arist. usw.); (selten sg. -ος); daneben δρύφρακτοι (Lib.) durch Wiederherstellung des dissimilatorisch geschwundenen ρ, und τρύφακτοι (hell. u. sp. Inschr., Hdn. Gr.) durch regressive Assimilation (vgl. Schwyzer 257), wenn nicht volksetymologisch an τρυφή usw. angeschlossen. Denominatives Verb δρυφάσσω ‘einfriedigen’ (Lyk.), δρυφάξαι· ++ δακεῖν H. (an alphabetisch unrichtiger Stelle). — Zusammenbildung aus δρῠ- (Schwundstufe von δόρυ, vgl. zu δρῦς) und φράσσω mittels des το-Suffixes (vgl. z. B. ἀκμό-θε-τον) mit progressiver Liquidadissimilation. I-422

δρωπάζειν · ἐμβλέπειν H., A. D. Adv. 139, 8; δρώπτειν· [διακόπτειν ἢ] διασκοπεῖν. Αἰσχύλος Ψυχαγωγοῖς (Fr. 278) H. — Expressive Bildung, die eine Kreuzung von δέρκομαι, δρακεῖν und ὄπωπα, ὄψομαι zu enthalten scheint. Nicht mit Zupitza Die germ. Gutturale 17 zu aind. darpaṇa- ‘Spiegel’. Eine ähnliche expressive Umbildung dürfte in δρωκτάζεις (δροκ-)· περιβλέπεις vorliegen. Latte z. St. vergleicht den EN Δροκυλος (Argolis), der aber für Δρακυλος stehen kann. — Das Verb δράω = ὁράω (A. D. Adv. 139, 8, EM 287, 7) mit δρᾶσις = ἡ βλέψις, δρατοί = οἱ ὀφθαλμοί (EM) ist von den Grammatikern als Erklärung von ὑπό-δρα (s. d. und δέρκομαι) erfunden. I-422

δρῶπαξ s. δρέπω. I-422

δρώψ · ἄνθρωπος H. — Nach alter Annahme (Lit. bei Bq) ein Bahuvrihikompositum aus *νρ-ώψ ‘mit männlichem Gesicht’ (s. ἀνήρ); nach Latte z. St. dagegen Grammatikererfindung. Das Fehlen des ἀ- ist ohne Zweifel auffallend, s. Kuiper ΜΝΗΜΗΣ ΧΑΡΙΝ 1, 224f., wo die herkömmliche Erklärung abgelehnt wird. — Pisani (s. Rev. intern. ét. balk. 3 [1937] 11f.) hält δρώψ für makedonisch (zu τρέφω). I-422

Δύαλος · ὁ Διόνυσος παρὰ Παίωσιν H. — Illyrisches Wort, mit θύελλα (s. d.) am nächsten verwandt; vgl. noch got. dwals ‘töricht, närrisch’ und alb. dêj, dënj (aus *dheuni̯ō) ‘berausche’. Krahe Die Sprache der Illyrier 1, 82f. m. Lit. Hierher nach Krahe auch Δευάδαι· οἱ σάτ<υρ>οι ὑπΙλλυριῶν H.; v. Windekens KZ 73, 115f. zieht noch heran lat. duellum > bellum als illyr. (bzw. pelasgisches) LW. I-422-423

δύβρις · κατὰ γλῶσσαν ἡ θάλασσα Sch. Theok. 1, 118c. — Wenn, wie sehr wohl möglich, illyrischer Herkunft, gehört δύβρις u. a. zu lett. dubra ‘Pfütze, morastische Stelle’, aksl. dъbrь ‘Schlucht’, wohl auch zu mir. dobur ‘Wasser’ (anders Schulze Kl. Schr. 120), mit weiterem Anschluß an mehrere Wörter für ‘tief’, lit. dubùs, got. diups usw. Krahe Die Sprache d. Illyrier 1, 47 m. Lit. — Nach Szemerényi Archiv. Linguist. 5, 77 gehört hierher auch lat. Tiberis (als illyrisch). Vgl. zu δύπτω. I-423

δύη, dor. δύα f. ‘Wehe, Unglück, Drangsal’ (poet. seit Od., auch sp. Prosa). Davon δύϊος ‘unglücklich, schmerzhaft’ (A. Supp. 829 [lyr.]), δυερός ‘ds.’ (metr. Inschr., Attika); kausatives Präsens 3. Sg. δυόωσι ‘ins Elend stürzen’ (υ 195), Perf. Ptz. δεδυημένη· κεκακωμένη H. Als Vorderglied in δυη-παθής (A. R. usw.) mit Ableitungen. — Wenn ursprünglich ‘brennender Schmerz’, gehört δύη zu einer Sippe ‘brennen’, die u. a. in aind. dunóti ‘brennen (trans.), quälen’, alb. dhunë (aus *dus-n-) ‘Leid, Schmerz usw.’, ahd. zuscen ‘brennen’, lat. duellum > bellum (andere Erklärung s. Δύαλος) gesucht worden ist. Im Griechischen sonst nur durch hoch- und dehnstufige Wörter (δαίω, δήϊος, s. dd.) vertreten. — WP. 1, 767ff., Pok. 179ff., W.-Hofmann s. bellum m. Lit. Ablaut- und Wurzelbetrachtungen bei Benveniste Origines 169f. I-423

Δυμᾶνες pl. Ben. einer der drei dorischen Stammphylen (Inschr., Ephor. ap. St. Byz. s. Δυμάν); in derselben Bed. die Ableitung Δυμανᾶται (Hdt. 5, 68). Fem. Δύμαινα (φυλή; Trozen) und Δυμανίς (St. Byz.); vgl. zu Δύσμαιναι. — Bildung wie ’Ακαρνᾶνες, ’Αθαμᾶνες usw. von Δύμη· ἐν Σπάρτῃ φυλή H., auch N. einer Stadt im Westen Achaias und eines Orts in Thrakien, sonst unklar; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 69. — Nicht mit Lagercrantz Streitberg-Festgabe 218ff. zu δίδυμος und weiterhin zu ags. tēam ‘Gebären, Nachkommenschaft (eig. ‘Gespann Zugochsen’, zu got. tiuhanziehen’ usw.; vgl. δαδύσσομαι); s. Kretschmer Glotta 15, 194. I-423

δύναμαι, Aor. δυνήσασθαι, δυνασθῆναι (seit Il.), δυνηθῆναι (Trag. u. att.), Fut. δυνήσομαι (seit Od.), Perf. δεδύνημαι (att.) ‘können, vermögen, gelten, bedeuten’. Ableitungen. 1. δύναμις f. ‘Kraft, Macht’ (seit Il.; auch personifiziert, Schwyzer Glotta 11, 76f. und 203f.; zur Bildung vgl. θέμις und unten) mit δυναμικός ‘vermögend, wirkend’ (hell. und spät), δυναμερός ‘ds.’ (Mediz.), δυναμοστόν Ben. eines Bruchs (Dioph.); δυναμόω ‘stark machen’ (hell. und spät), wovon δυνάμωσις, δυναμωτικός. Als Vorderglied in mathem. Termini wie δυναμο-δύναμις, -κυβος; als Hinterglied z. B. in ἀ-δύναμος mit ἀδυναμίη, -α ‘Machtlosigkeit, Unvermögen’ (Hdt. usw.), ἀδυναμέω (LXX u. a.). 2. δύνασις ‘ds.’ (poet. seit Pi.). 3. δυνάστης m. ‘Machthaber, Herrscher, Herr’ (ion.-att.) mit δυναστικός (Arist. u. a.), δυναστεύω (ion. att.), wovon δυναστεία, δυνάστευμα, δυναστευτικός; f. δυνάστις (Demetr. Eloc.), δυνάστειρα (Tab. Defix. Aud. IIIp; nach den Bildungen auf -τειρα). 4. δυνάστωρ ‘ds.’ (E. IA 280 [lyr.]). 5. Verbaladj. δυνατός ‘potens, könnend; tunlich, möglich’ (Sapph., Pi., Hdt. usw.) mit δυνατέω ‘stark sein’ (2 Ep. Kor. 13, 3 u. a.); 6. δυνητικός ‘potential’ (A. D.). — Da sich für die Bedeutungsentwicklung eines Ausdrucks für ‘können’ mehrere Möglichkeiten öffnen, kann man für die Etymologie von δύναμαι über gewisse Vermutungen nicht hinauskommen. Am nächsten liegt eine Zerlegung in δύ-ν-αμαι, mit präsentischem Nasalinfix, das nicht nur in die außerpräsentischen Verbformen eindrang: δυ-ν-ά-σθην für *δυά-σθην (vgl. λίναμαι : λιάσθην), δυ-ν-ήσομαι für *δυή-σομαι usw., sondern auch in die Nomina δύναμις usw. weitergeschleppt wurde. Dazu kam in gewissen Formen auch ein anorganisches -σ-: δυνά-σ-θην, δυνά-σ-της. Die zweisilbige Wurzel δυᾰ-, δυᾱ- (δυη-), δϝᾱ- stimmt formal zu δ(ϝ)ά̄-ν, δ(ϝ)ᾱ-ρός (s. δήν, δηρός) und ist semantisch damit ohne Zweifel vereinbar (Grundbed. ‘sich vorwärts bewegen’; vgl. ahd. zawen ‘vonstatten gehen, gelingen’); die Erklärung hat aber selbstverständlich nur hypothetischen Wert. Andere, noch unsichrere oder ganz unmögliche Hypothesen sind bei Bq notiert. — Gegen die Annahme, δύνα-μις wäre zu δύναμαι nach der Proportion δύνα-σις : δύνασαι entstanden, mit Recht Porzig Satzinhalte 353. Kret. νύναμαι (Gortyn) muß mit δύναμαι irgendwie zusammenhängen. Wenn nicht damit verwandt (vgl. νοῦς) und nicht durch Assimilation daraus entstanden, hat sich νύναμαι dem Bildungstypus von δύναμαι angeschlossen. Hell. δύνομαι ist eine thematische Umbildung. — Einzelheiten zur Stammbildung usw. bei Schwyzer 495 A. 5, 693 m. A. 5, 762 mit Lit.; dazu noch Frisk Eranos 43, 223 m. A. 3. I-423-424

δυνδεκάτῃ · ἡμέρᾳ δωδεκάτῃ H. — Nach ἑνδέκατος; vgl. Schulze Q. 178. Latte gibt mit Voss gegen die Buchstabenfolge δυοδεκάτῃ. I-424

δύο, ep. eleg. auch δύω, lak. usw. auch δύ(ϝ)ε (nach κύν-ε u. ä.), oblique Formen δυοῖν (woraus att. δυεῖν seit IV-IIIa), δυῶν, δυοῖσ(ι), δυσί; auch indeklinabel (seit Hom.); Einzelheiten bei Schwyzer 588f. Als Vorderglied (neben dem gewöhnlichen δι-, s. δίς) z. B. in δυο-ποιός ‘zwei ausmachend’ (Arist.), außerdem in Univerbierungen wie δυο-καί-δεκα (Il. u. a.); Ableitung δυοστός ‘halb’ (Sch.), nach εἰκοστός usw. — Die auslautende Kürze in δύο erscheint auch in der armen. Zusammenrückung erko-tasan ‘zwölf’ und in der aind. (ved.) Ableitung dva-ká- ‘paarweise verbunden’, außerdem in lat. duo. Sie läßt sich in allen diesen Fällen als sekundäre (analogische bzw. lautliche) Entwicklung verstehen. Eine ähnliche Erklärung von δύο aus δύω oder *δύοι (= aind. duvé, aksl. dъvě f. n.) vor Vokal überzeugt dagegen kaum. Aber dann muß jedenfalls δύο neben der Dualform δύω (= aind. duvā́, aksl. dъva m.) ein altes Indeklinabile sein. Neben idg. *duu̯ō̆ und *duu̯ōu (in aind. duváu) stand die einsilbige Dublette *du̯ō(u) in δ(ϝ)ώ-δεκα, arm. erku, aind. dvā́(u), heth. dā- in dā-yuga- ‘zweijährig’, dān ‘ein zweites Mal’. Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen m. reicher Lit. bei W.-Hofmann s. duo und Wackernagel-Debrunner Aind. Gramm. 3, 341ff. I-424-425

δυοχοῖ · πωματίζει παρὰ Δημοκρίτῳ (Fr. 136), ἤτοι πωμάζει, σκεπάζει; δυοχῶσαι· πωμάσαι (d. h. ‘bedeckeln’) H. — Von *δυοχος ‘Deckel’, das wie eine Zusammenbildung aus δύο und ἔχω ("Zweihälter"?) aussieht. I-425

δύπτω, Aor. δύψαι ‘eintauchen, untertauchen’, gew. intr. (Antim. [?], Lyk., A. R.). Davon δύπτης m. ‘Taucher’, vorw. als Vogelname (Kall., Lyk., Opp.); vgl. Thompson Birds s. v. — Aus δυω (s. d.) nach κύπτω erweitert; vgl. auch βύπτω (s. βάπτω). Anders Pisani Anales de filcl 6, 207ff. : δύπτω zu δύπτης gebildet; letzteres zu δυβ- in δύβρις und weiterhin zu got. diups usw. mit kleinasiatischer Entwicklung der idg. Media aspirata. I-425

δύρομαι ‘wehklagen’ (Trag.); davon πάν-δυρ-τος (Zusammenbildung) ‘über alles wehklagend, laut jammernd’ (Trag. in lyr.). — Durch Kreuzung aus ὀδύρομαι und μύρομαι entstanden, Güntert Reimwortbildungen 150. I-425

δυσ- untrennbares Präfix ‘miß-, übel-, un-’ (seit Il.). Einzelheiten über Bedeutung und Gebrauch bei Schwyzer 432, Wackernagel Syntax 2, 295ff. — Altererbtes Element, das auch im Indoiranischen (aind. duṣ-, dur-, aw. duš-, duž-) stark produktiv war. Einzelne Komposita sind in beiden Sprachzweigen zu belegen wie δυσ-μενής = aind. dur-mánas-, aw. duš-manah-; s. auch zu δύστηνος. Auch in anderen Sprachen lebt das Präfix weiter, so im Germanischen (got. tuz-werjan ‘zweifeln’, awno. ags. tor-, ahd. zur-), im Keltischen (air. du-, do-), im Armenischen (t-, z. B. t-gēt ‘unwissend’). Ob ebenfalls lat. dif-ficilis als *dus-fac. zu erklären ist (Wackernagel a. a. O.), bleibt offen. Auch das slav. Wort für ‘Regen’, aksl. dъždь, russ. doždь usw. wird von vielen Forschern hierher gezogen, aber schwerlich mit Recht; s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v. m. Lit. — Idg. *dus- wird gewöhnlich mit δεύομαι ‘ermangeln’ (s. 2. δέω) verbunden. I-425

δυσ-ᾱής, -ές ‘widrig wehend, stürmisch’, auch übertr. ‘heftig’; ‘übelriechend’ (ep. seit Il.). — Zusammenbildung aus δυσ- und ἄημι mit metrischer Dehnung. Ähnlich ὑπερᾱής (ἄελλα, Λ 297). I-426

δυσβήρης · ὁ δύσβατος EM 291, 43, δυσβηρές· δύσβατον, δυσχερές H., δυσβῆρες· οἱ δύσβατοι τόποι Suid. — Nach EM aus δυσβατήρης synkopiert; vielmehr direkt zu βῆναι nach den Adj. auf -ήρης. Nicht mit v. Blumenthal Hesychst. 3 zu φέρειν als illyrisch. — Eine andere Bildung ist δυσῆρες· δυσχερές Suid. I-426

δύσγω s. 2. δύω. I-426

δύσκηλος Beiwort von χθών (A. Eu. 825), als Gegensatz zu εὔκηλος (s. ἕκηλος) gebildet, aber vielleicht mit κηλέω verbunden (s. Sch. z. St.), etwa ‘unruhig, voll Sorgen’. s. κηλέω. I-426

δύσκολος ‘unzufrieden, mürrisch, mißlich’ (Hp., att.) mit δυσκολία ‘Unzufriedenheit usw.’ Gegensatz εὔκολος ‘zufrieden, vergnügt’ mit εὐκολία. — Lauter unsichere od. wertlose Vermutungen (zu κέλομαι, πέλομαι usw.) bei Curtius, Bq und Hofmann Et. Wb. d. Griech. I-426

δυσκρᾱής ‘schlecht gemischt, ungemäßigt’ (ῥιπή, Opp. H. 2, 517). — Gegensatz εὐκραής, s. d. I-426

Δύσμαιναι · αἱ ἐν Σπάρτῃ χορίτιδες Βάκχαι H. — Nach den Femininen auf -αινα neben das Simplex μαινάς gestellt, vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 95. Zum Sachlichen v. Wilamowitz Glaube 2, 73. — Latte gibt gegen die Buchstabenfolge Δύμαιναι (zu Δυμᾶνες, s. d.) unter Verweis auf Ath. 9, 392f Δυμαναις (Dat. pl., Titel eines Dramas des Pratinas), wo Kaibel mit Toup Δυμαίναις gibt (Meineke dagegen Δυσμαίναις). — Verfehlt v. Blumenthal IF. 49, 172 (illyrisch). I-426

δυσοίζω etwa ‘jammern, in Angst sein’ (A. Ag. 1316, E. Rh. 724 u. 805), — von H. auch mit ὑπονοεῖν, ὑποπτεύειν, οἰωνίζεσθαι erklärt, wohl durch falsche Anknüpfung an οἴομαι. Aor. ἐδύσοιξα· ὑπενόησα H., Verbaladj. δύσοικτος· δυσθρήνητος H. — Wegen des nominalen Präfixes und des augmentierten Aorists ist von δύσοικτος auszugehen, das entweder zu *οἰκτός von οἴζω (A. D.) oder zu οἶκτος gehört; das affektbeladene δυσοίζω ist somit postverbal. Vgl. das ebenfalls lautmalende αἰάζω mit δυσαίακτος (LXX). — Debrunner GGA 1910, 7. I-426

δυσπέμφελος Beiwort der See (Π 748, Hes. Th. 440), der Schifffahrt (Hes. Op. 618), eines Menschen (Hes. Op. 722), des Luftzugs (Nonn. D. 2, 550), des Betts (Max. 88), etwa ‘stürmisch, aufwallend, rauh’. — Expressives Wort ohne sichere Etymologie. Das aus dem Hinterglied zu erschließende Nomen (*πέμφελος, *πεμφών?; vgl. δυσχείμερος : χειμών?) erinnert lautlich an die Gruppe πέμφιξ, πομφός, πομφόλυξ, die auch semantisch eine denkbare Anknüpfung bietet. Eine genaue Analyse, die allein Sicherheit bringen könnte, ist indessen nicht möglich. — Unbefriedigende Andeutungen bei Bechtel Lexil. s. v. und bei Schwyzer 423, der eine dissimilatorische Reduplikation annimmt. I-426-427

δύστηνος, dor. δύστανος ‘unglücklich, unselig’ (poet. seit Il.; zur Bed. vgl. v. Wilamowitz zu Eur. Her. 1346) mit δυστηνία· μοχθηρία H. Danach ἄστηνος, s. d. — Eig. ‘der einen schlimmen Stand hat’, aus δυσ- und *στῆνον, *στᾶνον, mit aind. sthā́nam, aw. apers. stāna- n. ‘Standort, Stelle’ identisch. Daneben steht im Slavischen ein alter u-Stamm, z. B. russ.-ksl. stanъ ‘Lager’, russ. stán ‘Statur, Standort, Lagerplatz’; weitere Formen bei Vasmer Russ. et. Wb. s. v. Lit. stonas ‘Stand, Amt’ kann aus dem Slavischen geholt sein; s., außer Vasmer, Fraenkel Gnomon 22, 236. — Das nur bei Hdn. Gr. 1, 217 überlieferte δύστος = δύστηνος kann mit aind. duḥstha- ‘ds.’ (idg. *dus-sth-o-s; zu στῆ-ναι) identisch sein. — Osthoff Etym. parerga 1, 126, Bechtel Lex. s. δύστηνος. I-427

δυσχερής ‘unzufrieden, widerwillig, widerwärtig, unangenehm’ (ion. att.). Abstraktbildung δυσχέρεια ‘Unzufriedenheit, Überdruß’ (att., hell.), denominatives Verb δυσχεραίνω ‘unzufrieden sein, Mißfallen empfinden (od. erregen)’ (att., hell.; zur Bildung Leumann Hom. Wörter 111 m. Lit.) mit δυσχέρασμα (Pl. u. a.), δυσχερασμός (Phld.), δυσχέρανσις (hell. u. spät), δυσχεραντικός (M. Ant. u. a.). — Gegensatz εὐχερής. — Gegen die herkömmliche Anknüpfung an χείρ wendet sich mit Recht Leumann Philol. 96, 161ff. Er zieht dafür sehr ansprechend die Sippe von χαίρω heran. Auszugehen ist entweder von einem Nomen *χέρος (vgl. δυσ-μενής zu μένος) oder von einer verschollenen hochstufigen Verbalform. I-427

δυτη, δυτα (Thebe, Trozen IV-IIIa; Akz. unbekannt). Bedeutung unsicher, etwa ‘aedicula’. — Wahrscheinlich mit ἄ-δυτον ‘Stelle die man nicht betreten darf, Allerheiligstes’ zu δύω, δύομαι ‘sich hineinbegeben, betreten’. Fraenkel Nom. ag. 2, 137, Frisk GHÅ 44 (1938 : 1) 16f. — Nicht mit v. Blumenthal Glotta 18, 154 zu θύω (‘Opferstätte’) als illyrisch. I-427

δύω 1. ‘zwei’ s. δύο. I-427

δύω, 2. δύομαι, δύνω, Aor. δῦσαι, δύσασθαι, δῦναι, Perf. δέδῡκα, Aor. Pass. δυθῆναι, Fut. δύσω, δύσομαι, δῠθήσομαι, unklares ep. Präteritum δύσετο (Schwyzer 788 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 416f.) ‘eintauchen’ trans. (δύω, δῦσαι, δύσω), gewöhnlich mit Präfix ἀπο-, ἐκ-, ἐν-, κατα-δύω; sonst intr. (δύομαι, δύνω) ‘sich eintauchen, eindringen, einschlupfen, anziehen’, oft mit Präfix ἀνα-, ἀπο-, εἰσ-, ἐκ-, ἐν-, κατα-, περι-, ὑπο-δύομαι, -δύνω usw.; selten -δύω (seit Il.). Ableitungen. 1. δύσις ‘Untergang der Sonne und Sterne, Westen’ (seit Hekat. und Heraklit.) mit δυτικός; oft zu den präfigierten Verba in verschiedenen Bedeutungen ἔκ-, ἔν-, κατά-δυσις usw. 2. δῦμα (POxy. 6, 929, 8; 15, II-IIIp) = ἔνδυμα ‘Gewand’ (seit Va), auch ὑπόδυμα u. a. 3. δύτης ‘Taucher’ (Hdt. 8, 8); in verschiedenen Bedeutungen ἐν-, ὑπεν-, ὑπο-, ἐπι-, ἐπεν-, ἐκ-δύτης mit ἐκδύσια pl. N. eines Festes in Kreta (Ant. Lib.); oft mit nominalem Vorderglied in Zusammenbildungen, z. B. τρωγλο-δύτης ‘Höhlenbewohner’ (Hdt. usw.) mit -δυτικός, -δυτέω, λωπο-δύτης ‘wer in fremde Kleider fährt, Kleiderdieb, Dieb’ (att. usw.) mit -δυτέω, -δυσίου (δίκη), -δυσία; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 225f. 4. ἐνδυτήρ ‘zum Anziehen’ (S. Tr. 674 als Attribut von πέπλος) mit ἐνδυτήριος (S.), auch ὑποδυτήρια pl. (Str. 14, 5, 6; v. l. ὑποδεκτ.). 5. δυσμαί pl. (selten sg., vgl. Schwyzer-Debrunner 43) ‘Untergang der Sonne und Sterne, Westen’ (ion. att.) mit δυσμικός (Str.); auch δυ-θμαί, -θμή ‘ds.’ (Kall.; zum Suffix Chantraine Formation 148f.). 6. δυτη s. bes. 7. δυτῖνος N. eines Wasservogels (Dionys. Av.; wie ἰκτῖνος, κορακῖνος usw.). 8. δυτικός ‘zum Tauchen geeignet, westlich’ (Arist., J. usw.). — Erweiterte Verbalformen: δύπτω (s. d.); δύσγω· ἀποδύω H., nach μίσγω (Wackernagel KZ 33, 39 = Kl. Schr. 1, 718 m. Lit.); vgl. auch φύσγων (Alk., POxy. 18, 2165; s. Specht KZ 68, 150. — Zum intransitiven Nasalpräsens δύνω s. Schwyzer 696, Schwyzer-Debrunner 230. — Im Sinn von ‘ἐνδύεσθαι, anziehen’ bietet das Altindische einen ansprechenden Vergleich in dem allerdings sehr vereinzelt belegten upā-du- (nur Gerundivum upādútya- [ved.]), s. L. v. Schroeder WZKM 13, 297f., Brugmann IF 11, 274. Ein entlegener Verwandter kann in δείελος usw. (s. d.) stecken. Weitere, sehr unsichere Vermutungen bei Bq. — WP. 1, 777f., Pok. 217f., W.-Hofmann s. imbuō. Vgl. auch ἁλιβδύω. I-427-428

δῶ bei Hom. immer am Versende, u. zw. immer als Akk. (ἡμέτερον δῶ, ἐμὸν ποτὶ χαλκοβατὲς δῶ usw.) mit Ausnahme von α 392 δῶ / ἀφνειόν, wo Nom.; außerdem bei Hes. Th. 933 χρύσεα δῶ Akk. pl. im Versinnern durch Neubildung. — Von den Alten als abgekürzte Nebenform von δῶμα aufgefaßt (δῶ· δῶμα, οἴκημα, σπήλαιον H.). Nach J. Schmidt Pluralbild. 222ff. Sandhiform. von *dōm als dehnstufiges Wurzelnomen zu δόμος usw. (s. d.); ebenso z. B. Schwyzer 569 und (zögernd) Chantraine Gramm. hom. 1, 230; ähnlich Bartholomae Grundr. d. iran. Philol. 1, 214: *dōm alter Lok. = aw. dąm. — Fick 1, 458 und Brugmann Grundr.2 2 : 1, 136, denen sich z. B. Risch 304 anschließt, sehen dagegen mit guten Gründen in δῶ ein altes Ortsadverbium (zu bemerken ἡμέτερόν δε = ἡμέτερον δῶ) *dō ‘zu’, das auch in lat. en-do, asächs. tō, ahd. zuo erhalten ist. Vgl. δῶμα. I-428-429

δώδεκα, ep. ion. dor. auch δυώδεκα, ark. δυό̄δεκο, hell. auch δεκαδύο ‘zwölf’. Mehrere Ableitungen: δωδέκατος (δυω-; zu δυνδεκάτῃ s. bes.) ‘der zwölfte’ (seit Il.) mit δωδεκαταῖος ‘zwölftätig, zwölf Tage alt’ (seit Hes.) von δωδεκάτη (ἡμέρα), und δυωδεκατεύς (μήν) ‘der zwölfte Monat’ (Tauromenion); δωδεκάς (δυω-) f. ‘Gruppe von zwölf, der zwölfte Teil’ (Pl. u. a.) mit δυωδεκαδικός; δωδεκαΐς, -ηΐς (δυω-) ‘Opfer von zwölf Tieren’, auch N. einer Festgesandtschaft (Delphi Va usw.; nach Πυθαΐς u. a.); δωδεκεύς· χοεύς H.; δωδεκάκις ‘zwölfmal’ (Ar. usw.). — Oft als Vorderglied in Bahuvrihikomp., z. B. δυωδεκά-βοιος ‘zwölf Rinder wert’ (Il.); vgl. zu βοῦς. — Alte Zusammenrückung aus *δϝώ-δεκα = aind. dvā́-daśa. Daneben nach δύω δυώδεκα wie lat. doudecim nach duo. Vgl. zu δύο. I-429

Δωδώνη f. N. eines Ortes in Epirus mit uraltem Zeusorakel (seit Il.). Heteroklitische Formen Δωδῶνος, -ι (S. u. a.). Davon Δωδωναῖος (Il. usw.), Δωδωνίς (Hdt., S. u. a.). — Nach Steph. Byz. s. Δωδών hatte der Ort seinen Namen vom Fluß Δωδών. Der Ausgang -ώνη ist mit illyrischem Ursprung wohl vereinbar, s. Schwyzer 66, Krahe Die Sprache d. Illyrier 1, 107 m. Lit. I-429

δῶμα n. ‘Haus, Wohnung, Tempel’, oft im Plur., vgl. Schwyzer-Debrunner 43 (ep. poet., späte Prosa; auch ark. [Tegea Va] = ‘Tempel’, aus Homer geholt? Leumann Hom. Wörter 279). Deminutivum δωμάτιον ‘Häuschen, Gemach, Kapelle’ (att.); sonstige Ableitungen: δωματίτης, f. -ῖτις ‘häuslich, zum Hause gehörig’ (A. u. a.); δωματόομαι ‘mit Häusern versehen werden’ (A. Supp. 958). — Wahrscheinlich ist δῶμα eine Erweiterung des in δεσπότης (s. d.) vorliegenden Wurzelnamens idg. *dem-. Am nächsten kommt der armen. n-Stamm tun ‘Haus’, Gen. tan, der indessen mehrdeutig ist. Nach Brugmann Grundr.2 2 : 1, 136 wäre für δῶμα von dem dehnstufigen Akk. eines mask. Wurzelnomens *dōm- auszugehen, der nachträglich wegen des Ausgangs -μα als Neutrum aufgefaßt worden wäre. — Andere, ebenfalls sehr hypothetische Erklärungsversuche bei J. Schmidt Pluralbild. 222 (s. Bq s. v.) und bei Brugmann selbst (Grundr.2 2 : 2, 828; s. Schwyzer 524 A. 5). I-429

δωμάω s. δέμω. I-429

Δωριεῖς, att. -ιῆς pl. ‘Dorier’ (seit τ 177, -ιέες; metri causa, Debrunner ’Αντίδωρον 33 A. 1), sg. Δωριεύς, als EN (Hdt.) und als Adj. ‘dorisch’ (Pi.); davon Δωρίεια (Knidos), Δώρεια (Kos) n. pl. Festname. Daneben Δωρίς (γῆ) f. N. einer Landschaft (Hdt. usw.), auch Adj. ‘dorisch’ von dem Peloponnes (Pi. usw.) und von verschiedenen Gegenständen (Hdt., Th. usw.). Mask. δώριος ‘dorisch’ (Pi. u. a.), auch Δώριον als ON (Β 594 u. a.); δωρικός ‘ds.’ (Hdt., Th. usw.), δωριακός (Orac. ap. Th. 2, 24, metrisch bedingt), beide auch zu Δωριεῖς, s. Chantraine Études sur le vocab. gr. 107. — Denominative Verba. 1. δωρίζω, dor. -ίσδω ‘dorisch sprechen, sich dorisch gebärden’ (Theok. usw.) mit δωρισμός (Demetr. Eloc.), δωριστί Adv. ‘auf dorisch’ (von Dialekt, Tonart, Sitte; att. usw.); 2. δωριάζω ‘ds.’ (Anakr. u. a.); zur Bildung Schwyzer 735. — Bildung wie Αἰσλεῖς, Αἰολῆς von einem unbekannten Grundwort. Schulze Berl. Sb. 1910, 805ff. (= Kl. Schr. 127ff.) sieht in Δωριεῖς eine Kurzform zu Δωρί-μαχοι ‘Speerkämpfer’ (nur als EN belegt); dagegen v. Wilamowitz Glaube 1, 70 A. 1. Nach Kretschmer Glotta 4, 343f. und 22, 255 wäre Δωρίς (wovon Δωριεῖς) eig. ‘Waldland, Baumland’. Beide Forscher knüpfen somit an δόρυ ‘Holz, Speer’ (mit Dehnstufe, vgl. s. v.) an. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 102f. ist geneigt, für Δωριεῖς von dem ON Δώριον auszugehen. I-429-430

δῶρον 1. n. ‘Gabe, Geschenk’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z. B. in der Zusammenbildung δωρο-δόκος ‘Geschenke annehmend, bestechlich’ (vgl. zu δέχομαι) neben δωροδοκέω ‘Geschenke annehmen, sich bestechen lassen’ (ion. att.) mit δωροδόκημα, δωροδοκία ‘Bestechlichkeit, Bestechung’. Deminutivum δωρύφιον (Pap.). Denominatives Verb δωρέομαι, δωρέω ‘schenken, verschenken, gewähren’ (seit Il.; zur Diathese Schwyzer-Debrunner 234) mit δώρημα ‘Geschenk’ (Hdt., Trag. usw.) und δωρηματικός (D. H. u. a.), δωρητής ‘Geber, Wohltäter’ (Nesos IVa) und δωρητικός (Pl.), δωρητήρ ‘ds.’ (AP), δωρητός ‘für Gaben empfänglich’ (Ι 526), ‘geschenkt’ (S. u. a.). — Eine andere Bildung in δωρύττομαι (Theok. 7, 43; scherzhafte Augenblicksbildung; Debrunner IF 2 1, 242f.); außerdem thess. δούρραντα = δωρήσαντα wie hom. φίλατο neben φιλεῖν (Fraenkel Glotta 35, 91f.)? — Neben δῶρον und δωρέομαι steht mit unklarer Bildung (vgl. γενεά, -ή usw. Chantraine Formation 91) δωρεά, älter (Attika Va) -ειά, ion. -εή ‘Gabe, Geschenk, Verleihung, Lehnsgut’ (Hdt., att. usw.); davon δωρεακός ‘Beamter eines Lehnsguts’ (Pap. IIIa), δωρεαστικός, -ρετικός ‘Geschenke betreffend’ (Pap. VIp). — Altes Wort, mit arm. tur, aksl. darъ ‘Gabe’ identisch. Daneben in derselben Bedeutung mit n-Suffix lat. dōnum = aind. dā́nam. Der Suffixwechsel kann auf einen alten r-n-Stamm zurückgehen. — Weiteres s. δίδωμι. I-430

δῶρον 2. n. ‘Handbreite’ (Nik., Miletos u. a.); als Hinterglied in ἑκκαιδεκά-δωρος ‘sechzehn Hand (lang)’ (Δ 109), δεκά-δωρος (Hes. Op. 426), ὀρθό-δωρον ‘Handlänge’ = ‘der Abstand von der Handwurzel zur Fingerspitze’ (Poll., nach H. auch = σπιθαμή, ‘Spanne’). Daneben mit anderem Vokal der i-Stamm δάριν· σπιθαμήν. ’Αρκάδες und δάρ[ε]ιρ· τὸ ἀπὸ τοῦ μεγάλου δακτύλου ἐπὶ τὸν μικρὸν διάστημα H. (vgl. Latte z. St.). — Der Vokalwechsel läßt als Reflex alten Ablautes auf indog. Herkunft schließen. Man vergleicht einige Wörter für ‘Hand’, insbes. alb. dorë, nach La Piana (s. IF 58, 98) mit δῶρον identisch (vgl. auch zu χείρ); außerdem kelt., z. B. air. dorn, und lett. dùre, dûris ‘Faust’, beide indessen mit idg. u und somit wahrscheinlich fernzuhalten. — WP. 1, 794f., Pok. 203 m. weiterer Lit. I-431

ἒ ἔ, auch wiederholt ἒ ἔ, ἒ ἔ Interjektion (Trag., Kom.). — Elementarschöpfung. Vgl. v.Wilamowitz Eur. Her. zu V. 1025, Schwyzer-Debrunner 600 m. A. 4. I-431

ἐ-, ἠ- Präteritalpräfix, sog. Augment (seit Il.). — Altererbtes Element, das auch für das Indoiranische (a-, -), Armenische (e-) und Phrygische (e-) belegt ist, z. B. ἔ-φερε = aind. -bharat, arm. e-ber; phryg. ἔ-δαεςἔθηκε’. Einzelheiten mit Lit. bei Schwyzer 651ff.; über die Form ἠ- s. bes. Debrunner Festschrift Zucker 85ff. I-431

ἕ, ἑ, ‘se’, ep. auch ‘eum, eam, id’, 3. Pers. Sing. Akk. des reflexiven und (enklitisch) anaphorischen Personalpronomens; lesb. ϝε, pamph. ϝhε, ep. auch ἑέ; Gen. οὗ (οὑ), ep. ἕο (εἷο), εὗ (ἑο, εὑ), ἕθεν, lesb. ϝέθεν, lokr. ϝέος; Dat. (und Gen.; Schwyzer-Debrunner 189 m. Lit.; dazu Latte Glotta 35, 296) οἷ (οἱ), ep. auch ἑοῖ, lesb. usw. ϝοῖ, kret. (Gortyn) usw. ϝιν, böot. (Korinna) ἑίν. Davon das Possessivum ὅς, ep. auch ἑός, dor. usw. ϝός ‘suus, eigen’ (auch auf die 1. und 2. Pers. bezüglich), ‘eius’. — Die ep. Formen ἑ, εὑ, ἕθεν, οἱ können, in den Fällen wo sie keine Spur des Digamma zeigen (Chantraine Gramm. hom. 1, 146ff.), auf einen idg. Reflexivstamm *se- zurückgehen, der u. a. in lat. sē, aksl. sęsē’, germ., z. B. got. si-k vorliegt; dazu οἱ aus *soi = apers. šay, aw. hē, prakr. se; ἑο aus *se-so, vgl. τέο zu τίς (s. d.). Daneben stehen ϝhε, ϝοῖ aus *su̯e, *su̯oi = aind. sva- ‘sich’, nur in Ableitungen und als Vorderglied, z. B. sva-taḥ ‘von sich aus, aus sich selbst’ (vgl. zu ἐτός), sva-já- ‘von selbst entstanden’; eine zweisilbige (hochstufige) Variante von *su̯e kann in ἑέ aus *seu̯e vorliegen. — Durch Adjektivierung von *su̯e, *seu̯e entstanden die Possessiva *su̯o-s, *seu̯o-s, woraus ϝός, ἑός = aind. svá- ‘suus’, alat. sovos > lat. suus. — Weitere Formen aus dem Griechischen und den verwandten Sprachen nebst Lit. bei Schwyzer 600ff. und WP. 1, 454ff. Vgl. ἑαυτοῦ, ἑκάς, ἕκαστος, σφε und σύ. I-431-432

ἔᾱ Interjektion des Erstaunens und Unwillens (vorw. Trag.), — ursprünglich wohl nur 2. Sg. Ipv. von ἐάω, aber jedenfalls in späterer Zeit als selbständige Interjektion empfunden. — Schwyzer KZ 60, 141f. I-432

ἐάν ‘wenn’ (att.), hell. und spät auch als Modalpartikel = ἄν; daneben ἄ̄ν (att.), ἤν (ep. ion.; auch att.?). — Durch Univerbierung bzw. Krasis aus εἰ und ἄν (s. dd.) entstanden. Das langvokalische ἐά̄ν erklärt sich unschwer als Kreuzung von ἐᾰ́ν und ἄ̄ν. — Lejeune Traité de phonétique 295, Schwyzer 402, Schwyzer-Debrunner 685 m. A. 1, wo reiche Lit. und andere Deutungsvorschläge. I-432

ἑᾰνός 1. (εἱανός am Versanfang Π 9, spät auch ἑᾱνός) m. Ben. eines Frauenkleids (ep. seit Il.). — Aus *ϝεσ-ανός als Verbalnomen zu ἕννυμι (s. d.); Bildung wie στέφανος usw. (Chantraine Formation 196ff.). I-432

ἑᾱνός 2. ep. Beiwort von Gewändern (λιτί, πέπλος, ἱμάτιον), auch des Zinns (Il., inc. auct. ap. Greg. Kor., s. zu Sapph. [?] 122). — Bedeutung unbekannt (‘schmiegsam’?, ‘gut sitzend’?, ‘fein’?), — mithin ohne Etymologie. Zahlreiche Hypothesen sind bei Bq verzeichnet. Vgl. ἱανογλέφαρος. I-432

ἔαρ 1., -ρος (auch εἶαρ, ἦαρ) n. ‘Blut’, übertr. ‘Saft’ (Kall., Euph., Nik. u. a.; nach H. kyprisch). Als Vorderglied in εἰαροπότης· αἱμοπότης, ψυχοπότης H.; εἰαροπῶτις nach schol. Τ v. l. für ἠεροφοῖτις (’Ερινύς) Τ 87 (Fraenkel Nom. ag. 1, 114 m. A. 1). Keine Ableitungen. — Altererbte Benennung des Blutes: heth. ešḫar, Gen. eš(ḫa)naš, aind. ásr̥k, Gen. asnáḥ, lat. aser (Gloss., Paul. Fest.; Form unsicher), toch. AB ysār, B yasar, lett. asins; erweiterte Form wahrscheinlich in arm. ar-iwn. Der ursprüngliche r-n-Stamm, im Heth. und Aind. noch erhalten, ist sonst ausgeglichen. — Griech. ἦαρ und εἶαρ sind nicht eindeutig. Eine ursprüngliche Vokallänge (Schulze Q. 165f.) ist sehr wohl möglich (vgl. zu ἧπαρ); metrische Dehnung ist indessen nicht ausgeschlossen. Überhaupt ist die Frage des Anlauts nicht aufgeklärt; neben e sind eine oder mehrere Reduktionsstufen anzusetzen. — Wie im Griech. durch αἷμα (s. d.) wurde auch im Latein und Aind. das alte Wort durch andere Ausdrücke, sanguis, bzw. rudhirám (s. zu ἐρυθρός), ersetzt. I-432

ἔαρ 2., ἔαρος, auch ἦρος, ἦρι (att., auch ion. und Alk.) mit neuem Nom. ἦρ (Alkm.) n. ‘Frühling’ (seit Il.; zum Lautlichen Schwyzer 251). Als Vorderglied in ἐαρί-δρεπτος ‘im Frühling gepflückt’ (Pi.), ἐαρο-τρεφής (Mosch.) u. a. Ableitungen: ἐαρινός (auch εἰ-, ἠ- wie εἴαρος u. a. durch metrische Dehnung), poet. auch ἠρινός ‘zum Frühling gehörig, des Frühlings’ (seit Il.); im selben Sinn ἐάρτερος (Nik. Th. 380; kontrastierendes -τερος, Schwyzer-Debrunner 183); ἐαρίδας· τὰς κανθαρίδας H.; semantische Begründung bei Strömberg Wortstudien 13; — denominatives Verb ἐαρίζω ‘den Frühling zubringen usw.’ (Pl., X. u. a.). — Aus γέαρ· ἔαρ H. und der hom. Prosodie (Chantraine Gramm. hom. 1, 128) ist ein älteres ϝέαρ zu erschließen, das über urgr. *ϝέσαρ einen alten r-n-Stamm fortsetzt: aw. Lok. vaŋri aus *vasr-i ‘im Frühling’, arm. gar-un ‘Frühling’, Lit. vasar- ‘Sommer’; aksl. usw. vesn-a ‘Frühling’, aind. vasan-tá- ‘ds.’ (vgl. heman-tá- ‘Winter’, s. χειμών). Über keltische Formen s. WP. 1, 311 m. Lit. — Neben idg. *u̯es-r-, *u̯es-n- steht *u̯ēr- in lat. vēr, anord. vār n. (o-Stamm). Eine uridg. Entwicklung u̯ĕsr- > u̯ēr- läßt sich selbstverständlich weder leugnen noch beweisen. Da aber wegen der starken lautlichen Ähnlichkeit ein Zusammenhang vorliegen dürfte, vermutet Porzig Gliederung 110f. ansprechend, daß lat.-germ. *u̯ēr- nach dem Wort für ‘Jahr’, idg. *i̯ēr- (s. ὥρα) umgebildet wurde. — Zu ἐαρινός vgl. die gleichgebildeten lit. vasarìnis ‘sommerlich’ und lat. vernus (wie hibernus, hornus). I-432-433

ἑαρα pl.? Bed. unbekannt (IG 12 : 3, 450a 1, alt-theräisch); vgl. ἐαρόν· λουτῆρα ἢ πρόχουν H. — Unerklärt. Vermutung von Sommer Lautstud. 119: zu umbr. vestikatu ‘libato’, wozu noch ahd. wasulun ‘pluviis’ usw. (WP. 1, 308). I-433

ἑᾱυτοῦ, -τῆς, -τῷ, -τῇ usw., ion. ἑωυτοῦ (ἑωτοῦ), ωὑτοῦ, att. auch ᾱὑτοῦ usw., hell. auch ἑατοῦ, ἁτοῦ, kret. ϝιαυτοῦ ‘sich selbst’, 3. Sing. und Plur. (auch auf die 1. und 2. Pers. bezogen) des reflexiven Personalpronomens (ion. att.). Ableitung ἑαυτότης ‘Selbstheit’ (Prokl.). — Durch Zusammenrückung aus dem Reflexivum ἕ (s. d.), ἑοῖ usw. und αὐτόν, -τῷ usw. (s. d.) entstanden: ἕο αὐτοῦ > ion. ἑωυτοῦ, att. ἑᾱυτοῦ, ἑοῖ αὐτῷ > ion. ἑωυτῷ, att. ἑᾱυτῷ usw.; ebenso ἐμεωυτοῦ, σεωυτοῦ, ἐμᾱυτοῦ, σ(ε)ᾱυτοῦ usw. (hom. ἕ αὐτόν, ἔμαὐτόν, ἕο αὐτοῦ, ἐμοὶ αὐτῷ usw.). Einzelheiten über Lautentwicklung, Formen und Gebrauch (mit Lit.) bei Schwyzer 607 und 402, Schwyzer-Debrunner 193ff. I-433

ἑάφθη Aor. unsicherer Bed. (‘sank’?, ‘fiel’?, ‘stürzte’?, von ἀσπὶς καὶ κόρυς Ν 543, Ι 419). — Schon im Altertum dunkel: von Tyrannion ap. Sch. A als ‘ἥφθη’ erklärt; von Aristarch zu ἕπομαι gezogen; nach H. = ἐκάμφθη, ἐβλάβη; alles nur lose Vermutungen. Moderne Erklärer haben andere Anknüpfungen versucht : zu ἰάπτω (K. Meister HK 110A. 2; vgl. s. v.), zu got. sigqan ‘sinken’ usw. (J. Schmidt Kritik 62ff., WP. 2, 495f.). S. auch Bq s. v. I-433-434

ἐάω, Ipf. εἴων, Aor. ἐᾶσαι (Ind. εἴασα), Fut. ἐάσω (seit Il.; urspr. ἐᾰ́σ(σ)αι, bzw. ἐᾰ́σ(σ)ω?, vgl. unten), Perf. usw. εἴᾱκα, εἴαμαι, εἰάθην (D., Isok. usw.) ‘lassen, zulassen, gestatten, in Ruhe lassen, unterlassen’. Sehr vereinzelt und spät παρ-, εἰσεάω. Keine Ableitungen. — Die Glossen ἔβασον· ἔασον. Συρακόσιοι H., EM, εὔα· ... ἔα H. sichern für ἐάω ein inlautendes Digamma; das diphthongische Augment läßt auf einen ursprünglichen konsonantischen Anlaut, in erster Linie σ-, schließen; die Abwesenheit des Hauches bleibt aber dabei unerklärt (vgl. Lejeune Traité de phonétique 78 A. 2). Wir erhalten somit einen zweisilbigen Stamm (σ)εϝᾰ- wie ἐλᾰ-, τελᾰ-, δαμᾰ- usw., der im Aorist *(σ)εϝᾰ́-σαι > ἐᾰ́σαι, bzw. mit analogischem -σσ- (wie ἐλάσ(σ)αι u. a.; nach τελέσ-(σ)αι u. a.) ἐᾰ́σσαι, im Fut. ἐᾰ́σ(σ)ω ergeben hätte, Formen die tatsächlich bei Hom. zu verspüren sind (ἐᾰ́σουσιν φ 233, εἴᾰσεν Κ 299 als v. l.); demgemäß könnte man z. B. ἐάσσαι für ἐᾶσαι (Δ 42) usw. lesen wie ἐάσσω (v. l.) bei Parm. 8, 7. Auch ἐάσομεν, ἔασον bei Hdt. sind als kurzvokalische Bildungen leichter verständlich (vgl. ἔησον· ἔασον H.). Die Länge in ἐᾶσαι usw. wäre dann von den Denominativa auf -άω eingedrungen. Ebenso wurde das einmalige ἔᾰ (Ε 256) 3. Sing. eines athematischen äolischen ἔᾰ-μι sein. — Schwyzer 682 und 752 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 356. Eine einleuchtende Anknüpfung ist für ἐάω noch nicht gefunden. Formal entsprechen einander gut (σ)εϝᾰ- aus idg. seu̯ə- und aind. savi- in savi-tár- ‘Antreiber usw.’ zum Präs. suváti ‘antreiben’; bedeutungsmäßig ist die Gleichung weit weniger befriedigend. Anderseits entbehrt der Wurzelvergleich mit ahd. vir-sūmenversäumen’ einer überzeugenden morphologischen Grundlage. — Ältere Lit. mit weiteren Versuchen bei Bq s. v. und WP. 2, 472. I-434

ἑβδομήκοντα (seit Hdt.), dor. (Delphi, Tab. Heracl. IVa) ἑβδεμ- ‘siebzig’. Als Vorderglied z. B. in ἑβδομηκοντ-άρουρος (Pap.) und anderen hell. u. späten Komposita. Ableitungen : ἑβδομηκοστός ‘der siebzigste’ (Hp. u. a.), ἑβδομηκοντάκις ‘siebzigmal’ (LXX u. a.). — Geht über *ἑβδμ-ήκοντα auf idg. *sebdm- zurück, das durch regressive Assimilation aus der Grundzahl *septm-, antevokalischer Form für *septm̥ in ἑπτά (s. d.), entstand. Dieselbe Entwicklung (teilweise durch Analogie?) in ἑβδομ-ᾱγέτης ‘Führer der Sieben’ (A. Th. 800), ἑβδομάς f. ‘Siebenzahl, Anzahl von sieben (Tagen, Jahren u. a.)’ (Sol., Hp., Arist. u. a.) mit ἑβδομαδικός ‘zur Woche gehörig’ und ἑβδομάζω ‘den Sabbat hakten’, ἑβδομάκις ‘sieben mal’ (Kall.). — Sommer Zum Zahlwort 10ff. I-434

ἕβδομος altkor., delph. ἑβδέμᾱ(ν); ‘der siebente’ (seit Il.), über die angebliche Bed. ‘sieben’ in A. Th. 125 s. Sommer Zum Zahlwort 7ff. Komp. ἑβδομᾱ-γενής ‘am 7. Tage geboren’, Beiwort des Apollon (Plu. 2, 717d; -ᾱ- nach ἑβδομᾱγέτης). Ableitungen: ἑβδομαῖος (ἑβδεμ- Epid.) ‘am 7. Tage erscheinend, Siebentagsfieber’ (Hp. usw.), -αῖον n. N. einer Apollonfeier (Chios, Miletos); ἑβδόμειος ‘am 7. Tage geehrt’ (von Ap. IG 2, 1653), ἑβδομεύομαι ‘seinen Namen am 7. Tage erhalten’ (Lys.). — ἑβδόματος (Il.) Erweiterung nach δέκατος, ἑβδεμάται Dat. f. (Epigramm, Argos; Herzog Philol. 71, 6). — Zu ἑβδομ-ᾱγέτης, ἐβδομάς, -άκις s. ἑβδομήκοντα. — Das Ordinale ἕβδομος, ἕβδεμος aus idg. *sebdmos (mit griech. Sproßvokal und idg. Assimilation für *septmos von *septm̥ ‘sieben’) ist mit aksl. sedmъ (mit Verdrängung des Labials) identisch. Daneben, mit Anschluß an die Grundzahl, z. B. lat. septimus, aind. saptamá-, heth.šiptam-iya- Bez. einer Flüssigkeit (vgl. Friedrich Heth. Wb. s. v., Sommer Zum Zahlwort 23 A.); mit Verdrängung des t und pm > km alit. sẽkmas. — Vgl. ἑπτά. I-435

ἔβενος (m.; vereinzelt auch ἐβένη f.) f. ‘Ebenholz(baum)’ (Hdt., Arist., Theok. usw.). Komp. ἐβενό-τριχον = ἀδίαντον (Ps.-Dsk.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 38, 158). Ableitungen ἐβένινος ‘aus Ebenholz’ (Str. usw.), ἐβενῖτις ‘Art Gamander, πόλιον τὸ ὀρεινόν’ (Ps.-Dsk.; Redard Les noms grecs en -της 71). — Aus ägypt. hbnj ‘Ebenholz’, letzten Endes viell. nubisch (Spiegelberg KZ 41, 131); daraus auch hebr. hobnīm (Lewy Fremdw. 35f.). Aus ἔβενος arab.-pers. ’abnūs und lat. ebenus, voraus weiterhin u. a. ahd. ebenus, eng. ebon(y). — Schrader-Nehring 1, 209, Lokotsch Et. Wb. d. europ. Wörter or. Ursprungs Nr. 3. I-435

ἐβρατάγησεν · ἐψόφησεν H. — Kann von ῥάθαγος· τάραχος ... ψόφος H. nicht getrennt werden, obwohl im Einzelnen unklar. Unwahrscheinliche Kontaminationshypothese bei Grošelj Živa Ant. 3, 198f. I-435

ἔβρος · τράγος βάτης· καὶ ποταμὸς Θρᾴκης H. — Ohne Etymologie. Vgl. WP. 1, 198 und Wahrmann Glotta 19, 186f. I-435

ἐγγαρεύω, -έω, -ία s. ἄγγαρος. I-435

ἐγγαροῦντες unsicherer Bedeutung (Inscr. Olymp. 335). — Nach Dittenberger z. St. = ἐπιδημοῦντες als Denominativum von *ἔγγαρος = ἔγγειος, ebenso Schwyzer 482. Bechtel Gött. Nachr. 1920, 247f. will -γαρος mit ion. (att.) γεηρός identifizieren. Diese an sich sehr unsichere Gleichsetzung ist jedenfalls nur äußerlich berechtigt, da das angenommene *ἔγγαρος (wie ἔγγειος) von einem Präpositionsausdruck ἐν γᾷ ausgehen muß. I-435

ἔγγραυλις, -εως f. eine Art Sardelle (Ael., Opp.). — Unerklärt. Strömberg Fischnamen 68 geht von einem unbekannten Verb *ἐγ-γραυλίζειν aus, das eine Nebenform von γρυλίζειν ‘grunzen’ wäre; ἔγγραυλις mithin eig. "die Grunzerin" (zahlreiche Beispiele solcher Fischnamen bei Strömberg 63ff.). Die von S. angeführten Belege eines Wechsels αυ ~ υ sind indessen wenig überzeugend. — Ngr. γαῦρος, Hatzidakis Glotta 2, 298. I-436

ἐγγυαλίζω s. γύαλον. I-436

ἐγγύη f. ‘Bürgschaft, Ehevertrag’ (seit Od.). Als Hinterglied z. B. in den Hypostasen ὑπ-έγγυος ‘unter Bürgschaft, verantwortlich’ (A., Hdt. usw.), προ-έγγυος, πρώγγυος ‘Bürge’ (Heraklea, Miletos usw.) mit προ-εγγυάομαι, πρωγγυεύω, προεγγύησις und in den verbalen Rektionskomposita φερ-έγγυος ‘Bürgschaft leistend, Bürge’ (Hdt., A., Th. u. a.), ἐχ-έγγυος ‘Bürgschaft gebend, zuverlässig’ (S., E., Th. usw.). Daneben ἐγγυάω, -άομαι ‘Bürgschaft leisten, sich verbürgen, zur Ehe zusichern, verloben’, Med. auch ‘sich eine Bürgschaft leisten lassen, sie annehmen, sich verloben’ (seit Od.), auch δι-, ἐξ-εγγυάω u. a., mit ἐγγύησις (δι-, ἐξ- ~) ‘Bürgschaft, Verlobung usw.’ (D., Is. u. a.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 156f.), ἐγγύημα (δι- ~) ‘ds.’ (Pap.), ἐγγυητής ‘Bürge’ (ion. att.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 183 und 226f.), f. ἐγγυήτρια (Pap.); ἐγγυητή ‘vertraglich verlobte’ (att.); ἐγγυητικός ‘zur Bürgschaft gehörend’ (Heph. Astr.); postverbal ἔγγυος m. ‘Bürge’ (Thgn., X., Inschr. usw.), vereinzelt und spät auch Adj. ‘verbürgt’ (Them., Lys. 32, 15 v. l.; vgl. unten). — Neben ἐγγυάω auch ἐγγυεύω (Delph.). — Wahrscheinlich enthalten ἐγγύη und ἐγγυάω als Zusammenbildungen die Präp. ἐν und ein im Griechischen verlorengegangenes Wort für ‘Hand’, das in aw. gava ‘die beiden Hände’ noch lebt und auch in ὑπό-γυ(ι)ος ‘nahe bevorstehend, plötzlich’, eig. ‘unter den Händen’? (ion. att.) vermutet wird. Weitere Verwandte sind dann im Griechischen γύαλον, γύης, γυῖα (s. dd.), in anderen Sprachen z. B. lit. gáunu ‘bekommen, erhalten’; s. noch WP. 1, 636f., Pok. 403f., Fraenkel Lit. et. Wb. s. gáuti. — Entweder ist ἐγγυάω wie ἐγγυαλίζω ‘einhändigen, in die Hände geben’ direkt von einer präpositionalen Verbindung abgeleitet, mithin nicht nur ἔγγυος sondern auch ἐγγύη postverbal, oder — weniger wahrscheinlich — ἐγγύη geht als Adjektivabstraktum auf ein Adjektiv *ἔγγυος ‘in den Händen’ zurück; dabei wäre ἐγγυάω ein Denominativum von ἐγγύη. Das erst spät belegte Adj. ἔγγυος ‘verbürgt’ ist indessen in jedem Falle ebenso wie ἔγγυος ‘Bürge’ postverbal. Anders, schwerlich richtig, Schwyzer 620 A. 3. — Über Bedeutung und Verbreitung von ἐγγύη, ἔγγυος, ἐγγυητής E. Kretschmer Glotta 18, 89f., Gernet Mélanges Boisacq 1, 395. S. auch ἐγγύς. I-436-437

ἐγγύς Adv. ‘nahe’ (von Raum und Zeit; seit Il.). Komp. und Superl. ἐγγυτέρω, -τάτω (-ύτερον, -ύτατα), auch ἔγγιστα, ἔγγιον (vgl. Seiler Steigerungsformen 107ff. mit weiteren Einzelheiten); spätes Adjektiv ἐγγύτερος, -τατος (LXX u. a.; Schwyzer 534 A. 5). Ableitungen: ἐγγύθι ‘in der Nähe’ (ep. seit Il.), ἐγγύθεν ‘aus, in der Nähe’ (seit Il.); ἐγγύτης f. ‘Nähe’ (A. D., Str. usw.); ἐγγύδιον· ἔγγιον, πλησίον, προσῆκον H. (nach den Deminutiva auf -ύδιον); denominatives Verb ἐγγίζω ‘sich nähern’, tr. ‘nähern’ (Arist., hell.). — Adverbiale Bildung auf -ς wie εὐθύς, ἅλις usw. (Schwyzer 620); die ursprüngliche Funktion des -ς (Nominativ?) ist strittig. Wegen lat. comminus ist man geneigt, mit Bezzenberger BB 4, 321 A. 1 (s. auch Adontz Mélanges Boisacq 1, 11) in ἐγγύς ein altes Wort für ‘Hand’ zu sehen, das auch in ἐγγύη, -άω vermutet wird. Die Anfangssilbe scheint die Präp. (das Adv.) ἐν zu enthalten, aber die nähere Deutung des Kompositums bleibt ungewiß. — Schwyzer 620A. 3 schlägt (zögernd) die Erklärung ‘die Hände zusammen’ vor mit ἐν aus ἕν zu lat. sem-el usw., s. εἷς. Nach Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 47 zu βαίνω als "colui che va innanzi" (?). Andere, ebenfalls unbefriedigende Versuche bei Bq. — Vgl. μεσσηγύ. I-437

ἐγείρω, ‘wecken, erwecken’, übertr. ‘anregen, erheben’; Aor. ἐγεῖραι, Fut. ἐγερῶ, spätes Perf. ἐγήγερκα; ἐγείρομαι, Aor. ἐγρέσθαι ‘erwachen’ mit neuem Präsens ἔγρομαι, ἔγρω (E., Kall., Opp., Q. S. usw.), Perf. ἐγρήγορα ‘ich wache’ mit den ep. Formen Ipv. ἐγρήγορθε, Inf. -θαι, 3. Plur. Ind. -θᾱσι, Partiz. -ορόων (zur Erklärung Chantraine Gramm. hom. 1, 429 m. A. 2 und 359; Schwyzer 800 A. 8 und 540 A. 4); dazu ein neues Präs. γρηγορέω (hellenist.; Schwyzer 768 m. A. 1), auch ἐγρηγορέω (Debrunner IF 47, 356). Oft mit Präfix: ἀν-, δι-, ἐξ-, ἐπ- usw. Als Vorderglied in ἐγρε-κύδοιμος (Hes.), ἐγρε-μάχᾱς (S.) usw.; vgl. ἐγερσι- unten. Ableitungen: ἔγερσις ‘das Erwachen, die Erweckung’ (ion. att.) mit ἐγέρσιμος (ὕπνος Theok. 24, 7; Gegensatz θανάσιμος ~; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 102), oft zu den Präfixkomp. ἀν-, δι-, ἐξ-, ἐπ-έγερσις; auch als Vorderglied in späten Komp., z. B. ἐγερσι-μάχᾱς (AP); ἐγερτήριον ‘Erweckung, Anregung’ (Ael.); ἐξ-εγέρτης ‘Anreger, Anstifter’ (Pap.); (δι-, ἐπ-)ἐγερτικός ‘erweckend, erregend’ Pl., Arist. usw.); ἀν-εγέρμων ‘wachsam’ (AP); ἐγερτί Adv. ‘wachsam, eifrig’ (Heraklit., S., E.). — Vom Perfektum: ἐγρήγορσις ‘Wache’ (Hp., Arist. usw.), ἐγρηγορικός ‘wach, rege’ (Arist.), ἐγρηγορότως Adv. ‘ds.’ (Plu., Luk. u. a.), ἐγρήγορος ‘ds.’ (Adam.), ἐγρηγορτί Adv. ‘wach’ (Κ 182). — Ein erweitertes Präsens expressiver Natur ist ἐγρήσσω ‘wachen’ (πάννυχοι ἐγρήσσοντες Λ 551; ähnlich υ 53 und A. R. 2, 308; ἐγρήσσεις υ 33), nach den Verben auf -σσω wie πτήσσω, κνώσσω usw., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 335 (zweifelhafte Analysen bei Schwyzer 648 A. 3). — Das Perf. ἐγρήγορα erinnert stark an aind. jā-gā́ra, aw. ǰa-gāra ‘ich wache’ und war ursprünglich offenbar damit identisch; ἐγρη- für *γή-γορα muß aus dem Aorist ἐγρέσθαι geholt sein. Die Beurteilung von ἐ- schwankt. Nach Schwyzer 648 A. 3 war es kein Präverb (Specht KZ 62, 56), sondern entstand durch Dissimilation aus *[γ]έ-γρ-ετο. Aus diesem reduplizierten Aorist wurde es dann in die übrigen Formen verschleppt. Jedenfalls ist ἐγείρω gegenüber ἐγρέσθαι und ἐγρήγορα sekundär. Ein reduplizierter (athematischer) Aorist liegt auch vor in aind. -jī-gar, ji-gr̥-tám usw. Die übrigen aus verschiedenen Sprachen herangezogenen Formen wie das intensive Kausativum aw. fra-ɣrā-ɣrāyeiti ‘er erweckt’ und alb. ngrē̈ ‘ich hebe auf usw.’ steuern zu der Erklärung der griech. Formen nichts bei. Unsicher ist die Zugehörigkeit von lat. expergīscor (s. W.-Hofmann s. v.). — Zu ngr. γέρνω (Aor. ἔγειρα) ‘neigen, sinken’, das für ἐγείρω ‘erheben’ eingetreten ist, s. Hatzidakis Glotta 22, 131. I-437-438

ἔγκαρος m. ‘Gehirn’ (AP, Lyk.). — Gelehrte Hypostase aus ἐν und κάρᾱ, κάρη ‘Kopf’ (s. d.) nach Muster von ἐγκέφαλος : κεφαλή. Vgl. ἴγκρος. I-438

ἐγκάρσιος s. ἐπικάρσιος. I-438

ἐγκάς (ἔγκας) ‘tief unten’ (Hp., Gal.). — Zu ἔγκατα (s. d.); Bildung wie ἀγκάς, ἐντυπάς u. a. (Schwyzer 631). I-438

ἔγκατα Dat. pl. ἔγκασι (Λ 438); durch Rückbildung später Sing. ἔγκατον (LXX, Luk.) n. pl., ‘Eingeweide’ (seit Il.) Davon ἐγκατόεις ‘Eingeweide enthaltend’ (Nik.), ἐγκατώδης ‘eingeweideähnlich’ (Sch.). — Nicht sicher erklärt. Nach Leumann Hom. Wörter 158 A. 1 von *ἔγκατος ‘interior’, Ableitung von ἐν wie ἔσχατος von ἐξ; ἔγκασι wäre dann Neubildung nach γούνασι u. a. — Lak. ἔγκυτον· ἔγκατον H. erklärt sich am einfachsten als volksetymologische Umbildung nach κύτος ‘Haut, Rumpf, Leib’ (υ nicht aus idg. mit Schwyzer 352). I-438

Εγκέλαδος m. N. eines der Giganten (Eur., Kall. usw.); auch Ben. eines hummelähnlichen Insekts (Sch.). — Von κέλαδος, aber auch auf κελαδέω beziehbar; wohl zunächst als Bahuvrihi, falls nicht im Anschluß an die Adj. auf ἐν-. Strömberg Wortstudien 18; vgl. Greek Prefix Studies 113ff. I-438

ἐγκίλλαφον · οὐρά, ἔγκιλλον· οὐράν H. — Zum Vergleich melden sich einerseits κιλλός ‘grau’ (κίλλος "der Graue", d. h. ‘Esel’), anderseits κίλλουρος· σεισοπυγίς N. (= ‘Bachstelze’), s. dd. Die Bildung ist mehrdeutig; zum Suffix -φος Chantraine Formation 264. I-438-439

ἐγκλίς · ἡ καγκελλωτὴ θύρα EM 518, 22 ‘Gittertür’. — Zu ἐγκλίνω mit derselben Bildung wie in δικλίς, s. δικλίδες; vgl. auch Strömberg Wortstudien 15. I-439

ἐγκοακίσαι · ἐγχέαι λάθρα H. — Grošelj Živa Ant. 4, 169 vergleicht das sehr zweifelhafte κοία· κλέψημα H. I-439

ἐγκοιωταί (sc. δαρκναί) pl. ‘hinterlegte Geld’ (Gortyn). — Von *ἐγκοιόω, -όομαι, Denominativum von *ἔγκοιος oder Hypostase; jedenfalls zu κοῖον· ἐνέχυρον H., s. d. — Prellwitz Glotta 17, 143f. vergleicht (mit unhaltbarer Wurzelanalyse) κίστη und lat. cūra. I-439

ἐγκονέω ‘eilen, sich auf etwas verlegen’ (vorw. poet. seit Il.). Davon ἐγκονητί Adv. ‘eilends, emsig’ (Pi.), ἐγκονίς ‘Dienerin’ (Suid.). Neben ἐγκονέω steht διακονέω (mit διάκονος, s. d.); außerdem viell. ἀγκονέω ‘sich beeilen’ bei Ar. Lys. 1311; s. die Ausgg. z. St.; davon ἀγκόνους· διακόνους, δούλους H. Nur bei H. κόνει· σπεῦδε, τρέχε und κονεῖν· ἐπείγεσθαι, ἐνεργεῖν mit κονηταί· θεράποντες. Dazu κοναρόν· ... δραστήριον und κοναρώτερον· δραστικώτερον H. — Unsicher ἀ-κονῑτί (Olympia, Th., X., D.); vgl. zu κόνις. Iterativ-intensives Verb, das sich formell zu lat. cōnor, cōnārī ‘sich körperlich anstrengen, versuchen’ verhält wie z. B. ποτέομαι zu πωτάομαι (Schwyzer 719) und damit verwandt sein kann. Lit. bei W.-Hofmann s. cōnor. — Bei Pokorny 564 wird auch eine keltische (kymrische) Gruppe herangezogen, z. B. mkymr. digoni ‘machen’, kymr. dichon, digon ‘kann’. I-439

ἐγκρίς, -ίδος f. ‘Kuchen aus Öl und Honig’ (Stesich., Kom. usw.). Komp. ἐγκριδο-πώλης ‘Verkäufer von ἐ.’ (Kom.). — Rückbildung aus ἐγκεράννυμι, ἐγκεράσαι ‘hineinmischen’. Nicht zu ἐγκρίνειν (Strömberg Wortstudien 15), auch nicht zu κριθή, κρῖ (vgl. Chantraine Formation 336). I-439

ἐγκυτί Adv. ‘bis auf die Haut’ (Archil., Kall.), auch ἐγκυτίς (Hdh.). — Zusammenbildung aus ἐν und κύτος (s. d.) nach den Adv. auf -(τ)ί(ς) (darüber Schwyzer 623). I-439

ἐγρήσσω s. ἐγείρω. I-439

ἔγχελυς, -υος usw. (alter -Stamm? Specht KZ 59, 219), att. Plur. -εις (wozu Nom. sg. -λις [Arist.]?) f. ‘Aal’ (seit Il.). Komp. ἐγχελυο-τρόφος ‘Aale ernährend’ (Arist.), ἐγχελυ-ωπός ‘mit Aalaugen’ (Luk.). Ableitungen: Deminutivum ἐγχελύδιον (mittl. Komödie), ἐγχελεών, -υών ‘Aalfang’ (Arist.), ἐγχέλειος ‘zum Aal gehörig’, gewöhnlich substantiviert im Neutr. (pl.), scil. κρέα, τεμάχη od. ähnl. (Kom.). — Wie viele Fischnamen dunkel, erinnert ἔγχελυς an andere Bezeichnungen des Aals, lat. anguilla, lit. ungurỹs und damit verwandte balt. und slav. Wörter, ohne daß man eine idg. Grundform aufstellen kann. Nach einer alten Deutung entstand ἔγχελυς durch Kreuzung von ἔχις und dem in lat. anguis (wovon anguilla) erhaltenen Wort für ‘Schlange’. Bemerkenswert ist ferner lesb. ἴμβηρις· ἔγχελυς. Μηθυμναῖοι H. — Lit. bei Bq s. v., W.-Hofmann s. anguis, Pok. 43ff. Ausführlich über ἔγχελυς Thompson Fishes s. v.; vgl. noch Strömberg Fischnamen 10ff. I-439-440

ἐγχεσί-μωρος ep. Beiwort, gewöhnlich als ‘speerberühmt’ erklärt (seit Il.). Dasselbe Hinterglied in ἰό-μωρος, Beiwort der ’Αργεῖοι (Δ 242, Ξ 479) und, als offenbare Nachahmung, in ὑλακό-μωρος, Beiw. der κύνες (ξ 29, π 4; zur Bildung Porzig Satzinhalte 239); s. noch σινάμωρος. — Das Hinterglied wird seit Osthoff PBBeitr. 13, 431ff. einleuchtend mit einem ebenfalls als Hinterglied in keltischen, germanischen und slavischen EN, z. B. gall. Nerto-mārus, ahd. Volk-mār, slav. Vladi-měrъ, auftretenden Element, idg. *-mōros, *-mēros, identifiziert. Als weitere Verwandte werden herangezogen teils ein denominatives germ. Verb ‘verkünden’, got. merjan usw. mit dem Adj. got. waila-mereisεὔφημος’, ahd. māri ‘berühmt, glänzend’ usw., teils ein kelt. Adjektiv ‘groß’, z. B. air. mār. Der -Vokalismus des Hinterglieds im Griech. und Kelt. stimmt zum Typus ἄ-φρων : φρήν (Schwyzer 355). Ob das Hinterglied ursprünglich ein Adjektiv, etwa ‘berühmt, glänzend’, oder ein Substantiv ‘Ruhm, Glanz’ (das Komp. somit ein Bahuvrihi) war, ist kaum zu entscheiden. Die Form des Vorderglieds ist eher metrisch als syntaktisch (Lok. pl.?) bedingt. — Vgl. Leumann Hom. Wörter 37 und 272 A. 18 m. Lit. — Weitere unsichere Anknüpfungen (nach Osthoff) bei Bq s. v., WP. 2, 238, Pok. 704. I-440

ἐγχίδιον · ἔγγιον, ἐγχόδια· ἀθρόα H. — Ersteres Kreuzung von ἐγγύς und ἀγχίδιος, letzteres von ἐγγύς und ἀγχοῦ, -όθι nach Baunack Philol. 70, 379f. I-440

ἔγχος n. ‘Speer, Lanze’ (poet. seit Il.), auch ‘Waffe’ im allg., ‘Schwert’ (Pi., S., E. u. a.); näheres über Bedeutung und Gebrauch Schwyzer Glotta 12, 11, Trümpy Fachausdrücke 52ff. Als Vorderglied in ἐγχέσ-παλος ‘speerschwingend’ (Hom.), ~-φόρος ‘speertragend’ (Pi.); auch ἐγχεσί-μωρος (s. bes.); danach ~-μαργος· ἔγχει μαινόμενος H., EM, ~-χειρες pl. ‘speerbewaffnet’ (Orph. Fr. 285, 18). Daneben in derselben Bedeutung ἐγχείη (Hom.), poetische Erweiterung von ἔγχος nach Muster von ἐλεγχείη : ἔλεγχος, ὀνειδείη : ὄνειδος und anderen Abstrakta auf -είη (vorw. zu komponierten s-Stämmen, Chantraine Formation 86f., Schwyzer 469). Anders Kalén GHÅ 24 (1918) : 1, 54ff. (alter Dual [?]); Tovar Emerita 11, 431ff. (Abstraktum zu ἐγ-χέω; wozu nachträglich ἔγχος [?]). — Unklar ist ’Εγχώ· ἡ Σεμέλη οὕτως ἐκαλεῖτο. — Der Form nach ein Nomen actionis wie βέλος, aber ohne Etymologie. Frühere Versuche bei Bq, außerdem Schwyzer Glotta 12, 10ff. (zu ἀκαχμένος). S. auch Tovar a. a. O. I-440-441

ἐγώ, lesb. ep. dor. auch ἐγών, lak. tarent. ἐγώνη, böot. ἰώ(ν), ἰώνει (ἱ-?) ‘ich’. — Neben ἐγώ = lat. egō stehen venet. eχo mit quantitativ unklarem, lat. egŏ mit sekundär kurzem Auslautsvokal, der auch für die german. Formen, z. B. urn. ek, angesetzt werden kann (vgl. indessen unten); der vokalische Auslaut fehlt auch in den balt., armen. und hethit. Formen, z. B. alit. eš, arm. es, heth. uk; wenigstens im Armen. kann aber ein -ō̆ weggefallen sein. — Demgegenüber stehen im Indoiranischen und Slavischen Formen auf idg. -ŏm, z. B. aind. ahám, apers. adam, aksl. azъ; auch das enklitische urn. -(i)ka (ebenso wie das proklitische ek, ik?) ist zunächst auf idg. *eĝŏm zurückzuführen. Die alternierenden idg. Formen *eĝō, *eĝŏm können mit den verbalen Endungen der 1. Pers. - (primär), -ŏm (sekundär) in Verbindung stehen; doch kann in -ŏm auch eine Partikel stecken, die besonders im Altindischen sehr verbreitet ist (tuv-ám ‘du’ usw.). — Das alleinstehende ἐγών mag einen Kompromiß darstellen (oder nach ἔγνων, *ἔδων usw.?); in ἐγών-η (ἐγώ-νη? vgl. τύνη) ist noch ein deiktisches Element hinzugetreten, ebenso in ἔγω-γε. — Griechische Einzelheiten bei Schwyzer 602 und 606; für die übrigen Sprachen s. die einschlägigen etym. Wörterbücher, namentlich W.-Hofmann s. egō̆ m. Lit.; WP. 1, 115f., Pok. 291 m. weiterer Lit.; außerdem Brandenstein Μνήμης χάριν 1, 52. I-441

ἑδανός Beiwort von ἔλαιον Ξ 172 (ἐλαίῳ / ἀμβροσίῳ ἑδανῷ). — Wegen der unbekannten Bedeutung ohne Etymologie. Hypothesen bei Bq. I-441

ἔδαφος n. ‘Grund, Boden, Fuß-, Erdboden’ (seit ε 249; vgl. Richel Worte für Erde 212ff.), auch ‘Grundtext’ (Gal.). Komp. ἐδαφο-ποιέω ‘dem Erdboden gleichmachen’ (J.). — Späte Ableitungen: ἐδάφιον ‘Grundtext’ (Arist.-Komm., Sch.); ἐδαφικός ‘zum Grund usw. gehörig’ (Pap.), ἐδαφιαῖος ‘ds.’ (Sch., Tz.), ἐδαφίτης (Tz.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 112). Denominative Verba : ἐδαφίζω ‘eben machen, mit Fußboden versehen, dem Erdboden gleichmachen’ (Arist., hell.); ἐδαφόω in ἠδάφωται· κατῴκισται H. — In bezug auf Genus und Bedeutung steht ἔδαφος unter den Nomina auf -(α)φος (Chantraine Formation 262ff., Schwyzer 495) vereinzelt da. Sein auffallendes Genus mag es von ἕδος bezogen haben (Brugmann Grundr.2 2 : 1, 190) und wird gewöhnlich auch etymologisch damit verbunden. Nach WP. 1, 254 (mit Curtius 241, J. Schmidt Pluralbild. 341) dagegen zu οὖδας, s. d. I-441-442

ἐδέατρος (-τρός?) m. ‘Truchseß am persischen Hofe, Steward’, ἀρχ-εδέατρος ‘Obertruchseß am ptolem. Hofe’ (hell.) — Umbildung von ἐλέατρος (s. ἐλεόν) nach ἔδω. Güntert Reinwortbildungen 155, Kuiper Glotta 21, 272ff. I-442

ἔδεθλον n. ‘Grund, Boden, Fundament’ (Antim., Kall., A. R. usw.; wahrscheinlich auch A. Ag. 776 für ἐσθλά). Davon als formale Variante ἐδέθλιον ‘ds.’ (Kall., A. R. u. a.). — Wie ἕδος u. a. vom Verb für ‘sitzen’ (s. ἕζομαι) mit θλο-Suffix (Schwyzer 533, Chantraine Formation 375) und Hauchdissimilation, falls nicht mit ἔδαφος (s. d.) zu οὖδας. I-442

ἕδνα n. pl., hom. auch ἔεδνα (s. unten), selten sg. ἕδνον (Pi., Kall. u. a.) ‘Brautgaben, Mitgift, Hochzeitgeschenke’ (poet. seit Il., sp. Prosa; zur Bedeutung Köstler WienAkAnz. 81 [1944] 6ff., Theiler Mus. Helv. 7, 114 m. Lit.). Komp. ἀνά-εδνος ‘ohne ἕ.’ (Il., Nonn.; zur Form des Präfixes Schwyzer 432 m. A. 2, Chantraine Gramm. hom. 1, 182); daneben ἄεδνον· ἄφερνον ἢ πολύφερνον H.; ἑδνο-φορέω ‘Brautgaben bringen’ (Eust.). — Altes Denominativum ἑδνόομαι (ἐεδν-), -όω ‘eine Tochter mit ἕ. ausstatten, sie verloben’ (poet. seit β 53) mit ἐεδνωτής ‘Ausstatter, Brautvater’ (Ν 382; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 25; 2, 206). — Mehrere Hesychglossen: ἕδνιος χιτών· ὅν πρῶτον ἡ νύμφη τῷ νυμφίῳ δίδωσιν; ἑδνάς· ἡ ἀπὸ τῶν ἕδνων ἐδητύς, ἑδνεύειν· ἐνεχυράζειν. — An ἕδνα, ἕδνον aus idg. *u̯ed-no- (zum Spir. asper Schwyzer 227), woneben ἔ-(ϝ)εδνα mit Vokalprothese, erinnern stark ein slavisches und ein westgermanisches Wort für ‘Kaufpreis der Braut, Mitgift’: z. B. aruss. věno, das für idg. *u̯ēd-no- stehen kann und sich dann nur durch die Vokalquantität von ἕδνα unterscheidet (věno nicht besser zu lat. vēnum [dare]; vgl. Vasmer Russ. et. Wb. s. véno [1, 182f.], wo der letztgenannten Deutung der Vorzug gegeben wird); ags. weotuma, ahd. widomo m., aus urgerm. *wet-man-, idg. *u̯ed-mon-; dabei ist mit der Möglichkeit zu rechnen, daß das gr.-slav. no-Suffix aus -mno- (themat. Erweiterung von -mon-) entstanden ist. — Sehr unsicher dagegen alb. vigjë ‘Geschenk, in Eßwaren bestehend, zur Hochzeit usw.’ (aus *u̯ed-l- ?; Lit. bei WP. 1, 256). — Dies offenbar alte Wort für ‘Kaufpreis der Braut’ wird allgemein von einem Verb ‘(heim-)führen, heiraten (vom Mann)’ abgeleitet, das u. a. in lit. vedù, aksl. vedǫ, altirisch fedid vorliegt. — Aind. vadhū́- ‘Braut, junge Frau, Schwiegertochter’, das man nicht gern von den oben genannten Wörtern trennt, ist wegen des dh weder mit ἕδνα noch mit den germ. weotuma, widomo lautlich vereinbar, sofern man nicht eine nachträgliche Entgleisung annehmen will. I-442-443

ἕδος n. ‘Sitz, Sessel, Wohnsitz’, auch ‘sitzendes Götterbild’ (vorwiegend poet. seit Il., sp. Prosa). Keine Ableitungen. — Mit aind. sádas- n., wahrscheinlich auch mit awno. setr n. (vgl. zu ἔρεβος) formal und begrifflich identisch; idg. *sédos- n., Verbalsubstantiv zum Verb für ‘sitzen’, s. ἕζομαι; vgl. ἕδρα, ἑδώλια, ἔδεθλον, auch ἔδαφος. — Im Suffix etwas abweichend aw. apers. hadiš- n. ‘Wohnsitz, Palast’. I-443

ἕδρᾱ f. ‘Sitz, Sessel, Wohnsitz (der Götter), Tempel, Sitzung, Grund und Boden’ (seit Il.). Zahlreiche Komposita und Ableitungen: καθέδρα ‘Sitz, das Sitzen, Stuhl usw.’ (Hp., X., Arist. usw.) von καθ-έζομαι im Anschluß an ἕδρα; ebenso ἐφέδρα, ion. ἐπέδρη ‘Belagerung’ (ἐφ-έζομαι), ἐνέδρα ‘Hinterhalt, Nachstellung’ (ἐν-έζομαι, ἐν-ιζάνω), vgl. Risch IF 59, 45f.; aber ἐξ-έδρα "Außen-sitzung", ‘Sitz außerhalb des Hauses, Halle’ (E., hell. usw.). — Bahuvrihi mit adverbiellem Vorderglied ἔφ-εδρος eig. "mit dem Sitz daneben", ‘Nebensitzer, Reserve’ (Pi., ion. att.), aufἐφ-έζομαι bezogen; ebenso πάρ-εδρος ‘Beisitzer, Beistand’ (παρ-έζομαι), ἔν-εδρος ‘Insasse’ (ἐν-έζομαι), σύν-εδρος ‘Beisitzer’ (συν-έζομαι, -ιζάνω); aber ἔξ-εδρος ‘von seinem Wohnsitz fern’ (S., E., Ar., Arist.) Hypostase aus ἐξ ἕδρας; — Bahuvrihi mit adjektivischem Vorderglied πολύ-εδρος ‘mit vielen Sitzen’ (Plu.). Ableitungen von ἕδρα: ἑδραῖος ‘mit festem Wohnsitz, fest, ruhig’ (ion. att.) mit ἑδραιότης und ἑδραιόω, wozu ἑδραίωμα, -ωσις (alle spät); ἑδρικός ‘zum Gesäß, zum Anus gehörig’ (Mediz.), ἑδρίτης ‘Schutzflehender’ (Suid., EM; πρωτοκαθεδρίτης ‘Vorsitzender’ [Herm.] zu πρωτοκαθεδρία [Ev. Matt. 23, 6]; vgl. Redard Les noms grecs en -της 24). Denominative Verba. 1. ἑδρ-ιάομαι ‘sich niedersetzen’ (Hom., Hes.), -ιάω ‘setzen’ (Theok., A. R.); zur Bildung Schwyzer 732, Chantraine Gramm. hom. 1, 359; vom Metrum begünstigt; 2. ἑδράζω ‘setzen, feststellen’ (hell. und spät) mit ἑδρασμός, ἑδραστικός, ἀν-έδραστος (spät); ἕδρασμα = ἕδρα (E. Fr., Ph. u. a.), viell. nur Erweiterung nach στέγασμα u. a. (vgl. Chantraine Formation 177). — Aber ἐφ-, ἐν-, παρ-, συν-εδρεύω von ἔφ-εδρος usw. — Mehrere Hesychglossen: ἑδρήεσσα· βεβαία (poet. Bildung nach τελήεσσα u. a.; vgl. Schwyzer 527), ἑδρίας· ἀεὶ πνέων (nach den Windnamen auf -ίας); ἕδρια· συνέδρια (auch als Erklärung von ἑδώλια), ἑδρίς· ἑδραῖος. — Durch Erweiterung von ἕδρᾱ nach den Nomina auf -ᾰνον (bzw. durch Kreuzung von ἕδρᾱ und *ἕδᾰνον?) entstand ἕδρᾰνον = ἕδρα (poet. seit Hes.); dazu ἑδρανῶς = στερεῶς (Eust.). Ortsbezeichnung auf -ρᾱ wie χώρα u. a. (Schwyzer 481) zu ἕζομαι (s. d.). Genaue außergriech. Entsprechung fehlt; über awno. setr n. s. ἕδος. I-443-444

ἔδω mit athem. Inf. ἔδμεναι (Hom.), Fut. ἔδομαι (seit Il.), Perf. Ptz. Akt. ἐδηδώς (Ρ 542 u. a.), Med. ἐδήδοται (χ 56; nach πέποται), wozu Akt. ἐδήδοκα (att.); Aor. Pass. ἠδέσθην, Perf. Med. ἐδήδε(σ)μαι (att.); neues Präsens ἔσθω (ep. poet. seit Il.), ἐσθίω (seit Od.) ‘essen, fressen’. Mit Präfix κατ-έδω, -εσθίω (-έσθω), -έδομαι ‘aufessen, auffressen, verzehren’ (seit Il.), ἀπ-εσθίω, -έδομαι ‘abessen, -fressen, abnagen’ (att.) u. a. Mehrere Ableitungen: 1. εἶδαρ für *ἔδ-ϝαρ ‘Speise’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 347; ἔδαρ· βρῶμα H., vgl. unten). 2. ἐδωδή ‘Speise, Nahrung, Mahlzeit’ (seit Il.), reduplizierte Bildung mit ω-Ablaut wie ἀγωγή u. a.; davon ἐδώδιμος ‘eßbar’ (Hdt., Th. usw.; s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 50f.), ἐδωδός ‘zur Speise geeignet’ (Hp.). 3. ἐδητύς f. (nur Gen. -τῠ́ος) ‘Speise’ (Hom.); Herkunft des η unklar, vgl. indessen βοητύς, ἀγορητύς und andere (jüngere?) Bildungen; dazu Porzig Satzinhalte 183f., Benveniste Noms d’agent 67. 4. ἔδεσμα ‘Speise’ (att.) mit ἐδεσμάτιον (Prokl.); vgl. zu ἠδέσθην unten; 5. ἐδεστής ‘Esser, Verzehrer’ (Hdt., Antiph.). 6. ἐδηδών· φαγέδαινα H., vgl. ἐδηδώς und Specht Ursprung 389. — Zu ὀδούς (ὀδών), ὀδύνη, ὠδίς s. bes. — Das alte athematische Präsens, das im Griech. im Inf. ἔδμεναι, in dem als Futurum benutzten kurzvokalischen Konjunktiv ἔδ-ο-μαι, vielleicht auch im Ipv. ἔσθι (ρ 478?; s. Chantraine Gramm. hom. 1, 292) erhalten ist, findet sich in mehreren idg. Sprachen wieder; heth. ed-mi (e-it-mi) ‘ich esse’, aind. ád-mi ‘ds.’, 3. Sg. át-ti, lat. ēs-t, lit. ė́s-ti, aksl. jas- ‘er ißt (frißt)’; idg. *ē̆d-mi, -ti. Aus dem athematischen Paradigma erwuchsen allmählich im Griech. wie in anderen Sprachen (z. B. got. itan, 3. Sg. Präs. it-) themat. Formen, s. Chantraine a. a. O. Das Armenische hat eine iterative Bildung utem (wäre gr. *ὠδέω). — Aus dem Ipv. ἔσθι (= aind. addhí) wurden, wahrscheinlich in der Kinder- und Alltagssprache, die sekundären Präsentia ἔσθω und ἐσθίω gebildet (Lit. bei Schwyzer 713 A. 6). Auch die übrigen Verbalformen sind griechische Neubildungen, ἠδέσθην, ἐδήδε(σ)μαι, wohl nach ἐτελέσθην, τετέλεσμαι, ᾐδέσθην, ἀλήλε(σ)μαι u. ä.; danach ἔδεσμα, ἐδεστής (gegenüber der Zusammenbildung ὠμηστής), ἐδεστός; daß ἐδέσθην aus *ἔσ-θην "aufgefrischt" sei (Schwyzer 775 A. 7 m. Lit.), ist wenig wahrscheinlich, da es von ἔδω ursprünglich keinen Aorist gab (dafür φαγεῖν, s. auch βιβρώσκω; dazu Schwyzer-Debrunner 258). — Der r-n-Stamm εἶδαρ für *ἔδϝαρ, pl. εἴδατα hat ein Gegenstück in aind. vy-advar-- ‘gefräßig, zernagend’ und agrādvan- (agra-ad-van-) ‘zuerst essend’; s. noch zu ὀδύνη. — Weitere Lit. bei W.-Hofmann s. edō, Fraenkel Lit. et. Wb. s. ė́sti; dazu bes. Ernout-Meillet s. edō. — S. auch ἄ̄ριστον und δείπνηστος (s. δεῖπνον). I-444-445

ἑδώλια, selten sg. -ιον n. ‘Sitz, bes. der Ruderer auf dem Schiffe, Ruderbänke, Wohnsitz’ (ion. poet.). Rückbildung ἕδωλα ‘Ruderbänke’ (Lyk.). Umbildung nach den Nom. auf -ωλή ἑδωλή (Naukratis). Denominatives Verb ἑδωλιάζω ‘mit Sitzen versehen’ (Delos IIIa, Lykurg.). Hierher auch ἑδωλός· λόχος Λακεδαιμονίων οὕτως ἐκαλεῖτο H. — Die in ἑδώλια vorliegende l-Ableitung des Verbs für ‘sitzen’ (s. ἕζομαι) ist in mehreren Sprachen vertreten: lat. sella (aus *sed-lā) ‘Stuhl, Sessel’ = ἑλλά· Λάκωνες H., kelt., gall. caneco-sedlon (Vorderglied unklar), germ., z. B. got. sitls, ahd. sezzalSessel’ (urg. *set-la-), slav., z. B. aruss. ksl. sedь-lo, russ. sedló ‘Sattel’. In Betracht kommt auch arm. etɫ ‘Platz, Stelle’. Zugrunde liegt ein ablautender l-Stamm *sed-ōl, *sed-l- (Schwyzer 483 m. Lit., dazu Specht Ursprung 93 mit teilweise anfechtbaren Kombinationen). Neubildung ist dagegen lat. sedīle (W.-Hofmann 2, 508 m. Lit.), ebenso aksl. sědalo ‘Sitz, Stuhl’. Unklar der Herkunft und Bildung nach ist nhd. Sattel u. Verw., s. Kluge-Götze s. v. — Weitere Lit. bei WP. 2, 485, Vasmer Russ. et. Wb. s. sedló. I-445

ἕζομαι ‘sitzen, sich setzen’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), wozu Fut. καθεδοῦμαι (att.), später καθεσθήσομαι (LXX), καθεδήσομαι (D. L.); Aor. καθεσθῆναι (Paus. u. a.); — andere Präsensbildung ἵζω, erweitert ἱζάνω (Schwyzer 700) ‘sitzen lassen, setzen, sich setzen, sitzen’ (vorw. ep. ion. poet., sp. Prosa), wozu ἵζησα, ἵζηκα (sp.), präfigiert καθ-ίζω (seit Il., att.), ion. κατ-ίζω, καθ-ιζάνω, äol. κατ-ισδάνω ‘niedersetzen, sich niedersetzen, sitzen’, Med. καθ-ίζομαι ‘sich niedersetzen’, wozu (nach den Verba auf -ίζω) Fut. καθιῶ (D. usw.), καθίσω (hell.), κατίσω (ion.), καθιξῶ (dor.), Med. καθιζήσομαι (att.), καθιοῦμαι (LXX), καθίσομαι (NT., Plu.); Aor. καθίσ(σ)αι, καθίσ(σ)ασθαι (X. usw., bei Hom. falsch für καθέσ(σ)αι, s. unten), κατίσαι (Hdt., wohl für κατέσαι), καθίξαι (dor.), καθιζῆσαι (sp.); sp. Perf. κεκάθικα, sp. Aor. Ptz. Pass. καθιζηθείς. Neben diesen Präsensformen und daraus gebildeten Aoristformen steht ein alter sigmatischer Aorist εἷσα ‘ich setzte’, Inf. ἕσ(σ)αι, Med. εἱσάμην, ἕσ(σ)ασθαι, καθ-εῖσα, καθ-έσ(σ)αι (so auch bei Hom. zu lesen für καθίσ(σ)αι; danach auch κατέσαι für κατίσαι bei Hdt.); dazu Fut. καθέσω (Eup.); vgl. Wackernagel Unt. 63ff. mit wichtigen Ausführungen. mit terminativem Präfix (vgl. Brunel Aspect verbal 83ff., 257ff.) καθ-έζομαι (seit Il., att.) ‘sich niedersetzen, sitzen’, — Oft mit Präfix: ἀνα-, ἐν-, ἐπι-, παρα-, συν- usw.; auch zu den als Simplicia empfundenen καθέζομαι, καθίζω (dazu Schwyzer 656, Schwyzer-Debrunner 429). — Die betreffenden Verbalnomina nehmen alle in formaler Hinsicht gegenüber dem Verb eine selbständige Stellung ein, s. ἕδος, ἕδρα, ἑδώλια, ἑλλά; auch ἔδαφος und ἔδεθλον. Vgl. noch ἱδρύω. — Sowohl ἕζομαι wie ἵζω vertreten idg. Bildungen, ἕζομαι ein indeterminiertes thematisches Jotpräsens *sed-i̯o-(mai), das auch im Germ., z. B. ano. sitia, asächs. sittian, ahd. sizzensitzen’, belegt ist (anders über die germ. Formen Karstien KZ 65, 149 m. A. 1), ἵζω ein terminatives redupliziertes *si-zd- (aus *si-sd- mit Schwundstufe) = lat. sīdō, umbr. sistusidito’, aind. sī́dati ‘sich setzen’. Da das Präteritum ἑζόμην bei Homer oft als Aorist fungiert, ist es vielleicht als reduplizierter Aorist *se-zd- (vgl. aw. Opt. ha-zd-yā-t_) aufzufassen; es könnte sogar für augmentiertes schwundstufiges *e-zd- (mit sekundärer Aspiration) stehen. Sicher präsentisch ist bei Homer nur ἕζεαι (κ 378). Vgl. Schwyzer 652 A. 5 und 716 A. 3 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 336. — Der Aorist εἷσα, ἕσ(σ)αι aus idg. *e-sed-s- (mit sekundärer Aspiration), *sed-sai stimmt zum aind. Konj. ní ... ṣát-s-a-t ‘er möge sich niederlassen’ (RV 10, 53, 1). — Über andere Formen dieser weitverzweigten Wortsippe, z. B. lat. sedēre, sēdāre, aksl. sěděti, s. W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. sedeō, Vasmer Russ. et. Wb. s. sidétь m. Lit.; außerdem WP. 2, 483ff. — Als Zustandeperfekt zu (καθ-)ἕζομαι, (καθ-)ἵζω fungiert ἧμαι, κάθ-ημαι (vgl. Schwyzer-Debrunner 258). — Ein altes Kausativum zu ἕζομαι vermutet Specht KZ 62, 51 in ὁδεῖν· πωλεῖν H. usw. (eig. ‘dauernd hinsetzen’ = got. satjan usw.). I-445-446

ἔθειραι f. pl. ‘Mähne des Pferdes, Helmbusch’ (Il.), ‘Haupthaar’, auch im Sing. (h. Ven., Pi., A., E., Theok. usw.), ‘Löwenmähne, Borste des Ebers’ usw., auch im Sing. (Theok., Opp. usw.). Komp. χρυσο-έθειρος ‘mit goldenem Haar’ (Archil. u. a.), εὐ-έθειρα f. ‘schönhaarig’ (Anakr. u. a.) usw. Abl. ἐθειράδες ‘Barthaare’ (π 176 v. l. für γενειάδες); ἐθειράζω ‘langes Haar tragen’ (Theok. 1, 34); auch ἐθείρεται ‘ist (mit Schuppen) bedeckt’ (Orph. A. 929; zur Bildung Schwyzer 722f.). — Nicht sicher erklärt. Vielleicht als "die sich Schüttelnden, Wallenden" zu ἔθων ‘stoßend, zerwühlend’ (s. d.) wie πίειρα zu πίων; der r-Stamm auch in ἔθρις, s. d. Zur selben Gruppe gesellt sich dann — von dem unsicheren ἔνοσις (s. d.) abgesehen — u. a. ὄθη· φροντίς, ὤρα, φόβος, λόγος H.; zu ἔθειρα : ὄθη vgl. bes. φόβη : φόβος. Andere Ausdrücke für ‘Mähne, Helmbusch’ als "die sich Schüttelnde, Wallende" sind lat. iuba, crista, crīnis, vgl. W.-Hofmann s. vv. — Frisk GHÅ 36 (1930 : 3) 1ff. mit morphologisch nicht ganz befriedigender Analyse und Kritik anderer Ansichten. — S. auch ὄθομαι, ὠθέω. I-446-447

ἐθείρω nur Φ 347 χαίρει δέ μιν (sc. ἀλωήν) ὅστις ἐθείρῃ. Bedeutung unbekannt, gewöhnlich als ‘besorgen’ (vgl. H.: ἐθείρῃ· ἐπιμελείας ἀξιώσῃ), ‘bearbeiten, bebauen’ erklärt. — Herkunft unbekannt (verfehlt Doederlein bei Bechtel Lex. s. v., Kuiper Glotta 21, 267ff.). — Zu ἐθείρεται ‘ist bedeckt’ s. ἔθειραι. Vgl. noch Debrunner IF 21, 203. I-447

ἐθέλω, durch Aphärese θέλω (äol. ion. hell.; bei Hom. nur ο 317; ausführlich darüber Debrunner Festschrift Zucker 87ff.), Aor. (ἐ)θελῆσαι, Fut. (ἐ)θελήσω (seit Il.), Perf. ἠθέληκα (X., Aesch., D.), τεθέληκα (hell.) ‘wollen’. Als Vorderglied in ἐθελο-κακέω ‘sich freiwillig feig zeigen, sich dem Feind ergeben’ (Hdt. usw.), ‘freiwillig (absichtlich) schlecht handeln’ (Ph. usw.) mit ἐθελοκάκησις (Plb.), vgl. μνησι-κακέω u. a.; ἐθελό-δουλος ‘freiwilliger Sklave’ mit -δουλεία (Pl.; nach dem Simplex), ἐθέλ-εχθρος (Krat.) usw. EN ’Εθελο-κράτης u. a. (Inschr.). Ableitungen. 1. Aus (ἐ)θελη- : (ἐ)θελημός ‘freiwillig’ (Hes., Kall., A. R.; Emp., B.), (ἐ)θελήμων ‘ds.’ (Pl., A. R.) mit ἐθελημοσύναι pl. (PMag. Par.); θέλημα ‘Wille’ (Antipho Soph., hell. und spät; θελήμη Theognost.) mit θελημάτιον; -τικός, θέλησις, -ητής, -ητός (LXX usw.). — 2. Aus dem Partizip ἐθελοντ- : ἐθελοντής ‘Freiwilliger’ (Hdt., Th. usw.) mit -τήν Adv. (Hdt. u. a.); sehr vereinzelt θελοντής (Hdt. v. l. u. a.); Hom. dafür ἐθελοντῆρας (β 292); Substantivierungen nach den Nomina auf -τής, -τήρ (Schwyzer 481 m. A. 1, Schwyzer-Debrunner 2, 175, Chantraine Formation 322, Fraenkel Nom. ag. 1, 11f., 2, 206); ἐθελούσιος ‘freiwillig’ (seit X., nach ἑκούσιος). Adv. ἐθελοντί, -τηδόν ‘in freiwilliger Weise’ (Th. usw.), ἐθελόντως (Sch.). — Für sich steht θέλεος ἀθέλεος ‘volens nolens’ (A. Supp. 862 [lyr.]), poet. Bildung nach den Adj. auf -εος (gewiß nicht mit Schwyzer 458 : 4 zu einer zweisilbigen Wurzelförm). Weitere Einzelheiten bei Debrunner a. a. O. 99ff. — Während βούλομαι auf einem kurzvokalischen sigmatischen Aor. Konj. aufgebaut ist, liegt in (ἐ)θέλω ein primärer thematischer Präs. Ind. vor, der in allen außerpräsentischen Tempora durch -η- erweitert wurde. Aus dem Griechischen selbst wird seit Fick BB 16, 289; 18, 141 die Hesychglosse φαλίζει· θέλει herangezogen; der dabei vorauszusetzende labiovelare Anlaut gh- ermöglicht Anschluß an aksl. želéjǫ, -ěti ‘wünschen, begehren’. Pedersen Le groupement des dial. i.-eur. 20f. vergleicht noch arm. gelǰ ‘Wunsch’ (mit mehrdeutigem Auslaut; außerdem wäre g- für - durch Dissimilation erhalten); jedenfalls nicht hierher (mit Pedersen) toch. A yšalm-, B yšelme ‘Sinn(engenuß), Liebe’, vgl. v. Windekens Lexique étymol. 172. Auch nicht mit Pisani Ist. Lomb. 77, 550f. zu altirisch tol ‘Wille’. — Zur Erklärung des ἐ- in ἐθέλω (Präverb?) s. Schwyzer 434, Schwyzer-Debrunner 563. Vgl. die Lit. zu βούλομαι. I-447-448

ἐθμή · ἀτμός, καπνὸς λεπτός, ἀτμή H. — Persson Beiträge 2, 664 vergleicht zögernd ἀετμόν· τὸ πνεῦμα H. u. a. (s. ἀτμός); Grundform somit *u̯e-dhm-; ganz unsicher. Vgl. WP. 1, 222. I-448

ἐθμοί · πολλοί, δεσμοί, πλόκαμοι H. — Nach Lagercrantz KZ 35, 273 als *u̯edh-mo- zu got. ga-widanσυζευγνύναι, verbinden’ usw. (WP. 1, 256 m. Lit.). I-448

ἔθνος n. ‘Schar, Haufe, Schwarm’ (von Menschen und Tieren; Hom., Pi., A.), ‘Klasse, Volk’ (Hdt., A. usw.), ‘fremdes Volk’ (Arist. usw.), τὰ ἔθνη ‘die Heiden’ (NT); zur Bed. Chantraine BSL 43, 52ff. Als Vorderglied in ἐθν-άρχης ‘Statthalter, Fürst’ (LXX, J., NT usw.), als Hinterglied u. a. in ὁμο-εθνής ‘demselben Volke gehörig’ (Hdt. usw.), ἀλλο-εθνής ‘einem fremden Volke gehörig’ (hell. u. sp.). Spärliche Ableitungen: ἐθνικός ‘zum (fremden) Volke gehörig, national, volkstümlich, heidnisch’ (hell. u. sp.), vgl. γενικός zu γένος; ἐθνίτης ‘zum (selben) Volke gehörig’ (Eust., Suid.), ἐθνισταί· οἱ ἐκ τοῦ αὐτοῦ ἔθνους H.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 22; ἐθνυμών Bed.? (Hdn. Gr.; nach δαιτυμών?); ἐθνηδόν Adv. ‘volksweise’ (LXX). — Nicht sicher erklärt. Bei Abtrennung von -νος als Suffix (ἔρ-νος, σμῆ-νος usw.; Chantraine Formation 420, Schwyzer 512) ergibt sich unter Vergleich mit ἔθος (s. d.) ein urspr. *su̯edh-nos, das wie got. sibjaSippe’, der Volksname Suēbī u. a. (idg. *s()ē̆bh-; WP. 2, 456) letzten Endes auf das Reflexivum *s()e (s. ἕ, ἑ) zurückgehen könnte (Persson IF 2, 201 A. 1). Andere, mehr oder weniger unwahrscheinliche Hypothesen von Fick (s. Bq), von Fay (s. Kretschmer Glotta 1, 378), von Bonfante (s. Schwyzer 512 A. 6). — Mit ἔθνος ist auch ὀθνεῖος (Demokr., Pl., E. usw.) als ‘dem ἔθνος gehörig’ = ‘(dem γένος) fremd’ verknüpft worden (Fraenkel Gnomon 22, 238 m. Lit.). Der ο-Vokal muß dann entweder aus einem mask. *ὄθνος oder besser aus einer analogischen Übertragung (vom Oppositum οἰκεῖος?; vgl. Chantraine Formation 53) stammen. — Aus ἔθνος (gespr. ἕθνος, s. Schulze unten) stammen kopt. hεθνος, arm. hetanos, vielleicht auch, mit volksetymologischem Anschluß an das germ. Wort für ‘Heide’, got. haiþno ‘Heidin’ (woraus weiterhin die übrigen germ. Wörter). So namentlich Schulze BerlAkSb. 1905, 746ff. (= Kl. Schr. 517ff.). Reiche Lit. über die vieldiskutierten germ. Wörter bei Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. haiþno. I-448-449

ἔθος n. ‘Gewohnheit, Sitte, Brauch’ (ion. att.). Ableitungen: alt nur ἐθάς m. f. ‘gewohnt’ (Hp., Th. u. a.); spät ἔθιμος ‘gewöhnlich, gebräuchlich’ (Amorgos Ia, D. S. usw.; nach νόμιμος, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 99), ἐθικός ‘gewohnheitsmäßig’ (Plu.), ἐθήμων ‘gewohnt, gewöhnlich’ (Musae., Nonn.) mit ἐθημο-λογέω ‘gewohnheitsmäßig sammeln’ (AP), ἐθημοσύνη (H., Suid.). Denominatives Verb ἐθίζω (nicht mit Schwyzer 716 aus angeblichem *ἔθω erweitert, s. ἔθων und εἴωθα), auch mit Präfix (z. B. συν-, ἀπ-), ‘gewöhnen’ (Hp., att.; zur Bedeutung Brunel Aspect verbal 109) mit ἔθισμα ‘Gewohnheit’ (Pl.), ἐθισμός ‘Gewöhnung, Herkommen’ (Arist., hell. und sp.). — Bei Ansetzung einer Grundform *ϝέθος aus idg. *su̯édhos (mit Hauchdissimilation) ist es möglich, an das vielerörterte aind. svadhā́ etwa ‘Eigenart, Neigung, Gewohnheit’ anzuknüpfen, das sich dann zu ἔθος verhält wie γονή zu γένος. Hinzu kommt noch das germanische Wort für ‘Sitte’, got. sidus m. usw., das auf idg. *sedhu- zurückgehen kann. Auch lat. sodālis ‘Genosse, Kamerad, Gefährte’ wird als *su̯edhālis (su̯odh-) hiehergestellt. Als gemeinsame Grundlage von su̯edh-, sedh- kommt das Reflexivum *s()e (s. ἕ, ἑ) in Betracht; das erweiternde dh wird gewöhnlich, aber ganz willkürlich, mit dem Wort für ‘setzen, tun’ (s. τίθημι) identifiziert. — S. noch εἴωθα, ἦθος, auch ἔτης und ἕταρος. I-449

ἔθρις (cod. ἐθρίς) · τομίας, κριός H. Daneben ἴθρις· σπάδων, τομίας, εὐνοῦχος H. und ἄθρις (Suid.), ὄθρις (Zonar.). — Altes idg. Wort, mit aind. vádhri- ‘verschnitten, entmannt’ identisch. Die wechselnden Anlautvokale hängen offenbar mit dem unliterarischen Charakter des griech. Wortes zusammen; alt ist wohl nur ἐ-; dagegen kann ὀ- durch Angleichung an das verwandte ὠθέω (s. d.), ἀ- durch Umdeutung nach dem ἀ- privativum, ἰ- durch Vokalharmonie entstanden sein (anders Specht KZ 66, 4ff. mit weitgehenden Wurzelspekulationen und historischen Schlüssen, Lexis 3, 70). Zugrunde liegt ein r-n-Stamm, der in aind. vádhar-, aw. vadar- n. Ben. einer Waffe (bes. des Indra) erhalten ist. — Lit. bei WP. 1, 254f., außerdem Benveniste Origines 14. S. auch ἔθων. I-449

ἔθων in χλούνην σῦν ἄγριον ... ὅς κακὰ πόλλἔρδεσκεν ἔθων Οἰνῆος ἀλωήν (Ι 540), pl. σφήκεσσιν ἐοικότες ..., οὕς παῖδες ἐριδμαίνουσιν ἔθοντες (Π 260). — Nach einigen antiken Gewährsmännern = βλάπτων, φθείρων, bzw. ἐρεθίζοντες; danach ἔθει· φθείρει, ἐρεθίζει H. Nach Anderen dagegen zu εἴωθα ‘ist gewohnt’. — Gegen die letztgenannte Deutung ist einzuwenden, daß es neben dem Zustandsperfekt εἴωθα sonst überhaupt keine anderen Tempusformen gibt, daß neben einem solchen Perfekt namentlich ein synonymes Präsens, zumal in ältester Zeit, äußerst unwahrscheinlich ist, daß die betreffende Konstruktion mit dem Gebrauch von εἴωθα im Widerspruch steht, daß endlich eine Übersetzung ‘seinem Charakter gemäß handelnd’ o. ä., vom Eber gesagt, seltsam klingt. Mit Recht hat darum K. Fr. W. Schmidt KZ 45, 231ff. ἔθων als primäres Präsens zum iterativ-intensiven ὠθέω erklärt. Nur könnte man geneigt sein, in ἔθων einen ursprünglichen n-Stamm (vgl. ἀρηγών zu ἀρήγω) mit sekundärer Umbildung in nt-Starmn zu sehen (vgl. Schwyzer 526); dann wurden ἔθων : aind. vádhar- (s. ἔθρις) : ἔθειρα (s. d.) eine vollkommene Parallele zu πίων : πῖαρ : πίειρα bilden. Vgl. auch Leumann Hom. Wörter 212f. — Anders über ἔθω (zu εἴωθα, ἔθος) namentlich Bechtel Lex. s. v. I-449-450

εἰ (ion. att., ark.), daneben αἰ (äol. dor.), vereinzelt εἰκ, αἰκ (nach οὐ : οὐκ), ἠ (kypr. dor.) ‘wenn’, — Wunsch-, Konditional- und Fragepartikel unsicherer Herkunft. — Für interjektivischen Ursprung von αἰ, wenigstens teilweise auch von εἰ Schwyzer-Debrunner 557 und 683, wo auch weitere Lit. Daneben mag (mit Brugmann-Thumb 616) ein demonstratives εἰ ‘da, dann’ (vgl. εἶ-τα) bestanden haben, ursprünglich Lokativ des idg. Demonstrativums *e-, o-, das auch in ἠ als urspr. Instrumental gesucht wird (Schwyzer 550). Einzelheiten mit Lit. und Referat anderer Auffassungen bei Schwyzer-Debrunner a. a. O. I-450

εἶα (εἷα; vgl. zu Hdn. Gr. 1, 495, 14) Ermunterungsruf ‘he, hei, wohlan’ (att.). Davon εἰάζωεἶα rufen’ (E. Fr. 844; vgl. αἰάζω). — Als Elementarschöpfung mit lat. (h)eia und entsprechenden Ausrufen in anderen Sprachen identisch. Vgl. εἶἑν. I-450

εἱαμενή (εἰ-) ‘Niederung, feuchte Wiese, Aue’ (ep. seit Il.), ἴαμνος pl. ‘ds.’ (Nik., H.). Vgl. ἰαμενή, -αί, auch εἱαμένον· νήνεμον, κοῖλον, βοτανώδη H. f. — Partizip mit Akzentverschiebung wie in δεξαμενή (s. d.); sonst dunkel. Anlautendes εἱ- kann metrisch bedingt sein. I-450

εἴβω, -ομαι, gew. κατ-είβω, -ομαι nur Präsensstamm ‘träufeln, (tropfenweise) vergießen’, Med. ‘herabrinnen’ (ep. poet. seit Il.). Daneben mit abweichendem Anlaut (Itazismus oder Ablaut?) ἰβάνη· κάδος, ἀντλητήριον, ἴβανον· κάδον, σταμνίον, χαλκίον mit ἰβανεῖ (für -ᾷ?)· ἀντλεῖ, wozu ἰβανατρίς· ἱμητήριον H.; außerdem ἴβδης ‘Pflock im Schiffsboden, um das angesammelte Wasser auszulassen’ (Eust.), vgl. Solmsen Wortforschung 67, Fraenkel Nom. ag. 2, 175 A. 1. — eimwort zu λείβω, sonst dunkel. Vielleicht Kreuzung von λείβω und einem zu ἰκμάς (s. d.) gehörenden *εἴκω. Vgl. Güntert Reimwortbildungen 148, Walleser WuS 14, 165f., WP. 2, 466f., Bq s. v. mit älteren Vorschlägen. I-450-451

εἰδάλιμος s. εἶδος. I-451

εἰδαλίς, ἰδαλίς · ὄρνις ποιός H. — Unerklärt. I-451

εἶδαρ ‘Speise’ s. ἔδω. I-451

εἴδημα, εἴδησις usw. s. οἶδα. I-451

εἴδομαι, Aor. εἴσασθαι (Ptz. auch ἐ-(ϝ)εισάμενος, Chantraine Gramm. hom. 1, 182) ‘scheinen, erscheinen, sich den Anschein geben, gleichen’ (ep. lyr. seit Il.). Komp. δια-είδομαι mit faktitivem Futurum δια-είσομαι ‘erscheinen lassen’ (Θ 535; vgl. Chantraine 1, 442). Verbalnomina εἶδος, εἴδωλον, s. bes. — Neben dem thematischen Wurzelpräsens (ϝ)είδομαι und dem dazu gebildeten σ-Aorist stehen in abweichenden Bedeutungen der thematische Wurzelaorist (ϝ)ιδεῖν und das Perfekt (ϝ)οῖδα, beide altererbt (s. bes.). Dagegen findet sich zu εἴδομαι ‘(er)scheinen, gleichen’ in anderen Sprachen keine Entsprechung; lautlich vergleichbare keltische und germanische Formen, z. B. air. ad-féded ‘narrabat’, got. fra-weitan ‘rächen’, die beide auf idg. *u̯eid- zurückgehen, weichen in der Bedeutung stark ab. Umgekehrt stimmt εἴδομαι semantisch gut zu dem altererbten εἶδος. Es spricht mithin manches dafür, daß εἴδομαι ‘das Aussehen, die Gestalt annehmen’ aus εἶδος ‘Aussehen, Gestalt’ rückgebildet ist wie σθένω aus σθένος und andere Verba bei Schwyzer 723. Jedenfalls wurde es von εἶδος semantisch beeinflußt. — Nicht mit Kuiper Nasalpräs. 152 A. 3 alter kurzvokalischer Konjunktiv. I-451

εἶδος n. ‘species, Aussehen, Gestalt, Beschaffenheit, Gattung (auch Liedgattung), Zustand’ (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in εὐ-ειδής ‘wohlgestaltet’ (seit Il.); als Vorderglied u. a. in εἰδ-εχθής ‘von häßlichem Aussehen’ (Thphr. u. a.), εἰδοποιός ‘ein εἶδος bildend’ (Arist. u. a.) neben εἰδο-ποιέω ‘mit Gestalt ausrüsten, abbilden’ (hell. u. sp.). Ableitungen: Deminutivum εἰδύλλιον ‘Einzellied, Gedicht’, "Idyll" (Sch.; zur Bildung Leumann Glotta 32, 214ff., zur Bed. Bickel Glotta 29, 29ff., Zucker Hermes 76, 382ff.); Adjektiva εἰδάλιμος ‘schöngestaltet’ (ω 279, nach κυδάλιμος; Leumann Hom. Wörter 248 m. A. 1 m. Lit.), εἰδικός ‘zum εἶδος gehörig’ (hell. u. spät; wie γενικός : γένος); Abstraktbildung εἰδότης ‘das εἶδος-Sein’ (Dam.). — Als Verbalnomen zum Wort für ‘sehen’, ἰδεῖν (s. d.), mit aind. védas- n. ‘Besitz, Erwerb’ formal identisch; der bei εἶδον ‘ich erblickte’ = aind. ávidam ‘ich fand, ich erwarb’ vorliegende Bedeutungsunterschied kommt auch bei den zugehörigen Nomina zum Ausdruck. Semantisch besser zu εἶδος stimmen aksl. vidъ (serb. vȋd) ‘εἶδος, θεωρία’ (aus *u̯eido(s)-), lit. véidas ‘Angesicht’ (wohl urspr. Langdiphthong) und das von einem s-Stamm ausgehende ahd. wīsa ‘Art, Weise’. — WP. 1, 239 m. Lit.; auch Porzig Satzinhalte 294. — Über die Bedeutung von εἶδος s. P. Brommer ΕΙΔΟΣ et ΙΔΕΑ. Étude sémantique et chronologique des oeuvres de Platon. 1940. I-451-452

εἴδωλον n. ‘Gestalt, Bild, Trugbild, Götzenbild’, "Idol" (seit Il.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 371). Komp. und Abl. (vorw. Pl., NT und LXX): εἰδωλο-ποιέω ‘ein Bild machen’, -λάτρης ‘Götzendiener’ mit -λατρία u. a.; κατ-, φιλ-είδωλος; εἰδωλεῖον ‘Götzentempel’, εἰδωλικός ‘zum εἴδ. gehörig’. — Alter l-Stamm zu ἰδεῖν (Schwyzer 483 m. Lit.), aber ohne sichere genetische Entsprechung. Davon unabhängig εἰδάλιμος, εἰδάλλεται· φαίνεται H. (Leumann Hom. Wörter 248 A. 1), ἀείδελος (s. ἰδεῖν), εἰδυλίς, aind. vidura- (s. οἶδα); ebenso lit. vaidalas ‘Erscheinung’ (nach den zahlreichen Nomina auf -alas; vgl. Leskien Bildung der Nomina 472ff.). S. indessen auch zu ἰνδάλλομαι. I-452

εἶἑν (zur Interaspiration, von Grammatikern und cod. Rav. des Ar. bezeugt, Schwyzer 219 und 303) Interjektion ‘nun gut!’ o.ä. (att.). — Von Froehde BB 10, 297 mit aind. evám ‘so, nun gut!’ identifiziert, aber vielleicht eher zu εἶα (s. d.); Ausgang nach μέν? (anders v. Wilamowitz Eur. Her. 320). I-452

εἶθαρ Adv. ‘sogleich’ (ep. seit Il.). — Ursprünglich neutrales Nomen auf -αρ und mit ἰθύς, εὐθύς (aus *εἰθύς?) verwandt? Schwyzer 350 und 519, Schwyzer-Debrunner 70, Pok. 892. Ältere Lit. bei Bq. I-452

εἴθε, αἴθε ‘utinam, o daß doch’ (seit Il.). — Aus εἰ, αἰ (s. εἰ) und einer Partikel -θε, ohne sichere Etymologie. Meillet MSL 8, 238 vergleicht die hervorhebenden Partikeln aind. gha, aksl. že; somit idg. *ghe? Weiteres bei Schwyzer-Debrunner 561 A. 2. I-452

εἰκάζω, lesb. ἐϊκάσδω, Aor. εἰκάσαι, Fut. εἰκάσω, Perf. Pass. εἴκασμαι (ᾔ-) Mit Präfix, bes. ἀπ-; auch ἐξ-, ἐπ-, προσ- u. a.; ‘abbilden, vergleichen, vermuten’ (ion. att.), zur Bedeutung vgl. Brunel Aspect verbal 71, 155, 174, 184. Ableitungen: (ἀπ-)εἰκασία ‘Abbildung, Vergleichung, Vermutung’ (ion. att.; zur Bildung Schwyzer 469) mit εἰκάσιμος ‘aestimabilis’ (Gloss.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 99), (ἀπ-)εἴκασμα ‘Abbild’ (A., Pl. u. a.), (ἀπ-, ἐπ-)εἰκασμός ‘Vermutung’ (D. H., Str. usw.); — εἰκαστής ‘Vermuter, Mutmaßer’ (Th. 1, 138; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 73f.), ‘Abbilder, Darsteller’ (D. H.); εἰκαστός ‘vergleichbar usw.’ (S. u. a.), εἰκαστικός ‘zum Abbilden gehörig usw.’ (Pl. u. a.). — Das viersilbige ἐϊκάσδω läßt im Verein mit dem synonymen hom. (ϝ)ε(ϝ)ίσκω ein ursprüngliches *ϝεϝικάζω vermuten. Beide Bildungen schließen sich als neugeschaffene faktitive Präsentia an das alte intrans. Perf. (ϝ)έ-(ϝ)οικ-α ‘ähnlich sein, gleichen’, du. (ϝ)έ-(ϝ)ικ-τον, Prät. (ϝ)έ-(ϝ)ικ-το usw. an (Schwyzer 735). Näheres s. ἔοικα. I-452-453

εἰκάς s. εἴκοσι. I-453

εἰκῇ Adv. ‘aufs Geratewohl, unüberlegt’, spät auch ‘vergebens’ (ion. att.). Als Vorderglied in εἰκο-βολέω ‘ins Blaue schießen’ (E., Ar. u. a.) mit εἰκοβολία (Phld.). Ableitung εἰκαῖος ‘unüberlegt, planlos, zufällig’ (S., Plb., J. usw.) mit εἰκαιότης (Phld. u. a.) und εἰκαιοσύνη (Timo). Bildung wie σπουδῇ, κομιδῇ usw.; somit wahrscheinlich ein nominaler Dativ (Schwyzer 622). — Die herkömmliche Anknüpfung an ἔοικα ablehnend und auf das Kompositum εἰκο-βολεῖν hinweisend, das an hom. ἑκη-βόλος stark erinnert, schlägt Wackernagel Unt. 137 A. 1 unter Heranziehung von aind. semantischen Parallelen ansprechend vor, εἰκῇ aus *ἐ-ϝεκῇ ‘nach Willkür, nach Lust und Laune’ mit ἑκών, ἕνεκα (s. dd.) zu verbinden. I-453

εἴκοσι, hom. auch ἐείκοσι (s. unten), dor. ϝίκατι ‘zwanzig’. Als Vorderglied oft εἰκοσα-, z. B. ἐεικοσάβοιος ‘zwanzig Rinder wert’ (Od.; nach ἑπτα-, τετρα- usw.). Zu εἰκοσινήριτος Χ 349 s. νήριτος. Abl. εἰκοσάκις ‘zwanzig mal’ (Il. u. a.), εἰκοσάς f. ‘zwanzig Stück, Stiege’ (spät; vgl. εἰκάς unten), (ἐ)εἰκοστός (böot. ϝικαστός) ‘der zwanzigste’ (seit Il.); f. εἰκοστή ‘das Zwanzigstel usw.’ mit εἰκοσταῖος ‘zum 20. Tage gehörig’ (Hp., Antipho u. a.; wie δευτεραῖος u. a.); — auch εἰκάς f., dor. ἰκάς, ther. hικάς ‘die Zahl zwanzig, der 20. Tag des Monats’ (Hes. usw.), nach δεκάς, τριακάς usw. (nicht mit Schwyzer 597 Originalbildung zu (ἐ)ἴκατι); davon εἰκαδεῖς Ben. der Mitglieder eines Vereins, der am 20. Monatstage zusammenkam, mit dem eponymen Stifter Εἰκαδεύς (Athen; Fraenkel Nom. ag. 2, 71 u. 180, v. Wilamowitz Glaube 2, 368 A. 1), εἰκαδισταί Bein. der Epikureer (Ath.), vgl. δεκαδισταί zu δεκάς (s. δέκα). — Hom. ἐείκοσι für ἐ-(ϝ)ί̄κοσι (mit prothetischem Vokal; anders v. Windekens L’Ant. class. 14, 133ff.) ist von dem kontrahierten εἴκοσι graphisch beeinflußt; ebenso herakl. ϝείκατι. Der ο-Vokal in εἴκοσι stammt zunächst von εἰκοστός (anders Meillet MSL 16, 217ff.; s. Schwyzer 344), dies nach τριακοστός usw. mit -ο- nach τριάκοντα usw. — Urgr. somit ϝί̄κατι, ϝῑκαστός (= dor., böot.), ersteres mit aw. vīsaiti identisch. Daneben aind. viṃśatí- f. mit sekundärer Nasalierung und i-Flexion, wohl auch sekund. Betonung (Schulze KZ 28, 277 A. 1 = Kl. Schr. 99 A. 3; vgl. Schwyzer 381), lat. vīgintī mit sekundärem g; idg. Grundform also *u̯ī-ḱm̥t-ī̆ eig. Du. ‘zwei Dekaden’ (aus *-dḱm̥t-), zu idg. *u̯i- ‘zwei’ (vgl. zu ἴδιος) und δέκα, s. d. und ἑκατόν. Dementsprechend ϝῑκαστός aus *u̯ī-ḱm̥t-tós. — Einzelheiten (mit reicher Lit.) aus dem Griech. und anderen Sprachen bei Schwyzer 591, Wackernagel-Debrunner Aind. Gramm. 3, 366f., W.-Hofmann s. vīgintī. I-453-454

εἴκω Aor. εἶξαι (ἔ(ϝ)ειξε Alkm., γῖξαι [d. h. ϝεῖξαιχωρῆσαι H.), Fut. εἴξω, -ομαι (seit Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 229f.), Perf. Ptz. ἐεικώς (Chron. Lind.) ‘weichen, zurückgehen, nachstehen’. Mit Präfix: ὑπ(ο)-, παρ-, συν-είκω u. a. Erweiterte Form. (ὑπ-, παρ-)εἰκάθειν od. -θεῖν (S., Pl. usw.; Schwyzer 703 A. 6 m. Lit.). Seltene Ableitungen: ὕπειξις ‘das Zurückweichen, das Nachgeben’ (Pl., Thphr. u. a.; vgl. Holt Les noms d’action en σις 164; εἶξις Plu. u. a.) mit ὑπεικτικός (Arist.; εἰκτικός Phld. usw.). Mit seinem hochstufigen thematischen Wurzelpräsens und seinem sigmatischen Aorist bietet (ϝ)είκω ein regelmäßiges Bild dar, das wahrscheinlich durch Ausmerzung älterer Unregelmäßigsten zustande gekommen ist. — Unter den vielen auf idg. u̯eik- zurückgehenden Verba (WP. 1, 232ff.; s. auch W.-Hofmann s. vicis und vincō) gibt keines eine semantisch überzeugende Anknüpfung. Dagegen stimmen bedeutungsmäßig gut zu (ϝ)είκω das schwundstufige aind. vijáte (jünger vejate) ‘fliehen vor, zurückweichen’ und das hochstufige germ. Präsens, z. B. ags. wīcan, ahd. wīhhanweichen usw.’, beide indessen aus idg. u̯eig- gegenüber u̯eik- in (ϝ)είκω. Der Gutturalwechsel kann unschwer aus Assimilation an konsonantisch anlautende Endungen erklärt werden; vgl. z. B. die aind. Aoristformen vik-thās, vik-ta (Medialformen zu ϝεῖξαι?). Alle die genannten Sprachen haben aber offenbar verschiedene Neuerungen eingeführt mit dem Resultat, daß die Paradigmata ganz auseinandergehen. — Lit. bei WP. und W.-Hofmann a. a. O. S. auch ἐπίεικτος. I-454

εἰκών, -όνος (ion. att., ϝεικόνα kypr.), ion. poet. auch εἰκώ, -οῦς f. f. ‘Abbild, Bild, Gleichnis’. Als Vorderglied u. a. in εἰκονολογία ‘das Reden in Bildern’ (Pl.). Ableitungen: Deminutiva εἰκόνιον (hell. u. sp.) und -ίδιον (sp.); εἰκονικός ‘abbildend, bildlich’ (hell. u. sp.), εἰκονώδης (Gloss.). Denominatives Verb (ἐξ-)εἰκονίζω ‘nachbilden, kopieren, urkundlich beschreiben’ (LXX, Pap., Plu. usw.; vgl. Mayser Pap. 1 : 3, 146) mit εἰκόνισμα = εἰκών (S. Fr. 573 usw.; vgl. Chantraine Formation 188), εἰκονισμός ‘Abbildung, Personalbeschreibung’ (Pap., Plu. u. a.), εἰκονιστής Ben. eines Beamten, ‘Personalbeschreiber, Registrator’ (Pap.). — Bildung auf -ών (Chantraine 159f.), wohl eigentlich als Nomen agentis direkt zu ἔοικα (s. d.) mit derselben Vokalisation wie in εἰκώς, -ός, εἴκελος. — Über die Neubildung εἰκώ s. Schwyzer 479 A. 4 m. Lit. I-454-455

εἰλαμίδες f. pl. Ben. zweier Hirnhäute (Poll. 2, 44). Deminutivum von *εἴλαμος (wie πλόκαμος u. a.), — zu εἰλέω ‘drehen, winden’, "ὅτι περὶ μυελὸν εἰλοῦνται", mit εἰ- (für *ϝέλ-αμος) wie in εἰλεός. I-455

εἰλαπίνη f. ‘Trinkgelage, Festschmaus’ (vorw. poet. seit Il.; äol. ἐλ(λ)απίνα Hoffmann Dial. 2, 487). Davon εἰλαπινάζω ‘schmausen’ (seit Il.; nur Präsensstamm) mit εἰλαπιναστής (Ρ 577 u. a.). — Ohne Etymologie (Versuch notiert bei Bq und WP. 1, 295). Als Kulturwort der Entlehnung stark verdächtig; vgl. zu δεῖπνον. Anl. εἰ- kann metrische Dehnung sein; vgl. darüber Schulze Q. 166 A. 5. I-455

εἶλαρ nur Nom. u. Akk., n. etwa ‘Schutzwehr’, εἶλαρ νεῶν τε καὶ αὐτῶν (Η 338 = 437; Ξ 56 = 68, auf πύργοι, bzw. τεῖχος bezogen), κύματος εἶλαρ (ε 257, ῥῖπες οἰσύϊναι); H. auch ἔλαρ. βοήθεια. — Aus *ϝέλ-ϝαρ (mit Dissimilation *ἔλ-ϝαρ?) als Nomen actionis von einem nicht mit Sicherheit festzustellenden Verb. In Betracht kommt in erster Linie 1. εἰλέω, (ϝ)έλσαι ‘zusammendrängen, einengen, einschließen’ ("das Zusammengedrängte, die Einengung, Einschließung"). Besondere Beachtung verdient das semantisch verwandte, aber anders gebildete βήλημα· κώλυμα, φράγμα ἐν ποταμῷ H.; s. zu 1. εἰλέω. Weniger glaubhaft ist die Anknüpfung an 2. εἰλέω ‘rollen, winden, wälzen’. — Schulze Q. 121, dazu Bechtel Lex. s. v., Chantraine Gramm. hom. 1, 131, Porzig Satzinhalte 348; auch WP. 1, 300. I-455

Εἰλείθυια N. der Geburtsgöttin(nen), oft im Plur. (ep. ion. att.) auch ’Ελείθυια (Pi., Inschr. u. a.), Εἰλήθυια (Kall., Paus. u. a.), ’Ελεύθυια (kret.), ’Ελευθίη (Paros), ’Ελευθία, mit Assibilation ’Ελευσία (lakon.); dazu noch einige belanglose Varianten. Für sich stehen die Kurzform ’Ελευθώ (AP u. a.) und das ganz abweichende Εἰλιόνεια (Plu. 2, 277b; richtig?). Ägäisch E-re-u-ti-ja? Zum Lautlichen Kalén Quaest. gramm. graecae 8 A. 1. f., Ableitung Εἰλειθυ(ι)αῖον ‘Tempel des E.’ (Delos), ’Ιλύθυιον (ibid.). — Herkunft unsicher. Unter der wahrscheinlichen Annahme, daß ’Ελεύθυια die ursprüngliche Form ist, woraus durch Dissimilation (oder nach ’Ωρείθυια?; s. Kalén a. a. O.) ’Ελείθυια und, mit metr. Dehnung, Εἰλείθυια, knüpft Schulze Q. 260f. an ἐλευθ- in ἐλεύσομαι, ἤλυθον an; zum Suffix vgl. Ἅρπυια(ι) usw. Auch Wackernagel (s. Nilsson Gr. Rel. I2, 313) geht von ’Ελεύθυια aus, das er aber wegen des sicher ungriechischen ON ’Ελευθέρνα mit guten Gründen für vorgriechisch hält. Güntert Kalypso 38 A. 3, 258 sieht in Ε(ἰ)λείθυια ein nichtgriechisches Wort, das dem aktiven und faktitiven ἐλεύθω ‘bringen’ (dor.; nur in ἐλεῦσαι, ἐλευσέω, s. ἐλεύσομαι) im Sinn von ‘Hervorbringerin’ (vgl. lat. Fortuna : ferre) volksetymologisch angeglichen wäre. — Nicht mit Theander (s. Nilsson a. a. O. A. 11) zu ἐλελεῦ. Noch anders Vürtheim; s. die ablehnende Kritik bei Kretschmer Glotta 16, 192. Vgl. auch Kerényi Saeculum 1, 241. I-455-456

εἰλεός (ἰλεός) m. 1. als mediz. Fachausdruck ‘Darmverschlingung, Bauchgrimmen’ (Hp. usw.; lat. īleus); vereinzelt 2. Ben. eines Weinstocks (Hippys Rheg. [Va?]); 3. ‘Schlupfwinkel, Höhle der Tiere, insbes. der Schlangen’ (Theok. 15, 9, Ark., Poll.). — Von 1. εἰλεώδης ‘auf Darmverschlingung bezüglich’ (Hp. u. a.). Bildung wie φωλεός, κολεός usw. (Chantraine Formation 51). Eine ursprüngliche Bedeutung ‘Windung’ (vgl. H.: εἰλεός· ἡ τοῦ θηρίου κατάδυσις καὶ στρόφος), von εἰλέω ‘rollen, winden’ mit Beibehaltung des Diphthongs (nicht *ἐ-ϝελ-ε(ϝ)ος), erklärt ohne weiteres die Bedd. 1. und 2. Auch der ‘Schlupfwinkel’ dürfte sich mit der ‘Windung’ vertragen können; die in diesem Sinn vorliegende Form. εἰλυός (A. R., Kall., Nik.) geht indessen wie das synonyme εἰλυθμός von εἰλύω ‘umwinden, umhüllen, bedecken’ aus oder ist davon beeinflußt; das synonyme φωλεός mag die Form εἰλεός begünstigt haben. — Vgl. Solmsen Unt. 242ff.; -εός nicht lautlich aus -υός mit Kalén Quaest. gramm. graecae 19. I-456

εἰλέω 1. (ep. ion.), ep. delph. auch εἴλομαι in εἰλόμενος, εἰλέσθω(ν), dor. el. ϝηλέω, att. vereinzelt ἴλλω, εἴλλω (vgl. unten), Aor. ἔλσαι, ἐέλσαι (ep. lyr.), Med.-Pass. ἀλήμεναι, ἀλῆναι, ἀλείς, Perf. Med. ἔελμαι, -μένος (ep.), Perfektpräteritum ἐόλει? (Pi., s. unten); dazu die vom Präsens aus neugebildeten εἰλῆσαι, εἰλήσω, εἴλημαι, εἰλήθην (ion. hell.) ‘zusammendrängen, -drükken, -ziehen, einengen, einschließen’. Mit Präfix ἀπ(ο-), z. B. ἀπο-ϝηλέω (el.), ἐξ-, z. B. ἐγ-ϝηληθίωντι (her.) = ἐξ-ειληθῶσι, κατ(α)-, z. B. κατα-ϝελμένος (kret.), προσ- (προτι-), συν-ειλέω, -(ε)ίλλω usw. mit verschiedenen Sinnfärbungen. Von den Ableitungen hat sich die Mehrzahl formal und semantisch verselbständigt: ἁλής, ἀολλής, ἐξουλή, ἴλη (εἴλη), οὐλαμός (s. dd.). Es kommen hinzu: βήλημα· κώλυμα, φράγμα ἐν ποταμῷ H.; d. h. ϝήλημα, mess. ἤλημα, κατ-, συν-είλησις ‘das Zusammendrängen, das Gedrängte’ bzw. ‘das Zusammenziehen’ (Epikur. bzw. Ael.), εἰληθμός (εἰδ- cod.)· συστροφή, φυγή H., προσείλημα (κεφαλῆς) ‘Turban’ (Kreon Hist.; zu 2?). Von (ϝ)ίλλω wohlϝιλσιιος Gen. ‘Drangsal’ (Pamphyl. IVa); unklar ἰλλάς ‘zusammengedrängt (?)’ (S. Fr. 70, E. Fr. 837), vgl. zu 2. εἰλέω; erweitert ἰλλίζει, s. ebd. S. auch zu εἶλαρ. — Als gemeinsame Grundform von εἰλέω, ϝηλέω, wozu noch ἀπελλεῖν (?, cod. -εινἀποκλείειν H. (äol.), ist ein Nasalpräsens *ϝελ-νέω anzusetzen, das eine Nebenform von εἴλω aus *ϝέλ-νω sein kann (Schwyzer 720; vgl. auch 693 m. A. 11, Chantraine Gramm. hom. 1, 130). Daneben findet sich ein redupliziertes ἴλλω aus *ϝί-ϝλ-ω (gewöhnlich zu 2., so wohl auch ἰλλόμενος A. R. 2, 27, s. zu 2.) auch εἴλλω, mit Vokalprothese (wie in ep. ἐ-(ϝ)έλ-σαι) aus *ἐ-ϝέλ-νω (ἐ-ϝέλ-ιω?; so Solmsen, s. unten), falls nicht einfach durch (graphischen) Einfluß von εἰλέω. — Die außerpräsentischen Tempora waren in ältester Zeit, wie zu erwarten, primär: Aor. (ϝ)έλ-σαι, Perf. *(ϝ)έ-(ϝ)ολα in ἐόλει ‘bedrängte’ (Pi. P. 4, 233; coni. Boeckh)?, Med. mit sekundärer Hochstufe (ϝ)έ-(ϝ)ελ-μαι, intr. Aor. mit Schwundstufe (ϝ)αλῆ-ναι; diese Formen wurden aber schon früh von den Neubildungen εἰλῆσαι usw. verdrängt. Unter der unabsehbaren Menge idg. Wörter, die ein Element u̯el- enthalten (WP. 1, 293-305), können nur einige baltisch-slavische Bildungen als Verwandte von 1. εἰλέω in Frage kommen. So liegt in russ. válom ‘in Menge’ der Instrumental eines Nomens *valъ (idg. *u̯ōlos) mit mehreren Ablegern, z. B. zavál ‘Verstopfung, Verhau, Sperre’ (vgl. ϝήλημα), vor; zur Bed. vgl. besonders (ϝ)άλις. Ein anderer Instrumental begegnet in aksl. russ. velьmíμεγάλως, sehr’, von *velь (idg. *u̯eli-). Aus dem Baltischen: lit. su-valýti ‘(Getreide) zusammenbringen, einernten’; in Betracht kommt noch lit. veliù, vélti (wozu russ. valjátь) ‘walken’ (veliù = *ἐ-ϝέλ-ι̯ω?); vgl. aber auch zu 2. εἰλέω. Überhaupt ist es nicht immer möglich, εἰλέω ‘drängen’ und εἰλέω ‘winden’ rein zu scheiden. — Ausführlich über die ganze Sippe Solmsen Unt. 224ff., 285ff.; weitere Lit. bei WP. 1, 295f.; außerdem noch Burdach NJbb. 49, 254ff. I-456-457

εἰλέω 2. ‘rollen, drehen, winden, wälzen’ (vorw. hell. und spät). ἴλλω, εἴλλω (att.; s. unten). Die außerpräsentischen Tempora, die fast ausschließlich auf die Komposita beschränkt sind, gehen alle von den Präsentia aus: εἰλῆσαι, εἰλήσω, εἴληκα usw.; von ἴλλω nur ἰλλάμην (IG 5 (2) : 472, 11; Megalopolis II-IIIp). Oft mit Präfix, insbes. ἐν-, περι-ειλέω (X., hell. u. sp.), -(ε)ίλλω (Th. 2, 76; codd. Ar. Ra. 1066), auch ἀπ-, δι-, ἐξ-, ἐπ-, κατ-, παρ-ειλέω (vorw. hell. u. sp.), ἐξ-, κατ-ίλλω (X. bzw. Hp.). Ableitungen. Vom Präsens εἰλέω : εἰλεός (s. d.; wohl nur durch sekundäre Anpassung); (ἐν-, ἐξ-, ἐπ-, κατ-, περι-)εἴλησις ‘Windung usw.’ (Pl., hell. u. sp.), (ἐν-, περι-) εἴλημα ‘ds.’ (J., Poll.); εἰλετίας Art Rohr (Thphr.), εἰλητάριον ‘Umwindung, Rolle’ (Aët.), εἰληδόν Adv. ‘in Windungen’ (AP). Von ἴλλω : ἰλλός ‘schielend’ (s. d.) mit mehreren Ableitungen; ἰλλάς f. ‘Strick, Seil’ (Ν 572; Chantraine Formation 351) mit ἰλλίζει· δεσμεύει, συστρέφει, ἀγελάζει H. (auch zu 1. ἴλλω); unklar ἰλλάδας γονάς· ++ἀγελειὰς καὶ συστροφάς H. (S. Fr. 70 und E. Fr. 837); wahrscheinlich zu 1. — Zu dieser Wortfamilie gehören außerdem zahlreiche Nomina, die sich formal vom Verb losgelöst haben: s. ἕλιξ, εἶλιγξ, ἕλμις, ἑλένη, εὐλή, εὔληρα, λῶμα, ὅλμος, οὖλος u. a. m.; außerdem ἀλινδέω, wohl auch αἰόλος; endlich die u-Erweiterung εἰλύω mit vielen Ablegern (s. bes.). — Wie 1. εἰλέω, (ἐ)ίλλω ‘drängen’ sind auch εἰλέω, ἴλλω ‘drehen’ auf ein n-Präsens *ϝελ-νέω, bzw. auf ein redupliziertes *ϝί-ϝλ-ω zurückzuführen. Der lautliche Zusammenfall hat bisweilen auch zur begrifflichen Vermischung geführt; so war für A. R. ἰλλόμενος in 2, 27 λέων ... ἰλλόμενός περ ὁμίλῳ, auch wenn ursprünglich nicht ‘umringt’, sondern ‘gedrängt’, mit dem gleichlautenden Ptz. in 1, 129 δεσμοῖς ἰλλόμενος gewiß identisch. — Auch in den übrigen Sprachen gibt es eine Menge Wörter, die auf den leider sehr dehnbaren und in concreto stark wandelbaren Begriff ‘drehen, winden, wälzen’ u. dgl. zurückgehen; von Interesse hier besonders air. fillim ‘drehen, biegen’, wenn mit Pedersen Vergl. Gramm. d. kelt. Spr. 2, 522 altes n-Präsens, außerdem. lit. veliù, vélti ‘Haare verwirren, verschlingen’ (= εἴλλω?; s. zu 1.). Eine besondere Gruppe bilden die u-Erweiterungen, s. zu εἰλύω. Von den übrigen Vertretern werden einige unter den oben zitierten Stichwörtern Erwähnung finden; hier sei noch erinnert an arm. glem ‘rollen, niederwerfen’, das als sekundäre Bildung für idg. *u̯ēl- oder *u̯ōl-ei̯ō stehen kann (Meillet MSL 8, 163; 9, 144, Hübschmann Armen. Gramm. 1, 435), gil ‘runder Wurfstein’ (Rückbildung?); unsicher aind. valati, -te (klass.) ‘sich drehen, wenden’, s. Tedesco JournAmOrSoc. 67, 100ff. — Reiches Material mit Lit. bei WP. 1, 298ff., bes. Solmsen Unt. 229ff. I-457-458

εἴλη 1. ‘Schar’ s. ἴλη. I-458

εἵλη 2. ‘Sonnenwärme, -hitze’ (Ar. Ve. 772 [v. l. ἕλη], Luk., Alkiphr.), (εἴλη, ἕλη), βέλα (=ϝέλαἥλιος, καὶ αὐγή, ὑπὸ Λακώνων H. (ähnlich zu ἔλα); unsicher γέλαν (=ϝέλαν?)· αὐγὴν ἡλίου, wegen γελεῖν· λάμπειν, ἀνθεῖν H. vielleicht zu γελάω, γαλήνη (s. dd.), aber γελοδυτία· ἡλιοδυσία H. jedenfalls zu ϝέλα. f. Als Vorderglied in εἱλη-θερής ‘von der Sonne gewärmt’ (Hp., Gal.), ἐλαθερές· ἡλιοθαλπές H., eher zu θέρομαι als zu θέρος (vgl. Schwyzer 513); davon εἱληθερέω, -έομαι ‘(sich) in der Sonne wärmen’ (Hp., Xenarch. u. a.); εἱλι-κρινής, εἱλό-πεδον, s. dd. Als Hinterglied in πρός-ειλος ‘der Sonnenhitze ausgesetzt, sonnig’ (A., Eup., Thphr. u. a.), εὔ-ειλος ‘ds.’ (Ar. u. a.), ἄ-ειλος ‘sonnenlos’ (A. Fr. 334). Ableitungen: εἰλήϊον· ἐν ἡλίῳ θερμανθέν H. (falsche Erklärung von ’Ιλήϊον Φ 558 ?); denominatives Verb ἐλᾶται· ἡλιοῦται, Fut. βελ[λ]άσεται· ἡλιωθήσεται H. — Urgr. *ϝhέλᾱ (*hϝέλα; vgl. Schwyzer 226f.), woraus ϝέλᾱ, ἕλᾱ und mit Vokalprothese *ἐ-ϝhέλᾱ zu εἵλη, εἴλη, gehört als Verbalnomen aus idg. *su̯elā zu einem Verb ‘langsam verbrennen, sengen’, das im Germanischen und Baltischen, z. B. ags. swelan, nhd. schwelen (Hochstufe), lit. svìlti (Tiefstufe) ‘sengen (intr.), ohne Flamme brennen’, noch lebt und dort viele Ableger gefunden hat. Aus dem Griech. gehört noch hierher 1. ἀλέα (ἁλ-) ‘Sonnenwärme’, s. d. Zu ἑλάνη ‘Fackel’ s. bes. — Über weitere, entlegenere Verwandte, z. B. ahd. swelzan ‘brennen’, ags. sweltan ‘sterben’, anord. svelta ‘hungern, sterben’, s. WP. 2, 531f., wo auch Lit., bes. Solmsen Unt. 248ff. — S. auch ἥλιος. I-458-459

εἴλιγγος (ἴλ-) m., oft im Plur. ‘Schwindel’ (Hp., Pl. usw.), ‘Wasser-, Rauchwirbel’ (Peripl. M. Rubr. 40, A. R. 4, 142), εἶλιγξ (ἶλ-), -γγος m. ‘Wirbel’ (D. S. u. a.). Denominatives Verb εἰλιγγ-ιάω (ἰλ-) ‘vom Schwindel befallen werden, schwindlig werden’ (Ar., Pl. usw.); danach εἰλιγγιώδης ‘schwindlig’ (Gloss.). — Bildung auf -ιγγ(ο)- (Schwyzer 498, Chantraine Formation 398ff.), u. zw. entweder direkt von εἰλέω ‘drehen, winden’ oder durch Vermittlung eines unbekannten Nomens. Anlautendes εἰ- erklärt sich unschwer durch Anschluß an das Präsens (vgl. ähnliche Fälle s. 2. εἰλέω); die Annahme eines prothet. ἐ- (Solmsen Unt. 243f. als Alternative) erübrigt sich. Über ἰλ- für εἰλ- vgl. zu ἴλη. — Weiteres s. 2. εἰλέω; unsicher ist toch. B wai walau ‘Schwindel’ (zwei Wörter?), s. außer v. Windekens Lexique étymologique 150 Sieg OLZ 46, 137. I-459

εἰλικρινής (εἱ-) ‘rein, lauter, absolut, echt’ (Hp., att. Prosa, hell. u. spät). Davon εἰλικρίνεια ‘Reinheit usw.’, εἰλικρινέω ‘reinigen’ (hell. u. sp.), εἰλικρινότης (Gloss.). — Expressives Wort ohne überzeugende Etymologie. Gewöhnlich als Kompositum von κρίνω (mit σ-Stammflexion, Schwyzer 523) und εἴλη (mit kompositionellem -ι, Schwyzer 447f.) erklärt, somit eig. "von der Sonne unterschieden, in der Sonne beurteilt" o. ä.; man hat dabei εἴλη nicht wie sonst im Sinn von ‘Sonnenhitze’ aufzufassen sondern als ‘Sonne(nlicht)’, eine Bedeutung die nur für dor. ϝέλα belegt ist und in Anbetracht der Etymologie sekundär sein muß. Anknüpfung an 1. oder 2. εἰλέω gibt keinen Sinn; ein Versuch in dieser Richtung wird von Bq mit Recht abgelehnt. I-459

εἰλίονες s. ἀέλιοι. I-460

εἰλίπους (εἰλιπόδης Nonn.; zur Bildung Schwyzer 451) Adj. unsicherer Bedeutung, bei Hom. nur im Dat. und Akk. pl. -πόδεσσιν, -ποδας als Beiwort von βόες; später (Anakr., Eup., Nonn.) auch auf andere Nomina übertragen. — Wegen der unklaren Bedeutung haben alle Etymologien nur hypothetischen Wert. Da der Ausdruck ἀερσίποδες ἵπποι (Σ 532) ‘fußhebende Rosse’ auf eine damit kontrastierende Bedeutung ‘fußschleppend’ o. ä. schließen läßt, hat Osthoff BB 22, 255ff. im Vorderglied eine Entsprechung von lit. selù, selė́ti ‘schleichen, leise auftreten’, aind. tsárati ‘heranschleichen’ finden wollen; εἰλίπους wäre also eig. ‘schleichfüßig’. Diese mit Hilfe außergriechischer Wörter gewonnene Erklärung ist aber in Prägnanz und Anschaulichkeit den innergriechischen Anknüpfungsmöglichkeiten kaum überlegen, obgleich das Fehlen des Digamma (Chantraine Gramm. hom. 1, 132) Bedenken erregen kann; vgl. indessen Shipp Studies 60 (späte Bildung ohne alte Tradition?). Dabei kommen sowohl ‘fußdrängend, fußdrückend’ (zu εἰλέω ‘drängen’) als ‘fußdrehend’ (zu εἰλέω ‘drehen’; so auch H. : διὰ τὸ ἑλίσσειν τοὺς πόδας κατὰ τὴν πορείαν) in Betracht. Der Anlaut εἰ- kann dann nicht nur metrisch gedehnt sondern auch aus dem Präsens geholt sein. Über das -ι in der Kompositionsfuge Schwyzer 447f., Knecht Τερψίμβροτος 31, — Die unklare Hesychglosse ἀνελλίπους· ὁ τοῖς ποσὶ μὴ ἁλ<λ>όμενος, ἤτοι χωλός hilft nicht weiter. S. auch zu εἰλιτενής. I-460

εἰλιτενής Beiwort der ἄγρωστις (d. h. ‘Feldkraut, Quecke’) unklarer Bedeutung (Theok. 13, 42). — Dichterische Bildung, wahrscheinlich nach formalem Vorbild von εἰλι-κρινής, -πους; das Hinterglied zu τείνω mit σ-Stammflexion (vgl. zu ἀτενής), das Vorderglied am ehesten zu εἰλέω ‘drehen, winden’, somit eig. ‘die sich windend ausdehnende’? Anders Osthoff; s. zu εἰλίπους. — Nicht zu ἕλος ‘Niederung, Wiese’. I-460

εἱλόπεδον η 123 ἀλωή ... / τῆς ἕτερον μέν θεἱλόπεδον ... / τέρσεται ἠελίῳ nach Doederlein (s. Bechtel Lex., Leumann Hom. Wörter 44 mit weiteren Einzelheiten) für überlief. θειλόπεδον. Schon im Altertum als ‘Sonnenplatz’ erklärt, wodurch sich als Vorderglied εἵλη ‘Sonnenwärme’ von selbst ergibt. — Die falsche Lesung θειλόπεδον hat sich schon im Altertum durchgesetzt (AP, Dsk.); dazu θειλοπεδεύω ‘auf dem Sonnenplatz, in der Sonne dörren’ (Dsk.). S. auch UreClQuart. N. S. 5, 227. I-460

εἰλυσπάομαι (ἰλ-) ‘wie eine Schlange oder ein Wurm kriechen’ (Hp., Pl., Arist. usw.). Davon εἰλύσπασις und -σπαστικός (Arist.). — Expressives verbales Dvandva aus εἰλύομαι und σπάομαι. Schwyzer 645 m. Lit. I-460

εἰλῠφάω nur Ptz. -φόων, -φόωντες (Λ 156, Hes. Th. 692, trans.; Nonn. D. 30, 81 intr.), -ῡφάζω nur Präsensstamm (Υ 492 tr.; Hes. Sc. 275 intr.) ‘wirbeln, aufwirbeln’. — Iterativ-intensive Bildung auf -άω mit Erweiterung zu -άζω (Schwyzer 734, Chantraine Gramm. hom. 1, 337), letzten Endes von εἰλύω aber mit im Einzelnen unklarer Bildungsweise, was bei einem expressiven Wort nicht Wunder nehmen kann (εἰλύω : *εἰλύπτω : εἰλυφάω wie ἅπτω : ἁφάω?). Jedenfalls nicht mit Schwyzer Mélanges Pedersen 66 A. 2 aus εἰλύω und ὑφάω (Bedeutung.); auch die Annahme eines vermittelnden Nomen auf -φος, -φη (Solmsen Unt. 235, Bechtel Lex.) erregt Bedenken. — Die schwankende Quantität des -υ- ist metrisch bedingt (Chantraine 1, 360). I-461

εἰλύω ‘umwinden, umhüllen, bedecken’; (Arat. 432; καταείλυον v. l. Ψ 135 für -νυον, -νυσαν), Perf. Med. εἴλῡμαι (ep. seit Il.), Fut. κὰδ δέ ... / εἰλύσω Φ 319, Aor. κατ-ειλύσαντε (A. R. 3, 206); εἰλύομαι ‘sich winden und krümmen, sich fortschleppen, vorwärtskriechen’ (S. Ph. 291 und 702, von den mühsamen Bewegungen des verwundeten Philoktetes), ‘kribbeln’ (Kom., von einem Fischschwarm), Aor. Pass. ἐλύσθη ‘rollte’, ἐλυσθείς ‘sich krümmend, windend, duckend’ (ep. seit Il.; Theok. 25, 246 dafür εἰλυθείς; A. R. 3, 296 εἰλυμένος); ‘umhüllt, bedeckt’ (A. R., Opp.). Vereinzelte Präfixkomposita: κατ-ειλύω (s. oben, -υμένος Hdt.), δι-ειλυσθεῖσα ‘durchkriechend’ (A. R. 4, 35), ἐξ-ειλυσθέντες ‘hinauskriechend’ (Theok. 24, 17), συν-ειλύω ‘zusammenrollen’ (EM 333, 42). Ableitungen: 1. Aus ἐλῠ-: ἔλῠ-τρον ‘Hülle, Schale, Futteral, Behälter’ (ion. att.) mit ἐλυτρόομαι (Hp.); ἔλῡμα ‘Pflugbaum’ (Hes., Vokallänge sekundär, s. unten), nach H. auch = νύσσα (‘Wendepunkt der Laufbahn’) καὶ τὸ ἱμάτιον, vgl. εἴλυμα; ἔλῠμος Bez. einer phrygischen Pfeife (S., Kom.), nach H. auch ‘Futteral’; ἔλυστα· ἄμπελος μέλαινα H. (-σ- wie in ἐλύσθη, s. unten); Deverbativum ἐλύσσει· εἰλεῖται H. — 2. Aus εἰλῡ-: εἴλῡμα ‘Hülle’ (ζ 179 usw., vgl. ἔλυμα); εἰλυθμός ‘Schlupfwinkel, Höhle’ (Nik.), nach H. = ἕλκος, τρόμος (zu εἰλύομαι); εἰλυός = εἰλεός s. d.; εἴλυσις ‘das Vorwärtskriechen’ (Sch., zu εἰλύομαι); εἰλύτας, ἐλλύτας N. eines Kuchens, "Brezel" (Inschr., H., ἐλύτης Gramm.; s. Fraenkel Nom. ag. 1, 171f.); Deverbativum εἰλύσσεται· εἰλεῖται H. (vgl. ἐλύσσει) mit εἰλυστήριον (Gloss.). — 3. Aus ἀλῠ- (Schwachstufe): ἅλυσις, ἀλύτας, s. dd. — S. noch πέλλυτρον und γολύριον. — Die Hesychglosse γέλουτρον· ἔλυτρον, ἤγουν λέπυρον ergibt urgr. ϝέλυ-τρον, das mit aind. varu-tra- n. ‘Obergewand’ (Gramm.) formal identisch ist. Ebenso kann das Präsens εἰλύω für urgr. *ϝελ-ν-ύ-ω stehen und damit bis auf die sekundäre Hochstufe und die abweichende Flexionsweise zu aind. vr̥ṇóti ‘umhüllen, bedecken’ genau stimmen (idg. Grundform *u̯l̥-ne-u-(ti), vgl. (ϝ)άλυσις); das späte und sporadische Auftreten von εἰλύω, -ομαι ist indessen einer unmittelbaren Gleichsetzung nicht ganz günstig, vgl. unten. Das zweisilbige ϝελυ- in (ϝ)ελύ-σ-θη usw. (mit analogischem -σ-; Schwyzer 761) erscheint noch in arm. gelu-m ‘drehen’ (Bildung nicht eindeutig) und in dem thematischen Wurzelpräsens lat. volvō; eine Iterativbildung davon ist got. walwjan, ags. wealwian ‘(sich) wälzen’. Zu bemerken noch (ϝ)έλῡ-μα mit derselben sekundären Vokallänge und derselben Bildungsweise wie lat. volūmen; dazu noch arm. gelumn ‘Drehung’ (dessen u auch zum Suffix gehören kann; vgl. die kritischen Bemerkungen bei Bq 225 A. 1). — Bei der Gestaltung des griechischen Formensystems hat das reduplizierte Perfekt εἴλῡμαι aus *ϝέ-ϝλῡ-μαι (mit langvokalischer einsilbiger Schwundstufe und unklaren Spuren des ϝ-, s. Chantraine Gramm. hom. 1, 131 und Schwyzer 649e) eine entscheidende Rolle gespielt; sowohl für die späten εἰλῦσαι und εἰλυσθείς wie für die zahlreichen Nomina auf εἰλῡ- war es maßgebend; auch εἰλύσω und sogar εἰλύω, -ομαι lassen sich daraus erklären. — Ausführliche Behandlung (teilweise abweichend) bei Solmsen Unt. 232ff.; weiteres s. 2. εἰλέω. I-461-462

εἴλω, -ομαι s. 1. εἰλέω. I-462

Εἵλωτες - Fem. Εἱλωτίς (Plu., St. Byz.). m. pl. Sonstige Ableitungen: Εἱλωτικός ‘helotisch’ (Paus., Plu.), εἱλωτεύω ‘Helote sein’ (Isok.) mit εἱλωτεία ‘Helotenstand’ (Pl., Arist. u. a.). ‘Heloten’, Ben. der Staatssklaven der Spartaner (ion. att.). — Eigentliche Bedeutung unbekannt und somit ohne sichere Etymologie. Nach antiker Überlieferung eig. Bewohner der lakonischen Stadt Ἕλος; lautlich unhaltbar. Nach Solmsen Unt. 251 aus *ἐ-ϝέλω-τες, zu (ϝ)αλῶ-ναι usw., weil die Heloten ursprünglich Kriegsgefangene waren (ἁλῶναι πολέμῳ Ephor. ap. Str. 8, 365); über Spuren des Lenis in der Thuk.-Überlieferung Sommer Lautst. 101f. Man kann gegen die Erklärung einwenden, daß eine Hochstufe ϝελ(ω)-, vom prothetischen Vokal abgesehen, im Griechischen sonst nicht belegt ist. — Ausführliche Behandlung bei Fraenkel Nom. ag. 1, 99ff. I-462

εἷμα s. ἕννυμι. I-462

εἱμάδες · ποιμένων οἰκίαι H. — Bildung wie δειράς usw.; aus *ϝεῖμα = lat. vīmen ‘Rute, Flechtwerk’? Unsichere Hypothese von H. Petersson Fran Filol. fören. i Lund. Språkl. upps. IV (1915) 139. I-462

εἶμι, Inf. ἰέναι nur Präsensstamm im Aktivum ‘gehen’ (perfektiv-futurisch; vgl. Schwyzer-Debrunner 265). Sehr oft mit Präfix: ἄν-, ἄπ-, δί-, εἴσ-, ἔξ- usw. Ableitungen. Vom Simplex; ἴ-θματα pl. ‘Schritte, Tritte’ (Ε 778 = h. Ap. 114, von den Tauben), = ‘Füße’ (Kall. Cer. 58); zur Bildung Schwyzer 492 A. 12, 523); ἰσθμός (s. d.), wohl auch ἰταμός, ἴτης (s. d.); vgl. noch οἶτος, οἶμος. — Von den Komposita: εἰσ-ί-θμη ‘Eingang’ (ζ 264, Opp.; vgl. ἴθματα und Porzig Satzinhalte 283); ἐξ-ί-τηλος ‘vergänglich’ (ion. att.), wozu nach H. ἴτηλον· τὸ ἔμμονον, καὶ οὐκ ἐξίτηλον (A. Fr. 42; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 119 A. 2); εἰσ-ί-τημα ‘Einkommen’ (Delos, Delphi); εἰσ-, ἐξ-, κατ-ι-τήριος (D. usw.); δι-, συν-ι-τικός (Arist.). — Zusammenbildung ἁμαξ-ι-τός (s. ἅμαξα), danach ἀταρπιτός (s. ἀτραπός). — Iterativbildung ἰτάω in ἰτητέον ‘eundum est’ (att.) und ἐπανιτακώρ = ἐπανεληλυθώς (Elis); davon εἰσ-ιτητήρια n. pl. ‘Opfer beim Antritt eines Amtes’ (att.; auch εἰσ-ιτήρια, s. oben), εἰσ-ιτητός ‘zugänglich’ (Alkiphr.) und ἰτητικός = ἰταμός (Arist. u. a.). — Als Verbalnomen zu εἶμι, namentlich zu den Komposita, fungiert ὁδός (ἄν-οδος usw.), Schwyzer-Debrunner 75, Porzig Satzinhalte 201. S. auch φοιτάω. — Altes athematisches Wurzelpräsens mit genau entsprechenden Formen in mehreren Sprachen: εἶ-μι, εἶ (aus *εἶ-hi), εἶ-σι = aind. -mi, -ṣi, -ti, lit. ei-mì, ei-sì, eĩ-ti, heth. pāi-mi, pāi-ši, pāi-zi (Präverb pe-, pa-), lat. -s, i-t (1. Pers. eō < *ei-), idg. *ei-mi, -si, -ti; 1. Plur. ἴ-μεν : aind. i-más; Ipv. ἴ-θι = aind. i-hí : heth. i-t; Impf. hom. ἤϊα = aind. ā́yam (mit analogischem -m), idg. *ēi-. Iterativ ἰτάω = lat. itāre, mir. ethaim. Weitere Einzelheiten aus der vergleichenden Flexion bei Schwyzer 674, WP. 1, 102ff., Pok. 293 ebenso wie in den einschlägigen Spezialwörterbüchern und Grammatiken. Glottogonische Vermutung über den Ursprung bei Kretschmer Glotta 13, 137f. (aus Interj. ei?). — Zum Verhältnis zwischen εἶμιἔρχομαιἦλθον und anderen Verba des Gehens Bloch Suppl. Verba 22ff. I-462-463

εἰμί, Inf. εἶναι (ion. att.), dor. ἠμί, Inf. ἤμεν, äol. ἔμμι, Inf. ἔμμεν, -αι nur Präsensstamm (mit Futurum) ‘sein’. Oft mit Präfix: ἄπ-, ἔν-, ἔξ- (ἔξεστι), ἔπ-, πάρ-, σύν- usw. Ableitung ἐστ-ώ f. (zu ἐστί) = οὐσία (zu ὤν) ‘Substanz’ (Archyt. Philos.), ἀπ-εστώ ‘Abwesenheit’ (Hdt. 9, 85; συν-εστώ 6, 128 v. l. zu συνεστίη), s. Schwyzer 478 m. Lit., Chantraine Formation 117; vgl. auch zu εὐεστώ; ἀπεστύς· ἀποχώρησις H. (Chantraine 291). — Vom Part. ὤν, ὄντ-ος : οὐσία (s. oben) mit ἀπ-, ἐξ-, παρ-, συν-ουσία usw. von ἀπ-ών usw.; davon z. B. συνουσιάζω mit συνουσιαστής, -αστικός u. a. m. — Altes athematisches Wurzelpräsens mit genau entsprechenden Formen in mehreren Sprachen: εἰμί, εἶ (ep. dor. ἐσσί), ἐστί = aind. ásmi, ási, ásti, alit. esmì, esì, ẽsti, heth. ešmi, ešši (eši), ešzi, got. im, is, ist, lat. es(s), est (sum ist Neubildung) usw., idg. *es-mi, *esi (aus *es-si, das sich durch die Analogie daneben erhalten hat), *es-ti; 3. Plur. mit Schwundstufe εἰσί, dor. ἐντί aus *hεντι (Psilose nach εἰμί usw.) = aind. sánti, umbr. sent, got. usw. sind, idg. *s-enti. Ipf. 1. Sg. hom. ἦα = aind. ā́sam (mit anal. -m), idg. *ēs-, 3. Sg. dor. äol. ark. kypr. ἦς = aind. (ved.) ā́s, idg. *ēs-t; weitere Flexionsformen mit vergleichendem Material bei Schwyzer 676ff.,WP. 1, 160f., Pok. 1, 340ff. ebenso wie in zahlreichen historisch-grammatischen Darstellungen und etymologischen Wörterbüchern. I-463-464

εἰνατέρες, -έρων (Il.), Sing. ἐνατηρ, -τρι, -τερα (sp. kleinasiat. Inschr.; Akzent wie θυγάτηρ, μήτηρ?), Vok. εἴνατερ, Gen. -τερος (Hdn.) f. (pl.) ‘Ehefrau des Mannesbruders’. — Alte aussterbende Verwandtschaftsbezeichnung aus der Zeit der Großfamilie (s. zuletzt Risch Mus. Helv. 1, 117). Die gleichbedeutenden phryg. Akk. ιανατερα, lat. ianitrīcēs (nach genetrīcēs u. a.) erweisen für das griech. Wort eine Grundform mit zweisilbigem kurzvokalischem Stamm vor dem suffixalen -τερ- (ep. εἰν- somit metrische Dehnung für psilotisches ἐν-); daneben mit anderem Ablaut aind. yā-tar-, alit. jen-tė, russ. ksl. ja-try (nach svekry ‘Schwiegermutter’); unklar arm. ner (nēr), Gen. nir-i. — Lit. bei Bq s. ἐνάτηρ, Schwyzer 568, WP. 1, 207f., Pok. 505f., W.-Hofmann s. ianitrīcēs, Wackernagel-Debrunner Aind. Gramm. II : 2, 692, Fraenkel Lit. et. Wb. s. jentė (mit weiteren balt. Formen). I-464

εἰνοσίφυλλος s. ἔνοσις. I-464

εἶπον, ep. ἔειπον, ion. usw. auch εἶπα, Inf. εἰπεῖν, εἶπαι, kret. ϝεῖπαι ‘sagen, sprechen’ (Präs. λέγειν, ἀγορεύειν ‘reden’; vgl. Schwyzer-Debrunner 258). Oft mit Präfix, z. B. ἀπ(ο)-, ἐξ-, μετ(α)-, παρ-, προ-(ϝ)ειπεῖν, -(ϝ)εῖπαι (seit Il.). — Der synonyme reduplizierte aind. Aorist -vocam ‘ich sprach’, der auf idg. *e-u̯e-uq-om zurückgeht, läßt auf eine griech. Grundform *ἔ-ϝε-υπ-ον schließen, woraus durch Dissimilation ἔ(ϝ)ειπον; über eine unsichere Spur des Digamma in einem antiken Homertext s. Kretschmer ’Αντίδωρον 190ff. Weiteres s. ἔπος. — Einzelheiten bei Schwyzer 745. Über Bedeutung, Gebrauch und Flexion noch Fournier Les verbes "dire" 3ff., 99f., 227ff. I-464

Εἰραφιώτης, -ουΕρραφεώτης (Alk. 90) m. , Beiname des Dionysos (h. Hom. 1, 2; 17; 20, Kall. Fr. anon. 89 u. a.). Daneben der Monatsname Εἰραφιών (Amorgos IIIa). — Bildung auf -ιώτης (Chantraine Formation 311) von *εἴραφος, *εἰράφιον; vgl. ἔλαφος, -ιον und andere Tiernamen; somit wahrscheinlich auf die Tiergestalt des Gottes bezüglich. Da Dionysos am liebsten als Stier auftritt, denkt man in erster Linie an aind. r̥ṣabhá- ‘Stier’, eine Erweiterung auf -bha- des in ἄρσην ‘von männlichem Geschlecht’ vorliegenden alten n- Stamms (vgl. noch aw. ap. aršan- ‘ds.’). Auszugehen wäre von einer hochstufigen Form wie ἔρσην aber mit Schwund des σ und Ersatzdehnung wie in lak. εἰρήν ‘Jüngling’ (s. d.; Erklärung unsicher), κεῖραι usw. (zum Lautlichen Schwyzer 285f., Lejeune Traité de phonetique 107f.). Anknüpfung an ἔριφος ‘junger Bock’ (s. v. Wilamowitz Glaube 2, 67 A. 1), obwohl sachlich ebenfalls möglich, ist lautlich schwieriger zu begründen. — Anders Bechtel Dial. 1, 128f. (mit Fick): zu εἶρος, *εἰράφιον ‘Flöckchen’; dagegen Solmsen IF 7, 47 A. 1. — Näheres über Bildung usw. bei Fraenkel Nom. ag. 2, 208 A. 2 mit Lit., außerdem Redard Les noms grecs en -της 9 und 13. I-464-465

εἴργω (εἵργω), εἴργνυμι, ep. ἐέργω, ἐέργνυμι, ep. ion. poet. usw. ἔργω, ἔργνυμι, Aor. 1. εἶρξαι (εἷρ-, ἔρ-, ἕρ-), Aor. 2. κατ-Έϝοργον (kypr.), Pass. εἰρχθῆναι (εἱρ- usw.), Fut. εἴρξω (εἵρξω, herakl. ἀφ-, ἐφ-έρξοντι, συν-hέρξοντι), Perf. Med. εἶργμαι, ἔεργμαι (ἔργμαι), ep. 3. Plur. ἔρχαται, -ατο mit der künstlichen Erweiterung ἐρχατόωντο ξ 15 (s. Leumann Hom. Wörter 179ff. mit kühnem Erklärungsversuch und weiterer Lit.), erweitertes Prät. εἰργαθεῖν (-άθειν?; Schwyzer 703 m. A. 6 m. Lit.) ‘einschließen, ausschließen, abhalten’ (zur Bed. Brunel Aspect verbal 27f., 122). Oft mit Präfix: ἀπ(ο)-, ἀφ-, δι-, εἰσ-, ἐφ-, ἐξ-, κατ- (καθ-), συν- u. a. Wenige Ableitungen: εἱρκτή (ἐρ-), oft im Plur. ‘Verschluß, Gefängnis, Frauengemach’ (ion. att.); εἱργμός ‘Einsperrung, Gefängnis’ (Pl. usw.); (σύν-, κάθ-, ἔξ-)εἷρξις ‘das Einschließen usw.’ (Pl., Plu., Ael. u. a.) mit -ειρκτικός; ἄφ-ερκτος ‘ausgeschlossen’ (A. Ch. 446 [lyr.]). — Bis auf den schwundstufigen thematischen Aorist kypr. κατ-Éϝοργον (-έ- oder -ή-, Schwyzer 653 β) gehen alle Formen, einschließlich der Nomina, auf das hochstufige (ϝ)έργω, mit Vokalprothese ἐ-(ϝ)έργω, εἴργω, zurück; die Aspiration in εἷρξαι, ἕρξω, εἵργω usw. entstand nach Sommer Lautstud. 127f. vor stimmlosem ρ in ἑρκτ-, ἑρξ-. Einzelheiten bei Solmsen Unt. 221ff. — Die übrigen Sprachen bieten nichts, was mit den griechischen Formen direkt vergleichbar wäre. Wahrscheinliche Verwandte liegen indessen vor in dem schwundstufigen athematischen Opt. aw. vərəz-yąn ‘sie sollen absperren’ ebenso wie in lit. veržiù, ver̃žti ‘einengen, schnüren, pressen’ (Fraenkel KZ 72, 193ff.). Semantisch mehrdeutig sind in etymologischer Hinsicht einige indoiranische Nomina: aind. vr̥jána- n. ‘Umhegung, Einfriedigung’ = aw. vərəzə̄na-, varəzāna- ‘Gemeinschaft’, ap. vardana- ‘Stadt’ (woraus durch Entlehnung aind. vardhana- ‘ds.’, Wackernagel-Debrunner KZ 67, 168; abzulehnen Hall Lang. 12, 297ff.), aind. vrajá- m. ‘Hürde, Umhegung’; unsicher ebenfalls ein irisches Wort für ‘Wand usw.’, air. fraig, nir. fraigh ‘Wand aus Flechtwerk, Dach, Hürde’; vgl. die Diskussion bei WP. 1, 290, wo auch weitere Lit. I-465-466

εἴρερον Akk. ‘Gefangenschaft, Knechtschaft’ (θ 529). — Nicht sicher erklärt. Gegen Anknüpfung an lat. servus Frisk Eranos 50, 6ff., wo eine Grundform *ϝερϝερον erwogen wird mit Anschluß an arm. gerem ‘gefangennehmen’; dazu noch εὑρίσκω ‘finden’ und ἀρύω ‘schöpfen’ (s. dd.); zur Bedeutung vgl. aind. gráha-, gráhaṇa- ‘das Greifen, Gefangenschaft, das Schöpfen’. — Andere Vorschläge bei Bechtel Lex. und Brugmann IF 19, 382ff. (s. Bq). I-466

εἰρεσία s. ἐρέτης. I-466

εἰρεσιώνη ‘ein mit roten und weißen Binden geschmückter und mit Früchten behangener Öl- oder Lorbeerzweig’ als Fruchtbarkeitssymbol (Ar.), ‘ein beim Herumtragen desselben gesungenes Lied’ (Hom. Epigr., Plu.), ‘Ehrenkranz, Kranz’ (hell. u. sp.); auch εἰρυσιώνη (Delos Ia), volksetymologische Umbildung, wohl nach εἰρύομαι ‘schützen’. f. — Zur Bildung vgl. besonders die Pflanzennamen auf -ώνη bei Chantraine Formation 207f.; Strömberg Pflanzennamen 81 erinnert an ἰασιώνη; sonst dunkel. Gewöhnlich, aber ohne eigentlichen Grund, auf εἶρος bezogen; Chantraine denkt dafür an ’Ερέσιος Bein. des Apollon (H.). Wieder anders Schönberger Glotta 29, 85ff. (etwa zu 1. εἴρω ‘reihen’?) und Grošelj Živa Ant. 1, 122f.; s. noch WP. 1, 70 und, zur Bildung, Meid IF 62, 277 A. 22. I-466

*εἴρη nur εἰράων Σ 531 (am Versanfang), außerdem (ebenso) εἰρέας H. Th. 804 (Konj. εἴραις, εἴρας) als ‘Sprech-, Versammlungsplatz’ erklärt, nach H. = ἐρώτησις, φήμη, κληδών, nach EM 483, 3 = ἐκκλησία und μαντεία. — Seit alters zu ἐρῶ, εἴρηκα (εἴρω) ‘sagen’ gezogen, aber Grundform unklar; Nom. *εἶρα aus *ϝέρ-ι̯α? — S. auch εἰρήνη. I-466

εἰρήν, -ένος (εἴρην, ἴρην, -ήν) m. Ben. des erwachsenen Jünglings in Sparta, ‘κόρος τέλειος’ H. (IG 5 (1), 279, Plu. Lyk. 17 u. a.; Näheres über Bedeutung, Akzent und Belegstellen bei Solmsen IF 7, 37ff.). Als Hinterglied in μελλ-είρην ‘Knabe im Begriff εἰρήν zu werden’ (Plu. Lyk. 17) mit μελλειρενεια (Sparta), τριτιρενες pl. ‘im dritten Jahre des Eirenenalters stehend’ (Messen.). — Nicht sicher erklärt. Nach Solmsen a. a. O. mit Legerlotz und Brugmann aus *ἐρσήν und somit nur im Akzent von ion. ἔρσην unterschieden; die Ersatzdehnung wäre von der Oxytonierung verursacht (Wackernagel KZ 29, 127ff. = Kl. Schr. 1, 630ff.). Echtlakonisch hätte man allerdings, wie Bechtel Dial. 2, 370f. mit Recht bemerkt, *ἠρήν erwartet. — Nicht mit Ehrlich KZ 39, 570 zu ἦρι ‘früh’, auch nicht mit Brugmann zu εἰρήνη (s. d.) und ἀραρίσκω. I-466

εἰρήνη (ion. att., seit Il.), ἰράνα (dor., böot., ark. usw.), außerdem ἰρήνα (gort. IIa: χ[ἱ]ρήνας Gen.; Hauch sekundär), ἰρείνα thess.), εἰρήνα (delph. IVa, Pi., B.), εἰράνα (nwgr. usw.), εἴρηνᾰ (äol., Gramm.), Εἰρήνα, -άνη (EN, Lykien) f. ‘Friedenszustand, Friedenszeit’ (vgl. Trümpy Fachausdrücke 183ff.), später ‘Friedensvertrag’, in d. LXX auch ‘Heil(wunsch)’ als Hebraismus (Wackernagel IF 31, 263f. = Kl. Schr. 2, 1240f.); als Göttinnenname Tocher d. Zeus u. d. Themis (Hes. usw.). Als Vorderglied in εἰρηνο-ποιός (X.) u. a. Ableitungen: εἰρηναῖος ‘friedlich’ (Hdt., Th. u. a.), εἰρηνικός ‘zum Frieden gehörig, friedlich’ (att. hell. usw.; nach πολεμικός; Chantraine Études sur le vocab. grec 151); denominatives Verb εἰρηνεύω ‘Frieden halten, im Frieden leben’ (Pl., Arist. usw.) mit εἰρήνευσις (Iamb.), εἰρηνέω ‘ds.’ (Arist. u. a., nach πολεμέω). — Über den lakon. EN ϝειράνα s. Kretschmer Glotta 7, 332, Bechtel ’Αντίδωρον 155. — Die bunten Dialektformen lassen sich nicht rein lautlich unter einer Grundform vereinigen sondern müssen als Entlehnungen mit unvollkommener Anpassung an den betreffenden Heimatdialekt erklärt werden (Leumann Hom. Wörter 277 m. A. 27 und Lit.). Als ursprünglicher Anlaut ist vielleicht nach einer zögernden Vermutung von Wackernagel IF 25, 327 A. 1 (Kl. Schr. 1023 A. 1) ein im Ionischen und anderswo offen ausgesprochenes ἰ̄ρ- anzusetzen, das im Attischen zuerst durch ἐ-, dann durch εἰρ- wiedergegeben wurde; die attische Orthographie wurde in der Literatur und auch in gewissen anderen Dialekten maßgebend. Die Beurteilung von -ρήνη, -ρά̄νᾱ usw. ist strittig; vgl. Schwyzer 189 m. Lit. — Ohne Etymologie (abzulehnen Brugmann [s. unten]: mit εἴρη und εἰρήν zu ἀραρίσκω); vorgriechische Herkunft ist schon wegen der Endung (’Αθήνη, Μυκήνη usw.) sehr wahrscheinlich (so z. B. Chantraine Formation 206). — Näheres zur Wortgeschichte Brugmann und Keil Sächs. Ber. 68 : 3, 4 (1916); Kretschmer Glotta 10, 238f.; weitere Lit. bei Trümpy a. a. O. I-467

εἴρομαι (ep. ion.), auch ἐρέομαι, ἐρέω (ep.), Aor. ἐρέσθαι (seit Od.), Fut. εἰρήσομαι (Od., ion.), ἐρήσομαι (att.) ‘fragen’. Mit Präfix: ἀν-, δι-, ἐξ-, ἐπ-. Ableitungen. Nomen agentis ἐρευταίζητηταί’, Ben. der Eintreiber von Staatswegen auf Kreta (Inschr., vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 181); sekundäre Präsentia ἐρεείνω, ἐρευνάω, ἐρωτάω, s. dd. — Das Verbalnomen ἐρευ-ταί im Verein mit ἔρευε· ἐρεύνα H. (äol.) und der Konjunktiv ἐρείομεν (Α 62), der für *ἐρέϝ-ο-μεν stehen kann, führen auf ein hochstufiges zweisilbiges Präsens ἐρέ(ϝ)-ω, athematisch *ἔρευ-μι. In Übereinstimmung damit wird für εἴρομαι als Grundform ein schwachstufiges einsilbiges *ἔρϝ-ομαι, für den Aorist ἐρέσθαι ebenfalls (mit attischer Lautentwicklung, Wackernagel Unt. 121f.) *ἐρϝ-έσθαι mit Recht vermutet. Die schwankende Akzentuation (ἔρεσθαι neben ἐρέσθαι, anderseits auch ἐπ-ειρέσθαι) zeugt von der Unsicherheit des Sprachgefühls hinsichtlich der Funktion der schwachstufigen Formen. Einzelheiten bei Schwyzer 680 und 746, Chantraine Gramm. hom. 1, 31; 162; 297; 394, wo auch weitere Lit. — Ohne direkte außergriechische Entsprechung. Ein entfernter Verwandter liegt wahrscheinlich vor in awno. raun f. ‘Versuch, Probe, Untersuchung’, idg. *rou-nā; Näheres s. ἐρευνάω und ἐρεείνω. I-467-468

εἶρος n. ‘Wollvlies’ (Od.), auch Pflanzenname = γναφάλλιον (Ps.-Dsk.; zum Benennungsmotiv Strömberg Pflanzennamen 105) und Ben. eines Fiebers (Hp. ap. Erot.; wegen des Wärmesymptoms, vgl. die Fiebernamen bei Strömberg Wortstudien 74ff.). Als Vorderglied z. B. in εἰρο-πόκος ‘mit wollenem Vlies’, -κόμος ‘Wolle bearbeitend’ (beide Il.). Als Hinterglied in εὔ-ειρος (Hp., AP), att. εὔ-ερος (mit εὐερ-ία [Pl. Kom.]) ‘schönwollig’, ἔπ-ερος ‘Widder’ (Schwyzer Ex. 644, 15, etwa 300a, kleinasiat. Äolis); zur Erklärung und Lautentwicklung Schulze Kl. Schr. 367f., Forster ’Επίχρυσος 41; zum Hinterglied (für *εὐ- bzw. *ἐπ-ειρής) s. Sommer Nominalkomp. 112; über das unsichere εὔειρας Akk. pk. f. (S. Fr. 751, v. k.) Fraenkel Nom. ag. 1, 130. Ableitungen: εἴριον (ep. ion. seit Il.), att. kret. ἔριον ‘Wolle’, durch künstliche Abkürzung (Schwyzer 584 A. 6) ἔρι (hell. Dichter); davon εἰρίνεος ‘von Wolle’, att. usw. ἐρεοῦς, ἐρειοῦς (für -ιοῦς) ‘ds.’, durch Kreuzung ἐρεινοῦς (Pap. V-VIp); — ἐρέα ‘Wolle’ (hell. u. sp.; nach αἰγέα u. a.; Chantraine Formation 91); zu den Ableitungen im allg. Schwyzer 468. — Von den zum Vergleich herangezogenen Wörtern interessiert in erster Linie (nach Schulze Q. 119f.) lat. vervēx, -ēcis ‘Hammel’ als k-Ableitung eines hypothetischen Stammes u̯eru̯-, der auch in εἶρος, falls, wie wahrscheinlich, aus *ἔρϝος und letzten Endes (durch Dissimilation?, Solmsen Unt. 188f.) aus *ϝέρϝ-ος, vorliegen kann; die Funktion dieses Stammes bleibt allerdings unbekannt. Entferntere Beziehung zum Wort für ‘Lamm’, gr. (ϝ)ἀρήν (s. d.) usw. ist gewiß möglich. Dagegen bleibt air. ferb ‘Kuh’ schon wegen der Bedeutung (außerdem wohl b aus idg. bh; Pokorny bei WP. 1, 270) besser weg. Andere Hypothesen, die für εἶρος ohne Belang sind, bei WP. a. a. O., W.-Hofmann s. vervēx (m. Lit.). — Die Zusammenstellung mit heth. ešri- ‘Wollvlies’ (Benveniste BSL 50, 42f.), an sich sehr verlockend, ist möglich nur unter der ganz unwahrscheinlichen Annahme, daß die att. Formen εὔ- ερος, ἔριον usw. nicht lautgerecht wären, sondern ihren ion. Entsprechungen nach Fällen wie δειρή : δέρη analogisch an die Seite getreten sind. I-468-469

εἴρω 1. (seit Pi.) vorw. Präsensstamm, Aor. εἶραι, ἔρσαι (ion. att.; vgl. Schwyzer 753 m. Lit.), Perf. Med. Ptz. ἐερμένος, εἰρμένος (ion. usw.), Plusquamperf. ἔερτο (Hom.), Perf. Akt. δι-εῖρκα (X.) ‘reihen, anfügen, zusammenfügen’, meistens mit Präfix, insbes. συν-είρω ‘zusammenknüpfen’, auch ἐν-, ἀν-, δι-, ἐξ- u. a. (ion. att.). Ableitungen: ἕρματα pl. ‘Ohrgehänge’ (Od.), ‘Schlinge’ (Ael.), auch καθέρματα (Anakr.); ἔνερσις (ἐνείρω) ‘das Einfügen, Hineinstecken’ (Th. 1, 6), δίερσις ‘das Hindurchstecken’ (hell. u. sp.); vom Präsensstamm εἱρμός ‘Anreihung, Verbindung, Verknüpfung’ (Arist.; zum Spir. asper s. unten), συνειρμός (Demetr. Eloc. 180); — mit ο-Ablaut ὅρμος ‘Kette, Halsband’ (s. d.), wovon ὁρμιά, ὁρμαθός. — Dem Jotpräsens εἴρω (als Simplex nur Pi. und seit Arist.), das wie alle übrigen Verbalformen Hochstufe zeigt, steht im Latein ein gleichbedeutendes hochstufiges Wurzelpräsens serō gegenüber; diese Etymologie setzt voraus, daß εἴρω den Spir. asper verloren hat, was in Anbetracht der Seltenheit des Simplex im Vergleich zu συν-είρω usw. leicht verständlich ist; ein aspiriertes εἵρω wird übrigens von EM 304, 30 (s. Solmsen Unt. 292 A. 2) gelehrt. Auch die Verbalnomina können den alten Hauch bewahrt haben, sofern er nicht vor ρμ sekundär entstanden ist (vgl. Schwyzer 306). — Spuren von diesem Verb einschließlich davon abgeleiteter Nomina sind auch sonst vorhanden: im Italischen noch osk. aserum ‘asserere’, im Keltischen air. sern(a)id ‘serit’, Nasalpräsens, mit sern(a)id ‘sternit’ zusammengefallen (Thurneysen Grammar 133); dazu die Nomina aind. sarat f. ‘Faden’ (Lex.), alit. sėris ‘Faden, Pechdraht’; in Betracht kommt noch awno. sørvi n. ‘Halsband’ (urg. *saru̯ii̯a-), von dem das altgerm. Wort für ‘Waffen, Rüstung’, z. B. got. sarwa n. pl. (urg. *saru̯a-, idg. *sor-u̯o-; mit *sor-mo- in ὅρμος parallel) nicht zu trennen ist (eig. "geknüpfter Harnisch" wie lat. serta lorīca o. ä.?); außerdem toch. A sark, B serke m. ‘Geschlecht, Kranz’ (Schneider KZ 66, 259, Duchesne-Guillemin BSL 41, 161; idg. *sor-ko-, *sor-g(h)o-). — Die Gleichung ἔνερσις = inserti- beruht auf paralleler Neubildung. — Anders über εἴρω Sommer Lautstud. 134. — WP. 2, 499f., W.-Hofmann s. serō mit weiterer Lit. I-469

εἴρω 2. ‘sagen’. nur 1. Sg. Präs. (Od.) und 3. Sg. εἶρεν in aoristischer Funktion (B. 16, 20; 74), aber εἴρετο (Α 513), -οντο (λ 342) vielmehr ‘fragte(n)’ (vgl. Chantraine Gramn. hom. 1, 341 A. 3), εἴρεται (Arat.) für εἴρηται wie vereinzelt hell. εἴρεκα für εἴρηκα (zu ἐρρέθην), Fut. ep. ion. ἐρέω, att. ἐρῶ, Perf. Med. εἴρηται (seit Il.; arg. ϝεϝρημένος, kret. ϝερημένος), dazu Fut. Pass. εἰρήσομαι (ep. ion. poet. seit Il.), Perf. Akt. εἴρηκα (A., Ar. usw.), Aor. Pass. Ptz. ῥηθείς (seit Od.), εἰρέθην (Hdt.; eher mit Lejeune Traité de phon. 136 nach εἴρηται als mit Schwyzer 654 aus *ἐϝρέθην), att. ἐρρήθην, hell. Neubildung ἐρρέθην, Fut. ῥηθήσομαι (att.) — Als Aorist fungiert εἶπον, als Präsens φημί, λέγω, hell. auch ἐρῶ (Schwyzer 784 A. 4 m. Lit.) mit dem Ipf. ἤρεον (εἴ-) ‘sagte’ (Hp.). Oft mit Präfix: προ-, προσ-, κατ-, auch ἀν-, ἀπ-, δι-, ἐπ-, συν-, ὑπ-ερῶ usw. Ableitungen. Nomina actionis: 1. ῥῆσις (ion. att. seit φ 291), ark. ϝρῆσις ‘Aussprache, Rede’ (zur Bed. Chantraine Formation 283, außerdem Holt Les noms d’action en -σις 87f. m. A. 1), oft zu den präfigierten Verba: ἀνά-, ἀπό-, διά-, ἐπί-, κατά-, παρά-, πρό-, πρόσ-ρησις (vgl. Holt, s. Index); 2. ῥῆμα ‘Ausspruch, Wort, Erzählung’, als Grammatikerterminus ‘Verbum’ (ion. poet. seit Archil., att.), auch ἀπό-, ἐπί-, πρό-, πρόσ-ρημα; 3. ῥήτρα, -η (ξ 393, X. usw., dor.), el. ϝράτρα, kypr. mit Dissim. ϝρήτα (wovon εὐϝρητάσατυ) ‘Verabredung, Vertrag, Gesetz, Ausspruch’ (Chantraine Formation 333), mit ῥητρεύω ‘aussprechen’ (Lyk.); zum τρᾱ-Suffix vgl. ῥητήρ, ῥήτωρ. — Nom. agentis: ῥητήρ ‘Sprecher’ (vereinzelt seit Ι 443), ῥήτωρ ‘Sprecher’, bes. ‘Redner’ im staatsrechtlichen Sinn (Trag., att.) ‘Redemeister’ (sp.); Näheres s. v. — Verbaladj. ῥητός ‘verabredet, bestimmt’ (seit Φ 445; vgl. Ammann Μνήμης χάριν 1, 20), ‘sagbar, was gesagt werden kann (darf), rational’ (A., S., Pl. u. a.), oft im Gegensatz zu ἄρρητος (z. B. Hes. Op. 4), ἀπό-, ἐπί-, πρό-ρρητος; παρα-ρρητός ‘überredend, möglich zu überreden’ (Il.; zu παρά-φημι, -ειπεῖν). — Adv. δια-ρρήδην ‘ausdrücklich’ (h. Merc. usw.; Schwyzer-Debrunner 450), ἐπι-ρρήδην ‘offen’ (hell.), ῥήδην nur A. D., EM (aus δια-ρρ. herausgelöst). — Zu beachten die rechtliche und feierliche Bedeutung die seit jeher (vgl. die außergriech. Verwandten unten) der Mehrzahl der Nomina eignet; darüber Porzig Satzinhalte 265f., Fournier Les verbes "dire" 5ff., 94ff., 224ff. — Mit Ausnahme des vereinzelten (ϝ)είρω (über das Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 136), das als Neubildung zu (ϝ)ερέ-[σ]ω nach Muster vom Typus κτεν-έ[σ]ω : κτείνω erklärt werden kann (vgl. indessen heth. u̯erii̯a- unten; das jedenfalls aoristisch gebrauchte εἶρεν [B.] nach κτεῖνεν?), verteilen sich sämtliche Formen auf ein zweisilbiges kurzvokalisches (ϝ)ερε- und ein einsilbiges langvokalisches (ϝ)ρη-; ersteres liegt dem Futurum, letzteres dem Perfekt (ϝέ-ϝρη-μαι usw.; zum Lautlichen Schwyzer 649 m. Lit.), dem Passivaorist und sämtlichen Verbalnomina zugrunde. — Eine primäre Verbalform findet sich noch in dem heth. Jotpräsens u̯erii̯a- ‘rufen, nennen, beauftragen’ (= (ϝ)είρω, s. oben), wozu noch das als Partikel der zitierten Rede gebrauchte -wa(r)- eig. ‘sagte (er)’; auch das russ. Deverbativum vrú, vrátь ‘lügen, faseln’ (aus *vьrǫ, *vьrati) wird damit verbunden. Von den Nomina interessiert in erster Linie aw. urvāta- n. ‘Bestimmung, Gebot’, das zu ῥητός genau stimmt (idg. *u̯rē-to-). Daneben mit kurzem Vokal aw. urvata- n. = aind. vratá- n. ‘Bestimmung, Gebot, Gesetz’, idg. *u̯re/o-to-, russ. usw. rotá ‘Eid’, idg. *u̯ro-tā; die entsprechende einsilbige Wurzelform erscheint in der alten dh-Erweiterung lat. verbum, lit. var̃das ‘Name’, got. waúrd ‘Wort’. Sehr zweifelhaft ist das an falscher Stelle (nach ἔραχος) überlieferte ἔρθει· φθέγγεται H., das von Specht KZ 59, 65 m. A. 3 und Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 374 zu verbum usw. gezogen wird. — S. auch εἴρων. I-470-471

εἴρων m. f. ‘der sich unwissend stellt, sich verstellt’ (Ar., Arist. usw.; vgl. die Beschreibung bei Thphr. Char. 1, 1). Davon εἰρωνικός ‘nach Art und Weise des εἴρων’ (Pl., Ar. u. a.; vgl. Fournier Les verbes "dire" 88); denominatives Verb εἰρωνεύομαι ‘sich unwissend stellen, sich verstellen, ironisieren’ (att., Arist. u. a.) mit εἰρωνεία ‘erheuchelte Unwissenheit, Verstellung, Ironie’ (att., hell.; vgl. Büchner Hermes 76, 339ff.), εἰρωνεύματα pl. ‘ds.’ (Max. Tyr.), εἰρωνευτής = εἴρων (Timo) und εἰρωνευτικός (Sch.); auch εἰρωνίζω ‘ds.’ (Philostr. VS 7, 1; v. h). — Substantivierend-individualisierende Bildung auf -ων (Chantraine Formation 161, s. auch Hoffmann Münch. Stud. z. Sprachwiss. 6, 35ff.) von einem unbekannten Grundwort. Von Solmsen Unt. 263 zu εἴρω ‘sagen’ gezogen als "einer der etw. (nur) sagt (ohne es zu meinen)"; man geht dann mit Schwyzer 487 A. 9 am einfachsten vom Präsens aus. Von Prellwitz EtWb. als "Frager" aus εἴρομαι ‘fragen’ abgeleitet. I-471

εἰς (ep. ion., att., lesb.), ep. ion. auch ἐς, aus ἐνς (kret., arg.; Einzelheiten bei Schwyzer-Debrunner 455f. m. Lit.); — neben ἐν wie ἐξ neben ἐκ und vielleicht nach diesem Oppositum gebildet (Lit. bei Schwyzer-Debrunner a. a. O.). — Davon εἴσ-ω, ἔσ-ω Adv. ‘hinein’ (seit Il.) mit Hinzufügung von -ω (vgl. ἄνω s. ἀνά) und analogischer Erhaltung des -σ- (zuletzt Lasso de la Vega Emerita 22, 93; ältere Lit. bei Schwyzer 550 A. 7). I-471

εἷς, dor. ἧς f. μία, n. ἕν, Gen. ἑνός, μιᾶς usw. ‘einer’, — Urgr. *ἕνς (gort. εν[δ] δ- aus ἕνς δ-) aus *ἕμ-ς, idg. *sem-s mit dem schwundstufigen Fem. μίᾰ aus *sm-ii̯ə, ἑν-ός für *ἑμ-ός nach *ἕνς, ἕν. — Altes Zahlwort, u. a. in lat. sem-per ‘in einem fort, immer’, toch. B ṣe(me), A sas m. usw. (Einzelheiten bei Pedersen Tocharisch 129f., v. Windekens Lex. étym. s. v.), germ. wahrscheinlich in got. sin-teins ‘täglich’ usw., arm. mi ‘unus, -a, -um’ (aus dem Fem. verallgemeinert). — Damit ablautend ὁμός, ἁ-, ἅμα (s. dd.) mit weiteren Ableitungen; zu bemerken noch ἴγγια· εἷς. Πάφιοι H. mit Gutturalsuffix wie in lat. singulī. — Weiteres mit Lit. bei Schwyzer 588, W.- Hofmann s. semel und similis (auch singulus), Pok. 902ff.; außerdem noch Hahn Lang. 18, 83ff. — Idg. *sem-s nicht mit Specht Ursprung 330 aus *se-mn-s. I-471-472

ἐίσκω s. ἔοικα. I-472

εἴσομαι 1. Fut., Aor. (ἐ)είσατο ‘sich in Bewegung setzen, sich beeilen’, auch mit Präfix: ἐπι- ‘auf etw. losfahren’, κατα- ‘hinab-’, μετ- ‘dazwischen fahren’ (Hom.). — Ursprünglich zu (ϝ)ί̄εμαι (Lit. bei Bechtel Lex. s. v.) und somit vielleicht als (ϝ)ί̄σομαι, ἐ(ϝ)ί̄σατο, (ϝ)ί̄σατο zu verstehen; der allmähliche Verlust des Digamma hat Anschluß an εἶμι ‘gehen’ begünstigt (Chantraine Gramm. hom. 1, 293 und 412). — Weiteres s. ἵ̄εμαι. I-472

εἴσομαι 2. Fut. ‘ich werde wissen’ s. οἶδα. I-472

εἴσομαι 3. in δια-είσεται (Θ 535) s. εἴδομαι ‘scheinen’. I-472

εἴσω, ἔσω s. εἰς. I-472

εἶτα, ion. mess. böot. εἶτεν; auch ἔπ-ειτα, ion. dor. ἔπ-ειτε(ν) ‘dann, darauf’. — Aus εἰ (s. d.) und einem adverbialen Element -τα, -τε(ν); ohne sichere außergriech. Anknüpfung; vgl. Schwyzer 629. I-472

εἴτε, dor. αἴτε, gew. verdoppelt εἴτεεἴτε ‘sive — sive, sei es daß — oder daß, ob — oder ob’ (seit Il.). — Aus εἰ und dem enklitischen τε, s. d. I-472

εἴωθα, ἔωθα (zum Lautlichen Wissmann Münch. Stud. z. Sprachwiss. 6, 124ff.), lesb. εὔωθα, Plusquamperf. εἰώθειν, ion. ἐώθεα ‘bin gewohnt, pfiege’ (seit Il.), — altes intransitives Perfekt des Zustands. Als transitives Präsens mit durchgeführter Flexion (Aor. ἐθίσαι usw.) fungiert das denominative ἐθίζω (von ἔθος); über angebl. intrans. *ἔθω s. ἔθων. Unklar εὐέθωκεν· εἴωθεν (von *ἐθόω?, Bechtel Dial. 1, 88; 369), ἐθώκατι· εἰώθασιν H.; vgl. Schwyzer 775. Die Dehnstufe in urgr. *σέ-σϝωθ-α, woraus mit Hauchdissimilation εἴωθα usw., kehrt auch in dem ebenfalls alten γέ-γων-α ‘ich bin vernehmlich’ wieder. Primäre damit verwandte Verbformen sind weder im Griechischen noch in anderen Sprachen belegt. Die Dehnstufe (mit -Qualität) erscheint noch in ἦθος, die Hochstufe in ἔθος, s. dd. I-472

ἐκ s. ἐξ. I-472

Εκάβη korinth. ϝεκαβα f., Gemahlin des Priamos (seit Il.); metonymisch = χοῖρος (Orph. Fr. 46; wegen der zahlreichen Abkommenschaft; vgl. Χσιρίλη s. χοῖρος). — Kurzform für *‘Εκαβόλος, s. ἑκηβόλος und Kretschmer Glotta 12, 104, Sohnsen Unt. 25f. I-472-473

ἑκάεργος Beiname des Apollon (Il. usw.), auch auf Artemis übertragen (Ar. Th. 972 [lyr.]). — Von den Alten als ‘fernschirmend’ oder ‘fernwirkend’ erklärt (ἑκάς und εἴργω bzw. ἔργον), aber vielmehr als ‘freiwirkend, freiwaltend’ zu verstehen, somit ein Bahuvrihi von *ἕκα aus *ϝέκᾰ, Adverb auf -ᾰ (σάφα usw.) zu ἑκών (s. d.), und ἔργον. — Ausführlich Bechtel Lex. s. v. m. Lit.; s. auch Schwyzer 439 A. 8. Vgl. ἑκηβόλος. — Außerdem erscheint ἑκα- in einigen EN, ‘Εκα-μήδη (Hom.), ‘Εκά-διος (Teos), ϝhεκά-δᾱμος (böot.), woraus durch Assimilation einerseits ϝεκέ-δᾱμος (thess.), anderseits ’Ακά-δημος att. (Schwyzer 226 u. 256, Lejeune Traité de phon. 208). I-473

ἑκάς, Adv. ‘fern, entfernt, entlegen’, lokal, auch temporal (vorw. poet. seit Il.); βεκάς (= ϝεκ.)· μακράν H. Komp. ἑκαστέρω, Superl. ἑκαστάτω Davon ἕκᾰ-θεν ‘von fern, aus der Ferne’ (poet. seit Il., späte Prosa; vgl. ἑκά-τερος), ἀφ-εκάς ‘entfernt’ (Nik.). — Bildung wie ἀνδρα-κάς ‘Mann für Mann’ (ν 14 u. a.) aus dem reflexiv-anaphorischen ἕ, ἑ (s. d.), also eig. ‘für sich’. Dasselbe Distributivsuffix liegt auch im Altind., z. B. śata-śáḥ ‘hundert für hundert, zu Hunderten’, vor; vgl. Schwyzer 630 m. A. 4, wo weitere Lit. — Unklar εκαδι (Dat., Dura, hell.) Ben. eines Grundstücks, s. Cumont Rev. de phil. 48, 104. I-473

ἕκαστος, ϝέκαστος (gort., el., nwgr., ark.) ‘ein jeder, jeder einzelne’ (seit Il.). Zahlreiche adverbiale Ableitungen: ἑκάστοτε ‘jedesmal’ (ion. att.), ἑκάστοθι ‘an jeder Stelle’ (γ 8), ἑκασταχοῦ ‘überall’ und mehrere andere Bildungen mit χ-Suffix, außerdem ἑκαστάκις ‘bei jeder Gelegenheit’ (kerk.) u. a. — Wahrscheinlich mit Wackernagel KZ 29, 144ff. (= Kl. Schr. 1, 647ff.; weitere Lit. bei Schwyzer 630 A. 4) aus *ἑκάς τις ‘jeder für sich’ (vgl. εἶς τις ‘unusquisque’); aus *ἑκάς τεο > ἑκάστου, *ἑκάς τῳ > ἑκάστῳ erwuchs im Anschluß an die Superlativa auf -ιστος ἕκαστος usw. — Zu ἕκαστος, das als ἕκα-στος zerlegt wurde, entstand ἑκάτερος (ion. att.), ϝεκάτερος (gort., delph.) ‘jeder von beiden’ (nach ἅτερος, πότερος u. a.) mit mehreren adverbialen Ableitungen, z. B. ἑκατέρωθεν, -ωθι, -ωσε (ion. att. usw.); besonders zu bemerken ἑκάτερθε(ν) ‘auf beiden Seiten’ (ep. seit Il.), nach ὕπερθεν, ἔνερθεν u. a. für das metrisch unbequeme ἑκατέρωθεν. Lit. bei Schwyzer 627f., Lejeune Les adv. grecs en -θεν 223f., Mastrelli Stud. itfilclass. 27, 8. [Zu ἕκαστος jetzt Lazzeroni Ann. di Pisa 2 : 25, 136ff.] I-473

Εκάτη f. volkstümliche Göttin kleinasiatischen (karischen) Ursprungs (Hes. Th. 411ff.; interpoliert; h. Cer. usw.), auch mit Artemis identifiziert (E. Supp. 676 [lyr.]); ausführliche Behandlung bei Nilsson Gr. Rel. 1, 722ff. Ableitungen: ’Εκαταῖος ‘zu H. gehörig’ (S., D. u. a.), auch ‘Εκατήσιος und ‘Εκατικός ‘ds.’ (spät); ‘Εκάταιον n. Bild der H., das vor den Häusern oder an den Dreiwegen aufgestellt wurde (Ar.), ‘Εκατήσιον ‘ds.’ (Plu.), ‘Εκατήσια n. pl. Hekate-Feier (Kos). Zahlreiche kleinasiat. EN: ‘Εκαταῖος, ‘Εκατήνωρ, ‘Εκατᾶς usw. (Bechtel Hist. Personennamen 150f.). — Eig. Beiname, durch Kürzung aus ἑκατηβόλος oder ἑκηβόλος (s. dd.) entstanden. I-473-474

ἑκατηβελέτης danach ἑκατηβελέτις (Theol. Ar.). Beiname des Apollon (Α 75, Hes. Sc. 100, h. Ap. 157; überall im Gen. -έτᾱο); — Entweder Zusammenbildung mit dem alten hochstufigen Aorist von βάλλω (so s. v.) oder (besser) für *ἑκατη-βελής mit erweiterndem -της wie in αἰει-γενέτης für *αἰει-γενής usw. nach Muster von den Zusammenbildungen ἀκαλα-ρρεϝέ-της (> ἀκαλαρρείτης), νεφελ-ηγερέ-τα usw., vgl. Schwyzer 451f. Eine Zusammenbildung mit βάλλω ist jedenfalls das synonyme ἑκατη-βόλος, dor. -ᾱ- (ep. lyr. seit Il.). Schon von den alten mit ἑκη-βόλος verglichen und entweder wie dies als ‘ferntreffend’ oder als ‘mit hundert Geschossen’ erklärt. Gegen die letztgenannte Erklärung, die von Wackernagel IF 45, 314ff. (= Kl. Schr. 2, 1254ff.) empfohlen wird (er übersetzt etwas abweichend: ‘hunderte treffend’), ist u. a. einzuwenden, daß man als Vorderglied unbedingt ἑκατομ- erwartet hätte, vgl. besonders das alte ἑκατόμ-βη. Die begrifflich sehr naheliegende und kaum abzuweisende Gleichsetzung mit ἑκη-βόλος nötigt allerdings zu der Annahme, ἑκατη-βελέτης, -βόλος seien aus metrischen Rücksichten künstlich erweiterte "Streckformen", evtl. unter Anlehnung an ἑκατόν. Eine dritte Möglichkeit wäre vielleicht, in ἑκατη-βόλος eine Kreuzung von ἑκη-βόλος und dem Apollonepithet Ἕκατος (Il.) zu sehen, das dann als Kürzung nicht von ἑκατη-βόλος sondern von ἑκη-βόλος zu gelten hätte (vgl. z. B. Ἴφι-τος für ’Ιφι-κράτης, -κλῆς u. a.). Abzulehnen Bechtel Lex. s. v.: ἑκατη- ein altes Abstraktum auf -τᾱ. — Nach v. Wilamowitz Glaube 1, 325 sind Ἕκατος, ‘Εκάτη aus einer kleinasiatischen Sprache geholt und von den Griechen zu ἑκατηβόλος, ἑκηβόλος volksetymologisch erweitert; gegen diese an sich überflüssige Annahme spricht u. a. das sicher griechische ἑκά-εργος. — Weitere Lit. bei Schwyzer 439 A. 8, außerdem Kretschmer Glotta 18, 235f. I-474

ἑκατόμβη f. Bez. eines großen, öffentlich dargebrachten Festopfers (ep. poet. seit Il.). Davon der Festname ‘Εκατόμβαια n. pl. (delph., arg.) mit dem Monatsnamen ‘Εκατομβαιών, -ῶνος (att. u. a.), auch ‘Εκατομβεύς (lak.); ‘Εκατόμβαιος Beiname des Zeus und des Apollon (H., EM). — Kollektives Bahuvrihi mittels eines -Suffixes (Schwyzer 450, Sommer Nominalkomp. 76) von ἑκατόν und der Schwundstufe von βοῦς, βο(ϝ)ός : *ἑκατόμ-βϝ-ᾱ. Ein Gegenstück dieser Bildungsweise bietet das Indoiranische, z. B. aind. śata-gu- ‘hundert Rinder besitzend’, wozu, evtl. durch *śata-gv-a- vermittelt, śata-gv-ín- ‘ds.’; mit thematischem Vokal im den als Nom. pr. gebrauchten Dáśa-gv-a-, Náva-gv-a- eig. ‘zehn bzw. neun Rinder besitzend’. — Seit alters u. zw. mit Recht wird ἑκατόμβη als ‘Opfer von hundert Rindern’ erklärt. Anders Thieme Studien 62ff.: ‘hundert Rinder gewinnend’ (scil. δαίς). Zum Lautlichen s. auch Wackernagel IF 45, 319 (= Kl. Schr. 2, 1259) m. Lit. — Nach ἑκατόμβη bildete man in der Spätzeit (Jul.) χιλιόμβη. I-474-475

ἑκατόν, ark. ἑκοτόν ‘hundert’. Als Vorderglied in zahlreichen Komp., z. B. ἑκατόμ-πεδος ‘hundert Fuß messend’ (seit Ψ 164; ausführlich darüber Sommer Nominalkomp. 28ff.); auch ἑκατοντα- (nach -κοντα-), z. B. ἑκατοντα-έτης ‘hundertjährig’ (Pi.). Abl. ἑκατοστός ‘der hundertste’ (ion. att.) mit ἑκατοστύς ‘die Hundert’ (X. u. a.); ἑκατοστή f. ‘Abgabe von 1 Prozent’ mit ἑκατοστ-ήριος, -ηρία, -ιαῖος, -εύω (att. usw.). — Aus aind. śatám, aw. satəm, toch. B känte, lat. centum, air. cēt, got. hund, lit. šim̃tas, aksl. sъto ergibt sich ein idg. *ḱm̥tóm, von dem sich ἑκατόν, ark. ἑκοτόν (darüber Schwyzer 88, 344) durch das anlautende ἑ- unterscheidet; es muß irgendwie mit ἕν ‘eins’ oder idg. *sm̥- (gr. ἁ-) zusammenhängen. Die ursprüngliche Form ist indessen in τετρακάτιοι usw. erhalten. — Das idg. Wort für ‘hundert’ ist wahrscheinlich aus einer Kollektivbildung von ‘zehn’, *dḱm̥-tóm, entstanden. — Weitere Einzelheiten mit Lit. bei Schwyzer 592ff., W.-Hofmann s. centum, WP. 1, 786, Pok. 192. I-475

ἐκεῖ (att., Hdt.), κεῖ (Archil., Herod.), κῆ (Sapph.) ‘dort’. Davon (ἐ)κεῖθι, κῆθι ‘ds.’, (ἐ)κεῖθεν ‘von dort’, (ἐ)κεῖσε ‘dorthin’. — Ausgang wie in πεῖ, πῆ ‘wo?’, τεῖ-δε, τῆ-δε ‘hier’ usw. (Schwyzer 549f.) und wie diese somit am ehesten als erstarrter Lokativ bzw. Instrumental aufzufassen. Zugrunde liegt eine deiktische Partikel, idg. *ḱe, *ḱi, die u. a. in lat. cĕ-do, hi-c, ci-s und mit pronominaler Funktion bzw. Flexion in heth. ki ‘dies’, lit. šì-s ‘dieser’ usw. vorliegt (ausführlich WP. 1, 452ff., W.-Hofmann s. -ce, Pok. 609f.; s. auch τήμερον); die jener-Deixis muß dann eine griechische Neuerung sein, vgl. zu ἐκεῖνος. Auch das anlautende ἐ- (vgl. ἐ-κεῖνος, ἐ-χθές) ist eine altererbte Demonstrativpartikel: osk. e-tanto ‘tanta’, russ. -tot ‘dieser’, aind. a-sáu ‘jener’ (s. οὗτος; WP. 1, 98f., Pok. 283f.). — Brugmann Grundr.2 2 : 2, 323f., dem sich Schwyzer 613 anschließt, erwägt als Alternative, ἐκεῖ als Rückbildung aus ἐκεῖνος nach dem Vorbild *τε-ενος (dor. τῆνος) : τεῖ-δε zu erklären. I-475-476

ἐκεῖνος (att., ep., Hdt. usw.), κεῖνος (ep. ion. poet.), κῆνος (äol., dor.; dor. auch τῆνος) ‘jener, der dort’ (zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 208f.); mit deiktischer Endpartikel ἐκεινοσ-ί (att.). Adv. ἐκείνως, -νῃ; κήνο-θεν (Alk.), τηνῶθε(ν) (dor.) ‘ἐκεῖθεν’, Stoffadjektiv ἐκείν-ινος ‘aus jenem Material’ (Arist.). — Expressive Bildung, wahrscheinlich durch Zusammenrückung aus mehreren demonstrativen Elementen entstanden: *ἐ-κε-ενος (ἐ-κεῖ-ενος?); das Hinterglied auch in dem erstarrten ἔνη ‘der dritte Tag’ (s. d.), in aksl. usw. onъ ‘jener’, heth. eni-, anni- ‘jener’ usw. (Schwyzer 613, W.-Hofmann s. enim, WP. 2, 336f., Pok. 319f. mit weiteren reichhaltigen Literaturangaben); zu ἐ-κε- s. ἐκεῖ, das seine jener Deixis von ἐκεῖνος bezogen hätte. I-476

ἐκεχειρία, dor. ἐκεχηρία ‘Waffenstillstand, Ferienzeit’ (Th., Ar., att. Inschr. usw.). — Zusammenbildung aus ἔχειν χεῖρας mittels des abstraktbildenden Suffixes -ία (vgl. Schwyzer 441; zur Dissimilation ebd. 261). Davon, mit Ersatz von -ία durch -ο- in der Kompositionsfuge, ἐκεχειρο-φόρος ‘Überbringer einer ἐκεχειρία, Vermittler’ (Max. Tyr., Poll.). — Durch Rückbildung (vgl. s. βίβλος) entstand ἐκέχειρον, -χηρον n. ‘Reiseerstattung bei Überbringung eines Waffenstillstandes’ (hell.), auch ἐκεχείριον (hell.); in derselben Bedeutung noch die Hypostase ἐν-εκέχειρον, -χηρον (hell.); außerdem μετ-εκέχηρον ‘Zwischenraum zwischen zwei Ferienzeiten’ (Olympia 24a). — Zur Stammbildung vgl. Sommer Nominalkomp. 118f. I-476

ἑκηβόλος, böot. ϝεκαβόλος Beiname des Apollon, später auch der Artemis (S.), endlich auf verschiedene Gegenstände bezogen (poet. seit Il., sp. Prosa). Davon das Abstraktum ἑκηβολίη, -α (Ε 54 im Plur.; Kall., Str. u. a.) und das denominative ἑκηβολέω (Max. Tyr.). In derselben Funktion auch ἑκηβελέτης (Orph. Fr. 297, 11; vgl. ἑκατηβελέτης). — Durch metrische Dehnung in der Kompositionsfuge für *ἑκᾰ-βόλος, in der Antike zu ἑκάς gezogen und als ‘fernschießend, -treffend, Ferntreffer’ gedeutet (so noch Belardi Doxa 3, 203f.), aber wie ἑκά-εργος eher zu ἑκών als ‘nach Belieben treffend, treffsicher’; ἑκηβολίη somit eig. ‘Treffsicherheit’, pl. ‘zielsichere Geschosse’, aber wahrscheinlich schon vom Verfasser des Ε 54 als ‘Fernschüsse’ verstanden (Trümpy Fachausdrücke 114; s. auch Porzig Satzinhalte 204 und 210). Vgl. ἑκάεργος und Εκάβη. I-476

ἕκηλος, dor. ἕκᾱλος ‘sorglos, nach Herzenslust, unbehelligt, ruhig’, daneben in derselben Bedeutung εὔκηλος, εὔκᾱλος (beide ep. poet. seit Il.). Davon ἑκηλία· φιλοτησία, εὐκαλία· ἡσυχία, εὐκαλεῖ· ἀτρεμίζει H. — Nicht sicher erklärt. Am ehesten mit Buttmann Lexilogus 1, 141 als *ϝέκᾱλος (= γέκαλον· ἥσυχον H.; zum Digamma auch Chantraine Gramm. hom. 1, 129f.) zu *ϝέκᾰ in ἑκά-εργος (s. d.) u. a. mit suffixalem -ᾱλος, -ηλος (Chantraine Formation 241f., Schwyzer 484), somit eig. "nach Wunsch". In εὔκηλος steckt gewiß keine schwache Nebenform (für *ὑκ- wie εὐρύς neben aind. urú- u. a.), sondern einfach eine volksetymologische Umbildung nach den vielen Komposita mit εὐ-; danach δύσκηλος, s. d. — Die semantisch ansprechende Anknüpfung an aind. úc-yati ‘Gefallen finden, gewohnt sein’, ókas- n. ‘gewohnter Aufenthalt, Behausung’ usw. (Persson Studien 7) erklärt die Form ἕκηλος nicht; ein zweisilbiges eu̯eq- ist eine leere Konstruktion. — Unrichtige "Wurzel"-Analyse bei Bechtel Lex. s. v. — Nach Fraenkel Lexis 3, 64ff. (wo weitere Lit.) sind ἕκηλος und εὔκηλος zwei verschiedene Wörter. I-477

ἕκητι, ἕκᾱτι ‘nach dem Willen, um willen, wegen’ (poet. seit Od.), ἀέκητι ‘gegen den Willen’ (Hom., Hes. Th. 529, B. 18, 9 [-ᾱ-], A. R.). — Zu ἑκα-, ἑκών bzw. ἀέκων mit unklarer Bildungsweise. Nach Leumann Hom. Wörter 251ff. wurde (θεῶν) ἀέκητι zuerst von einem Rhapsoden für (θεῶν) ἀεκόντων nach dem Gegenstück (θεῶν) ἰότητι geschaffen; im Anschluß daran entstand ἕκητι, das von der Odyssee aus in der dorischen und dorisierenden Chorlyrik, endlich auch in der Tragödie einen erweiterten Gebrauch fand. — Referat älterer Erklärungsversuche bei Leumann a. a. O. und Schwyzer 550 A. 8; s. auch Björck Alpha impurum 122f. I-477

ἔκπαγλος, -ως, -α Adv. ‘erschrecklich, erstaunlich, gewaltig’ (seit Il., fast nur poet.). Davon ἐκπαγλέομαι ‘staunen, sich höchlich verwundern’ (Hdt., Trag., auch sp. Prosa). — Durch Metathese ἐκπλαγότητα· ἐξαισιότητα H. — Aus *ἔκπλαγ-λος von ἐκπλαγ-ῆναι ‘erschrecken’ mit dissimilatorischem Schwund des ersten λ. Buttmann Lexilogus 1, 76. I-477

ἐκποδών ‘aus dem Wege, fort, fern’ (ion. att.). — Zusammenrückung aus ἐκ ποδῶν mit Akzentverschiebung (Schwyzer 389δ und 625 : 12; ältere Lit. bei Bq). Vgl. ἐμποδών. I-477

ἑκτικός ‘die ἕξις, d. h. den Zustand, die Körperbeschaffenheit, die Fähigkeit betreffend, zuständlich, gewohnheitsmäßig, gewandt’ (hell. u. spät); auch Ben. eines anhaltenden ("hektischen") Fiebers (Mediz.; vgl. Strömberg Wortstudien 85f.); davon ἑκτικεύομαι ‘von einem ἑκτικός (πυρετός) leiden’ (Alex. Trall.). — Von ἕξις, aber auch auf ἔχω (s. d.) beziehbar. I-477

ἐκτός (seit Il.), ἐχθός (lokr., delph.), [ἐ]κθός (arg.) Adv. und Präp. ‘außen, draußen, außerhalb, fern von’. Davon ἔκτο-θι ‘ds.’ (ep. seit Il.; nach οἴκο-θι u. ä.), ἔκτο-θεν (ep. poet. seit Od.), ἔκτοσ-θε(ν) (ep. ion. seit Il., sp. Prosa) ‘von außen, draußen, außerhalb’, ἔκτο-σε ‘heraus’ (ξ 277); — ἐχθο-δαπός ‘ausländisch, feindlich’ (Pergam. IIp, nach ἀλλο-δαπός; auch mit ἔχθος, ἐχθρός assoziiert?), ἐχδόσ-δικος δίκα ‘Prozeß gegen einen Ausländer’ (ark. IIIa; vgl. Schwyzer-Debrunner 538); — ἔχθοι ‘außerhalb’ (epid.; nach οἴκοι u. ä.), ἔχθω = ἔξω (delph.). — Nominalbildung ἐκτό-της, -ητος f. ‘das Fern-sein, Abwesenheit’ (Gal.). — Zu ἐκ nach ἐν-τός; ἐχθός aus *ἐκο-τός. Schwyzer 326 und 630, Lejeune Les adv. grecs en -θεν (s. Index). Vgl. zu ἐξ und ἐχθρός. I-478

Ἕκτωρ, -ορος m. Sohn des Priamos und der Hekabe, der größte Held der Troer (Il. usw.). Davon ‘Εκτόρεος ‘den Ἕ. betreffend’ (Il. usw.; äolisch?, Wackernagel Unt. 68f., vgl. Schwyzer 106 und 275); Patron. ‘Εκτορίδης Astyanax (Il. usw.). — Zu ἔχω und mit dem Nom. ag. ἕκτωρ (s. zu ἔχω) formal identisch. Nach der "Bedeutung" eines Eigennamens zu fragen, ist eigentlich immer zwecklos; vgl. zu dem vorliegenden Fall Fraenkel Nom. ag. 1, 14 A. 1. Gegen die Auffassung von Ἕκτωρ als Kurzname (Macurdy Class. Quart. 23, 23ff.) wendet sich Kretschmer Glotta 20, 230. I-478

ἑκυρός m. ‘Vater des Ehemanns, Schwiegervater’, ἑκυρά, -ή ‘Mutter des Ehemanns, Schwiegermutter’ (Il. u. a.). Denominativum böot. ἑκουρεύω ‘Schwiegervater sein’ (Korinn.). — Zu ὑκερός, -ά mit Vokalmetathese (Lydien) s. Schulze KZ 52, 152 (= Kl. Schr. 58). Alte Verwandtschaftsbezeichnung, die in mehreren Sprachen bewahrt ist: aind. śváśura- (aus *svaś- assimiliert), aw. xvasura-, lat. socer, germ., z. B. ahd. swehur, lit. šẽšuras (aus *seš assimiliert), idg. *su̯éḱuro-s m.; der ursprüngliche Anlaut läßt sich noch in φίλε (ϝh)ἑκυρέ Γ 172 verspüren (vgl. Schwyzer 304, Chantraine Gramm. hom. 1, 146); die Oxytonierung muß griechische Neuerung sein (nach ἑκυρά oder dessen Vorgänger, s. unten; vgl. auch πενθερός). — Zu ἑκυρά stimmt arm. skesur (aus [idg.] *ḱu̯eḱurā mit Assimilation für *su̯eḱ-); der -Stamm hat einen älteren -Stamm abgelöst, vgl. aind. śvaśrū́-, npers. xusrū, lat. socrus, kelt., z. B. kymr. chwegr, germ., z. B. ahd. swigar, aksl. svekry, idg. *su̯eḱrū́-s f. Eine andere Neubildung ist got. swaihro = anord. svǣra (ōn-Stamm), das wahrscheinlich ein neues Maskulinum, got. swaihra, nach sich zog. Auch in anderen Sprachen haben die Namen der Schwiegermutter neue Bezeichnungen des Schwiegervaters herbeigeführt, so am klarsten in arm. skesr-ayr eig. ‘Mann der Schwiegermutter’, kymr. chwegr-wn, nhd. Schwiegervater zu Schwieger(mutter); wohl auch in aksl. svekrъ. Die Oxytonierung in ἑκυρός wird dadurch leicht begreiflich. Offenbar hat im Leben der alten Großfamilie, namentlich für die junge Frau (vgl. Risch Mus. Helv. 1, 117), die Schwiegermutter eine wichtigere Rolle gespielt als der Schwiegervater. Die Frage ist somit berechtigt, ob nicht auch idg. *su̯éḱuros gegenüber *su̯eḱrū́s sekundär ist; eine Vermutung darüber bei Specht KZ 65, 193. — Das Wort enthält wahrscheinlich das Reflexivum *su̯e (vgl. zu ἀέλιοι); der Ausgang ist indessen dunkel. — WP. 2, 521f., W.-Hofmann s. socer, Vasmer Russ. et. Wb. 2, 588. Ältere Lit. auch bei Bq. I-478-479

ἐκ-φλῆναι intr. Aor. ‘hervorsprudeln, -quellen’ (E. Fr. 470). — Bildung wie das Oppositum ἀπο-σκλῆναι ‘vertrocknen’ zu σκέλλω, aber sonstige Formen unbekannt. Zu φλέω, φλύω; s. auch φελλός, φληνύω, φλήναφος und ἐκ-φλυνδάνω. I-479

ἐκ-φλυνδάνω ‘hervorbrechen, sprießen’ (Hp. Int. 13, 46). — Expressives Nasalpräsens neben φλυδάω, φλύζω; s. φλύω. Vgl. Schwyzer 699. I-479

ἑκών (kret., lokr. ϝεκών), ἑκοῦσα (kyren. IVa ἑκασσα, kret. ϝεκαθ<θ>α in γεκαθά· ἑκοῦσα H.; ἀέκων, att. ἄ̄κων, ἀέκουσα, ἄ̄κουσα (dor. ἀέκασσα in <ἀέ>κασσα· ἄκουσα H.), ἀέκον, ἆκον ‘unfreiwillig, wider Willen, unabsichtlich’ (seit Il.).vgl. Leumann Hom. Wörter 252 m. Lit.), ἑκόν; ‘freiwillig, absichtlich’ Ableitungen: ἑκούσιος "zu einem Wollenden in Beziehung stehend", d. h. ‘aus freien Stücken, freiwillig’ (ion. att.) mit ἑκουσιότης ‘Freiwilligkeit’ (spät), ἑκουσιάζομαι ‘freiwillig opfern (geopfert werden)’ mit ἑκουσιασμός ‘freiwilliges Opfer’ (LXX); ἀεκούσιος, ἀκούσιος "zu einem Nichtwollenden in Beziehung stehend", d. h. ‘unfreiwillig, ungern, gezwungen’ (ion. att.; über den Unterschied zwischen den prädikativen ἑκών, ἄκων und den auch attributiven ἑκούσιος, ἀκούσιος Schwyzer-Debrunner 180 m. Lit.); — ἑκοντ-ί, -ήν, -ηδόν ‘freiwillig’ (nachklass.; Schwyzer 623), ἑκοντής m. ‘Freiwilliger’ (Epikt. u. a.), wie ἐθελοντής, vgl. Schwyzer-Debrunner 175 Zus. 1; — denominatives Ptz. ἀεκαζόμενος (Od., h. Cer.), nach ἀναγκαζόμενος (Wackernagel IF 45, 314 A. 2 = Kl. Schr. 2, 1254 A. 2). — Altes Partizipium (vgl. Wackernagel Syntax 1, 283 und 286), mit aind. uś-ánt-, f. uś-at-ī́ (: ἑκασσα aus *ϝεκ-ατ-ι̯ᾰ) bis auf den Stammvokal identisch (zum Spir. asper Schwyzer 227); die sekundäre griechische Hochstufe stammt aus einem im Griechischen verlorengegangenen Indikativ *ϝέκ-μι = heth. u̯ek-mi, aind. váś-mi ‘ich wünsche, verlange’ (griech. dafür βούλομαι, ἐθέλω u. a.). — Vgl. ἑκάεργος und ἕνεκα. I-479

>ἐλαίᾱ, att. auch ἐλά̄α, ion. ἐλαίη ‘der Ölbaum, die Olive’ (seit Od.), vereinzelt ἔλαιος (m.) ‘(wilder) Ölbaum’ (Pi. Fr. 46, S. Tr. 1197 u. a.); — ἔλαιον n. ‘Olivenöl, Öl im allg.’ (seit Il.); über das Wortpaar ἐλαία (-ος) : ἔλαιον, um den Baum bzw. das Produkt desselben zu bezeichnen, s. Wackernagel Syntax 2, 17, Schwyzer-Debrunner 30. — Die große wirtschaftliche Bedeutung des Öls und des Ölbaums hat zahlreiche Komposita, namentlich seit der hellen. Zeit, hervorgebracht. Als Vorderglied bezieht sich dabei ἐλαιο- nicht nur auf ἔλαιον, sondern auch auf ἐλαία, z. B. ἐλαιό-φυτος ‘mit Ölbäumen bepflanzt’ (A.). Als Hinterglied in Bahuvrihi, z. B. ἄν-ελαιος ‘ohne Öl, Oliven’ (Thphr., Str.); in Determinativa, z. B. ἀγρι-έλαιος = ἄγριος ἔλαιος (Thpr. usw.), χαμ-ελαία ‘Daphne oleoides’ (Nik. u. a.), vgl. Risch IF 59, 257, Strömberg Pflanzennamen 110; γλυκ-έλαιον ‘Süß-Öl’, ὑδρ-έλαιον "Wasseröl", d. h. ‘Öl mit Wasser gemischt’ (Kaiserzeit). — Ableitungen. Substantiva: 1. ἐλᾱΐς f., Akk. pl. ἐλᾷδας ‘Ölbaum’ (att.; vgl. Chantraine Formation 344), Deminutivum ἐλᾴδιον (-ίδιον) ‘kleiner Ölbaum’, auch (von ἔλαιον) ‘ein wenig Öl’ (Kom., Pap.); 2. ἐλαιών, -ῶνος m. ‘Olivenhain’ (LXX, Pap. usw.), ‘der Ölberg’ (NT, J.), Deminutivum ἐλαιωνίδιον (Pap.); 3. ἐλαιεύς ‘ds.’ (Chalkis; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 21f.). Adjektiva: 4. ἐλαίϊνος, ἐλά̄ϊνος ‘aus Olivenholz, zum Ölbaum, zur Olive gehörig’ (seit Il.), ‘aus Olivenöl’ (Orph. L. 717); 5. -ίνεος ‘aus Olivenholz’ (ι 320 und 394; metrisch bequeme Kontamination von -ινος und -εος, Risch Wortbildung 122, Schmid -εος und -ειος 38); 6. ἐλαϊκός ‘vom Ölbaum, Olivenöl betreffend’ (Aristeas, Pap. u. a.); 7. ἐλαιηρός ‘das Öl betreffend, ölig’ (Hp., Pl., Pap. u. a.; vgl. Chantraine 232); 8. ἐλαιώδης ‘ölig’ (Hp., Arist.); 9. ἐλαιήεις ‘zum Ölbaum gehörig, ölig’ (S., Nik. u. a.; zur Bildung Schwyzer 527). Denominative Verba: ἐλαΐζω ‘Oliven bauen’ mit ἐλαιστήρ, -τής ‘Olivensammler’ (Poll.) und ἐλαιστήριον ‘Olivenpresse’ (Mylasa); ἐλαιόομαι ‘geölt werden’ (Arist. u. a.) mit ἐλαίωσις (Zos. Alch.). Das aus dem Griech. entlehnte lat. olīva erweist eine Grundform *ἐλαίϝᾱ, woneben *ἔλαιϝον zu lat. oleum. Aus dem Latein stammen sämtliche europäische Formen (s. W.-Hofmann 2, 205f.). Für sich steht arm. ewɫ ‘Öl’, das zusammen mit ἐλαία, ἔλαιον aus einer unbekannten mediterranen Quelle (Kreta?, s. die Lit. bei W.-Hofmann s. v.) geholt ist. Ältere Lit. bei Bq. I-480

ἐλαίαγνος N. eines Strauches, Salix Capra (Thphr. HP 4, 10, 1; 2; böot.; ἐλέ- H.). — Determinativkompositum aus ἐλαία und ἄγνος (s. d.); vgl. Bechtel Dial. 1, 305 und Strömberg Theophrastea 72. I-480

ἑλάνη f. ‘Fackel aus Rohr, Rohrbündel’ (hell.); daneben ἑλένη· λαμπάς, δετή H., auch ‘geflochtener Korb, in dem die heiligen Geräte bei einem der Artemis Brauronia gewidmeten Feste, den sog. ‘Ελενηφόρια, getragen wurden’ (Poll.); dazu ἑλένιος· ἀγγεῖον χωροῦν τέταρτον H. — Unsicher der Pflanzenname ἑλένιον, s. ‘Ελένη. Zu ἑλάνη vgl. σκαπάνη, πλεκτάνη usw. (Chantraine Formation 199); zu ἑλένη höchstens ὠλένη, äol. φερενα; man hat deshalb progressive Assimilation aus ἑλάνη vermutet (Lit. bei Schwyzer 255f.). — In der Bedeutung ‘Rohrbündel, geflochtener Korb’ gehören ἑλάνη, -ένη offenbar zu εἰλέω ‘drehen, winden’ (s. d.); aber auch für die Bedeutung ‘Fackel’ ist diese Etymologie zutreffend, wie u. a. das synonyme δεταίλαμπάδες, δράγματα’ erweist. Die Heranziehung von εἵλη ‘Sonnenwärme, -hitze’ (s. Solmsen Unt. 196), die auch semantisch nicht ganz ohne Bedenken ist, scheidet somit aus. I-481

ἐλάργει · ἔλαβεν, ἐπόρ<θ>ησεν, καθεῖλεν H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 35 Denominativum von *λαργός = lat. largus (?). I-481

ἐλασᾶς, -ᾶ m. "Treiber", N. eines unbekannten Vogels (Ar. Av. 886). — Bildung auf -ᾶς zu ἐλάσαι wie τρεσᾶς, χεσᾶς (Petersen Class. Phil. 32, 129); kaum zu *ἔλα-σος (Solmsen Wortforsch. 245, Fraenkel Nom. ag. 2, 15f., Schwyzer 461 m. weiterer Lit.). Vgl. auch ἐλέα, ἐλεᾶς. I-481

Ελάστερος m. Beiname des Zeus (Paros Va, s. Nilsson Cults 163f.). — Vgl. ἐλατήρ als Zeusepithet (Pi. O. 4, 1, Kall. Jov. 3) und Formen mit anorganischem -σ- : ἐλασ-τής, ἐλάστωρ, ἐλαστός (s. ἐλαύνω). Dazu ’Ελάστερος wie ὀρέστερος neben ’Ορέστης, πενέστερος neben πενέστης? Dieselbe Bildung liegt offenbar auch in dem expressiven ἐλαστρέω ‘treiben’ (zu ἐλαύνω, ἐλάσαι, ep. ion. seit Σ 543; vgl. zu βωστρέω und Schwyzer 706) vor. Frisk bei Nilsson a. a. O. I-481

ἐλάτη f. ‘Fichte, Tanne’, meton. ‘Ruder, Kahn’ usw. (seit Il.). Davon ἐλάτινός (metr. gedehnt εἰλ-) ‘fichten-, tannen-, aus Fichten-, Tannenholz’ (seit Il.), ἐλατηΐς Adj. f. ‘fichtenähnlich’ (Nik.; zur Bildung Chantraine Formation 345f.). — Ohne überzeugende Etymologie. Semantisch am nächsten kommt das lautlich stark abweichende arm. eɫew-in ‘Zeder’, wozu russ. jálov-ec ‘Wacholder, Juniperus’; lautlich etwas besser stimmt dazu (wenn ἐλάτη aus idg. *e-ln̥-tā) russ. jelén-ec ‘Wacholder, Juniperus’, falls nicht aus jálovec durch Suffixübertragung entstanden. Lidén IF 18, 491ff., Vasmer Russ. et. Wb. 1, 395, Specht Ursprung 62. — Eine Grundform *e-ln̥-tā ließe sich auch mit ahd. linta ‘Linde’ usw. vereinigen (Bezzenberger BB 6, 240), das indessen auch ganz anders gedeutet werden kann (vgl. W.-Hofmann s. lentus). Noch anders >Mann Lang. 17, 20 (alb. lândë, lëndë ‘Holz, Material’), Machek Lingua Posnan. 2, 148; s. auch v. Windekens Le Pélasgique 63. Ältere Lit. bei Bq s. v., WP. 1, 152; 2, 437. I-481-482

ἐλαύνω, vereinzelt ἐλάω im Inf. ἐλάᾱν, Ptz. ἐλάων, Impf. ἔλων (Hom.), Ipv. ἔλα (Pi. u. a.), ἐλάτω, -άντω, -άσθω (dor. Inschr.) usw. (zur näheren Beurteilung Schwyzer 681f. m. Lit.), Aor. ἐλάσ(σ)αι, -ασθαι, Fut. ἐλάω, Perf. Med. ἐλήλαμαι (seit Il.), -ασμαι (Hp. usw.), Akt. ἐλήλακα (Hdt., att.), Aor. Pass. ἐλα(σ)θῆναι (Hdt., att., hell.) ‘treiben, stoßen, schmieden’, intr. ‘fahren, reiten, ziehen’ (zur Bedeutung im Epos vgl. Trümpy Fachausdrücke 95f., 115f.); oft mit Präfix: ἀπ-, δι-, εἰσ-, ἐξ-, ἐπ-, περι-, προσ- usw. Ableitungen. Nomina actionis: 1. ἔλασις ‘Zug, Heerzug, Ritt, Vertreibung usw.’ (ion. att.), oft zu den präfigierten Verba mit verschiedenen Sinnfärbungen: δι-, ἐξ-, ἐπ-, περι-έλασις usw. (Einzelheiten bei Holt Les noms d’action en -σις, s. Index); 2. vereinzelt ἐλασία ‘Ritt, Marsch’ (X. u. a.) mit ἀπ-, ἐξ-, ἐπ-ελασία (hell. u. spät), nach βο-ηλασία usw. (von βο-ηλατέω, -άτης), vgl. Schwyzer 468f., Chantraine Formation 83f.; 3. ἔλασμα ‘getriebenes Metall, Blech, Sonde’ (Ph. Bel., Gal. u. a.) mit ἐλασμάτιον (Delos IIa, Dsk. u. a.); 4. ἐλασμός = ἔλασμα, ἔλασις (Aristeas u. a.); 5. ἔλατρον ‘flacher Kuchen’ (Miletos Va u. a.), vgl. B. ἐλατήρ. Nom. agentis: 6. A. ἐλατήρ ‘Treiber, Wagenlenker’ (Il. usw.) mit ἐλατήριος ‘vertreibend’ (A. Ch. 968 [lyr.]), gewöhnlich ‘abführend, purgierend’, n. ‘Purgativ’ (Hp. usw.; vgl. Andre Les ét. class. 24, 41); B. ἐλατήρ ‘flacher Kuchen’ (Kom.); 7. ἐλάτης ‘Treiber’ (E. Fr. 773, 28 [lyr.] u. a.) aus βοηλάτης (mit βοηλατέω, -σία, vgl. oben), ἱππηλάτης u. a. Zusammenbildungen herausgelöst, Fraenkel Nom. ag. 2, 31f.; 8. ἐλάστωρ ‘ds.’ (App. Anth. 3, 175); 9. ἐλαστής ‘ds.’ (EM); 10. ἐλατρεύς· ὁ τρίτην πύρωσιν ἔχων τοῦ σιδήρου παρὰ τοῖς μεταλλεῦσιν H.; zur Erklärung Boßhardt Die Nomina auf -ευς 82f.; auch als EN (θ 111); vgl. Boßhardt 120. Verbaladj.: ἐλατός ‘geschmeidig, getrieben’ (Arist. usw.), ἐξ-ήλατος ‘getrieben’ (Μ 295; mehrere Zusammenbildungen wie ἱππ-ήλατος, θε-ήλατος (ep. ion., att.); ἐλαστός ‘ds.’ (Pap.). — Desiderativum ἐλασείω (Luk.), Iterativpräteritum ἐλάσασκεν (Β 199). — Zu ἐλασᾶς und ’Ελάστερος s. bes. — Sämtliche Formen gehen als primäre Bildungen auf ein zweisilbiges ἐλᾰ- zurück mit Ausnahme von ἐλαύνω, das als denominatives Jotpräsens ein Verbalnomen *ἐλα-ϝαρ, ἐλα-υν- voraussetzt (zu ἐλά-ω wie *ἀλε-ϝαρ, ἀλέ-(ϝ)ατα zu ἀλέω, s. d.), s. Benveniste Origines 112; ein Adjektiv *ἐλαΰς läßt sich schwerlich mit Schwyzer 521 A. 4 aus ἐλαύτατον· δεινότατον H. präsumieren. Eine andere Sekundärbildung ist ἐλαστρέω, das mit ’Ελάστερος zusammenhängt, s. d. — Eine sichere Entsprechung des zweisilbigen ἐλά-ω ist nirgends zu belegen. Arm. eɫanim ‘werden’ mit dem eigenartigen und offenbar alten Aorist eɫē (aus *eɫe-y) hat, von der abweichenden Bedeutung abgesehen, auch wegen des velaren ɫ, das eine Konsonantengruppe ln oder ls voraussetzt, auszuscheiden. Arm. elanem ‘ausgehen, hinaufsteigen’ mit dem Aorisz el-i gehört zu den Präsentia auf -anem (= gr. -άνω) und kann also schwerlich mit dem zweisilbigen ἐλά-ω direkt zusammenhängen. Für das keltische nā-Präsens air. ad-ellaim ‘hinzugehen, besuchen’, do-ellaim ‘devio, declino’ ist auch Anknüpfung an πίλναμαι stark zu erwägen. Die übrigen zahlreichen aus dem Keltischen herangezogenen Formen gehen alle von (p)el- aus. So muß man sich jedenfalls auf ein gemeinsames el- beschränken, das außer in den schon angeführten armenischen und keltischen Wörtern mit wechselndem Erfolg auch anderswo gesucht worden ist, s. ἰάλλω, ἐλεύσομαι und W.-Hofmann s. alacer, ambulō, exsul, proelium; außerdem WP. 1, 155f., Pok. 306f.; daselbst auch reichliche Literaturangaben. Vgl. auch zu ἄγω. — Kretschmer Glotta 12, 201; 13, 137 erwägt interjektivischen Ursprung. (lá, lá); vgl. dazu Fraenkel IF 59, 164f. I-482-483

ἔλαφος (vgl. Schwyzer-Debrunner 31) m. u. f. ‘der Hirsch, die Hirschkuh’ (seit Il.). Unter den Komposita ist zu bemerken ἐλαφη-βόλος (mit rhythmisch vorzuziehendem -η- für -ο-, Schwyzer 438f. m. Lit.) ‘Hirsche erlegend’ (Σ 319 u. a.) mit ἐλαφηβολία ‘Hirschjagd’ (S. u. a.), ἐλαφηβόλια (sc. ἱερά) n. pl. N. eines Artemisfestes (Phokis), wovon der Monatsname ‘Ελαφηβολιών (Vertrag bei Th. 4, 118 usw.). Als Hinterglied in Determinativkompp., τραγ-έλαφος ‘Bockshirsch’ (Ar., Pl. u. a.; vgl. Risch IF 59, 56), ἱππ-, ὀν-, ταυρ-έλαφος (Arist., hell. u. spät). Ableitungen: Hypokoristisches Deminutivum ἐλάφιον (Ar. Th. 1172 u. a.), ἐλαφίνης ‘junger Hirsch, Hirschkalb’ (Aq., H.; vgl. Chantraine Formation 203); ἐλαφῆ ‘Hirschfell’ (Poll.); ἐλαφίαι· οἱ τῶν ἐλάφων ἀστράγαλοι H.; ἐλαφίς N. eines Wasservogels (Dionys. Av. 2, 11); vgl. Thompson Birds s. v., der den Namen für eine volksetymologische Verdrehung des idg. Namens für ‘Schwan’ (s. ἀλφός) hält; ἐλάφειος ‘vom Hirsch, zum H. gehörig’ (X., Arist. usw.); ἐλάφειον und ἐλαφικόν als Pflanzennamen (Ps.-Dsk.), s. Strömberg Pflanzennamen 118, Wortstudien 50. — Zu Elaphe als N. einer Schlangenart und ngr. Dialektformen λαφιάτης usw. vgl. die Ausführungen von Georgakas Μνήμης χάριν 1, 119f., 124f. — Die Nebenform ἐλλός ‘Hirschkalb’ (τ 228, Ant. Lib. 28, 3), die (mit äolischer Lautentwicklung?) für *ἐλ-νος stehen kann (Lejeune Traité de phonétique 132, Schwyzer 284), läßt sich mit einer weitverbreiteten Benennung des Hirschs und der Hirschkuh direkt vereinigen: arm. eɫn, Gen. eɫin, lit. élnis, aksl. jelenь, kelt., z. B. kymr. elain, agall. Monatsname Elembiu (: ’Ελαφηβολιών?, s. Kořínek unten); zu bemerken auch ἔνελος· νεβρός H. (durch Umstellung aus *elen- ?); der daraus zu erschließende n-Stamm kann auch in ἔλαφος aus *eln̥-bho-s (vgl. aind. vŕ̥ṣan- : vr̥ṣa-bhá- und Schwyzer 495, Chantraine 263) vorliegen. Unklar toch. A yäl ‘Antilope, Gazelle’. Über die sehr fragliche Heranziehung von got. usw. lamb ‘Lamm’ s. zuletzt Kořínek Listy filol. 62, 280ff. — Weitere, ganz unsichere Anknüpfungen s. 2. ἄλκη ‘Elch’; s. noch Bechtel Lex. s. v., WP. 1, 154, Fraenkel Lit. et. Wb. s. élnis, Vasmer Russ. et. Wb. s. olénь m. älterer und neuerer Lit., Porzig Gliederung 210. I-483-484

ἐλαφρός ‘leicht, behend, schnell, gering’ (seit Il.). Als Vorderglied in ἐλαφρο-τοκία ‘niedriger Zinsfuß’ (Pergamon IIa) u. a. Ableitungen: ἐλαφρότης ‘Leichtigkeit, Schnelligkeit’ (Pl., Plu.); ἐλαφρία ‘Leichtigkeit, Leichtsinn’ (NT u. a.); ’Ελάφριος (μήν) Monatsname (Knidos); denominative Verba: 1. ἐλαφρίζω ‘erleichtern, verringern’, intr. ‘schnell sein’ (Archil., E., Kall. usw.); 2. ἐλαφρύνω ‘erleichtern’ (spät; nach βαρύνω; Debrunner IF 21, 84); 3. ἐλαφροῦται H. als Erklärung von ἀλεγύνεται. — Mit einem altgermanischen Wort, ahd. lungar, asächs. lungor ‘schnell’, ags. lungre Adv. ‘schnell, bald’ identisch (Fick 1, 537); idg. *ln̥guhros. Etwas abweichend Schwyzer 302 (aus lautlichen Gründen): ἐλαφρός aus *ἐλαχ-ρός = lungar und *ἐλαφός < *ἐλαχ-ϝός = lit. lẽngvas ‘leicht’ kontaminiert (?). Weiteres s. ἐλαχύς. Hierher auch nach Krahe Gymnasium 59, 79, Die Sprache der Illyrier 1, 94 der illyr. Flußname Lambros (Oberitalien) = ἐλαφρός. Haas Sprache 1, 54f. zieht noch heran den gallischen Göttinnennamen Alambrima und den franz. Bergnamen Alambre, Arambre (?). I-484

ἐλαχύς (Kall. Hek. 3 K.), ἐλάχεια (zum Akzent Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 115f. = Kl. Schr. 2, 1172f., Schwyzer 379; ι 116, κ 509 als v. l. zu λάχεια; vgl. Leumann Hom. Wörter 54; alexandr. u. sp. Epik), ἐλαχύ (AP); mask. auch ἔλαχος (Kall., vgl. Leumann a. a. O.); ‘’ Als Vorderglied in ἐλαχυ-πτέρυξ, [ἐλα]χύ-νωτος (Pi.). Komp. ἐλά̄σσων, -ττων (seit Il.), Sup. ἐλᾰ́χιστος (ion. att.). — Ableitungen. 1. Von ἐλάσσων, -ττων (mit Anschluß an die o-Stämme, Schwyzer 731f.): Denominativum ἐλασσόομαι, -ττόομαι ‘kleiner werden, den kürzeren ziehen, Schaden leiden’ (ion. att.), -όω ‘verringern, beeinträchtigen’ (Lys., Isok., hell.) mit ἐλάττωσις ‘Verringerung, Nachteil, Gebrechen, Verlust’ (Antipho Soph., Pl. Def., Arist. usw.) und ἐλαττωτικός ‘nicht auf seinen Rechten bestehend, verringernd’ (Arist. u. a.), ἐλάσσωμα, -ττωμα ‘ds.’ (D. usw.). 2. Von ἔλασσον-, -ττον- : ἐλαττον-άκις ‘wenigere Male, seltener’ (Pl., Arist., nach πλεον-ακις), ἐλαττον-ότης ‘das Wenigsein’ (Iamb.; neben μειζον-ότης); ἐλασσον-έω, -ττονέω ‘weniger haben oder geben, rechnerisch zurückstehen usw.’ (LXX, Pap.), ἐλαττον-όω ‘verkleinern’ (LXX). 3. Von ἐλάχιστος : ἐλαχιστ-άκις ‘am seltensten’ (Hp.), ἐλαχιστ-ιαῖος ‘von geringstem Maß, infinitesimal’ (Diog. Oen. 2). — Altes Adjektiv, mit aind. laghú-, raghú- ‘schnell, leicht, gering’, aw. ragu- ‘schnell’ identisch; das damit im Suffixwechsel stehende ἐλαφρός = ahd. lungar macht auch für ἐλαχύς, laghú- eine idg. Tiefstufe *ln̥guh-- wahrscheinlich. (Das ἅπ. λεγ. r̥hánt- RV 10, 28, 9 ist offenbar eine Augenblicksbildung nach dem Oppositum br̥hánt- : br̥hántam cid r̥haté randhayāmi.) Die entsprechende Hochstufe lengh- findet sich dann sowohl im aw. Komp. rənǰyō (mit dem analogischen Superlativ rənǰišta-) wie in lit. lẽngvas und got. leihtsleicht’, falls, wie wahrscheinlich, aus urg. *linχta-, idg. *lengh-to-. Diesen nasalisierten Formen stehen aber andere ohne Nasal entgegen, u. zw. mit -Vokal lat. lĕvis ‘leicht, gering, schnell’ (damit kann an und für sich aind. laghú-, aw. ragu- identisch sein), mit Reduktionsvokal aksl. lьgъ- ‘leicht’, mit a-Vokal kelt., z. B. air. Komp. laigiu ‘kleiner, schlechter’, urkelt. *lag-i̯ōs (Positiv bec(c)). Eine Erklärung, die alle Schwierigkeiten behebt, ist noch nicht gefunden. Einzelheiten mit reicher Lit. und Referat abweichender Auffassungen bei WP. 2, 426f., Pok. 660f., W.-Hofmann s. levis, Fraenkel Lit. et. Wb. s. lẽngvas, Vasmer Russ. et. Wb. s. lëgkij (2, 24). — Die Vokallänge in ἐλά̄σσων ist sekundär, s. Schwyzer 538 m. A. 4 und Lit., außerdem Seiler Steigerungsformen 43f. Vgl. ἐλέγχω. I-484-485

ἐλάω s. ἐλαύνω. I-485

ἔλδομαι, gew. ἐέλδομαι nur Präsensstamm ‘sich sehnen, wünschen, verlangen’ (ep. poet. seit Il.), ἐπι-έλδομαι (A. R. 4, 783). Davon ἐέλδωρ n. (nur Nom.-Akk.) ‘Wunsch, Verlangen’ (ep. seit Il.; ἔλδωρ Hdn., H.), auch ἐέλδω f. (Ibyk. 18; richtig?). Aus (ϝ)έλδομαι, ἐ-(ϝ)έλδομαι (Chantraine Gramm. hom. 1, 133 und 182). — Keine außergriechische Entsprechung. Durch Zerlegung in (ϝ)ἐλ-δ-ομαι (mit präsensbildendem -δ-, Schwyzer 701f.) wird Anschluß erreicht an lat. vel-le usw.; Näheres s. ἔλπομαι. Nicht mit van Blankenstein IF 23, 134f., Brugmann Grundr.2 2 : 3, 376 zu got. swiltan ‘hinsterben’ usw., s. WP. 1, 294. I-485

ἐλέα (Arist. HA 616b 13), ἔλεια (Kall. Fr. 100c 14), ἐλεᾶς m. (Ar. Av. 302; zur Bildung Schwyzer 461, Chantraine Formation 31); auch ἔλαιος m. (Alex. Mynd. ap. Ath. 2, 65b) f. Art (Sing)vogel, vielleicht ‘Teichrohrsänger, Salicaria arundinacea’, vgl. Thomson Birds s. w. — Bildung und Herkunft unklar. Man vergleicht seit Fick 1, 365, 2, 42 den latino-keltischen Namen des Schwans, lat. olor, air. elae, außerdem mit Lidén Arkiv f. nord. fil. 13, 30f. schwed. al(l)a, al-fågel ‘Fuligula glacialis’ u. a., s. WP. 1, 155, Pok. 304, Ernout-Meillet und W.-Hofmann s. olor mit Lit. und weiteren unsicheren Kombinationen. I-485-486

ἐλέατρος s. ἐλεόν. I-486

ἐλεγαίνειν = παραφρονεῖν, ἀσελγαίνειν, ἀκολασταίνειν (EM 152, 51; 327, 6). — Erinnert an λέγαι Attribut von γυναῖκες (Archil. 179), das zu λάγνος usw. gezogen wird, s. Solmsen Unt. 111 und W.-Hofmann 1, 759 m. weiterer Lit. Wahrscheinlich durch Volksetymologie nach ἔλεγος umgebildet, vgl. EM 327, 6: καὶ τὸ ἐλεγεῖον μέτρον ἀπὸ τούτου κληθῆναι τινὲς νομίζουσιν. I-486

ἔλεγος m. ‘Klagelied, Trauergesang mit Flötenbegleitung’ (vorw. poet. seit E., Ar.). Komp. ἰαμβ-έλεγος und ἐλεγ-ίαμβος Ben. zweier Verse (Gramm.), vgl. Risch IF 59, 284f. Ableitungen: ἐλεγεῖον Versmaß, ‘Distichon’, ein in diesem Versmaß abgefaßtes Gedicht, poet. ‘Inschrift’ überhaupt (att. usw.) mit ἐλεγειο-ποιός, -γράφος (Arist. u. a.); Deminutive ἐλεγ(ε)ίδιον und ἐλεγ(ε)ιδάριον (sp.); Adj. ἐλεγειακός (D. H., Ath.); auch ἐλεγεία (Str., Plu. u. a.) und, als Adjektiv, ἐλεγεῖον (δίστιχον, Ael.); — wahrscheinlich auch der Fischname ἐλεγῖνος (Arist. HA 610b 6), nach der Lautgebung, s. Strömberg Fischnamen 74 mit semantischen Parallelen. — Kleinasiatischer (phrygischer?) Herkunft, s. zuletzt Hommel RhM 88, 194. Verfehlt Theander Eranos 15, 98ff. (zu ἐλελεῦ, ὀλολύζω usw.) und Lagercrantz GHÅ 26 (1920) : 2, 68ff. (zu ἄλγος); vgl. Kretschmer Glotta 9, 228; 12, 220. Arm. eɫēgn ‘Rohr’ weicht semantisch von ἔλεγος stark ab. — Aus ἐλεγεῖον als LW lat. ēlogium (nach λόγος umgestaltet), W.-Hofmann s. v. I-486

ἐλέγχω, ἐλέγξαι (seit Il.), Fut. ἐλέγξω, Aor. Pass. ἐλεγχθῆναι mit ἐλεγχθήσομαι, Perf. ἐλήλεγμαι, 3. sg. -γκται (att.) v 1. ‘beschimpfen, schmähen, tadeln, zu Schanden machen’ (Hom.); 2. ‘beschämen, übertreffen, überführen, widerlegen, den Beweis führen, beschuldigen, zur Untersuchung ziehen, ausfragen’ (Hdt., Pi., att.); zur Bedeutung Daux REGr. 55, 252ff. Ableitungen. Zu 1: ἔλεγχος n. (wie ὄνειδος) ‘Schimpf, Schande’ (Hom., Hes., Pi.; vgl. Porzig Satzinhalte 263), im Plur. auch auf Personen bezogen, ‘Memmen’; ins Maskulinum umgesetzt ἐλεγχέες (Δ 242, Ω 239; nicht ganz sicher, s. Bechtel Lex. s. ἐλεγχής, Frisk GHÅ 41 [1935] : 3, 19f., Sommer Nominalkomp. 137); dazu der primäre Superlativ ἐλέγχιστος (Hom.; Seiler Steigerungsformen 83f.); von ἔλεγχος auch ἐλεγχείη ‘ds.’ (ep. seit Il.; vgl. zu ἔγχος und Porzig Satzinhalte 218). — Zu 2: ἔλεγχος m. (wie λόγος) ‘Überführung, Widerlegung, Beweismittel, -führung, Untersuchung’ (Hdt., Pi., att.); ἔλεγξις ‘Überführung, Widerlegung’ (LXX, NT, Philostr.) mit der scherzhaften Bildung ἐλεγξῖνος (D. L.; Wortspiel mit ’Αλεξῖνος; Chantraine Formation 204); ἐλεγμός ‘ds.’ (LXX, NT); ἐλεγκτήρ ‘der überführt’ (Antipho; ionisch?, Fraenkel Nom. ag. 2, 52); ἐλεγκτικός ‘zum ἐλέγχειν geeignet, geschickt’ (att. usw.). — Nicht sicher erklärt. Seit Pott oft zu ἐλαχύς gezogen, aber ebenso oft davon getrennt, s. Osthoff MU 6, 7ff. mit ausführl. Literaturverzeichnis. Semantisch lassen sich ἐλαχύς und ἐλέγχω ohne Zweifel wohl vereinigen: vgl. nhd. schmähen, mhd. smæhen ‘verächtlich behandeln’, ahd. smāhen ‘klein machen, verringern’, von smāhi ‘klein’; dazu nhd. Schmach, mhd. smāhe, smæhe ‘Beschimpfung, Schmähung’, Abstraktum zu mhd. smehe, ahd. smāhi. Ebenso aschwed. smæla ‘schimpfen’ aus mnd. smelen = nhd. schmälen zu schmal. Die in der klassischen Zeit herrschende juridische Bedeutung kann ebenfalls aus dem Begriff ‘verringern, (vor Gericht) übertreffen’ entwickelt sein. Lautlich setzt indessen diese Etymologie voraus, daß ἐλέγχω für *ἐλέμφω (idg. *lengh-) sein χ aus ἐλαχύς, ἐλάσσων (< *ἐλάχ-ι̯ων), ἐλάχιστος bezogen hätte. Als primäres Verb wäre ἐλέγχω mit aw. rənǰaiti ‘macht leicht, flink’ formal identisch. — Nach Fick 1, 537 dagegen zu lett. langāt ‘schimpfen’, wozu nach Osthoff a. a. O. noch ahd. as. lahan ‘schmähen, schelten, tadeln’ u. a. (s. WP. 2, 436f.); nach Sturtevant Comp. gr.1 89, 2 58 zu heth. lingazi, li(n)kzi ‘schwören’. Pok. 676 erinnert außerdem zweifelnd an nur. lang ‘Scham, Betrug, Verrat’. Alles wenig überzeugend. I-486-487

ἑλεδώνη (ἐλ.) f. Art Tintenfisch (Arist. HA 525a 17 u. a.), vgl. Thompson Fishes s. v. — Bildung auf -ώνη (Pflanzennamen; auch χελώνη, γογγρώνη u. a.), sonst dunkel; ohne Zweifel Mittelmeerwort. I-487

ἑλεῖν Aor., Iterativ-präteritum ἕλεσκον ‘nehmen, in die Gewalt nehmen’, Med. ‘an sich nehmen, wählen’ (seit Il.). Oft mit Präfix: ἀφ-, ἀν-, ἐξ-, προ- usw. Als Vorderglied in ἑλέ-π(τ)ολις ‘Städte erobernd’ Bein. der Helena (A. Ag. 689 [lyr.] u. a.), auch N. einer Belagerungsmaschine (Ph. Bel. u. a.); ἑλένα<υ>ς (A. ibid.) mit Anspielung auf Helena. Daneben ἕλωρ n. (nur im Nom.-Akk. sg. und pl.) ‘Raub, Fang, Beute’ (vorw. ep. seit Il.); daneben als metrische Variante (Schwyzer 470) ἑλώριον ‘ds.’ (Α 4, A. R. 2, 264). Da an einigen Stellen die Prosodie anl. ϝ- zu erfordern scheint (anders Solmsen Unt. 251 A. 1), erwägt Chantraine Formation 219, Gramm. hom. 1, 152 Anknüpfung an ἁλίσκομαι, lat. vellō. — Neben dem. hochstufigen Wurzelaorist ἑλεῖν steht im Germanischen ein sekundäres Jotpräsens got. saljan ‘darbringen, opfern’, anord. selja ‘übergeben, verkaufen’, ahd. sellen ‘übergeben, überliefern’ usw. (wäre gr. *ὁλέω) mit den postverbalen Nomina anord. sal(a) ‘Übergabe, Verkauf’, ahd. sala ‘Übergabe’ usw. Wegen der Bedeutung wird es allgemein als Kausativ zu ἑλεῖν ("nehmen machen") aufgefaßt, was in keiner Weise notwendig ist, vgl. zu αἴνυμαι, außerdem z. B. anord. fā (= got. fahan) ‘nehmen’ und ‘geben’. Eine primäre -Ableitung findet sich im Keltischen, z. B. air. selb f. ‘Besitz’ (idg. *sel-u̯ā). Aksl. sъlati ‘schicken, senden’ ist dagegen strittig, ebenso lat. cōn-silium, s. Vasmer Russ. et. Wb. s. slatь und W.-Hofmann s. v. — Als Suppletivverb zu ἑλεῖν fungiert αἱρέω (s. d.); s. auch zu ἀγρέω (s. ἄγρα). I-487-488

ἐλειός (ἑλ-) m. ‘Art Siebenschläfer, Haselmaus, Myoxus glis’ (Arist. HA 600b 12 u. a.); nach H. auch = εἶδος ἱέρακος (?). Daneben ὄλιος· σκίουρος, ἐλειός H., wozu unterital. oḍḍío usw. ‘Siebenschläfer, Haselmaus’; Rohlfs WB Nr. 621. — Herkunft unbekannt. I-488

ἐλελεῦ Wehruf (A. Pr. 877), Kriegsruf (Ar. Av. 364: ἐλελελεῦ), Ausruf im allg. (Plu. Thes. 22). Davon 1. ἐλελίζω, Aor. ελελίξαι ‘einen Wehruf oder Kriegsruf (ἐλελεῦ) erheben’ (Ar., E., X. u. a.); auch ἐλελύσδω (Sapph. 44, 31 LP; v. l. ὀλολύσδω). — Primäre Interjektion, vgl. ἀλαλά, -άζω (m. Lit.) und ὀλολύζω; dazu Schwyzer 716, Schwyzer-Debrunner 600f. I-488

ἐλελίζω 2. (h. Cer. 183, Pi. u. a.), gew. Aor. ἐλελίξαι, Pass. ἐλελιχθῆναι, 3. sg. Prät. ἐλέλικτο, Perf. Med. ἐλέλιγμαι (hell.) 1. ‘erschüttern’, Med.-Pass. ‘zittern, erschüttert werden’, 2. ‘herumdrehen, sich drehen’ (ep. poet. seit Il.). Als Vorderglied (vgl. Schwyzer 444 : 3) in ἐλελί-χθων ‘erderschütternd’ (Pi. P. 2, 4), ‘Erderschütterer’, Beiname des Poseidon (Pi. P. 6, 50), des Dionysos (S. Ant. 153); auch in ἐλελί-σφακος, -ον s. bes. — In die Aoristformen ἐλέλιξα, ἐλελίχθην scheinen zwei verschiedene Verba zusammengeflossen zu sein: 1. eine reduplizierte Bildung mit dem Präsens ἐλελίζω ‘erschüttern’; 2. ein augmentiertes *ἐ-ϝέλιξα mit dem Präsens (ϝ)ελίσσω ‘herumdrehen’ (s. d.). Das Präteritum ἐλέλικτο bezieht sich in Λ 39 auf eine Schlange und gehört somit als *ϝεϝέλικτο ‘ringelte sich’ zu 2; der Ausdruck ἔγχος ... σειόμενον ἐλέλικτο Ν 558 kann ebensogut die sich drehende oder wirbelnde wie die erschütternde oder zitternde Bewegung veranschaulichen. Da diese sich inhaltlich berührenden Verba schon vor dem Abschluß der epischen Dichtung mit einander vermischt wurden, ist eine reinliche Scheidung nicht mehr möglich. Vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 132, außerdem Bechtel Lex. s. ἐλελίζω. — Im Sinn von ‘erschüttern’ wird ἐλελίξαι, ἐλελίζω seit Fick 1, 421 mit aind. réjate ‘zittern, beben’, réjati ‘in (zitternde) Bewegung versetzen’, got. laikan ‘hüpfen, springen’, lit. láigyti ‘wild umherlaufen’ usw. verbunden (WP. 2, 399, Pok. 667f.); dabei wird vorausgesetzt, daß -ίξαι, -ίζω kein formantisches Element ist, sondern zur Wurzel gehört; sehr wohl möglich, aber nicht zwingend; vgl. die Zusammenstellung der betreffenden Verba bei Risch 257ff. Man hat dann von einem reduplizierten Aorist ἐ-λέ-λιξ-α auszugehen, wozu der Passivaorist ἐ-λελίχ-θην und das Präsens ἐ-λελίζω entweder mit Vokalprothese oder mit Verschleppung des Augments hinzugebildet wurden (vgl. Schwyzer 648). I-488-489

ἐλελίσφακος ἐλελίσφακον n. (Dsk.) m. (Thphr.), Art Salbei, ‘Salvia triloba’ (zum Genus vgl. zu διόσπυρον). — Eigentlich "Zittersalbei", zu 2. ἐλελίζω, wegen des zitternden Fruchtstandes (Strömberg Pflanzennamen 76); davon ἐλελισφακίτης (οἶνος; Dsk., Plin.; Redard Les noms grecs en -της 96). — Zu der apokopierten Form λελίσφακος (Dsk.) und ngr. ἁλισφακιά (nach ἅλς ‘Meer’) usw. s. Strömberg Wortstudien 44. I-489

ἔλεμος · σπέρμα ὅπερ ἕψοντες Λάκωνες ἐσθίουσιν H. — = ἔλυμος, s. d. Zum Vokalwechsel ε : υ vgl. Strömberg Wortstudien 46. I-489

Ελένη f. Tochter des Zeus und der Leda, Schwester der Dioskuren, Gattin des Menelaos (seit Il.). — Nilsson Gr. Rel. 1, 315 vermutet in Helena eine alte minoische Vegetationsgöttin, die mit dem Baumkultus verbunden war (anders v. Wilamowitz Glaube 1, 231 A. 1). Davon wahrscheinlich der Pflanzenname ἑλένιον (Thphr., Dsk. u. a.), s. Strömberg Pflanzennamen 130. — Ob Zusammenhang mit dem Appellativum ἑλένη (s. ἑλάνη) besteht, bleibt offen. Nach Grégoire BelgAkBull. 5 sér. 32 (1946) 255ff. ist ‘Ελένη, d. h. *ϝελένα aus *ϝενένα dissimiliert und mit lat. Venus usw. am nächsten verwandt. I-489

ἐλεόν (Ι 215, ξ 432 ἐλεοῖσιν, Ar. Eq. 152, 169 τοὐλεόν) n. ‘Tisch auf dem das gebratene Fleisch zerlegt wird’; ἐλεο-δύτης ‘Koch bei den delischen Opferfesten’ (Ath. 4, 173a: διὰ τὸ τοῖς ἐλεοῖς ὑποδύεσθαι διακονοῦντες ἐν ταῖς θοίναις). Davon ἐλέατρος ‘Trugseß, Steward’ (Pap. IIIa), εἰλέατρος (Pamphil. bei Ath. 4, 171b, metr. Dehnung?), eher -τρός mit Oxytonierung wie δαιτρός u. a. — Technisches Wort ohne Etymologie. Zur Bildung vgl. κολεόν, στελεόν, θυρεός u. a. (Chantraine Formation 51), zur Bedeutung Kuiper Glotta 21, 272ff. I-489

ἔλεος 1. (hell. auch n., vgl. Schwyzer-Debrunner 38 m. A. 2 u. Lit.) m. ‘Mitleid, Erbarmen’, nach Schadewaldt Herm. 83, 131ff. eher ‘Jammer, Klage, Rührung’ als ‘Mitleid’; Kritik bei Pohlenz ebd. 84, 49ff. (seit Il.). Als Hinterglied in νηλ(ε)ής, -ές ‘ohne Mitleid, erbarmungslos’ (ep. poet. seit Il.), wohl aus *νε-ελεής mit der idg. Satznegation *ne (vgl. zu ἀ-) und dem Hinterglied nach den s-Stämmen umgeformt, falls nicht von ἐλεέω (vgl. Schwyzer 513); daneben ἀν-ηλεής ‘ds.’ (And., hell.). Ableitungen: ἐλεόν als Adv. ‘erbärmlich’ (Hes. Op. 205), ἐλ(ε)εινός ‘Mitleid erregend, kläglich, mitleidsvoll’ (seit Il.), eher nach ἀλ(ε)γεινός und anderen Adj. auf -εινός (Chantraine Formation 195f.) als von dem erst spät belegten τὸ ἔλεος; ἐλεήμων ‘mitleidig, barmherzig’ (ε 181, att., hell.), zunächst von ἐλεέω (vgl. Chantraine 173), mit ἐλεημοσύνη ‘Mitleid’ (Kall.), ‘Almosen’ (LXX, NT); dazu mit innerer Kürzung ἐλεημο-ποιός ‘Almosen spendend’ (LXX); ἐλεητικός = ἐλεήμων (Arist.; ebenfalls von ἐλεέω). Denominative Verba: 1. ἐλεέω, Aor. ἐλεῆσαι ‘bemitleiden, sich erbarmen’ (seit Il.) mit ἐλεητύς = ἔλεος (ξ 82, ρ 451; versausfüllend?, Porzig Satzinhalte 182; Versuch einer semantischen Präzisierung Benveniste Noms d’agent 66); ἐλεήμων, ἐλεητικός s. oben; 2. ἐλεαίρω ‘ds.’ (ep. seit Il.; ἐλέηρα A. R. 4, 1308) nach ἐχθαίρω u. a. (Risch 249; nicht von *ἐλε-ϝαρ mit Benveniste Origines 112 und Schwyzer 724); βλεερεῖ· οἰκτείρει. Βοιωτοί H. ist aus ἐλεαίρει verderbt. — Ohne Etymologie. Interjektiver Ursprung (vgl. ἐλελεῦ, ὀλολύζω usw.) ist nicht ausgeschlossen (Pok. 306 m. Lit.). Ältere Lit. bei Bq. I-490

ἐλεός 2. m. eine Art Eule (Arist. HA 592b 11 u. a., s. Thompson Birds s. v.). — Unerklärt. Onomatopoetischer Ursprung liegt nahe; vgl. z. B. lat. ulula und ἐλελεῦ, ὀλολύζω. I-490

ἑλεσπίδας Akk. pl. A. R. 1, 1266, mit πίσεα koordiniert und als ‘Sumpffläche’ od. ähnl. erklärt. — Die Zerlegung in ἕλος ‘Sumpf’ und einem Wurzelnomen *σπίς (*ἑλε[σ]-σπίδ-), das mit σπίδιος, ἀσπιδής und sogar mit ἀσπίς (s. dd.) eng verwandt wäre, ist indessen morphologisch alles andere als befriedigend. Bechtel Lex. s. ἀσπίς, Schwyzer 507, W.-Hofmann s. spatium. — Unklar bleibt der Zusammenhang mit der Hesychglosse λέσπιν· μεγάλην, ὑδρηλήν. Δίδυμος τὴν καταδυομένην εἰς πέλαγος πέτραν. οἱ δὲ τὴν νοτεράν. ἄλλοι δὲ σπίδα (leg. λέσπιδα?) βαθεῖαν. οἱ δὲ λόχμην. I-490

ἐλεύθερος ‘frei, freier Mann’, im Gegensatz zu δοῦλος ‘Sklave’ (seit Il.). Vereinzelt als Vorderglied, z. B. ἐλευθερό-στομος ‘mit freiem Munde’ (A.); als Hinterglied u. a. in ἀπ-ελεύθερος ‘Freigelassener’ (att.), allgemein als postverbal zu ἀπ-ελευθερόω ‘befreien, zum Freigelassenen machen’ (Pl., Arist. u. a.) aufgefaßt, Schwyzer 421, Strömberg Greek Prefix Studies 39f. m. Lit. Ableitungen: 1. ἐλευθερία ‘Freiheit’ (Pi., ion. att.) mit ἐλευθεριωτικός ‘freiheitsverkündend’ (Him.); 2. denominative Verba: a. ἐλευθερόω ‘frei machen, befreien, frei lassen’ (ion. att.) mit ἐλευθέρ-ωσις, -ωμα, -ωτής; b. ἐλευθερεσθείς (thess., Schwyzer 736 m. Lit.); 3. ἐλευθέριος ‘nach Art eines Freien, freimütig, edel’ (ion. att.), auch als Beiname des Zeus (Pi., Hdt. usw.; wegen des Sieges über die Perser) mit ’Ελευθεριών Monatsname (Halikarnassos); davon ἐλευθεριότης ‘Freimütigkeit, Freigebigkeit’ (Pl. u. a.) und das Denominativum ἐλευθεριάζω ‘nach Art eines Freien reden und handeln’ (Pl. u. a.); 4. ἐλευθερικός ‘zum Freien gehörig’ (Pl. Lg. 701e neben δεσποτικός; 919e neben dem Bahuvrihi ἀν-ελεύθερος; vgl. Chantraine Études sur le vocab. gr. 146). Kret. ἐλούθερος beruht auf sekundärer Lautentwicklung (Schwyzer 194). — Fremden Ursprungs aber vielleicht nach ἐλεύθερος umgebildet und mit oppositivem Akzent der ON ’Ελευθεραί, woraus ’Ελευθερεύς als Beiname des Dionysos; vgl. zu Εἰλείθυια und ’Ελευσίς. — Myk. e-re-u-te-ro. — Altes Adjektiv, das auch auf italischem Boden belegt ist: lat. līber, -era, auch als Götternamen = venet. Louzera, pälign. loufir, osk. (Iúveis) Lúvfreis = (Iovis) Līberī; vgl. falisk. lōferta = līberta, alat. loebertāt-em = falisk. loifirtat-o; unsicher dagegen toch. A lyutāri ‘die Oberen, Aufseher?’ (Duchesne-Guillemin BSL 41, 181; vgl. Pedersen Zur tochar. Sprachgeschichte 29, Fraenkel IF 50, 15). — Auszugehen ist wahrscheinlich von einem alten Wort für ‘Volk’, das aber auf einem ganz verschiedenen Gebiet, im Germanischen und Baltisch-Slavischen heimisch ist: ahd. liut ‘Volk’, pl. liuti ‘Leute’, ags. lēod ‘Volk’, lit. liáudis ‘niederes, gewöhnliches Volk’, ksl., russ. ljudъ ‘Volk’, aksl. ljúdьje, russ. ljúdi pl. ‘Leute, Menschen’; idg. *leudh-o-, -i-; daraus anderseits burgund. leudis ‘der Gemeinfreie’, aksl. aruss. ljudinъ ‘freier Mann’; ἐλεύθερος, līber (aus idg. *leudh-ero-s) somit eig. ‘zum Volk (Stamm) gehörig’, im Gegensatz zu den unterworfenen Völkern. — Gegen die Auffassung Altheims (s. W.-Hofmann s. 3. Līber), der ital. Līber sei durch oskische Vermittlung von den Griechen entlehnt (: ΖεὺςΕλευθέριος, ΔιόνυσοςΕλευθερεύς; aber s. darüber oben), s. v. Wilamowitz Glaube 2, 334 A. 2, außerdem Pisani Ist. Lomb. 89 (1956) 17f., der als Argument für die Bodenständigkeit des italischen Gottes mit Recht auf venet. Louzera (darüber auch Krahe Das Venetische 24) hinweist. — Reiche Literatur mit weiteren Einzelheiten bei W.-Hofmann s. 2. līber, 3. Līber und līberī, Fraenkel Lit. et. Wb. s. liáudis, Vasmer Russ. et. Wb. s. ljúd. S auch ἐλεύσομαι. I-491

ἐλεύθω, ἐλεῦσαι s. ἐλεύσομαι. I-492

Ελευσίς, -ῖνος f. Stadt und Gemeinde westlich von Athen, in vorhistorischer Zeit selbständig, später (etwa am Ende des VII. Jhts. v. Chr.) in den athenischen Staat inkorporiert (seit h. Cer. 97); Lok. -ῖνι, mit Postpositionen -ῑνάδε, -ῑνόθεν (att.). Davon ’Ελευσίνιος (kret., ther. -σύνιος als Monatsname; vgl. Brause Lautlehre d. kret. Dialekte 14 A. 2) ‘eleusinisch’ (seit h. Cer. 266), n. N. des Demetertempels in Eleusis, n. pl. (lak. -hύνια) "die Eleusinien", ein Demeterfest. — Vorgriechische Siedelung mit undurchsichtigem, gewiß vorgriechischem Namen; vgl. Fick ON 83; zum Sachlichen Nilsson Cults 36ff. Vgl. zu Εἰλείθυια, auch ’Ελευθεραί (s. ἐλεύθερος). I-492

ἐλεύσομαι Fut. (ep. ion. trag. hell. u. spät), Aor. Ind. ἤλυθον (ep. lyr.), Perf. εἰλήλουθα (ep. mit metr. Dehnung für ἐλ-), Ptz. ἐ(ι)ληλουθώς (ep.), ἐλήλυθα (nachhom.), Plur. auch ἐλήλυμεν, -τε (att. Kom.), kyren. Ptz. κατ-εληλευθυῖα (Fraenkel Glotta 20, 88f.) ‘kommen, gehen’. Oft mit Präfix: ἀν-, ἀπ-, δι-, εἰσ-, ἐξ-, κατ- usw. Vereinzelte transitive (faktitive) Formen im Dorischen: ἐλευσίω· οἴσω H., Aor. 3 pl. ἐλεύσαν (Ibyk.), ἐπ-ελευσεῖ, ἐπ-ελεῦσαι (Gortyn) ‘bringen’. Als Präsens fungiert ἔρχομαι. Ableitungen: ἔλευσις ‘Ankunft’ (Act. Ap. 7, 52 u. a.), außerdem von den Komposita, meistens spärlich belegt, alle (hell. und) spät, z. B. συν-, ἐπ-έλευσις. Daneben das ältere und gewöhnlichere ἤλυσις ‘Gang, Weg’ (E.), ἐξ-, περι-ήλυσις (Hdt. u. a.) usw. (vgl. Holt Les noms d’action en -σις 58 u. 149) mit kompositioneller Dehnung (ἤλυσις nach den Komposita) und derselben Vokalstufe wie in den Zusammenbildungen νέ-ηλυς, -δος ‘neuangekommen’ (Il. usw.), ἔπ-ηλυς ‘eingewandert, Fremdling’ (Hdt., A., Th. usw., ἐπ-ηλύ-της Th. u. a.) u. a.; προσ-ήλυ-τος ‘hinzugekommen, Proselyt’ (LXX, NT) u. a.; dazu noch die Abstrakta ἐπ-ηλυσίη (h. Hom.), κατ-, συν-ηλυσίη (hell. u. sp.). — Das semantisch und formal beste Gegenstück zu diesem wegen des Ablautwechsels altererbten Verb bietet das Keltische mit dem altir. Präteritum lod, luid ‘ich, er ging’ (aus *ludh-om, -et : ἤλυθον, -ε), lotar ‘sie gingen’ (*ludh-ont-); formal ebenso gut aber semantisch weniger befriedigend ist der weitere Vergleich mit aind. ró(d)hati, germ., z. B. got. liudan ‘wachsen, in die Höhe steigen’ (wovon das alte Wort für ‘Volk, Leute’, ahd. liut usw.; s. ἐλεύθερος). In beiden Fällen ist anzunehmen, entweder daß -θ- (idg. -dh-) nicht nur in ἤλυσις, ἐλήλυμεν, -τε sondern auch in (νέ)-ηλυς, (προσ)-ήλυτος analogisch (nach ἐλεύ[θ]σομαι) weggefallen wäre (vgl. Schwyzer 704 A. 2, 769 A. 7 m. Lit.), oder daß der entsprechende Dental der keltischen, bzw. der altind. und germ. Formen eine sekundäre Erweiterung darstelle. Als möglich muß auch die Heranziehung von arm. eluzanem ‘hinaus-, hinaufbringen’ (fungiert als kausativ zu elanem, s. zu ἐλαύνω) betrachtet werden. Ob weitere Verwandtschaft mit ἐλαύνω (s. d.) vorliegt, bleibt offen. — WP. 2, 417, Pok. 306f. S. auch ἐλθεῖν. I-492-493

ἐλεφαίρομαι, Aor. Ptz. ἐλεφηράμενος etwa ‘betrügen, täuschen’ (Ψ 388, τ 565), auch etwa ‘schädigen, zerstören’ (Hes. Th. 330). — Bei H. auch aktive Formen (ἐλεφαίρειν, ἐλεφῆραι), mit (ἐξ)απατᾶν, βλάπτειν, ἀδικεῖν erklärt. Alter, spärlich belegter epischer Ausdruck mit schwankender Bedeutung, unklarer Bildung und unsicherer Etymologie. Der Ausgang -αίρω scheint mit einem r-Stamm in Verbindung zu stehen (*ἔλεφαρ?), könnte aber auch suffixal sein. Der Stamm kehrt im PN ’Ελεφ-ήνωρ wieder, der aber für *Ελεφηρ-ήνωρ mit dissimilatorischer Kürzung stehen kann (Sommer Nominalkomp. 170A.2). Aus dem Griechischen bietet das selbst dunkle ὀλοφώϊος ‘trügerisch, verderblich o. ä.’ eine annehmbare Anknüpfung, hinzu kommt lit. vìlbinti ‘locken, äffen, zum Besten haben’. WP. 1, 298 m. Lit., bes. Bechtel Lex. s. v., außerdem Schwyzer 724 m. A. 11 und Lit. I-493

ἐλέφᾱς, -αντος m. ‘Elfenbein, Elefantenzahn’ (seit Il.; vgl. Treu Philol. 99, 149ff.), ‘Elefant’ (Hdt., Arist. usw.), auch als Name einer Krankheit = ἐλεφαντίασις, s. Strömberg Theophrastea 193. Myk. e-re-pa, -to, -te usw. Als Vorderglied in beiden Bedeutungen, z. B. ἐλεφαντό-πους ‘mit elfenbeinernen Füßen’ (Pl. Kom. u. a.), ~ -μάχος ‘gegen Elefanten kämpfend’ (Str. u. a.). Ableitungen: Deminutivum ἐλεφαντίσκιον ‘junger Elefant’ (Ael.); Adj. ἐλεφάντινος ‘aus Elfenbein’ (Alk., att.), -ίνεος ‘ds.’ (poet. Inschr.; zur Bildung Chantraine Formation 203), ἐλεφάντ-ειος ‘zum Elefanten gehörig’ (Dsk., Opp.), -ώδης ‘elefantenartig’ (Mediz.), -ιωδής ‘aus Elefantenkrankheit leidend’ (Mediz.); Subst. ἐλεφαντιστής ‘Elefantentreiber’ (Arist.), auch ‘Schild aus Elefantenhaut’ (App.; Vorbild?), ἐλεφαντεύς ‘Elfenbeinarbeiter’ (Pap.). Denominativa 1. ἐλεφαντ-ιάω ‘aus Elefantenkrankheit leiden’ (Phld., Mediz. u. a.) mit -ίασις, auch -ιασμός (EM); 2. -όω ‘mit Elfenbeineinlagen versehen’ mit -ωτός (Inschr.). — Wie lat. ebur ist ἐλέφας (zur Bildung vgl. ἀδάμας ‘Stahl, Diamant’) ein Fremdwort. Das Endstück von ἐλέφας (vom ντ-Suffix abgesehen) erinnert wie lat. eb-ur an ägypt. āb(u), kopt. εβ(ο)υ ‘Elefant, Elfenbein’, aind. íbha- ‘Elefant’; die Anfangssilbe kehrt in hamit. eḷu ‘Elefant’ (woraus durch ägypt. Vermittlung [p- Art.] pers. pīl, arab. fīl) wieder; die Einzelheiten bleiben unklar. — Aus ἐλέφας lat. elephās, elephantus, daraus weiterhin die germanischen und romanischen Formen. W.-Hofmann s. ebur, Lokotsch Et. Wb. d. europ. Wörter or. Ursprungs Nr. 605, Mayrhofer Wb. s. íbhaḥ2, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. ulbandus mit weiterer Lit. — Abzulehnen Kretschmer WienAkAnz. 1951 : 21, 307ff.: zu ἐλεφαίρομαι als "Schädling, Zerstörer" (urspr. auf das Mammut bezogen), s. Mayrhofer Stud. z. idg. Grundsprache 44f. I-493-494

ἐλθεῖν Aor. (seit Il.), Ind. ἦλθον, ep. lyr. auch ἤλυθον (s. ἐλεύσομαι), Konj. ἔλθω usw. ‘kommen, gehen’. Oft mit Präfix ἀν-, ἀπ-, δι- εἰσ-, ἐξ-, κατ- usw. Daneben dor. usw. ἐνθεῖν, s. d. — Wegen ihrer semantischen und funktionellen Identität können ἤλυθον und ἦλθον schwerlich voneinander getrennt werden. Da ἤλυθον auf das Epos und die Lyrik beschränkt ist und außerdem eine annehmbare idg. Etymologie hat, wird es allgemein als die ursprüngliche Form angesehen. Bei dieser Betrachtungsweise empfiehlt sich am meisten, mit Johansson IF 8, 182 ἦλθον als eine Mischbildung von ἤλυθον und ἦνθον zu betrachten. Ähnlich schlägt Wackernagel Dehnungsgesetz 3 (= Kl. Schr. 2, 899) als Hypothese vor, in ἦλθον eine Umbildung von ἤλυθον und *ἦρθον (zu ἔρχομαι, s. d.) zu sehen. Nach Schulze Jagić-Festschrift 343 A. 1 (= Kl. Schr. 75 A. 1) entstand dagegen ἦλθον aus ἤλυθον dadurch, daß der υ-Vokal von dem velaren λ "aufgesaugt" wurde, ein Vorgang der von Schulze selbst als eine "unter anderen Bedingungen unerhörte" Entwicklung bezeichnet wird. I-494

ἑλίκη 1. f. ‘Weide’ (IG 12, 864: hορος hελικης att.); nach Thphr. HP 3, 13, 7 arkad. = ἰτέα). Davon ‘Ελικών, -ῶνος (Hes. Op. 639 usw., ϝελ- Korinna) "Weidenberg, Viminalis" (Böotien) mit ‘Ελικών-ιος, f. -ιάς, -ίς (Υ 404 ‘Ε-ιος ἄναξ von Poseidon, s. v. Wilamowitz Glaube 1, 213 und 336 A. 2, Nilsson Gr. Rel. 1, 447 A. 6) Hes., Pi. usw.; zu ‘Ελικωνιάς als Pflanzennamen Strömberg Pflanzennamen 126. — Myk. e-ri-ka? — Böot. ϝελικών macht den Vergleich mit lat. salix hinfällig; dafür empfiehlt sich die Zusammenstellung mit einem alten westgermanischen Wort für ‘Weide’, ags. welig, asächs. wilgia, mhd. wilge. Zu ἕλιξ, s. d. Referat der früheren Diskussion bei WP. 1, 300f., Bq s. v. — Die Bedeutung von heth. u̯elku ist nicht näher bekannt (‘Gras’?). I-494

ἑλίκη 2. ‘Spirale, Schnecke’ s. ἕλιξ. I-494

ἑλίκωψ immer im Plur. Nom. od. Akk. -ωπες, -ωπας (Il., Versende), f. ἑλικῶπις, -ιδος (Α 98 κούρη, Hes. Th. 298 νύμφη; auch Sapph., Pi.). Beiwort der ’Αχαιοί, — Aus ἕλιξ (s. d.) und ὠπ- (zum Hinterglied Schwyzer 426 A. 4, Sommer Nominalkomp. 1), somit eig. ‘mit Augen die eine Windung bilden’, d. h. ‘mit gewundenen, gebogenen Augen’; wie das danach gebildete ἑλικο-βλέφαρος (h. Hom. 6, 19 usw.) als prägnanter Ausdruck für ‘schön gebogene, gewölbte Augen’ (vgl. H. ἑλικοβλέφαρος· καλλιβλέφαρος)? Bechtel Lex. mit Düntzer KZ 12, 17. Anders Prellwitz Glotta 15, 128ff.: "mit Locken versehen" (vgl. H. ἑλίκωπες· οὐλότριχες). — Die Deutung ‘mit rollenden = schnellbeweglichen (lebhaften) Augen’ (s. Bq; außerdem Brouzas ProceedAmPhilAss. 1930, S. XXVIIf.) geht, schwerlich richtig, von ἑλίσσω aus. Aus der alternativen Erklärung von ἑλίκωπες als μελανόφθαλμοι bei H. wurde ein Adjektiv ἑλικός = μέλας falsch erschlossen; so, außer H., Kall. Fr. 299 u. a., s. Leumann Hom. Wörter 152 A. 126 m. Lit. — Vgl. auch Grošelj Slavistična Revija 1954, 122f. I-494-495

ἕλῐνος m. f. ‘Weinranke, Weinstock’ (hell. und sp. Dichter). — Wie ἕλιξ, ἕλμις, ἑλένη u. a. zu 2. εἰλέω ‘drehen, winden’, zunächst von einem ι-Stamm, vgl. γέλιν (= ϝ-)· ὁρμιάν H. I-495

ἐλῑνύω, Aor. ἐλινῦσαι, Fut. ἐλινύσω ‘ruhen, rasten, mit etw. aufhören’ (ion. poet., sp. Prosa). Davon ἐλινύες f. pl. (ἡμέραι) ‘Feiertage’ (Plb. 21, 2, 1, = lat. supplicatio). — Unerklärt. Zahlreiche Vorschläge, alle ganz hypothetisch: zu λίναμαι, λιάζομαι (Prellwitz Et.Wb., Bq, Brugmann Grundr.2 2 : 3, 300, Schwyzer 693 m. A. 4); zu lat. lētum usw. (Scheftelowitz IF 33, 158); zu aind. iláyati ‘still stehen, zur Ruhe kommen’ (Persson Beitr. 2, 743); zu lit. ilsė́tis ‘sich ausruhen’ (Thurneysen KZ 30, 353, Bally MSL 12, 323). Vgl. die Kritik bei WP. 2, 388; außerdem 2, 394f., Mayrhofer Wb. s. iláyati (S. 92), Fraenkel Lit. et. Wb. s. il̃sti (S. 184 Sp. 2). I-495

ἕλιξ, -κος f. ‘Gewinde, Windung, gewundene Spange, Ranke, Locke, Spirale, Hebewinde’ (seit Il.); ep. poet. auch adjektivisch als Beiwort von βόες, später auch von anderen Gegenständen (ποταμός, δρόμος u. a.), vgl. unten. Als Vorderglied in ἑλίκ-ωψ (s. d.), ἑλικ-άμπυξ (Pi.), ἑλικο-στέφανος (B.) u. a., daneben, mit Beziehung auf ἑλίσσω, ἑλι- in ἑλί-τροχος ‘radwindend’ (A. Th. 205 [lyr.]); zu ἑλίχρυσος s. bes. Als Hinterglied u. a. in τετρα-έλιξ Art Distel (Thphr., H.), außerdem in ἀμφι-έλισσα, ep. Beiwort der νηῦς (Hom.), später auf andere Gegenstände (z. B. ἱμάσθλη) übertragen, eig. ‘eine ἕλιξ an beiden Seiten (vorn und hinten?) bildend, doppelt geschweift’. Ableitungen: ἑλίκη 1. ‘Weide’ s. bes.; 2. ‘Spirale, Schnecke’ (Arist. u. a.), auch Benennung des Großen Bären (wegen der kreisenden Bewegung um den Pol; vgl. Scherer Gestirnnamen 133, der es aber schwerlich richtig als Adjektiv ‘die sich im Kreise drehende’ auffaßt); 3. εἱλικόεις ‘mit Windungen versehen’ (Nik., Opp., Nonn.; metr. gedehnt). Denominatives Verb ἑλίσσω, -ίττω, ion. auch εἰλίσσω nach εἰλέω (nicht mit Solmsen Unt. 230ff. aus *ἐ-ϝελίσσω), Aor. ἑλίξαι, εἰλίξαι ‘eine Windung machen, winden, wälzen, herumdrehen’ (seit Il.); auch mit Präfix ἐν-, περι- u. a.; davon ἑλιγμός (εἰ-) ‘Windung, Wirbel’ (Hdt., X. usw.), ἕλιγμα (εἴ-) ‘Armband, Haarlocke usw.’ (Sapph. [?], Kom. u. a.), ἕλιξις ‘Rollbinde, Windung’ (Mediz.), ἑλικτήρ ‘Ohrgehänge’ (att.), -ελίκτης in Zusammenbildungen wie ἱμαντ-ελίκται ‘Riemendreher’ (Demokr.), s. Fraenkel Nom. ag. 1, 244; ἑλίγδην (εἰ-) Adv. ‘sich windend’ (A. u. a.). Vgl. 2. ἐλελίζω. — Bildung wie ἧλιξ, χόλιξ, δέλφιξ u. a. (Chantraine Formation 382f.) und somit wie diese wahrscheinlich zunächst von einem Nomen abgeleitet, das seinerseits zu dem primären εἰλέω (*ϝελ-νέ-ω) ‘drehen, winden’ (s. d.) gebildet wurde. — Das ep. Epithet ἕλιξ ist wahrscheinlich mit Bechtel Lex. s. v. und Risch 149 als ein verkürztes Kompositum (*ἑλικό-πους, -κραιρα?) zu verstehen. I-495-496

ἑλίτροχος s. ἕλιξ. I-496

ἑλίχρυσος auch -ον n. (vgl. zu βούτυρον) m., Pflanzennamen, ‘Heliochrysum siculum, Immortelle’ (Alkm., Ibyk., Kratin., Theok., Dsk.); daneben ἑλειόχρυσος (Thphr.). — Nach der goldgelben Blüte benannt (Strömberg Pflanzennamen 25). Wie z. B. ἑλειοσέλινον ist auch ἑλειόχρυσος als Zusammenrückung aus ἕλειος χρυσός (zu ἕλος) verständlich, u. zw. nach Muster von den Kompp. mit ἀγρι(ο)-, z. B. ἀγρι-έλαιος = ἄγριος ἔλαιος (darüber Risch IF 59, 257). In ἑλι- könnte eine weitere Kürzung nach ἄγρι-, αἰγι-, καλλι- und anderen Vordergliedern auf -ι vorliegen. Kaum mit Strömberg 153 Lehnwort. Die Alkmanstelle (16) hat kein Digamma; vgl. dazu Solmsen Unt. 146. I-496

ἕλκος n. ‘Wunde, Geschwür’ (seit Il.). Als Vorderglied in ἑλκο-ποιός ‘Wunden machend’ (A.) mit ἑλκοποιέω (Aeschin.). Ableitungen. Deminutivum ἑλκύδριον (Hp., Ar.; zum Suffix Chantraine Formation 72f.); ἑλκώδης ‘voller Geschwur’ (Hp., E., Arist. usw.), ἑλκήεις ‘ds.’ (Man.); denominative Verba: 1. ἑλκόομαι, -όω ‘schwären, eitern’, Akt. ‘verwunden’ (Hp., E., Arist. usw.; auch mit Präfix: ἀν-, ἀφ-, ἐξ-, ἐφ-, καθ-, προ-); davon (ἀφ-, ἐξ-, ἐφ-)ἕλκωσις ‘Eiterung usw.’ (Hp., Th., Thphr. usw.) mit ἑλκωτικός, ἕλκωμα ‘Wunde, Geschwür, verwundete Stelle’ (Hp., Thphr.) mit ἑλκωματικός; von ἐφελκόομαι auch ἐφελκίς ‘Wundschorf’ (Mediz.); 2. ἑλκαίνω ‘schwären, eitern’ (A. Ch. 843) mit dem postverbalen ἕλκανα· τραύματα H. (anders, nicht richtig, Benveniste Origines 16); auch ἑλκανῶσα· ἡλκωμένη ἢ ἡλκοποιημένη ὑπὸ πυρός H. (Schwyzer 700). — Altes Nomen, mit lat. ulcus (aus *elkos) ‘Geschwür’, aind. árśas- n. ‘Hämorrhoiden’ identisch. Der Spir. asper kann aus ἕλκω stammen. I-496-497

ἕλκω ‘ziehen, schleppen’ (seit Il.). Die außerpräsentischen Tempora zeigen drei verschiedene Bildungsweisen auf: 1. von einem erweiterten Stamm ἑλκη-: ἑλκήσω, ἑλκῆσαι, ἑλκηθῆναι (Hom.), wozu Ipf. εἵλκεον (Ρ 395; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 348; s. auch unten); 2. von ἑλκυ- (nach dem synonymen ἐρῠ́-σαι): ἑλκύσαι (Pi., att.), ἑλκυσθῆναι, εἵλκυσμαι (ion. att.), ἑλκύσω (Hp. u. a.), εἵλκυκα (D.); 3. von ἑλκ-: außer dem Fut. ἕλξω (A. usw.) nur die spät belegten ἕλξαι, ἑλχθῆναι; weitere Einzelheiten bei Schwyzer 721. Oft mit Präfix: ἀν-, ἀφ-, ἐξ-, παρ- usw. Als Vorderglied in den ep. Epitheta ἑλκε-χίτωνες, ἑλκεσί-πεπλος, danach ἑλκε-τρίβων (Pl. Kom.), ἑλκεσί-χειρος (AP); zu ἑλκε(σι)- Knecht Τερψίμβροτος 29. Ableitungen. 1. Von ἑλκ-: (ἔφ-)ἕλξις ‘das Ziehen, Schleppen’ (Hp., Pl. usw.) mit (ἐφ-)ἑλκτικός (Pl. usw.) und den Pflanzennamen ἑλξί̄νη, ἑλξῖτις ‘Winde usw.’ (Dsk., Ps.-Dsk., Redard Les noms grecs en -της 71 m. Lit.), auch ἑλκίνα (Ps.-Dsk. 4, 85; wahrscheinlich Akk.) direkt von ἕλκω, ebenso ἕλκιμος ‘ziehbar, dehnbar’ (Olymp. in Mete. 320, 27; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 76, wo ohne Not und wenig wahrscheinlich ein vermittelndes *ἕλκος ‘das Ziehen, Dehnen’ angesetzt wird); mit ο-Abtönung ὁλκός, ὁλκή usw., s. bes. 2. Von ἑλκη- die im allg. alten aber nur vereinzelt belegten ἑλκηθμός ‘das Fortschleppen, Fortschleifen’ (Ζ 465; vgl. Benveniste Origines 201, Porzig Satzinhalte 236f.), ἕλκημα ‘das Fortgeschleppte, die Beute’ (E. HF 568; Chantraine Formation 178), ἕλκηθρον ‘Pflugeisen’ (Thphr. HP 5, 7, 6; Strömberg Theophrastea 170); ἑλκητήρ ‘Zieher’ (AP 6, 297); ἑλκηδόν Adv. ‘ziehend, schleppend’ (Hes. Sc. 302). 3. Von ἑλκυ-, fast nur späte Wörter: (ἀφ-, ἐφ-, παρ-)ἕλκυσις ‘das Ziehen usw.’ (LXX, Aret. u. a.), ἕλκυσμα = ἕλκημα (Man.), auch ‘Schlacke’ (Dsk., Gal. u. a.), (ἐξ-, ἐφ-, δι- usw.) ἑλκυσμός ‘Anziehung usw.’ (Chrysipp., Mediz., Pap. u. a.); ἑλκυστήρ ‘Zieher’, ‘Instrument zum Ausziehen usw.’ (Hp. u. a.), ἕλκυστρον ‘Gerät zum Ziehen’ (Apollod. Poliork.); ἑλκύσιμος, ἑλκυστήριος (sp.); sekundäres Verb ἑλκυστάζω ‘schleifen’ (Ψ 187 = Ω 21), expressive Bildung am Versende, zunächst nach ῥυστάζω (Schwyzer 706, Risch 257). — Das thematische Wurzelpräsens ἕλκω hat kein genaues Gegenstück. Eine alte Iterativbildung liegt indessen vor in alb. helq, heq ‘ziehen, abreißen’, idg. *solqei̯ō; ein entsprechendes *ὁλκέω wird von Porzig Satzinhalte 236f. wegen ἑλκήσω, Ipf. εἵλκεον (für *ὁλκήσω usw. nach ἕλκω) erwogen; s. aber oben. Hinzu kommt toch. B sälk- ‘herausziehen, vorführen’ mit dem nasalinfigierten Präsens slaṅk-tär; außerdem die Nomina arm. heɫg ‘tardus, träge’ (a-Stamm; vgl. im übrigen gr. λευκός), lat. sulcus ‘Furche’ u. a., s. ὁλκός. — Vgl. zu ἄλοξ, außerdem Porzig Gliederung 172. I-497-498

ἑλλά · καθέδρα. Λάκωνες H. s. ἑδώλια. I-498

Ελλάς, -άδος ‘Hellas’, Land der Ἕλληνες (s. u.), Ben. einer Landschaft des südlichen Thessaliens (Il.), des griech. Festlandes, bisweilen im Gegensatz zum Peloponnes (seit Od.), auch auf das kleinasiat. Ionien ausgedehnt (seit Hdt.); — auch Adj. f. ‘hellenisch’ (γλῶσσα, πόλις usw.; Hdt., A. u. a.). Als Vorderglied in ‘Ελλαδ-άρχης (mit ἑλλαδαρχέω) ‘Führer der ‘Ε.’, N. des Vorsitzenden des achäischen Bundes, der delphischen Amphiktyonie und anderer Körperschaften (Kaiserzeit). Ableitung ‘Ελλαδικός ‘zu ‘Ε. gehörig’ (Xenoph., Str. u. a.). - Daneben Ἕλληνες, dor. -ᾱνες pl. ‘Hellenen’, N. eines thessalischen Stammes (Β 684), Ben. aller Griechen (seit Hdt.), ‘Heiden, Nicht-Juden’ (LXX usw.), im Sing. auch Adj. ‘hellenisch’ (Pi., A. u. a.). Als Vorderglied u. a. in ‘Ελλανο-δίκαι pl. "Hellenenrichter", Ben. der Kampfrichter bei den olympischen Spielen (Pi. u. a.), auch N. eines Kriegsgerichts in Sparta (X.); ‘Ελληνο-ταμίαι pl. Ben. der Schatzmeister des delisch-attischen Bundes (att.). Als Hinterglied in Πανέλληνες ‘Gesamthellenen’ (Β 530 neben ’Αχαιοί, Hes. Op. 528, Archil. 52, E., hell. u. spät); vgl. unten; φιλ-έλλην ‘Hellenenfreund’ (ion. att.), μισ-έλλην ‘Hellenenfeind’ (X. u. a.) usw. — Ableitungen: ‘Ελλήνιος, -ά̄νιος ‘hellenisch’ (Hdt., Pi., E. usw.), f. -ηνίς, -ᾱνίς (Pi., att.), ‘Ελληνικός ‘ds.’ (seit Hdt. u. A.; vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. grec, s. Index); denominatives Verb ἑλληνίζω ‘griechisch sprechen’, auch trans. ‘hellenisieren’ (spät), mit ἑλληνισμός ‘griechische Ausdrucksweise’, auch im Gegensatz zu ἀττικισμός ‘attische Ausdrucksweise’ (hell. n. spät), ἑλληνιστής ‘der griechisch spricht’, Ben. eines griechisch sprechenden Juden (Act. Ap. 6, 1; Gegens. ‘Εβραῖος) usw.; -ιστί Adv. ‘auf griechisch’ (Pl., X. usw.). f. — Wie die meisten Länder- und Völkernamen sind ‘Ελλάς und Ἕλληνες ohne überzeugende Etymologie. — Als Bildung auf -άς (vgl. Τρωάς, Φθιάς, Λευκάς usw.; Schwyzer 507f., Chantraine Formation 356) setzt ‘Ελλάς zunächst ein Nomen voraus (Sommer Münch. Stud. z. Sprachwiss. 4, 1ff.). Auch für Ἕλληνες ist ein nominales Grundwort anzunehmen; die abweichende Betonung gegenüber ’Αθαμᾶνες, ’Ακαρνᾶνες, Δυμᾶνες usw., die übrigens auch bei Ἴωνες (s. d.) zu finden ist, wird gewöhnlich aus Παν-έλληνες (wie πάν-δεινος, παν-άγαθος u. a.) erklärt (aber Παν-αχαιοί Β 404 usw.!). — Neben Ἕλληνες steht Ἔλλοπες (wie Δρύοπες u. a.) in ’Ελλοπία N. der Umgegend von Dodona (Hes. Fr. 134, 1) und des nördlichen Euböa (Hdt. 8, 23); seit Arist. (Mete. 352a 34) galt das Gebiet von Dodona und das Acheloos-Tal als die Urheimat der Hellenen, die ἀρχαίαΕλλάς. Das gemeinsame Grundwort von ‘Ελλάς und Ἕλληνες findet sich anscheinend eben in ’Ελλοί (Pi. Fr. 59), nach H. = Ἕλληνες οἱ ἐν Δωδώνῃ, καὶ οἱ ἱερεῖς; es ist aber vielleicht nur eine Folge der Lesung σ’ ‘Ελλοί für Σελλοί in Π 234, s. Leumann Hom. Wörter 40. Es liegt indessen nahe, die Ἕλληνες auch mit den ebenfalls in Dodona sitzenden Σελλοί zu verbinden; dabei hätten Ἕλληνες und ‘Ελλάς ihr σ- durch griechische Lautentwicklung eingebüßt. — Im übrigen bleiben die Namen trotz vieler Erklärungsversuche dunkel, s. v. Wilamowitz zu Eur. Her. 1 A. 1, Güntert WuS 9, 132 (vgl. Kretschmer Glotta 17, 250), Chatzis (s. PhilWoch 58, 497), weitere Lit. bei Chantraine Formation 168 A. 1. Einzelheiten auch bei Schwyzer 77f. I-498-499

ἑλλέβορος, ion. ἐλ- m. ‘Nieswurz, Helleborus, Veratrum album’ (Hp., Ar., Thphr. usw.; zur Bed. Dawkins JournofHellStud. 56, 3f.). Als Vorderglied in ἑλλεβοροποσία ‘das Trinken von ἑ.’ (Hp.; von *ἑλλεβορο-πότης), ἑλλεβορο-σήματα Pflanzenname =- λειμώνιον (Ps.-Dsk. 4, 16); eig. Bahuvrihi: ‘Pflanze, die Helleborus-Symptome hervorruft’, Strömberg Wortstudien 51. Ableitungen: ἑλλεβορίνη ‘Herniaria glabra’ (Thphr., Dsk.), ἑλλεβορίτηςκενταύρειον τὸ μικρόν’ (Ps.-Dsk.), auch N. eines Weins (Dsk., Plin.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 71 und 96; denominatives Verb ἑλλεβορίζω ‘mit Nieswurz behandeln, zur Vernunft bringen’ (Hp., D. u. a.) mit ἑλλεβορισμός (Hp.). — Wahrscheinlich als "von Hirschkälbern gefressen" zu ἐλλός (ἑλλός) und βιβρώσκω (s. βορά), s. Strömberg Wortstudien 48ff. mit ausführlicher Begründung und Kritik anderer Ansichten. Das ε in der Kompositionsfrage bleibt indessen trotz der von S. herangezogenen Beispiele auffallend. I-499

ἐλλεδανοί (-ά) pl. m. (n.) ‘Strohseile zu Garben, Garbenbänder’ (Σ 553, h. Cer. 456, Hes. Sc. 291; überall ἐν ἐλλεδανοῖσι; H., Suid. -οί, -ός). — Von äol. *ἐλλέω aus *ϝελνέω ‘drehen, winden’ (s. 2. εἰλέω) mit suffixalem -δανός, evtl. über *ἐλλεδών. Solmsen Unt. 244, Schwyzer 530 mit Lit. Gewisse Bedenken bei Chantraine Gramm. hom. 1, 131. I-499

ἔλλερα Beiw. zu ἔργα Kall. Fr. 434, nach Hes. ἐχθρά, πολέμια, ἄδικα, nach Suid. φόνια, χαλεπά, κακά; Einzelheiten bei Pfeiffer z. St. — Unerklärt. I-499

Ἕλληνες pl. s. Ελλάς. I-499

Ελλήσποντος (seit Il.), m. in ältester Zeit Ben. der Propontis und der Dardanellen einschließlich eines Teils des äußeren sich nach dem Ägäischen Meere und dem Golf Melas hin öffnenden Meeres, seit dem 5. Jhdt. oft auf die Dardanellenstraße eingeschränkt, s. V. Burr Nostrum mare (Würzb. Stud. z. Altertumswiss. 4 [1932]) 11ff. Komp. ‘Ελλησποντο-φύλακες Ben. der Zollbeamten am Hellespont; Ableitungen ‘Ελλησπόντιος, -ποντιακός, f. -ποντιάς ‘hellespontisch’, ‘Ελλησποντίας, ion. -ίης (ἄνεμος) N. des Nordostwindes (vgl. Chantraine Formation 95), alles ion.-att. — Die herkömmliche Erklärung als "Meer der Helle" wird von Kretschmer Glotta 27, 29 unter Heranziehung ähnlicher Fälle gegen Burr (s. oben) mit Recht verteidigt. I-500

ἐλλός 1. s. ἔλαφος. I-500

ἐλλός 2. s. ἔλλοψ. I-500

ἔλλοψ, -οπος m. 1. poet. Beiwort von ἰχθῦς (Hes. Sc. 212), in dieser Funktion auch ἔλλοπος (Emp. 117) und ἐλλός (S. Aj. 1297, Ath. 277d); von κούρα (Theok. Syrinx 18); 2. poet. für ‘Fisch’ im allg. (Lyk., Nik., Opp. usw.); 3. Ben. eines großen, seltenen und kostbaren Fisches, der mit dem Stör verglichen oder sogar identifiziert wird (Arist.), in dieser Bedeutung gewöhnlich ἔλοψ geschrieben (Epich., Archestr., Plu., Ael. u. a.), lat. (h)elops; 4. Ben. einer Schlange (Nik. Th. 490). Denom. Verb ἐλλοπιεύω ‘fischen’ (Theok. 1, 42); zu bemerken noch ἐλλόπιδας Akk. pl. (Krat. 408 nach H.; -οδες EM 331, 53), nach H. u. a. = τοὺς στρουθοὺς ἢ νεοττοὺς ὄφεως; unklar ἀλλοπίης Beiwort von τράχουρος (Numen. ap. Ath. 7, 326a). — Von den Alten entweder als ‘stumm’ oder als ‘schuppig’ erklärt, ersteres mit ganz unmöglichen etymologischen Kombinationen. Die Bedeutung ‘schuppig’ verlangt als ursprüngliche Form ἔλλοπος aus *ἔν-λοπος, präpositionales Bahuvrihi von λοπός ‘Schale, Schuppe’; die abgekürzte Form ἔλλοψ wäre im Anschluß an andere Tiernamen auf -οψ (teilweise metri causa?) entstanden; eine neue analogische Kürzung (vgl. αἶθοψ : αἰθός) hätte endlich ἐλλός ergeben können. Zu erklären bleibt aber dann noch das einfache λ in ἔλοψ, lat. (h)elops; da diese Schreibung dem Worte in erster Linie als Bezeichnung eines bestimmten Fisches zuzukommen scheint, ist jedenfalls für ἔλοψ fremde Herkunft zu erwägen. Auch dt. Stör und lat. acipenser sind dem Ursprung nach unklar. Somit Kreuzung von einem fremden Fischnamen mit einem heimischen Adjektiv? — Vgl. Thompson Fishes s. v. und Strömberg Fischnamen 30f. I-500

ἐλλύτας (Thera), ἐλλυτίς (für -της?)· πλακοῦς τις H., εἰλύτας Akk. pl. (Böotien), ἐλύτης (Gramm.) Ben. eines Backwerks, ‘Kringel, Brezel’ o. ä. — Zu εἰλύω (s. d.), u. z. entweder vom Verbalstamm (ϝ)ελυ- oder vom Präsensstamm ϝελνυ- oder Perfektstamm ϝεϝλῡ- zu (ϝ)ελλυ-, (ϝ)ειλυ-. Anderer Versuch, mit den wechselnden Formen zurechtzukommen, bei Solmsen Unt. 240. S. noch Bechtel Dial. 1, 304. I-500-501

ἕλμις (Arist.), Gen. ἕλμινθος (wozu neuer Nom. ἕλμινς Hp.), auch ἕλμιγγος usw., daneben Akk. ἕλμιθα (epid.), Nom. pl. ἕλμεις (Dsk.) f. ‘Eingeweidewurm, Schmarotzerwurm’ (Hp., Arist., Thphr. usw.); neugr. Formen bei Rohlfs ByzZ 37, 56f. Als Vorderglied in ἑλμινθο-βότανον ‘Heilkraut gegen Würmer’ (Mediz.). Ableitungen: ἑλμίνθ-ιον (Deminutivum), -ώδης ‘wurmähnlich’, -ιάω ‘von W. leiden’ (Hp., Arist.). — Bei Abtrennung der sekundären Dental- und Gutturalerweiterungen (Schwyzer 510 und 498, Chantraine Formation 366 und 400) ergibt sich ein Wort, das im Ausgang mit zwei anderen Benennungen für ‘Wurm’ übereinstimmt. Eine von ihnen hat eine sehr weite Verbreitung mit Vertretern im Indoiranischen (z. B. aind. kŕ̥mi-), Albanesischen (krimp), Baltischen (z. B. lit. kirmìs), Slavischen (z. B. aksl. črъmьnъ ‘rot’ von *črъmь, slov. čr̂m ‘Fingerwurm, Karbunkel’), Keltischen (z. B. air. cruim). Die andere ist wesentlich auf das Latein (vermis) und das Germanische (z. B. got. waurms) beschränkt, hat aber Ableger im Baltisch-Slavischen (z. B. apr. vormyan ‘rot’, aruss. vermieἀκρίδες’) und im Griechischen (böot. EN ϝάρμιχος; vgl. noch, mit anderer Bildungsweise, ῥόμος· σκώληξ ἐν ξύλοις H.). Von diesen scheint idg. *qr̥mi- sowohl wegen der großen Verbreitung, namentlich in den Randgebieten, wie wegen seiner etymologischen Undurchsichtigkeit das älteste zu sein (vgl. Porzig Gliederung 208f.). Das Reimwort *u̯r̥mi- kann durch Angleichung an ein verschollenes Verb *u̯er- ‘drehen, biegen’ (vgl. zu ῥόμος und ῥατάναν) entstanden sein. Eine weitere Neuerung hat das Griechische durch die Eingliederung in die in dieser Sprache stark vertretene Sippe u̯el- ‘drehen, winden’ (s. 2. εἰλέω) vorgenommen, die u. a. noch zwei Wörter für ‘Wurm’ enthält, εὐλή und ϝάλη (geschr. ὑάλη); aus Tocharisch A kommt noch hinzu walyi pl. ‘Würmer’. — Eine unklare Umbildung liegt in λίμινθες· ἕλμινθες. Πάφιοι vor. I-501

ἑλξίνη, ἑλξῖτις s. ἕλκω. I-501

ἕλος n. ‘feuchte Wiese, sumpfige Niederung, Marschland’ (seit Il.); nach H. ἕλη· σύνδενδροι τόποι (vgl. unten zur Etymologie). Als Vorderglied thematisch erweitert in ἐλεό-θρεπτος ‘auf feuchten Wiesen erwachsen’ (Β 776, Nik.; Beiwort von σέλινον), ἑλεο-σέλινον ‘Sumpfeppich’ (Thphr., Dsk.), auch ἑλειο- durch Zusammenrückung aus ἕλειον σέλ.; auch in ἑλειο-βάτης ‘durch Sümpfe gehend, in Sümpfen wohnend’ (A. Pers. 39 [anap.]) u. a.; von τὰ ἕλεια oder mit metrischer Dehnung; — mit Elision in ἑλεορέω ‘Wiesenaufseher (Waldaufseher? s. u.) sein’ (Erythrae IVa), von *ἑλεο-(ϝ)όρος. Unklar ἑλεσπίδας (s. d.); vgl. noch ἑλίχρυσος. Ableitungen: ἕλειος ‘sumpfig’ (ion. att.), ‘Ελεία Bein. der Artemis (Kos), ἑλώδης ‘sumpfig’ (Hp., Th. u. a.), ἑλείτης ‘in Sümpfen wachsend’ (Dion. Byz.), auch Bein. des Apollon (Kypros; vgl. Redard Les noms grecs en -της 12, 24, 208; zur Bildung noch Schwyzer 500 m. Lit.); ἑλει-ήτης (λέων Kall. Fr. an. 88). — Altererbtes Wort, mit aind. sáras- n. ‘Teich’ identisch, idg. *sélos; ἕλειος = aind. sarasíya-. Dagegen bleiben sowohl lat. silva wie ὕλη fern (trotz der Erklärung bei H. und trotz thess. ὑλορέων neben erythr. ἑλεορέων; dazu Wahrmann Glotta 19, 165); vgl. W.-Hofmann s. silva. I-501-502

ἔλπομαι, ep. auch ἐέλπομαι, Perf. (mit Präsensbed.) ἔολπα, Plusquamperf. ἐώλπει (für *(ἐ)(ϝ)ε(ϝ)όλπει, s. unten und Debrunner Mus. Helv. 2, 199, Chantraine Gramm. hom. 1, 479f. mit Add. et corr.) ‘erwarten, hoffen, meinen’ (ep. poet. seit Il., Hdt.); Akt. ἔλπω ‘hoffen machen’ nur β 91 = ν 380 πάντας μὲν (ϝ)έλπει. Als Hinterglied in dem negierten Verbaladjektiv ἄ-ελπ-τος ‘unerwartet, unverhofft, ohne Hoffnung’ mit ἀελπτ-ία, -έω (ep. ion. poet. seit Il.), auch ἀ-ελπ-ής (ε 408); als Vorderglied in ’Ελπ-ήνωρ (Od.; zur Bildung Schwyzer 441, zur Frage der "Bedeutung" Sommer Nominalkomp. 175 m. Lit.). Verbalnomina: 1. ἐλπωρή ‘Hoffnung’ (Od., A. R.; für -ωλή; vgl. Porzig Satzinhalte 235); 2. ἐλπίς, -ίδος f. ‘Erwartung, Hoffnung’ (seit π 101 = τ 84; vgl. Porzig 353; zur Bedeutung Martinazzoli Stud. itfilclass. 1946, 11ff.) mit εὔ-, ἄν-ελπις u. a.; denominatives Verb ἐλπίζω ‘erwarten, hoffen, meinen’ (ion. att.; kann auch Erweiterung von ἔλπομαι sein, vgl. Schwyzer 735 A. 4; ἐλπίς dann postverbal) mit ἐλπιστικός, ἐλπισμός, ἔλπισμα (Arist., hell. u. spät). — Zu ἐλπίς, ἔλπομαι usw. s. auch Myres ClRev. 63, 46. — Zu dem primären thematischen Wurzelpräsens (ϝ)έλπομαι, ἐ-(ϝ)έλπομαι (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 133 und 182) und dem alten aktiven Zustandsperfekt (ϝ)έ(ϝ)ολπα bieten die anderen Sprachen kein Gegenstück; ein hierhergehöriges Verbaladjektiv wird aber in lat. volup(e) in volup(e) est ‘es ist mir angenehm’ (Kom.; davon volup-tas) vermutet, das dann mit unaufgeklärtem Sproßvokal idg. *u̯olp-i- oder *u̯l̥p-i- (vgl. τρόχις bzw. turpis und Brugmann Grundr.2 2 : 1, 167ff.), evtl. auch *u̯elp-i- vertreten muß. Aus dem Griechischen werden noch herangezogen ἄλπνιστος und ἁρπαλέος (s. dd.). — Neben ϝελπ- steht ϝελδ- in (ϝ)έλδομαι; beide können auf u̯el- in lat. vel-le, dt. wollen usw. (WP. 1, 294f.) zurückgehen. Der Dental mag präsensbildend sein; die Funktion des Labials bleibt unbekannt. I-502-503

ἔλπος · ἔλαιον, στέαρ, εὐθηνία; ἔλφος· βούτυρον. Κύπριοι H. Daneben ὄλπη ‘Ölflasche’ (Achae. [Va], Theok. usw.), ὄλπις, -ι(δ)ος f. ‘Weinkanne’ (Sapph.), ‘Ölflasche’ (Theok., Kall.); zur Bedeutung u. a. Bechtel Dial. 1, 123 und 209. — Keine Zusammensetzungen oder Ableitungen. — Altes Wort für ‘Fett, Schmalz’ u. dgl. Bis auf den Akzent und den Vokal der Endsilbe stimmt ἔλπος, wenn psilotisch für *ἕλπος, zu aind. sarpíṣ- n. ‘Schmelzbutter, Schmalz’ (unsichere Vermutung über den Stammwechsel bei Specht Ursprung 298). Toch. B ṣalype, A ṣälyp ‘Fett, Öl’ kann, obwohl im Auslaut nicht eindeutig, mit ἔλπος sogar identisch sein. Idg. *selp- liegt noch in alb. gjalpë ‘Butter’ vor. Zu ὄλπη stimmt bis auf den Akzent ahd. salba, ags. sealf ‘Salbe’ (idg. *solpā́; zu ἔλπος : ὄλπη vgl. z. B. τέγος : lat. toga); davon das denominative got. ahd. salbōn ‘salben’ usw. Zu ὄλπις vgl. das synonyme κάλπις; die Bedeutung von ὄλπη gegenüber germ. salbe ist bemerkenswert. — Für sich steht mit Schwundstufe aind. sr̥prá- ‘schmierig, schlüpftig, geölt’, wohl zunächst von einem r-Stamm. — Kypr. ἔλφος kann auf Hauchversetzung beruhen (Bechtel Dial. 1, 402); Bq erinnert an ἄλειφα neben λίπος. Nach Specht Ursprung 260 erklären sich ἔλπος : ἔλφος aus einem idg. Wechsel p ~ ph (?). I-503

ἐλύδριον n. = χελιδόνιον, ‘Schellkraut’ (Pap.). — Bildung auf -ύδριον (Chantraine Formation 72f.), wohl von ἕλος; somit nach dem Standort benannt. I-503

ἔλυμος 1. N. einer phrygischen Pfeife s. εἰλύω. I-503

ἔλυμος 2. f. (m.) ‘Hirse’ (Hp., Ar., hell. u. spät). Bei H. auch ἔλεμος· σπέρμα ὅπερ ἕψοντες Λάκωνες ἐσθίουσιν. Keine Komposita oder Ableitungen. — Kulturwort unbekannter Herkunft (vgl. Schwyzer 494). Die Zusammenstellung mit ὄλυραι ‘Speltkörner’, οὐλαί ‘geschrotetes Getreide’ (Fick) oder gar mit ἀλέω ‘mahlen’ (J. Schmidt KZ 32, 382) steht auf sehr schwachen Füßen, s. WP. 1, 89 Anm. 1. Weitere zweifelhafte oder unhaltbare Kombinationen bei Prellwitz und Bq s. v. I-503

ϝελχανος Beiname des Zeus auf Kreta (Inschr., H.). Davon das Fest ϝελχάνια pl. (Βελ-, Lyttos) und der Monat ’Ελχάνιος (Knossos, Gortyn), auch PN (Kypros). — Von Sittig KZ 52, 202 mit rät. velχanu- identifiziert; die große formale Ähnlichkeit mit dem lat. Feuergott Volcanus ist schon längst beobachtet. Einen Versuch, den italischen Feuergott aus dem kretisch-pelasgischen Vegetationsgott zu erklären, macht Kretschmer Glotta 28, 109f., 30, 172f. Forrer Rev. hitt. et as. 1, 144ff. will den ϝελχανος auf kleinasiatischem Boden in den angeblichen "Valḫanasses-Riesen od. -Götter" (immer ideographisch dGUL-šeš geschrieben) wiederfinden; die fraglichen Riesen sind aber vielmehr als Schicksalsgöttinnen aufzufassen; s. Friedrich Heth. Wb. 275 Sp.2 m. Lit. — Über Bedeutung und Herkunft dieses offenbar vorgriechischen Wortes ist nichts bekannt. Weitere Lit. bei W.-Hofmann s. Volcanus und bei Nilsson Gr. Rel. 323 A. 2. I-503-504

ἕλωρ, ἑλώρια s. ἑλεῖν. I-504

ἐμβάδες f. pl. N. sandalenartiger Schuhe aus Filz od. Leder (Hdt., Ar. usw.). Davon das Deminutivum ἐμβάδια pl. (Ar.) und ἐμβαδᾶς "Flickschuster" Spitzname des Gerbers Anytos (Kom.; Björck Alpha impurum 50). — Von ἐμβαίνω nach den Nomina auf -άς, -άδος wie z. B. δικλίδες (s. d.) von κλίνω; dazu Schwyzer 507. In ähnlicher Bedeutung auch ἐμβά-ται (X., Luk. u. a.). I-504

ἔμβρυον s. βρύω. I-504

ἐμέ, enkl. με Akk. ‘mich’, ἐμοί (dor. phok. ἐμίν), enkl. μοι Dat. (auch Gen.) ‘mir’ (‘meiner’); dazu wechselnde Genetivformen: ion. usw. ἐμέο (hom. auch ἐμεῖο), ἐμεῦ, μευ, att. kontr. ἐμοῦ, μου; dor. auch ἐμέος, ἐμεῦς usw.; lesb. hom. usw. ἐμέθεν; weitere Formen bei Schwyzer 602. Pron. ‘mich, mir’ — Altererbtes Pronomen mit entsprechenden oder ähnlichen Formen in mehreren Sprachen: zu με vgl. lat. mē, aind. mā, got. usw. mi-k (nach ik ‘ich’; nicht = *μέ γε), idg. *mē̆; μοι = aind. mē, lat. mī (als Vokativ gebraucht), altlit. -mi usw.; ἐμέ, ἐμοί nach ἐγώ (wie arm. im ‘mei’ u. a.); ἐμίν nach ἁ̄μίν usw. Die Genetive sind alle Neubildungen: ἐμέο (woraus ἐμεῖο durch Analogie oder metr. Dehnung) nach τέο usw. (s. τίς), dazu ἐμέο-ς, ἐμέ-θεν (wie οἴκο-θεν usw.). — Durch Adjektivierung von ἐμέ usw. entstand das Possessivum ἐμός ‘meus’; ebenso aw. ma-, heth. -miš, lat. meus. — Einzelheiten mit reicher Lit. bei Schwyzer 601ff.; s. auch W.-Hofmann s. meus. I-504

ἐμέω, Aor. ἐμέσ(σ)αι (seit Il.), Perf. ἐμήμεκα (Hp., Luk. u. a.), Fut. ἐμέσω (Hp.), ἐμῶ, ἐμοῦμαι (att.), Präs. ἐμέθω (Hdn.) ‘sich erbrechen’. Mit Präfix ἀπ-, ἐξ-, ἐν-, ὑπερ- u. a. Verbalnomina: 1. ἔμετος ‘das Erbrechen’ (ion., Arist.) mit den Bahuvrihi ἀν-, δυσ-, εὐ-έμετος, -ήμετος (Hp. u. a.; auch, mit direkter Anknüpfung an ἐμέω, δυσ-, εὐ-εμής, -ημής), κοπριήμετος (Hp.); zu ὑπερεμέω : ὑπερέμετος (Hp.). Von ἔμετος : ἐμεσία ‘Neigung zum Erbrechen’ (Hp.), ἐμετ-ικός, -ώδης, -ήριος, -ιάω (Hp., Arist. u. a.). 2. ἔμεσις und 3. ἔμεσμα ‘ds.’ (Hp.). 4. ἐμίας "Speier" (Kom.; vgl. Chantraine Formation 93). — S. noch ἐμύς und περιημεκτέω. — Gegenüber dem zweisilbigen thematischen ἐμέ-ω steht im Aind. das ebenfalls zweisilbige athematische vámi-ti; auch in lat. vomit, vomimus u. a. (neben vomi-tus) können alte zweisilbige athematische Formen stecken, die indessen dann durch den Zusammenfall mit reg-i-mus als thematisch umgedeutet wurden. Nach Specht KZ 63, 213f.; 66, 211 trat ἐμέ-ω aus rhythmischen Gründen an die Stelle von *ἔμε-μι = vámi-mi ( ̆ ̆ ̆) nach ἐμέ-σαι ein. Die zweisilbige Wurzel wird noch durch lit. vémti (mit neugebildetem Jotpräsens vemiù) erwiesen. Die Sippe ist auch im Nordgermanischen, aber nur in übertragener Bedeutung, vertreten, z. B. aschw. vami m. ‘Ekel’. — Das Fehlen des Digamma bei Hom. ist nicht befriedigend erklärt. Specht KZ 59, 118f. vermutet mit L. Meyer Dissimilation aus ϝεμ-; Schwyzer 222 A. 5 ist geneigt, in ἐμέω ein Element der lebenden Sprache zu sehen, das sich der epischen Tradition entzogen hätte (vgl. ἱδρώς, auch δίφρος). I-504-505

ἔμμᾱνις s. μῆνις. I-505

ἐμμαπέως Adv. ‘sofort, rasch’ (ep. seit Il.). — Zu *ἐμμαπής ‘zugreifend’ von *ἐμ-μαπεῖν, s. μαπέειν. I-505

ἐμματέω s. ματεύω. I-505

ἔμμοτος s. μοτός. I-505

ἐμπάζομαι nur Präs. (und Impf.) ‘sich um etwas kümmern, auf etw. achten’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa; fast immer mit Negation); Akt. κατ-εμπάζω ‘ergreifen’ (ὁπόταν χρειώ σε κατεμπάζῃ Nik. Th. 695). — Ohne befriedigende Etymologie. Die formal naheliegende Anknüpfung an ἔμπης ‘jedenfalls usw.’ (s. d.) ist semantisch schwer zu begründen. Wegen des schwed. Ausdrucks für ‘auf etw. achten, sich um etw. kümmern’ fästa sig vid något eig. "sich an etw. feststecken, heften" könnte vielleicht ein ursprüngl. *ἐμ-πάγ-ι̯ομαι, zu ἐμ-πᾰγῆναι (ion. πᾰκ-τός, πᾰκτοῦν) ‘in etw. stecken bleiben’, Akt. ‘feststecken, -halten’ in Betracht kommen. — Jedenfalls nicht mit Lagercrantz KZ 34, 392ff. aus *ἔμπω zu μαπέειν ‘greifen’ (formal unmöglich). Unklar bleibt ἐμπαστῆρας μύθων· πιστωτάς, μάρτυρας H. I-505

ἔμπαιος 1. ‘erfahren, vertraut, geschickt’ (υ 379, φ 400; Lyk. 1321). — Nicht sicher erklärt. Nach Schwyzer 467 A. 6 und 620 von ἔμπης im hypothetischen Sinn von *‘voll verfügend’ (zu ἐμ-πάομαι, s. πάομαι). Ähnlich schon Collitz BB 18, 212 m. A. 2. Anders Lagercrantz KZ 34, 395; s. auch Sommer Lautstud. 80f. I-505

ἔμπαιος 2. ‘hereinbrechend’ (A. Ag. 187 [lyr.], auch Emp. 2, 2?). — Von ἐμπαίω ‘hereinbrechen’ (S. El. 902; s. παίω) mit Anschluß an die Komposita mit thematischem Hinterglied (Schwyzer 452 : 2). I-505-506

ἔμπεδος ‘fest stehend, unerschütterlich’ (seit Il.). Als Vorderglied u. a. in mehreren Eigennamen, z. B. ’Εμπεδο-κλῆς, s. Bechtel Hist. Personennamen 152f. Denominativum ἐμπεδόω (ἐμπεδέω Elis) ‘befestigen, bestätigen, unverbrüchlich halten’ (att. usw.) mit ἐμπέδωσις (D. H.). — Erweiterte Form ἐμπέδιος (Kyme). — Hypostase aus ἐν πέδῳ ‘im Boden (stehend)’; s. πέδον. I-506

ἔμπειρος ‘erfahren, kundig’ (ion. att.) mit ἐμπειρία, ἐμπειρικός und dem seltenen Denominativum ἐμπειρέω ‘erfahren sein’ (hell.); ἐμπειράομαι ‘erproben’ (Hp., Form und Bedeutung nach πειράομαι). Poetische Erweiterung ἐμπείραμος = ἔμπειρος (Lyk., AP u. a.; Vorbild?) mit der metrischen Variante ἐμπέραμος (Kall., poet. Inschr. u. a.). — Auch ἐμπερής (S. Fr.; nach ἐντελής usw.). — Bahuvrihikompositum von πεῖρα (s. d.) mit besitzanzeigendem ἐν-: ‘mit πεῖρα ausgerüstet’; Gegensatz ἄ-πειρος. Vgl. Strömberg Prefix Studies 115. I-506

ἔμπης, dor. ἔμπᾱς, auch ἔμπαν, ἔμπᾰ ‘jedenfalls, tatsächlich, durchaus, gleichwohl’ (ep. seit Il., Pi., Trag., sp. Prosa). — Herkunft unsicher. Nach Brugmann IF 27, 274ff. eig. Nom.-Akk. n. ‘Gültigkeit, Wirklichkeit, Wahrheit’, zu el. ἐμπάω (ἐμπῷ, ἐπ-εμπήτω) ‘(eine beschlossene Strafe) zur Geltung bringen, realisieren, vollstrecken’, πέπᾱμαι, πᾶς usw. Ähnlich Hirt IF 32, 221 und WP. 1, 366. — Die Gleichsetzung von ἐμ- mit idg. sem- in εἷς (Schwyzer 620) hat wenig für sich. — ἔμπᾰ wie ἠρέμᾰ, ἀτρέμᾰ; ἔμπαν (ᾱ od. ᾰ) wie ἅπαν (Brugmann a. a. O.); vgl. noch Björck Alpha impurum 123f. I-506

ἐμπίς, -ίδος f. ‘Stechmücke’ (Ar., Arist. u. a.). — Volkstümliche Rückbildung aus ἐμπίνειν ‘sich voll (von Blut) trinken’, vgl. z. B. δικλίδες zu κλίνειν. Strömberg Wortstudien 14 (s. auch Prellwitz Glotta 16, 153) mit ausführlicher Begründung. Ältere Deutungen, alle verfehlt, bei Strömberg und Bq. I-506

ἐμπλατία nur ark. ἰμπ- f. Ben. eines Kuchens (IG 5 [2], 4; IVa). — Wohl zu πλάτος ‘Breite’, zunächst als Abstraktum von ἐμπλατής (nur Anon. in Tht. 30, 1) oder mit Beziehung auf ἐμπλατύνειν ‘ausbreiten’ (LXX usw.). — Vgl. zu πέλανος. Eine ähnliche Bildung ist ἐπίπλατορ· πλακοῦντος εἶδος H. I-506

ἔμπλην Adv. 1. ‘nahe (da)bei’ (Β 526, Hes. Sc. 372, Lyk. 1029); 2. ‘außer’ (Archil., Kall., Nik.). — Verbindung von ἐν und πλήν, eig. Akk. sg. eines Wurzelnomens der Bed. ‘Nähe’, also eig. ‘in die Nähe (von)’, dann wie πλήν auch ‘außer’. Vgl. πλήν und Schwyzer 625. I-506

ἐμποδών Adv. ‘vor den Füßen, im Wege, hinderlich’ (ion. att.). Selten und spät ἐπ-, παρ-εμποδών. Als Vorderglied in ἐμποδοστάτης ‘der im Wege steht’ mit ἐμποδοστατέω (hell. u. sp.). Davon ἐμπόδιος ‘im Wege stehen’ (ion. att.); denominatives Verb ἐμποδίζω ‘im Wege stehen, verhindern’ (att.), selten ‘(die Füße) fesseln, binden’ (Hdt., A.) mit Beziehung auf πούς; davon ἐμπόδισις, -ισμός, -ισμα ‘Verhinderung, Hindernis’, -ιστής, -ιστικός; auch παρ-εμποδίζω (Luk.) mit παρεμποδισμός. — ἐμποδεῖαι pl. ‘Hindernisse’ (Epikur.) nach den Nomina auf -εία. — Analogiebildung nach dem Oppositum ἐκποδών, s. d. Nicht mit Brugmann4 452 aus ἐν ποδῶν ‘im Bereich der Füße’ (Gen. des örtlichen Bereiches). I-507

ἐμπολή (ark. ἰνπολα, IVa) f. ‘Handel, Handelsware, Kauf, Gewinn’ (Pi., att. usw.). Komp. ἀπεμπολή s. unten. Zu bemerken noch ἐμπέλωρος· ἀγορανόμος H. (wohl für ἐμπολ-; anders Chantraine, s. u.). — Davon ἐμπολαῖος ‘zum Handel gehörig usw.’, Bein. des Hermes (Ar. u. a.), ἐμπολεύς ‘Einkäufer’ (AP; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 74). Denominatives Verb ἐμπολάω -άομαι, Impf. ἠμπόλων, Aor. ἠμπόλησα (ἐνεπόλησα Is.), ἠμπολήθην, Perf. ἠμπόληκα (ἐμπεπόληκα Luk.), ἠμπόλημαι ‘handeln, sich erhandeln, einkaufen, verkaufen, gewinnen’ (seit Od.). Auch mit Präfix: ἀπ-, δι-, ἐξ-, παρ-, προσ-. Ableitungen: ἐμπόλημα ‘Ware, Gewinn’ (S., E., Thphr.), (ἀπ-)ἐμπόλησις (Hp., Poll.), ἀπεμπολητής ‘Verkäufer’ (Lyk.); postverbal ἀπεμπολήν· ἀπαλλαγήν, πρᾶσιν, ἐμπορίαν H. — Neben ἐμπολάω auch das seltene (ἐξ-)ἐμπολέω ‘ds.’ (Herod., J. u. a.). Bildung wie ἐντολή, ἐντομή usw. und somit auf ein Verb *ἐμπέλω, -ομαι (bzw. mit einem besonders charakterisierten Präsens) zurückgehend. Zum Vergleich eignet sich in erster Linie das dehnstufige Iterativum πωλέω ‘verkaufen’. Auch ἐμπολάω könnte übrigens an und für sich als deverbativ erklärt werden, aber die augmentierten und reduplizierten Formen erweisen es als ein Denominativum, das das primäre Verb verdrängt hat. Immerhin hat ἐμπολάω, -άομαι sein Grundwort semantisch beeinflußt. — Die landläufige Anknüpfung an πέλομαι, -ω eig. ‘drehen, wenden, sich bewegen’ liegt formal sehr nahe und ist semantisch denkbar; ἐμπολή wäre dann eig. s. v. a. ‘Verkehr’. Anderseits besitzt das Idg. ein altes Wort für ‘verkaufen, verdienen usw.’, das in mehreren nominalen Ableitungen im Altindischen, Baltisch-Slavischen und Germanischen vorliegt, z. B. aind. paṇa- m. ‘Wette, Lohn’ (mit paṇate ‘wetten, einhandeln, kaufen’), lit. pel̃nas ‘Verdienst, Lohn’, ahd. fāli, ano. falr ‘verkäuflich, feil’; auch πωλέω wird hierher gezogen und somit von ἐμπολή getrennt, was, obwohl möglich, jedoch gewisse Bedenken erweckt. Eine sichere Entscheidung ist schwierig. Vgl. Schwyzer 720 A. 8. Ausführlich über ἐμπολή, ἐμπολάω Chantraine Rev. de phil. 66, 11ff. mit abweichendem Deutungsvorschlag (πελάζω, πέλας usw.). Ältere Lit. bei Bq. I-507-508

ἔμπορος m. ‘wer auf einem (fremden) Schiffe fährt, Passagier’ (Od.), ‘Reisender’ im allg. (B., Trag.), gew. ‘Kauffahrer, -mann’ (ion. att.; zur Bedeutungsabgrenzung gegenüber κάπηλος, ναύκληρος Finkelstein ClassPhil. 30, 320ff.). Zahlreiche Kompp., z. B. συν-, οἰν-, μικρ-έμπορος. — Ableitungen: ἐμπορία ‘(See-, Groß-)handel’ (seit Hes.), ἐμπόριον ‘Handelsplatz’ (ion. att.), ἐμπορικός ‘zum Kaufmann oder Handel gehörig’ (Stesich., ion. att.; vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. grec 115); denominatives Verb ἐμπορεύομαιἔμπορος sein, reisen, Handel treiben’ (ion. att.), auch ‘überlisten’ (2 Ep. Pet. 2, 3), mit ἐμπόρευμα, -εῖον, -ευτικός. — Hypostase aus ἐν πόρῳ (ὤν), "auf der (Über)fahrt (seiend)"; s. πόρος und Porzig Satzinhalte 258. — Ngr. ἐμπορῶ ‘ich kann’ steht für εὐπορῶ, s. Hatzidakis Glotta 22, 131f. I-508

Ἔμπουσα Ben. einer volkstümlichen Spukgestalt (Ar., D.); vgl. Nilsson Gr. Rel. 725 und 817. — Unerklärt. Solmsen KZ 34, 552ff., dem sich Specht KZ 63, 221 anschließt, vermutet Zusammenhang mit κατ-εμπάζω, ἐμπάζομαι (s. d.); vgl. Chantraine Formation 269. Verfehlt Dumézil BSL 39, 100 (zu arm. ambewt ‘Maulwurf’). I-508

ἔμπροσθε(ν), ἔμπροσθα s. πρόσθεν. I-508

ἐμπυριβήτης, -ου m. ‘der im Feuer steht’, Ben. eines τρίπους Ψ 702. — Zusammenbildung aus dem Präpositionsausdruck ἐν πυρί und βῆ-ναι mittels des τη-Suffixes; vgl. Schwyzer 452. Dafür πυριβήτης Arat. 983, archaisierendes Simplex. — Zur Sache Bromner Hermes 77, 366f. I-508

ἐμύς, -ύδος f. ‘Süßwasserschildkröte’ (Arist.). — Zur Bildung Chantraine Formation 126 und 347; Herkunft unsicher. Vermutung bei Sommer Lautstud. 100: von ἐμέω wegen der Gewohnheit des Tieres, während des Aufenthalts unter dem Wasserspiegel beim Ausatmen beständig Luftbläschen an die Oberfläche steigen zu lassen. — Keltische Kombination bei Stokes BB 21, 132. I-508

ἔμφωτον (-ος) ‘Hohlraum’ (Hero Stereom. 1, 55). — Eig. ‘Lichtraum’, Hypostase oder Bahuvrihi von ἐν und φῶς; in derselben (oder einer ähnlichen) Bed. steht ebd. auch ἀήρ ‘Luft’. I-508

ἔν, ἔνι Adv. und Postposition, ἐν, poet. ἐνί Präposition, metr. gedehnt εἰν(ί), ark. kypr. kret. ἰν ‘darin, in’ (seit Il.); als Präp. gewöhnlich mit Dat. (Lok.), um die Ruhelage oder das erreichte Ziel zu bezeichnen; nwgr., el. ark. kypr. thess. böot. auch mit richtungsbezeichnendem Akk. (die übrigen Dialekte dafür ἐν + ς, s. εἰς). — Altes Adverb, in mehreren Sprachen als Adverb oder Präposition erhalten: alat. en (> in), osk.-umbr. en, germ., z. B. got. in, kelt., z. B. air. in, balt., z. B. apreuß. en, arm. i usw., idg. *en, *eni (wie ἔπι, πέρι u. a., mit dem Lok. auf -i identisch?), s. WP. 1, 125f., Pok. 311f.,W.-Hofmann s. 2. in mit weiteren Formen und Lit. — Ob im α copulativum auch ein schwundstufiges - ‘darin, zusammen mit’ steckt (vgl. s. v. und zu ἀλέγω), ist unsicher; vgl. zuletzt, mit kühnen Hypothesen, Winter Lang. 28, 186ff. Einzelheiten mit reicher Lit. bei Schwyzer-Debrunner 454ff.; auch Porzig Satzinhalte 151ff. — Über ἔνι als Kopula (sicher erst vom V-VIp), woraus ngr. εἶναι (εἶνι, ἔνι usw.) ‘ist, sind’, Debrunner Mus. Helv. 11, 57ff. m. Lit. I-508-509

ἔναγχος Adv. ‘neuerdings, jetzt, vor kurzem’ (att.). — Von ἐν und ἄγχι, aber im einzelnen unklar. Zu ἐν- vgl. ἔμ-πλην, ἔμ-παλιν, ἔν-αντι u. a.; der Ausgang -ος erinnert an πάρος, ist aber nicht befriedigend erklärt. Nicht überzeugend Schwyzer 633 : aus *ἀγχος Gen. zu ἄγχι mit verstärkendem ἐν. I-509

ἐναλίγκιος s. ἀλίγκιος. I-509

ἔναντα, ἔναντι, ἐναντίος s. ἄντα und ἀντί. I-509

ἐναντίβιον Adv. ‘feindlich gegenüberstehend, entgegen’ (Hom.), -βιος Adj. (AP). — Aus ἐναντίον und ἀντίβιον gemischt (Leumann Hom. Wörter 338); letzteres eig. entweder aus *ἀντὶ βίης ‘der Gewalt entgegentretend’ hypostasiert oder als Bahuvrihi ‘mit der Gewalt gegenüber’; auch im Fem. ἀντιβίην (wie ἀμφαδίην u. a.) und als Adj. ἀντί-βιος (vgl. ἀμφάδιος). -Anders, schwerlich richtig, Leumann Hom. Wörter 206f. I-509

ἔναρα n. pl. ‘Waffen eines gefallenen Gegners’ (Il., Hes. Sc. 367, S. Aj. 177 [lyr.]). — Nicht sicher erklärt. Von Schwyzer IF 30, 440f. mit aind. sánara-, ἅπ. λεγ. (RV. 1, 96, 8) unsicherer Bedeutung, gleichgesetzt. Die weitere Anknüpfung an aind. sanóti ‘gewinnen’ (vgl. ἄνυμι) muß dabei für ἔναρα auf eine ursprüngliche Bed. ‘Gewinn, (Kriegs)beute’ führen. Auch frühere Forscher (Prellwitz, Bechtel Lex.) haben an Zusammenhang mit sanóti gedacht. Über den Vergleich mit mir. inar ‘Tunika’ (Pedersen) s. WP. 2, 5. — Zur Stammbildung (urspr. r-n-Stamm?) Schwyzer 518 m. Lit.; zur Bed. usw. auch Trümpy Fachausdrücke 86ff. S. auch ἔντεα. Als Vorderglied in ἐναρο-κτάντας, Beiwort des Todes (A. Fr. 151 [lyr.]), ἐναρη-φόρος ‘die ἔ. wegtragend’ (APl.); daneben ἐναρσ-φόρος Bein. des Ares (Hes. Sc. 192), auch Heroenname (Alkm.) mit σ vor der Kompositionsfuge nach ἐγχεσπάλος (Leumann Glotta 15, 155f., Schwyzer 336). Denominative Verba: 1. ἐναίρω, Aor. ἐναρεῖν (ἐξ- Hes. Sc. 329) eig. ‘die ἔ. wegnehmen’, euphemistisch für ‘erlegen, töten’ (poet. seit Il.); davon ἐναρί-μβροτος ‘Männer erlegend’ (Pi.; nach φθεισί-μβροτος); 2. (jünger) ἐναρίζω, Aor. ἐναρίξαι (poet. seit Il.; bei Hom. öfter ἐξ-; auch ἀπ-, ἐπ-, κατ-) ‘ds.’. I-509-510

ἐναργής, -ές ‘klar, sichtbar, erkennbar, leibhaftig’ (seit Il.); zur Bed. Mülder RhM 79, 29ff. Davon ἐνάργεια ‘Klarheit usw.’ (Pl., hell.), ἐνάργημα ‘äußere Erscheinung’, auch im Plur. -ήματα ‘erkennbare Tatsachen’ (hell.; zum Typus Chantraine Formation 190); auch ἐναργότης (Poll.); erweiterte Adj.-form ἐναργώδης (Aret.). — Bildungen wie ἐν-τελής zu τέλος erweisen für ἐν-αργής als Hinterglied einen σ-Stamm *ἄργος ‘Glanz’, der auch in ἀργεστής und ἀργεννός zu verspüren ist (s. 1. ἀργός und Schwyzer 512). Die Beurteilung von ἐναργής ist sonst strittig, aber am ehesten ist es als ein Bahuvrihi mit adverbalem Vorderglied zu verstehen: ‘mit ἄργος dabei, von Glanz umgeben’. Strömberg Prefix Studies 118f.; anders Sommer Nominalkomp. 108. S. auch Fraenkel Nom. ag. 1, 143, Specht Ursprung 345. I-510

ἐνάτηρ s. εἰνατέρες. I-510

ἐναυλίζομαι s. 2. ἔναυλος. I-510

ἔναυλος 1. m. ‘Flußbett, Gießbach’ (Il.); nachhom. ‘Höhle, Grotte, Schlucht’ (Hes., h. Ven. 74, 124, E. in lyr.), auch im Meer (Opp.). — Eig. ‘mit αὐλός (s. d.) versehen’, u. z. wie αὐλών ‘höhlenartige Gegend, Schlucht usw.’ von αὐλός im Sinn von ‘hohler Gegenstand, Röhre’; auf den nachhom. Gebrauch mag das anklingende αὐλή eingewirkt haben. Zur Bed. ‘Gießbach’ vgl. die analoge Entwicklung bei χαράδρα (eig. zu χέραδος). I-510

ἔναυλος 2. Attribut von στίβος als Gegensatz zu θυραῖος (S. Ph. 158 [lyr.]), also Hypostase von ἐν αὐλῇ (ὤν) ‘im Hofe befindlich, zu Hause’; auch als Attribut von λέοντες ‘in Höhlen wohnend’ (E. Ph. 1573 [lyr.]). — In derselben Bedeutung auch ἐναύλιος mit dem Subst. ἐναύλιον ‘Aufenthaltsort’ (hell. u. spät). — Dagegen ist ἐναυλίζομαι, -ω ‘sein Lager wo nehmen, übernachten’ (ion. att.) mit ἐναύλισμα, ἐναυλιστήριος (spät) eher als ἐναυλίζομαι zu verstehen; ebenso ἐν-αυλοστατέω ‘eine Hürde einrichten’ (SIG 685, 82, Itanos 139a: μήτε ἐννέμηι μήτε ἐναυλοστατῆι) neben αὐλοστατέω (Kreta IIIa). I-510

ἔναυλος 3. Adj. ‘mit Flöte versehen, auf der Flöte begleitet, in die Ohren klingend, in frischem Gedächtnis’ (att., hell. u. sp.). — Bahuvrihikomp. von αὐλός und adverbalem ἐν. I-510

ἐναυλοστατέω s. 2. ἔναυλος. I-510

ἐνδάπιος ‘einheimisch’ (hell. u. sp. Poesie, auch sp. Prosa). — Aus ἔνδον nach ἀλλοδαπός, τηλεδαπός u. a. erweitert mit gleichzeitiger Umbildung nach den Adj. auf -ιος (ἐντόπιος u. a.). Vgl. Schwyzer 625. I-511

ἐνδελεχής s. δολιχός. I-511

ἔνδινα nur Gen. ἐνδί̄νων (Ψ 408) n. pl., ‘Eingeweide’. — Von ἔνδον mit ινο-Suffix. Metrische Dehnung anzunehmen (nach Schulze Q. 253), ist nicht notwendig; vgl. Chantraine Formation 204, Meid IF 62, 275 m. A. 16. Vendryes MSL 15, 358 betont ἐνδῖνος wie ἀγχιστῖνος usw.; anders Brugmann Grundr.2 2 : 1, 176 (Akzent nach ἔντερα). I-511

ἔνδιος ‘mittäglich, am Mittag’ (poet. seit Il.), -ον n. (-ος m.) ‘Mittag’ (Kall., A. R.); vereinzelt ‘zum Himmel gehörig, vom Himmel kommend’ (ὕδωρ, Arat. 954), ‘in der Luft schwebend’ (AP 9, 71); bei Hom. ῑ, später (von εὔδῐος?) auch ῐ, s. Sommer Nominalkomp. 75 A. 5 m. Lit. — Hypostase aus *ἐν διϝί (: ἔν-διϝι-ος, vgl. ἐν-νύχι-ος), Lok. des idg. Wortes für ‘(Tages-)Himmel, Tag’ (s. δῖος, Ζεύς). — Ob im Ausdruck ἔνδιον ὕδωρ (Arat.) u. ä. noch eine Spur der Bedeutung ‘Himmel’ vorliegt, scheint fraglich; eher liegt Vermischung mit δῖος vor. I-511

ἐνδεδιωκότα s. βίος. I-511

ἐνδοιάζω s. δοιοί. I-511

ἔνδον Adv. ‘innen, darin, zu Hause’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ἐνδο-μάχᾱς ‘zu Hause kämpfend’ (Pi.), ἐνδό-μυχος ‘der sein Versteck drinnen hat’ (S. u. a.), -μενία, ἐνδουχία ‘Hausrat’ (Plb. usw.; ἐνδυμενία Phryn., Pap.; nach δύομαι ‘eingehen’?). Ableitungen: ἔνδο-θεν (wie οἴκο-θεν usw.) ‘von innen her, aus dem Haus’ (seit Il.), ἔνδο-θι = ἔνδον (ep.); zu ἐνδοθίδιος s. unten; ἐνδοσε (Akz.?) = εἴσω (Keos), ἔνδω (delph.; nach ἔξω). Kompar. und Superl. ἐνδοτέρω (Hp., nachklass.), -τάτω (nachklass.); dazu die späten Adjektiva ἐνδότερος, -τατος (VIp). — Durch Kreuzung mit ἐντός entstand ἐνδός (dor.; vgl. Kretschmer Glotta 27,11) mit ἐνδοσθίδια pl. ‘Eingeweide’ (epidaur.), mit kret. Lautentwicklung ἐνδοθίδιος ‘im Hause lebend’ (gort.), ἐνδόσθια (LXX) = ἐντόσθια. Nach οἴκοι u. a. ἔνδοι (lesb. dor.; dazu Solmsen Wortforschung 114); zu ἐνδάπιος s. bes.; unsicher ἐνδύλω· ἔνδοθεν H. (wie μικκύλος, δριμύλος? Baunack Phil. 70, 383). — ἔνδον ist mit heth. andan ‘darin’ identisch; daneben anda ‘ds.’ = lat. endo. Gewöhnlich als ‘innen im Haus’ erklärt, von ἐν und dem endungslosen Lokativ des Wurzelnomens für ‘Haus’ in δά-πεδον, δεσ-πότης, δόμ-ος (s. dd.); dafür besonders der Ausdruck Διὸς ἔνδον ἀγηγέρατο Υ 13, wo aber der Gen. ebensogut elliptisch stehen kann; s. Vendryes MSL 15, 358ff. mit Kritik der landläufigen Ansicht. — Schwyzer 625f., Schwyzer-Debrunner 546f., außerdem Lejeune Les adv. en -θεν (s. Index), Brugmann Grundr.2 2 : 2, 723 m. A. 1. I-511-512

ἔνδορα (SIG 1025, 48; 1026, 8; Kos: ἔνδορα ἐνδέρεται), n. pl. eig. ‘was in die Haut gelegt wird’ (beim Opfern), — Verbalnomen zu ἐνδέρομαι mit gleichzeitiger Beziehung auf δορά; vgl. die Erklärung von ἔνδρατα (nach ἔγκατα?) bei H.: τὰ ἐνδερόμενα σὺν τῇ κεφαλῇ καὶ τοῖς ποσί. Von Stengel Hermes 54, 208ff. (m. Lit.) als σπλάγχνα gedeutet; seine Anknüpfung an δέρτρον ‘Netzhaut’ wird indessen von Kretschmer Glotta 12, 220f. mit Recht abgelehnt. I-512

ἔνδρυον (μεσάβων) n. Hes. Op. 469, nach den Sch. ‘hölzerner Pflock am Pfluge, womit das Joch an der Deichsel befestigt wird’; nach H. = καρδία δένδρου. καὶ τὸ μέσον (μέσ<αβ>ον Schmidt). — Wohl eig. ‘im Holz sitzend’, Hypostase aus ἐν und (der Schwundstufe von) δόρυ; s. d. und δρῦς. — Vgl. zu μέσαβον. I-512

ἐνδυκέως ep. poet. Adv. seit Il. (auch Hp., vgl. unten) etwa ‘liebevoll, sorgsam’, bei Hp. (und B. 5, 112?) als ‘anhaltend’ erklärt. Daneben ἐνδυκές (Nik. Th. 263, H. [neben ἐνδύκιον]; wohl auch A. R. 1, 883 für metr. unmögl. -έως). — Wahrscheinlich zu ἀδευκής (s. d.) mit unsicherer Analyse; sowohl ein Verb *ἐν-δυκεῖν wie ein Nomen *δύκη o. ä. sind denkbar. Vgl. Strömberg Prefix Studies 90; zur Bedeutung Leumann Hom. Wörter 311f., der den Gebrauch bei Hp. (und B.) aus einer falschen Homerinterpretation erklären will. I-512

ἐνεγκεῖν, ἐνέγκαι Aor. ‘herbeischaffen, davontragen’, konfektiv-resultativ (att., auch Pi., B. und Hp.), oft mit Präfix: ἀπ-, εἰσ-, ἐξ-, κατ-, προσ- usw.; Aor. Pass. ἐνεχθῆναι mit Fut. ἐνεχθήσομαι, Perf. Akt. ἐνήνοχα, Med. ἐνήνεγμαι; als Präsens fungiert φέρω, als Fut. οἴσω. Als Hinterglied mit kompositioneller Dehnung in δι-, δουρ-, ποδηνεκής usw. (s. vv. und δόρυ m. Lit.). Verbalnomen ὄγκος s. bes. — Seiner Bildung nach erinnert ἐν-εγκ-εῖν stark an ἀλ-αλκ-εῖν, ist also wie dies am ehesten als ein reduplizierter Aorist zu verstehen (nach Brugmann Grundr.2 2 : 3, 461 wäre ἐν Präposition); ἐνέγκαι ist Neubildung nach ἐνεῖκαι (s. d.). Neben ἐγκ- steht das zweisilbige ἐνεκ- der übrigen Formen wie ἀλεκ-σ- (ἀλεξ-) neben ἀλκ-; dazu mit ο-Abtönung, attischer Reduplikation und Aspiration ἐν-ήνοχ-α (nur ο-Abtönung in κατ-ήνοκα H.). Kreuzung von ἐγκ- und ἐνεκ- ergab ἐν-ήνεγκται; durch weiteren Einfluß von ἐνεῖκαι entstanden ἐν-ήνειγκ-ται, ἤνειγκαν u. a. (att. Inschr.). — Genaue Entsprechungen der griechischen Formen gibt es nirgends. Das zweisilbige ἐνεκ- hat überhaupt kein Gegenstück; einsilbiges idg. enḱ-, onḱ- erscheint dagegen auch in dem reduplizierten aind. Perf. ān-ámś-a ‘ich habe erreicht’ und ist auch im Keltischen zu belegen, z. B. air. t-ān-ac ‘ich kam’. Größere Verbreitung hat die Reduktionsstufe neḱ-, noḱ-: sie liegt nicht nur im baltisch-slavischen Wort für ‘tragen’, z. B. lit. neš-, aksl. nes- ‘ich trage’, vor, sondern wird auch in mehreren Wörtern der Bedeutung ‘erreichen’ o. ä. vermutet; so im Indo-Iranischen, z. B. aind. náśati ‘erreicht’ (dazu K. Hoffmann, Münch. Stud. 2 [Neudruck] 121ff.), im Germ., z. B. got. ga-nahἀρκεῖ, es reicht = genügt’. Eine weitere Vokalschwächung zeigt lat. na-n-c-īscor (Nasalpräsens), nactus sum ‘erreichen’; dazu, mit Schwundstufe (idg. n̥ḱ-), aind. aś-nó-ti ‘erreicht’, wohl auch arm. has-anem, Aor. has-i ‘ankommen’. Auch andere Wörter werden mit Recht oder Unrecht hierhergezogen: heth. ninink- ‘heben, hochnehmen’ (zu lit. -ninkù, -nìkti, Benveniste BSL 50, 40), mit nakkiš ‘schwer’, toch. B eṅk-, A ents- ‘nehmen, fassen’; fern bleibt jedenfalls heth. ḫink- ‘überreichen, zuteilen’. Abweichende Analyse bei Ernout-Meillet s. nancior. — Reiche ältere und neuere Lit. bei WP. 1, 128f., Pok. 316ff., W.-Hofmann s. nanciō; außerdem Fraenkel Lexis 2, 186. Griechische Tatsachen, ebenfalls mit Lit., bei Schwyzer 647, 744f., 766. I-512-513

ἐνεῖκαι Aor. Ind. ἤνεικα (ep. ion. seit Il., lyr.), schwachstufig ἤνικα (lesb. dor.; teilweise = ἤνῑκα für ἤνεικα) mit kurzvokalischem Konj. ἐνίκει (kyren.); sigmatisch 3. Plur. εἴνιξαν (böot. für ἤνειξαν); Aor. Pass. ἐν(ε)ιχθῆναι, Perf. Med. ἐνήνειγμαι. ‘hintragen’, Auch mit Präfix: ἀν-, ἀπ-, εἰσ-, ἐξ- usw. Keine Ableitungen. — Aus ἐν-εῖκαι, s. ἵκω. I-513

ἕνεκα (att., auch ep. ion.), ἕνεκεν (bes. nachklass.); εἵνεκα, -κεν (ion.), ἔννεκα (äol.; vgl. unten); hell. auch ἕνεκε, -κο(ν), -καν — Unzweifelhaft in ἕν-ϝεκα zu zerlegen (*ϝεκα in οὔφεκα· οὐκ ἀρεστῶς H. mit Schulze Q. 494 A. 3 noch erhalten?), zu ἑκών (s. d.) usw., aber sonst noch der Erklärung bedürftig. Nach Brugmann IF 17, 1ff. aus ἕν und *ϝέκα(τ), Ntr. des Ptz. ἑκών, eig. "nur eines wollend"; dagegen Wackernagel Unt. 137 A. 2. Anders Prellwitz Wb. und Glotta 17, 145f., Bechtel Lex. 115f. (nach Ebel): aus der Präposition ἐν und einem Akk. *ϝέκα eig. "in Rücksicht auf den Willen" (εἰς χάριν); der Spir. asper bleibt unerklärt (aus dem Inlaut versetzt? Prellwitz). S. auch Schwyzer 433 (ἕν aus idg. *sem, zu ὁμός) und 622. — Über den Anlautswechsel ἕν-, ἕιν- (ἔνν- hyperäolisch?) Schwyzer 228 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 161, Bolling Lang. 30, 453f. — Das namentlich bei den att. Dichtern auftretende οὕνεκα = ἕνεκα entstand nach einem vorangehenden Gen. auf -ου durch falsche Verlegung der Wortgrenze: τούτοὔνεκα wurde als τούτου οὕνεκα aufgefaßt (Schwyzer 413 m. Lit.). ‘wegen, um — willen’ (mit Gen.; zur Bedeutung bei Hom. Porzig Satzinhalte 169). Myk. e-ne-ka. Zum Auslautswechsel vgl. Fälle wie εἶτα : εἶτεν, ἔπειτα : ἔπειτε(ν); ἕνεκον nach ἔνδον u. a.; durch neue Kreuzungen ἕνεκο, -καν, s. Schwyzer 627 m. A. 4, 406, Schwyzer-Debrunner 552. I-513-514

ἔνελος · νεβρός (‘Hirschkalb’) H. — Aus ἔνελος stammt lat. inuleus ‘junger Hirsch- oder Rehbock’ (W.-Hofmann s. hinuleus m. Lit.); weitere Beziehungen unsicher. Nach Niedermann IF 18, Anz. 78f. aus *ἔλενος umgestellt, zu ἐλλός, ἔλαφος; s. d. I-514

ἐνενήκοντα (Β 602, att.) ‘neunzig’. Als Vorderglied z. B. in ἐνενηκοντά-πηχυς (hell.). Ordinale ἐνενηκοστός ([Χ.] usw.). Zum Hinterglied und -η- vgl. zu ἑβδομήκοντα. Daneben heνενηκοντα (herakl.; wie hογδοηκοντα nach heβδεμηκοντα), ἐνηκοντα (Delos, Phokis [III bzw. IIa]; wohl haplologisch); unsicher ἐννήκοντα (τ 174); wenn echt, Neubildung nach ἐννέα, ἐννῆμαρ u. a.; Gen. pl. ἐνενηκοντων (Chios; äolisierend). — Die Form des Vorderglieds ist nicht sicher erklärt. Nach Sommer Zum Zahlwort 25ff. (wo ausführliche Behandlung mit Lit. und Kritik anderer Ansichten) zunächst durch Assimilation aus *ἐναν-ήκοντα, das ein idg. *enu̯n̥- (in antevokalischer Stellung) enthalten kann. — Weiteres s. ἐννέα. I-514

ἐνεός ‘sprachlos, stumm, taubstumm’ (ion. att.); als Vorderglied z. B. in ἐνεο-στασίη ‘sprachloser Zustand’ (A. R. 3, 76); Ableitung ἐνεότης ‘Stummheit’ (Arist.). — Der Form nach an κενεός erinnernd, aber ohne Etymologie. Nach Brugmann Festschrift Vilh. Thomsen 1ff. zu εὖνις usw.; dagegen mit Recht Kretschmer Glotta 6, 305. I-514

ἔνερθε(ν), auch νέρθε(ν) (ep. ion. poet.), ἔνερθα (dor. lesb.) Adv. und Präp. ‘(von) unten, unter(halb)’. Auch ὑπ-, ἐπ-ένερθε(ν). Näheres bei Lejeune Les adv. en -θεν, bes. 341ff. — Zur Bildung vgl. die Opposita ὕπερ-θε(ν), ὑπέρ-τερος, -τατος, zu ὑπέρ; auch ὕπερον, ὑπέρα (s. dd.). — Ein genaues formales Gegenstück zu νέρτερος bietet das Italische in umbr. nertru ‘sinistro’, osk. nertra-k ‘a sinistra’; sehr verlockend ist die weitere Heranziehung des germanischen Wortes für ‘Norden’, z. B. awno. norđr n., das allerdings Schwundstufe voraussetzt: urg. *núrþra-, idg. *nr̥tro-. Grundbedeutung: ‘Gegend wo die Sonne unten ist’, bzw. ‘linke Seite des gegen Osten sich wendenden Beters’. Eine andere Bildungsweise zeigt arm. ner-k‘-in ‘der untere’ (vgl. i nerkoy, i nerkust ‘unten, von unten’), wieder anders aind. naraka- ‘Hölle’ (Wackernagel-Debrunner Ai. Gramm. II : 2, 150). Ohne konsonantisches Suffix toch. B ñor ‘unter’ (Grundform sonst unklar); dagegen A ñare, B nray, nrey ‘Unterwelt, Hölle’ eher LW aus aind. niraya- ‘ds.’; vgl. die Lit. bei Duchesne-Guillemin BSL 41, 180. — Da das anlautende ἐ- in ἔνεροι usw. im Armenischen fehlt, dürfte es sich um eine griechische Neuerung handeln. Nach Bezzenberger BB 27, 174 wäre ἔνεροι als Hypostase aus οἱ ἐν ἔρᾳ "die in der Erde" von νέρθε und νέρτερος zu trennen; erst durch Kontamination hätten sich daraus ἔνερθε und ἐνέρτερος ergeben. Ähnlich Güntert IF 27, 49 mit Sonne KZ 14, 11: ἔν-εροι zu ἐν als "die drinnen (= in der Erde)". Eine Benennung "die Binnenirdischen" oder "die Innern" für "die Unterirdischen" ist indessen mehr logisch als glaubhaft. — Weitere Beziehung zu lit. neriù, ner̃ti ‘untertauchen, hineinschlüpfen’ usw. (s. δενδρύω) ist auch zu erwägen. S. auch νειρός. — WP. 2, 333f., Pok. 765f. Daneben ἔνεροι ‘die Untern, Unterirdischen’, von den Toten und unterirdischen Göttern (ep. poet.), ἐνέρτερος, νέρτερος ‘unterirdisch, unterer’ (ep. poet.), Sup. ἐνέρτατος ‘der unterste’ (Emp.). I-514-515

ἐνετή ‘Spange, Nadel’, ἐνετήρ, -ῆρος m. ‘Klistierspritze’, f. — Verbalnomina von ἐν-ίημι, s. ἵημι. I-515

ἐνέωρα Inschr. aus Miletos (Philol. 65, 637f.), nach Baunack ebd. ‘in die Höhe’, vgl. μετέωρα; s. μετέωρος. I-515

ἔνη z. B. ἔς ταὔριον ἔς τε ἔνηφιν (Hes. Op. 410), ἔνης, εἰς ἔνην, τῇ ἔνῃ (att.), ἔνας (Theok.), ἔναρ (lakon.)· ἐς τρίτην, ἐπέναρ· εἰς τετάρτην. Λάκωνες H. f. (sc. ἡμέρα), nur in adverbiellen Ausdrücken im Sinn von ‘übermorgen’, — Erstarrtes Pronomen, das auch in ἐκεῖνος u. a. erhalten ist; s. d. I-515

ἐνηής (IG 14, 1648, 8; metrische Grabinschrift), Gen. und Akk. sg. ἐνηέος, -έα (Hom., Hes.), Nom. pl. -ῆες, -έες (Opp.) ‘mild, sanft, wohlwollend’. Davon ἐνηείη ‘Milde, Wohlwollen’ (Ρ 670, Opp.). — Nicht sicher erklärt. Bildungen wie ἐν-τελής (zu τέλος) lassen ein Hinterglied *ἦος vermuten, das für urgr. *ἆϝος stehen kann und sich unter dieser Voraussetzung nur im Ablaut von aind. ávas-, aw. avah- n. ‘Gunst, Wohlwollen, Hilfe’ (wozu noch lat. aveō usw.) unterscheidet; ἐνηής somit eig. ‘Wohlwollen in sich habend, mit Wohlwollen versehen’ (vgl. Schwyzer-Debrunner 456). Zum Ablaut vgl. ἄγος gegenüber aind. ā́gas- (kompositionelle Dehnung ist nicht wahrscheinlich). Andere, noch unsicherere Möglichkeiten werden bei Strömberg Prefix Studies 115 erörtert. — Auch ἀΐτης ‘Geliebter’ wird seit alters mit ἐνηής verbunden; dabei wäre indessen von einem kurzvokalischen Grundwort, *ἄ(ϝ)ος o. ä., auszugehen. Weitere Formen mit Lit. bei WP. 1, 19, Pok. 77f., W.-Hofmann s. aveō. Ältere Lit. bei Bechtel Lex. s. v. I-515-516

ἐνήνοθεν s. ἐνθεῖν. I-516

ἐνηρόσιον n. ‘Pachtzins, Anbaurecht’ (Delos, Halik.; seit IVa); im selben Sinn ἐναράτιον (Rhodos IIIa). — Hellenistischer Fachausdruck, aus ἐν ἀρότω bzw. ἀράτω (vgl. zu ’Αράτυος) mittels des ιο-Suffixes hypostasiert: "auf dem gepflügten Land (ruhend)"; -η- durch kompositionelle Dehnung. Ebenso προ-ηρόσιος ‘vor der Zeit des Pflügens’ (hell. u. sp.). I-516

ἔνθα demonstr. und relat. Adverb, zunächst lokal, aber auch temporal ‘da, dort, hier, wo’, auch ‘dahin, hierher; wohin’ (zum Gebrauch bei Hom. Bolling Lang. 26, 371ff.); ἔνθεν ‘von da, dorther; von wo’ (seit Il.). Zu ἔνθαἔνθεν im allg. Lejeune Les adv. en -θεν 375ff. Davon ἐνθά-δε ‘dort(hin), hier(her)’, ἐνθέν-δε ‘von hier aus’ (seit Il.); auch ἔνθινος ‘hiesig’ (megar.; vgl. Bechtel Dial. 2, 204), ἐνθάδιος· ἐντόπιος H. Durch Zusammenrückung aus ἔνθα αὐτά (mit Elision oder aus *ἐνθᾱυτα gekürzt) entstand ion. ἐνθαῦτα (vgl. τοῖα : τοιαῦτα); mit Hauchversetzung nach ἔν-θα, ἔν-θεν att. ἐνταῦ-θα (und ἐντεῦ-θεν) ‘daselbst, hier, hierher’ (seit Ι 601; vgl. Wackernagel Unt. 23; att. Inschr. auch ἐνθαῦθα, -θοῖ) sekundärer Hauchverlust (nach ν) in arg. ἐντάδε, el. ἐνταῦτα. Ion. ἐνθεῦτεν, att. ἐντεῦθεν ‘von hier, von dort aus’ (seit τ 568) ist als Kreuzung von ἔνθαῦτα und ἔνθεν leicht verständlich (Wackernagel IF 14, 370 A. 1 = Kl. Schr. 2, 964 A. 1); anders Schwyzer 628 A. 7: *ἐνθᾱυτα > *ἐνθηυτα > *ἐνθευτα : ἐνθεῦτεν. Nach τοῦτο usw. ἐντοῦθα (Kyme, Oropos). — Ohne sichere außergriechische Verwandte. — Zu ἔν-θεν vgl. πό-θεν usw. Ein altererbtes suffixales -θα ist auch in ἰθαγενής (s. d.) vorhanden; was sonst aus verschiedenen Sprachen zum Vergleich herangezogen worden ist (arm., altirisch and ‘dort’, lat. inde, aksl. kǫdu ‘woher?’), ist zweifelhaft oder unhaltbar. Lit. bei W.-Hofmann s. inde und ēn, Vasmer Russ. et. Wb. s. kudá; außerdem Schwyzer 628 m. A. 7, WP. 1, 99, Pok. 284. Ältere Lit. auch bei Bq. I-516

ἐνθεῖν Aor., Ind. ἦνθον, Part. ἐνθών usw. ‘kommen, gehen’ (dor., delph., ark.). Daneben ep. Perfekt- und Plusquamperfektformen: ἀνήνοθεν (Λ 266, αἷμα), ἐνήνοθεν (ρ 270, κνίση; v. l. ἀν-), ἐπ-ενήνοθε (Β 219, Κ 134, λάχνη; θ 365, ἔλαιον), κατ-ενήνοθεν (Hes. Sc. 269, κόνις; h. Cer. 279, κόμαι, Plur.), παρ-ενήνοθε (A. R. 1, 664, μῆτις); Bed. etwa ‘emporquellen’ bzw. ‘sich über etwas hingießen, ausbreiten’, ‘herabwallen’. — Wegen des namentlich auf dorischem Gebiet auftretenden Übergangs von λτ zu ντ (Schwyzer 213) liegt es nahe, ἐνθεῖν als eine sekundäre Nebenform von ἐλθεῖν zu betrachten. Gegen diese Annahme spricht andererseits die verhältnismäßig weite Verbreitung von ἐνθεῖν ebenso wie der Umstand, daß ἐλθεῖν selbst das Gepräge einer Neubildung trägt. Eine einwandfreie außergriechische Anknüpfung ist aber für ἐνθεῖν nicht gefunden; weder das sehr fragliche pāli andhati ‘geht’ noch das sicher anders zu beurteilende ital. andare ‘gehen’ (Johansson IF 3, 203ff.; 8, 181ff.) sind dafür verwertbar (Pisani IF 58, 254f., Ist. Lomb. 75 : 2, 29ff.). Auch das mehrdeutige arm. əntanam ‘laufen’ (Pisani), das doch zunächst das Präverb ənd- enthält und außerdem schon wegen des als Entsprechung von gr. θ sonst unbekannten t‘ Schwierigkeiten bereitet, bleibt besser beiseite. — Das von Johansson u. A. zu ἐνθεῖν gezogene ἐν-, ἀν-ήνοθε ist semantisch ohne Zweifel damit vereinbar und als attische Reduplikationsbildung auch formal ganz in der Ordnung (ἐνεθ- : ἐνοθ- : ἐνθ-); ob ἐν- und ἀν- dabei als verschiedene Reduplikationsformen zu gelten haben oder ob ἀνήνοθεν nicht vielmehr aus *ἀν-ενήνοθεν haplologisch gekürzt wurde, ist kaum zu entscheiden. Als sicher kann natürlich jedoch diese Kombination keineswegs betrachtet werden. Ebenso hypothetisch ist die Heranziehung von ἄνθος (ἀνεθ- : ἀνθ- ?); s. d. I-516-517

ἔνθινος 1. ‘hiesig’ s. ἔνθα. I-517

ἔνθινος 2. ‘göttlich’, ἔνορκόν τε ... καὶ ἔνθινον (Hierapytna, Kreta); — aus ἔνθεος (kret. *ἔνθιος) und θέϊνος (kret. *θί-ινος > θῖνος; nach ἀνθρώπινος) kontaminiert. — Vgl. Bechtel Dial. 2, 724. I-517

ἐνθουσιάζω (Pl. usw.), -ιάω (A., E., Pl. u. a.), Aor. ἐνθουσιάσαι, -ᾶσαι ‘von einer Gottheit erfüllt, (gott)begeistert sein’; συν~ ‘mitbegeistert sein’ (hell. u. spät). Davon ἐνθουσίασις (Pl., Ph. u. a.), ἐνθουσιασμός (Demokr., Pl. usw.), ἐνθουσία (Prokl.; postverbal) ‘göttliche Begeisterung, Verzückung’; ἐνθουσιαστικός ‘begeistert, begeisternd’ (Pl., Arist. usw.), -αστής ‘Begeisterter’ (Ptol.); ἐνθουσιώδης, Adv. -δῶς ‘begeistert’ (Hp., D. H., Ph. usw.). — Aus ἐνθεάζω (Hdt. 1, 63, Plu., Luk.; von ἔνθεος) ‘ds.’ nach den Verba auf -σιάζω (θυσιάζω u. a.) und im Anschluß an die Krankheitsverba auf -ιάω expressiv erweitert (Osthoff MU 2, 38); zur Kontraktion εο > ου Schwyzer 251 m. Lit. — Zu ἔνθεος (späte Prosa durch Rückbildung auch ἔνθους) eig. "worin ein Gott ist" s. Schwyzer 429 und 435, Strömberg Prefix Studies 115. I-517

ἐνθύσκει · ἐντυγχάνει; ἀποθύ<σ>κειν· ἀποτυγχάνειν; συνθύξω· συναντήσω H. — Aus *θύχ-σκ-ει usw. zu τυχεῖν (s. τυγχάνω) mit Hauchdissimilation bzw. Hauchversetzung? Schwyzer 708 m. A. 5. Zweifel bei Brugmann IF 9, 348 A. 1. I-517

ἔνι s. ἔν. I-518

ἐνιαυτός m. ‘Jahrestag, Jahr’ (seit Il., wo immer am Versende; Risch Mus. Helv. 3, 254). Davon ἐνιαύσιος, delph. koisch -τιος ‘(ein)jährig, ein Jahr lang, alljährlich’ (seit π 454), ἐνιαυσιαῖος ‘ein Jahr lang’ (Arist., J. usw.; nach den Massadj. auf -αῖος, Chantraine Formation 49); denominatives Verb ἐνιαυτίζομαι, -ίζω ‘ein Jahr zubringen’ (Pl. Com. u. a.). — Neben dem altererbten ἔτος besitzt das Griechische in ἐνιαυτός einen neugebildeten Ausdruck für ‘Jahr’, eig. ‘Jahrestag’ (vgl. Bechtel Lex. s. v.). — Der Bildung nach an κονι-ορ-τός, βου-λυ-τός usw. (Schwyzer 501) erinnernd, scheint es als Vorderglied ein Wort für ‘Jahr’, ἔνος (H., Sch. Theok. 7, 147) zu enthalten, das in mehreren Komposita (vielleicht nur aus diesen erschlossen) zu belegen ist: δίενοςδιετής’ (Thphr.), ἑπτάενον· ἑπταετῆ H., τετράενος (Kall.); als σ-Stamm τετράενες n. (Theokr. 7, 147), ὕπενες· εἰς τετάρτην H., s. auch ἦνις. Dasselbe Wort ist auch in einem baltischen und germanischen Adj. vermutet worden, z. B. lit. pér-naiπέρυσι’, got. fram fair-nin jera ‘vom Vorjahre’. — Als Hinterglied empfiehlt sich der Form wegen ἰαύω, u. z. entweder im Präsensstamm ἐν-ιαυτός (Meillet MSL 23, 274f.) oder eher von der Verbalwurzel (vgl. κονι-ορ-τός usw. oben), wobei -ι- Kompositionsvokal wäre: ἐν-ι-αυ-τός (Schwyzer 424 A. 5, wo auch Lit., 448). Die dabei anzusetzende ursprüngliche Bedeutung *"Jahresruhe" leuchtet indessen nicht ganz ein. — Nach Brugmann IF 15, 87ff., 17, 319f. und zahlreichen Nachfolgern dagegen zu ἐνιαύω also *"Rast-, Ruhestation der Sonne, Jahreswende"; eine το-Bildung von einem Präsens wäre indessen sehr eigenartig. Jedenfalls nicht mit Prellwitz u. A. aus ἐνι αὐτῷ "am selben Punkte (wie im Vorjahre)"; noch anders Murray JournofHellStud. 71, 120. I-518

ἔνιοι ‘einige’, ἐνίοτε ‘einigemal, zuweilen’, ἐνιαχῆ, -οῦ ‘an einigen Orten, bisweilen’, urspr. ion. Wörter (nur Prosa), die ins Attische aufgenommen wurden; dazu als späte dorisierende Nachbildung ἐνίοκα (Archyt.), außerdem ἐνιάκις ‘bisweilen’ (Sor.; nach πολλάκις u. a.). — Nicht sicher erklärt. Die von Ebel KZ 5, 70f. stammende und noch von Schwyzer 614 A. 4 mit gewissem Vorbehalt empfohlene Herleitung aus ἔνι οἵ, ἔνι ὅτε = ἔστιν οἵ, ἔσθὅτε ist aufzugeben, da ἔνι im Sinn von ‘ist, sind’ erst seit V-VIp sicher steht (s. ἔν). Am meisten für sich hat die auf Benfey zurückgehende und von Wackernagel Hellenistica 6 A. 1 (= Kl. Schr. 2, 1037 A. 1) näher begründete Anknüpfung an ἕν ‘eins’ (wie einige zu eins); die Psilose stimmt zum ion. Ursprung. Zum Ausgang vgl. μύριοι, χίλιοι; ἐνίοτε, ἐνιαχῆ, -οῦ wie ὅτε, πότε, πολλαχῆ, -οῦ usw. — Unwahrscheinlich Brugmann IF 28, 355ff.: zu dem in ἔνη ‘der dritte Tag’, ἐκεῖνος usw. enthaltenen Demonstrativ *ἔνος. I-518-519

ἐνῑπή f. ‘tadelnde, rügende Anrede, Vorwurf, Drohung’ (ep. poet. seit Il.). Daneben als primäres Jotpräsens ἐνίσσω, Aor. ἐνένῑπον, ἠνίπαπον (Schwyzer 648 und 748, Chantraine Gramm. hom. 1, 398), neues Präsens ἐνίπτω (alles ep. seit Il.; ἐνίπτω auch A. Ag. 590, vgl. zu ἐννέπω) ‘tadelnd, rügend anreden, ahnden, schelten’; erweitertes Präsens ἐνιπτάζω (A. R.). — Hierher auch der Flußname ’Ενιπεύς (Hdt., Plb., Str.) als "der Toser, der Lärmer" (vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 98)? — Als Verbalnomen zu ἐνίσσω muß ἐνῑπ-ή einen Labiovelar q enthalten haben (zum Lautlichen Risch 245, Schwyzer 704 m. A. 11). Die dadurch nahegelegte Anknüpfung an ὀπῑπεύω (s. d.), aind. ī́kṣate ‘sehen’ usw. hat Brugmann IF 12, 31 semantisch zu begründen versucht unter Heranziehung von ὄπις ‘ehrfürchtiges Sehen’, auch ‘Ahndung, Strafe’. Ähnlich Porzig Satzinhalte 228: ἐνίσσω urspr. ‘schädigend ansehen’, ἐνιπή ‘böser Blick’. Noch unsicherer ist indessen Brugmanns weitere Kombination mit den ungenügend erklärten ἴψαο, ἴψεται (s. ἴπτομαι) etwa ‘bedrücken, bedrängen, schädigen’. — Ältere Versuche bei Johansson Beitr. 61 A. 2. I-519

ἐννέα ‘neun’ (seit Il.); daneben hεννέα (herakl.; nach ἑπτά, ὁκτώ) ἐννῆ od. -ή (delph., kyren. usw.; vgl. Fraenkel Glotta 20, 88). Als Vorderglied neben ἐννεα- (z. B. hom. ἐννεά-βοιος) auch älteres ἐνα-, ion. εἰνα-, z. B. hom. εἰνά-ετες Adv. ‘neun Jahre lang’, εἰνά-νυχες ‘neun Nächte lang’ (eher Adj. pl. als analogische Adverbbildung), ἐνα- (εἰνα-)κόσιοι; ebenso in den Ableitungen ἔνα-τος ‘der neunte’, ion. εἴνατος, argiv. kret. ἤνατος, äol. ἔνοτος; εἰνάς f. ‘der neunte Tag’ (Hes. Op. 810) neben ἐννεάς ‘Anzahl von neun’ (Theok. usw.); ἐνάκις (εἰ-) ‘neunmal’ u. a.; — dagegen ἐννῆμαρ ‘neun Tage lang’ (Α 53 usw.) eher Zusammenschweißung aus ἐννέα ἦμαρ als aus *ἐνϝἦμαρ, s. Sommer Zum Zahlwort 28f., 33 m. Lit. und weiteren Einzelheiten, z. B. böot. ἐνακηδεκάτη und ἐνναετήρω (Hes. Op. 436); auch Schwyzer 590f. m. Lit. — Zu ἐνενήκοντα s. bes.; zu ἔνατος vgl. δέκατος s. δέκα. — Gegenüber aind. náva, lat. novem (mit -m nach decem, septem), got. niun, lit. devynì, aksl. devętь (mit d- durch Dissimilation gegen -n- bzw. nach dẽšimt, desętь) usw., die alle auf idg. *neu̯n̥ zurückgehen, setzen gr. ἐννέ(ϝ)α, *ἐνϝα- (woraus εἰνα-, ἐνα- usw.) ebenso wie das in Einzelheiten mehrdeutige arm. inn (= inən, zweisilbig gesprochen) vokalisch anlautende Grundformen voraus, idg. *eneu̯n̥, *enu̯n̥; unsicher bleibt thrak. ενεα (v. Blumenthal IF 51, 115). — Ein besonderes Problem bietet die Geminata in ἐννέα. Nach Ward Lang. 24, 50ff. wäre sie von der entsprechenden Positionslänge in ἑπτά, ὀκτώ verursacht; nach Sommer Zum Zahlwort 27 hätte das tautosyllabische ἐν- in *ἐν|ϝα- ein urspr. *ἐ|νέϝα zu *ἐν||νέϝα umgeformt. Wieder anders Wackernagel KZ 28, 132ff. (= Kl. Schr. 1, 614ff.): aus *ἐν νέϝα (wie ἐς τρίς u. ä.); zustimmend Schwyzer 591. S. auch Belardi Doxa 3, 204f. mit weiteren Hypothesen, z. B. Windekens L’Ant. class. 14, 133f. — Seit lange (Lit. bei W.-Hofmann s. novem) wird Zusammenhang mit dem Wort für ‘neu’, νέος usw., vermutet, weil die Dualform ὀκτώ auf eine Tetradenrechnung weist; dann wäre ‘neun’ die erste Zahl nach der Doppeltetrade. I-519-520

ἐν(ν)έπω (ep. poet. seit Il.), Aor. ἐνισπεῖν, Ipv. pl. ἔσπετε (ep.), Fut. ἐνισπήσω (ε 98), ἐνίψω (Η 447 u. a.; für *ἐνέψω? Chantraine Gramm. hom. 1, 443), neues Präsens ἐνίπτω (Pi. P. 4, 201, Nonn.; vgl. s. ἐνιπή) ‘ansagen, erzählen, verkünden’. Über Bedeutung und Gebrauch Fournier Les verbes "dire" 47f. Auch mit Präverb: ἐξ-, προσ-, παρ- usw. Vom Simplex ἄσπετος (s. d.); auch θεσπέσιος, θέσπις (s. dd.). Zu bemerken noch προσ-εψία (cod. -ιά; leg. -ις?)· προσαγόρευσις H. — Zu ἐνοπή s. bes. — Der primäre Imperativ ἔννεπε ist mit lat. inseque, insece ‘sag an, erzähle’ (wozu inquam, inquit) identisch; -νν- in dieser und anderen Formen ist als metrische Dehnung unmittelbar verständlich (Solmsen Unt. 35, Chantraine Gramm. hom. 1, 100f.); die Annahme einer äolischen Assimilation aus -νσ- (z. B. Schulze Q. 128 A. 2, 173, Lejeune Traité de phon. 110; vgl. auch Schwyzer 300) ist jedenfalls nicht notwendig. Die Schwundstufe von (σ)επ- (idg. seq-) liegt u. a. im Aorist ἐνι-σπ-εῖν (Ipv. ἔσπετε aus *ἔν-σπ-ετε) vor. Zum Präverb ἐν- Chantraine Rev. de phil. 68, 117, Schwyzer-Debrunner 457. Ein entsprechendes Verbalnomen ist in air. insce ‘Rede’ aus idg. *en(i)-sq-iā erhalten; auch sonst ist diese Sippe im Keltischen stark vertreten, z. B. mit dem Simplex akymr. hepp ‘inquit’. Dazu noch das primäre lit. (dial.) sekù, sèkti, das indessen sonst im Baltischen wie im Slavischen von der Sekundärbildung lit. sakaũ, -ýti ‘sagen’, russ. sočítь ‘anzeigen’ ersetzt worden ist. Als sekundäre Präsensbildung gehört hierher gewiß auch das germanische Wort für ‘sagen’, awno. segja, asächs. seggian usw. (ahd. sagēn ist Neubildung), urg. Präs. *saʒi̯ō aus *saʒu̯i̯ō, idg. *soqeíō (wäre gr. *ὁπέω). Weitere Formen mit Lit. und hypothetischen Kombinationen bei WP. 2, 477ff., Pok. 897f., W.-Hofmann s. inquam. — Die Gleichung πρόσ-εψις (vgl. oben) : lat. in-secti-o erklärt sich aus paralleler Neubildung. I-520

ἐννεσίαι pl. ‘Ratschläge, Pläne’ (ep.), nur im Dat. -ῃσι(ν) (seit Ε 894) außer A. R. 3, 1364 (Gen. -άων). — Eig. ‘Eingebungen, Einflößungen’, von ἐν-ίημι mit metrischer Dehnung. Zum Suffix -σίη (für -σις) Schwyzer 469, Risch 114, Porzig Satzinhalte 199. Ebenso ἐξεσίη (Hom.) ‘Aussendung, Botschaft’ von ἐξ-ίημι. I-521

ἐννότιος ‘feucht’ (Kall. Fr. 350). — Nach Leumann Hom. Wörter 51f. aus Λ 811 κατὰ δὲ ννότιος ῥέεν ἱδρώς durch falsche Worttrennung erschlossen. Auch andere Erklärungen sind aber möglich: Kreuzung von νότιος und ἔν-υγρος o. ä.; Bahuvrihi von ἐν und νοτία ‘Feuchtigkeit’, Strömberg Prefix Studies 124. I-521

ἕννυμι, -μαι, ion. εἵνυμι, -μαι, Impf. κατα-είνυον Ψ 135 (v. l. -νυσαν, -λυον; vgl. εἰλύω), Aor. ἕσ(σ)αι, -ασθαι, Fut. ἕσ(σ)ω, -ομαι, att. ἀμφιῶ, -οῦμαι, Perf. Med. εἷμαι, ἕσσαι, εἷται od. ἕσται, εἱμένος, Plusquamp. ἕστο, ἕεστο (ep. poet.; vgl. unten), att. ἠμφίεομαι, ἠμφιεσμένος, poet. ἀμφεμμένος, Aor. Pass. Ptz. ἀμφιεσθείς (Hdn.) ‘bekleiden, anziehen, sich anziehen’ (seit Il.). Oft mit Präverb, namentlich ἀμφι- (so immer im Attischen); auch ἐπι-, κατα-, περι-, ἀπαμφι- usw. Neugebildete Präsentia: ἀμφι-έζω, ἀμφιάζω (s. d.). Mehrere Ableitungen, teilweise altererbt (s. unten). 1. ἑανός Ben. eines Frauenkleids s. bes. 2. εἵματα pl. (selten sg.) ‘Gewänder, Kleider, Decken’ (ep. ion. poet. seit Il.), äol. (ϝ)έμματα (γέμματα· ἱμάτια H.), kret. ϝῆμα (γῆμα· ἱμάτιον H.), daneben Gen. sg. ϝήμας, von ϝήμᾱ f. (vgl. γνῶμα ~ γνώμη u. a.); oft als Hinterglied, z. B. εὐ-, κακοείμων; Deminutivbildung εἱμάτια pl., att. ἱμάτια, -ιον (s. bes.), mit ἱματίδιον, -ιδάριον, ἱματίζω, ἱματισμός. 3. ἔσθοςn. ‘Kleidung, Anzug’ (Ω 94, Ar. [lyr. u. dor.]), Bildung wie ἄχθος, πλῆθος usw. (Schwyzer 511, Benveniste Origines 199); denominatives Perfekt ἤσθημαι, vorwiegend im Ptz. ἠσθημένος (ἐ-) ‘bekleidet’ (ion. poet.) mit ἐσθήματα pl. (spät sg.) ‘Kleider’ (Trag., Th.), ἐσθήσεις ‘ds.’ (Ath.); vgl. zu den letztgenannten Formen Fraenkel Nom. ag. 1, 106f. 4. Gewöhnlicher als ἔσθος ist das davon irgendwie umgebildete ἐσθής (Pi. ἐσθάς), -ῆτος f. ‘ds.’ (seit Od.); Vorbild unklar; Erklärungsversuche bei Brugmann Grundr.2 2: 1, 527, Schwyzer IF 30, 443; erweiterter Dat. pl. ἐσθήσεσι (hell.). 5. γέστρα (= ϝέστρα; cod. γεστία, vgl. unten) ἔνδυσις, στολή, ἱμάτια H.; vgl. Latte z. St.; davon zu ἐφ- bzw. ἀμφι-έννυμι: ἐφεστρίς f. ‘Oberkleid, Mantel’ (X. usw.), ἀμφι-εστρίς f. ‘Mantel, Schlafrock’ (Poll.); zur Bildung Schwyzer 465, Chantraine Formation des noms 338. 6. Von ἀμφι-έννυμι außerdem ἀμφίεσμα (ion. att.), -ίεσις (Sch.), -ιεσμός (D. H. 8, 62; v. l. -ιασμός, von ἀμφιάζω). — Das Präsens ἕννυμι, εἵνυμι aus *ϝέσ-νυ-μι (att. -νν- aus analogischem -ον-, Schwyzer 284, 312, 322, Lejeune Traité de phon. 105) ist mit arm. z-genum ‘sich anziehen’ (Aor. z-ge-c̣ay, Med.) identisch. Neben diesem nu-Präsens steht im Indoiranischen und Hethitischen ein athematisches Wurzelpräsens, z. B. aind. vás-te ‘er zieht sich an’, heth. Impv. Akt. 2. pl. u̯eš-ten, Ind. Präs. Med. 3. sg. u̯eš-ta. Eine genaue formale Entsprechung dazu bieten tatsächlich die Perfektformen εἷμαι aus *ϝέσ-μαι, wozu analogisch εἷται, 2. sg. ἕσ-σαι (Od.), 3. sg. ἐπί-εσται (Hdt. 1, 47, Orakelspruch; = aind. vás-te); es handelt sich wahrscheinlich um umgedeutete (Part. εἱμένος) alte Präsensformen; Einzelheiten bei Chantraine Gramm. hom. 1, 297, Schwyzer 767. Zum σ-Aorist vgl. toch. B Prät. wässāte ‘er zog sich an’ und Pedersen Tocharisch 106. — Auch die nominalen Ableitungen können teilweise alt sein: ἑανός m.: aind. vás-ana-m n. ‘Kleid’; εἷμα = aind. vás-man- n. ‘Gewand’; ϝέστρᾱ : aind. vás-tra-m n. ‘ds.’, mhd. wes-ter ‘Taufkleid’. Dagegen fehlt im Griechischen (bis auf das unsichere γεστία, s. oben) die sonst gewöhnliche t-Ableitung in lat. ves-ti-s, arm. zges-t (Instr. zgest-u, u-Stamm), got. wasti, toch. B was-tsi (eig. Inf.). — Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen bei WP. 1, 309, Ernout-Meillet s. vestis. Die landläufige Ansicht, idg. u̯es- ‘kleiden’ sei eine es-Erweiterung von eu- ‘anziehen’ in lat. ind-uō usw., gehört zu den entbehrlichen Wurzelanalysen. I-521-522

ἐνόπαι f. pl. ‘Ohrgehänge’ (S. Fr. 54). — Hypostase aus ἐν ὀπαῖς eig. "in den Löchern (sitzend)"; in derselben Bedeutung διόπαι (Attika, Ar.) aus διὀπῶν "durch die Löcher (gesteckt)". Dagegen δί-οπος ‘mit zwei Löchern versehen’ (Epid., Ath.) Bahuvrihi. — Zu μετόπη s. bes. I-522

ἐνοπή f. ‘Geschrei, Schlachtgeschrei, Getöne, Stimme’ (ep. lyr. seit Il.; zur Bedeutung, kaum ganz richtig, Trümpy Fachausdrücke 154f.). — Der formal nächstliegenden Anknüpfung an ἐν(ν)έπω ‘ansagen’ (Fick 1, 559, Schwyzer 460) ist vielleicht die Herleitung aus *ἐν-ϝοπ-ή (zu ἔπος usw.; Curtius 459, Brugmann KZ 25, 306 A. 2) aus semantischen Gründen vorzuziehen. Sie setzt ein mit ἐν- präfigiertes Verb voraus; vgl. dazu lat. in-vocō, apreuß. en-wackēmai ‘wir rufen an’. Die Bildung war vielleicht vorgriechisch (Porzig Satzinhalte 251). I-522

ἐνοργείας · τὰς νεοσσείας (‘das Brüten, Nisten, Nest(bau)’). Κρῆτες H. — Nach Bechtel Dial. 2, 784 (der ἐνοργία schreibt) Abstraktbildung aus ἔνοργος ‘der ἐν ὀργῇ, d. h. in Brunst ist’. I-522

ἕνος ‘alt’ im Gegensatz zu ‘neu’, nur in stehenden Redewendungen von Früchten und Beamten des vorigen Jahres, auch von dem letzten Tag des vorigen Monats oder Mondumlaufes, der zugleich den neuen Umlauf einleitet (seit Hes.); in der letztgenannten Bedeutung gewöhnlich ἕνη καὶ νέα (sc. σελήνη; att. seit Solon). — Das gemeinidg. Wort für ‘alt’, *sénos, hat sich in den meisten Sprachzweigen erhalten, u. z. in erster Linie als Gegensatz zu ‘neu’: gr. ἕνος, arm. hin, aind. sána-, lit. sẽnas, kelt., z. B. air. sen; hierher noch awno. sina f. ‘verwelktes Gras vom vorigen Jahre’ (vgl. ἕνος βλαστός u. ä.). Einige der genannten Sprachen gebrauchen es auch im Gegensatz zu ‘jung’, so namentlich das Keltische und Litauische, aber auch das Germ., z. B. got. sineigsπρεσβύτης’, und das Iranische, aw. hana- ‘alt, greis’; von aind. sána- gibt es dagegen keinen sicheren Fall dieser Verwendung. Umgekehrt ist diese Bedeutung im Italischen alleinherrschend geworden, lat. senex, osk. senateíssenātūs’. Im Osten wurde *sénos in dieser Bedeutung von der expressiven Wortsippe von γέρων (s. d.) ersetzt bzw. stark zurückgedrängt. — Vgl. Porzig Sprachgeschichte und Wortbedeutung 343ff., der nur ‘alt’ im Gegensatz zu ‘neu’ als die ursprüngliche Bedeutung gelten lassen will. I-522-523

ἔνοσις f. ‘Erschütterung’ (Hes., E. inlyr.). Als Vorderglied in den ep. Komposita ἐνοσί-χθων, ἐννοσί-γαιος ‘Erderschütterer’ Beinamen des Poseidon; in derselben Bedeutung ἐννοσίδᾱς (Pi.), wohl zu δα- in Δα-μάτηρ (s. Δημήτηρ und v. Wilamowitz Glaube 1, 203); danach εἰνοσί-φυλλος ‘laubschüttelnd’ (Hom.; ἐνν-, εἰν- metrische Dehnung; vgl. Chantraine Gramm. Hom. 1, 100); vgl. Knecht Τερψίμβροτος 26. — Nicht sicher erklärt. Der seit Pott von vielen Forschern angenommenen Zerlegung in *ἔν-ϝοθ-τις zu ὠθέω (s. auch ἔθων, ἔθειρα) stehen in der Tat mehrere Bedenken entgegen: eine Verbindung -θ-τ- hätte in alter Zeit -στ- ergeben sollen (vgl. z. B. πύσ-τις gegenüber πεῦ-σις); die ο-Abtönung wie in ἄ-φρων : φρήν ist in einer τι-Ableitung nicht angebracht; ein präfixales ἐν- entbehrt der rechten Begründung ("An-stoßen"?). Wenn ἔνοσις überhaupt als eine primäre τι-Ableitung zu verstehen ist (vgl. Holt Les noms d’action en -σις 94f.), liegt es am nächsten, darin eine Bildung wie ἄρο-σις zu sehen. — Lit. bei WP. 1, 255, Porzig Satzinhalte 193f. I-523

ἐνσχερώ s. ἐπισχερώ. I-523

ἐνταῦθα, ἐντεῦθεν s. ἔνθα. I-523

ἔντε s. ἔστε. I-523

ἔντεα n. pl. (ἔντος sg. Archil. 6) ‘Geräte’, insbes. ‘Defensivwaffen, Rüstung’ (ep. lyr. seit Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 79ff.). Als Vorderglied in ἐντεσι-μήστωρ (auch ἐντεο-)· ἔμπειρος ὅπλων H., außerdem in ἐντεσι-εργούς ‘in den Geschirren arbeitend’(?) Beiwort von ἡμιόνους (Akk. pl. Ω 277), von Schulze Q. 158f. nach Nauck, der an ἀνυσιεργός bei Theok. 28, 14 erinnert, semantisch ansprechend in ἐννεσι-εργούς ‘Arbeit verrichtend’ geändert (s. auch Knecht Τερψίμβροτος 35 mit weiterer Lit.; Bedenken bei Trümpy 81; s. noch Patzer Hermes 80, 321); seine Anknüpfung an den erst seit IIa belegten Aorist ἤνεσα (wohl Neubildung nach ἐτέλεσα o. ä.) überzeugt allerdings nicht. Einzelheiten bei Bechtel Lex. s. v. Keine Ableitungen. — Neben ἔντεα steht ἐντύνω, -ομαι, ἐντύω, Aor. ἐντῦναι ‘ausrüsten, zubereiten, (sich) fertig machen’ (poet. seit Il.). In Bedeutung und Bildung an ἀρτύ(ν)ω stark erinnernd, kann es sehr wohl nach diesem Vorbild geschaffen sein (Porzig Satzinhalte 338). Ein zugrundeliegendes Nomen *ἐντύς würde sich sonst zu ἔντος verhalten wie κλειτύς zu κλεῖτος (zum ει-Diphthong Wackernagel Unt. 74f.), wie πληθύς zu πλῆθος. — Bei Abtrennung eines suffixalen -τος (bzw. -τυ-) ergibt sich die Möglichkeit, mit Lobeck Rhematicon 121 ἔντεα als primäres hochstufiges Nomen an ἄνυμι, ἀνύω (s. d.) anzuschließen mit weiterer Anreihung von ἔναρα und αὐθέντης (s. d.; zur Psilose Chantraine Gramm. hom. 1, 186). Unrichtige Analyse von ἔντεα bei Tovar Emerita 11, 431ff. I-523-524

ἐντελέχεια f. philosophischer Begriff, von Aristoteles geschaffen, ‘Vollendung, Vollkommenheit, volle Wirklichkeit’ (Gegensatz δύναμις). — Zusammenbildung aus ἐντελὲς ἔχειν (vgl. νουνέχεια, συνέχεια u. a.), kaum von dem sehr seltenen und überhaupt etwas fraglichen ἐντελεχής, das eher als Rückbildung zu betrachten ist. Die Ähnlichkeit mit ἐνδελεχής, -εια hat in den Hss. oft zu Verwechselungen geführt. — Einzelheiten, auch über die Wortbildung, bei Diels KZ 47, 200ff. I-524

ἔντερα n. pl. ‘Eingeweide, Gedärme’, auch sg. ‘Darm’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ἐντερο-κήλη ‘Eingeweidebruch, Hernie’ (Dsk., Gal.; vgl. Risch IF 59, 285, Strömberg Wortstudien 69). Ableitungen. Deminutivum ἐντερίδια (Kom.); ferner ἐντέριον (M. Ant. 6, 13?; Form und Bedeutung sehr unsicher); ἐντεριώνη ‘das Innere einer Frucht, bes. der Wildgurke, einer Pflanze, eines Baums, Mark’ (Hp., Thphr. u. a.; Strömberg Theophrastea 127f.); Bildung wie ἰασιώνη, εἰρεσιώνη (Chantraine Formation 208); ἐντερόνεια (Ar. Eq. 1185) Bed. unklar; nach H. und Suid. = ἐντεριώνη; Adjektiva ἐντερικός ‘zu den ἔ. gehörig’ (Arist.), ἐντέρινος ‘aus Därmen gemacht’ (Sch.); denominatives Verb ἐντερεύω ‘Fische ausnehmen’ (Kom.). — Als alte Bezeichnung der Eingeweide mit arm. ənder-k‘, -ac̣ pl. (gr. LW?, Hübschmann Armen. Gramm. 1, 447f.), awno. iđrar pl. (urg. *inþerōz) begrifflich und formal identisch. Die ursprüngliche adjektivische Bedeutung erscheint in aind. ántara-, aw. antara- ‘innen befindlich usw.’, wozu osk. Entraí Dat. sg. *‘Interae’, N. einer Göttin; im Latein von interior ersetzt. Idg. *enter-o- ist aus einem Adv. *enter adjektiviert, das in aind. antár ‘innen, innerhalb, zwischen’, lat. inter ‘zwischen’ noch erhalten ist. Daneben ahd. untar, osk. anter ‘unter’ = ‘zwischen’ aus der Schwundstufe *n̥ter; weitere Formen aus verschiedenen Sprachen bei WP. 1, 126f., Pok. 313, W.-Hofmann s. inter, interior, Ernout-Meillet s. in. — Auszugehen ist von dem Adverb *en (s. ἔν) mit dem Komparativsuffix -ter, wodurch das Gegensätzliche und Absondernde ausgedrückt wird; s. Benveniste Noms d’agent 120f. I-524-525

ἐντολή s. 1. τέλλω. I-525

ἔντος n. s. ἔντεα. I-525

ἐντός Adv. und Präp. ‘innen, drinnen, innerhalb’ (seit Il.). Davon ἔντοσθε(ν), vereinzelt ἔντοθεν (nach ἔνδοθεν, ἔκτοθεν usw.) ‘von innen, drinnen, innerhalb’ (ep. ion. seit Il.; späte Prosa) mit ἐντόσθια und ἐντοσθίδια n. pl. ‘Eingeweide’ (Hp., Arist. usw.; vgl. Chantraine Formation 39), wozu die Adj. ἐντόσθιος, -ίδιος ‘auf die Eingeweide bezüglich’ (Mediz. u. a.); vgl. unten. — Komparativbildung ἐντότερος ‘innerer’ (LXX). — Mit lat. intus ‘(von) innen’ uridentisch; idg. Bildung auf -tos (z. B. aind. i-táḥ ‘von hier’, lat. peni-tus ‘[von] innen’) zum Adverb *en; s. ἔν. Vgl. ἐκτός m. Lit. — ἐντόσθια nicht mit Vendryes REGr. 23, 74 aus *ἐντόστια (nach ἔντοσθε) = aind. antastya- n. ‘Eingeweide’; das letztgenannte Wort gehört zu aind. antár ‘innen’ (s. ἔντερον) mit regelmäßigem Ersatz von -r durch -s- im Sandhi vor dem Suffix -tya-. I-525

ἐντροπαλίζομαι nur Ptz. -όμενος ‘sich oft umkehren, zurückwenden’ (Il., Q. S.). — In derselben Bedeutung auch μετατροπαλίζεο (Impf. Med., Υ 190). — Expressive Bildung; zu τροπέομαι, τρέπομαι geschaffen wie στροφαλίζω zu στροφέω, στρέφω, κροταλίζω zu κροτέω. Als Ausgangspunkt diente ursprünglich ein Nomen auf -αλ(ο-), vgl. κρόταλον, στροφάλιγξ. Chantraine Gramm. hom. 1, 340. Ein Adj. ἐντροπαλός ‘beschämt, furchtsam’ ist tatsächlich aus dem Neugriech. bekannt; vgl. Schwyzer 32. Anders Bechtel Lex.. 318f. (nach Fick). I-525

ἐντύνω, ἐντύω s. ἔντεα. I-525

ἐντυπάς Adv. Ω 163 ὁ δἐν μέσσοισι γεραιὸς || ἐντυπὰς ἐν χλαίνῃ κεκαλυμμένος (danach A. R., Q. S. u. a.; auch ἐντετύπασται ‘ist gehüllt’ BSA 16, 107 [Pisidien]). Davon ἐντυπαδία H. — Bedeutung schon in der Antike strittig, wie u. a. aus den Erklärungsversuchen bei H. hervorgeht: ἐντυπάς· ἐντετυπωμένος. ἐγκεκαλυμμένος τὸ πρόσωπον τῷ ἱματίῳ, τὴν χεῖρα ἔχων πρὸ τοῦ προσώπου. ἢ κεκυφώς. — Gewöhnlich mit den Schol. zu τύπτω, τύπος gezogen und als ‘fest eingeschlagen’ o. ä. verstanden, d. h. so daß sich die Umrisse der Glieder und des Hauptes in dem Gewande ausdrücken. — Nach Kurschat bei Prellwitz als ‘kauernd, hockend’ zu lit. tũpti ‘sich hinhocken’, tupė́ti ‘hocken’ (unsichere germ. Verwandte bei WP. 1, 714). — Zu den Adverbia auf -ας Schwyzer 631, Chantraine Gramm. hom. 1, 251. I-525-526

Ενυάλιος (’Ενυϝαλιος Argos VIIa; myk. E-nu-wa-ri-jo) m. alter Kriegsgott, mit dem Kriegsgeschrei ἐλελεῦ verbunden und mit Ares identifiziert (seit Il.). Davon ’Ενυαλία N. einer Phyle in Mantinea (IG 5 (2), 271); ’Ενυάλιον N. eines Tempels auf der Insel Minoa (Th. 4, 67). — Daneben ’Ενυώ f. N. einer Kriegsgöttin (Kurzname?; seit Il.) mit ’Ενυεύς König in Skyros (Ι 668; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 125). — Vorgriechischer Name mit unklarer Bildung und unbekannter Etymologie. Verfehlt Carnoy Beitr. z. Namenforschung 7, 119f. — Zu Enyalios s. Nilsson Gr. Rel. 1, 519 m. Lit. I-526

ἐνῴδιον n. ‘Ohrgehänge’ (att. Inschr. seit 399a; Meisterhans3 65 und 79), oft im Dual (Schwyzer-Debrunner 47). — Hypostatische Deminutivbildung aus *ἐν-ου(σ)-ίδιον mit Übertragung des ω von ὦτα usw. Wackernagel Phil. Anz. 15, 199ff.; s. auch Schulze Q. 38 A. 1. — Seit hellenistischer Zeit dafür, mit voller Angleichung an ὦτα, ἐνώτιον (Delos 279a usw.) mit dem neuen Deminutivum ἐνωτίδιον (Delos, Tanagra); außerdem ἐνωτάριον nach ὠτάριον (H. s. βοτρύδια). — Unrichtige Analyse bei Specht Ursprung 208 und 224 (δ ~ τ alter Suffixwechsel). — Daneben eine Bildung auf -άδιον in ἐξωβάδια· ἐνώτια. Λάκωνες H. (aus *ἐξ-ωυ(σ)-άδια; vgl. Schwyzer 520). I-526

ἐνῶπα nur in κατενῶπα (κατἐνῶπα, κατένωπα) ‘ins Angesicht, entgegen’ m. Gen. (Ο 320, Orph. L., Epigr.), Univerbierung aus ἐν ὦπα, vgl. ἔναντα und Schwyzer 619. Davon ἐνωπα-δίως ‘von Angesicht zu Angesicht, leibhaftig’ (ψ 94), -δίς (A. R. 4, 351), -δόν (Q. S. 2, 84) ‘ds.’. — Durch Hypostasierung entstand ἐνώπ-ιος ‘vor dem Gesicht seiend, sichtbar, gegenwärtig usw.’, vorw. im. Neutr. als Adv. und Präp. ἐνώπιον (m. Gen.) ‘angesichts, in Gegenwart, persönlich’ (hell. u. spät), κατενώπιον ‘ds.’ (hell. u. sp.). Im Neutr. pl. ἐνώπια ‘Vorderwände, Außenwände, Fassade eines Hauses’ (Hom.), auch im Sing. (Delos IIa); ‘Antlitz’ (A. Supp. 146 [lyr.]). — Ein isolierter Dativ ist ἐνωπῇ ‘im Anblick, öffentlich’ (Ε 374), von einem Verbalnomen ἐνωπή ‘Anblick, Angesicht’ (nur in ἐνωπῆς γλήνεα Nik. Th. 227; Simplex ὠπή A. R., Nik.), falls nicht einfach Umbildung von ἐνῶπα nach den adverbiellen Dativen auf -ῇ (σπουδῇ usw.; Schwyzer 622), vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 249. — Weiteres s. ὤψ; vgl. auch πρόσωπον und μέτωπον. I-526-527

ἐνώτιον s. ἐνῴδιον. I-527

ἐξ, vor Konsonant ἐκ (ἐγ, ἐχ), dial. ἐς, böot. immer ἐ(σ)ς Adverb (Präverb) und Präposition ‘aus’ (seit Il.). Einzelheiten mit Lit. bei Schwyzer-Debrunner 461ff. Davon ἔξω usw., s. bes. — Genaue Entsprechungen zu ἐξ liegen im Italischen und Keltischen vor, z. B. lat. ex (, ec-), gall. ex-, air. ess-; daneben stehen im Baltischen und Slavischen Formen mit unklarem i-, z. B. lit. ìš, ìž, aksl. is, iz; sehr fraglich arm. i, y- ‘aus, von’ (neben i, y- ‘in’). — Wegen ἔσχατος, ἐχθός (= ἐκτός) u. a. wird nach Wackernagel KZ 33, 38ff. (= Kl. Schr. 1, 717ff.) als idg. Grundform nicht *eḱs, sondern *eĝhs (*eĝzh) angesetzt; eine Annahme, die, für ἐκτός entbehrlich (s. d.), für das unklare ἔσχατος unumgänglich zu sein scheint, vgl. s. v. I-527

ἕξ, dor. usw. ϝέξ ‘sechs’. Als Vorderglied neben seltenen ἑξ-, ἑκ- gewöhnlich ἑξα- (ἑξά-μετρος, ἑξα-κόσιοι usw.) nach ἑπτα-, τετρα-; ἑξή-κοντα nach πεντή-κοντα; zu den Hintergliedern -κοντα und -κόσιοι s. Schwyzer 592 und zu διακόσιοι. Ableitungen: ἑξίτης (sc. βόλος) ‘Sechs-Wurf im Würfelspiel’ (Epigr., Poll.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 48); ἑξᾶς, -ᾶντος m. (sizil.) = lat. sextans und diesem nachgebildet; davon ἑξάντιον (Epich.). — Daneben das Ordinale ἕκτος, kret. ϝέκτος und das Zahladv. ἑξάκις (nach πολλάκις usw.); Kollektivum ἑξάς f. ‘Zahl von sechs’ (Ph. usw.) mit ἑξαδικός. — Über das unklare ξέστριξ κριθή· ἡ ἑξαστιχος. Κνίδιοι H. s. Schwyzer 590 m. Lit. Das idg. Zahlwort ‘sechs’ liegt in mindestens zwei Varianten vor. Lat. sex, germ., z. B. got. saíhs, aind. ṣáṣ-, lit. šeš-, aksl. šes-, alb. gjash-tē, toch. A ṣäk sind alle (mit einzelsprachlichen Veränderungen des Anlauts) auf idg. *seḱs zurückführbar. Ihnen stehen in gr. ϝέξ, arm. vec̣, kelt., z. B. kymr. chwech, aw. xšvaš Formen mit -haltigem Anlaut gegenüber; Grundlage etwa *su̯eḱs; viele Einzelheiten bleiben indessen unklar. Auch gr. ἕξ erklärt sich wie ϝέξ unschwer aus idg. *su̯eḱs mit Schwund des Digamma bzw. des Hauches; zu böot. ἕξ (neben ϝικαστῆ) Schwyzer 226 m. A. 4. — Das Ordinale ἕκτος, ϝέκτος kann sowohl *su̯eḱs-to-s wie *su̯eḱ-to-s repräsentieren; eine idg. Lautgruppe -ḱt- scheint für gewisse germanische Formen, ahd. sehto (neben sehsto), awno. sétte erforderlich zu sein. Andere Formen zeigen indessen ein inlautendes -s-: lat. sextus, got. saíhsta, toch. A ṣkäst; wieder andere sind mehrdeutig: aind. ṣaṣṭhá-, lit. šẽštas, aksl. šestъ. — Lit. bei Schwyzer 590f., 595f., WP. 2, 522f., W.-Hofmann s. sex ebenso wie in zahlreichen grammatischen und lexikalischen Darstellungen der einzelnen Sprachen. I-527-528

ἔξαιτος ‘auserlesen’ s. αἴνυμαι. I-528

ἐξαίφνης ‘plötzlich’ (seit Il.). Davon ἐξαιφνίδιος (Pl., Gal. u. a.) nach dem älteren αἰφνίδιος. — Zusammenrückung aus ἐξ αἴφνης, von einem Nomen *αἴφνη (wozu αἰφνίδιος), also vielleicht eig. "aus der Jähe" bzw. "dem jähen" (sc. τῆς ὁδοῦ?; Strömberg Prefix Studies 56; vgl. auch Bechtel Lex. s. v.). Das später auftretende αἴφνης (s. d.) kann eine Kreuzung von ἐξαίφνης und αἰφνίδιος sein (anders Schwyzer 625). — Vgl. ἐξαπίνης. I-528

ἔξαλος ‘außerhalb des Meeres, fern vom Meer, aus dem Meer hinausragend’ λ 134 = ψ 281 als schwach bezeugte v. l. für ἐξ ἁλός; Emp. 117 (ἰχθύς; auch auf ἐξάλλομαι bezogen), hell. u. sp. Prosa (Plb., Str., Luk.), Opp. — Hypostase aus ἐξ ἁλός. Die Ansicht Leumanns, Hom. Wörter 55 A. 24, das dichterische Adjektiv ἔξαλος sei aus der Lesung der Odysseestellen entstanden, ist kaum haltbar. I-528

ἐξάντης, -ες ‘genesen, gesund, frei von’ m. Gen. (z. B. νούσου. Hp., Pl. Phdr. 244e, späte Prosa). — Medizinischer Ausdruck, der Bildung nach zu προσ-, κατ-, ἀν-άντης usw. stimmend. Es wäre somit eig. "mit der Vorderseite, dem Angesicht weg", d. h. ‘abgewendet, frei von’; vgl. zu ἄντα und ἀντί, außerdem Schwyzer-Debrunner 441f. m. Lit. — Verfehlt Ehrlich Sprachgesch. 40; s. Kretschmer Glotta 4, 349. I-528

ἐξαπίνης, dor. -ᾱς Adv. ‘plötzlich’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.; nicht Trag.); hell. und spät auch ἐξάπινᾰ (nach den Adv. auf -ᾰ). Davon ἐξαπιναῖος mit dem Adv. -αίως ‘ds.’ (Hp., Th., X., Plb. u. a.). — Bildung wie ἐξαίφνης (s. d.) aber sonst dunkel. Die Heranziehung von ἄφαρ, ἄφνω (Strömberg Prefix Studies 56) hat wenig Wert; ältere, ebenfalls fragliche Versuche (lat. opīnor, νηπύτιος) bei Bq. I-528

ἔξαστις, -ιος f. ‘Rand eines Gewebes, Franse’ (Samos IVa), pl. ‘herausstehende Fäden am Gewebe’, bes. ‘die Fäden, die beim Zerzupfen der Leinwand zu Charpie entstehen’ (Mediz.). — Nicht sicher erklärt. Nach J. Schmidt Kritik 89 A. 1 aus *ἔξ-αν-στ-ις, Verbalnomen zu ἐξανίστημι mit Apokope und Nasalverlust wie in epid. ἀ-στάς = ἀν(α)-στάς; dazu Schwundstufe wie in μετ-ανά-στ-ις (s. μετανάστης), also eig. "die herausstehende". Dagegen erwägt Boisacq (nach Schneider) mit Recht Anknüpfung an ἄττομαι ‘das Gewebe anzetteln’, ἄσμα ‘Kettenfaden’ usw. (s. dazu Fraenkel IF 32, 121); auszugehen wäre von *ἐξ-άττομαι oder *ἐξ-άζομαι (genaue Bedeutung?). I-528

ἐξαυστήρ, -ῆρος m. ‘κρεάγρα, Fleischzange’ (A. Fr. 2, Inschr., Poll. usw.) mit dem Deminutivum ἐξαύστριον (Delos IIIa). — Auch ἐξαύστης (Delos IIa; nach der Zusammenbildung πυραύστης). S. 2. αὔω. I-529

ἐξαυτῆς Adv. ‘sofort’ (hell.). — Wahrscheinlich aus ἐξ αὐτῆς τῆς ὁδοῦ abgekürzt, s. Wackernagel Unt. 41 A. 4. I-529

ἐξερἄω — s. ἀπ-εράω. — Zu ngr. ξερνῶ, ἐξέρασα ‘sich erbrechen’ (so auch im Altgr.) Grégoire-Goossens Byzantion 13, 399f. I-529

ἐξετάζω s. ἐτάζω. I-529

ἑξῆς Adv. ‘der Reihe nach, hintereinander, nächstdem’ (Od., att.); ἐφ-εξῆς, ion. ἐπ- ~ ‘ds.’, καθ-εξῆς ‘ds.’ (Ev. Luk. 1, 3, Plu., Ael.); daneben ἑξείης (Hom.), ἐφ-, καθ-εξείης (Orph., Opp.); ἑξαν (dor., Akzent?) ‘ds.’. — Daß der adverbiale Genetiv ἑξῆς zu einem von ἔχεσθαι ‘sich anschließen, folgen’ abgeleiteten Nomen gehört, scheint sicher, aber die nähere Beurteilung schwankt. Schulze Q. 293 sieht in ἑξῆς und ἑξαν Formen von einem Nomen *ἕξᾰ mit derselben Flexion wie μίᾰ, μιᾶς, μίᾰν; Bechtel Lex. s. v. geht, weniger ansprechend, von einem Adjektiv *ἑξός aus. Beachtung verdient die Vermutung Solmsens, Wortforsch. 240 A. 1, ἑξῆς sei aus dem früher belegten ἑξείης (metrische Dehnung für *ἑξέης?) kontrahiert. Wie Solmsen selbst bemerkt, erklärt diese Annahme jedenfalls nicht dor. ἑξαν. — In ἑξε(ί)ης scheint ein Adjektiv *ἑξε(ι)ος (vgl. ἑξεῖα· τα ἑξῆς H.) zu stecken (von ἕξις?). — Die synonymen ἐπεχές (arg.), ἐπεχεῖ (delph.), ποτεχεῖ (herakl.) gehen direkt von ἐπ-, ποτ-έχεσθαι aus; vgl. Schwyzer 549. I-529

ἕξιστων Beiwort von χιτωνίσκον (Akk.), zusammen mit κτενωτόν (IG 22, 1514, 30; 1516, 9; Mitte IVa; Verzeichnis von Kleidungsstücken, die der Artemis geschenkt wurden; zahlreiche eigentümliche technische Wörter). — Ohne Zweifel für ἕξ ἱστῶν ‘aus sechs Webstücken bestehend’; zur Sache s. Preisigke Wörterbuch s. ἱστός. I-529

ἐξονομακλήδην (ἐκ δὀν.) Adv. ‘bei Namen, namentlich’ (Hom.). — Hypostase aus dem Ausdruck ὄνομα καλεῖν (τινα) ‘(jn.) bei Namen nennen’ nach κλήδην (Ι 11) und mit ἐξ wie in ἐξονομαίνω (-άζω) ‘mit Namen nennen’ (vgl. zu diesem Ausdruck die, wie es scheint, allzu kritischen Ausführungen von Jacobsohn KZ 62, 132ff.). — Nach H. Fränkel Glotta 14, 2f. wäre ἐξονομακλήδην = ‘mit Vatersnamen’ mit Bezug auf die patronymische Anrede τίς πόθεν εἰς ἀνδρῶν gesagt. I-529

ἐξουλή f. ‘Verdrängung, Verbannung’ (att.), fast nur in ἐξουλῆς δίκη; außerdem vereinzelt ἐξουλήν und -άς. — Juridischer Ausdruck, aus *ἐκ-ϝολνά̄ zu *ἐκ-ϝελνέω ‘verdrängen’ (s. 1. εἰλέω); vgl. auch zu ἁ̄λής und οὐλαμός. — Zur Oxytonierung Wackernagel-Debrunner Philol. 95, 178f. I-529-530

ἔξω Adv. und Präp. m. Gen. ‘außerhalb’ (seit Il.); dazu ἔξω-θεν ‘von außen her, draußen’ (ion. att.), auch ἔξοθεν (Stesich., Ibyk. u. a.; nach πόθεν u. a.); ἐξωτέρω, -τάτω u. a. — Von ἐξ wie εἴσ-ω von εἰς, ἄνω von ἀνά usw.; Schwyzer 550. — Dial. ἐξεῖ· ἔξω. Λάκωνες H. (nach ἐκεῖ u. a.), kret. ἔξοι (ἔνδοι usw., s. ἔνδον), lesb. ἐξός (ἐκτός u. a.). Schwyzer-Debrunner 538. I-530

ἐξωφάκαι pl. ‘eine Art von äußeren Hämorrhoidalknoten, die Linsenfrüchten ähnelten’ (Kyran.). — Zu φακός ‘Linse’; vgl. ἀφάκη m. Lit. I-530

ἔοικα (seit Il.), ep. du. ἔϊκτον, att. pl. ἐοίκαμεν, Prät. sg. ἐῴκειν, ep. du. ἐΐκτην, att. pl. ἐῴκεσαν, Med. ep. ἔϊκτο, ἤϊκτο, Ptz. εἰκώς (Φ 254, att.) neben ἐοικώς (für *ϝε-ϝικ-ϝώς nach ἔοικα? Leumann Celtica 3, 241ff.), f. ἐϊκυῖα, n. εἰκός; οἶκα, οἰκώς (Hdt.) ‘ähnlich sein, gleichen’; weitere Formen bei Chantraine Gramm. hom. 1, 424f., 479f., Schwyzer 769, 773, 541. Auch mit Präfix ἐπ-, ἀπ-έοικα u. a. Dazu als Neubildung die faktitiven εἰκάζω (s. d.) und ἐΐσκω (ep. poet. seit Il., nur Präsensstamm, Ipf. ἴσκε(ν), Ptz. ἴσκοντ-) ‘gleich machen, finden, vergleichen, vermuten’. — Das alte intransitive Perfekt ἔοικα (woraus durch Hyphärese οἶκα usw.; anders Schwyzer 766f.) geht, wie schon aus dem Metrum erhellt (Chantraine 1, 129), auf *ϝέ-ϝοικ-α, du. *ϝέ-ϝικ-τον, Plusquamperf. *(ἐ-)ϝε-ϝοίκ-ει (> ἐῴκει; Debrunner Mus. Helv. 2, 199) zurück; dazu wurden *ϝε-ϝίκ-σκ-ω (> ἐΐσκω), *ϝε-ϝικ-άζω > ἐϊκάζω, εἰκάζω neugebildet (anders über ἐΐσκω, schwerlich richtig, Schwyzer 298 mit Schulze KZ 43, 185). Ein reduplikationsloses *ϝικ-σκ-ω wird in ἴσκε(ν), ἴσκοντ’ vermutet (z. B. Schwyzer 708); daneben auch mit Prothese *ἐ-ϝίσκω ι 321 usw.? (Chantraine 317). Ohne Reduplikation ist jedenfalls (ϝ)εικών (s. d.); für εἰκώς kommt dagegen neben ϝεικ- (Schwyzer 541, 767; so auch s. εἰκών) auch *ϝε-ϝικ-ϝώς (s. oben) ernstlich in Betracht. Zu εἴκελος s. ἴκελος; zu ἐπιεικής s. bes. — Eine sichere außergriechische Entsprechung von ἔοικα usw. fehlt. Der Vergleich mit der baltischen Sippe lit. -vỹkti ‘eintreffen, zutreffen, wahr werden’, pa-véikslas ‘Beispiel’ usw. ist sehr fraglich; s. WP. 1, 233 m. Lit. I-530

ἐόλει ‘bedrängte’ (Pi. P. 4, 233 coni. Boeckh) s. 1. εἰλέω. I-530

ἔορ · θυγάτηρ, ἀνεψιός. ἔορες· προσήκοντες, συγγενεῖς H. — Absterbendes Relikt des idg. Wortes für ‘Schwester’, das u. a. in aind. svásar-, lat. soror, germ., z. B. got. swistar vorliegt; idg. *su̯ésor-. Die griechischen Formen müssen, mit ungenauer Bedeutungsangabe (anders Specht Ursprung 335), aus einem psilotischen Dialekt stammen; ἔορ scheint Vokativ zu sein. Im Griech. sonst durch ἀδελφή ersetzt, was zu einer Bedeutungsverschiebung hat beitragen können, wie φράτηρ durch αδελφός. — Reiche Lit. bei Bq, WP. 1, 533ff., W.-Hofmann s. soror usw. I-530-531

ἔοργα von ἔρδω s. d. I-531

ἐόργη f. ‘τορύνη, Quirl’ mit den Denominativa ἐοργῆσαι· τορυνῆσαι und ἐοργίζεται· τορυνᾶται (Poll., H., Eust. usw.). Daneben εὐέργη, εὐεργέτις (Poll., H., EM). — Semantisch und formal nahe steht das sekundäre Verb ὀργάζειν ‘weich machen, kneten, gerben’ (att.), ebenso εὐεργής als Beiwort von ἄρτος (‘wohlgeknetetes Brot’) bei Andromachos (ap. Gal. 14, 38, 9). Der Bildung nach erinnert ἐόργη (für *ἐοργή wie δείλη, δέρη u. a.? Solmsen; s. unten) an ἐδ-ωδ-ή usw. und ist wahrscheinlich als intensive Reduplikationsbildung *ϝε-ϝοργ-η zu verstehen. Die Nebenformen εὐέργη, -έτις scheinen volksetymologische Umbildungen zu sein (vgl. εὐεργής oben). In ὀργάζω liegt ein mit -άζω erweitertes iterativ-intensives ὀργάω (Schwyzer 718) vor. Die Wörter gehören zu ἔργον, ἔρδω (s. dd.); zur Bedeutung vgl. dt. (Teig) wirken = ‘kneten’. — Solmsen Unt. 256f. (nach Lobeck). I-531

ἑορτή, ion. Prosa ὁρτή (durch Hyphärese) ‘Fest, religiöse Feier’ (seit Od.). Als Hinterglied in φιλ-έορτος (Ar. in lyr.) u. a. Davon die späten Adj. ἑορταῖος ‘zum Fest gehörig’ (D. H.), ἑορτώδης ‘festlich’ (J., Ph.) und das Denominativum ἑορτάζω, ὁρτάζω ‘ein Fest feiern’ (ion. att.) mit ἑόρτασις (Pl.), -ιμος (J. usw.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 87), ἑόρτασμα (LXX), ἑορταστής (Poll., Max. Tyr.), ἑορταστικός ‘zum Fest geeignet’ (Pl. Lg. 829b u. a.). — Verbalnomen mit suffixalem -τή (Schwyzer 501, Chantraine Formation 301f.), aber ohne sichere Anknüpfung. Nach Sonne KZ 13, 442 A. aus *ϝε-ϝορ-τή zu ἔροτις, ἔρανος (s. d.), wozu noch mit Brugmann IF 13, 155ff. ἦρα usw. (s. d.). Zur Bildung usw. Solmsen Unt. 257, zum Spir. asper Sommer Lautstud. 124ff. I-531

ἑός ‘suus, eigen’ s. ἕ, ἑ. I-531

ἐπαινή Beiwort der Persephone (Hom.), spät auch auf andere Göttinnen übertragen (Hekate, Demeter). — Wahrscheinlich durch falsche Worteinung (zunächst Ι 457) aus ἐπαἰνὴ Π. ‘dazu die schreckliche P.’ entstanden. Buttmann Lexilogus 2, 101, Leumann Hom. Wörter 72, Schwyzer 102. I-531

ἐπᾱλής Beiwort der λέσχη (Hes. Op. 493 ἐπαλέα λέσχην), als ‘sonnig’ (zu ἀλέα ‘Sonnenwärme’) oder ‘dicht gedrängt’ (zu ἁ̄λής) erklärt. — Da bei der letztgenannten Deutung das Präfix ἐπ’ unklar ist, kommt auch eine Lesung ἐπἀλέα (wie ἐπαἰνή) in Frage; Bechtel Lex. 129. I-531-532

ἔπαλπνος ‘angenehm’ o. ä. (Pi. P. 8, 84, von νόστος). — Zu ἁρπαλέος (s. d.) aus ἀλπαλέος, *ἄλπιστος (s. ἄλπνιστος), wahrscheinlich von einem r-n-Stamm *ἄλπαρ, ἄλπν- als Bahuvrihikompositum mit adverbialem Präfix. Zur Stammbildung noch Schwyzer 484 m. A. 2 und Lit. I-532

ἐπάντης, -ες ‘schroff, steil’ (Th. 7, 79). — Wie ἀν-, κατ-άντης u. a. von einem Nomen ἀντ- in ἄντα, ἀντί (s. dd.) ‘Vorderseite, Stirn’ mit adjektivischer σ-Stammflexion; somit eig. ‘mit der Vorderseite zugewandt’ . I-532

ἐπαρετέω ‘in Gebrauch, in seinen Dienst nehmen’ (PTeb. 5, 182; 252; IIa; κτήνη, πλοῖα, von Beamten usw.). — Von ἀρετή im Sinn von ‘Dienstfertigkeit, Dienst’ mit ἐπί wie ἐπι-χειρ-έω, ἐπι-θυμ-έω u. a. I-532

Επάριτοι pl. Ben. der Soldaten des arkadischen Bundes (X., Ephor. usw.), eig. = ἐπίλεκτοι, ‘die Auserlesenen’ (D. S. 15, 62); — vgl. die EN Πεδ-άριτος (ark., lak.), ’Επ-ήριτος (ω 306), Μετ-ήριτος (ion.); außerdem das Adj. νήριτος (s. d.) aus *νε-αρι-τος ‘nicht zu zählen, zahllos’, von einem Verb ‘zählen’, das auch dem Nomen ἀρι-θμός zugrunde liegt, mit ἐπι- wie in ἐπι-λέγειν ‘auswählen’. — Leumann Hom. Wörter 247 m. Lit., Schwyzer 502. I-532

ἐπασσύτεροι auch sg. -ος pl., ‘einer nach dem andern, rasch aufeinander, haufenweise’ (ep. seit Il.); als Vorderglied in ἐπασσυτερο-τριβής ‘rasch aufeinander treffend’ (A. Ch. 426 [lyr.]). — Erklärung unsicher. Nach Sonne KZ 13, 422 und Brugmann RhM 53, 630ff. von einem Adv. *ἐπ-αν-(σ)σύ zu *ἐπ-αν(α)-σσεύομαι ‘nach einander eilen’, vgl. ἀνά-σσυτος ‘in die Höhe steigend’ (Hp.), ἐπί-σσυτος ‘andringend’ (A., E.), παν-συ-δίῃ ‘mit allem Eifer’; dabei könnte ebensogut mit Ehrlich RhM 63, 109 ein haplologisch gekürztes ἐπασσυ[τό]-τερος in Betracht kommen. — Nach Risch 87 und Seiler Steigerungsformen 44 dagegen eher Kontamination von *ἀγχύτερος und ἀσσοτέρω; ähnlich Baunack Philol. 70, 387: aus ἀσσοτέρω und ἐγγύτερος. Bei der ersten Deutung vermißt man eine befriedigende Rechtfertigung des komparativen -τερος; bei der letztgenannten scheint das Präfix ἐπι- überflüssig; vgl. indessen das synonyme ἐπήτριμοι. I-532

ἐπαυρίσκω, gew. -ομαι (ἐπαυρεῖ H. Op. 419), Aor. ἐπαυρεῖν, -έσθαι, Fut. ἐπαυρήσομαι ‘berühren, an etw. teilhaben, genießen’ (vorw. ion. poet. seit Il.). Davon ἐπαύρεσις ‘Genuß, Gewinn’ (Hdt., Demokr., Th.). — Ohne Etymologie. Vermutung bei Schwyzer 709 A. 3: *ἐπ-ᾱ-ϝρ- zu εὑρίσκω (s. d.). Eine Form mit anderem Präfix scheint in ἀπαυρίσκομαι ‘Nahrung schöpfen’ (Hp. Nat. Puer. 26) vorzuliegen. I-532-533

Ἔπαφος 1. m. Sohn des Zeus und der Io, den diese am Nil gebar (A. Pr. 851); griech. Name des Apis (Hdt.). — Von den Alten (z. B. A. Supp. 17 und 45, Pr. 849f.) auf die Berührung (ἐπαφή, ἔφαψις, ἐπαφάω) der Io durch Zeus zurückgeführt, was eine offenbare Volksetymologie ist; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 246 A. 2. Auch für ein heilendes Handauflegen (Gruppe; s. P.-W. s. Epaphos) gibt es in dieser Sage keinen Anhalt. I-533

ἔπαφος 2. -ον Beiwort der ἄμπελος, Ausdruck des Weinbaus unsicherer Bedeutung (PAvrom. 1 A 26, 1 B 27; Ia). — Wohl eig. ‘mit ἁφή, d. h. Haft, versehen’, ‘gestützt, aufgebunden’ (so schon Moulton z. St. JournofHellStud. 35, 55). Das Wort hat keinen direkten Zusammenhang mit dem juristischen Ausdruck ἀν-έπαφος ‘ohne ἐπαφή’, d. h. ‘unberührt, frei von dinglicher Belastung’; darüber Preisigke Wb. s. v. I-533

ἐπεί Konj. der Zeit und des Grundes ‘da, als, weil’ (seit Il.); auch mit angeschlossenen (hinzugefügten) Partikeln, z. B. ἐπεί τε (ep. ion.), ἐπεὶ δή, ἐπειδή (seit Il.), ep. auch ἐπεὶ ἦ (ἐπειή), mit ἄν : ἐπεὶ ἄν, ἐπεάν (ion.), ἐπήν (ion. att.), ἐπάν (hell.); ἐπεὶ δἄν, ἐπειδά̄ν (att.). — Aus ἐπ-εί (s. εἰ); wohl urspr. demonstrativ wie εἶτα, ἔπ-ειτα. Weitere Einzelheiten mit reicher Lit. bei Schwyzer-Debrunner 658ff.; auch Chantraine Gramm. hom. 2, 258f. I-533

ἐπείγω, -ομαι ‘drücken, drängen, antreiben; sich drängen, eilen’ (seit Il.); Impf. ἔπειγον (Od.), ἤπειγον (Pi., S.); die außerpräsentischen Formen treten gegenüber dem Präsens zurück : Aor. ἤπειξα (Hp. Ep. 17 u. a.), Pass. ἠπείχθην (Th., Pl.), Fut. ἐπείξομαι (A.), Perf. Med. ἤπειγμαι (J. u. a.). — Hdn. Gr. 2, 436 notiert als äol. ἐποίγω. Auch mit Präfix, namentlich κατ-επείγω (vorw. att.). Wenige Ableitungen: ἔπειξις ‘Dringlichkeit, Eile’ (J., Plu., Luk. u. a.) mit ἐπείξιμος ‘dringlich’ (POxy. 531, 9, IIp; Epismus?, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 102); ἐπείκτης ‘Andringer, andringend’ mit ἐπεικτικός ‘dringend’ (EM, Sch. u. a.); ἐπειγωλή ‘Eile’ (EM); ’Επειγεύς PN (Π 571; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 99). — Ohne überzeugende Erklärung. Nach Brugmann IF 29, 238ff. zu οἴγνυμι ‘öffnen’ (aus *ϝο-(ε)ιγ-, lesb. ὀείγην), eig. ‘weichen machen’. Ältere Versuche werden bei Bq abgelehnt. I-533

ἔπειτα, ἔπειτε(ν) s. εἶτα. I-533

ἐπενήνοθε s. ἐνθεῖν. I-533

ἐπενπέτω Ipv., ἐπένποι Opt. (Schwyzer 409, Elis), Bed. unsicher, etwa ‘auflegen’?; vgl. Bechtel Dial. 2, 864. — Ohne Etymologie. I-533

ἔπερθα, κατ-έπερθεν ‘oberhalb’ (Alk.). — Zu ἐπί nach ἔνερθα, -θεν, ὕπερθα, -θεν. Vgl. noch ἐπέρτερα· μείζω καὶ ὑψηλότερα, ἄψερον· ὕστερον, πάλιν H. — Weitgehende Kombinationen bei Mastrelli Stud.itfilclass. 27, 1ff. I-534

ἔπερος m. ‘Widder’ — Nicht mit Meillet Rev. d. ét. slav. 5, 9 zu κάπρος, lat. aper usw.; auch nicht mit Mastrelli Stud. itfilclass. 27, 1ff. zu ἐπέρτερα· μείζω, καὶ ὑψηλότερα H., alb. epërë ‘oben befindlich’. s. εἶρος. I-534

ἐπεσβόλος ‘Worte ausstoßend, schmähend’ (Β 275, A. R., AP) mit ἐπεσβολίη ‘Schmähung’ (δ 159 u. a.) und ἐπεσβολέω ‘schmähen’ (Lyk., Max.). — Zusammenbildung aus ἔπος und βάλλειν mit ε-Vokalismus des s-Stammes und o-Abtönung des Hinterglieds (Schwyzer 440 bzw. 449). I-534

ἐπέτοσσε = ‘ἐπέτυχε, traf, erreichte’ Aor. mit dem Ptz. sg. m. ἐπιτόσσαις (Pi. P. 4, 25; 10, 33). — Unerklärt; vgl. Schwyzer 755 A. 2. I-534

ἔπεφνον s. θείνω. I-534

ἐπήβολος ‘dem etwas zufällt, teilhaftig, habhaft’ (seit Od.), auch ‘erreichbar’ (A. R.; vgl. Wifstrand Krit. und exeget. Bemerkungen zu A. R. [Lund 1929] 28f.); ἐπαβολά f. ‘Anteil’ (Gortyn), ἐπηβολή· μέρος H. Daneben κατηβολή· τὸ ἐπιβάλλον (E. Fr. 614, 750). — Verbalnomina von ἐπι-, κατα-βάλλω mit -η- nach ἐπ-, κατ-ήκοος, ἐπ-ημοιβός usw. (Dehnung in der Kompositionsfuge). Brugmann Sächs. Ber. 1901, 103. I-534

ἐπηγκενίδες f. pl. Benennung eines Schiffsteiles (ε 253); — nach Doederlein (s. Bechtel Lex. s. v.) "die auf den ἀγκόνες (‘Schiffsrippen’?) Ruhenden", d. h. ‘die Bohlen’, also Hypostase mit kompositioneller Dehnung und ε-Abtönung im Anschluß an die Nomina auf -ίδ-ες, z. B. σανίδες. Es könnte aber ebensogut die oberen Teile der ἀγκόνες bezeichnen, vgl. zu ἐπωτίδες. Der sachliche Inhalt bleibt sowieso unklar. Einzelheiten bei Bechtel a. a. O. I-534

ἐπηετανός (ἐπητανός h. Merc. 113, Hes. Op. 607) ep. Adj. unbestimmbarer Bedeutung, etwa ‘ausreichend, reichlich, immerwährend’ (seit Od.). — Wohl eig. ‘das ganze Jahr dauernd’ (wie ἐπ-έτ-ειος, ἐπ-ετ-ήσιος) mit -η- wie in ἐπήβολος (s. d.) u. a. und suffixalem -ανος wie in σητάνιος (s. d.). Die Annahme einer Haplologie *-ϝετι-τανος oder *-ϝετο-τανος (wie diūtinus u. a.; Brugmann Sächs. Ber. 1901, 101, 105; Grundr. 22 : 1, 285; Schulze Kl. Schr. 74 A. 1) erübrigt sich. — Nach Benveniste Origines 45 alter Stammwechsel mit ἔταλον, s. d. Abzulehnen Pisani Ist. Lomb. 77, 563f. (zu αἰών). I-534

ἐπηλυγάζομαι, ἐπῆλυξ s. ἠλύγη. I-534

ἔπηλυς ‘eingewandert, Fremdling’ s. ἐλεύσομαι. I-534

ἐπήρεια f. ‘übermütige Behandlung, Kränkung, Drohung’ (att.). Davon ἐπηρεάζω (-ει- IG 5 [2] : 6, 46, Tegea IVa) ‘übermütig (be)handeln, schöpfen, bedrohen’ (Hdt., att., ark.) mit ἐπηρεασμός (Arist. usw.), -αστής (Sm., Pap. u. a.), -αστικός (Com. Adesp. 202 u. a.). — Abstraktbildung von einem Adjektiv *ἐπ-ηρής, gewöhnlich zu ἀρειή, ἀρή (s. dd.) gezogen aber im Einzelnen unklar. Nach Wackernagel KZ 33, 57 = Kl. Schr. 1, 736 mit Kompositionsdehnung von einem Nomen *ἔρος, das er auch in ἐρεσχηλέω (s. d.) vermutet. Fraenkel Nom. ag. 1, 109 A. 3 betrachtet *ἔρος als Hochstufe zu ἀπ-αρές, ἄρος (s. ἀρή), ἀρειή (aus *ἀρεσ-ιά̄), Ἄρης. I-535

ἐπήρετμος Beiw. von νῆες ‘mit Rudern versehen’, von ἑταῖροι ‘an den Rudern sitzend’ (Od.); auch von πόνοι (Opp. H. 4, 76). — Bahuvrihikompositum, sekundär auch Hypostase von ἔπι (ἐπὶ) und ἐρετμόν mit kompositioneller Dehnung. Strömberg Prefix Studies 79, 83, 135; Forster ’Επίχρυσος 17. I-535

ἐπητής, -οῦ (ν 332, σ 128), ἐπητέες pl. f. (A. R. 2, 987; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 32 A. 2) etwa ‘besonnen, sich gut benehmend, wohlwollend’; ἐπητύς f. (φ 306) ‘gutes Benehmen, Wohlwollen’. — Nicht sicher erklärt. Nach Wackernagel Unt. 42 A. 2 von ἕπω in der in aind. sápati belegten Bedeutung ‘hegen, pflegen, huldigen’ mit η-Erweiterung wie in ἐδ-η-τύς. Verfehlt Strömberg Prefix Studies 83. Ältere Hypothesen bei Bq. I-535

ἐπήτριμοι etwa ‘dicht nebeneinander, haufenweise’ (Il., A. R., nur pl.; bei Q. S. und Opp. sg. etwa ‘ansehnlich, gewaltig’). — Schon von den Alten auf ἤτριον ‘Aufzug, Kette’ bezogen, was von Bechtel Lex. s. v. näher begründet wird. Ernste Bedenken bei Arbenz Die Adj. auf -ιμος 25f. In derselben Bed. auch ἐπασσύτεροι, s. d. I-535

ἔπι, ἐπί Myk. e-pi. Adverb und Präposition ‘dazu, darauf, dabei; auf, an, bei, während, wegen’ mit Gen., Dat. und Akk. (seit Il.). — Indog. Adverb *épi, das auch im Indoiranischen und Armenischen erhalten ist: aind. ápi, aw. aipi, apers. apiy ‘auch, dazu; bei, in’, arm. ew ‘auch, und’. Damit ablautend ὄπι- in ὄπιθεν (s. d.) u. a. Eine reduzierte Form *πι- (= aind. pi-, lit. -pi) wird in πιέζω, πτυχή (s. dd.) vermutet. — Einzelheiten mit reicher Lit. bei Schwyzer-Debrunner 465ff. I-535

Επίασσα f. Beiname der Demeter (H.). — Erstarrtes schwundstufiges Ptz. = ἐπ-ιοῦσα wie ἔασσα = (ἐ)οῦσα, ἕκασσα = ἑκοῦσα; aind. yatī́ ‘gehende’, idg. *-n̥t- neben *-ont- in ἰ-όντ-ος usw. Schwyzer 525, Chantraine Formation 103f. I-535

ἔπιβδᾰ f. ‘Tag nach dem Fest’ (Pi. P. 4, 140); sonst im Plur. ἔπιβδαι oder ἐπίβδαι (Kratin. 323, Aristid., EM 357, 54); nach H. ἀπὸ τοῦ ἐπι<βι>βάζεσθαι ταῖς ἑορταῖς οὐκ οὔσαις ἐξ αὐτῶν. — Somit eig. ‘auf dem Fuße, in der Fußspur folgend’, mit derselben assimilierten schwundstufigen Form des Wortes für ‘Fuß’ (s. πούς; auch πεδά), die auch in aind. upa-bd-- ‘Getrampel’, aw. fra-bd-a- ‘Vorderfuß’ vorliegt. Die Stammbildung von ἔπιβδα ist nicht eindeutig: für ein ι̯α-Suffix mit geschwundenem Jot Schwyzer 475; dagegen betrachtet Solmsen Wortforsch. 269 ἔπιβδᾰ als sekundäre Kürzung für *ἐπί-βδ-ᾱ. I-536

ἐπιβουκόλος in βοῶν ἐπιβουκόλος ἀνήρ (Od.), zu βουκόλος gebildet nach Muster etwa von ἐπίουρος (von ἐφορᾶν, ἐπὶ ... ὄρονται) neben οὖρος ‘Wächter’. Ebenso ἐπιβώτορι μήλων (ν 222) neben βώτορες ἄνδρες (Μ 302). — Vgl. Leumann Hom. Wörter 92, wo auch eine andere Erklärung erwogen wird; außerdem Strömberg Prefix Studies 81 und Sommer Aḫḫijavāfr. u. Sprw. 26. I-536

ἐπιεικής ‘schicklich, geziemend, angemessen, billig; geschickt, tüchtig’ (seit Il.) mit ἐπιείκεια ‘Billigkeit, Tüchtigkeit’ (ion. att.) und ἐπιεικεύομαι (LXX 2 Es. 9, 8 [v. l.], H.). — Gegensatz ἀ-εικής (s. ἀϊκής) mit Beziehung auf ἐπέοικα und Hochstufe wie in εἰκών. — Daneben ἐπι-είκελος ‘ähnlich’ (Hom., Hes.) nach εἴκελος; vgl. Strömberg Prefix Studies 91, Schwyzer-Debrunner 466. I-536

ἐπίεικτος fast immer (bei Hom. immer) mit Negation, οὐκ ἐπίεικτον (μένος, σθένος, πένθος) = ‘un-bezwinglich, un-nachgiebig’ (Hom.); auch = ἐπιεικής ‘angemessen, geziemend’ (θ 307, spät). — Da ein Kompositum *ἐπι-(ϝ)είκω ‘weichen’ nicht belegt ist, hat Schulze Q. 495 A. 1 in Anlehnung an EM 638, 39: οὐκ ἐπίεικτον = οὐ νικώμενον dafür das formelhafte Adjektiv an lat. vincō ‘siegen’, got. weihan, air. fichim ‘kämpfen’ anknüpfen wollen. I-536

ἐπι-είσομαι Fut. ‘werde verfolgen’ s. 1. εἴσομαι. I-536

ἐπιζαρέω ‘anstürmen, bedrängen’ (E. Ph. 45, Rh. 441 [codd. hier -ζάτει]), nach Eust. 909, 28 arkad. — Ohne überzeugende Etymologie. Nach Hoffmann Dial. 1, 102 zu ζωρός ‘feurig, stark’ gezogen mit weiterem Anschluß an ζά-λη ‘Sturm’, δίεμαι usw. I-536

ἐπιζάφελος ‘heftig, hitzig’, vom Zorn (χόλος Ι 525), Adv. -ῶς (χαλεπαίνειν, μενεαίνειν, ἐρεείνειν Ι 516, ζ 330, h. Merc. 487; zur Akzentverschiebung Schwyzer 618), -ον (κοτέουσα A. R. 4, 1672). Daneben in derselben Bedeutung mit archaisierendem Wegfall des Präfixes ζάφελος (Nik. Al. 556, EM), ζαφελές, -ῶς (H.), -ής (Suid.). — Expressives Wort ohne Etymologie. In ζα- steckt gewiß die äolische Form von δια-; das übrige bleibt unklar (ἐθέλω? [Prellwitz], ὄφελος? [Chantraine Gramm. hom. 1, 169]). Nicht besser Strömberg Prefix Studies 89. I-536-537

ἐπιήρανος 1. ‘wohlgefällig, willkommen’ (τ 343) s. ἐπίηρος. I-537

ἐπιήρανος 2. ‘mächtig, herrschend, schützend’ s. ἤρανος. I-537

ἐπίηρος, ‘gefällig, angenehm’ (Emp., Epich. u. a.); ἐπίηρον n. sg. Marc. Sid. (Glotta 19, 176); sonst n. pl. ἐπίηρα, Adv. = χάριν (Antim. 87 u. a.), ἐπίηρα δέχθαι (AP 13, 22), φέρεσθαι (A. R. 4, 375), φέροντα (S. OT 1094 [lyr.]). Komp. ἐπιηρέστερος (Schwyzer 535) — Aus ἐπὶ ἦρα φέρων (Α 572 usw.) durch mißverständliche Univerbierung entstanden. Davon ἐπιήρανος ‘wohlgefällig, willkommen’ (τ 343). Sommer Nominalkomp. 139 mit weiterer Lit. S. ἦρα. I-537

ἐπίθυμβρον n. N. einer Pflanze, nach Paul. Aeg. 7, 4, 9 = τὸ επὶ θύμβρᾳ γενόμενον. — Vgl. ἐπιμήδιον, ἐπιμηλίς und die Ausführungen von Strömberg Wortstudien 34f. I-537

ἐπικάρσιος ‘in die Quere, seitwärts’ (ι 70, von den Schiffen, Hdt., Plb. usw.). — In derselben Bedeutung ἐγκάρσιος (Th. u. a.), wohl nach ἐναντίος u. a. Sekundäres Simplex κάρσιον· πλάγιον H., -ίως Suid. — Letzten Endes zu κείρειν, ἐπικείρειν ‘schneiden’ aber im Einzelnen unklar. Strömberg Prefix Studies 92 geht ansprechend von einem Verbaladjektiv *ἐπίκαρτος aus, wovon ἐπικάρσιος wie ἀμβρόσιος von ἄμβροτος u. a. (s. auch zu διπλάσιος); eine σ-Erweiterung wie in κορσόν· κορμόν H., ἀ-κερσε-κόμης (s. auch κόρση) ließe sich ebenfalls denken. — Die allgemeine Ähnlichkeit mit lit. sker̃sas ‘quer, zwerch’, apreuß. kirscha ‘über’, russ. čerez ‘durch, über-hinaus’ erklärt sich unschwer durch parallele Bildung von der weitverbreiteten Sippe (s)qer-t- ‘schneiden’. — Nicht von *ἐπὶ καρσί, Plur. von ἐπὶ κάρ (Π 392) ‘auf den Kopf’ (Bechtel Lex. s. v. mit Fick u. A.). Ältere Lit. bei Bq und WP. 2, 590. I-537

ἐπίκερας n. Pflanzenname = τῆλις, ‘Trigonella’ (Hp. ap. Gal. 19, 99). — Nach der langen sichelförmigen Hülse ‘hornähnlich’ oder ‘mit Horn versehen’ genannt. Strömberg Wortstudien 33. Zur Erhaltung des ας-Ausgangs vgl. πάγκρεας und ἐρυσίπελας. I-537

ἐπικοκκάστρια f. Attribut von ἠχώ, etwa ‘nachäffend, widerschallend’ (Ar. Th. 1059); ἐπικοκκαστής (unsichere Konj. in Timo 43). — Bildung auf -τριᾰ (besonders der Komödiensprache angehörig, Chantraine Formation 106) wie von *ἐπικοκκάζω (Ar. Byz. ap. Eust. 1761, 26); onomatopoetisch. I-537

ἐπίκουρος Subst. und Adj. ‘Helfer, Hilfstruppen’ (pl.), ‘Beistand; helfend, schützend’ (seit Il.). Davon ἐπικουρικός ‘aus Hilfstruppen bestehend’ (Th., Pl.), ἐπικούριος ‘zu Hilfe eilend’ (Paus.), ἐπικουρία, -ίη ‘Hilfe, Beistand’ (ion. att.) ebenso wie das Denominativum ἐπικουρέω ‘zu Hilfe eilen, beistehen’ (seit Ε 614; zur Verbreitung E. Kretschmer 18, 98f.) mit ἐπικούρησις, -ημα, -ητικός. — Wahrscheinlich für *ἐπίκορσος (Solmsen KZ 30, 600f. mit Fick; wie ἐπίφορος usw.) von einem im Griechischen verlorengegangenen primären Verb, das in schwundstufiger Form in lat. currō ‘laufen’ (aus *kr̥s-) erhalten ist. Auch die übrigen herangezogenen Wörter zeigen Schwundstufe, so namentlich das sicher urverwandte keltische Wort für ‘Wagen’, air. carr, gall. carros (wovon lat. carrus, arm. kaṙ-k‘ (pl.) ‘Wagen’; aus dem Galatischen). In Betracht kommt ferner σάρσαι· ἅμαξαι als illyrisch (Lagercrantz IF 25, 367); sehr fraglich dagegen mhd. hurren ‘sich rasch bewegen’. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 427f.; dazu noch W.-Hofmann s. currō. I-537-538

ἐπιλᾱΐς, -ίδος N. eines Vogels (Arist. HA 592b 22; v. l.); s. ὑπολᾱΐς und λᾶας. I-538

ἐπιμήδιον n. Pflanzenname (Dsk., Gal.), wegen der Ähnlichkeit mit der Pflanze μήδιον (Campanula); ebenso ἐπιμηλίς, -ίδος f. ‘Mistel’ (Dsk., Gal. u. a.) von μῆλον wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem Apfelbaum. Strömberg Wortstudien 32f. — Auch die Eigenschaft der Mistel als Schmarotzerpflanze kann den Namen hervorgerufen haben; vgl. die synonymen ἁμαμηλίς und ὁμομηλίς. I-538

ἐπίνητρον n. Name eines Tongeräts (Poll., EM). — Von ἐπινέω ‘anhäufen’; Xanthudides Ath. Mitt. 35, 323ff., Blinkenberg ebd. 36, 145ff. I-538

ἐπίξενος 1. ‘Ortsfremder, Gastfreund’ (POxy. 480, 11; IIp u. a.) mit ἐπίξενον n. ‘Fremdensteuer’ (Pap.). m. — Postverbal zu ἐπιξενόομαι (τινί) ‘als ξένος bei jm weilen usw.’ (A. Ag. 1320, S. Fr. 146, D., Arist. usw.) mit ἐπιξενώσεις pl. ‘gastfreundliche Beziehungen’ (D. S. u. a.); urspr. wohl ‘im fremden Land (ἐπὶ ξένης) weilen’. I-538

ἐπίξενος 2. · ἐπιχθόνιος H. — Unklar. Nach Hoffmann Festschrift Bezzenberger 80 von χθών mit besonderer Lautentwicklung; dazu Schwyzer 326. Wegen ξενῶνες· οἱ ἁνδρῶνες ὑπὸ Φρυγῶν H. von Pisani Anales defilcl 6, 213 als phrygisch erklärt. I-538

ἐπίξηνον ‘Hackblock, Henkerblock’ (A., Ar., Eust., H.). - Daneben ξηνός = ‘κορμός, Klotz’ (Suid.) n. — von ξέω ‘behauen, glätten’; ἐπίξηνον eher nach ἐπικόπανον ‘Hackblock’ = (erst hellen. belegt) als von ἐπι-ξέω. I-538

ἐπίορκος, -ον bei Hom. nur im Ausdruck ἐπίορκον ὀμόσσαι ‘falsch schwören’ (Γ 279 = Τ 260, Κ 332; danach auch Hes. u. a.; ἐπίορκον ὅρκον ὀμόσαι Ar. Ra. 150) und als Adj. n. ‘eidbrüchig, falsch geschworen’ (Τ 264); später m. ‘eidbrüchig, der falsch geschworen hat’ (Hes. Op. 804, Ar. Nu. 399, Gortyn usw.). Daneben ἐπιορκέω ‘den Eid brechen, falsch schwören’ (allg. seit Τ 188; auch ἐφιορκέω mit Hauchantizipation [Schwyzer 219]) mit ἐπιορκία ‘Eidbruch, Meineid’ (D., X. u. a.), ἐπιορκοσύνη ‘ds.’ (AP). — Schon wegen der weiten Verbreitung des Verbs ἐπιορκέω ‘den Eid brechen’ liegt es nahe, mit Strömberg Prefix Studies 86ff. das allerdings ebenso alte, aber ungleich seltenere ἐπίορκος ‘eidbrüchig’ als eine Rückbildung daraus zu verstehen. Dann ist ἐπιορκέω direkt von ὅρκος mittels des Präfixes ἐπι- abgeleitet wie ἐπιθυμέω von θυμός, ἐπιχειρέω von χείρ usw.; ἐπιορκέω somit eig. ‘gegen den Eid handeln’ (Gegensatz εὐορκέω ‘den Eid halten’ von εὔορκος ‘eidestreu’ [seit Hes.]); zur Erhaltung des -ι- in diesem alten juristischen Ausdruck Fraenkel Nom. ag. 1, 237. — Anders Leumann Hom. Wörter 79ff. (mit ausführlicher Behandlung und Kritik früherer Ansichten): der Ausdruck ἐπίορκον ὀμόσσαι ‘einen Meineid schwören’ (woraus ἐπιορκέω) wäre durch falsche Umdeutung aus ep. ἐπὶ ὅρκον ὀμόσσαι ‘einen Eid dazu-schwören’ entstanden; dagegen W. Luther Weltansicht und Geistesleben (Göttingen 1954) 86ff. mit einer anderen Erklärung; s. auch Fraenkel Gnomon 23, 373 und Bolling AmJPh 76, 306ff., die mit Schwyzer IF 45, 255 von (ὁ) ἐπὶ ὅρκῳ (βάς) mit Berufung auf ἐφὁρκίοις ἔβη (Archil.) ausgehen. Übrigens neigt auch Leumann 88 dazu, in ἐπίορκος im Sinn von ‘eidbrüchig’ (auf Menschen bezogen) eine Rückbildung aus ἐπιορκέω zu sehen. I-538-539

ἐπίουρος m. ‘Aufseher, Hüter’ (Hom., Theok., A. R.). — Von ἐφορᾶν, ἐπὶ ... ὄρονται (ξ 104, γ 471) nach dem Simplex οὖρος. Anders Leumann Hom. Wörter 92. — Die Bedeutung ‘Holzpflock’ (Epid., Hero, Gp. u. a., auch ἐπίορος [Delos]) ist als scherzhafter Ausdruck in der Sprache der Handwerker entstanden, s. Hiller v. Gaertringen Ath. Mitt. 51, 152f.; dazu auch Wahrmann Glotta 17, 256. I-539

ἐπιούσιος Beiwort von ἄρτος (Ev. Matt. 6, 11, Ev. Luk. 11, 3), in der Vulg. mit ‘quotidianus’, danach mit ‘täglich’ übersetzt; außerdem ἐπιουσι[ων (Sammelb. 5224, 20; Wirtschaftsbericht), Bed. unbekannt. — Die sprachlich unzweifelhaft am nächsten liegende Deutung aus ἡ ἐπιοῦσα (ἡμέρα) scheint eine Übersetzung ‘für den kommenden Tag’ zu erfordern; trotz des dafür aufgebotenen exegetischen Scharfsinns muß sie als sachlich höchst unwahrscheinlich betrachtet werden. Wenn man dagegen (mit Debrunner Glotta 4, 249ff.) von ἐπι τὴν οὖσαν (ἡμέραν) ausgeht, was sprachlich gewiß härter ist, erhält man einen annehmbaren Sinn: ‘für den betreffenden Tag’. — Die Streitfrage muß immer noch als ungeklärt betrachtet werden; über die reiche Literatur und die zahlreichen Erklärungsvarianten orientiert Bauer Gr.-dt. Wb. zum NT. (5. Aufl. 1957) s. v.; dazu noch Dornseiff Glotta 35, 145ff., der das Rätsel durch einen Hinweis auf Exod. 16, 19ff. lösen will. I-539-540

ἐπιπακτίς, ίδος f. ‘Bruchkraut, Herniaria glabra’ (Dsk. 4, 108), — von *ἐπίπᾰκτος ‘befestigt, geschlossen’ zu ἐπιπήγνυμι (vgl. ἐπιπᾰκτόω ‘schließen’), wegen der heilenden Kraft. Vgl. den Pflanzennamen πηκτή = σύμφυτον und Strömberg Pflanzennamen 89. Zum kurzen ᾰ-Vokal in (ἐπι)πακτόω, der gegenüber dem η in πηκτός usw. den ursprünglichen Zustand vertritt, s. Wackernagel Unt. 11. I-540

ἐπιπατρόφιον n. ‘Vatersname’ (Schwyzer 462 A 28, Tanagra IIIa). — Univerbierung von *ἐπὶ πατρόφι mit ιο-Suffix; vgl. Schwyzer 551 und 451. I-540

ἔπιπλα n. pl. (selten -ον) ‘bewegliche Habe, Gerätschaften, Hausgeräte’ (ion. att.). — Alter Ausdruck, wohl als ἔπι-πλ-α von ἐπι-πέλομαι ‘hinzukommen’ (‘sich obenauf bewegen’?), also "die hinzugekommenen (beweglichen?) Geräte" im Gegensatz zu dem festen Besitz; zur Bildung vgl. z. B. δί-φρ-ος und Schwyzer 449. Wegen der Undurchsichtigkeit volksetymologisch umgebildet in ἐπίπλοα (Hdt. 1, 94, Pap.; nach ἐπιπλεῖν, vgl. zu ἐπίπλοον), ἐπίπολα (Dodona; nach ἐπιπολή, s. d.). I-540

ἐπίπλοον (auch -οος m.) n. ‘die Netzhaut um die Gedärme, das Darmnetz, Omentum’ (ion. hell.). — Die Ähnlichkeit mit lit. plėvė̃ ‘feine dünne Haut (auf der Milch, unter der Eischale u. a.), russ. plevá ‘dünnes Häutchen’, sloven. plė́va ‘Augenlid’ (Curtius, Fick; auch Specht Ursprung 182) ist unverkennbar; dabei bleibt aber vor allem das Präfix unerklärt. Es spricht deshalb manches dafür, in ἐπίπλοον ein rein griechisches Verbalnomen von ἐπι-πλεῖν im Sinn von ‘oben schwimmen’ zu sehen; s. Strömberg Wortstudien 65f., wo mehrere ähnliche Ausdrücke, z. B. ἀκρό-πλοος ‘oben schwimmend, oberflächlich’ (von den Adern, der Gebärmutter), herangezogen werden; ἐπίπλοον somit ‘das Organ, das oben schwimmt’. — Die Form ἐπιπόλαιον (Eub. 95, 3) beruht auf volksetymologischer Angleichung an ἐπιπόλαιος, s. ἐπιπολή. I-540

ἐπιπολῆς Adv. und Präp. ‘auf der Oberfläche, obendrauf, oberhalb’ (ion. att.). Davon ἐπιπόλαιος ‘auf der Oberfläche befindlich, oberflächlich’ (Hp., D., Isok., X. usw.), ἐπιπολάζω ‘auf der Oberfläche sein, emporkommen, die Oberhand gewinnen, geläufig sein’ (Hp., att., Arist. usw.) mit ἐπιπόλασις, -ασμός, -αστικός; zuletzt auch ἐπιπολή f. ‘Oberfläche’ (Argos IIIa, Aret., Gal.) mit ἐπιπολεύω ‘auf der Oberfläche sein’ (Ael.). — Als mutmaßliche Zusammenrückung aus *ἐπὶ πολῆς (Schwyzer 625) scheint das Adv. ἐπιπολῆς ein Nomen *πολή vorauszusetzen. Die formal nächstliegende Anknüpfung an πέλομαι, πόλος, τέλος leuchtet semantisch wenigstens nicht unmittelbar ein: *πολή wie τέλος (γονή : γένος) eig. ‘Dreh-, Endpunkt’ > ‘Höhepunkt’ oder etwa ‘das Umherwandern, Platz wo man wandert, Fläche’? Begrifflich besser stimmen dazu schwed. fala f. ‘(baumlose) Ebene, Heide’, abg. polje ‘Feld’ von aruss. polъ ‘offen, frei, hohl’ (Persson Beitr. 1, 228); weitere Verwandte s. παλάμη, πέλανος. — Hierher noch ’Επιπολαί pl. Ben. der Hochebene bei Syrakus (Th. usw.). I-540-541

ἐπίρροθος m. und f., als Adj. auch -ον n. ‘Helfer, -in, helfend’ (Δ 390, Ψ770; Hes. Op. 560, A. R.; auch A. Th. 368 [lyr.]); ‘entgegen-, umlärmend, scheltend’ (S. Ant. 413, Fr. 583, 10), als Beiwort von ὁδός = ‘wo die Fahrzeuge lärmen’ (AP 7, 50). Daneben ἐπιρροθέω ‘umlärmen, zurufen, umtoben, schelten’ (Trag., D. H.). Von ῥόθος ‘Lärm’, ῥοθέω ‘lärmen’ nicht zu trennen; für das Epos ist eine expressive Bedeutung ‘lärmend auf jem. zukommend’ = ‘mit Lärm herbeieilend, zu Hilfe kommend’ anzunehmen, vgl. Brugmann BphW 39, 136ff. — Nach Schwyzer Glotta 12, 15f. wäre ἐπίρροθος ‘Helfer(in)’ bei Hom. fehlerhaft für das gewöhnlichere und allein richtige ἐπιτάρροθος, s. d. I-541

ἐπίσιον (ἐπείσιον) n. = ἐφήβαιον, euphemistische Benennung der Schamgegend (Hp., Arist., Lyk., Gal. u. a.). — Unklar. I-541

ἐπισκῠ́νιον n. ‘die Stirnhaut über den Augen’ (poet. seit Il.), übertr. ‘Stolz, Strenge’ (auch Plb. 25, 3, 6). — Wenn das Simplex σκύνια n. pl. ‘Augenbrauen’ (Nik. Th. 177, 443, Poll. 2, 66) wider Erwarten nicht aus ἐπισκύνιον erschlossen sein sollte, liegt in dem letztgenannten Wort eine Substantivierung von *ἐπι-σκύνιος ‘oberhalb der Brauen befindlich’ vor. Aber auch wenn σκύνια als sekundäres Simplex für die unmittelbare Erklärung von ἐπισκύνιον wegfällt, hat man wahrscheinlich von einem nominalen *σκυν- auszugehen, das zusammen mit ahd. scūr ‘Wetterdach, Schutz’, lat. ob-scūr-us *‘bedeckt’, ‘dunkel’ u. a. auf einen r-n-Stamm schließen läßt; daneben, mit l-Suffix, σκύ-λος n. ‘abgezogene Tierhaut’, σκῦλα n. pl. ‘spolia’. Ein Reflex dieses Nominalstamms kann auch in aind. sku-nā-ti, sku-no-ti ‘bedecken’ vorliegen. — Weitere Anknüpfungen bei WP. 2, 246ff., Pok. 951ff., W.-Hofmann s. obscūrus. I-541

ἐπίσκυρος 1. m. N. eines Ballspiels H. (= ὁ μετὰ πολλῶν σφαιρισμός), Poll. 9, 103, Sch. Pl. Tht. 146a; auch ἐπίκοινος genannt. — Mit ἐπίσκυρος 2. identisch? I-541

ἐπίσκυρος 2. unsicheres Wort bei Kall. Fr. 231 (s. Pfeiffer z.St.) und Fr. anon. 135; von H. mit ἄρχων, βραβευτής, βοηθός, ἐπίσκοπος, ἔφορος, ἐπήκοος erklärt. — Ohne Etymologie. I-542

ἐπισμύγερος, Adv. ἐπισμυγερῶς s. σμυγερός. I-542

ἔπισσαι f. pl. ‘nachgeborene Töchter’ (Hekat. 363 J.); H. auch ἔπισσον· τὸ ὕστερον γενόμενον. — Zur Bildung vgl. zunächst μέτασσαι f. pl. ‘Lämmer mittleren Alters’ (ι 221); auch die Stadtnamen Ἄμφισσα, Ἄντισσα. Ableitung mehrdeutig; am nächsten liegt ein τ-ι̯ο-Suffix (Schulze KZ 40, 412ff. = Kl. Schr. 71 A. 1). Nach Giles ClassRev. 3, 3f. wäre ἔπι-σσαι Analogiebildung nach μέτ-ασσαι ̂ μετ-οῦσαι mit altertümlicher Schwundstufe des Ptz. f. Ältere Auffassungen bei Bq s. v.; s. noch Schwyzer 472 m. A. 2 und Lit. I-542

ἐπίσσωτρον n. ‘der auf das hölzerne Rad gefügte eiserne Beschlag’ (Il., Poll.). — Von σῶτρον ‘Radfelge’ (Poll.), auch in ἐΰ-σσωτρος (Hes. Sc. 273; v. l. Ω 578); dazu σωτρεύματα· τὰ τοῦ τροχοῦ ξύλα. καὶ ὁ ἐπὶ τούτοις σίδηρος ἐπίσωτρον H.; zur Erweiterung -(ευ)μα Chantraine Formation 186f. — Schon längst (z. B. von H.) auf σεύομαι, ἔ-σσυτο ‘eilen’ bezogen mit alter Dehnstufe und Reduktion des Langdiphthongs wie z. B. in τρῶμα neben τραῦμα. Am nächsten kommt aind. cyautná- n. ‘Unternehmung, Tat’ = aw. šyaōϑna- ‘Tun, Handeln’; beide Wörter können tatsächlich als thematische Erweiterungen auf ein Verbalnomen mit ter- : ten-Suffix (lat. i-ter; vgl. Benveniste Origines 103ff.) zurückgehen; idg. *qi̯ō[u]- -t(e)r-, -t(e)n-. I-542

ἐπίσταμαι, Fut. ἐπιστήσομαι (seit Il.), Aor. ἠπιστήθην (Hdt., att.) ‘(sich auf etw.) verstehen, wissen’, auch ‘glauben, meinen’ (Heraklit., Hdt.), zunächst intr. wie in ἐπιστάμενος μὲν ἄκοντι Ο 282. Auch mit Präfix, z. B. ἐξ-, συν-επίσταμαι. Ableitungen. 1. ἐπιστήμων ‘sich auf etw. verstehend, wissend, kundig’ (seit Od.) mit ἐπιστημονικός ‘zum ἐπιστήμων gehörig’, gew. ‘zum Wissen, zur Wissenschaft gehörig’ mit Beziehung auf ἐπιστήμη (Arist.), ἐπιστημοσύνη (Xenokr.); auch ἐπίστημος (Hp.; Chantraine Formation 152); denominative Verba, beide selten und spät: ἐπιστημονίζομαι (Al.), ἐπιστημόομαι (Aq.) ‘ἐπ. werden’. — 2. ἐπιστήμη ‘Verständnis, Wissen, Wissenschaft’ (ion. att.; zur Bedeutungsgeschichte Snell Die Ausdrücke für die Begriffe des Wissens 81ff.); das -η- der Ableitungen wurde von den Adj. auf -ήμων, bzw. von μνή-μη, φή-μη begünstigt (Chantraine 173, 148; Schwyzer 522); ebenso im Verbaladjektiv. — 3. ἐπιστητός ‘was verstanden werden kann, wissenschaftlich faßbar’ (Pl., Arist.). — Aus *ἐπι-hίσταμαι mit früh eingetretenem Schwund des Hauches und Vokalkontraktion (bzw. Hyphärese), Wacker- nagel KZ 33, 20f. = Kl. Schr. 1, 699f. Durch die Bedeutungsentwicklung (*‘vor etw. stehen’ > ‘mit etw. konfrontiert werden, von etw. Kenntnis nehmen’?; zunächst von praktischen Berufen, Bréal MSL 10, 59f., ebenso ahd. firstān, ags. forstandan; nach Fraenkel REIE 2, 50ff. ‘auf die Spur kommen, erforschen’; s. auch Snell a. a. O.) hat sich ἐπίσταμαι auch formal von ἵσταμαι getrennt, was schon bei Homer zu einem neuen ἐφ-ίσταμαι ‘herantreten, dabeistehen’ geführt hat. — Nach Anderen alte reduplikationslose Bildung (Lit. bei Schwyzer 675 A. 2), nach Brugmann Grundr.2 2 : 3, 160 aus einem Aorist ἐπι-στάμενος, -σταίμην neugebildet. I-542-543

ἐπίστιον n. ‘Stapelplatz, Schiffgestell’ (ζ 265). — Ausdruck des Schiffsbaus, von Aristarch als κατάλυμα erklärt und als ion. mit ἐφέστιος, -ον identifiziert; nach den Sch. z. St. von ἱστίον. Schwyzer 425 vermutet (wie Risch 107) suffixale Erweiterung eines Wurzelnomens *ἐπι-στᾱ (vgl. apers. upa-stā ‘Hilfe’). — Unklar ist πίνουσα τὴν ἐπίστιον Anakr. 90, 4; es handelt sich offenbar um eine scherzhafte Benennung eines Tranks. I-543

ἐπισχερώ Adv. ‘in einer Reihe, einer nach dem anderen, ununterbrochen, allmählich’ (Il., Simon., Theok., A. R.). Daneben ἐνσχερώ (A. R. 1, 912) und, in zwei Wörtern, ἐν σχερῷ (Pi.) ‘ds.’; somit Zusammenrückung von ἐπί und einem Instr. σχερώ (Schwyzer 550 und 625). — Zum Nomen *σχ-ερός (Bildung Schwyzer 482, Chantraine Formation 224; *σχερόν n. ‘continuum’, Schwyzer-Debrunner 469 m. A. 1) von σχ-έσθαι, ἔχεσθαι ‘sich anschließen, folgen’; vgl. das stammverwandte ἑξῆς. Eine Umbiegung in σ-Stamm zeigt ὁλο-σχερής ‘gänzlich, vollständig’ (hell.; Schwyzer 513); eine Ableitung ist Σχερ-ίη etwa "ununterbrochene Küste, Festland", Ben. des Landes der Phäaken (Od.). — Bechtel Lex. s. v., Kretschmer Einleitung 281. I-543

ἐπιτάρροθος m. und f. ‘Helfer, -in’ (Hom. 8 mal, Terp. 6). — Dunkel. Die Ähnlichkeit mit dem synonymen ἐπίρροθος springt in die Augen; Kreuzung davon mit einem anderen Wort oder "Streckform" (vgl. zu ἑκατη-βελέτης, -βόλος)? Nach Schwyzer Glotta 12, 15f. mit Ehrlich Betonung 54 Zusammenbildung aus *ἐπι-τάρρο-θος = ταρσῷ (-οῖς, -οῖιν) ἐπιθέων, -θέουσα; dabei bleibt vor allem -ρρ- für -ρσ- zu erklären. Nicht besser Brugmann BphW 39, 136ff.: *ἐπ-ιθά-ρροθος, zu ἰθα- in ἰθα-γενής. — τάρροθος (Lyk.) ist sekundär. I-543

ἐπίτεξ, -εκος ‘der Niederkunft, der Geburt nahe’ (Hp., Hdt., Gortyn, Luk.); daneben der Akk. ἐπίτοκ-α (Andania, Hdt. 1, 108 als v. l.). f. — Aus ἐπί (ἔπι) und einem unbelegten Hinterglied, wahrscheinlich einem Wurzelnomen *τέξ, entstanden, u. zw. entweder als Hypostase von ἐπὶ *τεκ-ί (Dat.; Schwyzer 424) oder vielleicht mit Sommer Nominalkomp. 111 und 115 als Bahuvrihi vom Typus ἔνθεος: "mit der Niederkunft bevorstehend". Danach das späte ἀγχί-τεξ ‘ds.’ (Theognost.). — Der ο-Vokal in ἐπίτοκ-α ist wohl eher von dem späteren ἐπί-τοκος geholt als mit Sommer a. a. O. auf alten Ablaut zurückzuführen. Vgl. auch Strömberg Prefix Studies 86, Fraenkel Nom. ag. 2, 161, Forster ’Επίχρυσος 49f. — Weiteres s. τίκτω. I-543-544

ἐπιτηδές (Α 142, ο 28), ἐπίτηδες (ion. att.), ἐπίτᾱδες (Theok. 7, 42) Adv. etwa ‘mit Vorbedacht, absichtlich’; zur Proparoxytonierung (gefühlsbedingt?) Schwyzer 380. Komp. ἐξεπίτηδες ‘ds.’ (ion. att.). Davon das Adj. ἐπιτήδειος (att.; -εος ion.) ‘geeignet, geschickt, passend’ mit ἐπιτηδειότης (ion. att.); ferner das denominative Verb ἐπιτηδεύω ‘geflissentlich, mit Fleiß betreiben’ (ion. att.) mit ἐπιτήδευμα, ἐπιτήδευσις ‘Beschäftigung, Beruf, Benehmen’ (att.; zur Bedeutung Röttger Plat. Subst. 22ff.), kret. ἐπιτάδουμα; ἐπιτηδευ(μα)τικός (hell.). — Scheint ein Nomen *τῆδος, *τᾶδος vorauszusetzen; sonst dunkel. Nach Bücheler (s. Bechtel s. v.) zu osk. tadait ‘censeat’ (?; nach Vetter eher ‘videatur’); weitere, sehr unglaubhafte Hypothesen von Brugmann Grundr.1 2, 684 und Demonstr. 140ff. (s. Bq), von Prellwitz Glotta 19, 97. I-544

ἐπιτηλίς, -ίδος Mohnart, ‘Glaucium flavum’ (Nik. Th. 852). — Wegen der Ähnlichkeit mit τῆλις ‘Trigonella’; Strömberg Wortstudien 33; vgl. zu ἐπιμήδιον. I-544

ἐπίτυρον n. ‘Speise von eingemachten Oliven’, nur als lat. LW epityrum aus Cato RR 119, Plaut. Mil. 24 bekannt; nach Varro LL 7, 86 eine sizilianische Spezialität. — Von τυρός, weil sie mit oder nach dem Käse gegessen wurde. I-544

ἐπιωγαί f. pl. etwa ‘Anlege-, Ankerplätze’ (ε 404, A. R. 4, 1640 [sg.], Opp. H. 1, 602). — Als Verbalnomen zu ἐπι-(ϝ)άγνυμαι ‘sich gegen etw. brechen’ wohl eig. ‘Ort, wo sich Wind und Wogen brechen’; zu vergleichen sind einerseits κυματωγή aus *κυματο-ϝαγή (Hdt. u. a.) ‘Ort, wo sich die Wogen brechen, Meeresstrand’, anderseits βορέω ὑπἰωγῇ (ξ 533) eig. "unter dem Bruch des B.", d. h. ‘im Schutz vor dem B.’; letzteres mit Reduplikation *ϝι-ϝωγ-ή; ἐπιωγή wohl somit auch aus *ἐπιϝιϝωγή. Bechtel Lex. s. v. zieht vor, ein reduplikationsloses *ἐπι-ϝωγή neben ϝαγή anzusetzen. Zum Bildungstypus Jacobsohn Gnomon 2, 384. I-544

ἕπομαι, Ipf. εἱπόμην, Fut. ἕψομαι, Aor. ἑσπόμην, Inf. σπέσθαι (seit Il.); ἑσπ-έσθαι, -όμενος, -οίμην sind sicher erst seit A. R., der dazu als Neubildung das Präsens ἕσπεται einführt; auch mit Präfix ἐφ-, παρ-, συν-, μεθ-, ‘folgen, begleiten’. Davon ἑπέτᾱς ‘Begleiter’ (Pi.), = myk. e-qe-ta; -τις f. (A. R.); außerdem ἀοσσέω, ὀπάων, ὀπάζω, s. bes.; vgl. ὀπηδός. — Altes thematisches Wurzelpräsens, mit aind. sácate, aw. hačaitē (= ἕπεται, idg. *séqetai) identisch; nur in der Flexion weichen ab lat. sequor = air. sechur, lit. sekù, sèkti ‘folgen’; sehr fraglich das germ. Wort für ‘sehen’, got. saíƕan usw. — Der Aorist ἑσπόμην steht (mit sekundärem Hauch nach ἕπομαι wie εἱπόμην) für *ἐ-σπ-; die erst hellenistisch sicher belegten ἑσπέσθαι usw. sind sekundär. Debrunner Μνήμης χάριν 1, 81ff. — WP. 2, 476, W.-Hofmann s. sequor. I-544-545

ἔπος ‘Wort, Rede’ (seit Il.), im Plur. auch = ‘Lied, episches Gedicht’ (Pi., Hdt. usw.; über Bedeutung und Gebrauch im allg. Fournier Les verbes "dire" 212ff.). n. Als Vorderglied in ἐπεσβόλος (s. d.), ἐπο-ποιός (mit analog. Komp. vokal); als Hinterglied z. B. in ἀπτοεπής (s. d.). Ableitungen: ἐπύλλιον ‘Liedchen, Verschen’ (Ar.; danach andere Deminutiva auf -ύλλιον, Leumann Glotta 32, 214 und 225); ἐπικός ‘zur epischen Dichtung gehörig’ (D. H. u. a.). — Griech. ϝέπος (el., kypr.) ist mit aind. vácas-, aw. vačah- ‘Wort’ identisch; idg. *u̯éqos- n. Daneben stehen im Griech. noch die Nomina *ὄψ in ὄπ-α (Akk.), ὄσσα, wohl auch ἐν-οπή, und der Aorist εἶπον, s. bes. Ein primäres athematisches Verb ist in aind. vák-ti ‘er spricht’ erhalten. — Weitere idg. Formen bei WP. 1, 245f., W.-Hofmann s. vōx. S. auch die Lit. zu αἶνος. I-545

ἔποψ, -οπος m. ‘Wiedehopf’ (Epich., Ar., Arist. usw.), auch ἔποπος· ὄρνεον, ἔπωπα· ἀλεκτρυόνα ἄγριον, ἄπαφος· ἔποψ τὸ ὄρνεον (nach den Tiernamen auf -φος) H. — Bildung wie δρύοψ u. a. (Chantraine Formation 259) auf onomatopoetischer Grundlage; vgl. ἐποποῖ, πόποπο vom Ruf des Vogels (Ar. Av. 58 bzw. 227). Parallele Benennungen des Wiedehopfes in anderen Sprachen: arm. popop, lat. upupa, lett. pupukis usw. WP. 1, 123f., Pok. 325, W.-Hofmann s. upupa mit weiterer Lit. Zu ἔποψ außerdem ausführlich Thompson Birds s. v. I-545

ἑπτά ‘sieben’. Als Vorderglied in dem kopulativen ἑπτακαίδεκα, in ἑπτακόσιοι (vgl. zu διᾱκόσιοι) sowie in zahlreichen Bahuvrihi wie ἑπτα-βόειος (Il.). Ableitungen: ἑπτάκι(ς), -ιν ‘sieben mal’ (seit Pi.), ἕπτᾰχᾰ ‘in sieben Teilen’ (ξ 434), ἑπτάς f. ‘Siebenzahl’ (von Tagen, Jahren; Arist. u. a.); ἑπταδεύω ‘zu den ἑπτά gehören’ (Olbia IIIa). — Zu ἑβδομήκοντα, ἕβδομος s. bes. Gr. ἑπτά, aind. saptá, lat. septem, arm. ewtn, germ., z. B. got. sibun und übrige damit urverwandte Wörter für ‘sieben’ gehen auf idg. *septḿ̥ zurück (Akzent nach idg. *oktṓ[u] > ὀκτώ, aṣṭáu). — Einzelheiten mit reicher Lit. bei WP. 2, 487.und in den betreffenden Spezialdarstellungen, bes. Wackernagel-Debrunner Ai. Gramm. 3, 356, W.-Hofmann s. septem. I-545

ἔπω in ἔπουσιν (Nik.). ‘nennen’ — Künstliches Präsens zu εἶπον. I-545

ἕπω (Ζ 321, ἕποντα), sonst nur mit Präfix (Adverb), ἀμφ(ι)-, δι-, ἐφ-, μεθ-, περι-έπω, vorw. im Präsensstamm, daneben Futur- und Aoristformen wie ἐφ-έψω, ἐπ-έσπον, ἐπι-σπεῖν, μετα-σπών, ‘besorgen, betreiben, verrichten usw.’ (poet. seit Il., ion. hell.); im Epos zuweilen mit ἕπομαι verwechselt oder davon semantisch beeinflußt (Chantraine Gramm. hom. 1, 309 A. 1, 388) Davon ὅπλον, δίοπος, wohl auch ἐπητής, -τύς; s. bes. — Altes thematisches Wurzelpräsens, mit aind. sápati ‘hegen, pflegen, huldigen’ identisch; daneben athematische iranische Formen, aw. haf-šī, hap-tī (2. 3. sg.) ‘(in der Hand) halten, stützen’. Eine alte Weiterbildung ist lat. sepeliō ‘begraben’ = aind. saparyáti ‘verehren’. — WP. 2, 487, Pok. 909. I-546

ἐπωτίδες f. pl. ‘Sturmbalken an Kriegsschiffen, die an beiden Seiten des Schnabels hervorstanden’ (E., Th., Str. u. a.). — Bildung von οὖς, ὠτός wie ἐπωμίς ‘Oberschulter, Schulterspitze’ von ὦμος, ἐπιδορατίς ‘Lanzenspitze’ von δόρυ u. a. m. (Strömberg Prefix Studies 99); somit eig. ‘Ohrspitzen’, wegen ihrer hervorragenden Position. Die Gleichung bezieht sich offenbar nicht auf das Menschen- sondern auf das Tierohr. — Etwas abweichend Forster ’Επίχρυσος 70. I-546

ἐπῴχατο nur Μ 340 πᾶσαι γὰρ ἐπῴχατο (scil. πύλαι) ‘sie waren nämlich alle geschlossen’. — Wahrscheinlich mit Wackernagel Gött. Nachr. 1902, 737ff. = Kl. Schr. 1, 127ff. (Syntax 2, 183) 3. sg. Med. Plusquamperf. von ἐπ-οιγνύναι im Sinn von ‘schließen’ mit Aspiration des Gutturals (Schwyzer 771). Zur Bedeutung vgl. besonders (τὴν θύραν) προσέῳξεν ‘er schloß ab’ (LXX Ge. 19, 6); nähere Begründung bei Wackernagel a. a. O., wo auch über andere Deutungsvorschläge (zu ἔχω, mit Zugrundelegung der schlechteren Lesart ἐπώχατο). — S. auch Bechtel Lex. s. οἴγνυμι. I-546

ἔρα f., von Erot., Str. u. a. mit γῆ erklärt, ‘Erde’ in ἔραζε, dor. ἔρασδε ‘auf die Erde, zur Erde’ (ep. poet. seit Il.); dazu ἔρας· γῆς H. Es wird ferner in Komposita gesucht, u. zw. als Hinterglied in πολύ-ηρος· πολυάρουρος, πλούσιος H., als Vorderglied in ἐρεσι-μήτρην· τὴν γεωμετρίαν H.; zum Letzteren Hoffmann Festschr. Bezzenberger 82ff., der bei H. ἔρας· γῆ lesen will und das Wort als neutr. faßt; ἔραζε somit aus *ἔρασ-δε. Ableitungen: ἐράναι· βωμοί H. (Schwyzer 489; sehr fraglich); denominatives Verb wohl in ἀπ-εράω (s. d.) u. a. — Vgl. noch zu ἔνεροι. — Eine allgemeine Ähnlichkeit zeigen einige germanische und keltische Ausdrücke für ‘Erde usw.’: ahd. ero ‘Erde’, anord. jǫrvi ‘Sand(bank)’, kymr. erw ‘Feld’, alle mit -Suffix (alter u-Stamm?); got. airþa, anord. jǫrđ, mir. ert ‘Erde’; alle mit t-Suffix; mehrdeutig ist arm. erkir ‘Erde’. — Betrachtungen über die Stammbildung bei Specht Ursprung 22; s. noch Fraenkel Glotta 35, 79, Chantraine Gramm. hom. 1, 247 m. A. 2 und Lit. Ältere Lit. bei WP. 1, 142, Pok. 332. I-546-547

ἔραμαι (ep. poet. seit Il.), zerdehnte Form ἐράασθε Π 208 (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 83), ion. att. ἐράω; Aor. ἐράσ(σ)ασθαι, ἐρασθῆναι, Fut. ἐρασθήσομαι (ep. ion. poet.) ‘heftig verlangen, begehren, lieben’. Verbaladj. ἐρατός ‘erwünscht, geliebt’ (ep. poet. seit Il.) mit ’Ερατώ f. N. einer der Musen (Hes. usw.) und ἐρατίζω ‘heftig verlangen’ (Λ 551 usw.); erweiterte Form ἐρατεινός ‘lieblich, liebenswürdig’ (ep. lyr. seit Il.; nach den Adjektiven auf -εινός, z. B. ἀλγεινός; ποθεινός erst Pi.); zu ἐραστός s. unten. — Daneben ἔρως (seit Il.), Gen. usw. -ωτος m. (Hdt., Pi., att.), ep. lyr. auch ἔρος m. ‘(Geschlechts)liebe’, personif. ‘der Liebesgott’, mit mehreren Ableitungen: außer den vereinzelt belegten Hypokoristika ’Ερώτ-ιον, -άριον, -ίσκος, -ιδεύς noch ἐρωτικός ‘zur Liebe gehörig’ (att.), ἐρωτύλος ‘lieblich, Liebling’, ἐρωτίς f. ‘ds.’ (Theok. u. a.); ἐρωτ-ιάδες (Νύμφαι; AP); ἐρωτίδια (-εια, -αια) ‘Eros-fest’ (Ath., Inschr.); denominatives Verb ἐρωτ-ιάω ‘liebeskrank sein’ (Hp. u. a.). Von ἔρος : ἐρόεις (Hes., h. Hom. usw.); vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 245. — Von einem Stamm ἐρασ- gehen aus: äol. ἐραννός ‘lieblich, anmutig’ aus *ἐρασ-νός (ep. lyr. seit Il.), ἐράσμιος ‘ds.’ (Semon., Anakr., A. u. a.; vgl. Schwyzer 493 A. 10, Chantraine Formation 43), ἐραστής ‘Liebhaber, Verehrer’ (ion. att.), auch in Kompp., z. B. παιδ-εραστής (vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 33 und 86), f. ἐράστρια (Eup. u. a.); ἐραστός = ἐρατός (att. usw.); denominatives Verb ἐραστεύω = ἐράω (A. Pr. 893 [lyr.]). — Die mannigfachen σ-Bildungen, die nicht gut alle analogisch sein können, lassen auf einen ursprünglichen σ-Stamm ἔρως, ἔρασ- (wie γέλως, γέλασ-) schließen, der mit -τ- erweitert, bzw. in einen ο-Stamm übergegangen wäre (weitere Hypothesen bei Schwyzer 514 A. 4). — Ohne Etymologie. Unbefriedigende Hypothesen bei Bq s. v.; tocharische Kombination bei v. Windekens Philol. Stud. 11-12, 164f. I-547

ἔρανος m. ‘Mahl auf gemeinschaftliche Kosten, Freundesmahl, Schmaus’ (Od., Pi. u. a.); ‘Beisteuer, Gesellschaftsbeitrag, wohltätige Gesellschaft’ (att. hell. u. spät.). Komp. ἐραν-άρχης ‘Vorsitzer eines ἔρανος’ mit -έω (Pap. u. a.), auch ἀρχ-έρανος = ἀρχ-ερανιστής (Fraenkel Nom. ag. 1, 232; 2, 111) mit -ίζω (Inschr.). Davon ἐρανικός ‘auf einen ἔ. bezüglich’ und das Denominativum ἐρανιζω, -ομαι ‘Beiträge einsammeln, zusammenbetteln’ (att. hell. u. spät) mit ἐράν-ισις (Pl.), -ισμός (D. H.), ἐρανιστής ‘Teilnehmer oder Mitglied eines ἔ.’ (att. hell. u. spät; Fraenkel 1, 173f.), auch ἐρανεστής (achä.) nach κηδεστής u. a. (anders Fraenkel a. a. O. nach Schulze). — Nicht sicher erklärt. Nach Brugmann IF 13, 155ff. zusammen mit ἔροτις ‘Fest’ (äol. usw.) und ἑορτή (s. d.) zu ἦρα ‘Gefallen, Dienste’; s. d. mit außergriechischen Anknüpfungen. Grundformen dann *ϝέρα-νος, *ϝέρο-τις. I-547-548

ἐράω 1. ‘heftig verlangen, lieben’ s. ἔραμαι. I-548

*ἐράω 2. s. ἀπ-εράω. I-548

ἔργον n. ‘Werk, Arbeit, Kunstwerk’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ἐργο-λάβος ‘Unternehmer’; daneben EN ’Εργα-μένης (Bechtel Namenstud. 23f.; vgl. ἐργά-της aber auch ’Αλκαμένης); sehr oft als Hinterglied -εργός (oder -οργός), z. B. γεωργός (s. γῆ), δημιουργός (s. d.). — ϝέργον (dor.; daraus el. ϝάργον) ist mit aw. varəzəm n., germ., z. B. ahd. werc, ano. verk n. ‘Werk’ identisch; idg. *u̯érĝom n.; daneben mit sekundärem o arm. gorc ‘ds.’ (wohl nach dem deverbativen gorcem ‘wirken’; anderer Vorschlag bei Lidén GHÅ 39 [1933] : 2, 47 A. 1); unsicher gall. vergo-bretus ‘oberste Behörde der Aeduer’. — Neben dem altererbten ἔργον stehen die primären Verba ἔρδω und ῥέζω, außerdem andere selbständige Bildungen wie ὄργανον, ὄργια, ἐόργη, s. bes. Ableitungen: 1. ἐργώδης ‘mühsam, schwer’ (Hp., X., Arist. u. a.). 2. ἐργάτης m., myk. we-ka-ta (pl.), (vom Plur. ἔργα; Schwyzer 500; vgl. ἐργάζομαι) ‘Arbeiter’, bes. ‘Feldarbeiter’, ‘arbeitsam’ (ion. att.), f. ἐργάτις, mit ἐργατικός ‘auf einen ἐργάτης bezüglich, arbeitsam’, ἐργατίνης = ἐργάτης (Theok., A. R. u. a.; vgl. Chantraine Formation 203, Schwyzer 490), διεργάτινος (Mytilene), ἐργατήσιος ‘einträglich’ (Plu. Cat. Ma. 21; nicht sicher; vgl. Chantraine 42); ἐργασία, auf ἐργάζομαι bezogen, s. unten; denominatives Verb ἐργατεύομαι, -εύω ‘hart arbeiten’ mit ἐργατεία (LXX, Pap.). 3. ’Εργάνη, delph. ϝαργάνα Bein. der Athena (Delphi VI-Va usw.), auch = ἐργασία (Pap., H.); ἔργανα, ϝέργανα (geschr. γέργ-)· ἐργαλεῖα H. 4. ἐργαλεῖον, gew. pl. -εῖα, kret. ϝεργ- ‘Arbeitszeug, Werkzeug’ (ion. att.); ein vermittelndes *ἔργαλον o. ä. fehlt (vgl. Chantraine 60 m. A. 1). 5. Denominatives Verb ἐργάζομαι (Schwyzer 734 m. A. 7), kret. ϝεργάδδομαι ‘arbeiten’ (seit Il.), oft mit Präfix ἀπ-, ἐν- usw.; davon mehrere Ableitungen: ἐργαστικός ‘tätig, verarbeitend, produktiv, Arbeiter’ (ion. att.); ἐργασία, kret. ϝεργ- ‘(schwere) Arbeit, Feldarbeit, Betrieb’ (ion. att.; vgl. Porzig Satzinhalte 215) mit ἐργάσιμος ‘im Betrieb befindlich, urbar gemacht’ (auch auf ἐργάζομαι bezogen; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 44f.); ἐργαστήρ ‘Feldarbeiter’ (X.), ἐργαστής ‘ds.’, auch ‘negotiator’ (A. D., röm. Inschr.); daneben, wohl als selbständige Bildung, ἐργαστήριον ‘Werkstatt’ (ion. att.; vgl Chantraine 62f.; daraus wahrscheinlich nach vinculum u. a. lat. ergastulum; nach Leumann [zuletzt Sprache 1, 207 A. 11] aus ἔργαστρον) mit ἐργαστηριακός ‘Handwerker’ (Plb., D. S.), Deminutivum ἐργαστηρίδιον (Pap.); ἔργαστρα pl. ‘Arbeitslohn’ (Pap. u. a.; Chantraine 332); vgl. zur ganzen Gruppe Fraenkel Nom. ag. 1, 147 m. A. 3, wo weitere Einzelheiten. 6. Desideratives Ptz. ἐργασείων ‘tun wollend’ (S.). I-548-549

ἔργω ‘einschließen’ s. εἴργω. I-549

ἔρδω, Aor. ἔρξαι (kypr. ἔϝερξα), Perf. ἔοργα (ep. ion. poet. seit Il.), Med. ἐ]ργμένος (B. 12, 207; nicht sicher), Fut. ἔρξω (seit Od.) ‘tun, machen, vollbringen’, auch ‘opfern’; vereinzelt mit Präfix ἀπ-, προσ-, συν-. In der Prosa von ποιέω, πράττω, ἐργάζομαι usw. zurückgedrängt bzw. ersetzt. Davon ἔργμα ‘Tat’ (h. Hom., Archil. usw.; vgl. Porzig Satzinhalte 268), ἕρκτωρ ‘Täter’ (Antim.). — Das Präsens (ϝ)έρδω (kret. βέρδηι; vgl. Schwyzer 224; zum Digamma noch Chantraine Gramm. hom. 1, 135; zur sekundären Aspiration ἕρδω ebd. 1, 187f., Sommer Lautstud. 131) kann über *ϝέρzδω auf *ϝέργι̯ω zurückgehen und unterscheidet sich somit nur im Ablaut von den schwundstufigen Jotpräsentia aw. vərəzyeiti = got. waurkeiþ, ahd. wurchit, idg. *u̯r̥ĝ-i̯eti. Die Hochstufe stammt wahrscheinlich von (ϝ)έργον; ebenso asächs. wirkiu nach werk; vgl. Schwyzer 716 A. 2. — Die außerpräsentischen Formen zeigen die erwartete Hochstufe mit regelmäßiger o-Abtönung im Perfekt. Vgl. ῥέζω. WP. 1, 290f. I-549

ἐρέα ‘Wolle’ s. εἶρος. I-549

ἐρέας Dazu Gen. und Dat. pl. ἐρέων, ἔρεσσι (Puchstein Epigr. Gr. p. 76). · τέκνα. Θεσσαλοί. ἐρέεσφι· τέκνοις H. — Bis auf ἐρέας sind alle überlieferten Formen aus einem *ἔρος n. verständlich, das mit ἔρνος ‘Sproß’ zu ὄρνυμι gehören kann; Bildung wie γένος, τέκος. Es liegt somit nahe, dafür mit Schmidt ἔρεα zu schreiben. Wenn richtig, läßt sich ἐρέας mit dem übrigen Formenbestand nur unter Annahme eines mask. *ἐρής vereinigen, das sich trotz Bechtel Dial. 1, 205 (mit Baunack) nicht leicht rechtfertigen läßt. I-549

ἐρέβινθος m. ‘Kichererbse’ (seit Il.). Davon das Deminutivum ἐρεβίνθιον (Pap.) und die ebenfalls vereinzelt belegten ἐρεβινθ-ώδης (Thphr.), -ειος (Zen.), -ιαῖος (Dsk.), -ινος (H., Phot., Suid.). — Ohne Zweifel zu ὄροβος ‘Kichererbse’ (s. d.) mit dem fremden Suffix -ινθος (Schwyzer 526, Chantraine Formation 370; s. noch Kretschmer Glotta 30, 133). In Betracht kommt ferner lat. ervum ‘eine Art Wicke’, womit einige keltische und germanische Wörter für ‘Erbse usw.’ zusammengestellt werden: ahd. araweiz, arwiz ‘Erbse’, mir. orbaind ‘Körner’. Das Wort stammt wahrscheinlich aus dem ostmediterranen Raum, s. W.-Hofmann ervum. Nach v. Windekens Le Pélasgique 11 usw. pelasgisch. Weitere unsichere Hypothesen (-ινθος < *-ιθος zu -weiz in ara-weiz?) bei Kuiper Μνήμης χάριν 1, 217f., Deroy Glotta 35, 180ff. — Aind. aravinda- n. ‘Lotusblume’ gehört nicht hierher; vgl. Mayrhofer Wb. s. v. I-549-550

ἔρεβος n. ‘Dunkel der Unterwelt, Totengrund’ (poet. seit Il.). Davon ἐρεβεννός, äol. aus *ἐρεβεσ-νός eig. ‘zum ἔρεβος gehörend’, ‘finster, dunkel’ (Il., Hes.), gewöhnlicher ἐρεμνός aus *ἐρεβ-νός (vgl. Risch 92; s. auch zu δεινός) ‘ds.’ (ep. poet. seit Il.); ἐρεβώδης ‘ds.’ (spät). — Altes Wort für ‘Dunkel usw.’, auch im Altindischen, Armenischen und Germanischen erhalten: aind. rájas- n. ‘dunkler (niederer) Luftkreis, Dunst, Staub’ (anders darüber Burrow BSOAS 12, 645ff.; zustimmend Gonda KZ 73, 163f.), arm. erek, -oy ‘Abend’, got. riqiz, awno. røkkr n. ‘Dunkel, Dämmerung’; idg. *régos- n. — WP. 2, 367, Pok. 857. I-550

ἐρέγματα ἐρεγμός pl., ‘geschrotete Hülsenfrüchte’ s. ἐρείκω. I-550

ἐρεείνω nur Präsensstamm ‘(aus)fragen’ (ep. seit Il.). — Wie bei dem gleichgebildeten ἀλεείνω (s. 2. ἀλέα) hat man eine denominative Bildung, in diesem Falle von einem hochstufigen r-n-Stamm *ἐρεϝ-εν-, vermutet (Schwyzer 521 m. Lit., 724). Ein primäres Präsens ist εἴρομαι, s. d. Vgl. noch ἐρευνάω, ἐρωτάω. I-550

ἐρέθω (ep. poet. seit Il.), ἐρεθίζω (seit Il.) mit Aor. ἐρεθίσαι (A. u. a.), Pass. ἐρεθ-ισθῆναι, -ισθεῖς (Hdt. u. a.), -ίξαι (AP), Perf. Pass. ἠρέθ-ισμαι, -ισμένος (ion. att.), Akt. ἠρέθικα (Aeschin.), Fut. -ίσω, -ιῶ (hell. u. sp.); ‘reizen, aufreizen, anfeuern, heftig erregen’. mit Präfix ἀν-, δι-, ἐξ-, προσ-ερεθίζω usw., auch ἐξ-, κατ-ερέθω, Von ἐρεθίζω: ἐρεθισμός (Hp., hell.), ἐρέθισμα (Ar. u. a.; vgl. Porzig Satzinhalte 186) ‘Reizung, Aufreizung, Anforderung’, ἐρεθιστής ‘Aufwiegler’ (LXX u. a.), -ιστικός ‘aufreizend usw.’ (Hp. u. a.) — Von ἐρέθω: vielleicht *ὄροθος in ὀροθύνω, s. d. — Das Präsens ἐρέθω, wovon ἐρεθίζω eine Erweiterung ist (Schwyzer 736), kann wie θαλέθω, φλεγέθω u. a. (Schwyzer 703, Chantraine Gramm. hom. 1, 327ff.) ein formantisches θ enthalten; zugrunde liegt dann ein primäres Verb unbekannter Form. Der Anknüpfung an die Sippe von ὄρνυμι ‘erregen usw.’ (Lidén BB 21, 113 A. 1) stehen keine Bedenken entgegen; es liegt in der Natur der Sache, daß sie, in Anbetracht der dehnbaren Begriffe des "Erregens" und des "Reizen", unsicher bleiben muß. Beachtung verdienen dabei besonders die bei H. erhaltenen Formen ἔρετο· ὡρμήθη, ἔρσεο· διεγείρου, ἔρσῃ· ὁρμήσῃ, die die von ἐρέθω erforderte Grundlage bilden können. Weiteres s. ὄρνυμι. I-550-551

ἐρείδω, -ομαι, Aor. ἐρεῖσαι, -είσασθαι, Pass. ἐρεισθῆναι (seit Il.), Perf. Med. ἐρήρεισμαι (seit Il.), 3 pl. ἐρηρέδαται, -έδατο (Hom.) für -ίδαται, -ίδατο (Äolismus?, vgl. Schwyzer 106 m. A. 3 und Lit.), ἐρήρεινται, ἠρήρειντο (A. R.; Schwyzer 671), Akt. συν-, προσ-ήρεικα (Hp., PIb.), (προσ-)ἐρήρεικα (Dsk., Plu.), Fut. ἐρείσω, -ομαι (Arist., Kall. usw.), sehr oft mit Präfix ἀντ-, ἀπ-, ἐπ-, προσ-, συν-, ὑπ- usw., ‘stemmen, stützen, sich anstemmen, anlehnen’. Davon (-)ἔρεισις, (-)ἔρεισμα, (-)ἐρεισμός, (-)ἐρειστικός. — Ohne sichere außergriechische Entsprechung. Von Froehde KZ 22, 263 zu lat. ridica f. ‘ein durch Spalten größerer Pflöcke gewonnener Weinpfahl, aus Eichen- oder Wacholderholz’ gezogen; Bedenken bei WP. 2, 348. I-551

ἐρείκη f. ‘Heidekraut’ (A., Eup., Theophr. usw.). Als Hinterglied wahrscheinlich in ὑπ-έρεικος f. (Nik.), -ον n. (Hp., Dsk.; geschr. ὑπερικόν) ‘Hypericum’, so benannt als Heidepflanze; Strömberg Wortstudien 42. Ableitungen: ἐρείκια n. pl. ‘Heidekräuter’, ἐρείκινος ‘aus Heidekraut’ (Pap.), ἐρεικηρός ‘ds.’ (Mediz.), ἐρεικαῖον (scil. μέλι) n. ‘Honig aus Heidekraut’ (Plin.). EN ’Ερείκεια mit ’Ερεικειεύς (Attika IVa; geschrieben ’Ερικ-, wohl itazistisch; vgl. Meisterhans3 42 und 53), ’Ερεικοῦς λόφος (Kleinasien IVa), ’Ερεικοῦσσα Insel nahe Sizilien (Str. u. a.). — Keltische und baltisch-slavische Benennungen des Heidekrauts zeigen mit ἐρείκη, falls aus *ϝερείκᾱ, eine auffallende Ähnlichkeit, ohne indessen dazu ganz zu stimmen: air. froech, kymr. grug aus idg. *u̯roiko-; lett. virši pl., lit. vir̃zis, russ. véres, véresk u. a. mit unklarem gutturalem Auslaut. Nach Machek Lingua posnan. 2, 158f. sind ἐρείκη und véres usw. aus gemeinsamer Quelle entlehnt. — WP. 1, 319 und 273; außerdem Vasmer Russ. et. Wb. s. véres m. Lit. Unbefriedigende Wurzelanalyse bei Specht Ursprung 164 und 206. I-551

ἐρείκω (ἐρεικόμενος intr. Ν 441), Aor. ἤρῐκε (Ρ 595, intr.), ἐρεῖξαι (ion. att.), Perf. Pass. ἐρήριγμαι, -μένος (Hp., Arist.), vereinzelt mit Präfix κατ-, δι-, ὑπ-, ‘zerbrechen, zermalmen, zerreißen, bersten’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.). Ableitungen: ἐρεικίδες pl. (Gal.), ἐρεικάς (H.) ‘geschrotete Gerstenkörner, Grütze’, ἐρείκιον ‘zerbröckelndes Gebäck’ (Gal.; Bildung wie ἐρείπια), ἐρεικίτας (ἄρτος, Ath.; Redard Les noms grecs en -της 89), alle oft itazistisch ἐρικ- geschrieben; ebenso ἐρίγματα pl. (Hp.), ἐρίγμη (Sch.) ‘geschrotete Hülsenfrüchte’ für ἐρειγ-; in derselben Bedeutung mit unerklärtem ε: ἐρέγματα (Thphr., Erot.), ἐρεγμός (Pap., Gal., Erot.) mit ἐρέγμινος (Dsk., Orib.). — Zu dem hochstufigen thematischen Wurzelpräsens ἐρείκω und dem offenbar alten schwachstufigen Aorist ἤρικε bieten die anderen idg. Sprachen keine formal und semantisch genauen Entsprechungen. Große Ähnlichkeit zeigen indessen aind. rikháti, likháti ‘ritzen’ (mit aspiriertem Velar), lit. riekiù, riẽkti ‘Brot schneiden, zum erstenmal pflügen’, aind. riśáti, liśáti ‘rupfen, abreißen’ (mit palatalem Guttural); die wechselnden Formen können mit der expressiven Bedeutung in Verbindung stehen. Als verwandte Nominalbildungen kommen in Betracht ahd. rīga, mhd. rīha ‘Reihe, Linie’, lat. rixa ‘Hader, Streit’, wohl auch rīma ‘Ritze, Spalt’ (mehrdeutig). — Weitere Formen mit Lit. bei WP. 2, 344, W.-Hofmann s. rīma, rixa, ricinus. Vgl. ἐρείπω. I-551-552

ἐρείπω, Aor. ἐριπεῖν (seit Il., intr.), ἐρεῖψαι (Hdt., Pi. usw.), ἐριπέντι Ptz. Dat. = ἐριπόντι (Pi. O. 2, 43), Pass. ἐρειφθείς (S. Aj. 309), Perf. ἐρήριπε (Ξ 55, intr.), Plusquamp. ἐρέριπτο (Ξ 15); dazu Chantraine Gramm. hom. 1, 423 m. A. 3, 426 A. 3); ἐρήριμμαι, ἠρίφθην (Arr.); Fut. ἐρείψω (S. usw.), mit Präfix ἐξ-, κατ- u. a., ‘niederwerfen, niederreißen, niederstürzen, fallen’ (ep. ion. poet. seit Il.). Davon ἐρείπια pl. ‘Ruinen’ (vorw. poet., auch Hdt., Arist.; zur Bildung Schwyzer 470, Chantraine Formation 55), adjektiviert ἐρείπιος (οἰκία Ph.; ἐρείπιος γῆ· ἡ χέρσος Suid.); ἔρειψις Bed. unklar (att. Inschr.) mit ἐρείψιμος ‘eingestürzt’ (E. IT 48), ἐρειψιπύλᾱς m. (B.), -τοιχος (A. Th. 883 [lyr.]) ‘Tore, bzw. Mauern niederreißend’ (vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 82); von der Schwachstufe ἐρίπναι pl. ‘Absturz, Abhang’ (E., A. R.; sg. Nik.); zum Suffix vgl. κρημνός, κραιπνός und Chantraine Formation 192. — Zum hochstufigen Wurzelpräsens ἐρείπω stimmt das primäre ano. rīfa ‘zerreißen’ (trans.), auch von Gebäuden wie ἐρείπω; dazu als Verbalnomen lat. rīpa ‘steiler Rand, Ufer’ (zur Bed. vgl. ἐρίπναι und ἐρείπιος γῆ = χέρσος, d. h. ‘Ufer’); mit gedehntem Labial ano. rīp ‘Oberkante eines Bootes’, ostfries. rip(e) ‘Ufer’, mhd. rīf ‘ds.’; WP. 2, 345, W.-Hofmann s. rīpa. — Durch mechanische Zerstückelung von ἐρείπω und ἐρείκω in idg. rei-p-, rei-k- kann man beide Verba wie überaus zahlreiche andere Wörter auf ein idg. rei- ‘ritzen, reißen’ zurückführen (WP. 2, 343ff., Pok. 857ff.). I-552

ἐρέπτομαι ‘fressen, essen’, von Tieren und Menschen, wohl eig. ‘abrupfen, an sich raffen’. nur Ptz. ἐρεπτόμενος (Hom., AP; ἐρέπτων Nonn.). Mit ἀν- Aor. 3. pl. ἀν-ηρέψαντο (Hom.; codd. überall -ρειψ-; corr. Fick; so auch A. R. (neben -ρεψ-), Orph., Them.), Ptz. ἀναρεψαμένη (Hes. Th. 990, cod. Ven,). ἀνερεψάμενοι (AB 401, 27); ἀνερέψατο Pi. Pae. 6, 136 ‘hinweg-, entraffen’. ἀν- — Das primäre Jotpräsens ἐρέπτομαι hat nahe Entsprechungen in dem ebenfalls primären lit. ap-rė́pti ‘fassen, ergreifen’ und in alb. rjep ‘aus-, abziehen, berauben’; dazu mit a-Vokal lat. rapiō, -ĕre ‘raffen, an sich reißen’. Weitere Verwandte aus verschiedenen Sprachen mit Lit. WP. 2, 369f., Pok. 856, W.-Hofmann s. rapiō. I-552-553

ἐρεσχηλέω (v. l. -χελέω) nur Präsens ‘necken’ (ion. att.) mit ἐρεσχηλία, -χελία (Pap., EM 371, 1, Suid.). Daneben ἐρίσχηλος· λοίδορος (EM, Parth. Fr. 18; nach ἔρις). — Wie βλασφημέω (s. d.) u. a. wahrscheinlich aus einem nominalen Vorderglied und einem verbalen Hinterglied zusammengefügt, aber sonst unklar. Wackernagel KZ 33, 57 = Kl. Schr. 1, 736 sieht in ἐρεσ- einen mit ἔρις synonymen neutralen Stamm, den er auch in ἐπήρεια wiederfinden will; das Hinterglied möchte er mit χηλεύειν· ῥάπτειν, πλέκειν H. zusammenstellen; ἐρεσ-χηλεῖν somit ‘Streit anzetteln’. — Nach v. d. Osten-Sacken IF 23, 380ff. zu ἀρειή (s. d.). I-553

ἐρέτης myk. e-re-ta. m. ‘Ruderer’ (seit Il.), Als Hinterglied in ὑπ-ηρέτης, s. d. Ableitungen. 1. ἐρετικός ‘die Ruderer betreffend’ (att.); 2. kollektive Abstraktbildung εἰρεσίη, -ία (εἰ- metr. Dehnung, auch in der Prosa behalten) ‘Rudermannschaft’, auf ἐρέσσω bezogen = ‘das Rudern’ (seit Od.); denominatives Verb ἐρέσσω, selten att. ἐρέττω, Aor. ἐρέσ(σ)αι ‘rudern’ (seit Il.; zur Bildung Schwyzer 725). — Daneben das Nomen instr. ἐρετμόν n. ‘Ruder’ (poet. seit Il.) mit ἐρετμόω ‘mit Rudern versehen usw.’ (E. u. a.), EN ’Ερετμεύς (θ 111; Boßhardt Die Nomina auf -ευς 121). — Hierher noch der ON ’Ερέτρια als "die Ruderin, die rudernde Stadt", zunächst von *ἐρε-τήρ, s. unten. — Für sich stehen die Nomina auf -ηρης und -ερος, -ορος wie τρι-ήρης ‘Dreiruderer’ (ion. att.), ἁλι-ήρης ‘meerdurchrudernd’ (κώπη E. Hek. 455 [lyr.]), πεντηκόντερος, πεντηκόντ-ορος ‘Fünfzigruderer’ (ion. att.), s. unten. — Das Nomen agentis ἐρέ-της setzt wie das synonyme aind. ari-tár- (= gr. *ἐρε-τήρ in ’Ερέτρ-ιᾱ) ein zweisilbiges primäres Verb ‘rudern’ voraus, das im Griechischen von dem Denominativum ἐρέσσω verdrängt worden ist (sehr unsicher myk. e-re-e), aber in anderen Sprachen noch lebt: lit. iriù, ìrti (mit Stoßton, dem zweisilbigen ἐρε- entsprechend), germ., z. B. ano. rōa, kelt., z. B. air. imb-rā ‘rudern, zu Schiffe fahren’ (idg. rō- gegenüber rē- in lat. rēmus, vgl. unten). Auch im Griechischen liegen wahrscheinlich Spuren von diesem Verb vor in τρι-ήρης ‘Dreiruderer’ usw. (mit kompositioneller Dehnung und Ausgang nach den σ-Stämmen), πεντηκόντ-ερος, -ορος ‘Fünfzigruderer’ usw. (nach den ο-Stämmen, dazu mit -ο- nach -γονος, -φορος u. a.; nicht mit J. Schmidt KZ 32, 327 Vokalharmonie). Dazu vielleicht mit το-Suffix (lesb.) τέρρητον· τριήρης H., falls mit Brugmann IF 13, 152f. haplologisch für *τερρ-έρητον aus *τρι-έρητον, vgl. Schwyzer 274. — Auf Einfluß von ἐρέτης beruht wahrscheinlich die Form ἐρετμόν gegenüber aind. arí-tr-a- ‘Ruder’ (von ari-tár-), lat. rēmus (Bildung nicht eindeutig). — Einzelheiten bei Schwyzer KZ 63, 52ff., Hermann Gött. Nachr. 1943, 3f.; dazu WP. 1, 143f., Pok. 338, W.-Hofmann s. rēmus. I-553-554

ἐρεύγομαι 1. (seit Il.), ἐρυγγάνω (Hp., att.), Aor. ἤρυγον (Ar., Arist. usw.), ἠρευξάμην (Prokop.), Fut. ἐρεύξομαι (Ev. Matt. 13, 35), auch mit Präfix ἀν-, ἀπ-, ἐξ-, ἐπ-, κατ-, προσ- u. a., ‘aufstoßen, ausrülpsen, sich erbrechen, von sich geben, ausspeien’, auch übertr., z. B. vom Meere (vgl. 2. ἐρεύγομαι). Davon ἔρευξις, ἐρευγμός, auch ἔρυξις, ἐρυγμός, ἔρυγμα mit ἐρυγματώδης (auch ἐρευγματώδης), ἐρυγή ‘das Aufstoßen usw.’ (Hp. u. a.). — Das primäre thematische Wurzelpräsens ἐρεύγομαι (woneben das Nasalpräsens ἐρυγγάνω wie πυνθάνομαι neben πεύθομαι usw.) gehört zu einer expressiven Wortgruppe, die in mehreren Sprachen zahlreiche Vertreter hat, z. B. lat. -rūgō (= ἐρεύγομαι), lit. riáugmi, riáugėti (athem.), russ. Iter. rygátь ‘Aufstoßen haben, wiederkäuen’; mit Schwundstufe wie in ἤρυγον ahd. ita-ruchjan ‘wiederkäuen’, ags. rocettan (aus urg. *rŭkatjan) ‘rülpsen’, arm. orcam (aus o-rŭc-am, iterative Bildung mit prothetischem o- wie gr. ἐ-); dazu noch npers. -rōγ ‘Rülpsen’. — WP. 2, 357, Pok. 871, W.-Hofmann s. ērūgō, Ernout-Meillet s. *rūgō. I-554

ἐρεύγομαι 2. bei Hom. nur von der See ἐρευγομένης ἁλὸς (Ρ 265), κῦμα ... δεινὸν ἐρευγόμενον (ε 403), (κύματα) ἐρεύγεται ἤπειρόνδε (ε 438); an den zwei letztgenannten Stellen liegt eine Übersetzung mit ‘brüllen’ nahe (vgl. Ξ 394 κῦμα ... βοάᾳ ποτὶ χέρσον), jedoch ist auch hier wie in Ρ 265 ‘sich (er)brechen, ausspeien’ (= 1.) an sich möglich. Auf das Brüllen bezieht sich jedenfalls der Aorist ἤρυγεν Υ 403f. ἤρυγεν ὡς ὅτε ταῦρος ἤρυγεν, 406 τόν γἐρυγόντα λίπε ... θυμός, ebenso Theok. 13, 58. Auch das Präsens und Futurum werden in d. LXX im Sinn von ‘brüllen’ verwendet (σκύμνος ἐρευγόμενος, λέων ἐρεύξεται). Das abgeleitete ἐρύγμηλος Σ 580 (von ἐρυγμή [H.] oder *ἐρυγμεῖν; vgl. Risch 41; Frisk Eranos 41, 52) steht ebenfalls als Beiwort von ταῦρος; anders dagegen EM 379, 27 ἐρυγμήλη (H. ἐρυγηλήἐπίθετον ῥαφανίου, ἴσως ἀπὸ τῆς ἐρυγῆς. H. erwähnt noch ἐρυγμαίνουσα· ἡ βοῦς (= ‘Wiederkäuer’?,vgl. zu 1.). καὶ ὁ ταῦρος ἐρυγμαίνων, ἀπὸ τῆς ἐρυγμῆς, und ἐρυγήτωρ· βοητής. — Offenbar werden die beiden Wortsippen nicht immer auseinandergehalten. Wie nahe sie sich in casu kommen können, zeigen die Wendungen ἡμέρα τῇ ἡμέρᾳ ἐρεύγεται ῥῆμα (LXX Ps. 18 [19], 2), ἐρεύξομαι κεκρυμμένα (Ev. Matt. 13, 35), wo ‘ausrülpsen, ausspeien’ als vulgär-expressive Ausdrücke für ‘ausrufen’ o. ä. benutzt werden. Entschieden auf die Lautgebung beziehen sich das ablautende ὀρυμαγδός (s. d.) und ὠρῡγή, ὠρυγμός, s. ὠρύομαι. Auch andere Sprachen besitzen anklingende Wörter in ähnlicher Bedeutung, so lat. rūgiō, rūgīre ‘brüllen’; im Auslaut (idg. q) abweichend aksl. rykati ‘brüllen’, ags. rȳn ‘ds.’ (urg. *rūhjan), ahd. rohōn (urg. *rŭhōn; wäre lat. *rŭcāre; vgl. runcāre ‘schnarchen’ s. ῥέγκω) u. a. m., s. WP. 2, 350f., Pok. 867f., W.-Hofmann s. rūgiō. — Letzten Endes beziehen sich sowohl 1. wie 2. ἐρεύγομαι und ihre außergriechischen Verwandten als Schallwörter auf die Lautgebung. I-554-555

ἐρεύθω, Aor. ἐρεῦσαι, auch mit Präfix συνεξ-, κατ-, ‘röten, rot färben’ (ep. ion. poet. seit Il.). Daneben ἔρευθος n. ‘Röte’ (Hp., A. R., Ph. u. a.) mit ἐρευθής ‘rötlich’ (Str., Arat.; zur Bildung Chantraine Formation 428, Schwyzer 513), außerdem die poetischen ἐρευθήεις (-ιόεις) ‘ds.’ (A. R., Nik.; Schwyzer 527), ἐρευθαλέος ‘ds.’ (Nonn.), wohl Neubildung (Debrunner IF 23, 7); nicht alter l-n-Wechsel trotz ‘Ερευθαλίων (Hom.; wie Δευκαλίων, Πυγμαλίων u. a.), ‘Ερευθαλία Stadt in Argos (Sch.; wie Οἰχαλία). Denominative Verba: ἐρευθέω ‘rot werden, erröten’ (Luk., Pap.) mit ἐρεύθημα (Gal.), ἐρευθιάω ‘ds.’ (Hp.; nach den Krankheitsverba). — Dazu der Pflanzenname ἐρευθέδανον n. ‘Färberröte, Krapp’ (Hdt., Thphr. u. a.; Schwyzer 530, Chantraine 362); auch ἐρυθρόδανον, s. ἐρυθρός. — Das primäre thematische Wurzelpräsens ἐρεύθω ist mit ano. rjōđa ‘blutig machen’, ags. rēodan ‘rot färben’ identisch. Auch ἔρευθος kann eine außergriechische Entsprechung haben, u. z. in lat. rōbus, rōbur, -oris ‘Kernholz’ (mit dialektalem aus eu), da das Kernholz kräftiger rot oder bräunlich ist als der Splint (näheres bei W.-Hofmann s. v.); auch sonst liegen mehrere Spuren eines alten s-Stamms vor, s. ἐρυσίβη. — Eine uralte Bildung ist ἐρυθρός; s. d. mit weiteren Einzelheiten und Lit. I-555

ἐρευνάω, Aor. ἐρευνῆσαι, auch mit Präfix ἀν-, δι-, ἐξ-, κατ- u. a., ‘ausspüren, nachforschen’ (seit Il.; zum Aspekt Brunel Aspect verbal 148); hell. u. spät (LXX, Pap., NT usw.) auch ἐραυνάω mit ευ > αυ (vgl. Schwyzer 126 und 198). Davon (δι-)ἐρευνητής ‘Späher, Kundschafter’ (X. u. a.) mit ἐρευνήτριᾰ f. (Corn.), (δι-)ἐρεύνησις ‘Ausforschung’ (Str. u. a.), (δι-, ἐξ-)ἐρευνητικός (Str. u. a.). Außerdem die Rückbildung ἔρευνα f., spät auch ἔραυνα (vgl. oben) ‘Nachsuchung, Nachforschung’ (S., E., Arist., Pap. u. a.). — Wie ἐρεείνω (s. d.) ist auch ἐρευνάω von einem zu εἴρομαι, ἐρέ(ϝ)-ω ‘fragen’ gebildeten Nomen *ἐρεϝ-(ε)ν- abgeleitet (Schwyzer 680), u. zw. im Anschluß an die Präsentia auf -νάω. Eine Umbildung dieses Nomens ist awno. raun f. ‘Versuch, Probe, Untersuchung’, idg. *rou-n- neben *reu-n- in ἐρε-υνάω. — Weiters s. εἴρομαι; s. auch ἐρωτάω. I-555-556

ἐρέφω (Pi., Ar.), ἐρέπτω (Pi., B., Kratin.), Aor. ἐρέψαι (seit Il.), Fut. ἐρέψω (A., E.), ‘überdecken, überdachen’. Davon ἔρεψις ‘Bedachung’ (Thphr., Plu. u. a.) mit ἐρέψιμος (Pl., Thphr.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 49); mit altem Ablaut ὄροφοςm. ‘Bedeckung, Dach’ (Orac. ap. Hdt. 7, 140, A., Th., Pl. u. a.), auch ‘(Dach)schilf’ (Ω 451), ὀροφή f. ‘Dach’, insbes. ‘Zimmerdecke’ (ion. att. seit Od.) mit ὀροφίας Ben. einer Schlange (Ar. V. 206), = ὄφις τῶν κατοἰκίαν H.; dazu Georgakas Μνήμης χάριν 1, 126; ὀρόφινος ‘mit Schilf gedeckt’ (Aen. Tact.), ὀροφ-ιαῖος, -ιος, -ικός ‘zu ὀροφή (ὄροφος) gehörig’ (att., hell.); denominatives Verb ὀροφόω ‘überdachen’ (hell. und spät) mit ὀρόφωμα, ὀρόφωσις. vereinzelt mit Präfix ἀμφ-, ἐπ-, κατ-, — Als Hinterglied z. B. in ὑψ-όροφος ‘mit hohem Dach’ (Hom.)· daneben ὑψ-ερεφής, -ηρεφής ‘hochgedeckt, mit hohem Dach’ (Hom. usw.), κατ-ηρεφής ‘überdacht, überwölbt, gewölbt’ (seit Il.), πετρ-ηρεφής ‘mit Felsen überwölbt’ (A., E.) u. a. m.; neben ἐρέφω (mit σ-Stammflexion; vgl. Schwyzer 513) als Hinterglied ein Nomen *ἔρεφος anzunehmen, ist jedenfalls nicht notwendig; vgl. Schwyzer-Debrunner 475, Strömberg Prefix Studies 140. — Die einzigen Anknüpfungen, die sich für dieses ohne Zweifel altererbte Wort bisher geboten haben, sind teils das Hinterglied in ahd. hirni-reba ‘Schädel’ (eig. "Hirnbedeckung"), teils das germanische Wort für ‘Rippe’ (als "Dach der Brusthöhle"?) ahd. rippa, rippi, ags. ribb, awno. rif n., idg. *rebh-i̯o-, wozu noch russ. usw. rebró ‘ds.’ — Schrader KZ 30, 469f.; weitere Einzelheiten bei WP. 2, 371, Pok. 857, Vasmer Russ. et. Wb. s. v. Zur griech. Vokalprothese noch Harl KZ 63, 18. — Anders über ἐρέφω Machek Listy filol. 68, 94ff. I-556

ἐρέχθω nur Präsens etwa ‘zerren, hin und her reißen’ (Ψ 317, ε 83, h. Ap. 358, Prokl.). Daneben ’Ερεχθεύς, att. Vasen Ερεχσες (Schwyzer 326 m. Lit.) Heros und König von Athen (seit Β 543, η 81), auch Bein. des Poseidon (Plu., H. u. a.), mit ’Ερεχθηΐς f. N. einer att. Phyle (D., Inschr.), ’Ερεχθεΐδαι pl. Bez. der Athener (Pi. u. a.); eig. ‘der Reißer, (Erd)erschütterer’? Vielmehr Kurzform für Εριχθόνιος (s. d.) mit volks-etymologischem Anschluß an ἐρέχθω; vgl. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 129. — Unklar ist der Pflanzenname ἐρεχθῖτις = ἠριγέρων (Ps.-Dsk.); zur Form Redard Les noms grecs en -της 171. — Seit alters zu aind. rákṣas-, aw. rašah- ‘Zerstörung, Beschädigung’, aw. rašayeiti ‘schädigen’ gezogen. Semasiologische Bedenken bei Kretschmer KZ 31, 432f. — Ganz anders über aind. rákṣas- usw. Renou Journ. asiat. 1939, 187. I-556-557

ἐρέω 1. ‘ausfragen’ s. εἴρομαι. I-557

ἐρέω, 2. att. ἐρῶ Fut. ‘ich will sagen’ s. 2. εἴρω. I-557

ἐρῆμος, jungatt. ἔρημος ‘einsam, unbewohnt, verlassen’, von Orten und Sachen, Menschen und Tieren (seit Il.); auch in Kompp., z. B. ἐρημο-νόμος ‘in Einsamkeit lebend’ (A. R. u. a.), vorw. poet. u. spät. Als Hinterglied in παν-, φιλ-, ὑπ-έρημος u. a. Ableitungen. Poetische Erweiterungen ἐρημ-αῖος (Emp., A. R. u. a.; vgl. Chantraine Formation 49), -εῖος (Mykonos); f. ἐρημάς (Man.; Chantraine 354f.). Abstraktbildung ἐρημία ‘Einsamkeit, Öde, Mangel’ (ion. att.) mit ἐρημίτης, ἐρημικός ‘in der Einsamkeit lebend’ (LXX). Denominative Verba 1. ἐρημόομαι, -όω ‘öde, verwüstet, beraubt werden’, bzw. ‘öde machen, verwüsten, verlassen, berauben’ (Pi., ion. att.) mit ἐρήμωσις (LXX usw.), ἐρημωτής (AP); auch mit Präfix ἀπ-, ἐξ-, κατ-, wozu ἀπέρημος (Sch.; vgl. Strömberg Prefix Studies 45). 2. ἐρημάζω ‘in der Einsamkeit leben’ (Thphr. u. a.). — Ohne sichere Erklärung. Es wird u. a. mit lat. rēte ‘Netz, Garn’, rārus ‘locker, dünn, vereinzelt’, aind. -té ‘mit Ausschluß von, ohne, außer’ verknüpft; s. W.-Hofmann und Mayrhofer Wb. s. vv.; dazu WP. 1, 143f., Pok. 332f. I-557

ἐρητύω, Aor. ἐρητῦσαι (ep. seit Il.; vereinzelt S., E.), (dor.) ερατύει S. OC 164 (lyr.), ἐράτοθεν (= ἐρήτυθεν Β 99)· ἀνεπαύσαντο H. (vgl. Schwyzer 182, Hoffmann Dial. 1, 166; 283, Bechtel Dial. 1, 401; wohl kyprisch), auch mit ἀπ-, κατ-, ‘zurückhalten, hindern’ Keine Ableitungen. — Ohne Etymologie. Vgl. zu ἐρωή, ἐρωέω. I-557

ἐρι- untrennbares verstärkendes Präfix ‘sehr, hoch’ (ep. poet. seit Il.), vorwiegend in Bahivrihi wie ἐρί-(γ)δουπος, -σθενής, -τιμος, -αύχην; auch ἐρι-βρεμέτης, -δμᾶτος (A. Ag. 1461 [lyr.]) u. a.; vgl. Chantraine REGr. 49, 406. — Neben ἐρι- steht in derselben Bedeutung ἀρι-, das aber wie aind. ari- im Gegensatz zu ἐρι- in Verbaladjektiven zu Hause ist, vgl. s. v. und Schwyzer 434. Der unansehnliche Lautkörper im Verein mit der allgemeinen Bedeutung läßt allerhand Kombinationen freien Raum; als eine Möglichkeit mag an die Sippe von ὄρνυμι ‘erregen, erheben usw.’ (ἐρι- neben *ἔρος?, vgl. s. ἐρέας) erinnert werden. I-557-558

ἐρίηρες, Akk. -ας pl., selten und sekundär sg. ἐρίηρος Beiwort von ἑταῖροι, -ος (Hom.), auch von ἀοιδός (α 346, θ 62 = 471) etwa ‘traut, lieb’. — Zur Stammbildung ausführlich Sommer Nominalkomp. 138f. m. Lit., außerdem Chantraine Gramm. hom. 1, 232. — Bahuvrihikomp. von ἦρα (s. d.) und verstärkendem ἐρι-; s. Bechtel Lex. 136ff. I-558

ἐρίθακος (Arist. u. a.), ἐριθεύς (Thphr. u. a.), ἐρίθυλος (Sch.) m. Name eines Vogels, wahrscheinlich ‘Rotkehlchen’ (s. Thompson Birds s. v.). ἐριθάκη f. ‘Bienenbrot’ (Arist., Varr., Plin.). — Adj. ἐριθακώδης (γραῖαι Epich. 61; Bed. unklar). — Wahrscheinlich zu ἔριθος, s. d. Nach Gehring Glotta 14, 183 dagegen vorgriechisch. I-558

ἔρῑθος m. f. ‘Tagelöhner’, von Schnittern, Garbenbindern (Σ 550, 560), ‘Spinnerin’ (S., D., Theok. u. a. mit volksetymologischem Anschluß an ἔριον), ‘Diener usw.’ im allg. (h. Merc. 296 u. a.); Komp. συν-έριθος m. f. ‘Mitarbeiter(in), Gehilfe’ (ep. poet. seit Od., Pl.), φιλ-έριθος ‘die das Spinnen liebt’ (Theok., AP). — Mit familiärem κ-Suffix ἐριθακίς f. (Theok.). Denominatives Verb ἐριθεύομαι, selten -εύω, auch mit ἐξ-, ‘Tagelöhner sein, für Lohn arbeiten, um Gunst schleichen, Ämter erschleichen’ (LXX, Arist., Plb.) mit ἐριθεία ‘Amtserschleichung, Ränkesucht’ (Arist., NT), ἐριθευτός ‘dessen Gunst erschlichen ist, bestochen’ (Kreta, Delphi). — Nach aller Wahrscheinlichkeit gehören hierher auch die Namen des Rotkehlchens (?) ἐρίθακος, ἐριθεύς, ἐρίθυλος (s. dd.), obwohl eine einleuchtende Begründung fehlt (wegen seines schleichenden Wesens?; kaum richtig Boßhardt Die Nomina auf -ευς 57f., wo auch über die Bildung); ebenso ἐριθάκη ‘Bienenbrot’ (als "Tagelöhnchen", Boßhardt ebd.). — Unklar ’Εριθάσεος Bein. d. Apollon (Attika IVa); zur Sache P.-W. s. v. Ohne Etymologie (vgl. δοῦλος). Unwahrscheinlich Brugmann IF 19, 384 m. Lit. (s. Bq und WP. 2, 348); vgl. noch Schwyzer 511 A. 2. I-558

ἐρῑνεός (Il., Hes., Arist., Thphr. u. a.), ἐρινός m. (Stratt., Theok., Delos usw.; vgl. ἀδελφεός : -φός), att. auch ἐρινεώς (Delos, Kom.; nach anderen Baumnamen auf -εώς; Wackernagel Akzent 32 A. 1 = Kl. Schr. 2, 1101 A. 1) m. ‘wilder Feigenbaum, Ficus caprificus’ (Gegensatz συκῆ; vgl. Strömberg Theophrastea 166 A. 1). Davon ἐρινεόν, -νόν ‘wilde Feige’ (Kom., Arist., Thphr., Pap. u. a.); zu ἐριν(ε)ός : -ν(ε)όν Wackernagel Syntax 2, 17, Schwyzer-Debrunner 30; ἐρινάς f. = ἐρινεός (Nik.; wie κοτινάς u. a.; Chantraine Formation 353); Adjektiv ἐρίνεος, -νοῦς ‘zum Feigenbaum gehörig’ (Epich., E., Arist.), ἐρινεώδης ‘voll von Feigenbäumen’ (Str.); denominatives Verb ἐρινάζω ‘kaprifizieren mit ἐρινασμός (Thphr.). — Nicht sicher erklärt. An messen. (Paus. 4, 20, 2) τράγος = ἐρινεός und lat. caprifīcus erinnernd, will Prellwitz BB 22, 284f. ansprechend von einem alten Wort für ‘Bock’ ausgehen, das auch in ἔριφος vorliegt, s. d. Nach Chantraine Formation 203 und Schwyzer 491 dagegen Fremdwort. I-558-559

ἔρῑνος m. Pflanzenname (Nik., Ps.-Dsk.). — Unerklärt. I-559

Ερῑνύ̄ς, -ύος f. N. einer rächenden Gottheit, urspr. die zürnende und rächende Seele des Ermordeten; appellativisch ‘Rache, Fluch’ (seit Il.), Benennung der Demeter in Arkadien (Antim., Kall., Paus. 8, 25, 6). Davon ἐρινυώδης ‘ähnlich der E.’ (Plu.); ἐρινύω = θυμῷ χρῆσθαι (ark., Paus. a. a. O., EM), vgl. Bechtel Dial. 1, 390. — Nicht überzeugend erklärt. Mehrere Vorschläge: zu ἔρις, ὀρίνω (Solmsen KZ 42, 230 A. 2), zu aind. ríṣyati ‘Schaden nehmen’ (Ehrlich Sprachgesch. 35, Prellwitz KZ 47, 187); zu aind. roṣati, ruṣyati ‘unwirsch sein, zürnen’ mit Dissimilation υ-υ zu ι-υ (Froehde BB 20, 187f.); vgl. Kretschmer Glotta 9, 233; WP. 1, 140; 2, 349. — Der behauptete Zusammenhang mit dem Namen des mythischen Hengstes ’Ερίων (’Αρίων, ’Ορίϝων; Bechtel Dial. 1, 349; s. auch v. Wilamowitz Glaube 1, 399f.) bedarf einer näheren sprachlichen Begründung. — Über die Erinyen Nilsson Gr. Rel. 1, 100f. m. Lit. I-559

ἔριον ‘Wolle’ s. εἶρος. I-559

ἐριούνης (Υ 34, θ 322), ἐριούνιος (Il., h. Merc., Ar. Ra. 1144) Beiwort des Hermes, spät auf θεοί (Ant. Lib. 25, 2), νόος (Orph. L. 199) übertragen. — Die alten Grammatiker und Lexikographen haben daraus mit Beziehung auf verschiedene Eigenschaften des Hermes zwei Simplizia fälschlich erschlossen: οὔνης· κλέπτης, οὔνιος· [εὖνις,] δρομεύς, κλέπτης H.; vgl. Leumann Hom. Wörter 123. Bessere Gewähr haben die Glossen οὖνον· [ὑγιές.] Κύπριοι δρόμον und οὔνει (für οὔνη?)· δεῦρο, δράμε. ’Αρκάδες. Hinzu kommt der kypr. EN Φιλουνίου (Gen.), vgl. Φιλόδρομος. ’Ερι-ούνης, -ούνιος somit der schnelle Götterbote? So (nach Bergk Philol. 11, 384) mit neuer Begründung Latte Glotta 34, 192ff. — Mehrere verfehlte Vorschläge bei Bq s. v. (s. auch Add. et corr.); abzulehnen ebenfalls Pisani KZ 72, 216. I-559

ἔρις, -ιδος, -ιδα und -ιν f. ‘Streit, Zank, Kampf, Wetteifer’ (seit Il.; zur Bedeutung bei Hom. Trümpy Fachausdrücke 139ff.; zu Ἔρις und Δίκη bei Hes. Kühn Würzb. Jb. 1947 : 2, 259ff.). Als Hinterglied in δύσ-ερις (att. usw.), auch mit Kompositionsdehnung δύσ-ηρις (Pi. u. a.) ‘unglücklichen Streit erzeugend, streitsüchtig’. Denominative Verba. 1. ἐρίζω ‘streiten, zanken, wetteifern’ (seit Il.; aus *ἐρί-ω erweitert? Schwyzer 735 A. 4; s. auch unten) mit ἔρισμα ‘Streit’ =- ‘Gegenstand des Streites’ (Δ 38; vgl. Porzig Satzinhalte 187), ἐρισμός ‘ds.’ (Timo), ἐριστικός ‘streitsüchtig, zum Disputieren geneigt’ (Pl., Arist. usw.), ἐριστής ‘Zänker’ (LXX Ps. 138 [139], 20; v. l.). 2. ἐριδαίνω ‘ds.’ (ep. seit Il.; nur Präsens bis auf das unklare ἐρῑδήσασθαι Ψ 792; vgl. dazu Schwyzer 733 m. A. 1 und Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 416). 3. ἐριδμαίνω ‘necken, reizen’ (Π 260), = ἐριδαίνω (hell. u. späte Epik); nach den Verba auf -μ-αίνω wie πημ-αίνω; Schwyzer 724. — Wegen der EN ’Αμφ-, ’Αν-ήρι-τος (Bechtel Namenstud. 7; auch -ιστος) muß ἔρις ein ursprünglicher ι-Stamm sein; schon dadurch wird die Anknüpfung an ἐρείδω ‘stemmen, stützen’ hinfällig (Schwyzer 464 m. A. 4 und Lit.). Von den verschiedenen lautgewordenen Hypothesen über die Herkunft dieses semantisch mehrdeutigen Wortes sei die Anreihung an ὀρίνω, ἐρέθω, Ερινύς (s. d.) erwähnt. Die alte sehr fragliche Zusammenstellung mit aind. ári-, arí- m. ‘Feind (?) usw.’ ist von Porzig Satzinhalte 351 wieder aufgenommen worden. Weitere Versuche bei Bq s. v. I-559-560

ἐρίσφηλος Attribut des Herakles (Stesich. 82). Daneben ἄσφηλοι· ἀσθενεῖς. σφηλὸν γὰρ τὸ ἰσχυρόν H. — Unerklärt; vgl. σφάλλω? Eine andere unsichere Vermutung von Fick GGA 1894, 227; s. Prellwitz s. φθάνω, WP. 2, 657. I-560

ἔριφος m. und f. ‘junger Bock, junge Ziege’ (ep. poet. seit Il., Kreta); im Plur. Benennung eines Gestirns (Demokr., Theok. u. a.; s. Scherer Gestirnnamen 124f.). Davon das hypokoristische Deminutivum ἐρίφιον (Athenio Kom., Ευ. Matt. 25, 33 u. a.) mit ἐριφιήματα· ἔριφοι. Λάκωνες H. (zur Bildung Chantraine Formation 178, Schwyzer 523 m. Lit.); Adj. ἐρίφειος ‘zu ἔριφος gehörend’ (Kom., X.); ’Ερίφιος Bein. des Dionysos in Metapontum (Apollod.; vgl. zu Εἰραφιώτης); ἐριφέας (für *ἐριφίας?)· χίμαρος H. — Bildung wie ἔλαφος u. a. (s. d.). — Zu ἔριφος stimmt fast genau ein irisches Wort für ‘Ziege, Damtier usw.’, air. heirp (idg. *erbhī?; weitere irische Formen bei Pok. 326). Eine ganz abweichende Bildung zeigen dagegen arm. oroǰ ‘agnus, agna’ (aus *er-oǰ, erinǰ ‘junge Kuh’ (unklar) ebenso wie das italische Wort für ‘Widder’, lat. aries, -ĕtis, umbr. erietu ‘arietem’. Auch in ἐρῑνεός ‘wilder Feigenbaum’ ist ein altes Wort für ‘Bock’ vermutet worden (s. ebd.), das indessen überall Erweiterungen und Umbildungen erlitten hat und sich nicht mehr rekonstruieren läßt. — Reiche Lit. bei WP. 1, 135, W.-Hofmann s. aries. Vermutungen über die Stammbildung bei Specht Ursprung 156 und 221. I-560

Εριχθόνιος m. N. eines Heros und Königs von Athen, Sohn der Ge, Vater des Pandion (A., E., Arist. u. a.); auch N. eines Troers, S. des Dardanos, V. des Tros (Υ 219, 230). Davon οἱΕριχθονίδαι = ’Ερεχθεΐδαι (IG 3, 771; poet., Kaiserzeit). — Nach ἐπι-χθόνιος u. a. zu schließen in ’Ερι-χθόνιος zu zerlegen; vielleicht volksetymologische Umbildung eines vorgriech. Wortes. Eine Kurzform kann in Ερεχθεύς vermutet werden, s. d. I-561

ἐριώλη f. ‘Wirbelwind, Orkan’ (Ar. Eq. 511, A. R.; zum Akzent Hdn. Gr. 1, 324). — Unerklärt. Ob aus *ϝελι-ϝωλη mit intensiver Reduplikation und Dissimilation λ-λ > ρ-λ zu εἰλέω ‘rollen, drehen, winden’? I-561

ἕρκος n. ‘Gehege, Zaun, Umzäunung, Vorhof; Fangnetz; Abwehr, Schutz’ (ep. ion. poet. seit Il.). Als Hinterglied z. B. in εὐ-ερκής ‘wohl umhegt’ (Il. usw.); selten als Vorderglied, so in der Zusammenbildung ἑρκο-θηρ-ικός ‘zur Jagd mit Fangnetz gehörig’ (Pl. Sph. 220c). Ableitungen: ἑρκίον ‘Umzäunung’ (ep. seit Il., vgl. τειχίον : τεῖχος u. a.); ἕρκειος, ἑρκεῖος (nach οἰκεῖος u. a.) ‘zum ἕρκος, Vorhof gehörig’ , insbes. als Beiname des hausschirmenden Zeus, dessen Altar im Hofe stand (seit χ 935); ἑρκίτης ‘ein zum Gehöft gehöriger Sklave’ (Amer. ap. Ath. 6, 267c, H.). — Daneben ἑρκάνη ‘Umzäunung’ (spät) durch Kreuzung mit ὁρκάνη ‘ds.’ (A., E.), das wie ὅρκος (s. bes.) ο-Vokal aufweist; vgl. zur Bildung im allg. Chantraine Formation 198. Außerdem ἕρκατος· φραγμός, ἑρκάτη· φυλακή H., Ὅρκατος Ortsbezeichnung in Kalymna (Inschr. IIa; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 147); zum Suffix vgl. ὄρχατος; s. auch ἔρχατος. — Seiner Form nach ist ἕρκος als Verbalnomen anzusehen (wie τέλος, γένος usw.); eine sichere Anknüpfung bleibt aber noch zu finden. Nach Meringer IF 17, 157f. als *‘Flechtwerk’ zu lat. sarciō, -īre ‘flicken, ausbessern, wiederherstellen’, eig. *‘verflechten, zusammennähen’; vgl. sartum tectum ‘unversehrt, vollständig’, eig. *‘geflochten und gedeckt’, sarcina f. ‘Bündel’; zu sarciō jedenfalls heth. šar-nin-k- (Nasalinfix) ‘entschädigen, ausbessern’ (Pedersen Hittitisch 145). — Eine ursprüngliche Bedeutung ‘flechten, Flechtwerk’ ist gewiß nicht unmöglich; zum a-Vokal in sarciō s. Ernout-Meillet s. v. Ältere unhaltbare Vorschläge bei Bq; s. noch WP. 2, 502, Pok. 912, W.-Hofmann s. sarciō. I-561

ἕρμα 1. n. ‘Stütze’, in der Il. (und h. Ap. 507) im Plur. von den Stützen (Steinen oder Balken), die unter die ans Land gezogenen Schiffe gelegt wurden, um sie aufrecht zu halten; sonst übertr. von Menschen, ‘Stütze, Säule’ (ep. poet. seit Il., späte Prosa); ‘unterseeische Klippe, Riff, auf dem das Schiff sitzen bleibt’ (poet. seit Alk. Supp. 26, 6, auch Hdt. 7, 183, Th. 7, 25 und sp. Prosa); ‘Stein, bzw. ein anderes Gewicht, das als Ballast usw. dienen kann’ (Ar., Arist., hell. u. spät); ‘Steinhaufen, Steinhügel’ (S. Ant. 848 [lyr.], AP 9, 319). Ableitungen. 1. ἑρμί̄ς (oder -ί̄ν), Akk. ἑρμῖνα, Dat. pl. -ῖσιν ‘Bettpfosten’ (θ278, ψ 198, Herod. 3, 16; vgl. ῥηγμῖν- von ῥῆγμα, σταμῖν- usw.); vgl. Hdn. Gr. 2, 431 mit etymologischen Spekulationen. 2. ἕρμαξ f. ‘Steinhaufen’ (Nik. u. a.), ngr. ἑρμακιά (ἁρ-) ‘Mauer aus trockenen Steinen’, viele Ableger in der unterital. Gräzität, s. Rohlfs WB 78f.; ἕρμακες· ὕφαλοι πέτραι H. (vgl. λίθαξ, μύλαξ u. a.). 3. ἑρμεών· σωρὸς λίθων H. (vgl. βολεών s. βάλλω usw.). 4. ἑρματίτης πέτρος ‘als Ballast dienender Stein’ (Lyk. 618). 5. ἑρματικός ‘feststehend, -ruhend’ (κράββατος, PGen. 68, 10; IVp). 6. ἑρμαῖος λόφος ‘Steinhaufen’ (π 471; unsicher, vgl. zu ‘Ερμῆς). — Denominative Verba. 1. ἑρμάζω ‘unterstützen, fest machen’ (Hp.) mit ἕρμασμα, -σμός (Hp.), ἕρμασις (Erot., auch Trozen IVa [-σσ-]; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 149); 2. ἑρματίζω ‘ds.’ (Hp. usw.). — Zu Ερμῆς (‘Ερμείας, ‘Ερμάων) s. bes. — Wegen der in concreto stark auseinandergehenden Bedeutungen bereitet ἕρμα den Erklärern erhebliche Schwierigkeiten. Es ist mithin kein Wunder, daß man darin zwei oder sogar drei verschiedene Wörter hat finden wollen. So wird bei WP. 1, 267 mit Froehde BB 17, 304 ἕρμα ‘Klippe, Riff, Hügel’ als ein besonderes Wort betrachtet und mit aind. várṣman- n. ‘Anhöhe, Hügel, Oberstes, Spitze’ identifiziert. Diese Etymologie läßt aber gerade das wichtigste Merkmal der unterseeischen Klippen unbeachtet. Dagegen wird ἕρμα im Sinn von ‘Schiffsballast’ bei WP. 1, 265 mit Vaniček und Fick (s. auch W.-Hofmann s. sērius) zu lit. sveriù ‘wägen’, svarùs ‘schwer’, ahd. swār(i) ‘schwer’ gezogen. Im Sinn von ‘Stütze, Stützpfahl’ wird (2, 528) mit Schroeder Anknüpfung gesucht bei Wörtern für ‘Pfahl usw.’, z. B. aind. sváru- ‘Pfahl, Opferposten’, ags. swer ‘Pfosten, Säule’, lat. surus ‘Zweig, Sproß, Pfahl’. Es ist aber sehr zweifelhaft, ob ἕρμα überhaupt je ‘Pfahl’ bedeutet hat. — Einen Versuch, sämtliche Bedeutungen der philologischen Tradition gemäß unter einen Hut zu bringen, macht Porzig Satzinhalte 266: die ursprüngliche Bedeutung wäre ‘Stein (zum Stützen der Schiffe)’, woraus einerseits ‘Ballaststeine’, anderseits, als sarkastischer Ausdruck der Seeleute, ‘unterseeische Steine, Klippen’. Wie dem auch sei, jedenfalls scheint das Wort in der Berufssprache der Seeleute gut eingebürgert zu sein. — Der Form nach bietet ἕρμα den Anblick eines Verbalnomens auf -μα mit regelmäßigem ε-Vokal. Wenn überhaupt eine Anknüpfung an das Idg. gewagt werden soll, können vielleicht lit. sveriù ‘wägen’ und verwandte Wörter (s. oben) immerhin in Betracht kommen; die ursprüngliche Bedeutung wäre dann ‘schweres Gewicht, schwerer Stein, Steinblock, Feldstein’, idg. *su̯ér-mn̥. — Dagegen betrachtet Kretschmer Kleinas. Forsch. 1, 4 ἕρμα als kleinasiatisch, indem er teils an den lydischen Fluß Ἕρμος (πολυψήφιδα παρἝρμον Orac. ap. Hdt. 1, 55), teils an lykische EN auf Erm-, Arm- erinnert. Für nicht-idg. Ursprung auch Chantraine L’Ant. class. 22, 69. — Abzulehnen Gonda Mnemos. 3 : 6, 165f.: zu lat. sĕra ‘Querbalken’, gr. ἅρπη ‘Sichel’ usw.; idg. *ser- ‘(spitziger) Ast usw.’; vgl. dazu oben über die Bedeutung von ἕρμα. I-562-563

ἕρματα 2. pl. ‘Ohrgehänge’ s. 1. εἴρω. I-563

ἕρμαιον s. Ερμῆς. I-563

ἑρμηνεύς (Pi. O. 2, 85 ἑρμανεύς) m. ‘Dolmetsch, Übersetzer’, auch ‘Deuter, Ausleger’ im allg. (ion. att.). Denominatives Verb ἑρμηνεύω (-μαν- Epid.), auch mit Präfix δι-, ἐξ- u. a., ‘verdolmetschen, übersetzen’, auch ‘deuten, auslegen, erklären’ (ion. att.) mit mehreren Ablegern: ἑρμηνεία ‘Auslegung, Erklärung, Ausdrucksweise, Stil’ (Pl., X., Arist. usw.); ἑρμήνευσις ‘ds.’ (D. C., Longin.); ἑρμηνεύματα pl. ‘Auslegungen, Erklärungen, interpretamenta’ (E., Ph. usw.); ἑρμηνευτής = ἑρμηνεύς (Ph Plt. 290c, LXX Ge. 42, 23, Poll. 5, 154; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 63) mit ἑρμηνεύτρια f. (Sch.); ἑρμηνευτικός ‘auf die Erklärung, Interpretation bezüglich’ (Pl. usw.), vgl. Chantraine Études sur le vocab. gr. 134 und 137. — Technischer Ausdruck ohne Etymologie, wahrscheinlich kleinasiatischen Ursprungs; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 36f., Krahe Die Antike 15, 181. — Idg. Deutungsversuche (zu εἴρω ‘reihen’, εἴρω ‘sagen’, lat. sermō) bei Bq. S. auch Ερμῆς. I-563

Ερμῆς, -οῦ (ion. att. seit Od.), ‘Ερμείας, -έας (ep. seit Il.), ‘Ερμείης (Kall. u. a.), ‘Ερμᾶς (dor. böot.), ‘Ερμάων (Hes. u. a.), ‘Ερμάν, -ᾶνος (lak. ark. usw.), ‘Ερμάου, -άο, -ᾶ (thess. Dat.), ‘Ερμαον (kret. Akk.); Myk. E-ma-a2 (Dat.)? Hermes, Sohn des Zeus und der Maia, auch ‘Hermespfeiler, -kopf’. Als Vorderglied z. B. in ἑρμο-γλυφεῖον (Pl.) mit den retrograden ἑρμογλυ-φεύς, -ικός, -ος (Luk. u. a.), s. γλύφω. Ableitungen. Hypokoristische Deminutiva ‘Ερμίδιον (Ar.), -άδιον (Luk.; auch ‘kleiner Hermespfeiler’ [Lydien]), nach den Nomina auf -ίδιον, -άδιον. ‘Ερμαῖος ‘dem H. gehörig, von H. stammend’, auch als N. eines Monats (A., S. usw.; wohl auch Ερμαῖος λόφος π 471, falls nicht von 1. ἕρμα; vgl. unten); ntr. Ἕρμαιον ‘Hermestempel’ (Ephesos usw.; zum Akzent Hdn. Gr. 1, 369), pl. Ἕρμαια (ἱερά) ‘H.-feier’ (att.); als Appellativ ἕρμαιον n. "Hermesgabe", d. h. ‘Glücksfund, unverhoffter Vorteil’ (Pl., S. u. a.), auch Pflanzenname (Stromberg Pflanzennamen 129); f. ‘Ερμαΐς (Hp.); ‘Ερμαιών N. eines Monats (Halikarn., Keos); ‘Ερμαϊσταί pl. N. der H.-verehrer, Mercuriales (Rhodos, Kos, Delos), vgl. z. B. ’Απολλωνιασταί und Chantraine Formation 317; ‘Ερμαϊκός (spät). ‘Ερμεῖα pl. Bed. unsicher (Str. 8, 3, 12). — ‘Ερμῆς aus ‘Ερμέας < ‘Ερμείας (äol.; vgl. Αἰνείας u. a.; dazu Chantraine Gramm. hom. 1, 20 m. Lit.; nach Solmsen Wortforsch. 240 A. 1, Schwyzer 562 dagegen -είας < -έας durch metr. Dehnung) und ‘Ερμάν aus ‘Ερμάων für *‘Ερμά̄ϝων (wie Ποσειδάϝων u. a.) vertreten zwei verschiedene Namenstypen. Wenn man mit K. Meister HK 155f. ‘Ερμείας über *‘Ερμήας auf *‘Ερμάϝας zurückführt, was ziemlich willkürlich erscheint, reduziert sich der Unterschied auf die Endsilbe. — Die auf K. O. Müller zurückgehende, u. a. von Wilamowitz (Glaube 1, 159 und 285) und Nilsson (Gr. Rel. 1, 503f. m. Lit.) befürwortete, sachlich sehr ansprechende Anknüpfung an 1. ἕρμα ist in sprachlicher Hinsicht, wenn auch nicht glatt (Schwyzer 562 A. 1), jedoch ohne ernste Bedenken; sowohl ‘Ερμ-είας wie ‘Ερμ-ά(ϝ)ων scheinen, zwei eingebürgerte Namenstypen vertretend, mit ἕρμα vereinbar zu sein. Nach dieser Ansicht wäre ‘Ερμῆς "nach dem Pfeiler der ihn vertritt" (Wil.) benannt oder einfach "der vom Steinhaufen" (Nilsson). Zu beachten ist nur dabei, daß ἕρμα, wie man es auch auffassen mag, wohl nie den Pfeiler bezeichnet und auch im Sinn von ‘Steinhaufen’ selten und sekundär ist (dafür ἕρμαξ, ἑρμεών); auch ἑρμαῖος λόφος π 471 kann, wenn überhaupt von ἕρμα und nicht von ‘Ερμῆς, was formal unbedingt näher liegt, nur den aus ἕρματα bestehenden Haufen bezeichnen. — Die lautliche Ähnlichkeit mit ἑρμηνεύς hat Boßhardt Die Nomina auf -ευς 36f. (wo zweifelhafte sprachliche Analyse) veranlaßt, den ‘Ερμῆς, "den gewandten Begleiter von Göttern und Menschen", als den "unter die Götter projizierten Urdolmetsch" deuten zu wollen; das angebliche Appellativ ‘Ερμῆς wäre selbst vorgriechisch. Für vorgriechischen Ursprung auch z. B. Schwyzer 62, Chantraine Formation 125. I-563-564

ἔρνος (auch ἕρνος mit sekundärer Aspiration; Schwyzer Glotta 5, 193) n. ‘junger Trieb, Sproß, Schößling’, urspr. von Bäumen, auch auf Menschen übertragen (ep. poet. seit Il.). Als Vorderglied in ἐρνεσί-πεπλος (Orph. H. 30, 5; nach ἑλκεσί-πεπλος), ἐρνοκόμων· παραδεισαρίων (d. h. ‘Gärtner’) H. Als Hinterglied in εὐ-ερνής ‘mit guten Schößlingen’ (E., Str. usw.), δυσ-ερνής (Poll.). Wenige Ableitungen: Deminutivum ἐρνίον (hell. Lyrik), ἐρνώδης ‘sproßähnlich’ (Dsk., Gp.), ἐρνόομαι ‘hervorsprießen’ (Ph.); zwei H.-Glossen: ἔρνατις· ἀναδενδράς (vgl. Schwyzer 464) und ἔρνυτας· ἔρνη, βλαστήματα, κλάδοι, falsch für ἔρνυγας (Arist. Po. 1457b 35; nach πτέρυξ usw.; Schwyzer 498). — Bildung auf -νος (Schwyzer 512, Chantraine Formation 420) zu ὄρνυμι usw. mit ε-Stufe; vgl. dazu s. ἐρέθω, ἐρέας. Zur Bedeutung vgl. das synonyme ὄρμενος und das entfernt verwandte norw. run(n)a ‘Zweig’ von renna ‘rennen, emporschießen, wachsen’; s. auch zu τέρχνος. — Formal stimmt ἔρνος zu aind. árṇas- n. ‘Flut, Strom’. I-564-565

ἔρος m. ‘Liebe’ s. ἔραμαι. I-565

ἔροτις ‘Fest’ (äol. und kypr.); zum Gebrauch Bechtel Dial. 1, 119 und 447. — Vielleicht zu ἔρανος und ἑορτή, s. dd. I-565

ἕρπω, Aor. ἑρπύσαι (att.; vgl. ἑρπύζω unten), ἕρψαι (LXX), Fut. ἕρψω, auch ἑρπύσω, dor. ἑρψῶ, sehr oft mit Präfix, z. B. ἀν-, εἰσ-, ἐξ-, ἐφ-, προσ-,Als Vorderglied in ἑρπ-άκανθα = ἄκανθος (Ps.-Dsk.). ‘kriechen, schleichen, auf allen Vieren gehen’, poet. und dor. auch ‘gehen’ im allg. (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen: ἑρπετόν n. ‘Tier das auf allen Vieren kriecht, geht’ im Gegensatz zu Vögeln (πετεινά) und Menschen (ion. att. seit δ 418; äol. ὄρπετον mit Schwundstufe, vgl. unten; zur Bildung Schwyzer 502, Chantraine Formation 299); ἕρπης, -ητος m. ‘Hautgeschwür’ (Hp.; Schwyzer 499, Chantraine 267), ἑρπήν, -ῆνος m. ‘ds.’ (Ph.; nach λειχήν u. a.; auch ἑρπήνη EM) mit ἑρπηνώδης (Ph. u. a.); ἕρπηλα Art Krustentier (Ath.; Form unsicher); ἑρπηδών, -όνος f. ‘das Kriechen’ (Nik.; Chantraine 360f.); ἑρπηστής ‘kriechendes Getier, kriechend’ (Nik., AP; seltene und poetische Bildung wie τευχηστής u. a.; Chantraine 317); — ἕρπυλλος m. f. ‘Thymian’ (Kom. usw.; danach lat. serpullum) mit ἑρπύλλ-ιον, -άριον ‘ds.’ und ἑρπυλλίς ‘Heuschrecke’ (H.; vgl. Strömberg Wortstudien 17); unsicher ἑρπυξή (Dsk. 3, 69; nach πύξος?; Strömberg Pflanzennamen 111). — ἕρψις ‘das Kriechen’ (Pl., Arist.). — Eine poetische und expressive Erweiterung von ἕρπω ist ἑρπύζω ‘kriechen’ (ep. seit Il.; vgl. Schwyzer 736, Chantraine Gramm. hom. 1, 336), wozu der attische Aorist ἑρπύσαι (nach ἐρύσαι, ἑλκύσαι?); davon wiederum ἑρπυστικός (Hp., Arist.) und die vereinzelt und spät belegten ἕρπυσις, -υσμός, -υστήρ, -υστής, -υστάζω. — Zu ὅρπηξ ‘Sprößling, Zweig’ s. bes. — Das thematische Wurzelpräsens ἕρπω ist mit aind. sárpati ‘kriecht, schleicht, geht’, lat. serpō ‘krieche, schleiche’ unmittelbar identisch. Die Schwundstufe in äol. ὄρπετον findet sich in dem aind. thematischen Wurzelaorist -sr̥p-at wieder. Mehrere Sprachen haben von diesem Verb unabhängig voneinander Bezeichnungen der Schlange geschaffen: aind. sarpá- m., lat. serpens, alb. gjarpër. Die ursprüngliche Bedeutung war offenbar ‘kriechen, schleichen’; daraus entstand sekundär ein expressiv-volkstümlicher Ausdruck für ‘gehen’. — Zur Bedeutung und Verbreitung von ἕρπω Bloch Suppl. Verba 71ff. Weitere Einzelheiten bei WP. 2, 502, W.-Hofmann (m. Lit.) und Ernout-Meillet s. serpō. I-565-566

ἔρραος m. ‘Widder’ (Lyk. 1316), ‘Eber’ (Kall. Fr. 335). — Ohne Etymologie. I-566

ἐρρεντί Adv. unbekannter Bed. (Alk. 130); — vgl. Hdn. Gr. 1, 505, 7 ἀπὸ τοῦ ἔρρω ἢ ἐρρῶ περισπωμένου ἡ μετοχὴ ἐρρείς, ἐρρέντος ὡς παρὰ τὸ ἐθέλοντος ἐθελοντί. Ähnlich ἐρόντι· μάλα, λίαν, πάνυ H. — Brugmann IF 17, 11, Schwyzer 623. I-566

Ερρηφόρος s. ἀρρηφόρος und ἕρση. I-566

Ἔρρος · ὁ Ζεύς H. — Unklar. Nach Specht KZ 66, 200f. zu angebl. *u̯orsos in οὐρανός (s. d.); nach Fick KZ 43, 132 dagegen ‘der Taugott’, att. Mask. zu Ἕρση ‘Tauschwester’. — Hierher auch ‘Ερσαῖος· ἄκριος Ζεύς H. I-566

ἔρρω (seit Il.), lokr. Ipv. ϝερρέτω, el. Inf. (in imperat. Funktion) ϝάρρεν; außerpräsentische Formen, die alle vom Präsens ausgehen, sind selten: Fut. ἐρρήσω (h. Merc. 259, Kom.), Aor. ἤρρησα (Kom.), Perf. εἰσ-ήρρηκα (Ar. Th. 1075) ‘(weg)gehen, untergehen, dahinschwinden’, meistens perfektisch ‘fort sein, verloren sein’ (Schwyzer-Debrunner 274), gewöhnlich mit schlimmem Nebensinn des Unglücks, Verderbens, Mühevollen, vorw. im Ipv. und imperativischen Redewendungen, auch mit Präfix ἀν-, ἀπ-, εἰσ-, ἐξ-, περι-. — Expressiver Ausdruck der Volkssprache und der dichterischen Sprache, der Prosa im Ganzen fremd. Unerklärt. Die herkömmliche Zurückführung auf *ϝέρσι̯ω und Zusammenstellung mit lat. verrō ‘schleifen, fegen’, aksl. vrъchǫ, vrěšti ‘dreschen’ scheitert, von der Bedeutungsverschiedenheit abgesehen, an der gemeingriechischen, offenbar expressiven Geminata -ρρ-, die dabei unverständlich bleibt. Man hätte im Epos unbedingt -ρσ- erwartet; vgl. Wackernagel Unt. 1 A. 2. Alte Interjektion? I-566

ἕρσαι f. pl. ‘Jungtiere, kleine Lämmer’ (ι 222). — Wohl nur metonymisch = ἕρση ‘Tau’. Ebenso δρόσος bei A. und Kall. (s. s. v.), vgl. noch μητέρες ψακαλοῦχοι (S. Fr. 793) mit ψάκαλον (Ar. Byz.) von ψακάς ‘Staubregen, Tropfen’; Näheres bei Bechtel Lex. s. ἕρση. — Nach Leumann Hom. Wörter 258 A. 11 wäre δρόσος im Sinn von ‘Jungtier’ bei A. und Kall. durch Imitation von ι 222 entstanden und ἕρσαι ‘Jungtiere’ ein Homonym zu ἕρση ‘Tau’. I-566

ἕρση ep. poet. ἐέρση, dor. ἕρσᾱ, Pi. N. 3, 78 ἔερσᾰ (dazu Solmsen Wortforsch. 240 A. 1); im Anlaut abweichend ἄερσαν· τὴν δρόσον. Κρῆτες H., ἀέρσην (PLit. Lond. 60 [hell.]) f. ‘Tau’, pl. ‘Tautropfen’ (ep. poet. seit Il.). Als Hinterglied vielleicht in Λιτυέρσης, s. d. Abl. ἑρσήεις, ἐερσήεις ‘tauig’ (Il., AP), ἑρσαῖα· ἐαρινά, νέα, ἁπαλά, δροσώδη; ἐρρήεντα· δροσώδη, καταψυκτικά H. mit att. -ρρ- gegenüber dem hieratischen Ionismus in Ἕρση als Name der Kekropstochter; ἑρσώδης ‘ds.’ (Thphr.). — Unklar ist ’Ερρηφόροι, nach H. οἱ τῇ Ἕρσῃ ἐπιτελοῦντες τὰ νομιζόμενα, mit ἐρρηφορέω; auch ἐρσηφόροι, -ρία neben ἀρρη-φόροι; s. d. m. Lit., dazu Nilsson Gr. Rel. 1, 441. Neben ἕρση aus *ϝέρση, mit prothetischem Vokal ἐ(ϝ)έρση, auch ἀέρση (vgl. Solmsen Unt. 261), stehen aind. varṣám n. ‘Regen’ und várṣati ‘es regnet’, idg. *u̯érseti. Dazu das iterativ-intensive *u̯orseíō > gr. οὐρέω ‘harnen’ (euphemistisch) mit dem postverbalen οὖρον; s. auch οὐρανός. Sowohl wegen des Akzents wie wegen des ε-Vokals kann ἕρση nicht Verbalnomen sein (man hätte *οὐρά aus *u̯orsā erwartet); es steht vielmehr neben dem Verb als kollektive Ableitung eines neutralen Nomens *u̯er-os-, u̯er-s- mit weiterem Anschluß an aind. vā́r(i) n. ‘Wasser’ usw. und weiteren Verwandten in z. B. mir. frass ‘Regen’, aind. vŕ̥ṣan- ‘männlich, Männchen, Stier, Hengst’; WP. 1, 268 m. Lit. I-566-567

ἔρσην (ion. lesb. kret. usw.) ‘männlich’ s. ἄρσην. I-567

ἐρυγγάνω, ἐρυγεῖν, ἐρυγή usw. s. 1. und 2. ἐρεύγομαι. I-567

ἐρυθρός Myk. e-ru-to-ro, e-ru-ta-ra. ‘rot’ (seit Il.). Auch in Kompp. wie ἐρυθρό-πους ‘mit roten Füßen’ Vogelname (Ar.) usw.; ἐξ-έρυθρος ‘rötlich’ als Krankheitssymptom, ‘abnorm rot’ (Hp., Arist., Thphr. usw.; Strömberg Prefix Studies 67f.), λευκ-έρυθρος ‘weißrot, blaßrot’ (Arist. u. a.; Risch IF 59, 60). Mehrere Ableitungen: ἐρυθρίας m. "der Rote", Beiname nach der roten Farbe (Arist., Pap.; vgl. ὠχρίας usw. und Chantraine Formation 93, Schwyzer-Debrunner 18); ἐρυθρῖνος, auch mit Dissimilation (oder nach ἐρυθαίνομαι, s. unten) ἐρυθῖνος N. eines Fisches (Arist. usw.; Strömberg Fischnamen 21); ’Ερυθῖνοι pl. N. einer Stadt (Β 855; vgl. ’Ερυθραί unten); ἐρυθρόδανον, -ος Pflanze (Dsk. u. a.), auch ἐρευθέδανον, s. ἐρεύθω; ἐρυθραῖος = ἐρυθρός (D. P.); ἐρυθρότης ‘rote Farbe’ (Gal. u. a.). — Pl. f. ’Ερυθραί Stadt Ioniens (Hdt. usw.; von der dunkel-rötlichen Farbe der innerhalb des Stadtbezirkes anstehenden Trachytfelsen) mit ’Ερυθραϊκὸν σατύριον Pflanzenname (Dsk., Plin.), auch ἐρυθρόνιον (Ps.-Dsk.; nach ’Ιόνιον und anderen Nomina auf -όνιον); ’Ερυθραϊκός auch von ἡΕρυθρά (θάλασσα; Beiwort von κυβερήτης, Inschr. Ip). — Denominative Verba. 1. ἐρυθριάω ‘erröten’ (att. usw.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω; Schwyzer 732) mit ἐρυθρίασις, -ησις (Hp., H.); 2. ἐρυθραίνομαι, -ω ‘rot werden, rot färben’ (X., Arist., Thphr. u. a.). — Daneben ἐρυθαίνομαι, -ω, Aor. ἐρύθηνα ‘ds.’ (ep. poet. seit Il., späte Prosa) mit ἐρύθημα ‘Errötung, Röte’ (Hp., Th., E. usw.); vgl. unten. — Altes Farbenadjektiv, in mehreren Sprachen erhalten: lat. rŭber, r.-ksl. rьdьrъ (vgl. Vasmer Russ. et. Wb. s. rëdryĭ), toch. A. rtär, B. rätre, aind. rudhirá- (nach rudhi- in rudhikrā́- Dämonenname umgebildet); dazu die Ableitung awno. rođra f. ‘Blut’. — Andere Sprachen weichen in der Stammbildung ab. Awno. rjōđr, ags. rēod haben im Unterschied von der Mehrzahl der germanischen Formen (s. unten) denselben Vokal wie die entsprechenden primären Verba rjōđa, bzw. rēodan (= ἐρεύθω, s. d.) und unterliegen deshalb dem Verdacht, sekundär zu sein; eine Grundform idg. *reudhós stimmt andererseits zu λευκός (neben λεύσσω). Ein alter eu-Diphthong kann an sich auch vorliegen in lit. raũdas, lat. (dial.) rūfus, rōbus, kelt., z. B. air. rūad, aind. lohá- ‘rötlich’ m. n. ‘rötliches Metall, Kupfer, Eisen’. Die genannten Formen können indessen auch idg. *roudhos fortsetzen, das von der Mehrzahl der germanischen Formen, got. rauþs, ano. rauđr, ags. rēad, ahd. rōt, gefordert wird und dadurch an Wahrscheinlichkeit gewinnt. — Das alte Denominativum ἐρυθαίνομαι läßt zusammen mit ἐρυθρός und Verw. auf einen ursprünglichen r-n-Stamm *rudh-r-, *rudh-n- schließen. Neben diesem Nomen waren teils ein neutraler s-Stamm *réudhos (= ἔρευθος), teils ein primäres Verb *réudhō (= ἐρεύθω) in alter Zeit vorhanden; hinzu kommt der o-Stamm mit erwartetem o-Vokal der Stammsilbe in *roudhos. Dieser muß am ehesten substantivische Funktion gehabt haben (‘rote Farbe, Röte’), vgl. z. B. lat. lūcus aus idg. *louqos neben λευκός (s. d.). Über das chronologische Verhältnis dieser Bildungen lassen die vorhandenen Formen keine sicheren Schlüsse zu; nur muß das Adjektiv *rudhrós uralt sein. Weitere Formen mit Lit. bei WP. 2, 358f., Pok. 872f., W.-Hofmann s. ruber, Ernout-Meillet s. rubeō; dazu noch Porzig Gliederung 194f., Schwentner KZ 73, 110ff. — S. auch ἐρεύθω und ἐρυσίβη. I-567-568

ἐρύ̄κω, Aor. ἐρῦξαι, ep. auch ἠρύκακον, ἐρυκακέειν (Schwyzer 648 und 749, Chantraine Gramm. hom. 1, 398), auch mit Präfix, insbes. ἀπ-, κατ-, ‘zurückhalten, abhalten’ (vorw. poet. seit Il.). Davon κατερυκτικός ‘zurückhaltend’ (Pap.). — Erweiterte Präsentia ἐρυκάνω, -ανάω (Schwyzer 740, Chantraine Gramm. hom. 1, 316 und 360). — Erweiterung auf -κ- wie ὀλέ-κω, διώ-κω u. a. (Schwyzer 702 m. A. 5 und Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 329), eher von ἔρυμαι, ἐρύομαι ‘zurückhalten, abwehren’ als von ἐρύω ‘ziehen’. I-568

ἔρυμαι (ἔρυσθαι, ἔρῡ-το, -σο), ἐρύομαι (ἐρύεσθαι, ἐούετο), auch ῥύομαι, Inf. ῥῦσθαι, Aor. ἐρύσ(σ)ασθαι, ῥύσασθαι, Fut. ἐρύσσομαι, ῥύσομαι; daneben mit anlaut. εἰ-: εἴρῡτο, εἰρῠ́-αται, -ατο, -ντο, vielleicht reduplizierte Perfekta mit Präsensbedeutung (Inf. εἴρυσθαι); davon bzw. durch metrische Dehnung εἰρύσσασθαι, εἰρύσσονται, εἰρύομαι; vgl. auch unten; Aor. Pass. ἐρρύσθην (Ev. Luk. 1, 74, 2. Ep. Ti. 4, 17, Hld. 10, 7) ‘abwehren, schützen, retten’ (ep. ion. poet. seit Il.). Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 681 m. A. 1, Chantraine Gramm. hom. 1, 294f., Bechtel Lex. s. v. Als Vorderglied: 1. ἐρυ- in ’Ερύ-λαος, ’Ερύ-μας, -μηλος (auch Εὐρυ-, entweder nach εὐρύς oder aus ϝερυ- umgestellt, evtl. Vokalprothese ἐ-ϝρυ-; s. unten und vgl. Specht KZ 59, 36f.); ἐρῠσι- in ἐρυσίπτολις ‘stadtschirmend’ (Ζ 305 u. a.), ’Ερυσί-χθων (s. d.); äol. Εὐρυσί-λαος (vgl. oben). 2. ῥῡσί- z. B. in ῥῡσί-πολις (A. Th. 129 [lyr.] u. a.). Ableitungen. 1. ἔρῠμα n. ‘Abwehr, Schutz, Schutzwehr’ (seit Il.), Deminutivum ἐρυμάτιον (Luk.); davon ἐρυμν-ός ‘zur Abwehr, zum Schutz dienend, befestigt, geschützt’ (ion. att.) mit ἐρυμνότης ‘Abwehrkraft, Stärke’ (X., Arist., Plb.), ἐρυμνόω ‘befestigen’ (Agath.). 2. ἐρυσμός ‘Abwehr, Schutzmittel’ (h. Cer. 230). 3. ἐρῠ́σιμον (εἰ- metr. Dehnung) N. einer Senfart (Thphr., Nik., Dsk. u. a.), wegen ihrer Heilwirkungen (Strömberg Pflanzennamen 81); von *ἔρῠ-σις oder direkt vom Verb, vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 20. 4. ῥῦ̄τήρ m. ‘Beschützer, Bewacher’ (ρ 187, 223 u. a.), ῥύ̄τωρ ‘ds.’ (A. Th. 318 [lyr.], AP); Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 33 und 36. 5. ῥύ̄σιος ‘befreiend, rettend’ (A. Supp. 150 [lyr.], AP), nach den Adj. auf -σιος (Chantraine Formation 41) oder von ῥῦσις ‘Rettung’ (Epigr. Gr. 200 [Kos], LXX). 6. ῥῦμα ‘Schutz’ (Hp., Trag.). — Für die Ansetzung eines urspr. *ϝέρυ-μαι sprechen ganz besonders die aind. Nomina varū-tár- m. ‘Schützer, Schirmer’, várū-tha- n. ‘ Schutz, Schirm’ (wozu noch vr̥ṇóti ‘wehren’, germ., z. B. got. warjanwehren’ usw.; s. WP. 1, 280ff. m. Lit.). Gewisse Bedenken erweckt das fast völlige Fehlen jeder Spur des Digammas im Homertext; Versuch, diese Schwierigkeit zu beheben, bei Solmsen Unt. 245ff. Wir hätten somit zwei Ablautstufen anzusetzen, ϝερυ- und ϝρῡ-, letzteres sicher in εἴρῡται aus *ϝέ-ϝρῡ-ται usw. (vgl. oben), aber sonst mit ungewisser Verteilung. Besonders für das allgemeine ionische Präsens εἰρύομαι, vielleicht auch für Εὐρυσί-λαος, ist daneben mit Vokalprothese, ἐ-ϝερυ-, ἐ-ϝρυ- zu rechnen, s. Solmsen a. a. O. — Gegen Verbindung mit lat. servāre Solmsen a. a. O., wo auch Lit. I-568-569

ἐρυσί̄βη f. ‘Rost bei Pflanzen’ (Pl., X., Arist., Thphr. usw.; Orph. L. 600). Davon ἐρυσιβώδης ‘von Rost angegriffen’ (Arist., Thphr.), ἐρυσίβιος Beiname des Apollon in Rhodos (Str.). Denominative Verba ἐρυσιβάω, -όομαι ‘von Rost leiden’, auch faktitiv -όω (Thphr.). — Sehr fraglich ist ἐρυθίβη (Str. 13, 613), s. Solmsen KZ 38, 442 A. 1. Volkstümliches Wort mit β-Suffix (Chantraine Formation 260ff.); im Einzelnen unklar. Der Stamm ἐρυσι- erscheint auch als Vorderglied in ἐρυσίπελας (s. d.) und im Pflanzennamen ἐρυσί-σκηπτρον (Thphr., Dsk.); er erinnert dadurch an die verbalen Vorderglieder vom Typus τερψίμβροτος (Schwyzer 443). Darin kann aber auch eine alte s-Erweiterung des Wortes für ‘rot’ stecken (s. ἐρυθρός, ἐρεύθω), die auch in lat. russus, lit. raũsvas ‘rot’, aksl. rusъ ‘rötlich blond’, germ., z. B. ahd. rostRost’, khotansak. rrusta ‘rot’ u. a. vorliegt; idg. *reudh-s- (roudh-s-, rudh-s-) mag mit dem s-Stamm in ἔρευθος in Verbindung stehen. I-569-570

ἐρύσιμον N. einer Senfart. S. ἔρυμαι. I-570

ἐρυσίπελας, -τος oft im Plur. n., N. einer Hautkrankheit, ‘Erysipelas, Rose, Rotlauf’ mit -ατώδης (Hp., Gal. usw.). — Medizinischer Fachausdruck von eigenartiger Bildung; offenbar ein gelehrtes Kompositum. Das Vorderglied begegnet auch in dem Pflanzennamen ἐρυσί-σκηπτρον (Thphr. u. a.) und in ἐρυσί̄βη ‘Rost’ (s. d.); es gehört somit letzten Endes zu ἐρυθρός und Verw.; ein Wort πέλας ist sonst nicht belegt, vgl. indessen zu πέλμα. Eig. "das die Haut Rötende"? (Schwyzer 443 A. 5). I-570

Ερυσίχθων, -ονος m. 1. Thessalier, S. des Myrmidon oder Triopas, wegen seiner Verwüstung eines der Demeter geweihten Haines von der Göttin mit einem unersättlichen Hunger bestraft (Hellanik. ap. Ath. 416b, Kall. Cer. 33ff.); von Strat. Kom. 1, 19 (Ath. 382d) travestierend als Benennung eines Tieres, vermutlich eines Schweins (eines Ochsen?) verwendet, sei es wegen seiner Gefräßigkeit oder wegen seiner Zerstörungssucht. 2. Athener, S. des Kekrops und der Agraulos (Pl. Kriti. 111a). — Zur Bildung vgl. ἐρυσί-πτολις ‘stadtschirmend’ (Ζ 305 u. a.). Eine spätere Zeit, die den Namen mit den Taten seines Trägers in besseren Einklang bringen wollte, hat daraus, mit Beziehung auf ἐρύω ‘ziehen, reißen’, einen "Erdreißer" gemacht, eine Benennung, die sich mit der Ausrodung des Haines leidlich zu vertragen schien; ’Ερυσίχθων wird demnach von Lykophr. 1396 mit γατομῶν umschrieben. — An diese Deutung anknüpfend hat Schulze Q. 318 (s. auch KZ 55, 112 A. 2) ἐρυσίχθων als "die Erde aufwühlend" mit lat. ruō ‘wühlen, scharren’, aksl. rъvǫ ‘ausreißen’ usw. (WP. 2, 351f., Pok. 868) verbunden (dazu noch ῥυτοῖσι λάεσσι [Od.], das indessen sicher zu ἐρύω ‘ziehen’ gehört; s. d.); diese Kombination muß bei der oben gegebenen Deutung der Straton-Stelle, auf die sie sich vor allem stützt, als hinfällig betrachtet werden. — Vgl. v. Wilamowitz Hellen. Dichtung 2, 40f. I-570-571

ἐρύω, -ομαι (εἰ- Hdt., Hp.), Inf. εἰρύμεναι (Hes. Op. 818, Versanfang; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 294), Aor. ἐρύσ(σ)αι, -ασθαι (auch εἰ- Hdt., Hp.), Pass. ἐρυσθῆναι, εἰ- (Hp.), dor. Ipv. ϝερυσάτω (Delphi IVa; nicht sicher), Fut. ἐρύω, -ομαι (Hom.), ἐρύσω (Opp.), ἐρύσσω, -ομαι (Orph., Nonn.; als v. l. Φ 176), Perf. Pass. εἴρῡμαι, εἰρῠ́αται, ‘ziehen, reißen, an sich ziehen’ (ep. ion. poet. seit Il.). Einzelheiten bei Schwyzer 681, 780, Chantraine Gramm. hom. 1, 30, 136f. usw., Solmsen Unt. 244f., Bechtel Lex s. v. auch mit Präfix ἀν- (ἀϝ-), ἐξ-, κατ-, προ- usw. — Als Vorderglied in ἐρῠσ-άρματες (ἵπποι) ‘wagenziehend’ (Hom.); zur Bildung Sommer Nominalkomp. 1 1f. Ableitungen. Vereinzelt ἐρυ-: ἔρῠ-σις ‘das Ziehen’ (Max. Tyr.), ἐρῠ-τήρ ‘der Zieher’ (Nik.), ἐρυ-σ-τός (S.). Daneben mehrere alte Wörter mit konkreten Bedeutungen, alle von ῥῡ- (ρῠ-): 1. ῥῡ-τήρ m. ‘Zügel, Seil’ (seit Il.), auch ‘Bogenspanner, Schütze’ (Od.); 2. ῥύ̄-τωρ ‘Bogenspanner’ (Ar. Th. 108 [lyr.]); 3. ῥῡ-μός m. ‘Zug(holz), Deichsel usw.’ (seit Il.); 4. ῥῦ-μα ‘Zug, Zugseil’ (A., X., Plb. u. a.); 5. ῥύ̄-μη ‘Zug, Andrang, Wucht’ (Hp., att. usw.); 6. ῥῡ-τός ‘herbeigeschleift’ (ῥυτοῖσι λάεσσι ζ 267; ξ 10), ῥῡ-τά n. pl. ‘Zügel’ (Hes. Sc. 308); davon mit ιο-Suffix ῥύσιον, dor. ῥύτιον *‘das Weggeschleppte’, d. h. ‘Pfand, Vergeltung’ (seit Il.); 7. ῥῠτίς ‘Falte, Runzel’, ῥῡσός ‘runzelig’ s. bes. — Expressive Erweiterung (Schwyzer 706) : ῥυστάζω ‘hin- und herschleifen, mißhandeln’ (Hom.) mit ῥυστακτύ̄ς (σ 224), ῥύσταγμα (Lyk. 1089). Das primäre (ϝ)ερύω, *ϝέ-ϝρῡ-μαι > εἴρῡμαι, woneben vielleicht mit Vokalprothese *ἐ-ϝερύομαι > εἰρύομαι (vgl. die Lit. oben; zum Digamma besonders ep. (äol.) αὐερύω = ἀϝ-ϝερύω < ἀν-ϝερύω, βρυτῆρες = ῥυτῆρες [A. D.]), hat, obwohl ohne Zweifel alt, keine sichere außergriechische Entsprechung. — Über das mehrdeutige lat. rū̆dēns ‘Schiffseil’ s. W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. v.; außerdem die sehr unsicheren Kombinationen bei WP. 1, 292f. I-571

ἔρφος n. ‘Haut’ (Nik. Al. 248, Th. 376). — Reimwort zu dem besser belegten στέρφος ‘ds.’ (A. R., Nik. usw.) und zu τέρφος (Nik.); sonst unklar. Eine fragwürdige Vermutung von H. Petersson wird bei WP. 1, 291 notiert. — Ob Kreuzung von στέρφος und ἔριον? Ähnlich Güntert Reimwortbildungen 139f.: ἔρφος jüngere Umbildung bzw. Angleichung von (σ)τέρφος an *ἔρεφος von ἐρέφω ‘überdachen’. I-571

ἔρχατος · φραγμός H. Daneben ἕρκατος· φραγμός, ἑρκάτη· φυλακή. — Kontaminationen aus ἕρκος ‘Gehege’ und ὄρχατος ‘Baumgarten’, evtl. mit Angleichung an ἐρχατόωντο (ξ 15), das zu εἴργω gehört; s. d. m. Lit. — Nach Fraenkel KZ 72, 193ff. zu lit. sérgėti ‘behüten, bewachen’. I-572

ἔρχομαι nur Präsensstamm, sehr oft mit determinierendem Präfix ἀπ-, εἰσ-, ἐξ-, κατ- usw. ‘kommen’, auch ‘gehen, wandern’ (seit Il.). — Nach aller Wahrscheinlichkeit zu ἐρ- ὀρ- in ὄρνυμι (s. auch ἐρέθω) aber ohne sichere außergriechische Entsprechung. Als Präsensformans erscheint -χ- auch in τρύ-χ-ω, στενά-χ-ω, wohl auch postkonsonantisch in σπέρχομαι. Als außergriechischer Verwandter wird (von G. Meyer Wb. 96 u. a.) alb. erdha ‘ich kam’ herangezogen, obwohl schon die präteritale Funktion Bedenken erregt; auch lautlich ist der Vergleich anfechtbar (Pedersen KZ 36, 335; 37, 243). Ebenso unsicher bleiben die Vergleiche mit den mehrdeutigen air. Ipv. eirg ‘geh!’ Fut. regaid ‘er wird gehen’ (Sarauw KZ 38, 160) und mit aind. r̥ghāyáti ‘beben, tosen, stürmen’, zu denen sich dann auch das iterative ὀρχέομαι ‘tanzen’ gesellt (Persson Stud. 25, 236 A. 1). Die Zusammenstellung mit aind. r̥ccháti ‘auf etwas stoßen, erreichen’ (seit Fick 13, 20), wozu noch heth. ar-šk- iter. ‘wiederholt gelangen, Einfälle machen’, toch. A ar-s- B er-s- kaus. ‘hervorbringen’, setzt voraus, daß ἔρχομαι für *ἔρ-σκ-ομαι stehen kann (vgl. zum Lautlichen Schwyzer 335f.). — Kritik bei Meillet MSL 23, 249ff., der von idg. ser- in aind. sí-sar-ti ‘fließen, eilen’ (s. ὁρμή) ausgeht und auch ἕρπω einbeziehen will; daselbst auch eine unsichere Hypothese über den Aspekt ("valeur déterminée"). Noch anders McKenzie Class. Quart. 15, 44ff.: zu ἄρχω (mit Autenrieth). Ausführliche Lit. bei Bq s. v. und WP. 1, 137; s. auch Pok. 328 und Schwyzer 702 A. 6. — Eine parallele Bildung ist arm. ert‘am ‘gehe, komme’, ebenfalls nur Präsens (Prät. č̣ogay, zu σεύομαι). I-572

ἐρῳδιός (nach Hdn. Gr. 2, 924 und gew. Hss.); ‘Reiher’ (seit Κ 274) sonst (Hss. und Pap.) ἐρωδιός; auch ῥωδιώς (Hippon. 63) und ἀρωδιός (LXX als v. l.). Wertlos dagegen ++ἐρωγάς· ἐρωδιός H. m. — Ausgang wie in αἰγωλιὸς, αἰγυπιός, χαραδριός und anderen Vogelnamen. Die Ähnlichkeit mit lat. ardea ‘Reiher’ kann nicht zufällig sein; zum Vergleich bietet sich außerdem serb. róda ‘Storch’; sehr fraglich dagegen anord. arta ‘Kriekente’. Dann muß die Schreibung mit ι adscriptum sekundär sein (nach den Nomina auf -ίδιος mit Anschluß an ἔρως, ἐρωή? Solmsen Unt. 75f.); zum Wegfall des Anlautvokals in ῥωδιός Strömberg Wortstudien 44. — Die ursprüngliche Form des Namens läßt sich im Detail nicht konstruieren, da überall mit volkstümlichen Umbildungen zu rechnen ist; man hat einen ablautenden Konsonantstamm *(a)rōd-, (a)rəd- o. dgl. anzunehmen. WP. 1, 146f., Pok. 68. I-572-573

ἐρωή f. 1. ‘Schwung, Andrang, Wurf, Gewalt’, in d. Il. gewöhnlich von Speeren (δουρός, βελέων ἐ.), auch von Männern (ἀνδρός, λικμητῆρος, Πηνελέοιο), nachhom. von anderen Gegenständen (πετράων A. R. 4, 1657, πυρός AP 9, 490, γαστρός Opp. K. 3, 175, περὶ Κύπριν AP 10, 112). 2. ‘Nachlassen, Rast, Ruhe’, in d. Il. vom Kampf (πολέμου Π 302, Ρ 761), ebenso Theok. 22, 192 (μάχης), auch δακρύων (Mosch. 4, 40) und absolut ‘Rettung’ (D. P. 601). Daneben ἐρωέω,Aor. ἐρωῆσαι 1. intr. ‘zurückweichen vor, zurückbleiben, nachlassen, ausruhen’, auch mit ἀπ-, ἐξ-, ὑπ-, gewöhnlich mit ablat. Gen. πολέμοιο, χάρμης (Il.), καμάτοιο (h. Cer. 301) u. a., auch absol. ‘einer Krankheit entgehen’ (Nik.); 2. trans. ‘zurückstoßen, wegdrängen, hemmen’ (Ν 57, Theok., Kall. u. a.), auch ‘verlassen’ (Theok.); außerdem vom Blut αἶμα κελαινὸν ἐρωήσει περὶ δουρί (Α 303 = π 441), mit ‘fließen, strömen’ übersetzt. — Von ἐρωέω : ἐρωΐα f. ‘Aufschub, Frist’ (Theok. 30, 9); von ἀπερωέω : ἀπερωεύς ‘Verhinderer, Vereitler’ (ἐμῶν μενέων Θ 361; anders Boßhardt Die Nomina auf -ευς 29). Seit Fick KZ 22, 375 werden zwei Homonyme auseinandergehalten. 1. ἐρωή ‘Schwung usw.’ mit ἐρωέω ‘fließen, strömen’ (Α 303 = π 441) aus idg. *rōs-ā́ zu germ., mndd. rās n. ‘heftige Strömung’, ags. rǣs m. ‘Lauf, Anfall’, anord. rās f. ‘Lauf’, idg. *rēs-o-, -; anord. rasa ‘einstürzen’ mit ras n. ‘Einsturz’, nhd. rasen, idg. *rəs-; dazu noch nach Persson KZ 48, 132f. lat. rōrāriī pl. ‘leicht bewaffnete Plänkler, die mit Schleudern den Kampf einleiteten’ von *rōsā ‘Schwung, Wurf’ = ἐρωή. — 2. ἐρωή ‘Rast, Ruhe’ mit ἐρωέω ‘nachlassen, ausruhen usw.’ aus idg. *rōu̯ā́ = germ., ahd. ruowa, ags. row, anord. rō f. ‘Ruhe’; daneben ahd. rāwa ‘ds.’, idg. *rēu̯ā; weitere, z. T. sehr anfechtbare Anknüpfungen bei WP. 1, 149ff. bzw. 1, 144, Pok. 336, 338. — Diese Gruppierung bedarf einer erneuten Prüfung; zu beachten ist dabei, daß das Nomen ἐρωή ‘Schwung usw.’ und das Verb ἐρωέω ‘zurückweichen usw.’ an Häufigkeit ἐρωή ‘Ruhe’ und ganz besonders ἐρωέω ‘strömen (?)’ weit übertreffen. Es ist auch zu erwägen, ob nicht ἐρωέω ein intensives Deverbativum wie z. B. ὠθέω (Schwyzer 720) sein kann mit der Möglichkeit, ἐρωή teilweise als Rückbildung aufzufassen. — Abzulehnen Boßhardt a. a. O.: ἐρωή ‘das Abhalten’ zu ἐρύκω, ἐρύω, ἐρύομαι und zu ἐρητύω. I-573

ἔρως s. ἔραμαι. I-573

ἐρωτάω, ep. ion. εἰρωτάω (seit Od.), nachhom. auch außerpräsentische Formen ἐρωτήσω, ἐρωτῆσαι usw. ‘fragen, ausfragen’, hell. und spät auch ‘bitten’. Auch mit Präfix, insbes. ἐπ-. Zum Gebrauch usw. Fournier Les verbes "dire" (s. Index). Davon ἐρώτημα (ἐπ-) ‘Frage, Anfrage’ (ion. att.) mit ἐρωτημα-τικός (D. T. u. a.) und -τίζω (Arist.); ἐρώτησις (ἐπ-) ‘Befragung’ (ion. att.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 126); ἐρωτητικός ‘im Ausfragen geschickt, auf das Ausfragen bezüglich’ (Pl., Arist.); ἀν-ερωτίζω (Telekl. 52). — Das Präsens ἐρωτάω, εἰρωτάω aus *ἐρϝωτάω, das namentlich im Attischen für das primäre (ion.) εἴρομαι (s. d.) aus *ἔρϝ-ομαι eingetreten ist, stellt eine Erweiterung auf -τ- vom Grundwort auf; die Herkunft des -ω- bleibt allerdings dabei dunkel. Zum Typus im allg. vgl. zu ἀρτάω und Schwyzer 705f. m. Lit. — Andere sekundäre Präsentia sind ἐρεείνω und ἐρευνάω, s. dd. I-574

ἐς Präp. s. εἰς. I-574

ἐσθής, ἔσθος ‘Kleid’ s. ἕννυμι. I-574

ἐσθίω, ἔσθω ‘essen’ s. ἔδω. I-574

ἐσθλός, äol. Pi. ἔσλος, ἐσλός, ark. ἑσλός ‘tüchtig, brav, edel’ von Menschen und Sachen (poet. s. Il.). Als Vorderglied in ἐσθλο-δότης (Man.), Ableitung ἐσθλότης (Chrysipp.). — Nicht sicher erklärt. Nach Brugmann K. vergl. Gr. 201, 522, Grundr. 22 : 3, 128; 374, Benveniste Origines 191 zu aind. édhate ‘gedeiht’ (aus *azdh-, aw. azd-ya- ‘wohlgenährt, kräftig’; idg. *es-dh-) mit weiterer Beziehung zu ἐύ̄ς (s. d.). Schwyzer 533 A. 5 zieht vor, darin ein Kompositum *es-dhl-- ‘ἀγαθοεργός’ zu sehen, von ἐσ- in ἐΰς und einer schwundstufigen Variante von aksl. dělo ‘Tat’ (idg. *dhē-lo-; s. τίθημι). Wieder anders Specht Ursprung 256, Pisani Ist. Lomb. 77, 550 (s. Glotta 35, 62). I-574

ἔσκον hom., ἦσκε Alkm. ‘war’, — aus *ἔσ-σκον, Iterativpräteritum zu εἰμί mit demselben Suffix wie in alat. escit, escunt ‘erit, erunt’. Schwyzer 708. — Sehr unsicher thrak. ησκο ‘bin?’ (Kretschmer Glotta 7, 89). Fern bleiben toch. B skente ‘sie sind’ (Pedersen Tocharisch 194 A. 1) und pāli acchati ‘bleibt, befindet sich’ (Turner BSOS 8, 795ff.). I-574

ἕσμα n. ‘Fruchtstiel’ (Arist.). — Aus *ἕδ-σμα, Verbalnomen von ἕζομαι ‘sitzen’ mit σμ-Suffix (Schwyzer 523f.). Vgl. zu ὄζος ‘Ast’. I-574

ἑσμός m. ‘Bienenschwarm, Schwarm’ (ion. att.). Als Vorderglied z. B. in ἑσμο-τόκος ‘Bienenschwärme gebärend’ (AP). Davon ἕσμιον· νόστιμον H. — Auch ἀφεσμός ‘ds.’ (Arist. HA 629a 9) durch Kreuzung mit ἄφεσις ‘ds.’ (Arist. HA 625a 20; pl.). — Von ἵημι, bzw. ἀφ-ίημι mit σμο-Suffix. Schwyzer 493 m. A. 5 und Lit., Brugmann IF 28, 354f. I-574-575

ἕσπερος m. ‘Abend’ (ep. poet. seit Od.), Adj. ‘abendlich, westlich’, auch substant. ‘Abendstern’ (poet. seit Il., hell. u. spät); ἑσπέρα, ion. -ρη f. ‘Abend, Westen’ (Pi., ion. att., wie ἡμέρα). Als Hinterglied in ἐφέσπερος ‘westlich’ (S. OC 1059 [lyr.]), ἀκρ-έσπερος ‘am äußersten Abend, bei einbrechender Nacht’ (Arist., Theok., Hp. usw., -ιος AP), ποθ-έσπερα Adv. (Theok.), προσ-εσπέριος (seit Arist.) u. a. Ableitungen: ἑσπέριος ‘abendlich, westlich’ (vorw. poet. seit Φ 560, sp. Prosa), subst. ‘Εσπερία ‘Westen, Hesperien’ (Agathyll. ap. D. H. 1, 49), ϝεσπάριοι Ben. der westlichen Lokrer (Va), f. ἑσπερίς, insbes. im Plur. als EN ‘die Hesperiden’ (Hes. usw.); später ἑσπερινός ‘ds.’ (X., LXX usw., Schwyzer 490 m. Lit.); ἑσπερικός ‘ds.’ (Juba), ἑσπερίτης, -ῖτις (χώρα; D. L.; Redard Les noms grecs en -της 112). — Denominatives Verb ἑσπερίζω ‘den Abend verbringen’ (Doroth.; ngr. σπερίζω, vgl. Kretschmer Glotta 11, 247 m. Lit.) mit ἑσπέρισμα (Lex. ap. Ath. 1, 11 d). — Erbwort, mit lat. vesper, - ‘Abend’ identisch. Neben idg. *u̯esper-o-s stehen lit. vãkaras, aksl. večerъ ‘Abend’ aus *ueqeros. Ähnliche Wörter für ‘Abend’ begegnen im Keltischen, z. B. kymr. ucher, und in arm. gišer. Über die mehrfachen Versuche, diese Formen miteinander in Einklang zu bringen, s. W.-Hofmann s. vesper. — Nach Havers Sprachtabu 125 war der Wechsel tabuistisch (?); ähnlich Specht Ursprung 13f. I-575

ἔσπετε Ipv. pl. — von ἐν(ν)έπω s. d. I-575

ἐσσήν, -ῆνος m. Ben. des Artemispriesters in Ephesos (Inschr. IV-IIIa, Paus.), auch ‘Fürst, König’ (Kall.); nach Hdn. Gr. 2, 923, 8 = οἰκιστής, nach EM 383, 30 eig. ‘Bienenkönig, Weisel’. — Zur Verbreitung usw. Erika Kretschmer Glotta 18, 88. Davon ἐσσηνία, ἐσσηνεύω (Inschr. Ephesos). Bildung auf -ήν wie βαλ(λ)ήν ‘König’, κηφήν ‘Drohne’ usw. (Schwyzer 487, Chantraine Formation 167f.). — Wahrscheinlich kleinasiatisch mit Solmsen Wortforsch. 138ff., dessen hypothetische Erklärung aus dem Phrygischen (zu aind. sáhate ‘bewältigt usw.’) allerdings auf sehr schwachen Füßen steht. Für vorgriechische Herkunft auch Oikonomos ’Αρχ. Δελτ. 7, 258ff. (dazu Kretschmer Glotta 16, 194; Wahrmann ebd. 19, 221); ebenso Schwyzer 316 und Chantraine a. a. O. — Indog. Etymologien von Ehrlich KZ 42, 316 A. 1, Persson Beitr. 1, 358ff. (s. Bq s. v. mit Add. et corr.), Pisani Stud. itfilclass. 12, 304ff. (dagegen Leumann Glotta 27, 73). I-575

ἔστε (ion., süddor., ätol., auch Trag. und X.), böot. ἔττε, lokr. ἔντε, delph. hέντε (auch εἴστε Mitte IVa), dor. ἕστε (EM 382, 8; v. l. bei Theok.) ‘bis’, später auch ‘solange’ Konj., Adv., Präp. (seit Hes. Th. 754; nicht ganz sicher). — Zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 675f. — Aus *ἐν(σ)-τε, aber nähere Erklärung strittig; s. Schwyzer 629f. mit kritischem Referat der verschiedenen Ansichten; dazu Wackernagel KZ 67, 5 (Nachlaß), der auf dieselbe Funktion des enklitischen idg. *-qe in dōnec u. a. hinweist. I-575-576

ἑστία (att., auch Pi., delph. u. a.), ion. ἱστίη, äok. böot. lokr. dor. ark. ἱστία f. ‘Herd, Feuerstätte, Altar’, übertr. ‘Haus, Familie usw.’ (seit Od.), auch mit Ansätzen einer Personifikation als Göttin des Herdes aufgefaßt (h. Hom., Hes. Th. 454 usw.); später der lat. Vesta gleichgesetzt (Str. u. a.). Als Vorderglied z. B. in ἑστι-οῦχος ‘den Herd enthaltend’ = ‘heimatlich’, ‘den Herd beschützend’ (Trag. usw.); als Hinterglied in ἐφ-έστιος, ion. ἐπ-ίστιος ‘an (auf) dem Herde befindlich, zum Herd gehörig’ (seit Β 125), ἀν-έστιος ‘ohne Herd’ (Ι 63 usw.), συν-, ὁμ-έστιος usw.; über att. -έστιος im Homertext Wackernagel Unt. 9ff., Chantraine Gramm. hom. 1, 15; anders Solmsen Wortforsch. 214. Ableitungen. ‘Ιστιήϊα n. pl. ‘Geldmittel eines ‘I.-tempels’ (Miletos Va); ἑστιῶτις ‘zum Herd (Haus) gehörig’ (S. Tr. 954 [lyr.]; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 208 A. 2); ‘Εστ-ιασταί m. pl. N. der H.-verehrer (Rhod.; vgl. ’Απολλων-ιασταί u. a.); ἕστιος ‘zum Herd gehörig’ (Hld., nach ὁμέστιος u. a.). Als Übersetzung von lat. Vesta, VestālēsΕστιαῖον ‘Vestatempel’ (D. C.), ‘Εστιάδες pl. ‘Vestales’ (D. H., Plu.). Gewöhnliches Denominativum ἑστιάω, ἱστιάω (augm. εἱσ- in εἱστίων [Lys.] usw.), auch mit Präfix, z. B. συν-, ‘am Herde aufnehmen, speisen, bewirten’ (ion. att. dor.) mit zahlreichen Ableitungen: ἑστί-ασις, -ᾱμα, -ασμός ‘Bewirtung’, ἑστιάτωρ (ἱστ-) ‘Gastgeber’ usw., mit ἑστιατόριον (ἱστια-, ἱστιη-), auch ἑστιατήριον (nach den Nomina auf -ήριον) ‘Speisesaal’ (vgl. Benveniste Noms d’agent 34 und 48); ἑστιατορία (ἱστ-) ‘Fest’ u. a. — Daneben ἑστιόομαι (E. Ion 1464 [lyr.] δῶμα) ‘mit einem Herd versehen werden, befestigt werden’. — Als Kollektiv- oder Abstraktbildung auf -ία (vgl. besondere οἰκ-ία, κλισ-ία) setzt ἑστία, woraus sekundär ἱστία, -ίη durch Lautschwächung oder Assimilation (Schwyzer 256 und 531, Lejeune Traité de phon. 208 u. a.; anders Buck IF 25, 259 [nach ἵστημι] und Solmsen a. a. O. [Unbetontheit des ἱ-]), ein Nomen ἑστο-, -ᾱ o. ä. voraus. — Für die Etymologie entscheidend ist die noch nicht gelöste Frage des Anlauts. Den in Zweifel gezogenen Zeugnissen für anlaut. ϝ-, ϝιστιαυ (PN, Mantineia IVa), γιστία· ἐσχάρη (cod. -τη) H., stehen Fälle entgegen, wo ϝ wider Erwarten fehlt; s. Solmsen Unt. 213ff. Dadurch wird auch die alte, von vielen Forschern immer noch verteidigte Zusammenstellung mit lat. Vesta gefährdet. Eine bessere Erklärung ist indessen trotz mehrfachen Versuchen nicht gefunden: zu ἐσχάρα (Solmsen a. a. O.), lat. sīdus (Ehrlich KZ 41, 289ff.), ἕζομαι (Bq; dazu ιστία nach ἵζω?), slav. jestěja ‘Herd’ (Machek Lingua posnan. 5, 59ff.). — Ältere Lit. bei Bq und W.-Hofmann s. Vesta; s. noch Schwyzer 58 und 227 m. A. 1, Scheller Oxytonierung 60, Fraenkel Gnomon 22, 237, Benveniste BSL 44, 53. Über ‘Εστία im allg. Nilsson Gr. Rel. 1, 337f., v. Wilamowitz Glaube 1, 156ff. I-576-577

ἐστώ, -οῦς f. ‘Substanz, οὐσία’ (Archyt. Phil., Philol.) — Rückbildung aus ἀπ-, συν-εστώ ‘Abwesenheit’ bzw. ‘Beisammensein’ (Hdt.), εὐ-εστώ ‘Wohlbefinden’ (Hdt., A.), κακ- ~ (Konj. in Demokr. 182; κακεστοῦν· κακὴν κατάστασιν ἢ ἀπραγίαν (H.), ἀει- ~ ‘ewiges Dasein’ (Antiph. Soph.); vom Präs. Ind. ἄπεστι usw. Schwyzer 478 m. Lit., Fraenkel KZ 53, 47; s. auch zu εἰμί ‘sein’. I-577

ἕστωρ, -ορος m. ‘Deichselnagel’ (Ω 272, v. l. ἕκτορι nach ἔχειν; Aristobul.). — Unerklärt; zur Bildung Benveniste Noms d’agent 55, Fraenkel Glotta 32, 28f. mit hypothetischen Ausführungen. Nach Fick, Sommer, Ehrlich (s. Bq mit Add. et corr.) mit ὕσταξ· πάσσαλος κεράτινος H. aus *u̯ers-tor-, zu aind. várṣ-man- ‘Anhöhe, Hügel’ usw. Andere zögernde Vermutungen bei WP. 1,267: aus ἕκτωρ nach σχ-εῖν für *ἕσχτωρ umgebildet?; bei Schwyzer 531 A. 12: zu ἵζω als ‘Setzer’? I-577

ἐσχάρᾱ, ion. -ρη f. ‘Herd, Haus-, Opferherd’ (seit Il.), übertr. ‘Gerüst, Gestell’ (Ph. Bel. u. a.), in medizin. Sprache ‘Schorf auf einer Brandwunde’ (Hp., Arist. usw.). Davon ἐσχαρίς, -ίδος ‘Kohlenbecken’ (Kom., Plu. u. a.) mit -ίδιον (Delos IIIa), ἐσχάριον ‘ds.’ (Ar.), auch ‘Gerüst, Gestell’ (Plb. u. a.) neben ἐσχαρεῖον ‘ds.’ (Attika); ἐσχαρ(ε)ών ‘Herdstelle’ (Delos IVa, Theok. u. a.; nach den Ortsbezeichnungen auf -(ε)ών, Chantraine Formation 164); ἐσχαρεύς ‘Schiffskoch’ (Poll.; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 83); ἐσχαρίτης (ἄρτος) ‘Brot das über dem Feuer gebacken wird’ (Kom., LXX u. a.; s. Redard Les noms grecs en -της 89); unklar ἐσχάρινθον N. eines Tanzes in Sparta (Poll.); ἐσχάριος ‘zum Herd gehörig’ (AP). — Als medizinischer Fachausdruck Grundlage vom Denominativum ἐσχαρόομαι ‘eine ἐσχάρα bilden’ mit ἐσχάρωσις, -ωμα, -ωτικός; zur selben Bedeutungssphäre auch ἐσχαρώδης (Poll., Gal.). — Zu ἔσχαρος Fischname s. bes. Bildung auf -ρᾱ (wie χώρᾱ, τέφρᾱ u. a.), aber ohne annehmbare Anknüpfung. Von Prellwitz mit aksl. iskra ‘Funke’ verglichen (wozu nach Solmsen Unt. 218 auch ἑστία), was von Vasmer Russ. et. Wb. s. v. abgelehnt wird. Andere, noch weniger überzeugende Versuche bei Bq, bei W.-Hofmann s. cartibulum und bei Deroy Revue Belge de phil. 26, 529ff. I-577

ἔσχαρος m. N. eines Fisches, = κόρις, vielleicht Art Seezunge (solea; Kom., Dorio ap. Ath. 7, 330a). — Von ἐσχάρη als ‘Bratfisch’; Strömberg Fischnamen 89; s. auch Thompson Fishes s. v. I-578

ἔσχατος ‘der äußerste, letzte’ (seit Il.). Vereinzelt in Kompp. wie ἐσχατό-γηρως (-ος) ‘im äußersten Alter’ (hell. u. sp.), παρ-έσχατος ‘der nächstletzte’ (Ph.). Ableitungen: ἐσχατιά, -ιή ‘äußerster Teil, Grenze, Grenzgut’ (ion. poet. seit Hes., att.; vgl. Scheller Oxytonierung 81f.) mit ’Εσχατιῶτις f. ‘Bewohnerin einer ἐσχ.’ (Tenos; Redard Les noms grecs en -της 9); poet. Erweiterung ἐσχάτιος (Nik. u. a.). Denominative Verba. 1. ἐσχατάω ‘der äußerste, letzte sein’, nur im Ptz. ἐσχατάων, -όων (Il., Theok., Kall. u. a.; vgl. Shipp Studies 62). 2. ἐσχατεύω ‘ds.’ (Arist., Thphr. usw.). 3. ἐσχατίζω ‘zu spät kommen’ (LXX). — Adjektivische Ableitung von ἐξ, aber im einzelnen nicht ganz klar. Das Oppositum ἔγ-κατα, zu ἐν, legt eine Bildung *ἔξ-κατος nahe; die Tenuis aspirata χ erheischt aber dann als Grundform *ἔχσ-κατος, was für ἐξ eine indogerm. Grundlage *eĝhs zu erfordern scheint; zu beachten bleibt indessen die in älteren Alphabeten auftretende Schreibung χσ = ξ (Schwyzer 210), die für Aspiration eines Gutturals vor σ spricht. -Das Suffix -κατος wäre in ein gutturales Element (vgl. πρό-κα, lat. reci-pro-cus; *ἐχσ-κο- ‘außen befindlich’) und in einen hinzutretenden Dental (μέσ(σ)-ατος, τρίτ-ατος u. a.) zu zerlegen. Wackernagel KZ 33, 40f. = Kl. Schr. 1, 719f., Leumann Hom. Wörter 158 A. 1 mit Lit. Zum Lautlichen noch Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 29ff. I-578

ἐτάζω, Aor. ἐτάσαι ‘prüfen’ (Hdt. 3, 62 v. l., Demokr. 266, Pl. Kra. 410d, LXX u. a.), gew. ἐξ-ετάζω, Aor. ἐξετάσαι, -άξαι (Theok.) usw. ‘ausforschen, genau untersuchen, mustern, ausfragen’ (ion. att.); auch mit Präfix, z. B. ἐπ-, συν-, προ-εξετάζω; ark. παρ-hετάζω in παρ-hεταξάμενος, παρ-ετάξωνσι ‘sich zubilligen lassen, billigen’ (Tegea IVa); falls nicht vielmehr von παρ-ίημι ‘zugestehen’, πάρ-ετος. Ableitungen. ἔτασις, ἐτασμός ‘Prüfung, Plage’ (LXX), ἐταστής = ἐξετ. (Lampsakos). — ἐξέτασις ‘Prüfung, Musterung’ (att.), -σία ‘ds.’ (Astypalaea, Kaiserzeit; vgl. Schwyzer 469), ἐξετασμός ‘ds.’ (D. usw.); ἐξεταστής ‘Untersucher, Kontrollbeamter’ (Aeschin., Arist., Inschr.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1,227) mit ἐξεταστήριον ‘Kontrollamt’ (Samos IIa), ἐξεταστικός ‘zur Prüfung geschickt, zum Kontrollbeamten gehörig’ (X., D. u. a.), ’Εξεταστέων PN (Bechtel Namenstud. 22). — Denominativum von ἐτός, nur in ἐτά· ἀληθῆ, ἀγαθά H. erhalten; somit eig. ‘verifizieren, bewähren, auf die Wahrheit prüfen’. — Nicht sicher erklärt. Gewöhnlich wird ἐτός als ein schwundstufiges thematisches Verbaladjektiv von εἰμί ‘sein’ betrachtet (Schwyzer 502); ἐτός für *ἑτός (aus idg. *s-e-tó-s) somit eigentlich wie germ., z. B. ano. sannr (urg. *sánþa-), aind. satyá- ‘wahr’ u. a. (idg. *s-ón-t-o-, bzw. *s--t-i̯ó-) ‘existierend, tatsächlich’?; dagegen Luther "Wahrheit" und "Lüge" 51. S. noch ἐτεός und ὅσιος. I-578-579

ἑταῖρος, ἕταιρος ‘Gefährte, Genosse, Freund’, f. ἑταίρα, ion. -ρη ‘Gefährtin, Freundin, Hetäre’ (seit Il.); daneben in derselben Bedeutung ἕταρος (ep. poet. dor. seit Il.), f. ἑτάρη (Δ 441). m. Als Hinterglied z. B. in φιλ-έταιρος ‘seine Freunde liebend’ (att.) mit φιλεταιρ-ία u. a. Ableitungen: ἑταιρήϊος, -εῖος (zur Bildung Chantraine Formation 52) ‘den Freund, die Freundin betreffend usw.’ (ion. att.), ἑταιρικός ‘ds.’, -όν n. ‘politischer Klub’ (Th., Hyp., Arist. u. a.), ἑταιρόσυνος ‘freundlich’ mit -σύνη (spät); f. ἑταιρίς = ἑταίρα (X. HG 5, 4, 6 v. l., Ph. u. a.), ἑταιρίδιον (Plu. u. a.); ἑταιρηΐη, -ρεία, -ρία ‘Kameradschaft, Freundschaft, politischer Klub usw.’ (ion. att.). Denominative Verba: 1. ἑτα(ι)ρίζω, -ομαι ‘Gefährte sein, sich zum Gefährten machen’, spät ‘überwinden, Hetäre sein’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa) mit ἑταίρισμα, -ισμός, -ιστής (spät); auch ἑταιρίστρια = τριβάς (Pl. Smp. 191e u. a.; verächtlich). 2. ἑταιρέω ‘Buhlerei treiben usw.’ (att.) mit ἑταίρησις. 3. ἑταιρεύομαι ‘sich prostituieren’ (hell. u. spät). — Das Nebeneinander der verschiedenen Formen läßt sich folgendermaßen verstehen: An ἕταρος trat zuerst mit ια-Suffix ein Fem. *ἕταιρᾰ (vgl. z. B. χίμαρος : χίμαιρα), das zu ἑταίρη, -ρᾱ umgebildet wurde und dann ἑταῖρος, ἕταιρος nach sich zog; nach Muster von ἑταῖρος : ἕταρος wurde endlich neben ἑταίρη ein ἑτάρη gestellt (Schulze Q. 82; s. auch Glotta 4, 338 und Schwyzer 459; gewisse Bedenken bei Lommel Idg. Femininbildungen 67). — Da ἕταρος u. Verw. keine Spur des Digamma zeigen (Chantraine Gramm. hom. 1, 150, Solmsen Unt. 203), muß die sonst naheliegende direkte Anknüpfung an ϝέτης ‘Angehöriger, Freund’ (s. ἔτης) fallen. Auszugehen ist statt dessen von dem neben idg. *su̯e in ϝέ-της stehenden Reflexivum *se (s. ἕ, ἑ), das mit paralleler t-Erweiterung in aksl. po-sětiti ‘besuchen’ (von *setъ ‘Gast’, idg. *set-o-) vermutet wird. Zum ρ-Suffix vgl. z. B. νεαρός, γεραρός (teilweise von ρ-Stämmen). — Nicht zu lat. satelles ‘Leibwächter’ (wahrscheinlich etruskisch; s. W.-Hofmann s. v.). Verfehlt Prellwitz Glotta 19, 85ff. I-579

ἔταλον Bez. eines jungen Tieres, etwa ‘Jährling’ (Schwyzer 644, 18; Aegae IV-IIIa), auch ἔτελον (ebd. 252, 11; Kos IIIa: τοῦ μὲν ἐτέλου im Gegensatz zu τοῦ δὲ τελείου ‘ausgewachsenes Tier’). n. — Bis auf das Genus mit lat. vitulus ‘Kalb’, umbr. vitluf ‘vitulōs’ (mit unregelmäßigem i für e) identisch; hierher noch als iran. LW wotjak. vetël ‘Kalb, zweijährige Kuh’ (Jacobsohn IF 46, 339). Auszugehen ist von einem idg. Wort für ‘Jahr’, das im Griechischen als s-Stamm vorhanden ist, ἔτος, idg. *u̯étos- n., wovon u. a. aind. vats-- ‘Kalb’. Zum Stammwechsel ἔτος : ἔτελον, ἔταλον vgl. z. B. νέφος : νεφέλη, ἄγκος : ἀγκάλη; der Wechsel -αλο- : -ελο- kann also alt sein (-ε- somit nicht an das anlautende ἐ- assimiliert). Daneben vielleicht mit Wechsel l : n ἐπη-ετανός, s. d. Ein alternierender r-Stamm erscheint im Germ., z. B. got. wiþrus ‘(jähriges) Lamm’, nhd. Widder, idg. *u̯et-r(u)-. — Vgl. zu ἔτος; außerdem W.-Hofmann s. vitulus. I-579-580

ἔτελις (ἐτελίς) m. (f.) N. eines Fisches, ‘Goldbrasse’? (Arist. HA 567 a 20, H.). — Eine allgemeine Ähnlichkeit zeigt lat. attilus ‘ein störähnlicher großer Fisch im Po’ (Plin., rom.; auch *atillus), wohl gallisches, evtl. ligurisches Wort. Ferner liegt der baltische Name des Steinbutts, lett. ãte, alit. atìs, lit. ō̃tas; Lit. bei W.-Hofmann s. attilus, Pok. 70. — Strömberg Fischnamen 39 ist eher geneigt, darin eine Ableitung von ἔτελον (ἔταλον) zu sehen. I-580

ἐτεός, Adj. ‘wahr, wirklich’, fast nur im Sing. n. ἐτεόν (ἐτεά pl. Υ 255, Lesung ganz unsicher), auch als Adv. ‘in Wahrheit’ (Hom., Theok.); in Fragesätzen ‘tatsächlich’ (Ar.); ἐτεῇ Adv. ‘in Wirklichkeit’, auch Nom. ἐτεή f. ‘Wirklichkeit’ (Demokr.). Oft als Vorderglied in Namen wie ’Ετεό-κρητες pl. ‘Kreter im eigentlichen Sinne, Urkreter’ (τ 176; vgl. Risch IF 59, 25), ’Ετε-άνωρ (Thera VIIa), ’Ετέϝ-ανδρος (Kypros VIIa), dazu Sommer Nominalkomp. 185 und 199; ’Ετεο-κλῆς (Tegea usw.; sehr fraglich die Zusammenstellung mit heth. Tau̯ag(a)lau̯aš; vgl. Schwyzer 79 m. Lit.); auch ἐτεό-κριθος f. ‘echte κριθή’ (Thphr.; Determinativkomp. mit formalem Anschluß an die Bahuvrihi; vgl. Strömberg Pflanzennamen 28f.). Daneben ἔτυμος ‘wahr, wirklich’ (poet. seit Il.; die Prosa dafür ἀληθής) mit ἐτυμό-δρυς f. ‘echte Eiche’ (Thphr.); τὸ ἔτυμον ‘der wahre (ursprüngliche) Sinn eines Wortes, die Etymologie’ (Arist. usw.); als Vorderglied in ἐτυμο-λογέω ‘den wahren Sinn untersuchen, feststellen’ mit ἐτυμολογία, -λογικός (hell. u. spät; formal nach ψευδο-λογέω u. a.; vgl. Schwyzer 726); ἐτυμό-της = τὸ ἔτυμον (Str. u. a.). — Expressive Reduplikationsbildung mit rhythmischer Verlängerung der urspr. Anfangssilbe (vgl. Schwyzer 447 A. 2; anders Bq s. ἐτά) ἐτήτυμος ‘wahr, wirklich, echt’ (poet. seit Il.) mit ἐτητυμία (Kall., AP u. a.). Erweiterte Form ἐτυμώνιον· ἀληθές H.; vgl. Chantraine Formation 42f. — Zu κενε(ϝ)ός ‘leer, eitel’ im Ausgang stimmend setzt ἐτε(ϝ)ός zunächst einen diphthongischen u-Stamm voraus, dessen schwachstufige Form in dem erweiterten ἔτυ-μος (Vorbild?) vorliegt; neben diesem u-Stamm scheinen ἐτάζω, ἐτά· ἀληθῆ, ἀγαθά H. für einen o-Stamm zu sprechen. — Weitere Analyse unsicher; s. ἐτάζω m. Lit. Zur Geschichte von ἐτεός usw. Frisk GHÅ 41 (1935) : 3, 15ff. I-580-581

ἕτερος (ion. att. seit Il.), ἅτερος (dor. äol.; auch att. in der Krasis ἅ̄τερος, θά̄τερα usw.), myk. a2-te-ro ‘der eine von zweien, einer, der andere’. Mit Negation οὐδ-, μηδ-έτερος, -άτερος ‘keiner von beiden’ (ion. att. dor. seit Hes.). Sehr oft als Vorderglied in Bahuvrihi mit verschiedenen Sinnfärbungen, z. B. ἑτερ-αλκής ‘der einen Partei Hilfe bringend’ (vorw. ep. poet. seit Il.; vgl. zu ἀλέξω), ἑτερ-ήμερος ‘einen Tag um den andern lebend’ (λ 303 von den Dioskuren; auch Ph., Jul. u. a.), ἑτερό-πτολις ‘aus einer andern Stadt stammend’ (Erinn. 5). bleitungen: ἑτέρ-ωθεν, -ωθι, -ωσε, -ωτα ‘von der anderen Seite her’ usw. (Hom. usw.); ἑτεροῖος ‘von anderer Art’ (ion. att.; nach τοῖος, ἀλλοῖος u. a.) mit ἑτεροιότης ‘Verschiedenartigkeit’ (Pl., Ph. u. a.), ἑτεροιόομαι, -όω ‘anders werden’ bzw. ‘verändern’ (ion. usw.), -οίωσις ‘Veränderung’ (hell. u. sp.); ἑτερότης ‘das Anderssein’ (Arist. u. a.). — Aus idg. *sm̥-teros, Schwundstufe von *sem- in εἷς ‘einer’ (s. d. und ἅπαξ) mit demselben Suffix wie in ἀριστερός (s. d.) u. a.; vgl. bes. das gleichbedeutende aind. eka-tara- ‘alteruter’; der ε-Vokal in ἕτερος eher nach εἷς als durch Assimilation (vgl. Schwyzer 614). — Mit ἅτερος ist wahrscheinlich ein keltisches Wort für ‘Hälfte’, kymr. hanther, korn. bret. hanter identisch; s. zuletzt Gonda Reflexions on the numerals "one" and "two" 33f. m. Lit.; daselbst auch ein Versuch, die germ. Gruppe got. sundro ‘fm: sich, κατἰδίαν’, ahd. suntar ‘abgesondert, aber’ usw. (s. ἄτερ) einzubeziehen. I-581

ἔτης m., dor. ἔτας, el. ϝέτας ‘Angehöriger, Stammesgenosse’ (Hom., nur im Plur.), ‘Mitbürger, Bürger, Privatmann’ (el., dor., auch A. und E.). Keine Komposita oder Ableitungen. — Neben ϝέτᾱς steht im Slavischen ein Wort für ‘verschwägerter Verwandter, Brautwerber’, z. B. aruss. svatъ, idg. *su̯ōtos (*su̯ātos); im Baltischen ein Wort für ‘Gast’, lit. svẽčas, idg. *su̯eti̯os; als gemeinsame Grundlage ist das mit t-Suffix erweiterte Reflexivum *su̯e, gr. ϝ(h)ε (s. ἕ), zu betrachten, idg. *su̯e-t-; zum griech. Anlaut mit Psilose und Schwund des Digamma vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 125, Chantraine Gramm. hom. 1, 150 und 185. Eig. somit "Eigener", d. h. ‘Angehöriger der (eigenen) Sippe’, bzw. ‘Privatmann’; im letzteren Sinn vgl. ἑ-κάς ‘fern’, eig. ‘für sich’ (so auch lit. svẽčias wegen >svẽtimas, lett. sweschs ‘fremd’?; Schulze KZ 40, 417 = Kl. Schr. 73). — Zur Bildung von ἔτης noch Schwyzer 500, Chantraine Formation 312 und Bechtel Lex.; weitere Lit. bei Vasmer Russ. et. Wb. s. svát; außerdem WP. 2, 457. Abzulehnen Fay AmJPh 28, 413f.; vgl. Kretschmer Glotta 1, 378. — S. auch ἑταῖρος und ἴδιος. I-581-582

ἐτήτυμος s. ἐτεός. I-582

ἔτι Adv. ‘noch, noch dazu, ferner’ von Zeit und Grad (seit Il.). — Altes Adverb, auch im Indoiranischen, z. B. aind. áti ‘ds.’, Italischen, lat. und umbr. et ‘und’, Germanischen, z. B. got. δέ, καί’, erhalten; dazu noch phryg. ετι-τετικμενος u. a.; idg. *éti. Weitere Formen nebst hypothetischen Kombinationen bei WP. 1, 42ff., Pok. 70f., Ernout-Meillet und W.-Hofmann s. et; zu ἔτι noch Schwyzer-Debrunner 564. I-582

ἔτνος n. ‘Brei von Hülsenfrüchten’ (Ar., Hp. u. a.). Als Vorderglied in ἐτν-ήρυσις ‘Breilöffel’ (Ar.; vgl. zu 1. ἀρύω), ἐτνο-δόνος ‘breirührend’ (τορύνη, AP). Ableitungen: ἐτν-ηρός ‘breiähnlich’ (Ath.; Chantraine Formation 232f.), ἐτν-ίτης (ἄρτος; Ath.; Redard Les noms grecs en -της 89). — Ohne sichere Anknüpfung. Über die Zusammenstellung mit kelt., z. B. mir. eitne ‘Kern’ (Zupitza KZ 36, 243, Pedersen Vergl. Gramm. 1, 160) s. die Bedenken bei Pok. 343. Arm. und ‘Brei, Korn’ (Hofmann Et. Wb. d. Griech.) ist mit ἔτνος lautlich nicht vereinbar. I-582

ἑτοῖμος, jünger ἕτοιμος ‘bereit, vorhanden, gewiß’ (seit Il.). Als Vorderglied in ἑτοιμο-θάνατος ‘zum Tode bereit’ (Str.) und anderen hell. und sp. Kompp.; als Hinterglied in ἀν-έτοιμος ‘nicht bereit’ (Hes. Fr. 219, hell.; funktionell wohl postverbal zu ἑτοιμάζω, vgl. Frisk Adj. priv. 13f.). Ableitungen: ἑτοιμότης ‘Bereitschaft, Bereitwilligkeit’ (D., Plu. usw.); ἑτοιμάζω ‘bereiten’ (seit Il.) mit ἑτοιμασία (LXX, NT usw.) — Keine überzeugende Etymologie. Von Prellwitz Glotta 19, 85ff. aus ἐτός ‘wahr, wirklich’ (s. ἐτάζω) und οἶμος ‘Gang, Weg’ erklärt (anders Wb. s. v.); nach Kuiper Glotta 21, 278ff. dagegen aus einem Lokativ *ἑτοῖ von *ἑτός = ἐτός mit μο-Suffix; gewiß nicht besser. Ältere Versuche bei Bq. I-582

ἐτός 1. Adv., nur mit Negation οὐκ ἐτός ‘nicht umsonst, nicht ohne Grund’ (att.); daneben ἐτώσιος Adj. ‘vergeblich, erfolglos’ (ep. seit Il.). — Obschon der Bildung nach dunkel (vgl. Chantraine Formation 42, Schwyzer 466 m. Lit., Mezger Word 2, 229) ist ἐτώσιος für *ϝετώσιος (dagegen Fay Class. Quart. 3, 273) wahrscheinlich eine adjektivierende Erweiterung von ἐτός (vgl. περιώσιος neben περί), das somit für *ϝετός steht und formal >zu den Adverbia auf -τός (ἐν-τός usw.) stimmt. Sonst unklar; semantisch am nächsten kommt alb. hut ‘vergeblich, leer, eitel’ aus idg. *uto- (Jokl WienAkSb. 168: 1,31); Meillet MSL 8, 235f. und Brugmann Grundr.2 2 : 2, 809 ziehen noch heran αὔτως im Sinn von ‘eitel, vergebens’ (vgl. s. αὐτός). Nach Ebel KZ 5, 69 (zustimmend Prellwitz und Bartholomae WB.) dagegen mit aind. svatáḥ, aw. xvatō ‘von selbst’ formal identisch (idg. *su̯e-tós), was trotz der Bedeutungsverschiedenheit (‘von selbst’ > ‘ohne äußeren Grund’?) immer Beachtung verdient. I-582-583

ἔτος 2. dial. ϝέτος, myk. we-to (Akk.), we-te-i (Dat.). n. ‘Jahr’ (seit Il.); Oft als Hinterglied, z. B. τοι-ετής (τρι-έτης) ‘dreijährig’ (ion. att.) mit τριετία ‘Zeitraum von drei Jahren’ (hell. u. spät), τριετίζω ‘drei Jahre alt sein’ (LXX); auch τρι-έτ-ηρος ‘drei Jahre alt’ (Kall. usw.) mit -ηρίς f. ‘jedes dritte Jahr (einschließlich)’, d. h. ‘alle zwei Jahre wiederkehrend’ (ἑορτή u. a.; Pi., ion. att.; nach den Nomina auf -ηρός, -ηρίς; Schwyzer 482, Chantraine Formation 346); davon τριετηρικός ‘zu einer τριετηρίς gehörend’ (spät). Ableitungen. 1. ἔτειος ‘jährlich, das ganze Jahr dauernd, einjährig’ (Pi., A., X. usw.); durch Hypostase ἐπέτειος ‘ds.’ (ion. att., von ἐπἔτος; vgl. Schwyzer-Debrunner 473) u. a.; 2. ἐτήσιος ‘ds.’ (att.; nach dem Adj. auf -τήσιος; Schwyzer 466, Chantraine 42) mit ἐτησίαι m. pl. ‘Jahreswinde’ (ion. att., Arist. usw.); auch ἐπετήσιος ‘ds.’ (η 118, Th. usw.) u. a.; 3. ἐπηετανός, s. bes. — Altes Wort für ‘Jahr’, das in mehreren Sprachen durch verschiedene Bildungen und Ableitungen vertreten ist. Eine genaue Entsprechung scheint in alb. vit, pl. (auch sg.) vjet ‘Jahr’, aus idg. *u̯etes- vorzuliegen (Mann Lang. 26, 383). Als Hinterglied ist der neutrale s-Stamm in schwundstufiger Form in aind. tri-vats-- ‘dreijährig’ erhalten; die Hochstufe wird vermutet in messap. atavetes (= αὐτό-ετες, ‘im selben Jahre’?; Schwyzer 513 A. 3 m. Lit.) und in heth. ša-u̯itiš-t- ‘Säugling’ (eig. t-Abstraktum *"Gleichjährigkeit"?; s. Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre 53 und 130). Daneben steht im Heth. ein Konsonantstamm u̯itt- (= u̯et-) ‘Jahr’, dessen Alter strittig ist, s. Kronasser 126 A. 20. Eine Umbildung in a-Stamm kommt für hier.-heth. usa-, luw. ušša- ‘Jahr’ (< idg. *u̯et-o-?) in Betracht; Kronasser Μνήμης χάριν 1, 201. Ein semantisches Problem bietet lat. vetus ‘alt’, formal = ϝέτος; über die Versuche den Bedeutungswandel zu erklären s. W.-Hofmann s. vetus, dazu Benveniste Rev. de phil. 74, 124ff. — Alte Erweiterungen des s-Stammes liegen in verschiedenen Benennungen von (einjährigen) Tieren vor: aind. vats-- ‘Kalb’, alb. vic̣ ‘Kalb’ (idg. *u̯etes-o-), kelt., z. B. ir. feis ‘Sau, Schwein’ (< *u̯ets-i-). — Für sich steht endlich ein >baltisch-slavisches Wort für ‘alt’, lit. vẽtušas, aksl. vetъchъ, idg. *u̯etus-o- (so auch lat. vetus?); vgl. indessen Ernout-Meillet s. v., wo das balt.-slavische Adjektiv ohne genügenden Grund vom Wort für ‘Jahr’, ἔτος usw., getrennt wird. — Eine neue Benennung des Jahres schuf sich das Griechische in ἐνιαυτός, s. d. S. auch ἔταλον, νέωτα, οἰετέας, πέρυσι, σῆτες. Weitere Einzelheiten bei WP. 1, 251, W.-Hofmann s. vetus. I-583-584

ἐττημένος ‘gesiebt’ s. διαττάω. I-584

ἔτυμος s. ἐτεός. I-584

ἐτώσιος s. 1. ἐτός. I-584

εὖ s. ἐύς. I-584

εὐᾱγής ‘strahlend, klar, mit guter Sicht, weit umher sichtbar’ (Parm., Pi., A., E. u. a.; vorw. poet.). — Für εὐ-αυγής (v. l. Pi. Pae. Fr. 19, 25 u. a.), von εὖ und αὐγή mit Übergang in die s-Stammflexion und kompositioneller Dehnung; dazu Wegfall des zweiten υ, wohl durch Dissimilation, vgl. Schwyzer 203 A. 3. Durch Loslösung aus dem Kompositum entstand ἀ̄γέα (κύκλον Emp. 47, von der Sonne); vgl. auch Björck Alpha impurum 148 A. 1. — Eine poetische Erweiterung scheint in εὐά̄γητον (φύσιν Ar. Nu. 276 [lyr.], von den weithin sichtbaren Wolken) vorzuliegen; Björck a. a. O. I-584

εὐάζωεὖα, εὐαί rufen’ (S. und E. in lyr., AP u. a.) mit εὐάσματα pl. (E. in lyr.), εὐασμός (hell. u. sp.); εὐαστής, -τήρ (vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 136 m. A. 7) mit εὐάστειρα, εὐαστικός (spät). — Von der Interjektion εὖα· ἐπιφημισμὸς ληναϊκὸς καὶ μυστικός H., εὐαί (-αῖ) Ruf am Bakchosfest (Ar. u. a.); auch εὐά̄ν (E. u. a.), εὐοί, -οῖ (Ar. u. a.); mit Interaspiration εὐαἵ, εὐἅν, εὐοἵ (D. T., Hdn., A. D.); lat. LW euhoe, euhān. Derselbe Ausruf auch in lat. ovō, -āre ‘frohlocken, jubeln’, falls aus *euāi̯ō; vgl. W.-Hofmann s. v. Vgl. εἰάζω, αἰάζω und Schwyzer 303. S. auch Εὔιος. I-584

εὐδείελος Beiwort von Ortschaften, in der Od. fast nur von Ithaka, auch von Κρίση (h. Ap. 438), vom Berg Κρόνιον (Pi. O. 1, 111) u. a. (poet. s. Od.). — Wahrscheinlich mit Schulze Q. 244 metrische Dehnung von *εὐ-δέελος ‘wohlsichtbar’, zu δέελος (Κ 466); zum rhythmischen Wechsel -ει- : -ε- im allg. Chantraine Gramm. hom. 1, 166ff. — Daneben εὔδειλον Alk. G I 2 (POxy. 2165 I 2; Zusammenhang unklar; [λόφος] ist eine ganz unsichere Ergänzung von Gallavotti); nach Specht KZ 68, 190 Suffixvariation -λ- : -ελ-. — Die Anknüpfung an δείελος, δείλη ‘Abend’, ‘mit schönen Abenden, in schöner Abendbeleuchtung’ o.ä. (Düntzer, Gentili Maia 2 : 3, 1f.) ist kaum vorzuziehen. I-584

εὐδία, -ίη f. ‘schönes, heiteres Wetter, Windstille, (Meeres)ruhe’ (Pi., Trag., ion. att.). Davon 1. εὐδιᾱνός ‘Windstille, Ruhe bringend’, von φάρμακον (Pi. O. 9, 97); 2. εὐδίαιος Beiwort zum Fischnamen τριγόλας (Sophr. 67), ‘bei gutem Wetter gefangen’ (?) mit εὐδιαίτερος (X.); als Subst. m. ‘Abflußloch im Schiffsboden’ (Plu., Poll. u. a.); 3. εὐδιεινός ‘heiter, ruhig, still’ (Hp. Aph. 3, 12 v. l. neben εὔδιος, Pl. Lg. 919a, X. Kyn. 5, 9, Arist. usw.; nach φαεινός, ἀλεεινός usw.); 4. εὔδιος ‘ds.’ (Hp., hell. Dichtung, späte Prosa; zu εὐδία nach αἰθρία : αἴθριος u. ä.). Denominative Verba εὐδιάω ‘ruhig, still sein’, vom Meer und Wetter (A. R., Arat., Opp.; nur Ptz. εὐδιόων); εὐδιάζω ‘beruhigen, besänftigen, ruhig sein’ ([Pl.] Ax. 370d, Ph. u. a.). — Abstrakte Zusammenbildung (kollektives Bahuvrihi) von εὖ und der Schwundstufe des alten Wortes für ‘Tag, Himmel’ (s. Ζεύς), εὐ-δίϝ-ᾱ; vgl. ἑκατόμ-β(ϝ)-ᾱ, μεσό-δμ-η. Ein altes Gegenstück ist aind. su-dív- ‘einen schönen Tag bringend’ mit su-div--m n. "Schöntätigkeit", ‘schöner Tag’. — Sommer Nominalkomp. 73ff. m. Lit. und weiteren Einzelheiten. I-585

εὕδω, im Simplex nur Präsensstamm bis auf das Fut. εὑδήσω (A. Ag. 337) ‘schlafen’ (ep. ion. poet.). Mit Präfix ἐν-, συν-, aber insbes. καθ-εύδω (seit Il.), Ipf. καθ-εῦδον, -ηῦδον, att. auch ἐ-κάθευδον, Fut. καθ-ευδήσω (att.), selten Aor. καθ-ευδῆσαι (ion. u. spät); dazu ἐν-, ἐπι-, παρα-, συγ- καθεύδω usw. Als Aorist fungiert im allg. (κατα-)δαρθεῖν, (-)δραθεῖν; Schwyzer-Debrunner 258, Schulze KZ 40, 120 = Kl. Schr. 443; s. δαρθάνω. Keine Ableitungen. — Mehrere hypothetische Deutungsvorschläge, von denen keine überzeugt. Zu got. sutis ‘ruhig, sanft’ (Wood ClassPhil. 9, 148f., Thurneysen IF 39, 189f. [mit anderer Analyse], Mayrhofer KZ 71,74f.), wozu noch lat. sūdus ‘sanft, wolkenlos’ (Mayrhofer KZ 73, 116f.); aus idg. *seu-d- neben *su̯-ep- in aind. svapiti ‘schläft’ usw. (Benveniste Origines 1, 156f.; vgl. zu ὕπνος); zu lit. snáudžiu, snáusti ‘unwillkürlich schlafen’ (Otrębski KZ 66, 247ff.); zu ags. swodrian ‘fest schlafen’ (Grošelj Živa Ant. 7, 42). Über die prinzipiellen Schwierigkeiten, zu einer befriedigenden Etymologie zu gelangen Schwyzer 648 A. 1. I-585

εὔεξος · εὐφυής H. — Rückbildung aus εὐεξία, s. ἔχω. Leumann Hom. Wörter 156 A. 130. I-585

εὐηγενής Λ 427, Ψ81 (hier v. l. εὐηφενής), h. Ven. 229, Theok. 27, 43, IG 14, 1389 : 1, 29. — Die Lesung εὐηγενής = εὐγενής (Hss., Aristarch) ist bei Hom. als Verschlimmbesserung von εὐηφενής (als EN IG 12 : 8, 376, 14) stark verdächtig, das sowohl wegen des nur aus der Dichtung bekannten ἄφενος wie wegen der kompositionellen Dehnung nicht unmittelbar verständlich war. Das sekundär entstandene εὐηγενής, das in den zahlreichen Kompp. auf -γενής mit vorangehendem -η- einen gewissen Anhalt hatte, ist aber von nachhom. Dichtern aufgenommen worden. — Abzulehnen Prellwitz Glotta 19, 103: -η- hervorhebend. Zu εὐηφενής s. auch Bechtel Lex. s. v. und Leumann Hom. Wörter 117 A. 83. I-585-586

εὐθενέω ‘gedeihen, blühen’, von Tieren und Pflanzen, auch übertr. von Städten, Völkern usw. (A., att., Arist. usw.); als Vorderglied in εὐθηνι-άρχης ‘Vorsteher der (Korn)zufuhr’ mit -αρχέω, -ία, -ικός (Pap.; auch εὐθενι-). εὐθένεια, -ία (-ίη Epigr. Ia) ‘blühender Zustand, Fülle, Zufuhr, annona’ (Arist. als v. l. neben εὐθηνία, Pap. aus d. Kaiserzeit) mit εὐθενιακός (Pap.). — Auch εὐθηνέω ‘ds.’ (h. Hom. 30, 10, Hdt., Hp., LXX usw.) mit εὐθηνία = εὐθενεια, -ία (Arist. als v. l., LXX, hell. u. sp. Inschr., Pap. usw.); — Seltene und späte Adj.: εὐθενής· εὐπαθοῦσα, ἰσχυρά H. mit εὐθενέστατος (Pap. VIp), εὐθηνός ‘gedeihend’ (Hdn. Epim. 175, Lyd. Ost. [VIp]). — Die Erklärung der obigen Formen hängt selbstverständlich von der richtigen Beurteilung ihres gegenseitigen Verhältnisses zueinander ab. Wenn die Formen mit -ε- ursprünglich sind, liegt es nahe, εὐθενέω als Denominativum von εὐθενής zu beurteilen, wozu anderseits als Abstraktum εὐθένεια, -ία. Auszugehen wäre dann von einem Nomen *θένος neben φόνος in dem ἅπ. λεγ. φόνον αἵματος (Π 162), wenn die Erklärung als ‘Masse Blutes’ richtig ist, was keineswegs als sicher gelten kann, s. s. v. Dann wäre *θένος : εὐθενής : εὐθένεια : εὐθενέω wie μένος : εὐμενής : εὐμένεια : εὐμενέω. Das sehr späte und sporadische Vorkommen von εὐθενής im Verein mit der chronologischen Priorität von εὐθενέω gegenüber εὐθένεια ist aber der Ansetzung einer solchen Entwicklungsreihe nicht günstig. Dann wird aber die direkte Gleichsetzung von -θενής mit aind. -hanás- etwa ‘üppig, strotzend’ (Bechtel Lex. 78f. mit Fick BB 8, 330), idg. *-ghenes-, fraglich. Zu -hanás- und εὐ-θενης werden ferner gezogen aind. ghana- ‘kompakt, dick, voll von’ (ep. klass.; sehr fraglich RV. 1, 8, 3), npers. -ganiš ‘voll’, -gandan ‘anfüllen’; aus dem Baltisch-Slavischen noch lit. ganà ‘genug’, aksl. goněti ‘genügen’; endlich alb. zânë ‘dicht, dick’, idg. *ghen- (Jokl Mélanges Pedersen 131) und arm. y-ogn ‘multum, sehr, viel’ (letzteres ganz unsicher). Mehrdeutig sind einige EN auf -φόντης wie Κρεσ-φόντης (vgl. zu κράτος), Πολυ-φόντης ebenso wie φανᾶν· θέλειν H. Fern bleiben jedenfalls die dunklen ἄφενος und παρθένος (s. dd.). Das -η- in εὐθηνέω usw. kann an sich alte Dehnstufe sein; sekundäre Verlängerung (nach κτῆνος, μῆλα usw.?; Fraenkel Lexis 3, 61) kann indessen nicht in Abrede gestellt werden. — Bei Ansetzung eines ursprünglichen η -Vokals wäre für εὐθενέω entweder eine entsprechende Entgleisung (nach σθένος?; Sommer Lautstud. 66) oder alte Schwachstufe (Schwyzer 340f.) anzunehmen; gr. *θῆνος könnte tatsächlich mit lat. fēnus ‘Ertrag’ (zu fē-līx, s. θῆλυς, und θῆ-σθαι) lautlich und begrifflich identisch sein (vgl. Fick 1, 415, Froehde BB 21, 326f.), wobei die Anknüpfung an aind. -hanás- usw. natürlich in Wegfall käme. — Weitere Lit. bei Bq s. v., WP. 1, 679, Fraenkel Lit. et. Wb. s. ganà. I-586-587

εὐθύς, -εῖα, -ύ — Ohne außergriechische Entsprechung. Wahrscheinlich Kreuzung von εἶθαρ und ἰθύς (s. dd.) mit Assimilation ει : υ > ευ : υ (Schwyzer 256 m. Lit.); εὐρύς liegt semantisch etwas fern, um in Betracht zu kommen. Ältere Lit. bei Bq; dazu WP. 2, 450. ‘gerade’, auch übertr. ‘gerecht’; εὐθύς, -ύ auch Adv. (neben εὐθέως) ‘geradeswegs, sogleich’ von Ort und Zeit (Pi., att.; vgl. Schwyzer 620f.). Sehr oft als Vorderglied, z. B. in εὐθυ-ωρία, s. bes. Davon εὐθύτης ‘Geradheit’ (Arist., LXX u. a.) und das Denominativum εὐθύνω ‘gerade machen, richten, lenken, züchtigen, bestrafen’ (Pi., att.; Schwyzer 733) mit mehreren Ablegern: εὔθυνσις ‘das Geradrichten’ (Arist. u. a.), εὐθυσμός ‘ds.’ (Ph.); εὐθυντήρ ‘Lenker, Züchtiger’ (Thgn., A., Man.) mit εὐθυντήριος ‘gerade richtend, lenkend’ (A. Pers. 764), εὐθυντηρία f. ‘Steuerlager’ (E. IT 1356), ‘Grundmauer, Sockel’ (Inschr.), -ιαῖος (Didyma); εὐθυντής = εὔθυνος (Pl. Lg. 945b, c), -τικός (Arist., D. H.). — Gewöhnlicher sind die postverbalen Fachausdrücke εὔθυνος m. ‘Revisor der Staatsverwaltung’ (Pl., Arist., Inschr. seit Va usw.), auch ‘Richter, Züchtiger’ im allg. (A., E.); εὔθυνα f. ‘öffentliche Rechenschaft(sablegung), Revision’ (att.; vgl. Solmsen Wortforsch. 256, Schwyzer 421 A. 3). I-587

εὐθυωρία (Pl., Arist., ätol., kret. u. a.), herakl. -ωρεία, ark. -ορϝία, epid. -ορία f. ‘Geradlinigkeit, gerade Richtung’, fast nur in adv. Ausdrücken wie (ἀν’, κατ’) εὐθυωρίαν, εὐθυωρίᾳ ‘in gerader Richtung, geradeswegs’; auch εὐθύωρον Adv. ‘ds.’ (X. u. a.). Ion. ἰθυωρίη (Hp.). — Ausdruck der Feldmessersprache (Geurts Mnemos. 3 : 11, 108ff.), aus εὐθύς (ἰθύς) und ὅρος, ὅρϝος ‘Grenzmarke’ als Bahuvrihi ‘mit geraden Grenzmarken, geradlinig’, bzw. als Ableitung (Zusammenbildung) auf -ία. Die Vokallänge kann auf Kompositionsdehnung beruhen, sofern nicht bei diesem geometrischen Ausdruck mit dorischem Einfluß zu rechnen ist. — Verfehlt Bechtel Dial. 1, 345: zu aw. aurva- ‘schnell’ usw.; εὐθύωρος eig. ‘geradeaus eilend’. — Vgl. zu ὅρος. I-587

Εὔιος, Εὔἱος (EM) Ben. des Dionysos, auch Adj. ‘dionysisch, bakchisch’ (S., E. u. a.) mit εὐιακός, f. εὐιάς (APu. a.), εὐιώτης, f. -τις (Lyr. Alex. u. a.); lat. LW Euhius. — Aus dem Ruf εὐαί (-αἵ), εὐοί (-οἵ) usw.; s. εὐάζω. I-588

εὔκηλος, dor. εὔκᾱλος s. ἕκηλος. I-588

εὔκολος ‘zufrieden, vergnügt’ (att.) mit εὐκολία (Pl., Plu. u. a.). S. δύσκολος. I-588

εὐκρᾱής, ἐϋκρᾱής ‘temperiert’, Beiwort von τόποι (Arist. Mete. 352a 7), von ἀήρ (Thphr. CP 1, 11, 6; 2, 3, 3), von ἔρως (Opp. H. 4, 33); aber von οὖρος, bzw. ἄνεμος ‘gut wehend’ (A. R. 2, 1228; 4, 891); auch v. l. für ἀκραής (ξ 299, Hes. Op. 594). — Aus εὐκρά̄ς (zu κεράννυμι) nach den s-Stämmen umgebildet, evtl. mit Beziehung auf ἄημι, das bei A. R. die Bedeutung beeinflußt hat. Es wurde gleichzeitig als Oppositum von ἀκρ-ᾱής ‘scharf wehend’ (eig. wohl ‘auf den Höhen wehend’), in ἀ-κρᾱής zerlegt, aufgefaßt; vgl. Marxer, Die Sprache des Ap. Rhod. in ihren Beziehungen zu Homer (Diss. Zürich 1935) 46f. — Danach δυσκρᾱής (Opp.), s. d. I-588

εὐλάκᾱ f. ‘Pflug(schar)’ (dor.). S. ἄλοξ. I-588

εὐλή fast nur pl. -αί f., ‘Maden, Raupen’ (ep. ion. seit Il., Arist. u. a.). — Für *ἐ-ϝλ-ή (Schwyzer 224), falls nicht mit Metathese aus *ϝελ-ή; vgl. zu εὐρύς. Altes Verbalnomen zu 2. εἰλέω, ἴλλω ‘drehen, winden’, also eig. ‘Windung’ bzw. ‘der sich windet’. Da sich der Ausgangspunkt nicht mehr genau feststellen läßt, sprechen wir von einer Ableitung der "Wurzel" u̯el-. — Vgl. ἕλμις. I-588

εὔληρα n. pl. ‘Zügel’ (Ψ 481, Q. S.); dor. αὔληρα (Epich. 178, H.). — Unklar εὐληρωσίων· πληγῶν H. (von *εὐλήρωσις zu *εὐληρόομαι, -όω?). — Für *ἐ-ϝληρ-ο-, *ἀ-ϝληρ-ο- (Schwyzer 224) mit Vokalprothese zu lat. lōrum ‘Riemen, Zügel’, arm. lar ‘Strick, Seil, Band’, idg. *u̯lēr-, *u̯lōr-, *u̯lər-, r-Ableitung vom primären Verb für ‘drehen, winden, flechten’ in 2. εἰλέω. Lit. bei WP. 1, 304 und W.-Hofmann s. lōrum. S. auch λῶμα. I-588

εὐμαρής ‘leicht, mühelos’ (poet. seit Alk., Pi.; auch späte Prosa). Davon εὐμάρεια (-(ε)ίη, -ία) ‘Leichtigkeit, Bequemlichkeit’ (ion. att.), εὐμαρότης ‘ds.’ (Kallistr. Soph.), εὐμαρέω ‘leichten Zugang zu etw. haben’ (B. 1, 175). — Bahuvrihi von εὖ und μάρη ‘Hand’ (s. d.) mit Anschluß an die σ-Stämme (Schwyzer 513), aber nicht besonders nach εὐχερής (Bq), das nicht zu χείρ gehört, s. δυσχερής. I-588

εὔμᾱρις, -ιδος, -ιν f. Bezeichnung eines asiatischen Schuhs oder Pantoffels aus Hirschhaut (A. und E. in lyr., AP 7, 413 [ᾰ], Poll.); εὐμᾱρίδας Akk. pl. als Attribut von ἀσκέρας, somit wohl adjektivisch (Lyk. 855). — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. die fremden Schuhbezeichnungen bei Schwyzer 61; dazu Björck Alpha impurum 68. I-588-589

εὐνή f. ‘Lager’ (von Tieren und Soldaten), ‘Bett, Ehebett’, übertr. ‘Ehe’ und ‘Grab’, als nautischer Ausdruck im Plur. ‘Ankersteine’ (vorw. poet. seit Il.). Als Vorderglied in εὐνοῦχος m. "Bettschützer", ‘Kämmerer, Eunuch’ (ion. att.; zur Bed. E. Maaß RhM 74, 432ff.) mit εὐνουχίζω, -ίας u. a. Als Hinterglied u. a. in χαμαι-εύνης (zur Bildung Schwyzer 451), f. -ευνάς ‘das Lager auf dem Boden habend, auf dem nackten Boden liegend’ (Hom. usw.); auch χαμ-ευνάς ‘ds.’ (Lyk., Nonn.), als Determinativum ‘Lager auf dem Boden’ (Nil. Th. 23); in dieser Bedeutung sonst χαμ-εύνη, -α (Trag. usw.) mit χαμεύνιον (Pl. u. a.), -ευνίς (Theok.), -ευνία (Ph., Philostr. u. a.). Zahlreiche Ableitungen: εὐναῖος ‘zur εὐνή gehörig’ (Trag. usw.), εὔνια pl. = εὐνή (App.), εὐνέτης ‘Lagergenosse, Gatte’ (E. u. a.), -έτις f. (Hp., A. R.), εὐνάτας ‘ds.’ (E. Med. 159, conj.), εὖνις f. (S., E. u. a.). Zwei Denominativa. 1. εὐνάομαι, εὐνηθῆναι, -άω ‘sich lagern, zu Bett gehen, schlafen’ bzw. ‘lagern, zur Ruhe bringen’ (ep. poet. seit Il.) mit εὐνήματα pl. ‘Ehe’ (E. Ion 304; wohl nur aus εὐνή erweitert, vgl. Chantraine Formation 184ff.), εὐνήτωρ, -ά̄τωρ, -ητήρ, -ᾱτήρ = εὐνέτης (Trag.), f. εὐνήτειρα, -άτειρα, -ήτρια (Trag.), εὐνατήριον ‘Schlafzimmer’ (A.). 2. εὐνάζομαι, εὐνασθῆναι, εὐνάζω ‘ds.’ mit τὰ εὐνάσιμα ‘Schlafstätten’ (X. Kyn. 8, 4; nach ἱππάσιμος u. a., vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 48), εὐναστήρ = εὐνέτης (Lyk.), εὐνάστειρα λίθος (Opp.), εὐναστήριον = εὐνατήριον (S., E.). Einzelheiten aus der Tragikersprache bei Fraenkel Nom. ag. 2, 17, Björck Alpha impurum 139f.; dazu noch Chantraine REGr. 59-60, 227f. — Unerklärt. Von Strachan bei Fick 2, 48, Lidén IF 19, 320f. mit air. (h)uam ‘Höhle’ und aw. unā f. ‘Loch, Riß (in der Erde)’ verglichen; über weitere Versuche s. Bq s. v., WP. 1, 259 und 110, W.-Hofmann s. exuō und 1. venus. Auch arm. unim ‘haben, besitzen’ bleibt fern (wohl mit Meillet MSL 23, 276 zu heth. epmi ‘fassen, ergreifen’, lat. apīscor usw.). I-589

εὖνις, -ι(δ)ος, -ιν ‘beraubt, ermangelnd’ (ep. poet. seit Il.). — Man vergleicht einige Adjektiva, die teils mit ū̆-, teils mit u̯ā- anlauten: aind. ūná-, aw. ū̆na- ‘unzureichend, ermangelnd’, arm. unayn ‘leer’ (Anlaut mehrdeutig, auch idg. eu- möglich), lat. vānus ‘leer, eitel’, germ., z. B. got. wans ‘mangelhaft, fehlend’. Lit. bei Bq s. v., Bechtel Lex. s. v., WP. 1, 108, W.-Hofmann s. vānus. I-589

εὐνοῦχος m. ‘Kämmerer, Eunuch’ s. εὐνή. I-589

Εὔξεινος πόντος ‘das Schwarze Meer’ (Hdt., Pi. usw.). — Wahrscheinlich euphemistisch für ἄξε(ι)νος ‘ungastlich’ (vom Schwarzen Meer z. B. Pi. P. 4, 203, E. IT 348) aus dem Iranischen (Skytischen?) durch Volksetymologie, vgl. aw. axšaēna- ‘dunkelfarbig’. Vasmer Osteur. Ortsnamen (Acta Univ. Dorp. B : I 3 [1921]) 3ff., Jacobsohn KZ 54, 254ff. S. auch Allen Class. Quart. 41, 86ff.; 42, 60 gegen Moorhouse ebd. 34, 123ff.; 42, 59f., der iranische Herkunft ablehnt. I-590

εὔοχθος Beiwort von δαῖτες (B. Fr. 18, 4), βορά (E. Ion 1169), γῆ (Hom. Epigr. 7, 2), etwa ‘reich, üppig, fruchtbar’. Davon εὐοχθέω vom Menschen (Hes. Op. 477, Rhian. 1, 9) ‘reich sein, üppig leben’. — Anknüpfung an ὄχθος, ὄχθη ‘Anhöhe, steiles Ufer’ gibt keinen befriedigenden Sinn. Entweder ist εὔοχθος davon zu trennen, oder man hat von einer sonst unbekannten Bedeutung (*‘Haufen, Masse’?) auszugehen. I-590

εὐπέμπελος von der μοῖρα der Eumeniden (A. Eu. 476 οὐκ εὐπέμπελον). — Die Scholl. erinnern an δυσπέμφελος (s. d.), aber das Wort ist vielmehr (mit Dindorf Lex. Aesch. s. v.) = ‘leicht abzuweisen’, Zusammenbildung von εὖ und πέμπειν mittels des ελο-Suffixes; vgl. εὐτράπελος. I-590

εὐπετής ‘was gut (aus)fällt, günstig, bequem, leicht’ mit εὐπέτεια (ion. att.). — Von εὖ πίπτειν (eig. vom Würfel) nach den komponierten σ-Stämmen (Schwyzer 513), zunächst zum Aorist ἔπετον = ἔπεσον. — Gegensatz δυσπετής (ion., S.) mit δυσπέτημα (LXX). I-590

εὐράξ in στῆ δεὐράξ (Λ 251, Ο 541) Bed. unsicher, vielleicht ‘er trat an die Seite, in die Nähe, hinzu’; außerdem Lyk. 920 εὐρὰξΑλαίου Παταρέως ἀνακτόρων ‘in der Nähe des Tempels des ’Α. Π.’; als Interj. Ar. Av. 1258 εὐράξ, πατάξ. — Nicht sicher erklärt. Zur Bildung vgl. λάξ, ὀδάξ, μουνάξ, διαμπάξ u. a. (Schwyzer 620). Von alten und neueren Erklärern (so noch Stolz IF 18, 460f.) zu εὐρύς gezogen und als ‘ἐκ πλαγίου’ (z. B. H.) erklärt. Nach Bq mit Meister Herodas 749 dagegen als δὲ ϝράξ zu lesen und als ‘en heurtant’ zu verstehen, von ῥάττειν, ῥάσσειν, ῥήσσειν ‘anstoßen, schlagen’; zur Bed. vgl. ἴκταρ ‘nahe, bei’ und dort angeführte Parallelfälle. I-590

εὔρῑπος m. ‘Meerenge’ (X., Arist.); insbes. die Meerenge zwischen Euböa und Böotien (h. Ap. 222, Hdt. usw.); später auch ‘Kanal’ im allg. (D. H. u. a.); ‘Ventilator, Wedel’ (Gal. 10, 649). Davon εὐριπώδης ‘einer Meerenge od. dem Euripos ähnlich’ usw. (Arist.); εὐριπίδης N. eines Windes, der aus dem Euripos weht (E. Maaß KZ 41, 204 nach H. s. ++ ἄντος), auch PN; εὐριπική (σχοῖνος Dsk., Plin.); Εὐρίπιος· Ποσειδῶν H. — Eig. ‘mit starker Strömung’, von εὖ und ῥιπή (Fick BB 22, 11). Offenbar war das Wort ursprünglich Benennung der wegen ihrer starken Wasser- und Windströmungen bekannten Meerenge zwischen Euböa und Böotien; es wurde aber davon auf andere Meerengen übertragen, zuletzt auch als Appellativum benutzt; vgl. die ganz ähnliche Bedeutungsentwicklung bei δέλτα. Nicht mit Pedersen Studi baltici 4, 152 und Hofmann Et. Wb. d. Gr. zu lit. siaũras ‘Enge’ und dem idg. Wort für ‘Wasser’, *ā̆p-; s. Fraenkel Gnomon 22, 237. Ältere Deutungen bei Bq. Nach Sommer IF 55, 185 A. 1 vorgriechisch (wie Εὐρώπη, Εὐρώτας). — Im Sinn von ‘Ventilator, Wedel’ bei Gal. ist wohl εὔριπος am ehesten als ein Homonym (zu ῥιπή im Sinn von ‘Windstoß’) anzusehen. I-590-591

εὑρίσκω (seit τ 158), Aor. εὑρεῖν, Ind. εὗρον (seit Il.; später auch ηὗρον), Fut. εὑρήσω (h. Merc. 302, ion. att.), Perf. εὕρηκα, -ημαι (ηὕρ-), Aor. Pass. εὑρεθῆναι mit dem Fut. εὑρεθήσομαι (alles ion. att.) ‘finden’; oft mit Präfix, z. B. ἀν-, ἐξ-, ἐφ-. Als Vorderglied εὑρησι- (später εὑρεσι-) in εὑρησι-επής ‘der ἔπη ausfindet, epischer Dichter’ (Pi.), εὑρησι-λογέω ‘Gründe erfinden, Ausflüchte machen’ und -λογία ‘Fähigkeit, Gründe zu erfinden, Eristik, leere Wortmacherei’ (hell. und spät; nach den Kompp. auf -λογέω, -λογία, vgl. Schwyzer 726; zur Bedeutung Zucker Philol. 82, 256ff.); dazu εὑρησί-λογος (Corn. u. a.). Ableitungen, auch von den Präfixkompp. (nicht besonders notiert): εὕρημα, später εὕρεμα (Schwyzer 523) ‘Fund’ (ion. att.), εὕρεσις ‘Erfindung’ (ion. att.; εὕρησις Apollod.; vgl. Fraenkel 1, 187 A. 1); εὕρετρα pl. ‘Finderlohn’ (Ulp.); εὑρετής ‘Erfinder’ (att.) mitf. εὑρετίς, -έτις (S. Fr. 101 [unsicher], D. S.); auch εὑρέτρια (D. S., Pap.; Chantraine Formation 104ff., Schwyzer 475 m. Lit.); Εὑρέσιος Bein. d. Ζεύς = Iupiter Inventor (D. H.; nach ‘Ικέσιος u. a.); εὑρετικός ‘erfinderisch’ (Pl. u. a.), εὑρετός ‘zu finden’ (Hp., S. u. a.). — Schon die ursprünglich konfektive Bedeutung von εὑρίσκειν gibt an die Hand, daß unter den verschiedenen Formen des Paradigmas der Aorist den stärksten Anspruch auf Altertümlichkeit erheben kann. Neben dem Aorist stand wahrscheinlich ein ebenfalls altes Perfektum, dessen Fortsetzer in εὕρη-κα vorliegt. Danach wiederum εὑρήσω; als letztes Glied der Reihe trat endlich (neben εὑρεθῆναι) das Präsens εὑρίσκειν (mit unbekannter Quantität des ι) hinzu, das somit als Neubildung zu verstehen ist und keinen alten Ablaut εὑρῑ- : εὑρηι- beweist. — Der Aorist εὑρεῖν kann als thematische Wurzelbildung für *ἐ-ϝρεῖν stehen, wobei ἐ- entweder prothetisch ist oder aus dem Ind. *ἔ-ϝρ-ον (für *ἠ-ϝρ-ον?) stammt; dazu sekundäre Aspiration nach ἑλεῖν u. a.? Oder es handelt sich um einen reduplizierten Aorist *ϝε-ϝρεῖνmit dissimilatorischem Schwund des anlautenden ϝ- und sekundärem Hauch. — Eine reduplizierte Bildung erscheint auch im air. Präteritum -fuar ‘ich fand’ aus idg. *u̯e-u̯r- (Präs. fo-gabim); daneben das Pass. -frīth ‘inventum est’, das als idg. *u̯rē-to- zu *ϝρη- in -ϝέ-ϝρη-κα (> εὕρηκα) stimmt. Auch in aksl. ob-rětъ ‘ich fand’ ist idg. *u̯rē-t- vermutet worden. — Ein hochstufiges u̯er- ist in arm. gerem (sek. Aorist gerec̣i) ‘gefangen nehmen’ erhalten; eine schwachstufige u-Erweiterung, idg. *u̯r̥ru-, kann in ἀρύω ‘schöpfen’ (s. d.) vorliegen. — Lit. bei Schwyzer 709 A. 2 und WP. 1, 280. — Kronasser Studies Whatmough 124 will in heth. urki- ‘Spur’ eine Gutturalerweiterung finden. I-591-592

Εὖρος m. ‘der Südostwind’ (Hom., Arist. usw.). — Zweifelnde Vermutung bei Curtius 398: aus *εὖσ-ρο-ς zu εὕω ‘sengen’; Lenis nach αὔρα (Sommer Lautstud. 36)? Anders Wood Lang. 3, 184. — Als Vorderglied in εὐρ-ακύλων (ἄνεμος τυφωνικός, ὁ καλούμενος εὐρακύλων Act. Ap. 27, 14), von lat. aquilō ‘Norddrittelostwind’, um einen Wind zu bezeichnen, der zwischen εὖρος und aquilo liegt; lat. (Vulg.) euroaquilo. I-592

εὐρυάγυια f. ‘mit breiten Straßen’, von Städten, z. B. Τροίη, Μυκήνη (Hom.), von χθών (h. Cer. 16); auch von δίκα (Terp. 6). — An der letztgenannten Stelle nach Schulze Q. 326 A. 3 zu ἔρυμαι ‘schützen’: ‘die die Straßen schützt’ (vgl. Εὐρύ-λεως s. ἔρυμαι); geistreich aber nicht notwendig. I-592

Εὐρυβάλινδος · ὁ Διόνυσος H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 30f. zu dem kleinasiat. βαλ(λ)ήν ‘Konig’ (s. d.); v. Windekens Le Pélasgique 80ff., wo weitere Lit., verbindet es mit βόλινθος ‘Wisent (?)’. I-592

εὐρυόδεια f. ‘mit breiten Wegen’, nur in ἀπὸ χθονὸς εὐρυοδείης (Hom., immer am Versende); — für *εὐρύ-οδος, metri causa nach den Fem. auf -εια erweitert. — Schulze Q. 487f., dem Bechtel Lex. s. v. zustimmt, will dafür εὐρυ-εδείης ‘mit weiten Wohnsitzen’ (ἕδος) lesen mit Berufung auf Simon. 5, 17 εὐρυεδοῦς ... χθονός. I-592

εὐρύοπα urspr. Akk., Beiwort von Ζῆν (Κρονίδην), danach auch im Nom. und Vok. εὐρύοπα Ζεύς, Ζεῦ (ep. poet. seit Il.), später von κῆρυξ, κέλαδος, ἥλιος; wahrscheinlich Bahuvrihi von (ὄψ), ὄπα ‘mit weitrechender Stimme, weitdonnernd’; evtl. Zusammenbildung von ὄψομαι, ὄπωπα ‘weitschauend’. — Zur Bildung Debrunner IF 45, 188ff., Leumann Hom. Wörter 24, Chantraine Gramm. hom. 1, 200; zur Bedeutung Bechtel Lex. s. v. mit Lit. I-592

εὐρύς ep. Akk. auch -έα (analogisch und metrisch) ‘breit, weit, geräumig’ (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied (zu εὐρυάγυια u. a. s. bes.). Davon εὐρύτης ‘Breite, Weite’ (Hp.) und das denominative εὐρύ̄νω ‘breit, weit machen’ (seit θ 260; zur Bildung Schwyzer 733). — Daneben εὖρος n. ‘Breite, Weite’ (seit λ 312), als Hinterglied in ἰσο-ευρής ‘mit gleicher Breite’ (Phot.). — Von aind. urú-, aw. vouru- ‘breit’, aind. váras- n. ‘Breite’ unterscheiden sich εὐρύς und εὖρος nur im Anlaut. Auszugehen ist von idg. *u̯r̥rú-s, *u̯éros-, die eigentlich gr. *ϝαρύς, *ϝέρος hätten ergeben müssen; vgl. βαρύς = aind. gurú-, aw. gouru-. Entweder enthält εὐρύς ein prothetisches schwundstufiges *ἐ-ϝρύ-ς (vgl. aw. uru- in urv-āp- ‘mit weitem Wasser’ aus *u̯ru-); oder es steht mit Metathese für ein sekundär hochstufiges *ϝερύς (nach dem primären Komparativ, aind. várī-yān ‘breiter’); auch εὖρος gegenüber aind. váras- läßt sich so erklären, falls nicht sekundär zu εὐρύς (vgl. βάρος, βάθος, τάχος usw.). Unklar ist die Grundform von toch. A wärts, B aurtse ‘breit’ (-ts(e) suffixal). — Lit. bei Schwyzer 412 A. 1; s. auch 224 A. 2 und Fraenkel IF 50, 11. Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 285. I-592-593

Εὐρυσθεύς m. König in Mykene, S. des Sthenelos und Enkel des Perseus (seit Il.). — Kurzform für Εὐρυ-σθένης (Hdt. usw.; εὐρυ-σθενής Beiwort des Poseidon u. a. seit Il.); vgl. den Vaternamen Σθένελος. Einzelheiten bei Boßhardt Die Nom. auf -ευς 124. I-593

Εὐρώπη f. 1. Tochter des Phoinix (oder des Agenor) und der Telephaëssa, von Zeus in Tiergestalt nach Kreta entführt (Hes. Th. 357, Hdt. usw.); 2. geographischer Begriff, zuerst als Bezeichnung des Festlandes gegenüber Halbinseln (z. B. dem Peloponnes) und Inseln, dann als Erdteil im Gegensatz zu Kleinasien und Libyen (h. Ap. 251, Pi. N. 4, 70, A. Fr. 191, Hdt. usw.). Von 2. Εὐρωπήϊος (Hdt.), -παῖος (D. H.), -πειος (D. P.). — Unerklärt. Da die Sage von Europa und dem Stier in die mykenische Zeit hinaufzuragen scheint (vgl. Nilsson Gr. Rel. 1, 356 A. 1), liegt es nahe, auch den Namen als vorgriechisch zu betrachten (so z. B. Sommer IF 55, 185 A. 1). Indogerm. Etymologien in P.-W. s. v., 6, 1287ff., und bei Lewy Fremdw. 139f.; zuletzt bei Aly Glotta 5, 63ff. (von εὐρώς und ὤψ; im Sachlichen nicht überzeugend). Semitische Erklärung bei Lewy a. a. O. und bei Grimme Glotta 14, 17 (assyr. êrêb šamši ‘Untergang der Sonne’, aram. hebr. ‘ərā̊b ‘ds.’). I-593

εὐρώς, -ῶτος m. ‘Schimmel, Moder’, auch ‘Rost’? (Thgn., Simon., B. usw.); zur Bed. Aly Glotta 5, 63ff. Davon εὐρώεις ‘schimmelig, moderig’ Beiwort der Unterwelt (Hom., Hes. usw.), auch von πηλός (Opp.); εὐρωτιάω ‘schimmelig sein, vermodern’ (Ar., Thphr. u. a.). — Bildung wie ἱδρώς, γέλως, ἔρως usw., somit wahrscheinlich ebenfalls ursprünglicher s-Stamm (Schwyzer 514); die τ-Formen sind erst im Attischen nachweisbar. Eine befriedigende Etymologie ist noch nicht gefunden. Von Brugmann Griech. Gramm.3 197 A. 2 und Solmsen Unt. 123 A. 1 als *ἐ-ϝρ-ώς "Hülle(r), Decke(r)" zu aind. vr̥ṇóti ‘verhüllen, bedecken’, várṇa- ‘Farbe’ usw. (WP. 1, 280f.) gezogen; nach Thieme Studien 59 A. 2 dagegen als *ἐ-ϝρώδ-ς "Nager" zu lat. rōdere ‘nagen’. — Das mehrfach überlieferte εὐρώεις (darüber Schwyzer 527, Chantraine Formation 274) mit Schulze Q. 475f. in ἠερόεις zu ändern, liegt kein Grund vor; s. die überzeugenden Bemerkungen Solmsens, Unt. 121f.; noch weniger empfiehlt sich die Deutung ‘reich an Seelen, von Seelen bevölkert’, zu aw. urvan- ‘Seele’, urvarā ‘Pflanzen’ (Thieme 59ff.); vgl. Mayrhofer Arb. Inst. Sprachw. 4, 53. I-593-594

ἐύς, auch ἠΰς, ἠΰ (s. unten), Gen. sg. ἐῆος, ἑ-, Gen. pl. n. ἐά̄ων (am Versende, z. B. δωτῆρες ἐάων θ 325) ‘gut, wacker, (im Kriege) tüchtig’ (ep. seit Il.), nur auf Männer bezogen, nie im Fem. (s. Treu Von Homer zur Lyrik 37ff. m. Lit.); ntr. ἐΰ, εὖ ‘gut’ (A.,E. u. a.), gewöhnlich als Adverb ‘wohl’ (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied, sowohl adjektivisch wie adverbiell. Ableitung ἐυτής (cod. ἐητήςἀγαθότης H.; zum Akzent Wackernagel-Debrunner Philol. 95, 177. — Zu bemerken noch ἠέα· αγαθά H. — Die griechischen Formen bieten mehrere Einzelprobleme. Da für ἠΰς neben ἐΰς alter Ablaut (Schulze Q. 33ff.) äußerst unwahrscheinlich ist, liegt es unzweifelhaft am nächsten, die Form mit der Metrik zu verknüpfen (ἠΰς fast immer in versschließenden Ausdrücken; Schwyzer IF 38, 159ff.); analogische Einführung aus gewissen Komposita, z. B. ἠΰ-κομος, wo metrische Dehnung notwendig war, ist gewiß möglich (vgl. Leumann Hom. Wörter 317A. 107). Metrische Dehnung kann auch vermutet werden in ἐῆος für *ἐέος; gewöhnlich scheint aber ἑῆος (so meistens die Hss.) für *ἑῆο = *ἑεῖο, *ἑέο ‘sui’, von ἕ, ἑέ ‘se’ (s. d.), zu stehen; vgl. ἐμεῖο = ἐμέο von ἐμέ. Der Gen. pl. ἐάων ist wahrscheinlich von ionischen Sängern für *ἐέων eingeführt worden, weil sie gewohnt waren, im epischen Dichten -έων als Endung des Gen. pl. in der 1. Dekl. durch -άων zu ersetzen. — Zum Vergleich eignet sich einerseits heth. aššuš ‘gut, zweckmäßig, angenehm’, n. ‘Gut, Besitz, Heil’ (Friedrich IF 41, 370ff.; dazu noch hier.-heth. wa-su(-u) mit w-Vorschlag?; Kronasser Μνημης χάριν 1, 201), einerseits aind. vásu-, aw. vohu- ‘gut’, wozu noch gallische EN wie Bello-vesus und ir. feb f. ‘Vortrefflichkeit’ (idg. *u̯esu̯-), außerdem illyr. Gen. Ves-cleveses (vgl. Εὐ-κλέης, aind. vásu- śravas-). Für die letztere Alternative spricht unleugbar die weitere Verbreitung von idg. *u̯esu-; außerdem hat der Ausdruck δωτῆρες, δῶτορ ἐάων (rituelle Formel?, Shipp Studies 24) ein Gegenstück in aind. dātā́ vásūnām (woneben dā́tā vásu [Akk.]; danach δῶτορ *ἐέα?; Schwyzer IF 38, 159ff.). Immerhin fehlen sichere Spuren des Digamma (ἕτερος δὲ ἐάων Ω 528 ist jung). Natürlich ist auch mit griech. Zusammenfall von idg. *esu- und *u̯esu- zu rechnen. — Lit. bei Schwyzer 432 A. 8, 433 A. 1, 476 : 7, 574 κ; außerdem Chantraine Gramm. hom. 1, 201; 254; 274. Ältere Lit. bei Bq; dazu WP. 1, 161 und 310. — S. auch ὑγιής. I-594-595

εὐσωπία · ἡσυχία H. — Für *εὐ-σιωπ-ία; vgl. σωπάω (Pi.) = σιωπάω. Nicht mit v. Blumenthal Hesychst. 36 zu lat. sōpiō. I-595

εὖτε temporale Konjunktion ‘(sobald) als’, selten kausal ‘weil’ (ep. poet. seit Il., auch Hdt., wohl nach dem Epos; Schwyzer-Debrunner 660 A. 3, Leumann Hom. Wörter 306; zum Gebrauch bei Homer Bolling Lang. 31, 223ff.); auch komparatives Adverb ‘wie’, s. ἠΰτε. — Vielleicht mit Debrunner IF 45, 185ff. ursprünglich parataktisch exklamativ εὖ τε ‘und richtig!’. Nach Brugmann (s. Grundr.2 2 : 2, 731f.) aus ἠ oder εἰ und *υτε; s. ἠΰτε. I-595

εὐτράπελος ‘gewandt, witzig’ mit εὐτραπελία ‘Gewandtheit, witziges Wesen’ (att. hell. u. spät); denominatives Verb εὐτραπελεύομαι ‘gewandt, witzig sein’ (Plb., D. S.); auch -ίζομαι = lat. iocor (Dosith.) mit -ισμός (Et. Gud.). — Eig. ‘sich leicht wendend’, Zusammenbildung aus εὖ und τραπεῖν, -έσθαι mittels des λο-Suffixes (Schwyzer 483f., Chantraine Formation 243). Vgl. εὐτρόχαλος und εὐπέμπελος. I-595

εὐτρόχαλος s. τρέχω. I-595

εὐφρόνη poet. u. ion. f. Wort für ‘Nacht’ (Hes. Op. 560, Pi., A., Heraklit., Hdt., Hp. usw.); davon das Patronymikon Εὐφρονίδης (Epigr. Gr. 1029, 6, Kios). — Eig. ‘die Wohlwollende’ ("die Wohlwollerin"), personifizierende Substantivierung von εὔφρων; vgl. ‘Ηγεμόνη Bein. der Artemis (Kall. u. a.) und EN wie ’Ηριγόνη, ’Ηπιόνη; auch Μναμόνα (Ar. Lys. 1248) für Μνημοσύνη; δυσφρονέων (Gen. pl.) v. l. für -οσυνέων Hes. Th. 102. Vgl. Sommer Nominalkomp. 145 m. A. 1, wo die Auffassung Bechtels (Dial. 3, 299; danach Schwyzer 461, 490 und 529), εύφρόνη sei aus εὐφροσύνη gekürzt, mit Recht abgelehnt wird. — Weiteres s. φρήν. I-595

εὐχερής s. δυσχερής. I-595

εὔχομαι, Aor. εὔξασθαι, Prät. εὖκτο (s. unten) 1. ‘laut verkünden, sich rühmen, prahlen’ (ep. poet. seit Il.); 2. ‘feierlich geloben’ (ep. poet. seit Il.; auch z. B. Pl. Ph. 58b); 3. ‘flehen, beten’ (ion. att. seit Il.); oft mit Präfix, ἀπ-, ἐπ-, κατ-, προσ-, συν- u. a.; myk. e-u-ke-to (= εὔχεται), ‘erklären’. Ableitungen. 1. εὖχος ‘Ruhm’ (vgl. κλέος), vereinzelt und sekundär ‘Erfüllung eines Gebets, Erhörung’ (poet., vorw. Il.); 2. εὐχωλή ‘Verkündigung, Jubelruf, das Rühmen, Prahlerei, Gelübde, Gebet’ (vorw. ep. ion. seit Il.; auch ark. kypr., Bechtel Dial. 1, 391 und 447) mit εὐχωλιμαῖος ‘von einem Gelübde gebunden’ (Hdt. 2, 63; vgl. Chantraine Formation 49, Mélanges Maspero II 221); 3. εὐχή ‘Gelübde, Gebet’ (seit κ 526); 4. εὔγματα pl. ‘Prahlereien’ (χ 249), ‘Gelübde, Gebete’ (Trag., Kall.); vgl. ῥήματα; 5. πρόσ-ευξις ‘Gebet’ (Orph.). Verbaladj. εὐκτός ‘rühmlich’ (Ξ 98 εὐκτά n. pl.), ‘erfleht, erwünscht’ (att.); dazu ἀπ-ευκτός, πολύ-ευκτος (A. usw.); auch ἀπ-, πολυ-εύχετος (A., h. Cer. usw.) mit Anschluß an das Präsens; εὐκταῖος ‘ein Gelübde, ein Gebet enthaltend’ (Trag. usw.); εὐκτικός ‘zum Gelübde, Gebet, Wunsch gehörig’, ἡ εὐκτική (ἔγκλισις) = (modus) optativus (hell. u. spät); εὐκτήριος ‘zum Gebet gehörig’, -ιον n. ‘Gebetshaus’ (Just. usw.); zu -τικός : -τήριος Chantraine Formation 13. — Mehrdeutig ist das Vorderglied in Εὐχ-ήνωρ (Ν 663 usw.), s. Sommer Nominalkomp. 175. — Erweiterte Formen des Präsensstammes εὐχετόωντο, -τάασθαι = εὔχοντο, -εσθαι (ep. seit Il.); Erklärung strittig, s. Leumann Hom. Wörter 182ff. mit ausführlicher Behandlung, Chantraine Gramm. hom. 1, 358. — Zu εὖχος, εὐχή, εὐχωλή usw. s. Porzig Satzinhalte 231f., 235, Chantraine Formation 183, 418f.; außerdem G. Steinkopf Unters. zu d. Geschichte d. Ruhmes bei d. Griech. Diss. Halle 1937, M. Greindl Κλέος, κῦδος, εὖχος, τιμή, φάτις, δόξα. Diss. München 1938. — Das thematische Wurzelpräsens εὔχομαι ist mit aw. aoǰaite ‘feierlich verkünden, anrufen’, aind. óhate ‘sich rühmen, prahlen, loben’ identisch, idg. *éughetai oder *éughetai (mit gh > χ nach υ); offenbar ein alter Ausdruck der religiösen Sprache. Daneben das athematische Präteritum 3. sg. εὖκτο (Thebaïs Fr. 3) = g. aw. aogədā, j. aw. aoxta; auch 1. sg. εὔγμην (S. Tr. 610)?; s. die Lit. bei Schwyzer 679 A. 6. — Gegenüber eugh- oder eugh- in εὔχεται steht in lat. voveō ‘feierlich versprechen, erflehen’, aind. vāghát- ‘der Gelobende, Beter’ u. a. idg. u̯egh-; semantisch abweichend bzw. lautlich mehrdeutig sind arm. uzem ‘ich will’, y-uzem ‘ich suche’, gog ‘sage!’. — Ältere und weitere Lit. bei Bq, WP. 1, 110, W.-Hofmann s. voveō. I-595-596

εὕω, Aor. εὗσαι, auch mit Präfix ἀφ-, ἐφ-, ‘sengen’ (seit Il.). Wenige und spärlich belegte Ableitungen: εὕστρα (εὔσ-) f. ‘Senggrube’ (Ar. Eq. 1236), ‘geröstete Ährenkörner’ (PTeb. IIIa), ‘geröstete Gerste’ (Paus. Gr.); εὐστόν (εὑσ-) n. ‘gesengtes Opfertier’ (Miletos IV-IIIa); εὔσανα = ἐγκαύματα (Poll., H.). Sehr unsicher Εὖρος, s. d. — Altes Verb, das indessen im Griechischen von καίω zurückgedrängt wurde und wie andere Verba mit ευ-Diphthong (s. γεύομαι) den Ablaut einbüßte. Das thematische Wurzelpräsens εὕω ist offenbar mit lat. ūrō ‘(ver)brennen, ausdörren’, aind. óṣati ‘brennen’ identisch; es steht also mit Hauchmetathese für *εὔhω aus idg. *éus- (vgl. Schwyzer 219). Das -σ- kommt in εὐσ-τόν (mit sekundärer Hochstufe gegenüber aind. uṣ-tá- = lat. us-tus ‘gebrannt’) und in εὕσ-τρα (mit analogischem Hauch; zum τρᾱ-Suffix vgl. Schwyzer 532, Chantraine Formation 333) zum Vorschein und wurde von dort aus auf εὔσ-ανα übertragen (Stang Symb. Oslo. 2, 66). Auch sonst gibt es in mehreren Sprachen Ableger dieses Verbs (z. B. die schwundstufige german. l-Ableitung in awno. usli m., mhd. usel(e) f. ‘glühende Asche’), die aber für das Griechische ohne Belang sind; s., außer Bq, WP. 1, 111f., Pok. 347f., W.-Hofmann s. ūrō. I-596-597

εὐώνυμος ‘von gutem Namen, von gutem Ruf, berühmt’ (Hes. Th. 409, Pi., Pl. u. a.); ‘links’ (Ephesos VI-Va u. a.); τὸ εὐώνυμον (κέρας) = ‘der linke Flügel’ (Hdt., Th., X.). — Euphemistischer Ersatz der älteren σκαιός, λαιός, auch ἀριστερός; s. Chantraine Μνήμης χάριν 1, 61ff. — Vgl. ὄνομα. I-597

εὐωχέω, -έομαι, Aor. -ῆσαι, -ηθῆναι, -ήσασθαι ‘gut bewirten’, Med.-Pass. ‘sich sättigen, schmausen, gut bewirtet werden’ mit εὐωχία ‘das Bewirten, das Schmausen’ (ion. att.); συνευωχέομαι ‘zusammen schmausen’ (Arist. usw.). Danach δυσωχεῖν· δυσχεραίνειν H. Dehnstufiges Deverbativum vom intr. εὖ ἔχω ‘ich befinde mich wohl’ mit kausativer Bedeutung (vgl. Schwyzer 720). — Weil dieser Ausdruck als eine Einheit aufgefaßt wurde, trat bei dem abgeleiteten εὐωχέω auch eine grammatische Univerbierung ein; dabei konnten Bildungen wie εὐπορέω (von εὔπορος) als Vorbilder dienen. I-597

ἐφέται m. pl. 1. ‘Befehlshaber’ (A. Pers. 79 [lyr.]); gewöhnlich 2. Benennung eines Richterkollegiums in Athen (att.). Davon ἐφετμή, meist im Plur. ‘Befehl, Gebot’ (ep. poet. seit Il.); vgl. ἐρέτης : ἐρετμόν und Schwyzer 493, Chantraine Formation 149; auch Brugmann Grundr.2 2 : 1, 254 und Porzig Satzinhalte 85. — Im Sinn von ‘Befehlshaber’ von ἐφίεμαι ‘auftragen, befehlen’; als richterlicher Ausdruck wohl von ἐφίημι = ‘etw. über jmdn. verhängen’. Ältere, verfehlte Deutungen bei Bq. I-597

ἔφηλις, -ίς, Gen. -ιδος, -ίδος, pl. auch -εις, ion. ἔπηλις (nach Hdn. Gr. 1, 91 barytoniert), -ιδος f. technischer Ausdruck unsicherer Bedeutung, etwa ‘Nietnagel’?; nach H. ἐφήλιδες· περόναι, ἔπηλις· τὸ πῶμα τῆς λάρνακος (S. Fr. 1046, hell.); gewöhnlich übertr. als Benennung eines Ausschlags (Nik.), in dieser Bed. meistens im Plur. (Hp., Thphr., Dsk. u. a.), auch als ‘Sommersprossen’ erklärt und mit ἥλιος sekundär verbunden (= αἱ τοῦ ἡλίου ἐπικαύσεις H.). — Zum ι(δ)-Stamm s. Schwyzer 450, 464f., Chantraine Formation 113f. — Wegen der unklaren Bedeutung morphologisch mehrdeutig. Prinzipiell sind drei, oder sogar vier Erklärungen möglich. 1. Als Hypostase von ἐφἥλου (ὤν): a) ‘was auf einem ἧλος (‘Nagel, Pflock’) befindlich ist’; b) ‘oberer (Teil eines) ἧλος’. 2. Bahuvrihi: ‘mit einem ἧλος versehen’. 3. Postverbal von ἐφηλοῦν ‘annageln, festmachen’: ‘das Angenagelte, Festgenagelte’; vgl. ἔφηλος· ὁ ἡλωμένος Suid. S. auch zu ἔφηλος. I-598

ἔφηλος Adj. ‘mit einem ἧλος versehen’, von Menschen (und Augen?), die an einer gewissen Augenkrankheit leiden (LXX, Kall. Fr. anon. 106, Ael.); davon ἐφηλότης f. N. der betreffenden Krankheit (S. E.). — Von ἧλος im Sinn von ‘warzenähnlicher Auswuchs, Schwiele o. ä.’; vgl. Strömberg Wortstudien 93, Forster ’Επίχρυσος 44; dazu H.: ἔφηλος· ... ἐφήλιδας ὡς ἥλους ἔχων εἰς τὴν ὄψιν (die Glosse ist teilweise verdorben). Vgl. ἔφηλις. I-598

ἐφιάλτης, -ου — Keine annehmbare Etymologie. Schon von den Alten wurde die Benennung des Alpdrucks, die offenbar als ursprünglicher Dämonenname mit dem mythischen Namen identisch ist (vgl. Nilsson Gr. Rel. 1, 226), mit ἐφάλλομαι ‘auf jmdn. zuspringen’ verknüpft; vgl. ἐφιάλτης· ὁ ἐπιπηδῶν H. und Fraenkel Nom. ag. 1, 33A. 1. Die Erklärung, die lautlich nicht glatt ist (Leumann Hom. Wörter 80 A. 45; s. auch Schwyzer-Debrunner 465 A. 9 mit abweichender Auffassung), muß als Volksetymologie betrachtet werden. Die Vermutung Leumanns a. a. O. (mit Meister Dial. 1, 117), ἐφιάλτης wäre aus >ἠπίαλος Ben. eines Fiebers über ἐπίαλος, ἐπιάλτης nach ἐφάλλομαι volksetymologisch umgestaltet, ist indessen wegen der abweichenden Bedeutung wenig glaubhaft. Den PN ’Εφιάλτης will Leumann vom Dämonennamen trennen und auf ἐπ-ιάλλειν beziehen. — Die Form ἠπιάλης, -όλης beruht auf Vermischung mit ἠπίαλος, s. d. Andere volksetymologische Umbildungen (ἐφέλης, ἐπωφέλης usw.) bei H. s. ἐπιάλης; ungenügende Erklärungsversuche von Fick KZ 45, 56f. (s. auch Bechtel Dial. 1, 120 und M. Schmidt zur H.-stelle). auch ἐπιάλτης (Alk. bei Eust. 1687, 52); in derselben Bedeutung auch ἠπιάλης, Akk. -ητα (Sophr.), ἠπιόλης (Hdn. Gr.). Myk. E-pi-ja-ta? m. (Phryn. Kom., Dsk. u. a.), ‘Alpdruck’; — ’Εφιάλτης (’Επι-) 1. mythischer EN, Sohn des Aloeus (od. des Poseidon) und der Iphimedeia, wegen seiner ungeheuren Größe und Stärke berühmt (Ε 385, λ 308, Pi. P. 4, 89); 2. PN (Hdt. usw.). Davon ἐφιαλτικός ‘von Alpdruck leidend’ (Mediz.) und die Pflanzennamen ἐφιάλτιον, -τία (Ps.-Dsk., Aët. u. a.; wegen des prophylaktischen Gebrauchs, Strömberg Pflanzennamen 90). I-598-599

ἐχεπευκής Beiwort von βέλος (Α 51, Δ 129), von σμύρνα bzw. ῥίζα (Nik. Th. 600 und 866), von ἀϋτμή (Orph. L. 475). Daneben περιπευκής (Λ 845), ebenfalls von βέλος, und ἐμπευκής (Nik. Al. 202), von ὀπός. — Verbales Rektionskompositum (Schwyzer 441) von ἔχειν und einem Nomen, das zunächst als *πεῦκος anzusetzen ist, aber auch einer anderen Stammklasse angehören könnte (Schwyzer 513; vgl. auch Chantraine Formation 426). Es hat jedenfalls in πεύκη ebenso wie in πευκεδανός und πευκάλιμος nahe Verwandte. Die u. a. von Eust. angegebene Bedeutung ‘bitter’, die auch bei Nik. zutage tritt, ist offenbar aus ‘scharf, stechend’ o. ä. übertragen. Eig. Bedeutung von ἐχε-πευκής somit wahrscheinlich ‘mit einer Spitze versehen’; außergriechische Beziehungen s. πεύκη. — Ältere Deutungen bei Bq; s. auch Bechtel Lex. s. v. m. Lit. Verfehlt Sturtevant ClassPhil. 3, 435ff. I-599

ἐχέτλη f. ‘Pflugsterz, Pflug’ (Hes. Op. 467, A. R., D. S. u. a.); nach H. auch ‘Pflugeisen’ und ‘Furche’ (καὶ ἡ αὖλαξ καὶ ἡ σπάθη τοῦ ἀρότρου). Davon ἐχετλήεις ‘zum Pflugsterz gehörig’ (AP), ἐχετλεύειν· ἀροτριᾶν H. — Für sich steht ἐχέτλιον etwa ‘Fischbehälter’ (Nik. Th. 825). Verbalnomen von ἔχειν, aus *ἐχέ-θλη dissimiliert (vgl. γενέ-θλη u. a.; Chantraine Formation 375, Schwyzer 262 und 533). — Ein keltisches Wort für ‘Pflugsterz’, kymr. haeddel, mbret. haezl, weicht nur im Vokalismus ab (urkelt. *sagedlā, aus idg. *seĝhedhlā?, s. Pedersen Vergl. Gramm. 1, 39). — Die ιο- Ableitung ἐχέτλιον setzt eine unabhängige Bedeutungsentwicklung des zugrundeliegenden Verbalnomens voraus. I-599

ἐχθές ‘gestern’ s. χθές. I-599

ἐχθοδοπέω nur im Aor. ἐχθοδοπῆσαι (Α 518) ‘sich bei jmdm. verhaßt machen, mit jmdm. verfeinden’; daneben ἐχθοδοπός ‘verhaßt, feindselig’ (S. u. Ar. in lyr. u. a.). — Der Bildung nach an οἰνοχοέω usw. erinnernd (Schwyzer 726), scheint ἐχθοδοπέω ein Nomen ἐχθοδοπός vorauszusetzen, das, obwohl tatsächlich vorhanden, wegen des späteren Erscheinens eher als postverbale Wiederbelebung des verschollenen Grundwortes zu betrachten ist. Wenn für ἐχθοδαπός (Pergam. IIp; hier wohl Neubildung für ἐχθοδοπός; unbefriedigend s. ἐκτός) stehend (äolisch?), ist es mit ποδαπός, ἀλλοδαπός u. a. zu vergleichen. Grundwort somit ἐχθός ‘draußen’, ἐχθο-δοπός eig. ‘draußen befindlich, fremd’, ἐχθοδοπέω eig. ‘sich jmdm. entfremden’? Vgl. Leumann Hom. Wörter 158 A. 1 m. Lit.; s. auch ἔχθος. — Bechtel Lex. s. v. vergleicht κυδοιδοπᾶν (Ar. Pax 1152, Nu. 616) ‘Verwirrung machen’ und setzt, wenig überzeugend, ein Verb *depō unbekannter Bedeutung an. I-599-600

ἔχθος n. ‘Haß, Groll’ (ep. poet. seit Il., auch Hdt., Th. u. a.). Als Hinterglied in φιλ-εχθής ‘der zum Haß neigt’ (Theok. 5, 137), gewöhnlich eher mit ἔχθομαι, ἀπ-εχθάνομαι zu verbinden, so sicher in ἀπεχθής, s. unten. Daneben ἐχθρός ‘verhaßt’ (so immer Hom.), ‘gehäßig, verfeindet’, m. ‘Feind’ (seit Hes. und Pi.); dazu die primären ἐχθίων, ἔχθιστος (seit A. bzw. Il.); ἔχθρα, ion. -ρη f. ‘Haß, Feindschaft’ (ion. att., Pi.; zur Bildung Chantraine Formation 226). — Verba. 1. ἔχθομαι, nur Präsensstamm, ‘verhaßt sein’ (poet. seit Od.), Akt. ἔχθω ‘hassen’ (Trag.); 2. ἀπ-εχθάνομαι (seit β 202), Aor. ἀπ-εχθέσθαι (seit Il.), Fut. ἀπ-εχθήσομαι (Hdt. usw.), spätes Präsens ἀπ-έχθομαι (Theok., Lyk. u. a.) ‘sich verhaßt machen’ mit ἀπεχθής ‘verhaßt’ (S., D. u. a.), ἀπέχθεια ‘das Verhaßtsein, der Haß’ (att.), ἀπέχθημα ‘Gegenstand des Hasses’ (E. Tr. 425; vgl. Chantraine Formation 177f.) u. a.; 3. ἐχθαίρω, Aor. ἐχθῆραι, auch mit ἀπ-, ὑπερ-, συν-, ‘hassen’ (vorw. poet. seit Il.); 4. ἐχθραίνω, Aor. ἐχθρᾶναι (X., Ph. usw.) ‘feind sein, hassen’ mit ἔχθρασμα· ἔχθρα H.; 5. ἐχθρεύω ‘feind sein’ (LXX, Phld.). — Das Verhältnis der obigen Wörter zueinander ist nicht immer klar. Offenbar sind ἐχθραίνω und ἐχθρεύω späte Ableitungen von ἐχθρός; das viel ältere ἐχθαίρω ist ebenfalls als Denominativum von ἐχθρός unmittelbar verständlich (Schwyzer 725). Auch ἀπ-εχθάνομαι könnte an und für sich mit r:n-Wechsel zu ἐχθρός in Beziehung stehen (Benveniste Origines 16); es liegt indessen weit näher, darin eine Nasalerweiterung von ἔχθομαι, ἀπ-εχθέσθαι zu sehen (Schwyzer 700, Chantraine Gramm. hom. 1, 315f.; zur konfektiven Aktionsart ebd. m. Lit.). In ἔχθομαι will Schwyzer 725 eine Rückbildung aus ἐχθαίρω finden; es reiht sich aber ungleich besser an ἔχθος wie z. B. σθένω an σθένος (Schwyzer 723). — Schwieriger ist die Beurteilung von ἔχθος und ἐχθρός, die zueinander stehen wie αἶσχος : αἰσχρός, κῦδος : κυδρός u. a. Wenn es erlaubt ist, von ἐχθρός auszugehen und ἔχθος einschließlich ἔχθομαι, ἐχθίων, ἔχθιστος als Neubildungen etwa nach Muster von κυδρός, κυδίων, κύδιστος, τὸ κῦδος zu beurteilen, kann man ἐχθρός an lat. extrā ‘draußen’, exterus ‘außen befindlich’, somit auch an ἐχθός = ἐκτός ‘draußen’ anknüpfen (Leumann Hom. Wörter 158 A. 1 mit Keil Hermes 25, 601, s. auch Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 30; dagegen Wackernagel KZ 31, 41 = Kl. Schr. 1, 720); ἐχθρός wäre somit eig. ‘außen, in der Fremde befindlich, Fremdling, Feind’; vgl. lat. hostis. Abgesehen von der weit ausgesponnenen analogischen Reihe, die natürlich Bedenken erregen kann, wäre gegen diese verlockende Erklärung in semantischer Hinsicht höchstens einzuwenden, daß ἔχθος, ἔχθομαι, wie anscheinend ursprünglich auch ἐχθρός, eher den Haß als die Feindschaft bezeichnen. — Weitere, ältere und jüngere Lit. bei Bq, Seiler Steigerungsformen 77f., WP. 1, 116, W.-Hofmann s. ex, Pok. 292f. Neuer Versuch von Čop KZ 74, 225f. I-600-601

ἔχιδνα f. ‘Viper, Otter’ s. ἔχις. I-601

ἐχῖνος m. ‘Igel’, auch ‘Seeigel’ und übertr. als Fachausdruck in verschiedenen Berufssprachen, z. B. ‘Gefäß’, insbes. ‘Gefäß zur Aufbewahrung gerichtlicher Dokumente’, ‘der dritte Magen der Wiederkäuer’, ‘der gerundete Teil des dorischen Säulenkapitells’ (ion. att.). Als Vorderglied u. a. in ἐχινομήτρα ‘die größte Art des Seeigels, Echinus melo’ (Arist.; vgl. Strömberg Wortstudien 23). Ableitungen. Deminutiva: ἐχινίς ‘Gefäß’ (Hp.), -ίσκος ‘ds.’, auch ‘Ohrhöhle’ (Poll.); ἐχίνιον Pflanzenname (Dsk.); ἐχινέα, -ῆ ‘Igelhaut’ (Hdn.), auch Gefäßname (Delos IIIa); ἐχινέες m. pl. eine Art libyscher Stachelmäuse (Hdt. u. a.); ’Εχῖναι od. -άδες f. pl. Ben. einer Inselgruppe im Ionischen Meere (seit Β 635); — ἐχινώδης ‘igelhaft’ (Arist., Str.). — Wahrscheinlich von ἔχις ‘Schlange’ mit suffixalem -ῑνο- (Chantraine Formation 204, Schwyzer 191 m. A. 2), also eig. "Schlangentier" = "Schlangenfresser" (Schulze bei Lohmann Gnomon 11, 407) als Tabuwort für χήρ (s. d.). Ein n-Suffix erscheint auch in dem ablautenden arm. ozni ‘Igel’ (idg. *oĝh-ī̆n-i̯o-, evtl. -ē̆n-i̯o-); daneben mit -l- germ., z. B. ahd. igil aus urg. *eʒīla-, das allenfalls für idg. *eĝhīno- (= ἐχῖνος) mit Suffixvertauschung stehen kann (nach Specht Ursprung 351 A. 1 alter Wechsele. Das Baltisch-Slavische hat eine i̯o-Ableitung, z. B. lit. ežỹs, skr.-ksl. ježь, idg. *eĝhi̯o-. Unsicher bleibt die Beurteilung von phryg. εξις (= εζις?). — Reiche Lit. bei Vasmer Russ. et. Wb. 1, 392, u. a. Specht KZ 66, 56f. (wo auch Lit.), Ursprung 39; auch WP. 1, 115, Pok. 292; ältere Lit. auch bei Bq. I-601

ἔχις, -εως m. (f.) ‘Viper, Otter’ (att.). Davon das Deminutivum ἐχίδιον (Arist.) und die Pflanzennamen ἔχιον (Dsk.; wegen der Ähnlichkeit der Frucht mit einem Schlangenkopf, Strömberg Pflanzennamen 54), ἐχίειον (Nik.); ferner ἐχιῆες pl. = ἔχεις (Nik. Th. 133, nur metrische Variante?; vgl. auch Boßhardt 148); ἐχῖτις f. N. eines Steins (Plin. u. a., nach der Farbe; vgl. Redard Les noms grecs en -της 54). — Fem. ἔχιδνᾰ ‘Viper, Otter’ (ion. att. seit Hes. Th. 297), wohl ια-Ableitung von *ἐχιδνός (Schwyzer 475 m. Lit.; dazu Specht Ursprung 229 und 377), mit ἐχιδν-αῖος und -ήεις (hell. u. sp. Dichter). — Wenn die oben gegebene Herleitung von ἐχῖνος richtig ist, muß ἔχις ein palatales ĝh enthalten. Die anklingenden Wörter für ‘Schlange’, aind. áhi- = aw. aži- ebenso wie arm. iž, sind dann mit ὄφις zu verbinden. Auch kymr. euod ‘Schafwürmer’, euon ‘Pferdewurmer’ dürften zu ὄφις gehören (Pedersen Vergl. Gramm. 1, 99, Lewis-Pedersen 29, Pok. 44; anders Fick 2, 27). — Vgl. auch ἔγχελυς. I-601-602

ἐχυρός ‘haltbar, fest, sicher’ (Th., X. usw.) mit ἐχυρότης ‘Haltbarkeit usw.’ (Ph. u. a.), ἐχυρόω ‘befestigen’ (Phot., Suid.). Komp. ἐν-έχυρον n. ‘Pfand, Unterpfand’ (ion. att.), Hypostase aus ἐν ἐχυρῷ; davon ἐνεχυράζω ‘ein Pfand nehmen’ mit ἐνεχυρ-ασία, -ασμα, -αστής u. a.; auch ἐνεχυρόω mit -ωμα. Daneben ὀχυρός ‘ds.’ (Hes., A., E., X. u. a.), mit Kompositionsdehnung ἀν-ώχυρος ‘unfest, unbefestigt’ (X. Ages. 6, 6, SIG 569, 7; IIIa; vgl. Frisk Adj. priv. 9); davon ὀχυρότης (Plb. u. a.), ὀχυρόω (X., Arist., Plb. u. a.) mit ὀχύρ-ωμα, -ωμάτιον, -ωσις, -ωτικός. — Ein anklingendes Wort bietet das Aind. in sáhuri- etwa ‘siegreich, stark’ (RV); ein alter u(s)-Stamm ist auch im Germ., z. B. ahd. sigu m. ‘Sieg’ zu verspüren. Neben dem verbauten u-Stamm in ὀχυ-, ἐχυ-ρ-ός steht der neutrale s-Stamm in aind. sáhas- ‘Kraft, Macht, Sieg’, got. sigis ‘Sieg’, idg. *séĝhos- (wäre gr. *ἔχος); hierzu kommt das Adv. ὄχ-α ‘weitaus’ (vgl. ταχύς : τάχα u. a.; Schwyzer 622f.). — Der Wechsel ὀχ- : ἐχ- kann alter Ablaut sein (Schmidt KZ 32, 353), aber sekundäre Angleichung an ἔχω ist auch möglich. — Weiteres s. ἔχω. I-602

ἔχω 1. auch ἴσχω, Aor. σχεῖν, ἔσχον, Fut. ἕξω, σχήσω (seit Il.), Perf. Akt. ἔσχηκα (Pl. Lg. 765a), Med. ἔσχημαι, Aor. Pass. ἐσχέθην (spät), myk. e-ke (= ἔχει) usw. ‘besitzen, (zurück-)halten, haben’, Aor. ‘erobern, in Besitz nehmen’, intr. ‘sich verhalten’, Med. ‘sich (fest)halten usw.’; sehr oft mit Präfix in verschiedenen Bedeutungen, ἀν-, ἀπ-, ἐξ-, ἐπ-, κατ-, μετ-, προσ-, συν- usw. Als Vorderglied in mehreren Rektionskompp., z. B. ἐχέ-φρων, ἐχ-έγγυος, ἐχεπευκής (s. d.), ἐκεχειρία (s. d.); auch ἰσχέ-θυρον u. a. (hell.); vgl. Schwyzer 441; als Hinterglied z. B. in προσ-, συν-εχής mit προσ-, συν-έχεια. Ableitungen. 1. Von der ε-Stufe (= Präsensstamm): ἔχμα ‘Hindernis, Stütze, Schutzwehr’ (ep. seit Il.) mit ἐχμάζω (H., Sch.; vgl. ὀχμάζω unten); myk. e-ka-ma?; ἕξις ‘Haltung, Zustand usw.’, oft in Ableitungen von Präfixkompp., z. B. πρόσ-, κάθ-εξις von προσ-, κατ-έχειν (ion. att.); davon (προσ-, καθ-) ἑκτικός (s. auch s. v.); ἑξῆς s. bes.; ἐχέ-τλη, -τλιον s. bes.; ἕκτωρ ‘der Halter’ (Lyk. 100; auch Pl. Kra. 393a als Erklärung des EN [s. d.]; Sapph. 157 als Bein. des Zeus); ἐχυρός s. bes. Zusammenbildung aus εὖ ἔχειν : εὐεξία ‘Wohlbefinden’ (ion. att.; Gegensatz καχεξία von κακῶς ἔχειν) mit εὐέκ-της, -τικός, -τέω, auch -τία (Archyt.); retrograde Bildung εὔεξος· εὐφυής H. (nicht mit Schwyzer 516 σο-Suffix). 2. Vom reduplizierten Präsens (vgl. unten): ἰσχάς f. ‘Anker’ (S. Fr. 761, Luk. Lex. 15); erweiterte Formen ἰσχάνω, -νάω (ep. seit Il.). 3. Von der Schwundstufe (= Aoriststamm): σχέσις ‘Zustand, Beschaffenheit, Verhältnis, das Zurückhalten’ (ion. att.), oft in Ableitungen von Präfixkompp., z. B. ἀνά-, ἐπί-, ὑπό-, κατά-σχεσις von ἀνα-σχεῖν, -έσθαι usw.; σχῆμα (vgl. σχ-ήσω) ‘Haltung, Gestalt, Erscheinung’ (ion. att.; Schwyzer 523); sekundär σχέμα (H.) > lat. schĕma f. (Leumann Sprache 1, 206); davon σχηματίζω mit σχημάτ-ισις, -ισμός usw.; Verbaladjektiv ἄ-σχετος ‘nicht zu halten, unwiderstehlich’ (ep. seit Il., poet. u. spät); von virtuellen Verbaladjektiva gehen auch aus die Abstraktbildungen ἐπισχεσίη ‘das Verhalten, der Vorwand’ (φ 71), ὑποσχεσίη ‘das Versprechen’ (Ν 369, A. R., Kall.), vgl. Schwyzer 469, Holt Les noms d’action en -σις 86f.; hierher noch *σχερός (s. ἐπισχερώ), σχεδόν, σχέτλιος, σχολή, σκεθρός (s. bes.); vgl. auch ἰσχύς. 4. Von der o-Stufe: ὄχοι m. pl. ‘Halter, Bewahrer’ (λιμένες νηῶν ὄχοι ε 404); ὀχός ‘fest, sicher’ (Ph. Byz.), sonst in Verbaladjektiva zu den Präfixkompp. wie ἔξ-, κάτ-, μέτοχος (von ἐξ-έχειν usw.); ὀχή f. ‘das Halten, Stütze’ (Kall., Lyk., Ath.); zu den Präfixkompp. συν-, μετ-, ἐξ-, ἐπ-οχή usw. (von συν-έχειν usw.); ὀχεύς "Halter", ‘Helmriemen, Gurtspange, Türriegel usw.’ (seit Il.; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 30, wo auch ὀχεύω ‘bespringen’ usw. angereiht wird; vgl. s. v.); ὄχανον ‘Schildhalter’ (Anakr., Hdt. u. a.), auch ὀχάνη (Plu.; vgl. Chantraine Formation 198); ὀχυρός, s. ἐχυρός; ὄχμος ‘Festung’ (Lyk.), ὄχμα· πόρπημα H.; dazu ὀχμάζω ‘festhalten’ (A., E.); Adv. ὄχα ‘weitaus’ (ὄχἄριστος Il. u. a.), ἔξοχα ‘voraus’ (~πάντων usw.; Il. usw.). 5. Reduplizierte Bildung: ἀν-οκωχή s. bes.; auch (ἐν) συνεοχμῷ?; s. d. 6. Kompositionefle Dehnung: εὐωχέω, s. d. — Zu συνοκωχότε (Β 218) s. bes. — Das thematische Wurzelpräsens ἔχω, woneben mit Reduplikation ἴ-σχ-ω (aus *ἵ-σχ-ω, (σ)ί-σχ-ω), hat eine genaue Entsprechung in aind. sáhate ‘bewältigt, besiegt’ (= ἔχεται, idg. *séĝhetai); dagegen steht der schwundstufige Aorist ebenso wie die übrigen Verbalformen isoliert (g. aw. zaēma nicht = σχοῖμεν, s. Humbach Münch. Stud. 10, 39 A. 12). Die starke Entwicklung der Wortgruppe im Griechischen geht mit dem Bedeutungs- und Funktionsfeld Hand in Hand; vgl. Meillet ’Αντίδωρον 9ff., Porzig Gliederung 115f. Anderseits fehlt im Griechischen der neutr. s-Stamm aind. sáhas- ‘Gewalt, Stärke, Sieg’, aw. hazah- ‘ds.’, got. sigis (vgl. zu ἐχυρός). Die Wortsippe ist auch im Keltischen vertreten, z. B. mit den gallischen Namen Σεγο-δουνον, Sego-vellauni (s. auch zu ἐχέτλη); sie wird auch in alteuropäischen Flußnamen vermutet, z. B. *Segia > Seye, *Segontia > Sionce, s. Krahe Beitr. z. Namenforschung 5, 103f., Hubschmid Vox Romanica 3, 64f. — Ältere Lit. und weitere Formen bei Bq s. v., WP. 2, 481f., Pokorny 888f. I-603-604

ἔχω 2. nur in pamph. ϝεχέτω, kypr. Aor. ἔϝεξε (auch pamph. ἰσ-ϝέξε̄?). ‘hintragen, darbringen’ Davon ἔχεσφιν· ἅρμασιν H., auch ὄχος ‘Wagen’, ὄχλος, ὀχετός, ὀχέω s. dd. — Altes, im Griechischen absterbendes Verb, das in der Mehrzahl der idg. Sprachen Vertreter hat. Zu den griech. Formen finden sich mehrere Gegenstücke: ϝεχέτω = lat. vehitō; entsprechende thematische Wurzelpräsentia sind noch aind. váhati = aw. vazaiti = lat. vehit ‘führt, fährt’ (idg. *u̯éĝheti), lit. vežù = aksl. vezǫ = lat. vehō; zu ἔϝεξε stimmt bis auf die im Griechischen verlorengegangene Dehnstufe (Schwyzer 751) die alten s-Aoriste lat. vēxī, aksl. věsъ, aind. ávākṣam. — Weiteres s. ὄχος. I-604

ἑψία, -ίη f. ‘Vergnügung, Spiel’ (S. Fr. 3, Nik. Th. 880); als Hinterglied in φιλ-έψιος (Kom.), ὁμ-έψιος (AP u. a.). Auch n. pl. ἕψεια· παίγνια H., ἕψια (EM). Postverbal von ἑψιάομαι, -άσασθαι, auch mit ἀφ-, ἐφ-, καθ-, ‘sich vergnügen, spielen’ (ep. seit Od.; vgl. Wackernagel Unt. 46f.). Daneben, wahrscheinlich durch Wegfall des anlautenden Vokals (Strömberg Wortstudien 45), ψιάδδειν = παίζειν (Ar. Lys. 1302 [lyr.], H.), ψιά· χαρά, γελοίασμα, παίγνια H. — Bildung wie die "Krankheitsverba" auf -ιάω (Schwyzer 732); sonst dunkel. Veraltete Hypothesen sind bei Bq notiert. I-604

ἕψω, Aor. ἑψῆσαι, Fut. ἑψήσω (ion. att.), Perf.ἥψηκα (Ph.); dazu vereinzelt neue Präsentia ἑψέω, -άω; auch mit Präfix, z. B. ἀφ-, συν-, ‘kochen, sieden’ (ion. att.). Davon ἕψημα ‘das Gekochte, Gericht, Suppe’ (ion. att.) mit ἑψηματώδης (Dsk.), hell. ἕψεμα (LXX; vgl. Schwyzer 523), ἕψησις ‘das Kochen’ (ion. att.); ἑψητήρ, -τήριον, -τής, -τικός (hell. u. spät); ἑφθός ‘gekocht’ (ion. att.; dazu ἄπ-εφθος u. a.), ἐψητός ‘ds.’, auch Fischname (Ar., X. u. a.; vgl. Strömberg Fischnamen 89), ἑψανός ‘gekocht, zum Kochen geeignet’ (Hp. u. a.), ἑψαλέος ‘ds.’ (Nik.; nach ὀπταλέος [Hom.] u. a.); auch ἑψέϊνα n. pl. Bed. unklar (PLond. 3, 1177, 217; IIp). — Aus ἄπεφθος ngr. ἀπόχτι (über ἀπόφθι(ον)) ‘vertrocknete Speise’ (Kreta), ‘Pökelfleisch’ (Kypros), s. Hatzidakis Glotta 3, 72f.; aus ἑφανός ngr. ψανός ‘der geröstet wird’, ψάνη ‘Weizen’, s. Georgakas ByzZ 41, 380f. — Kann von arm. epem ‘kochen’ nicht getrennt werden. Da arm. p‘ kaum (mit Pedersen KZ 39, 428) idg. ps vertreten kann, müßte bei ungestörter Lautentwicklung idg. *seph- angesetzt werden, das im Griechischen eine s-Erweiterung erhalten hätte (Schwyzer 706). Das neugeschaffene (familiäre?) graeco-armenische Wort hat das alte πέσσειν (s. d.) im Sinn von ‘kochen’ zurückgedrängt. Vgl. Porzig Gliederung 156. Ein anderer Ausdruck für ‘sieden, kochen’ ist ζέω, s. d. I-604-605

ἕως 1. -ω, ion. (auch hell. und spät) ἠώς, -οῦς, dor. ἀϝώς, ἀϝώρ, Gen. ἀϝῶ, äol. αὔως f. ‘Morgenröte, Tagesanbruch’ (seit Il.). Als Vorderglied in ἑωσ-φόρος, dor. ἀωσ-φόρος ‘Bringer der Morgenröte, Morgenstern’ (Ψ 226, Pi. I. 4 (3), 24 u. a.); dazu Wackernagel Unt. 100ff., wo hom. ἑωσ-φόρος als ep. Attizismus erkannt wird; s. noch Chantraine Gramm. hom. 1, 72 und (mit unwahrscheinlicher Hypothese) Schwyzer 440 A. 8. Ableitungen. ἑώϊος, ἑῷος, ἠοῖος, ἠῷος (dazu Wackernagel Unt. 106f.) ‘morgendlich, östlich’ (seit Il.), ἕωλος ‘zur Morgenröte gehörend, übernächtig, abgestanden’, von Lebensmitteln usw. (att. usw.; zum pejorativen λ-Suffix Chantraine Formation 239); Adv. ἕωθεν, ep. ἠῶθεν, dor. ἀῶθεν ‘vom Morgen an, frühmorgens’ (seit Il.) mit ἑωθινός ‘morgendlich’ (Hdt., Hp., att.; vgl. Wackernagel Unt. 104 m. A. 1, Schwyzer 490); hom. ἠῶθι in ἠῶθι πρό etwa ‘früh morgens’; Erklärung unsicher, vgl. Schwyzer 628 A. 6 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 246. — Die Barytonese in ἕως gegenüber ἠώς will Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 49ff. (= Kl. Schr. 2, 1151ff.) ansprechend auf das geläufige ἕωθεν zurückfuhren, wo sie regelmäßig eintrat (Schwyzer 383). Die Aspiration kann wie in εὕω auf Hauchversetzung beruhen (Schwyzer 219; nach Sommer Lautstud. 11f. dagegen von ἑσπέρα). — Urgr. *ἀ̄ϝώς kann für *ἀ̄υhώς aus idg. *āusṓs stehen und ist dann mit lat. aurōr-a bis auf die sekundäre a-Erweiterung (vgl. flōs : Flōr-a) identisch. Daneben mit Tiefstufe aind. uṣā́s- f. ‘Morgenröte’ aus *usṓs. Ein mit diesem fem. s-Stamm korrespondierender r-Stamm, idg. *āus-r-, us-r-, erscheint in αὔριον (s. d.) mit ἄγχ-αυρος ‘dem Morgen nahe’ (A. R. 4, 111; wohl Rückableitung, vgl. zu βίβλος), in lit. aušr- ‘Morgenröte’, aind. usr-- ‘morgendlich’, uṣar-búdh- ‘bei der Morgenröte erwachend’. Von den übrigen sehr zahlreichen Verwandten seien noch erwähnt aksl. za ustra ‘am Morgen’, germ., z. B. ahd. ōst(a)ra, -ūn ‘Ostern’, die ebenfalls auf den r-Stamm zurückgehen (dazu noch Ausdrücke für ‘Osten’ usw., z. B. ahd. ōstar ‘nach Osten’, lat. Auster, -tri ‘Südwind’). — Eine alternierende Hochstufe, idg. *u̯es-r-, bieten z. B. aind. vasar-hā́ (RV. 1, 122,3), vom Winde, Bedeutung unklar, vāsar-- ‘morgendlich’, kelt., z. B. mir. fāir ‘Sonnenaufgang’, idg. *u̯ōsr-i-. Zu diesen Nomina gesellt sich im Indoiranischen ein primäres schwundstufiges sḱ-Präsens, aind. uccháti = aw. usaiti ‘leuchtet auf (vom Morgen)’, idg. *us-sḱ-éti, wozu der hochstufige athematische Wurzelaorist aind. a-vas-ran. Unsicher dagegen heth. uškizzi (= usketsi) ‘er sieht’ von dem primären auš-zi ‘er sieht’, 2. sg. autti (= au-ti). — Weitere Formen mit Lit. WP. 1, 26f., W.-Hofmann 1, 86 u. 87, Pok. 86f.; außerdem Burger REIE 1, 447ff. Vgl. noch ἠϊκανός. I-605-606

ἕως 2. ep. ἧος (geschr. εἵως, ἕως), äol. ἆος, dor. ἇς Konj. ‘so lange als, (so lange) bis’ (seit Il.), Hom. auch demonstr. ‘eine Zeitlang’ (wohl elliptisch); Präp. m. Gen. (selten Akk.) ‘bis’ (hell. und spät). — Aus urgr. *ἇϝος und mit dem aind. Relativum yā́vat ‘wie weit’ bis auf den unklaren Endkonsonanten identisch (darüber Schwyzer 409f. und 528 m. Lit., dazu noch Szemerényi Glotta 35, 94f.). — Zum Gebrauch von ἕως Schwyzer-Debrunner 550, 650, 657. Vgl. τέως und 1. ὅς. I-606

ζά äolische Form von διά, meistens verstärkend in ep. Kompp. wie ζαής (s. d.), ζά-θεος ‘sehr göttlich, hochheilig’, ζά-κοτος ‘sehr zornig’, Ζά-λευκος PN. — Weil für ζα- unter unklaren Bedingungen δα- eintrat, findet sich durch umgekehrte Schreibung bzw. Aussprache auch ζα- für erwartetes δα-, z. B. in ζά-πεδον für δά-πεδον, ζα-κόρος für *δα-κόρος, wohl auch in ζακρυόεις; s. dd. — Schwyzer 330f., Schwyzer-Debrunner 449, Chantraine Gramm. hom. 1, 169; weitere Lit. bei Risch Mus. Helv. 3, 255 A. 2. I-606

ζάγκλη f. (Nik. Al. 180), ζάγκλον n. (Th. 6, 4, Kall. Aet. Oxy. 2080, 73) ‘Sichel’; davon ζάγκλιον = σκολιόν nach Str. 6, 2, 3. Ζάγκλη auch N. einer Stadt in Sizilien (später Μεσσήνη), nach der sichelähnlichen Form. des Hafens (Th. 6, 4); davon Ζαγκλαῖοι ‘Bewohner der Stadt Z.’ (Hdt. u. a.). — Sizilisches Wort (Th. a. a. O.) ohne Etymologie. Nach Niedermann (s. W.-Hofmann s. falx) ligurisch und mit dem aus dem Ligurischen entlehnten lat. falx am nächsten verwandt. I-606

Ζαγρεύς m. N. eines alten Gottes, wahrscheinlich der Unterwelt, später mit Dionysos identifiziert (Alkmaionis Fr. 3, A. Fr. 228, E. Fr. 472, 11 u. a.); auch Ζαγραῖος (Orph. Fr.210; Lit. bei Kern z. St.). — Wenn zum Gebirgsnamen Ζάγρος (Kleinasien), ist Ζαγρεύς ohne Zweifel vorgriechisch (vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 60 A. 1). Vgl. andrerseits ζάγρη· βόθρος, λάπαθον (‘Fallgrube für Tiere’) H., das sich als Rückbildung aus dor.-nordwestgr. *ζᾱγρέω = ζωγρέω (zum Lautlichen Schwyzer 250) allenfalls erklären ließe (ähnlich Chantraine angef. Arb. 44 A. 1). Ein überzeugendes Benennungsmotiv für den Gott Ζαγρεύς bleibt indessen bei dieser Anknüpfung noch zu finden; ein Versuch in dieser Richtung bei Boßhardt Die Nom. auf -ευς 99f. Jedenfalls nicht mit v. Wilamowitz Glaube 1, 250 (nach Hoffmann Dial. 2, 237 und Et. Gud. 227, 37) aus ζ-αγρεύς = *δι-αγρεύς als "der vollkommene Jäger". — Zu Ζαγρεύς noch Nilsson Gr. Rel. 1, 686 A. 1. I-607

ζάδηλος Beiwort von λαῖφος (Alk. 18, 7), — wahrscheinlich = διά-δηλος ‘durchsichtig’ = ‘durchlöchert’ (vgl. zu δῆλος) mit Wackernagel Glotta 14, 52 (= Kl. Schr. 2, 860), wo auch gegen Anknüpfung an δηλέομαι. I-607

ζάει · βινεῖ. καὶ πνεῖ. Κύπριοι H. — In der erstgenannten Bedeutung nach Kretschmer KZ 31, 383 aus idg. *gi̯ā́-i̯ei als Denominativum von *gi̯ā́ = aind. jyā́ neben βίᾱ (aus *gíi̯ā) ‘Gewalt’ (s. auch βινέω), was ja ein sehr hohes Alter und frühe Lostrennung von βία voraussetzt. — Im Sinn von πνεῖ kann ζάει für ζάη = *δι-ά(ϝ)η, von ἄ(ϝ)ημι, mit thematischer Flexion stehen. Hoffmann Dial. 1, 114, Solmsen KZ 34, 557, Schwyzer 659. I-607

ζᾱής, Akk. -ῆν (zur Erklärung Chantraine Gramm. hom. 1, 209), Gen. -οῦς (AP 9, 290) ‘heftig wehend’ (ep. seit Il.). — Aus *δι̯α-αής, Zusammenbildung aus διά und ἄημι mit Kontraktion oder Verlängerung des ᾱ nach δυσ-ᾱής (s. d.). I-607

ζακόρος (wohl richtiger als ζάκορος; vgl. die Erklärung unten) m. f. ‘Tempeldiener(in)’ (att. Inschr. seit Va, Hyp., Men. usw.); ὑπο-ζακόρος f. ‘untergeordnete Tempeldienerin’ (Hdt. u. a.), ἀρχι-ζακόρος ‘Obertempeldiener(in)’ (Laodikeia). Davon ζακορεύω, ὑπο- ~ ‘Tempeldiener usw. sein’ (Delos, Theben). — Hieratischer Fachausdruck. Das semantisch verwandte und formal ähnliche νεω-κόρος ‘Tempelwärter’ macht eine Zerlegung in ζα-κόρος sehr wahrscheinlich, wobei ζα- für δα- eingetreten sein kann (vgl. zu ζά) wie in ζά-πεδον für δά-πεδον; ζα-κόρος somit eig. s. v.a. "Hauskehrer" (vgl. zu κορέω)? Solmsen IF 31, 453ff. — Seit dem Altertum gewöhnlich aus *δια-κορος erklärt; vgl. insbesondere διά̄-κονος. Das Wort muß sowieso aus dem Äolischen stammen, vgl. Solmsen a. a. O. I-607-608

ζακρυόεις Beiwort von θάνατος (Alk. Supp. 12, 8 = LP B 2a 8), wohl für δακρυόεις ‘tränenreich’ mit gleichzeitiger Beziehung auf κρυόεις; — vgl. zu ζά und Risch Mus. Helv. 3, 253ff. I-608

ζάλη f. ‘Wirbelsturm, Wasserstrudel, Regenguß’ (Pi., Trag., Pl. u. a.), ζάλος ‘Wasserstrudel’ (Nik. Th. 568 u. a.). Davon denom. Ptz. ζαλόωσα (χάλαζα, Nik. Th. 252). Ob hierher auch ζάλακες· ἐχῖνοι H.? — Poetisches Wort ohne Etymologie. Hypothese bei Bq (zu δίνη usw.); vgl. auch Schwyzer 331. Im Neugr. mit σάλος vermischt; vgl. Hatzidakis IF 36, 301 und ’Αρχ. 28, 3ff.; anders Kretschmer Glotta 11, 236 (mit Hatzidakis): ngr. ζάλος aus ζᾶλος (= ζῆλος), etwa nach σάλος oder mit altem Ablaut. I-608

ζάπεδον = δάπεδον (Xenoph., Paros). S. ζά und ζακόρος. I-608

ζαχρηής ‘heftig anstürmend, ungestüm’ (Il.; immer im Plur. am Versanfang), (auch -χρει- geschr.) -ές (Nik. Th. 290; Versanfang), -ᾱής (Epic. in Arch. Pap. 7, 6 Fr. 3 V. 1). — Aus verstärkendem ζα- (= δια-) und einem wahrscheinlich zum Aor. ἔχρᾰ(ϝ)ον ‘überfiel, bedrängte’ gehörigen Hinterglied. Wenn man die überlieferten -ηεῖς, -ηῶν durch ζαχρᾰέες, -αέων ersetzt (vgl. noch ζαχράσεις· ἐξαπιναίους H. für -αέας?), erhält man bei anlautendem Daktylos unmittelbaren Anschluß an dem schwundstufigen Aorist. Sonst ist von einem damit verwandten hochstufigen Nomen *χρῆϝος (*χρᾶϝος) oder von einer ebenfalls hochstufigen Verbform auszugehen. — Bechtel Lex. s. v. m. Lit., Brugmann IF 11, 287ff., Chantraine Gramm. hom. 1, 41. Ältere Lit. auch bei Bq und WP. 1, 647. I-608

ζάψ f. ‘Brandung, Wasserstrudel’ (hell. Dichtung). — Expressives Wort, wahrscheinlich durch Kreuzung aus ζάλη und λαῖλαψ entstanden. Anders Grošelj Živa Ant. 4, 170. I-608

*ζάω s. ζώ-ω. I-608

ζειαί f. pl. ‘Dinkel, Spelt, Triticum monococcum’ (Od., vereinzelt bei Hdt., Kom., X. u. a.), hell. und sp. auch sg. ζειά (Thphr. u. a.), ζεά (ζέα), -η (Pap. IIIa, D. H.; Dsk. und Gal. als v. l.). Als Vorderglied in ζεί-δωρος ‘Spelt (Getreide) gebend’ (ep. poet. seit Il.; von ἄρουρα u. a.), ζεό-πυρον n. ‘Art Triticum’ (Gal.); als Hinterglied in φυσί-ζοος ‘Getreide hervorbringend’ (Hom., Orac. ap. Hdt. 1, 67; von αἶα u. a.), Οἰσε-ζέα PN (lesb.). Sowohl als Vorder- wie als Hinterglied wurden ζει-, -ζοος schon früh (Emp., A. u. a.) auf ζῆν, ζωή bezogen und als ‘lebenspendend’ verstanden. Davon ζῆνος = ζέϊνος ‘aus Spelt’ (Pap. IIa)? — Offenbar zu aind. yáva-, aw. yava- m. ‘Getreide, Gerste, Hirse’, lit. pl. javaĩ ‘Getreide’, sg. jãvas ‘Getreideart’. Wenn der Diphthong in ζειαί echt ist, hat man von urgr. *ζεϝ-ι̯ᾰ auszugehen (Sommer Lautstud. 153f. mit vielen Vorgängern, s. Schulze Q. 288 A. 4) und somit eine ιᾰ-Ableitung des in aind. yáva- usw. vorliegenden idg. *i̯eu̯o- anzusetzen. Die monophthongischen Formen wären dann sekundär. Wenn dagegen ζειαί mit metrischer Dehnung für ζε(ϝ)αί steht (wobei die epische Orthographie bei diesem seltenen, mutmaßlich rein literarischen Wort beibehalten wurde), stimmt das griech. Wort bis auf den Stammauslaut (nach ὄλυραι, κριθαί?) zu dem indoiranischen und litauischen Wort. Auch das Hinterglied -ζο(ϝ)ος (mit regelmäßiger ο-Abtönung) spricht gegen eine ι̯ᾰ-Ableitung. Das Vorderglied ζει- kann für ζε(ϝ)ε- stehen, wenngleich der Kompositionsvokal -ε- auffällt (vgl. die seltenen Fälle bei Schwyzer 438, dazu die Lit. bei WP. 1, 203; das ebd. erwogene *ζεϝι- leuchtet nicht ein); es fügt sich dann gut zu ζε(ϝ)αί. Vgl. noch δηαί. — Ältere Lit. bei Bq und WP. a. a. O.; dazu Pok. 512, Bechtel Lexilogus s. ζείδωρος, Chantraine Gramm. hom. 1, 31. I-608-609

ζεύγνυμι, -ύω, Aor. ζεῦξαι, Pass. ζυγῆναι, ζευχθῆναι, Fut. ζεύξω, Perf. Pass. ἔζευγμαι (seit Il.), Perf. Akt. ἔζευχα (Philostr.) ‘zusammenjochen, anspannen, vereinigen’; oft mit Präfix, ἀνα-, ἀπο-, δια-, ἐπι-, κατα-, συ-, ὑπο- u. a. Ableitungen. 1. ζεῦξις ‘das Anspannen, die Überbrückung’ (Hdt.), oft zu den Präfixkompp., z. B. σύ-, διά-, ἐπί-ζευξις (ion. att.). 2. ὑπο-, ἀνα-, παρα-, ἀπο-ζυγή usw. (seit Va), als Simplex nur Pap. (IV-VIp) im Sinn von ‘Paar’. 3. ζεῦγμα ‘zusammenjochender Gegenstand, Schiffsbrücke, Schleusenjoch usw.’ (Th., E., Plb. usw.) mit ζευγματικόν ‘Gebühr für Durchfuhr eines Schiffes durch das Schleusenjoch’ (Pap.). 4. ζεύγλη ‘Teil des Joches’ (‘Jochkissen, Kummet’?, vgl. Delebecque Cheval 60 und 179) usw. (seit Il.; vgl. unten). 5. ζεῦγος, s. bes. 6. ζυγόν, s. bes. 7. -ζυξ, s. ζυγόν. 8. ζευκτήριος ‘zum Verbinden geeignet, verbindend’, n. ‘Joch’ (A. u. a.), ζευκτηρίαι pl. ‘Taue zum Festbinden des Steuerruders’ (Act. Ap. 27, 40); später 9. ζευκτήρ ‘Verbinder’ (J.), f. -ειρα (Orph.); vgl. Chantraine Formation 45, 62f. und unten. 10. (δια- usw.) ζευκτικός (hell. u. spät). 11. ζευκτός (Str., Plu. u. a.; vgl. unten). — Dem athematischen νυ-Präsens ζεύγνυμι (mit sekundärer Hochstufe; vgl. zu δείκνυμι) entsprechen in anderen Sprachen teils Formen mit innerem Nasal, aind. yunák-ti ‘schirrt an, verbindet’ (athem.), lat. iung- (them.), lit. jung-iù (Jotpräs.) ‘ds.’, teils nasallose Formen, aw. yaog-ət_ (3. sg. Prät., athem.), yuǰ-yeite (3. sg., schwundstufiges Jotpräs.). Auch die übrigen griech. Formen zeigen bis auf den Aorist ἐζύγην und das Nomen -ζυγή Hochstufe, so nicht nur das Futurum und der σ-Aorist (vgl. dazu Schwyzer 751) ebenso wie das späte Nom. ag. ζευκτήρ (= aind. yoktár-), sondern auch die σι-(τι-)Ableitung ζεῦξις und das späte Verbaladj. ζευκτός (gegenüber aind. (prá-)yukti-, yuktá-). — Die λ-Ableitung in ζεύγ-λη ist ohne geschichtlichen Zusammenhang mit lat. iŭgulum ‘Schlüsselbein am Halse, Kehle’ und aind. yúgalam ‘Paar’; dagegen kann sie mit dem σ-Stamm in ζεῦγος (s. d.) alternieren. Vgl. noch ζυγόν. I-609-610

ζεῦγος n. ‘Gespann, (zweispänniges) Fuhrwerk, Paar’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ζευγο-τρόφος ‘ein Gespann haltend’ (att. Inschr. IVa u. a.), ζευγ-ηλάτης ‘Lenker eines Gespanns’ (S., X. u. a.). Ableitungen. ζευγεύς in myk. ze-u-ke-u-si Dat. pl., Bed. unsicher, vgl. ζευγίτης, f. -τις ‘Besitzer eines Gespanns’, Ben. einer der solonischen Klassen (Arist. u. a.), auch ‘im Gespann gehend’ usw. (hell.); vgl. Redard Les noms grecs en -της 28 und 111; davon ζευγίσιον ‘Steuer der ζευγῖται’ (Arist.). ζευγίον ‘Türfeld’ (hell. Inschr.); ζευγίς f. ‘Strick’ (Pap.). Denominatives Verb ζευγίζω ‘zusammenjochen, vereinigen’ (LXX, Pap.). — Der Plur. ζεύγεα, -γη ist mit lat. iūgera, -um (sek. sg. iūgerum), mhd. jiuch ‘ein Morgen Landes’ formal identisch. Zur Bedeutung vgl. nhd. Joch, Juchert als Ackermaß; also eig. ‘soviel Land ein Gespann an einem Tage umzuackern vermag’. — Neben dem s-Stamm, idg. *i̯éugos- (wovon noch alat. pl. iouxmenta > iūmenta, sg. -um ‘Gespann’), steht ein l-Stamm in ζεύγ-λη (s. ζεύγνυμι); vgl. zu ἔταλον. — Weiteres s. ζεύγνυμι und ζυγόν. I-610

Ζεύς, böot. lak. usw. Δεύς, Vok. Ζεῦ, Gen. Δι(ϝ)ός, Dat. (Lok.) Δι(ϝ)ί, Dat. auch Διϝεί (z. B. Διϝεί-φιλος; myk. di-we?), Akk. Ζῆν, seit Hom. auch Δί-α, Ζῆν-α mit Ζην-ός, -ί; Nom. Ζήν (A. Supp. 162 [lyr.]; oder Vok.?), Ζάν (Pythag., Ar.), Ζάς (Pherek. Syr.), Gen. Ζανός (Inschr. Chios IVa [? ] u. a.); weitere Formen mit Belegen bei Schwyzer 576f., Leumann Hom. Wörter 288ff. und in den Wörterbüchern. m. Als Vorderglied in Univerbierungen wie Διόσ-κουροι (Gen.; auch Διεσ-κουρίδου [Priene u. a.]), Διϝεί-φιλος (Dat.), Stammform z. B. in διο-γενής; dazu noch Ζηνό-δοτος (für Διόσ-δοτος) u. a.; als Hinterglied in ἔνδιος, εὐδία, s. dd.; vgl. auch zu αὐτόδιον. Ableitung δῖος, s. bes. — Alte Benennung des Himmels, des Himmelsgottes, des Tages, insbes. im Altindischen, Griechischen und Italischen, wohl auch im Hethitischen erhalten, u. z. mit mehreren sich genau deckenden Formen: Ζεύς = aind. dyáuḥ ‘Himmels(gott), Tag’, lat. wahrscheinlich in nu-diūs tertius ‘(es ist) jetzt der dritte Tag’, d. h. ‘vorgestern’, idg. *d(i)i̯ēus; dazu noch heth. *šiuš, šiun(i)- ‘Gott’; sehr fraglich dagegen russ. doždь ‘Regen’ s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v.; Ζεῦ πάτερ = lat. Iūpiter, Ζῆν = aind. dyā́m, lat. diem (wozu als neuer Nom. diēs, Diēspiter; vgl. noch illyr. Δειπάτυρος); die übrigen Cas. obliqui, Διϝ-ός, -εί, -ί, Δία stimmen zu aind. diváḥ, divé, diví, dívam (teilweise parallele Neubildungen). Neu für das Griechische sind Ζῆν-α (nach Δί-α?) mit Ζηνός, -ί; Zusammenhang mit idg. *din- ‘Tag’ in lat. nun-dinae ‘Markttag’, aind. madhyán-dinam ‘Mittag’ u. a. (nach einer Vermutung von Kretschmer Glotta 14, 303f. auch Τιν-δαρίδαι) ist (trotz Kretschmer a. a. O. und Glotta 30, 93ff.) nicht vorhanden. — Das α in Ζάς, Ζάν, Ζανός hat sich von dem elischen Olympia aus in die Fremde verbreitet, s. Leumann Hom. Wörter 288ff. (nach Kretschmer Glotta 17, 197) und Fraenkel Gnomon 23, 373. — Nach allgemeiner Annahme liegt in idg. *d(i)i̯ēus ein Nomen agentis des in aind. dī́-de-ti ‘scheinen’, gr. δέατο (s. d.) enthaltenen Verbs ‘scheinen, hell glänzen, leuchten’ vor; *d(i)i̯ēus somit eig. "der Glänzende, der hell Aufleuchtende"? Beachtenswerte Einwände von Wackernagel BerlAkSb. 1918, 396ff. (= Kl. Schr. 1, 315ff.), Nilsson Gr. Rel. 1, 391. Neben Ζεύς usw. steht ein altes Appellativum für ‘Gott’ in aind. deváḥ = lat. deus = lit. diẽvas u. a., idg. *deiu̯os; eig. "der Himmlische, caelestis" als Ableitung vom Nomen für ‘Himmel’, nicht von einem Verb ‘scheinen, glänzen’. — Lit. (außer Bq und WP. 1, 772ff.) W.-Hofmann s. diēs, Fraenkel Lit. et. Wb. s. diẽvas, Wackernagel-Debrunner Aind. Gramm. 3, 219ff., Mayrhofer Wb. s. dyáuḥ. Vgl. auch Τευδάρεως und Τινδαρίδαι. I-610-611

ζέφυρος m. ‘Westwind’, auch personifiziert (Hom., Arist. u. a.). Als Hinterglied in ’Επιζεφύριοι Λοκροί Ben. der westlichen (italischen) Lokrer (Hdt. usw.), auch ἐπι-ζέφυρος ‘gegen Westen liegend, westlich’ (hell. Ep.); beide Hypostasen aus ἐπὶ ζέφυρον; φιλο-ζέφυρος ‘den Westwind liebend’ (AP). Ableitungen: ζεφύριος ‘zum Westwind gehörig, westlich’ (Od., Arist. usw.); in derselben Bedeutung auch ζεφυρ-ικός (Arist., Thphr.), -ήϊος, f. -ηΐς (Nonn.), -ίτης, -ῖτις, auch von Ζεφύριον ἄκρον in Unterägypten als N. der Aphrodite (Kall. u. a.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 112, 146, 209); Patronymicum Ζεφυρίδης (Thasos; Bechtel Dial. 3, 140). — Nach aller Wahrscheinlichkeit mit Buttmann Lexilogus4 114 A. 4 zu ζόφος ‘Dunkel, Westen’. Der verbaute υ-Stamm in ζέφυ-ρος kann zu einem σ-Stamm *ζέφος (vgl. das synonyme δνόφος : ἰο-δνεφής) in Beziehung stehen; unwahrscheinliche weitere Vermutungen bei Loewenthal WuS 10, 186. — Ältere, verfehlte Deutungen sind bei Bq notiert. I-611

ζέω, Aor. ζέ(σ)σαι (seit Il.), späte Formen ζέννυμι (zu ζέσαι nach σβέσαι : σβέννυμι u. a.), ἔζεσμαι, ἐζέσθην, auch mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἀπο-, ἐκ-, ἐπι-, ὑπερ-, ‘wallen, sieden, kochen’ (fast nur intr.; vgl. Brunel Aspect verbal 198f.). Ableitungen, auch von den Präfixkomposita: (ἀνά-, ἔκ-, ὑπέρ-)ζέσις ‘das Sieden, das Wallen’ (Pl., Arist. usw.; vgl. Holt Les noms d’action en -σις 53, 163); (ἐπί-, ἀπό-)ζέμα ‘das Kochen, Dekokt’ (LXX, Mediz.), auch ἀπό-ζεσμα ‘ds.’ (PHolm.); ἔκ-ζε(σ)μα ‘Ausschlag, Exzem’ (Mediz.); ἀνά-ζεσμος ‘das Aufwallen’ (Aët.); Verbaladj. (ἔκ-, ὑπέρ)ζεστός ‘gesotten, siedend, heiß’ (Arist., Str. usw.) mit ζεστότης ‘Hitze’ (Paus.). Mit Ablaut, aber trotzdem wohl späte Bildung: ζόη· τὸ ἐπάνω τοῦ μέλιτος H., nach Eust. 906, 52 ‘Gischt, Schaum auf der Milch’. — Das thematische Wurzelpräsens ζέω aus *ζέσ-ω (vgl. ζεσ-τός, ζέσ-μα) ist mit aind. yasati (Gramm.) ‘sprudeln, sieden’, germ., z. B. ahd. jesan ‘gären, schäumen’ identisch; idg. -i̯ésō. Daneben im Aind. das Jotpräsens yás-ya-ti und das reduplizierte yéṣati (aus ya-iṣ-); eine Verquickung dieser beiden Bildungen scheint in aw. yaēš-ya- (Ptz. Akk. sg. f. yaēšyantīm) ‘sieden’ vorzuliegen. Das Verb ist auch im Tocharischen vorhanden, A ysäṣ (Präs. Ind. 3. sg.; Stamm yäs-), B yayāsau (Ptz. Prät.) ‘sieden’; hinzu kommt nach Mann Lang. 28, 38 alban. ziej (idg. *i̯esei̯ō); das Keltische steuert einige Nominalbildungen bei, z. B. gallo-rom. *i̯estā ‘Schaum’, kymr. ias ‘Sieden, Schäumen, Kochen’. Lit. mit weiteren Formen bei Bq, WP. 1, 208, Pok. 506. — Ein anderer Ausdruck für ‘sieden, kochen’ mit weit beschränkterer Verbreitung ist ἕψω (s. d.); vgl. noch πέσσω. I-612

ζῆλος, dor. ζᾶλος (spät auch n.; vgl. ὄνειδος, μῖσος u. a.; dazu Schwyzer 521, Schwyzer-Debrunner 38) m. ‘Eifer, Nacheiferung, Eifersucht, Neid, Begeisterung’ (seit Hes. Op. 195). Als Vorderglied namentlich in ζηλό-τυπος ‘vom Eifer geprägt, eifersüchtig’ mit -τυπέω, -τυπία (att.); oft als Vorderglied, z. B. ἄ-, κακό-ζηλος, dor. Πολύ-ζαλος PN. Ableitungen: ζηλήμων ‘eifersüchtig, neidisch’ (ε 118, Kall., Opp. u. a.; nach den Adj. auf -ήμων, vgl. Chantraine Formation 173; anders Specht KZ 59, 51) mit ζηλημοσύνη (Q. S.); ζηλαῖος ‘ds.’ (AP); ζηλοσύνη = ζῆλος (h. Ap. 100; vgl. Porzig Satzinhalte 227); ζήλη f. ‘Nebenbuhlerin’ (X. Eph. 2, 112, Aristaenet. 1, 25 codd.). Denominative Verba: 1. ζηλόω ‘nacheifern, beneiden, bewundern, glücklich preisen’ (ion. att. seit Hes. Op. 23) mit ζήλωσις ‘Nachahmung, Neid’ (Th. usw.), ζήλωμα ‘Nacheiferung, nachgeeiferte Lage, Glück’ (E., D. usw.), ζηλωτής ‘Nacheiferer, Bewunderer’, "Zelot" (att., hell. u. spät), -ωτικός ‘nacheifernd’ (Arist. u. a.); 2. ζᾱλέω ‘für etw. eifern’ (Delphi Ia); 3. ζηλεύω = ζηλόω (Demokr. 55 [v. l.], Simp. in Epikt. [VIp]), -ευτής (Eust.). — Wahrscheinlich zu ζητέω (und ζημία?, s. d.), δίζημαι (s. d.); weitere Beziehungen gänzlich unsicher. Allerlei Hypothesen bei Bq, WP. 1, 775 und Pok. 501. I-612-613

ζημία, dor. ζᾱμία f. ‘Verlust, Einbuße, Buße, Strafe’ (ion. att.). Als Hinterglied in ἀ-, ἐπι-ζήμιος (-ᾱ-) u. a. Davon ζημιώδης ‘schädlich, nachteilig’ (Pl., X.) und das Denominativum ζημιόω ‘schädigen, bestrafen’ (ion. att.) mit ζημίωμα ‘Strafe, Züchtigung, Verlust’ (Pl., X. usw.), -ωσις ‘Bestrafung’ (Arist.), -ωτής ‘Henker’ (Eust., Sch.), -ωτικός ‘einer ζ. unterworfen’ (Vett. Val.). — Erklärung unsicher. Vielleicht mit Sommer Lautstud. 157f. als ζη-μία zu ζῆλος, ζητέω, δίζημαι (s. dd.); zu ζῆλος ‘Eifer’ : ζημία ‘Strafe’ vgl. ags. anda ‘Eifer’, ahd. antōn ‘ahnden, strafen’. Nicht besser Kuiper Glotta 21, 281f. (zu aind. dīná-, gr. δειλός [s. d.]; idg. dei̯ā-). I-613

ζῆτα n. (Pl. u. a.) der sechste Buchstabe des griech. — Alphabets, aus dem Semitischen, u. zw. zunächst aus hebr. zajit, aram. zētā (Lewy Fremdw. 169f.; s. noch die Lit. bei Schwyzer 140 A. 4). Die geläufige Annahme, ζῆτα wäre aus hebr. zajin nach βῆτα, ἦτα, θῆτα umgebildet, ist jedenfalls nicht notwendig. I-613

ζητέω (seit Ξ 258), Aor. ζητῆσαι, ζητηθῆναι (ion. att.), Perf. ἐζήτηκα (Din.); dor. Ptz. ζάτεισα (Theok. 1, 85) ‘aufsuchen, forschen, sich bemühen, streben’, oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐπι-, συ-ζητέω. Daneben ζητεύω (Hes., h. Hom.), ζατεύω (Alkm.). — Ableitungen: (ἀνα-, ἐκ-, ἐπι-, συ-)ζήτησις ‘das Aufsuchen, Untersuchung, Erwägung’ (ion. att.) mit ζητήσιμος (X.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 63); (ἐπι)ζήτημα ‘Untersuchung, Forschung, nachgeforscht er Gegenstand’ (ion. att.) mit ζητημάτιον (Arr., Lib.), ζητηματικός (Sch.); (ἐκ-, συ-)ζητητής ‘Forscher’, im Plur. Ben. einer richterlichen Behörde in Athen (att.) mit (ἐπι-, συ-)ζητητικός ‘zum Untersuchen geneigt usw.’ (att.). — Zu ζητήρ, ζητρός s. bes. — Bildung wie αἰτέω, δατέομαι, ἀρτάω usw. (Schwyzer 705f.) und somit zunächst auf einen nominalen τ-Stamm zurückgehend; vgl. bes. ark. ζατός (IG 5 : 2, 4, 22). Das primäre Verb ist in dem reduplizierten δίζημαι vorhanden (Sommer Lautstud. 157f.); s. d. und ζῆλος, auch ζημία. — Ältere Lit. bei Bq. I-613

Ζητήρ (für Ζατήρ) · Ζεύ<ς> ἐν Κύπρῳ H.; ζήτωρ in ζητόρων· ζητούντων. γράφουσι δὲ ἔνιοι ζητητόρων H. (Phot.); ζητρόν· τὸν δημόκοινον (‘Henker’) H. mit ζατρεύω· ἐν μυλῶνι βασανίζω EM 408, 12 und ζητρεῖον· τὸ τῶν δούλων κολαστήριον (H., Phot., Kom., Herod.; nach Hdn. Gr. 1, 372, 7; 515, 24 ζήτρειον); weitere Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 1, 144f. Vielleicht primäre Ableitungen von ζη- (ζα-) in δί-ζη-μαι; Lit. bei Bq und Schwyzer 263. — Nach Anderen (Brugmann-Thumb 161 m. Lit.) haplologisch für ζητη-τήρ, -τρός usw.; dagegen bes. Solmsen IF 14, 435 A. 1. I-613-614

ζιγγίβερι n. (Dsk., Gal.), -ις m. f. (Edict. Diocl.) ‘Ingwer’. — Aus mind. (Pāli) siṅgivera- ‘ds.’, aind. śr̥ṅgavera- n. (wahrscheinlich falsche Sanskritisierung). I-614

ζίγγος · ὁ τῶν μελισσῶν ἦχος, ἢ τῶν ὁμοίων H. — Onomatopoetisch; vgl. Schwyzer 331. Nach v. Blumenthal IF 49, 179f. als makedonisch zu got. siggwan ‘singen’ usw. — Dazu wohl auch ζιγγόω ‘trinken’ (Nikostr. Kom. 38; kilikisch); nach dem zischenden oder schlürfenden Laut. I-614

ζιγνίς, -ίδος f. Art Eidechse (Arist. HA 604b 24; mehrere vv ll.). — Unerklärt. I-614

ζιζάνιον n. ‘Lolch, Lolium temulentum’ (Ev. Matt. 13, 25, Gp., EM). — Fremdwort, vgl. Lewy Fremdw. 52. Strömberg Wortstudien 43f. erinnert an den Pflanzennamen ζάνη (Σαρδιανή; Hippiatr.) und an ἁμαζανίδες· αἱ μηλέαι H. I-614

ζίζυφον n. ‘Brustbeerbaum, Rhamnus jujuba’ (Colum., Edict. Diocl., Gp.). — Herkunft unbekannt. Aus dem Griech. stammt u. a. frz. jujube (woraus mlat. jujuba), vielleicht auch syr. zūzfā; s. Sommer Lautstud. 154, W.-Hofmann s. jujuba. I-614

ζόφος m. ‘Dunkel, Finsternis, Westen’ (ep. poet. seit Il., hell. u. spät). Als Vorderglied z. B. in ζοφο-ειδής ‘dunkelfarbig’ (Hp.). Ableitungen: ζοφερός ‘dunkel, finster’ (Hes., Hp., Arist. usw.), ζοφώδης ‘ds.’ (Hp., Arist. u. a.), auch ζόφιος (AP), ζόφεος (v. l. Nik. Al. 501). Denominatives Verb ζοφόομαι, -όω ‘dunkel werden, verdunkeln’ (AP, Hld.) mit ζόφωσις (Sch.). Mit ζέφυρος (s. d.) verwandt; vgl. zu δνόφος mit weiteren Hinweisen, s. auch γνόφος. — Unwahrscheinliche Hypothesen von Vendryes REGr. 23, 74, Petersen AmJPh. 56, 59. I-614

ζύγαστρον n. ‘hölzerne Kiste, Kästchen’ (S., E., X., Delphi IV-IIIa) mit ζυγάστριον (Poll.). — Zur Bildung vgl. δέπαστρον : δέπας, κάναστρον : κανοῦν u. a. nach Muster von στέγαστρον : στεγάζω : στέγη u. a. mit Überspringung des vermittelnden Verbs (Chantraine Formation 333f.), somit eher direkt von ζυγόν als von *ζυγάζω, wohl nach dem verbindenden oder verschließenden Querholz ("παρὰ τὸ ἐζυγῶσθαι" Phot.; vgl. Bechtel Dial. 2, 155). — Verfehlt Ehrlich KZ 40, 375. I-614

ζυγία f. ‘Ahorn’ (Thphr. u. a.) mit ζύγινος ‘aus Ahorn’ (Thphr.). — Eig. "Jochholz" (zur Bildung Strömberg Theophrastea 114), weil das harte Ahornholz hauptsächlich zur Herstellung von Jochen verwendet wurde (so noch heute in Unteritalien). Rohlfs WB VI und 86; s. auch Rohlfs ByzZ 37, 57, Dawkins JournofHellStud. 56, 1f. Anders Strömberg Pflanzennamen 56 (nach den paarweise sitzenden Flügelfrüchten). I-615

ζυγόν (seit Il.; hell. meist -ός m., vereinzelt wohl schon früher, s. Schwyzer-Debrunner 37 m. Lit.) n. ‘Joch’, auch übertr., z. B. von einem Querholz, von dem die beiden Schiffsseiten verbindenden Ruderbänken, von dem Waagebalken, von einem Paar, von einer Reihe oder einem Glied von Soldaten (Gegensatz στοῖχος), als Ackermaß. Oft in Kompp., z. B. πολύ-ζυγος ‘mit vielen Ruderbänken’, ζυγό-δεσμον ‘Jochriemen’ (Il. usw.), auch ζυγη-φόρος ‘jochtragend’ (A., E., analogisch-metrisch neben ζυγο-φόρος; vgl. Schwyzer 439A. 1). Zahlreiche Ableitungen: 1. ζύγιον ‘Ruderbank’ (hell.). 2. ζυγίσκον Bed. unklar (IG 22, 1549, 9, Eleusis, um 300a). 3. ζύγαινα Art Haifisch (Epich., Arist. u. a.; nach der Form des Schädels, Strömberg Fischnamen 35). 4. ζυγίς ‘Thymian’ (Dsk. u. a.; Benennungsmotiv unbekannt, Strömberg Pflanzennamen 56). 5. ζούγωνερ (= *ζύγωνεςβόες ἐργάται. Λάκωνες H. 6. ζυγίτης Ben. eines Ruderers (Sch.; Redard Les noms grecs en -της 44), f. ζυγῖτις N. der Hera als Göttin der Ehe (Nikom. ap. Phot.; Redard 209). 7. ζυγία und 8. ζύγαστρον s. bes. — Adjektiva. 9. ζύγιος ‘zum Joch gehörig usw.’ (att. usw.; auch als nautischer Ausdruck, s. Morrison Class. Quart. 41, 128ff.). 10. ζύγιμος ‘ds.’ (Plb.; s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 94). 11. ζυγικός ‘zur Waage gehörig’ (Nikom. Harm.). Adv. ζυγ-άδην (Ph.), ζυγ-ηδόν (Hld.) ‘paarweise’. — Denominative Verba: 1. ζυγόω ‘unterjochen, (durch ein Querholz) verbinden, verschließen, das Gleichgewicht halten’ (A., hell. u. spät) mit ζύγωμα ‘Verschluß, Querholz’ (Plb. u. a.), ζύγωσις ‘das Balancieren’ (hell.), *ζύγωθρον im denominativen Aor. Ipv. ζυγώθρισον (Ar. Nu. 745; Bedeutung unsicher, ‘wägen’ oder ‘verschließen’?). 2. ζυγέω ‘eine Reihe od. ein Glied bilden’ (Plb. u. a.). — Neben ζυγόν steht als Hinterglied das verbale Wurzelnomen -ζυξ, z. B. ἄ-ζυξ ‘unverbunden, unvermählt’, ὁμό-, σύ-ζυξ ‘zusammengejocht, verbunden’ (auch ἄ-, ὁμό-, σύ-ζυγος), vgl. Chantraine REGr. 59-60, 231f. — Alte Benennung eines alten Geräts, in der Mehrzahl der idg. Sprachen erhalten, z. B. heth. iugan, aind. yugám, lat. iugum, germ., z. B. got. juk, idg. *i̯ugóm; weitere Formen mit Lit. bei WP. 1, 201, Pok. 509f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. iugum. — Das Wurzelnomen -ζυξ hat Entsprechungen in lat. con-iux ‘Gattin’, auch ‘Gatte’, aind. a-yúj- ‘kein Paar bildend, ungerade’ (formal = ἄ-ζυξ bis auf den Akzent), sa-yúj- ‘verbunden, Genosse’ u. a. — Vgl. ζεύγνυμι und ζεῦγος. I-615-616

ζῦθος, Pap. fast nur ζῦτος (-ύ-) m. n. ‘ägyptisches Gerstenbier’ (Thphr., Str., D. S., Pap. usw.; die Ägypter kannten den Wein nicht, vgl. Hdt. 2, 77, A. Supp. 952f.). Als Vorderglied z. B. in ζυτο-ποιός, -έω, -ία ‘Bierbrauer, brauen, das Brauen’ (Pap.). Ableitungen: ζύθιον· ἀλφίτου πόσις H., ζυτᾶς ‘Brauer’, ζυτηρά ‘Biersteuer’, ζυτικός, n. -όν ‘ds.’ (Pap.). — Wegen der Bedeutung liegt ägyptischer Ursprung unzweifelhaft am nächsten (z. B. Sommer Lautstud. 153, Peruzzi Humanitas 1, 138f. m. Lit.). Die Ähnlichkeit mit ζύμη könnte an sich für idg. Herkunft sprechen (Schrader-Nehring Reallex. 1, 143, auch Specht Ursprung 255). I-616

ζύ̄μη f. ‘Sauerteig’ (Arist., LXX, Pap., NT). Kompp., z. B. ζυμ-ουργός ‘Bereiter von Sauerteig’ (Pap.), ἄ-ζυμος ‘ohne Sauerteig, ungesäuert’ (Pl., Hp., LXX, NT u. a.). Ableitungen: ζυμίτης (ἄρτος) ‘gesäuertes Brot’ (Kratin. 99 [?], Hp., X., LXX u. a.; Redard Les noms grecs en -της 89); ζυμώδης ‘sauerteigähnlich’ (Arist.). Denominative Verba: 1. ζυμόομαι, -όω ‘gesäuert werden; säuern, in Gärung bringen’ (Hp., LXX, Plu. usw.) mit ζύμωσις ‘Säuerung’ (Pl. Ti. 66b usw.), ζύμωμα ‘versäuerte, gärende Masse’ (Pl. Ti. 74b, Nik.); ζυμ-ωτός ‘gesäuert’, -ωτικός ‘in Gärung bringend’ (Diokl. Med.). 2. ζυμίζω ‘einem Sauerteig ähnlich sein’ (Dsk.). — Wie z. B. ἅλ-μη ‘Salzwasser, -lake’ u. a. (Chantraine Formation 148) kann auch ζύμη von einem Nomen abgeleitet sein, u. z. von einem idg. Wort für ‘Brühe, Suppe’, aind. yūṣ-, lat. iūs n., somit idg. *i̯ūs-mā (zum Lautlichen Schwyzer 333). Andere Ableitungen (bzw. Umbildungen) desselben s-Stamms sind aind. yūṣ-án- (suppletivisch), yūṣ-- ‘ds.’, lit. jū́š- ‘Fischsuppe, schlechte Suppe’, slav., z. B. russ. uch- (alter u-Diphthong) ‘Brühe, Fischsuppe’, finn.-urnord. juusto, ano. ostr ‘Käse’ (urg. *i̯us-ta-) u. a. Zugrunde liegt wahrscheinlich ein Verb der Bedeutung ‘durcheinandermengen, vermischen’, aind. yáuti, lit. jáuju, jáuti (jaũti). Weitere Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s. 2. iūs, Vasmer Russ. et. Wb. s. uchá. — S. auch ζωμός. I-616

ζωάγρια n. pl. ‘Fanggeld für einen Lebenden, Rettungslohn’ (vorw. ep. poet. seit Il.) mit ζωάγριος ‘auf Rettungslohn bezüglich’ (Babr.). — Bildung wie ἀνδρ-άγρια ‘was bei der Gefangennahme eines Mannes erlegt wird, exuviae’ (Ξ 509), μοιχ-άγρια ‘Buße des ertappten Ehebrechers’ (θ 332) u. a., s. Wackernagel KZ 33, 47 = Kl. Schr. 1, 726. Zusammenbildung aus ζωὸν ἀγρεῖν mittels des ιο-Suffixes. Aus dem letztgenannten Ausdruck erwuchs auch das Verb ζωγρέω ‘lebendig gefangen nehmen, dem Gefangenen das Leben schenken’, bei Hom. (Il.) nur Präs. ζώγρει, -εῖτε (unklar Ε 667; vgl. Nehring ClassPhil. 42, 117f.), Aor. ἐζώγρησα, -ήθην (ion. att.; Hom. dafür ζωοὺς ἕλον, ζωὸν ἕλε). — Von ζωγρέω: 1. ζωγρία, -ίη ‘das Gefangennehmen jmds. in lebendigem Zustand, das Verschonen des Gefangenen’ (Hdt., Plb., Str. u. a.) mit ζωγρίας m. ‘der lebendig gefangengenommen worden ist’ (Ktes., LXX usw.); 2. ζωγρεῖον ‘Käfig, bes. für Fische, Fischteich’ (Aq., Str., Plu. u. a.). Hierher auch ζάγρη ‘Fallgrube für Tiere’?, s. Ζαγρεύς. — Vgl. Chantraine Et. sur le vocab. grec 51. I-616-617

ζωμός m. ‘Brühe, Sauce, Suppe’ (Asios, Ar., Arist. usw.). Vereinzelt in Kompp., z. B. εὔ-ζωμον n. ‘Rauke, Eruca sativa’ (Thphr., Pap.; eig. ‘gute Brühe machend’; vgl. Strömberg Pflanzennamen 107). Ableitungen: Deminutiva ζωμίον (Pap. IIa), -ίδιον (Ar.), -άριον (Med.); ζωμίλη· ἄνηθον (‘Dill’) H., Phot. (zur Bildung Chantraine Formation 249). Denominatives Verb ζωμεύω ‘Brühe auf etw. kochen’ (Ar., Hp. u. a.) mit ζωμεύματα pl. ‘Brühen’ (Ar. Eq. 279; vgl. Chantraine 188). — Allgemein zu ζύμη und Verw. gezogen mit Ablautswechsel (u) : (Schwyzer 346), aber im Einzelnen mehrdeutig; zu dem weit überwiegend primären μο-Suffix s. Schwyzer 492, Chantraine 132ff. Anders (zu ζέω) Bréal MSL 12, 314f.; dagegen Sommer Lautstud. 153. — Vgl. zu ζύμη. I-617

ζώννυμι (-ύω), -μαι, Aor. ζῶσαι, -ασθαι (seit Il.), Fut. ζώσω, Perf. Med.-Pass. ἔζω(σ)μαι, Aor. Pass. ζωσθῆναι, Perf. Akt. ἔζωκα ‘(sich) gürten’ (vorw. hell. u. spät). Oft mit Präfix, δια-, ὑπο-, περι- u. a. Ableitungen: 1. (διά-, περί-, ὑπό-, σύ-)ζῶμα (hell. u. spät auch ζῶσμα; vgl. unten und Schwyzer 523) ‘Gürtel, Schurz’ (seit Il.) mit περιζωμάτιον ‘ds.’ (hell.) und περιζωματίας ‘einen Gurt bildend’ (vom Rotlauf; Orib.). 2. ζώνη ‘Gurt, Gürtel’, auch ‘die Weichen’ (seit Il.) mit den Deminutiva ζώνιον (Ar., Arist. u. a.), -άριον (Comm. in Arist. u. a.); ζων-ιαῖος ‘einen Gürtel messend’ (Ath. Mech.; zur Bildung Chantraine Formation 49), ζωνῖτις ‘gestreift’ (καδμεία; Dsk.); περιζώνιον, -ίδιον ‘Dolch der am Gürtel getragen wird’ (hell.). 3. ζωστήρ ‘Leibgurt’ (seit Il.; s. v. Wilamowitz Eur. Her. 313), oft übertr., auch als N. eines Vorgebirges an der Westküste Attikas (Hdt.) mit Ζωστήριος, -ια Beinamen des Apollon und der Athena (Inschr. seit Va [Athen, Delphi; v. Wilamowitz Glaube 2, 164] usw.). 4. ζῶστρα pl. ‘Gürtel’ (ζ 38), (δια-, περι-)ζώστρα f. ‘Schürze, Stirnband’ (hell.). 5. ζωτύς· θώραξ H. 6. (ἄ-, εὔ- usw.)ζωστός ‘gegürtet’ (Hes. usw.). — Das Verbaladjektiv ζωστός hat eine genaue Entsprechung in aw. yāsta-, lit. júostas, idg. *i̯ōs-tos. Daneben stehen im Baltisch-Slavischen ein Jotpräsens lit. júosiu (Inf. júosti), aksl. po-jašǫ (Inf. -jasati) ‘umgürten’, im Iranischen eine Sekundärbildung (aiwi-)yāŋhayeiti ‘ds.’ (idg. *i̯ōseieti). Ein Relikt eines athematischen Wurzelpräsens scheint in (thess.) ζούσθω· ζωννύσθω H. vorzuliegen; dazu stimmt alit. 3. sg. Präs. juos-ti. Dagegen gibt es zum geläufigen Nasalpräsens ζώννυμι aus *ζώσ-νυ-μι (zum Lautlichen Schwyzer 282 und 312) kein außergriechisches Gegenstück. — Es stimmen ferner nah zueinander ζῶμα (aus idg. *i̯ṓs-mn̥) und lit. juosmuõ ‘Lenden-, Leibgürtel’ (idg. i((ōs-mṓ[n]), ζώνη (idg. *i̯ṓs-nā) und russ.-ksl. po-jasnь ‘ds.’ (i̯ōs-ni-); dazu noch aind. rā́snā ‘Gurt’ für *yā́snā nach raśanā́ ‘Strick, Gurt’ (Wackernagel KZ 46, 272 = Kl. Schr. 1, 290)?; vgl. die Kafirformen bei Morgenstierne NTS 15, 253 und 280; dazu Mayrhofer KZ 75. — WP. 1, 209, Pok. 513, Fraenkel Lit. et. Wb. s. júosti. I-617-618

ζωρός ‘feurig, stark, unvermischt’, vom Wein (seit Ι 203). Kompp., z. B. ζωρο-πότης ‘Trinker von unvermischtem Wein’ (spät), εὔ-ζωρος ‘ganz unvermischt’ (ion. att.). — Nicht sicher erklärt. Von Solmsen IF 14, 426 mit aksl. jarъ ‘streng, herb, hart, ernst’ gleichgesetzt. Andere Hypothesen bei Sommer Lautstud. 157 (ζώ-ω, ζῆν) und WP. 1, 775 (ζῆλος, ζητέω); s. noch zu ἐπιζαρέω. I-618

ζωρυαί pl. (IG 4, 823, 46; Troizen) = διωρυγαί; — v. Blumenthal Glotta 18, 154 A. 2. Vgl. ζῶρυξ = διῶρυξ (Pap.). I-618

ζώ-ω (ep. ion. lyr.), kret. δώ-ω, att. ζῶ, ζῇς, ζῇ, ζῶμεν usw., Ipf. ἔζων (ἔζην), ἔζης, -η, Inf. ζῆν, Fut. ζήσω, -ομαι (ion. att. neben βιώσομαι), Aor. ζῆσαι, ζῶσαι (ion. für βιῶναι [seit Il.], βιῶσαι), Perf. ἔζηκα (Arist.), Ptz. ἐζωκότα (Kyzikos) für βεβίωκα (att.), vereinzelt mit Präfix, ἀνα-, δια-, ἐπι-, ‘leben’. Ableitungen: 1. ζωή, ion. poet. auch ζόη, dor. ζωά, ζόα, buk. ζοΐα (Theok.) ‘Lebensgut, Leben’ (seit Od.; vgl. Porzig Satzinhalte 299). 2. ζωός (ζοός, ζώς) ‘lebendig’ (seit Il.), oft als Vorderglied, z. B. in Ζωϝό-θεμις (Kypros Va; vgl. Masson Beitr. z. Namenforschung 8, 161ff.); davon (ἀνα-)ζωόω ‘beleben’ (Hp., hell. u. spät) mit (ἀνα-)ζώωσις (spät). 3. ζώϊον, ζῷον (wohl zunächst von ζώς; Leumann Mus. Helv. 2, 7) ‘Lebewesen, Tier’, auch ‘abgebildetes Wesen, Figur’ (ion. att.); mehrere Deminutiva: ζῴδιον ‘(kleines) Gebilde, Tier- oder Sternbild des Tierkreises’ (Hdt., Arist., hell.) mit ζῳδιακός (hell. u. spät; Scherer Gestirnnamen 43f.), ζῳδάριον ‘(kleines) Gebilde, Tierchen’ (Arist. usw.), ζῳύφιον und ζῳάριον (Ath. u. a.); Adj. ζῳώδης ‘tierähnlich’ (Demokr. usw.), ζῳικός ‘tierisch’ (Arist. u. a.). 4. ζωτικός ‘zum Leben gehörig, lebendig’ (Pl., Arist. usw.). 5. ζώσιμος ‘lebensfähig usw.’ (spät; nach βιώσιμος, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 88). 6. (ἀνά-)ζῆσις ‘das Beleben’ (Theol. Ar., Dam.). 7. ’Αζησία (S. Fr. 981), ’Αζοσία (epid.) Bein. der Demeter (?), nach Fraenkel Lexis 3, 59f. — S. βίος; weitere Hypothesen über die Bildungsweise bei Schwyzer 675 m. A. 6, 722f., 743; dazu Leroy Sprachgeschichte und Wortbed. 287f. I-618-619

ἦ 1. ‘fürwahr, gewiß, wirklich’ hervorhebende und fragende Partikel (seit Il.), gewöhnlich anderen Partikeln und Adverbien vorangestellt, z. B. ἦ ἄρα, ἦ γάρ, ἦ που, ἦ μήν, bisweilen nachgestellt: ἐπεὶ ἦ, τί (ὅτι) ἤ, (ὁ)τιή usw. — Herkunft unklar; vielleicht mit der Interjektion ἤ (s. d.) ursprünglich identisch. Nach Brugmann Grundr.2 2, 3, 983 zu aind. ā́ (hervorhebend nach Nomen und Adv.), ahd. ihh- ‘ich’, nein- ‘nein’ u. a. als mutmaßlicher Instr. sg. des Demonstrativums *e-, o- (vgl. εἰ); dazu Schwyzer-Debrunner 564 m. A. 4. I-619

ἦ 2. ‘sagte er’ s. ἠμί. I-619

ἤ 3. Interjektion des Unwillens und des Ungedulds (Ar. Nu. 105, Ra. 271, E. HF 906 [lyr.]; vgl. v. Wilamowitz z. St.); — als Elementarschöpfung wohl mit lat. - in ēcastor ‘bei Kastor’ identisch. Schwyzer-Debrunner 600 A. 4, W.-Hofmann s. ēcastor mit reicher Lit. I-619

ἤ 4. ‘oder’, auch ‘als’, ἢ .... ἤ ‘entweder .... oder’ disjunktive und vergleichende Partikel (seit Il.), aus ἠέ, ἦε (ep.) kontrahiert. — Für *ἠ-ϝέ, *ἦ-ϝε, aus deiktischem ἦ (s. 1. ἦ) und einer disjunktiven Partikel = lat. -ve, aind. air. vā (mit Dehnung) ‘oder’ zusammengewachsen. Einzelheiten bei Schwyzer-Debrunner 565f., W.-Hofmann s. 1. -ve. — Aind. iva ‘wie, gleichsam’ (s. Mayrhofer Wb. s. v.) usw. weicht in der Bedeutung stark ab. I-619

ἠ 5. ‘wenn’ (kypr. dor.) s. εἰ. I-619

ἠ- 6. als Präfix? — Sehr anfechtbare Kombinationen bei Prellwitz Glotta 19, 124ff. — Über ἠ- als Augment s. ἐ-. I-619

ἠβαιός ‘wenig, klein’, in d. Il. nur mit Negation οὐδἠβαιόν ‘nicht einmal ein wenig’ (5 mal), οὐδἠβαιαί (Ξ 141), später auch ohne Negation (ι 462, Opp.). — Nach einer ansprechenden Vermutung von Leumann Hom. Wörter 50 (ähnlich schon Fick 1, 397 u. A.; s. Bq) durch falsche Worttrennung aus οὐ δὴ βαιόν (allenfalls οὐδὲ βαιόν) entstanden. Die Annahme eines Präfixes ἠ- (Brugmann Grundr.2 2, 2, 817, Prellwitz Glotta 19, 126; vgl. auch Winter Prothet. Vokal 47) hat wenig für sich. Abzulehnen Güntert Reimwortbildungen 135ff. (zu ἥβη). I-619-620

ἥβη, dor. ἥβα, hyperäol. ἄβα f. ‘reife Jugend, Jugendkraft, Mannbarkeit’, auch als EN, Hebe, Tochter des Zeus und der Hera (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in ἔφ-ηβος (ion. att. dor.; hyperdor. ἔφ-αβος) ‘der herangewachsene Jüngling’, Hypostase aus ἐφἥβης (ὤν) oder Bahuvrihi (‘bei welchem ἥβη ist’), mit ἐφηβ-άω (nach ἡβάω), -εύω, -ικός, -ειος u. a. Ableitungen: 1. ἡβητής (seit h. Merc. 56), ἡβατάς (Lokr. Va), εἱβατάς (thess.), ἁβατάς (Kall. Lav. Pall. 109) ‘im Jugendalter stehend, Jungling’ mit ἡβητικός (X.); hell. u. späte Dichter dafür ἡβητήρ, ἡβήτωρ (vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 121) wie von ἡβάω. 2. ἡβηδόν Adv. ‘im mannbaren Alter’ (Heraklit., Hdt. usw.; vgl. Benveniste Rev. de phil. 81, 9). 3. ἡβοτά ‘Jugend’ (pamphyl., nach βιοτή, Fraenkel KZ 43, 207ff.). Denominative Verba. 1. ἡβάω (seit Il.), ep. auch ἡβώω (wohl metr. Dehnung, s. Chantraine Gramm. hom. 1, 76 nach Wackernagel; andere Auffassungen bei Schwyzer 730), kret. ἡβίω (< -έω) ‘in voller Jugendkraft stehen, altersreif sein, jugendlich froh sein’, auch mit Präfix, z. B. ἀν-, ἐν-, ἐφ-; davon ἀνηβητήριος ‘verjüngend’ (E. Andr. 552), ἐνηβητήριον ‘Lustort’ (Hdt. 2, 133), ἡβητήριον ‘ds.’ (Plu. u. a.); zu ἡβητήρ, -τωρ s. oben. 2. ἡβάσκω ‘heranreifen, mannbar werden’ (Hp., X.; nach γηράσκω, vgl. s. v. und Schwyzer 708). 3. ἡβυλλιάω in ἡβυλλιῶσαι (ὀρχηστρίδες, Ar. Ra. 516; κόραι, Pherekr. 108, 29) ‘in der Jugendblüte stehende (Tänzerinnen)’, hypokoristische Bildung der Komikersprache im Anschluß an die Deminutiva auf -ύλλιον (μειρακύλλιον u. a.); Hypothese bei Leumann Glotta 32, 215 m. A. 5. — Wenn aus idg. *i̯ēg, stimmt ἥβη genau zu lit. jegà ‘Kraft, Stärke’, lett. ję̃ga ‘Kraft, Verstand’. — Der ital. PN lat. Iegius = osk. Ieíis (s. W.-Hofmann s. v.) ist, weil der Bedeutung nach unbekannt, für etymologische Kombinationen nicht verwertbar. Zu ἥβη auch ἁβρός (s. d.)? I-620

ἤβολος in ἤβολον ἦμαρ· καθὸ ἀπαντῶσιν εἰς ταὐτόν, ἢ εὔκαιρον, ἱερόν H. (=Kall. Fr. anon. 170). — Wohl archaisierende Kürzung aus ἐπήβολος. Anders Prellwitz Glotta 19, 126 (s. zu ἀβολέω). I-620

ἠγάθεος (ep. seit Il.), ἀ̄γάθεος (Pi. P. 9, 71) ‘hochheilig’. — Aus ἀγά-θεος metrisch gedehnt; vgl. ἠνεμόεις von ἄνεμος und Schwyzer 104A.1 m. Lit., Bechtel Lex. s. v., Chantraine Gramm. hom. 1, 98. I-620

ἠγανές · καθαρόν, νέον H., ἠγάν<ε>ος· νεανίσκος H. — Aus διηγανές (s. d.) gekürzt. I-620

ἤγανον n. ‘Bratpfanne’ (Anakr. 26). Davon ἠγάνεα· πέμματα τὰ ἀπὸ τηγάνου H. — Durch falsche Worttrennung aus τήγανον (als τήγανον aufgefaßt) entstanden. Schwyzer 413 nach Solmsen Unt. 46 m. A. 1. — Verfehlt Winter Prothet. Vokal 28. I-621

ἡγέομαι, dor. ἁγ-, Aor. ἡγήσασθαι, Fut. ἡγήσομαι (seit Il.), Perf. ἥγημαι, ἅγ- (Hdt., Pi.), Aor. Pass. ἡγήθην (Pl. Lg. 770b, Pap.) ‘vorangehen, führen’, nachhom. auch ‘meinen, glauben’; sehr oft mit Präfix in verschiedenen Sinnfärbungen, δι-, εἰσ-, ἐξ-, καθ-, περι-, ὑφ- usw. Zahlreiche Ableitungen, sowohl vom Simplex als auch namentlich von den Kompp. (die dor. Formen werden nicht besonders notiert). Nomina actionis: 1.ἥγησις ‘Leitung’ (LXX), älter und gewöhnlicher εἰσ-, ἐξ-, δι-, περι-, ὑφ-ήγησις usw. (vgl. Holt Les noms d’action en -σις, s. Index); als Vorderglied in verbalen Rektionskomposita, z. B. ‘Ηγησί-λεως, ’Αγησί-λαος (Hdt. usw.; auch appellativisch). 2. ἥγημα ‘Führung, Meinung’ (LXX, Pergamon), älter und gewöhnlicher ἀφ-, εἰσ-ήγημα usw. mit -ηγημάτιον, -ηγηματικός. Nomina agentis: 3. ἡγεμών, -όνος m. ‘Führer’ (seitIl.; zur Bildung Schwyzer 522 m. Lit., Fraenkel Glotta 32, 25f,; auch von den Kompp., z. B. καθηγεμών) mit ἡγεμονεύω ‘führen, herrschen’ (seit Il.; wie βασιλεύω u. a.), selten -έω (Pl.; vgl. Fraenkel Denom. 184f., Schwyzer 732), ἡγεμον-ία, ἡγεμόνευ-μα, ἡγεμον-ικός u. a.; Fem. ἡγεμόνη Bein. der Artemis u. a. (Kall. usw.; Schwyzer 490 A. 4, Sommer Nominalkomp. 145). 4. ‘Ηγήμων att. EN (vgl. ἥγημα). 5. ἡγήτωρ, -ορος m. ‘ds.’ (ep. seit Il.), ’Αγήτωρ Bein. des Zeus in Sparta (X.), auch N. des Aphroditepriesters in Kypern (E. Kretschmer Glotta 18, 87). 6. ἡγητήρ, -ῆρος m. ‘ds.’ (Pi., S. u. a.; auch ὑφ-, προ-, καθ-ηγητήρ [Trag. u. a.]) mit (προ-)ἡγήτειρα (A. R. u. a.), -τήριος (Ath. u. a.). 7. ἡγητής ‘ds.’ (A. Supp. 239), gewöhnlicher εἰσ-, ἐξ-, δι-, καθ-, προ-ηγητής u. a. (ion. att. usw.); Versuch einer semantischen Differenzierung von ἡγήτωρ, -ητήρ bei Benveniste Noms d’agent 46; zu ἡγητής noch Fraenkel Nom. ag. 2, 13. Adj. 8. (ἐξ-, δι- usw.) ἡγητικός (hell. u. spät). — Außerdem steht ἡγέ-ομαι als Hinterglied in Zusammenbildungen auf -της, z. B. κυν-ηγέτης "Hundeführer", ‘Jäger’ (seit Od.), ἀρχ-ηγέτης, f. -τις ‘Inhaber der Herrschaft, Urheber(in)’ (Hdt., Pi. usw.), teilweise neben -ηγός und nach diesem auch auf ἄγω bezogen, s. Chantraine Et. sur le vocab. gr. 88ff. m. Lit., Sommer Zum Zahlwort 12 m. A. 1. Eine andere Zusammenbildung mit Ausgang nach den σ-Stämmen ist περι-ηγής ‘einen Kreis bildend, herumliegend’ (Emp., A. R., Kall. u. a.). — Zu ἡγηλάζω s. bes. — Das dehnstufige Iterativpräsens ἡγέομαι, ἁ̄γέομαι, wovon alle übrigen Themaformen ebenso wie die hierhergehörigen Nomina ausgehen, hat eine nahe Entsprechung in den Jot-präsentia lat. sāgio ‘spüren, wittern’ = germ., z. B. got. sokjan ‘suchen, angreifen’ (letzteres könnte auch zu ἡγέομαι aus idg. *sāgeio/e- stimmen). Aus dem westidg. Gebiet kommt noch hinzu das kurzvokalische air. saigim, -id ‘einer Sache nachgehen, suchen’, wohl altes Jotpräsens, s. Thurneysen Grammar 354; zum Vokal vgl. lat. săgāx. Sehr unsicher dagegen heth. šak-ḫi, -i ‘weiß’. — Das Wort stammt wahrscheinlich aus der Jägersprache, eig. ‘wittern, suchen’; Näheres zur Bedeutung Schwyzer 29 und Chantraine a. a. O. Weitere Formen mit älterer Lit. bei WP. 2, 449, Pok. 876f. I-621-622

ἠγερέθοντο, -θονται, -θεσθαι, — Erweiterung von ἀγείρω, s. d. I-622

ἡγηλάζω ‘führen, schleppen’ (κακὸν μόρον, βίοτον βαρύν usw.; λ 618, ρ 217, A. R. 1, 272, Arat. 893, Orac. ap. Zos. 1, 57). — Expressive Erweiterung von ἡγέομαι, wohl eher mit Bechtel Lex. s. v. durch Zusammenschweißung mit ἐλάω und Ausgang nach den produktiven Verba auf -άζω als mit L. Meyer, Schwyzer 734, Risch 257, Chantraine Gramm. hom. 1, 338 u. A. durch Vermittlung eines Nomens *ἡγηλός, *ἡγήλη (vgl. immerhin ἀγέλη von ἄγω). Vgl. auch Ronconi Stud. itfilcl. N. S. 14, 184 (zur Bed.). I-622

ἠδέ ‘und’ mit und ohne vorangeh. ἠμέν, auch ἠδὲ καί, τἠδέ usw. (ep. poet. seit Il.). — Aus 1. ἦ ‘fürwahr’ und δέ (s. dd.). Einzelheiten bei Schwyzer-Debrunner 565. I-622

ἤδη ‘schon, sogleich, (gerade) jetzt’ (seit Il.). — Aus 1. ἦ ‘fürwahr’ und δή ‘eben’ (s. dd.) zusammengewachsen. Schwyzer-Debrunner 563, Leumann Mus. Helv. 6, 87. I-622

ἥδομαι, dor. ἅδ-, böot. (Korinn.) ϝάδ- (γάδεται· ἥδεται H.), Aor. ἡσθῆναι (ion. att.), Fut. ἡσθήσομαι (S., Pl.), Aor. Med. ἥσατ̂ο (ι 353) ‘sich freuen, sich ergötzen’, auch mit Präfix, namentlich συν-; vereinzelt Akt. ἥδω, ἧσαι, ἥσω ‘erfreuen, ergötzen’ (Antipho Soph., hell. u. spät; nach τέρπω u. a.; Schwyzer-Debrunner 228). Davon 1. ἦδος n. ‘Freude, Vergnügen’ (ep. seit Il.; über das Fehlen des Hauchs und die fraglichen Spuren des Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 184 und 151); im Sinn von ‘Essig’ Rückbildung aus ἡδύς, s. d.; als Hinterglied -ηδής, im allg. auf ἡδύς bzw. ἥδομαι bezogen oder dazu neugebildet: ἀ-ηδής ‘unangenehm’ (ion. att.), μελι-ηδής ‘honigsüß’, θυμ-ηδής ‘herzerfreuend’ (ep. poet.) u. a. 2. ἡδονή, dor. ἁδονά ‘Vergnügen, Genuß’ (ion. att. dor.; Schwyzer 490, Chantraine Formation 20) mit ἡδονίς = ἀφύδιον (Kyran. 18), ἡδονικός (Arist. usw.). 3. ἁδοσύνα· ἡδονή H. 4. ἥσθημα ‘ds.’ (Eup.). 5. ἡστικός ‘angenehm’ (S. E.). — Ein genaues formales Gegenstück zu dem dehnstufigen thematischen Wurzelpräsens ἥδομαι liefert das aind. ἅπ. λεγ. svādate ‘schmackhaft werden(?)’ (RV. 9, 68, 2; vom Soma); weit gewöhnlicher sind indessen die hochstufigen svadate, -ti ‘genießen, sich gefallen lassen, wohlschmecken’ bzw. ‘schmackhaft machen, versüßen’. Das Hinterglied -ηδης stimmt zu aind. prá-svādas- ‘angenehm’ (RV. 10, 33, 6); das Nasalsuffix in ἡδ-ονή ist in aind. svā́d-ana- ‘schmackhaft machend’ (RV. 5, 7, 6), -anam n. ‘das Schmecken’ (klass.) vorhanden. — Weiteres s. ἡδύς und ἁνδάνω; vgl. auch ἀδημονέω. I-622-623

ἡδύς, dor. ἁδύς, el. usw. ϝαδύς ‘süß, wohlschmeckend, angenehm, erfreulich’ (seit Il.); sehr oft als Vorderglied, z. B. ἡδυ-επής ‘mit süßen Worten, angenehm lautend’ (ep. poet.); als Hinterglied fungiert -ηδής, s. ἥδομαι. Zu ἡδίων (selten u. spät ἡδύτερος), ἥδιστος s. Seiler Steigerungsformen 57f. Ableitungen: ἥδυμος ‘suß, erquickend’, daktylische Nebenform von ἡδύς, gew. von ὕπνος (ep. poet. seit Il.; bei Hom. immer fälschlich νήδυμος, s. Bechtel Lex. s. v., Leumann Hom. Wörter 44f.), auch Ἅδυμος als EN; vgl. ἔτυμος und Schwyzer 494, Chantraine Formation 151f.; ἡδύλος ‘ds.’, hypokoristische Erweiterung (A. D., EM) mit ἡδυλίζω ‘schmeicheln, verlocken’ (Men.), ἡδυλίσαι· συνουσιάσαι, ἡδυλισμός· συνουσία H.; auch als EN mit ‘Ηδυλίνη (Attika IVa), ‘Ηδύλειος (Delos IIIa); dazu noch ‘Ηδυτώ (Attika Va; nach ’Ερατώ u. a.), ‘Ηδάριον (Rhodos; nach den Demin. auf -άριον). Rückbildung ἦδος ‘Essig’ (Ath. u. a.), vgl. γᾶδος (= ϝ-)· γάλα, ἄλλοι ὄξος H., zur Bedeutung Schwyzer Festschrift Kretschmer 244ff.; auch Pisani KZ 68, 176f. (wo noch das mehrdeutige arm. kac̣ax ‘Essig’ herangezogen wird). Denominatives Verb ἡδύνω ‘versüßen, schmackhaft machen, würzen’ (ion. att.) mit ἥδυσμα, -μάτιον ‘Würze’ (ion. att.), ἡδυσμός ‘süßer Geschmack’ (LXX), ἡδυν-τός, -τικός, -τήρ ‘gewürzt usw.’ (auch auf das Salz bezogen). — Altes Wort für ‘süß’, mit aind. svādú-, gall. Suadu-rīx, -genus identisch, idg. *suādú-s; dazu noch mit regelmäßiger Umbildung des u-Stammes lat. suāvis, germ., z. B. ahd. suozi, ags. swēte ‘süß’. Die auffallende Hochstufe des Positivs stammt wahrscheinlich aus dem Komparativ ἡδίων, aind. svā́dīyas- (wozu noch ἥδιστος = svā́diṣṭha-). Die Schwundstufe ist durch lit. súdyti ‘würzen, salzen’, aind. sūdáyati, Perf. pl. su-ṣūd-imá ‘schmackhaft machen, gehörig einrichten usw.’ vertreten. — Weitere Formen mit Lit. bei WP. 2, 516f., W.-Hofmann s. suāvis. S. auch ἥδομαι, ἁνδάνω. I-623

ἠέ ‘oder’ s. 4. ἤ. I-623

ἠερέθονται, (-ντο) 3. sg. Präs. (Prät.) Med. ‘(sie) schweben, flattern’ (Il., A. R., Opp.; Versende). — Zu ἀείρω gebildet wie ἠγερέθοντο, -ται zu ἀγείρω; s. d. m. Lit. I-623

ἠέριος 1. ‘früh, morgendlich’, auf ἦρι ‘in der Frühe’ bezogen (sicher A. R. 3, 417: Gegensatz δείελον ὥρην); 2. ‘nebelig’ = ἠερόεις, ‘in der Luft befindlich, luftig’ (Simon. 114, Hp. Vict. 1, 10, A. R., Arat., Opp.). — Die Homerstellen (immer am Versanfang) sind nicht ganz klar; zu ἀήρ, ἠέρος wahrscheinlich Γ 7 (γέρανοι), dagegen ι 52 (von den angreifenden Kikonen) vielmehr zu ἦρι (vgl. vv. 56-58 und Harrison ClRev. 51, 215); unsicher Α 497, 557 (von der aus dem Meere bis zum Olympos aufsteigenden Thetis). Vgl. Buttmann und Bechtel Lex. s. v., Risch 105, Kretschmer Glotta 10, 53 A. 1. — Im Sinn von ‘früh’ ist von einem Adv. *ἤερι (vgl. ’Ηερί-βοια Ε 389) auszugehen, falls nicht nach 2. aus *ἤρι-ος archaisierend umgebildet (vgl. ἠέλιος : ἥλιος). S. ἦρι. I-624

ἠερόεις, ἠεροειδής ‘nebelig, umwölkt’, — von ἀήρ, ἠέρος, s. d. I-624

ἠερόφωνος Σ 505 κηρύκων ... ἠεροφώνων, danach Opp. H. 1, 621 γεράνων ... ἠ., eig. ‘deren Stimme durch den Nebel (in die Luft) ertönt, laut rufend’, = μεγαλοφώνων, πληρούντων φωνῆς τὴν ἀέρα H. — Ahrens Philol. 27, 590 will dafür nach Alkm. 26, 1 ἱεροφώνων schreiben. Jedenfalls nicht mit Muller Mnemos. 46, 139ff. zu lat. aes usw. als ‘mit eherner Stimme’; vgl. Kretschmer Glotta 11, 247. I-624

ἠθέω, Aor. ἠθῆσαι (Ptz. ἤσας Hp. ap. Gal. 19, 103), Perf. Pass. ἤθημαι, sehr oft δι-ηθέω (ἐκ-, προσ-διηθέω usw.), auch ἀπ-, ἐξ-ηθέω ‘(durch)seihen, (-)sieben’ (ion. att.). Ableitungen: ἠθμός (hεθμος Sigeion VIa, Hdn.) ‘Durchschlag, Sieb’ (att. usw.) mit ἠθμάριον· διυλιστήριον H., διηθμεύοντες s. v. διυλίζοντες; (δι-)ἤθησις ‘das (Durch)seihen’ (Arist., hell. u. spät), (ἀπ-, δι-, παρ-)ἤθημα ‘das Geseihte’ (Mediz.), ἠθήνιον· ἠθάνιον, ἠθμός H.; ἠθητήρ (Marc. Sid.), -τήριον (Str.) ‘Sieb’; ἠθητός ‘gesiebt’ (Pap. IIIa), ἠθητικός ‘zum Seihen geeignet’ (Thphr.). — Wenn aus dem Aor. Ptz. ἤσας und dem Nomen ἠθμός ein Präsens *ἤθω erschlossen werden darf, steht daneben ἠθέω wie στερέω neben στέρομαι usw. (Schwyzer 721). Bei Abtrennung des θ wie in ἀλή-θω (: ἀλέ-ω), πλή-θω (: πλῆ-το) u. a. (Schwyzer 703; auch ἠ-θμός wie ῥυ-θμός usw.?) erhält man Anschluß an das aksl. Jotpräsens pro-sějǫ, Inf. -sějati ‘(durch)sieben’, wovon lit. sijóju, -ti ‘ds.’ nicht zu trennen ist. Zu ἠ-θέω gesellt sich dann mit Ablautswechsel sē(i)- : sī- auch ἱ-μαλιά· τὸ ἐπίμετρον τῶν ἀλεύρων H. Hinzu kommen einige Nomina nicht nur aus dem balto-slavischen sondern auch aus dem germanischen und keltischen Gebiet: russ. sito = lit. síetas ‘Sieb’ (idg. *sēi-to-), anord. sāld (vgl. finn. LW siekla, seula) = kymr. hidl ‘ds.’ (idg. *sē-tlo-). — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 459, Pok. 889, Vasmer Russ. et. Wb. s. síto. I-624

ἦθος n. ‘Gewohnheit, Sitte, Charakter, Sinnesart’ (Hes., Pi., ion. att.), ἤθεα pl. ‘(gewohnter) Aufenthalt, Wohnsitz’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.). Als Vorderglied mit analog. Komp.-vokal z. B. in ἠθο-ποιός ‘sittenbildend’ (Arist. usw.), als Hinterglied z. B. in κακο-ήθης ‘mit böser Gesinnung’ (ion. att.) Ableitungen: ἠθεῖος ‘vertraut, geliebt’ (Hom., Hes.), auch ἠθαῖος (Pi., Antim.), nach γενναῖος u. a. (verfehlt J. Schmidt Pluralbild. 387, Sandsjoe -αῖος 102f.); ἠθάς, -άδος m. f. ‘gewohnt, vertraut’ (Hp., S., E., Ar. u. a.) mit ἠθάδιος ‘ds.’ (Opp.); ἠθικός ‘den Charakter betreffend, sittlich’ (Arist. usw.; vgl. Verdenius Mnemos. 3 : 12, 241ff.); ἠθαλέος ‘gewohnt’ (Opp., Epigr.; Debrunner IF 23, 26). — Zu ἦθος im allg. s. Johanna Schmidt, Ethos. Beitr. zum antiken Wertempfinden (Borna 1941); auch Verdenius a. a. O. Von dem sinnverwandten ἔθος unterscheidet sich ἦθος nur in bezug auf die Dehnstufe, die mit -Abtönung auch in εἴωθα (s. d.) erscheint. Die Vokallänge in μῆκος, ἦδος, κῆδος u. a. ist anders zu beurteilen. Über Spuren des Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 150. I-625

ἤϊα 1., auch ᾖα n. pl. ‘Reisekost, Nahrung’ (Ν 103, Od.), = βρώματα, ἄχυρα (s. 2.), ἐφόδια H. — Nicht sicher erklärt. Nach Thumb KZ 36, 179ff. (wo teilweise andere Gruppierung) mit ἤϊος· πορεύσιμος H. Verbalnomen zu εἶμι ‘gehen’. Vendryes REGr. 23, 74 vergleicht, formal nicht befriedigend, aind. sasyám n. ‘Feldfrucht’ u. Verw.; nicht besser mit Froehde u. A. (s. Bechtel Lex.) zu aind. avasám n. ‘Nahrung’ (wohl zu ávati ‘fördern, erfrischen usw.’; s. Mayrhofer Wb. s. v.). I-625

ᾖα 2. n. pl. etwa ‘Spreu, Getreidehalme’ (ε 368, Pherekr. 161), = ἄχυρα H.; vgl. εἰαί· τῶν ὀσπρίων τὰ ἀποκαθάρματα, εἶοι· ὀσπρίων τὰ καθάρσια H. Hierher auch ἤϊα κριθάων = ἄλευρα (Nik. Al. 412)? — Unerklärt. Unwahrscheinliche Hypothesen bei Thumb KZ 36, 179ff., Sommer Lautstud. 154 A. 1 (nach Peppmüller BB 3, 92); s. Bq. I-625

ἤϊε Vok., Beiwort von Φοῖβε unbekannter Bedeutung und unbekannter Herkunft (Ο 365, Υ 152, h. Ap. 120). — Mehrere Hypothesen: aus der Interjektion ἤ wie ἰήϊος aus ἰή (LSJ; vgl. ἤϊος· παιανιστής H. neben πορεύσιμος; s. 1. ἤϊα); von ἠώς (vgl. ἠϊ-κανός) als ‘morgendlich strahlend’ (Bq mit Ehrlich KZ 40, 364); von ἵημι bzw. aind. ásyati ‘werfen’ als ‘Schütze’ (Aristarch bzw. Froehde BB 19, 235). I-625

ἠΐθεος, auch ᾔθεος (oder ἠΐθεος?; B. 16, E. Ph. 945; ᾄθεος Kerk. 9, 11, vgl. unten) ‘unverheirateter Jüngling, Junggeselle’ (vorw. ep. poet. seit Il.; vgl. Leumann Hom. Wörter 305 und 316f.), vereinzelt auch ‘Jungfrau’ (Eup. 332), in dieser Bedeutung auch ἠϊθέη (Nik., AP). Keine Kompp. oder Ableitungen. — Altertümliches und poetisches Wort, schon von Benfey (s. Bechtel Lex.) mit aind. vidhávā, slav., z. B. russ. vdová, germ., z. B. got. widuwo, lat. vidua usw., idg. *u̯idhéu̯ā ‘Witwe’ verbunden (unbegründeter Zweifel bei Wackernagel Festgabe Kaegi 44 A. 1 = Kl. Schr. 472 A. 1). Zu *u̯idhéu̯ā wurde, vielleicht erst in den betreffenden Einzelsprachen, ein maskuliner Ausdruck für ‘verwitwet, unverheiratet’ hinzugebildet, lat. viduus, russ. usw. vdóvyĭ. Einzelheiten m. Lit. bei WP. 1, 240, W.-Hofmann s. viduus; dazu noch Sommer Münch. Stud. 11, 20 A. 32. So setzt auch ἠΐθεος ein entsprechendes Femininum voraus, das aber durch χήρα ersetzt worden ist. — Anlaut. ἠ- erklärt sich unschwer als metrische (rhythmische?) Dehnung eines prothetischen ἐ- (vgl. Bq s. v., Fußn. nach de Saussure Mélanges Graux 740ff.; dazu noch Čop KZ 74, 228); ἀ- bei Kerk. ist Hyperdorismus (ἠΐθεος Sapph. 44, 18). Nach Anderen (Froehde BB 7, 327ff., Prellwitz Glotta 19, 126, Sturtevant Lang. 15, 149) wäre ἠ- (ἀ̄-) präfixal. I-625-626

ἠϊκανός · ὁ ἀλεκτρυών H. — Eig. "Frühsänger", Zusammenbildung aus ἠϊ- (für *ᾱυσ-ι-, zu ἕως, alter Lokativ, falls nicht vielmehr mit kompositionellem -ι- neben *ᾱυσ-ρ(ο)- in αὔριον, ἄγχ-αυρος u. a.) und einem Verb für ‘singen’ in lat. canō, nhd. Hahn usw. (s. καναχή). Zum Akzent Wackernagel Philol. 95, 182f.; zum Sachlichen Ammann Glotta 25, 1ff.; dazu noch Wolters Festschrift Lambros 486ff. (Kretschmer Glotta 27, 35f. mit weiteren Bemerkungen). — Synonyme Bildungen mit verwandtem Vorderglied sind aind. uṣā-kala-, uṣaḥ-kala- m. (Lex.) und alt- u. nisl. ār-gali m. ‘Hahn’ (Lidén Meijerbergs arkiv f. svensk ordforskn. 1 [1939], 84ff. m. Lit. und wichtigen Einzelheiten). I-626

ἠϊόεις in ἐπἠϊόεντι Σκαμάνδρῳ Ε 36 (Versende), danach als Beiwort von Πάνορμος und von πεδίον (Q. S. 1, 283; 5, 299), von κόλλουρος (N. eines Fisches, Marc. Sid. 22). — Wenigstens von den Späteren auf ἠϊών ‘Ufer, Gestade’ bezogen als ‘mit (hohen) Ufern, am Ufer befindlich’; vgl. ἠϊόεντι· ἠϊόνας ἔχοντι H. Nach Anderen ‘schilfreich’ mit ganz willkürlicher Deutung von 2. ᾖα oder sogar ‘ertragreich, fruchtbar’ (zu 1. ἤϊα). — Zur Bildung Schwyzer 527 und Leumann Hom. Wörter 301; zu den verschiedenen Erklärungen Buttmann Lexilogus s. v. I-626

ἤϊος s. ἤϊε. I-626

ἠϊών (ᾐών E. Or. 994), dor. ἀϊών, -όνος f. ‘Ufer, Gestade, Strand’ (fast nur ep. poet. seit Β 561). Davon wahrscheinlich ἠϊόεις, s. bes. — Örtlichkeitsbenennung auf -ών (vgl. Chantraine Formation 164) unbekannter Herkunft. Unannehmbare Hypothesen von Fick GGA 1894, 237 (zu lat. āra), von Froehde BB 20, 212 (zu lat. ōs usw.), von Pisani Ist. Lomb. 77, 550 (zu αἶα). I-626-627

ἦκα Adv. ‘leise, still, langsam, ein wenig’ (ep. seit Il.); adj. Kompar. ἥττων, ion. ἥσσων ‘geringer, schwächer’ (seit Il.), Superl. ἤκιστος ‘langsamster’ (Ψ 531), Adv.ἥκιστα ‘am wenigsten, durchaus nicht’ (ion. att.), ἥκιστος ‘schwächster, schlimmster’ (Ael.). Ableitungen. Von ἦκα: ἤκαλος = ἀκαλός (Kall.), ἠκαλέον γελόωσα· πράως, οὐκ ἐσκυθρωπακυῖα, ἠκαῖον· ἀσθενές H. — Von ἥσσων, ἥττων: ἡσσάομαι, ἡττάομαι ‘geringer sein, unterliegen’ (nach νικάομαι) mit der Rückbildung ἧσσα, ἧττα f. ‘Niederlage’ (Trag., Th., ion. att.); ion. (Hdt., Herod.) dafür ἑσσόομαι (von *ἕσσων, Neubildung nach κρέσσων). Zu ἦκα (mit ep. Psilose wie ἤκιστος; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 187) vgl. ὦκα und andere Adverbia auf -ᾰ (Schwyzer 622). Verwandt ist nach Froehde BB 16, 192, Osthoff IF 5, 297 lat. sēgnis ‘langsam, träge’ aus *sēc-ni-s; zum alternierenden n-Suffix vgl. πύκ-α : πυκ-νός und Benveniste Origines 89f. Einzelheiten m. Lit. bei Seiler Steigerungsformen 65ff. — Zu ἦκα gehört nach Doederlein u. A. (Bechtel Lex. 156) ἀκήν, ἀκαλά; dagegen Buttmann Lexilogus 1, 13f. I-627

ἤκεστος nur in ἤνις ἠκέστας (βοῦς, Ζ 94 = 275 = 309), Bedeutung unsicher. — Im Anschluß an ἠκέστης· ἀδάμαστος Suid. gewöhnlich als ‘ungezähmt, ungebändigt’ zu κεντέω, κένσαι ("ungestachelt") gezogen. Ebenso Schwyzer RhM 80, 213, der indessen die Erklärung aus ἤ-κεστος (mit metr. Dehnung für *ἄ-κεστος) mit Recht ablehnt und dafür einen ursprünglichen Sing. (βοῦν) ἤνιν νηκέστην (wie νη-κερδής u. a.) annimmt, der durch Einfachschreibung des ν und falsche Worttrennung den entsprechenden Plural ergeben hätte. — Nach Anderen ‘ausgewachsen, ἀκμαῖος’; vgl. zu ἠκή. I-627

ἠκή · ἀκωκή, ἐπιδορατίς, ἀκμή H.; ἡ ὀξύτης τοῦ σιδήρου EM 424, 18 unter Anführung von Archil. 43: ἵστη κατἠκὴν κύματός τε κἀνέμου. Davon ἠκάδα· ἠνδρωμένην γυναῖκα H.; zur Bildung Chantraine Formation 351f., zur Bedeutung vgl. ἀκμαῖος. Als Hinterglied fungiert in den ep. Epitheta ἀμφ-ήκης ‘mit beidseitiger Schneide’, τανυ-ήκης ‘mit dünner Schneide’ u. a. ein σ-Stamm, der analogisch sein kann (Schwyzer 513, Risch 77); das -η- kann gleichzeitig auf kompositioneller Dehnung beruhen. Aus den Kompp. stammt ἠκές· ὀξύ H. (vgl. Leumann Hom. Wörter 111f.). — Dehnstufige Bildung (idg. *āḱ) neben ἀκ-ή. ἄκ-ρος (s. dd.) u. a.; mit -Abtönung das reduplizierte ἀκ-ωκ-ή. I-627

ἥκω (seit Ε 478, ν 325; Hom. sonst ἵκω), hell. u. spät auch mit Perfektflexion ἧκα, ἡκέναι, Fut.ἥξω (seit A.), dor. ἡξῶ (Theok.), Aor. ἧξαι (spät), oft mit Präfix, z. B. καθ- (κατ-), προσ- (ποθ-), ἀν-, προ-, παρ-ήκω, ‘gekommen sein, angelangt sein, da sein’ (ion. att., auch dor.; zur perfektischen Bedeutung Schwyzer-Debrunner 274). Keine Ableitungen. — Neben dem perfektischen ἥκω steht mit Präsensbedeutung ἵ̄κω (ep. lyr. dor. ark.), s. d. Weder der -Vokal (idg. sē(i)q- ?) noch die Perfektbedeutung sind indessen aufgeklärt. Ausführliche Behandlung bei Johansson Beiträge zur griech. Sprachkunde (1890) 62ff. I-628

ἠλακάτη f. (seit Ζ 491), durch Assimilation auch ἠλεκάτη (Delos, Kyrene u. a.), äol. ἀλακάτα (Theok. 28, 1; aber ἠλακάτα E. Or. 1431 [lyr.]) ‘Spindel’, auch übertragen von spindelähnlichen Gegenständen. Als Hinterglied u. a. in χρυσ-ηλάκατος (-ᾱλ- Pi.) ‘mit goldener Spindel’ (Il. usw.). Davon das Deminutivum ἠλεκάτιον (Delos IIa), ἠλάκατα n. pl. ‘Wollfäden auf der Spindel (?)’ (Od., Alex. Aet.), ἠλακατήν, -ῆνος m. N. eines großen Fisches (nach der Korperform; Men. u. a.; vgl. Solmsen Wortforsch. 121, Thompson Fishes s. v.), ’Ηλακάτεια n. pl. N. eines Festes in Sparta (Sosib. 18). Myk. a-ra-ka-te-ja (Nom. pl. f.)? — Bildung und Herkunft unklar. Die Zusammenstellung mit lit. lenktùvas, lañktis ‘Garnwinde, Haspel’ (Bezzenberger BB 4, 330f.; zunächst von leñkti ‘biegen, krümmen’), womit nach Lidén Armen. Stud. 130f. arm. il, Gen. iloy ‘Spindel’ (aus idg. *ēlo-) entfernt verwandt sein könnte, erklärt weder Anlaut noch Bildung. Solmsen Wortforsch. 121f. ist deshalb geneigt, in ἠλακάτη ein kleinasiatisches Wort zu sehen, das von den dortigen Griechen aufgenommen wäre. Neugriechische Formen ἀλεκάτη (vgl. arm. aɫēkat ‘Spinnrocken’), λεκάτη usw. bei Schulze KZ 33, 167 (= Kl. Schr. 357) m. Lit., Rohlfs WB No 762. Unwahrscheinlich über den Anlaut Prellwitz Glotta 19, 125f., Čop KZ 74, 228. Wurzelanalyse bei Bq, auch WP. 2, 435. — Ein altererbtes Wort für ‘Spindel’ ist ἄτρακτος. I-628

ἠλάσκω ‘umherirren, umherschweifen’ (Β 470, Ν 104, Emp., D. P.). Erweiterte Form ἠλασκάζω ‘ds.’ (Σ 281), ‘durchirren’ (mit Akk., h. Ap. 142), ‘vermeiden’ (ι 457; v. l. ἠλυσκάζει, vgl. ἀλυσκάζω s. 2. ἀλέα und Trümpy Fachausdrücke 226). — Durch Kreuzung mit ἀλαίνω entstand ἠλαίνω ‘ds.’ (Theok., Kall.). Das expressive ἠλάσκω (Schwyzer 708, Chantraine Gramm. hom. 1, 317) unterscheidet sich von dem davon nicht zu trennenden ἀλάομαι (s. d.) durch die Länge des anlautenden Vokals. Da diese innerhalb des Griechischen keine überzeugende Erklärung gefunden hat (vgl. Bechtel Lex.), hat Prellwitz Wb. alten Ablaut angenommen unter Heranziehung von lett. âla ‘halb verrückter Mensch’ (gegenüber aluôt : ἀλάομαι). — Hierher wahrscheinlich ἠλεός (s. d.) mit ἠλίθιος u. a. I-628-629

ἠλέκτωρ Ben. der Sonne bzw. Beiwort des ‘Υπερίων (Ζ 513, Τ 398, h. Ap. 369; danach Emp. 22, 2); Akk. -τορα (Euph. 110), Dat. -τωρι (Epic. in Arch. Pap. 7, 4), Gen. -τωρος (Choerob.); vgl. Schwyzer 531 m. A. 6. m. Davon ἠλεκτρίς f. Beiw. des Mondes (Orph. ‘Η 9, 6); ἤλεκτρον n., -ος m. f. (zum Genus, an den ältesten Stellen nicht ersichtlich, vgl., außer LSJ, Schwyzer-Debrunner 34 A. 4) ‘mit Silber gemischtes Gold, Bernstein’ (seit Od.) mit ’Ηλεκτρίδες νῆσοι ‘die Bernsteininseln’ (Str., Plin.), ἠλεκτρώδης ‘bernsteinartig’ (Hp., Philostr.), ἠλέκτρινος (dor. ἀλ-) ‘aus Bernstein usw.’ (Kall., Luk., Hld.), ἠλεκτρόομαιἤ. werden’ (Zos.Alch.); ἠλέκτραι· τὰ ἐν τοῖς κλινόποσι τῶν σφιγγῶν ὄμματα (Phot.). — Dazu mehrere EN: ’Ηλέκτρα, ’Αλεκτρώνα (Rhodos), ’Ηλεκτρύων (nach ’Αμφιτρύων; vgl. Bechtel Dial. 2, 656). — Unerklärt; v. Wilamowitz Glaube 1, 255 nimmt aus ungenügenden Gründen karischen Ursprung an. Unannehmbare idg. Etymologien sind bei Bq notiert. I-629

ἠλεός ‘verwirrt, töricht’, Vok. auch ἠλέ (ep. seit Il.); ἀλεός (-αι- cod.)· ὁ μάταιος, ἄφρων. Αἰσχύλος H., ἀλεόφρων· παράφρων H. Denominatives Verb ἀλεώσσειν· μωραίνειν H. Adj.-abstraktum ἠλοσύνη (Nik., spät. Epiker; s. Pfeiffer Philol. 92, 1ff., 8, A. 14), äol. ἀλοσύνα (Theok. 30, 12), wohl metrisch für ἠλεο-, ἀλεο-. Daneben ἤλιθα Adv. 1. ‘übermäßig, gewaltig’ (Hom., immer ἤλιθα πολλή(ν); A. R., Nik., Man.; zur Bedeutungsentwicklung Bq 320 A. 2), 2. ‘umsonst, vergebens’ (Kall., A. R., Nik.); die Bildung hat in den lokalen und temporalen Adv. auf -θα (ἔνθα, δηθά, μίνυνθα) ebenso wie in den Zahladv. διχθά u. a. ein unvollkommenes Gegenstück. Davon ἠλίθιος (dor. ἀλ-) ‘eitel, vergeblich, dumm, einfältig’ (Pi., ion. att.; hελιθιον Adv. IG 12, 975 [VIa]) mit ἠλιθι-ώδης (Philostr.), -ότης (att.), -όω (A.), -άζω (Ar.). — Hierher noch ἠλέματος (äol. dor. ἀλ-) ‘eitel, töricht’ (Sapph., Alk., Theok., A. R., Kall. u. a.); — Bildung unklar, nach Bechtel Dial. 1, 44 haplologisch für *ἠλεμόματος. — Schwierig bleibt die Beurteilung der Verba ἀλλο-φρονέω ‘von Sinnen sein, bewußtlos sein’ (Hom., Hdt., Hp., Theok.) und ἀλλο-φάσσω ‘irre reden’ (Hp.). Nach Fick, dem Bechtel Lex. s. ἀλλοφρονέω und ἠλεός und Leumann Hom. Wörter 116 A. 82 zustimmen, steckt im Vorderglied eine äolische Entsprechung von ἠλεός, d. h. *ἆλλος aus *ἀ̄λι̯ος (wovon der Vok. *ἆλλε = ἠλέ Ο 128); vgl. ἀλεό-φρων oben. Später wäre es als ἄλλος aufgefaßt (so Hdt. 7, 205). Da der medizinische Ausdruck ἀλλοφάσσω nicht äolisch sein kann, muß er entweder nach ἀλλοφρονέω gebildet sein oder das Pronominale ἄλλος enthalten; vgl. Leumann Hom. Wörter 309 A. 82. Wie ἐνεός, κενεός, ἐτεός u. a. gebildet, erinnert ἠλεός an ἠλάσκω, ἀλάομαι (und ἀλαός?), ist aber sonst ohne Entsprechung. Eine Entlehnung aus dor. *ἀ̄λεά wird von WP. 1, 88 (nach Prellwitz BB 20, 303) in lat. ālea ‘Würfelspiel, Würfel’ (eig. "die Verwirrte, Törichte"?) vermutet. I-629-630

ἡλιαία f. ‘Versammlung (der Richter), Volksgericht, Gerichtshof’ s. ἁ̄λής. I-630

ἠλίβατος, dorisiert ἀλ-, Adj. ungewisser Bedeutung (ep. poet. seit Il., hell. u. späte Prosa), bei Hom. immer, in der Folgezeit oft von πέτρη (-α) aber auch von verschiedenen anderen Gegenständen, δρύες, ἄντρον, Τάρταρος, κῦμα u. a., als ‘steil, hoch, tief’, später auch als ‘gewaltig, groß’ verstanden, vgl. Buttmann Lexilogus 2, 176ff. (‘steil’ oder ‘glatt’). Daneben ἠλιβάτᾱς (τράγος, Antiph. 133, 3). — Unerklärt. Ein anderes schwerverständliches Epithet von πέτρη ist αἰγίλιψ, s. d. Vgl. noch ἠλιτενὴς πέτρα· ὑψηλή Suid. Verfehlte idg. Etymologien sind bei Bq notiert; s. noch Fraenkel Nom. ag. 2, 75f. mit weiteren Einzelheiten. Nach Buttmann Lexilogus 2, 176ff. aus *ἠλιτό-βατος = ἄβατος, δύσβατος (vgl. ἠλιτό-μηνος) mit Silbendissimilation. I-630

ἤλιθα, ἠλίθιος s. ἠλεός. I-630

ἡλίκος, dor. ἁ̄λ- (Theok.) ‘wie alt, wie groß’, relatives und indir. interrogatives Pron. (ion. att.). Daneben das Demonstrativum τηλίκος, dor. τᾱλ- ‘so alt, so groß’ (seit Il.) mit τηλικόσδε, τηλικοῦτος (att.) und das Interrogativum πηλίκος ‘wie alt?, wie groß?’ (ion. att.). — Aus dem Relativstamm ὁ-, ἁ̄- (s. 1. ὅς) und einem suffixalen (ᾱ)λικ-; des weiteren s. πηλίκος und τηλίκος. Eine parallele Bildung ist aksl. je-likъ ‘(tantus) quantus’. Vgl. auch zu ἧλιξ. I-630

ἧλιξ, dor. ἇλιξ m. f. ‘Altersgenosse, -in, gleichaltrig’ (seit σ 373). Als Hinterglied in παν-αφ-ῆλιξ ‘ganz ohne Genossen’ (X 490). Gewöhnlich als nur altersbezeichnendes Hinterglied, z. B. ὁμ-ῆλιξ ‘gleichaltrig’ (seit Il.,; ὁμ- ursprünglich nur verdeutlichend) mit ὁμηλικ-ίη ‘Gleichaltrigkeit, Altersgenossenschaft, Altersgenosse’ (seit Il.), ἀφ-ῆλιξ, ion. ἀπ- ‘vom mannbaren Alter entfernt’, d. h. ‘ältlich’ (seit h. Cer. 140), aber auch ‘jugendlich’ (Phryn. Kom. u. a.), wohl eig. Rückbildung aus ἡλικία. Abstraktbildung ἡλικία, -ίη ‘Altersgenossen(schaft)’ (Π 808), wohl auch ‘Gleichaltrigkeit’ (Χ 419; vgl. Porzig Satzinhalte 206f., 273 und Ω 487), ‘Alter, mannbares, reifes Alter, Zeitalter’ (nachhom.); davon ἡλικιώτης, f. -τις ‘(Alters)genosse, -in’ (ion. att.), kret. ϝαλικιώτας (β-της cod.)· συνέφηβος H. — Zu ἧλιξ, ἡλικία s. bes. Chantraine Et. sur le vocab. gr. 155ff. — Kret. ϝαλικιώτας läßt auf ein ursprüngl. *σϝᾱλιξ schließen, das vom idg. Reflexivum *su̯e (in ϝhe, s. ἕ, ἑ) mit demselben Suffix gebildet ist, das in thematischer Form in ἡλίκος, τηλίκος, πηλίκος (s. dd.) erscheint (vgl. Chantraine op. cit. 152ff.). Somit eig. "der die eigene (selbe) Art, Beschaffenheit hat". Ähnlich aind. sva-ka- ‘Verwandter, Freund’ und ἔτης; auch ἀέλιοι; s. dd. I-630-631

ἥλιος, ep. ἠέλιος, dor. äol. ark. ἀέλιος, dor. (Trag.) auch ἅλιος m. ‘Sonne’ (seit Il.). Mehrere Kompp., u. a. als Pflanzen- und Tiernamen, z. B. ἡλιο-τρόπιον, -κάνθαρος (Strömberg Pflanzennamen 48 und 75, Wortstudien 11). Ableitungen: ἡλιώτης (ἠελ-), f. -τις ‘zur Sonne gehörig’ (S., AP u. a.), ἡλιακός (ἁλ-) ‘ds.’ (hell. u. spät; vgl. Chantraine Formation 393f.); ‘Ηλιάδες f. pl. ‘Sonnentöchter’ (Parm., A. R. u. a.; auch sg. als Adj. [Luk.]) mit dem Mask. ‘Ηλιάδης ‘Sohn d. S.’ (Str., D. S., Luk.); vgl. Chantraine 356 u. 362f.; ἡλιώδης ‘sonnenartig’ (Chaerem. u. a.), ‘Ηλιών m. Monatsname (Termessos), ἡλίτης (λίθος Dam. Isid. 233; vgl. Redard Les noms grec en -της 54). Denominative Verba: 1. ἡλιόομαι ‘von der Sonne beschienen werden, den Sonnenstich bekommen’ (ion. att.) mit ἡλίωσις (Hp., Thphr. u. a.), -όω ‘der Sonne aussetzen’ (Aöt.). 2. ἡλιάζομαι ‘sich sonnen’ (Arist. usw.), -άζω ‘an der Sonne backen’ (Str. u. a.) mit ἡλίασις ‘Sonnenbestrahlung’ (Gal., D. C.), ἡλιαστήριον ‘Sonnenplatz’ (Str., Pap.). 3. ἡλιάω ‘der Sonne aussetzen, der Sonne ähnlich sein’ (Arist. usw.). — Das bei H. als kretisch überlieferte ἀβέλιος (nach Herakleid. Mil. pamphyl.; vgl. Bechtel Dial. 2, 667), d. h. ἀϝέλιος, bezeugt ein ursprüngl. *σᾱϝέλιος, das sich von aind. sū́rya- ‘Sonne’ (neben sū́ra-) nur im Ablaut unterscheidet. In beiden Sprachen ist ein l-Stamm, idg. *sāu̯el-, *sūl- (vgl. aind. súvar n. aus *suu̯el; Hochstufe noch z. B. in lit. sáulė, kymr. haul, Schwundstufe z. B. in air. sūil ‘Auge’) durch ein personifizierendes i̯o-Suffix erweitert worden. Zugrunde liegt ein neutraler heteroklitischer l-n-Stamm, der in aw. hvarə (= aind. s()var), Gen. xvə̄ng (aus urar. *su̯an-s) noch lebt und auch im Germanischen im Wechsel zwischen got. sauil, anord. ags. sōl und got. sunno, ags. sunneSonne’ zu verspüren ist. Weitere Formen aus den verschiedenen Einzelsprachen mit reichen Literaturangaben bei WP. 2, 446f., Pok. 881f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. sōl, Vasmer Russ. et. Wb. s. sólnice. Ob Beziehung zu idg. su̯el- ‘schwelen, brennen’ (s. εἵλη) vorliegt, ist gänzlich unsicher. — In etr. avil ‘Jahr’ will Maresch Μνημης χάριν 2, 27f. eine Entlehnung aus gr. ἀϝέλιος finden. I-631-632

Ἦλις, -δος dor. (Pi.) Ἆλις, f., Landschaft im Westen des Peloponnes, urspr. die Küstenebene am Peneios und Alpheios (κοίλη Ἦλις), ihre Hauptstadt (seit Il.). Davon ’Ηλεῖος (seit Λ 671), el. ϝαλεῖος ‘elisch, Eleer’, ’Ηλ(ε)ιακός ‘ds.’ (Str. u. a.). — Unter Annahme einer ursprüngl. Bedeutung ‘Tiefland, Hohlland’ wird *ϝᾶλις von Curtius 360 mit lat. vallis ‘Tal’ (aus *u̯alnis, evtl. *u̯alsis; zum Lautlichen Schwyzer 383 und 385 m. Lit.) gleichgesetzt. Weitere unsichere Kombination bei W.-Hofmann s. v. I-632

ἠλιτόμηνος eig. "den Monat verfehlend" ("im Monat sich vergreifend" Schwyzer 442; ähnlich Vos, s. u.), d. h. ‘zu früh geboren’ (Τ 118; danach AP, Plu. u. a.). — Späte Analogiebildungen sind ἠλιτο-εργός (AP), ἠλιτόμηνις· ὁ μάτην ἐγκαλῶν H., -μητιν (Epic. in Arch. Pap. 7, 5, Fr. 1 R. 49; vgl. ad loc.). — Verbales Rektionskompositum aus dem Aorist ἀλιτεῖν (s. ἀλείτης) und μήν mit metrischer Dehnung von ἀ̆- zu ἠ- (ἀ̆λιτόξενος Pi. O. 10, 6). Über den Kompositionsvokal -o- Schwyzer 442 und ausführlich Sommer Nominalkomp. 125ff.; über die Bildung des Hinterglieds ebd. 59. S. noch Vos Glotta 34, 290ff. m. reicher Lit. I-632

ἧλον n. Pflanzenname, = βράβυλον oder κοκκύμηλον (Seleuk. ap. Ath. 2, 50a). — Unerklärt. I-632

ἧλος, dor. ἇλος m. ‘Nagel, Nagelkopf, nagelähnliche Erhöhung’ (seit Il.). Kompp., z. B. ἀργυρό-ηλος ‘mit silbernen Nägeln verziert’ (Hom.), ἡλο-κόπος ‘Nagelschmied’ (Pap.). Davon das Deminutivum ἡλάριον (Pap.); ἡλῖτις Beiwort von λεπίς (Dsk., Aët.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 112); denominatives Verb ἡλόω, fast nur mit Präfix, z. B. προσ-, ἐφ-, καθ-ηλόω ‘annageln’ (ion. att., hell.) mit καθήλω-σις, -μα. — Nach γάλλοι· ἧλοι zu schließen, das als äolisch für ϝάλλοι stehen kann (keine sicheren Spuren von Digamma bei Hom., da ja ἀργυρό-ηλος metrisch bedingt sein kann; s. noch Chantraine Gramm. hom. 1, 155f.), ist ἧλος auf *ϝάλνος oder *ϝάλσος zurückzuführen (vgl. zu Ἦλις) und läßt sich dann mit lat. vallus ‘Pfahl, Schanzpfahl’ gleichsetzen (Wackernagel KZ 25, 261 = Kl. Schr. 1, 205), obgleich die abweichende Bedeutung trotz Persson Beitr. 1, 539f. nicht ganz zu übersehen ist. Weitere, sehr fragliche Kombinationen bei W.-Hofmann s. v. — Abzulehnende Hypothesen bei Bq (auch Add. et corr.). I-632

ἠλύγη f. ‘Schatten, Dunkelheit’ (Ar. Ach. 684, H., Erot. s. ἐπηλυγάζονται), auch ἦλυξ (Choerob.), mit ἠλυγαῖος ‘schattig, dunkel’ (Suid.), ἠλυγισμένος· κεκρυμμένος, ἐπεσκιασμένος H. — Gewöhnlicher ist ἐπηλυγάζομαι, -ίζομαι (-ζω) ‘überschatten, verdecken’ (Hp., Th., Pl., Arist. usw.) mit ἐπηλυγισμός H. s. ἠλύγη; daneben (postverbal?) ἐπήλυγα Akk. ‘überschattend’ (πέτραν, E. Kyk. 680), ἐπηλύγαιος ‘schattig, dunkel’ (AB, H.). Zu ἠλύγη gesellt sich das poet. Adj. λῡγαῖος ‘dunkel’ (S., E., A. R., Lyk. u. a.), das sich indessen in bezug auf den Anlaut und die Vokallänge davon trennt. Eine Erklärung bleibt noch zu finden. Die Annahme eines Präfixes ἠ- (zuletzt Prellwitz Glotta 19, 125) befriedigt ebensowenig wie bei ἠβαιός, ἠρέμα u. a. Da ἠλύγη weit seltener ist als ἐπηλυγάζομαι, hat man vielleicht vom Verb auszugehen. Dabei könnte -η- unursprünglich sein wie in ἐπ-ήβολος, ἐπ-ηετανός usw. (s. dd.). — Eine überzeugende Anknüpfung fehlt. Nach Scheftelowitz IF 33, 166 und Loewenthal WuS 10, 169 zu einigen baltisch-slavischen Wörtern für ‘Lache, Sumpf’, lit. liũgas, russ. lúža u. a., wozu noch als illyr. ἕλος Λούγεον καλούμενον (Str. 7, 43; bei Tergeste), alb. lëgate ‘ds.’. Einzelheiten bei Fraenkel Lit. et. Wb. und Vasmer Russ. et. Wb. s. vv.; dazu noch Porzig Gliederung 175. I-632-633

Ηλύσιον Beiwort von πεδίον (δ 563, A. R. 4, 811, Str., Plu. u. a.), auch ohne Hauptwort (IG 14, 1750); vereinzelt ’Ηλύσιος λειμών, χῶρος (Luk., sp. Inschr.) Aufenthalt der Seligen nach dem Tode. Davon ’Ηλύσιος ‘elysäisch’ (αὖραι usw., IG 14, 1389). Hierher auch ἐν-ηλύσιος· ἐμβρόντητος, κεραυνόβλητος H., ἐνηλύσια (A. Fr. 17)· τὰ κατασκηφθέντα χωρία H., eig. "im Elysion befindlich", weil der vom Blitz getroffene nach einem verbreiteten Volksglauben in eine höhere Daseinsform erhoben wurde (s. Cocco, Titel unten). In derselben Bed. auch das Simplex ἠλύσια n. pl. (Polem. Hist. 93). — Unerklärt, ohne Zweifel vorgriechisch (z. B. Malten ArchJb. 28, 35ff.; über das Elysion als vorgriechische Vorstellung Nilsson Gr. Rel. 1, 324ff. m. Lit.). Oft mit ἐλεύσομαι, ἤλυθον verbunden (EM 428, 36, Fick 13, 200, Capelle Arch. f. Religionswiss. 26, 30ff.); dagegen u. a. Wackernagel Dehnungsgesetz 5 (= Kl. Schr. 2, 901), Güntert Kalypso 38 A. 3. Unhaltbare idg. Etymologien auch von Schrader Sprachvergleichung und Urgesch.3 435 (zu lit. vė̃lės ‘Geister der Toten’, awno. valr m. sg. ‘die Leichen auf dem Schlachtfelde’ usw.; dagegen Güntert a. a. O.), von Carnoy Beitr. z. Namenforschung 7, 119 (zu ἦλος· τόπος..., ἐν ᾧ οὐδὲν φύεται H.). Die Erklärungen aus dem Semitischen (Lewy Fremdw. 219ff., Cocco Biblos 31, Sonderdruck 1ff.) sind ebenfalls als verfehlt zu betrachten. I-633

ἧμα n. ‘Wurf’ s. ἵημι. I-633

ἧμαι, 3. sg. ἧσται, 3. pl. εἵαται (für ἥαται), ἕαται, Ipf. ἥμην (ep. poet.; auch Hdt.); ion. att. dafür κάθ-ημαι (κάτ-), κάθηται, 3. pl. κάθηνται, κατ-έαται, Ipf. (ἐ-)καθήμην ‘sitzen’. Mit Präfix ἔφ-, selten ἄφ-, ἔν-, μέθ-, ὕφ-ημαι (ep. poet.). Sehr oft zu κάθημαι, weil als Simplex aufgefaßt, z. B. ἐγ-, ἐπι-, προ-, συγ-κάθημαι (ion. att.). — Altes Verb für ‘sitzen’, auch im Indoiranischen und Hethitischen (nebst Nachbarsprachen) erhalten: aind. ā́ste, aw. āste = ἧσται (idg. *ēs-tai), aind. ā́sate = ἥαται (idg. *ēs-n̥tai; aw. ā̊ŋhənte thematische Umbildung); mit anderer Flexion heth. 3. sg. eša(-ri), 3. pl. ešanta(-ri), luw. aš-, hier.-heth. as-. Der Spiritus stammt von ἕζομαι, ἵζω (anders Lohmann Gnomon 16, 63; s. auch die Lit. bei Schwyzer 680 A. 1). Über die Abgrenzung von idg. ēs- gegenüber sed- vgl. Porzig Gliederung 91; zu einer sehr fraglichen Vermutung Hirts (IF 37, 227f.) über die Entstehung von idg. *ēs-tai aus *-sd-tai (sed-) s. Mayrhofer Wb. s. ā́ste mit Lit. I-633-634

ἥμαιθον n. N. einer Münze, nach H. = ἡμιωβέλιον. διώβολον παρὰ Κυζικηνοῖς (Herod., Phoen., Rhodos usw., Bechtel Dial. 2, 654; 3, 301). — Zu ἡμι- (oder darauf bezogen) mit bemerkenswerter Elision (vgl. Schwyzer 434); sonst unklar (αἰθός, αἴθω?). I-634

ἦμαρ, dor. ark. ἆμαρ, -ατος n. ‘Tag’ (ep. poet. seit Il.; vgl. unten). Als Hinterglied z. B. in ἐνν-, ἑξ-, αὐτ-, παν-, προ-ῆμαρ ‘neun Tage lang’ usw. (Hom. u. a.); zum Komp. typus Leumann Hom. Wörter 100f. (gegen Wackernagel Glotta 2, 1ff.). Abl. ἠμάτιος ‘täglich, bei Tage’ (Hom., Hes., AP). — Erweiterte Form ἡμέρα, ion. -ρη, dor. usw. ἀμέρα, lokr. ἀμάρα ‘ds.’ (seit Il.); zur Bedeutung v. Windekens Philol. Stud. 11-12, 25ff. Als Vorderglied z. B. ἡμερό-κοιτος ‘sein Lager am Tage ein. nehmend, bei Tage schlafend’ (Hes. u. a.); als Hinterglied z. B. in ἐφ-ήμερος (Pi., ion. att.; -έριος poet. seit Od.) ‘nur einen Tag lebend, vergänglich, täglich’ mit ἐφημερίς, -ία, -εύω, -ευτήριον. Zu τήμερον, μεσημβρία s. bes. Ableitungen: ἡμέριος (ἁμ-) ‘nur einen Tag lebend, täglich’ (Trag. in lyr. usw.), ἡμερινός ‘zum Tage gehörig’ (ion. att.; Chantraine Formation 201), ἡμερήσιος (-ίσιος?; s. Debrunner Glotta 13, 169) ‘einen Tag dauernd, zum Tage gehörig, täglich’ (ion. att.; Chantraine 42), ἡμεραῖος ‘ds.’ (Pap.), ἡμερούσιος Adv. ‘täglich’ (Pap. IVp u. a.; nach ἐπιούσιος; Debrunner a. a. O.). Denominatives Verb ἡμερεύω ‘den Tag zubringen’, auch mit Präfix, δι-, παν- (ion. att.); davon ἡμέρευσις ‘das Zubringen eines Tages’ (Aq.). — Zu ἦμαρ, wohl ionisiert aus äol. ἆμαρ und aus Homer in dorisierende Dichtung, auch in feierliche prosaische Formeln (ark. ἄματα πάντα) eingedrungen, bietet arm. awr ‘Tag’ (idg. *āmōr; vgl. τέκμαρ : -μωρ) ein bemerkenswertes Gegenstück; sonst ist dies Wort in keinem Sprachzweig vorhanden. Das erweiterte ἡμέρα (lokr. ἀμάρ-α), worüber Chantraine Formation 228, kann den Spiritus aus ἑσπέρα bezogen haben (Schwyzer 305, Wackernagel Unt. 45 A. 1). Über ἦμαρ und ἡμέρη bei Homer Debrunner Mus. Helv. 3, 40ff.; über das pluralisch gebrauchte ἦμαρ Leumann Hom. Wörter 100, der gegen Wackernagel, Benveniste u. a. darin eine Neuerung erblickt. I-634-635

ἡμεδαπός ‘der unsere, einheimisch’ (att.). — Das synonyme aind. asmad-ī́ya- ‘unser’ läßt auf ein suffixales -απος schließen (vgl. zu ἀλλοδαπός). Zum Stamm ἡμεδ- = asmad- vgl. ἡμεῖς und Schwyzer 604 m. A. 1. Anders Szemerényi KZ 73, 59f. m. A. 1 und 2. I-635

ἡμεῖς, Akk. ἡμᾶς, ion. ἡμέας, dor. ἁ̄μές, Akk. ἁ̄μέ, äol. ἄμμες, Akk. ἄμμε ‘wir, uns’ (seit Il.). Davon die Possessiva ἡμέ-τερος, Dor. ἁμέ-τερος, ἁμός, äol. ἀμμέ-τερος, ἄμμος ‘unser’. Die Akkusative ἁ̄μέ, ἄμμε gehen auf *ἀσμε zurück (s. unten) und ergaben durch Angleichung an die Nominalflexion die Nom. ἁ̄μές, ἄμμες, dann auch ἡμεῖς (wohl aus -έες) mit dem neuen Akk. ἡμέας, durch unregelmäßige Kontraktion (oder nach ἧμᾰς π 372?) ἡμᾶς. Hinzu kamen die Genetive ἡμῶν, ἡμέων, ἁ̄μέων, ἀμμέων. Zu den Dativen ἡμῖν usw. s. unten. — Die altertümlichen ἁ̄μέ, ἄμμε aus *ἀσμε stimmen genau zu aw. ahma ‘uns’; in aind. asmā́n ‘ds.’ wurde die nominale Endung hinzugefügt. Andere Formen wie aind. nas (enklitisch), lat. nōs, got. uns aus idg. *nō̆s bzw. *n̥s erweisen für *ἀσμε = aw. ahma eine idg. Grundform mit einem angehängten Element -sme: *n̥sme aus *n̥s-sme. Der Spiritus in ἁ̄μ-, ἡμ- läßt sich analogisch aus ὑμ- erklären. — Der Dativ ἡμῖν, dor. ἁ̄μῑ̆ν, äol. ἄμμι(ν) aus *ἀσμι(ν) erinnert stark an die indoiranischen Demonstrativa und Interrogativa aw. ahmi, ásmin ‘in eo’, aw. kahmi, aind. kásmin ‘in quo?’; dazu noch kret. ὅτι-μι, μήδι-μι. Die Länge -ῖν ist jedenfalls eine Neuerung (nach den langvokalischen Ausgängen in ἡμ-ῶν, -εῖς usw.?). — Das Griechische hat wie das Latein und das Keltische den besonderen Nominativ für ‘wir’, got. weis, heth. u̯ēš, aind. vay-ám usw. eingebüßt und durch den Akkusativ ersetzt. — Einzelheiten mit reicher Lit. und Diskussion bei Schwyzer 600ff. I-635

ἠμέν mit ἠδέ korrespondierend ‘sowohl — als auch’ (ep. poet. seit Il.). — Aus 1. ἦ ‘fürwahr’ und μέν. Vgl. zu ἠδέ. I-635

ἥμερος ‘zahm, gezähmt, gesittigt, veredelt’ (seit ο 162, auch Tab. Herakl. 1, 172; codd. Pi. und A. falsch ἅμ-). Negiert ἀν-ήμερος ‘unkultiviert, roh, wild’ (A., hell. und spät); fungiert als Verbaladj. zu ἡμερόω, Frisk Adj. priv. 12f. Als Vorderglied in ἡμερό-φυλλος "mit veredelten Blättern", ‘veredelt’ (ἐλαία; Isyll. 20). Ableitungen: ἡμερίς (sc. ἄμπελος) ‘veredelter Weinstock (ε 69 usw.) mit ἡμερίδης ‘auf die ἡμερίς bezüglich’ (οἶνος, Διόνυσος; Plu.); ἡμερότης ‘Zahmheit, Milde, Urbarmachung’ (ion. att.), ἡμερία ‘ds.’ (Pap.); denominatives Verb ἡμερόω ‘zähmen, unterwerfen, kultivieren, veredeln’ (ion. att.) mit ἡμέρ-ωσις ‘Veredlung, Urbarmachung’ (Thphr., D. S. u. a.), -ωμα ‘kultivierte Pflanze’ (Thphr.; vgl. Chantraine Formation 186f.), -ωτής ‘Zähmer’ (Max. Tyr.). Zum Akzent vgl. ἐλεύθερος; wie dies einen Gegensatz (: ἄγριος) ausdrückend. — Mehrere hypothetische Deutungsvorschlage: zu aind. yámati ‘bezwingen, bändigen’ (WP. 1, 207); zu aind. sāntvam n. ‘Milde’, nhd. sanft usw. (Froehde BB. 21, 324f., Pedersen Symb. phil. Danielsson 267); zu einem westgerm. Wort für ‘traurig, kummervoll’, ahd. jāmar usw. (Solmsen KZ 32, 147). I-635-636

ἠμί 3. sg. ἠσί, dor. ἠτί, fast nur im Ipf., namentlich 3. sg. ἦ ‘er sprach’ (1. sg. ἦν) gebräuchlich (seit Il.). ‘sprechen’ — Erstarrtes verbum dicendi; zu dem altererbten ἦ aus *ἦκ-τ (idg. *ēĝ-t) entstanden nach dem Muster von φημί, φησί, ἔφην die übrigen Formen. Schwyzer 678 m. Lit. — Damit ablautend ἄνωγα ‘befehle’, s. d. I-636

ἡμι- ‘halb-’ (seit Il.). Davon 1.ἥμισυς (-τυς), eig. Subst. m. ‘Hälfte’ (ὁ ἥμισυς τοῦ ἀριθμοῦ; pl. ἡμίσεις Φ 7), τὸ ἥμισυ (seit Il.; nach τὸ ὅλον), (Adj.) f. ἡμίσεια, epid., ther. ἡμίτεια (Brugmann Grundr.2 2, 1, 447). Auch in Kompp., z. B. ἡμισύ-τριτον n. ‘drittehalb’ (Archil. 167), ἡμιτυ-εκτου (Gen.) ‘ein halber ἑκτεύς’ (kret.). Durch regressive Assimilation ἥμυσυς (Erythrae Va usw.). Zu lesb. αἴμι(συς) Schwyzer 185 und 274. Durch Überführung in die ο-Stämme (Schwyzer 472) ἥμισσον n. ‘Hälfte’ (aus -τϝ-ον; dor. ark.). Denominative Verba ἡμισεύω ‘halbieren’ mit ἡμίσευμα ‘Hälfte’ (LXX u. a.), mit Aphärese μίσευμα ‘ds.’ (Perga; Wilhelm Glotta 14, 75ff.); ἡμισιάζω ‘ds.’ (Hero u. a.; vgl. die Verba auf -ιάζω Schwyzer 735). — 2. ἡμί̄να f. ‘Hälfte’ (kret. kypr.; Bechtel Dial. 1, 448), auch als Maß (Sizilien; daraus lat. LW hēmīna); zur Bildung vgl. δωτί̄νη und Chantraine Formation 205, Schwyzer 491. — 3. ἡμίχα· ἡμιστατῆρα H.; vgl. δίχα. — Vgl. noch Schwyzer 434 und 599. — Alter Ausdruck für ‘halb-’, auch in aind. sāmi-, lat. sēmi-, germ., z. B. ahd. sāmi- ‘ds.’ erhalten. Die funktionelle Identität tritt in parallelen (nicht altererbten) Kompp. zutage: aind. sāmi-jīva- = lat. sēmi-vīvus, vgl. ἡμί-βιος und ahd. sāmi-queck "halb-lebend", ‘halbtot’. Für den von Persson Beitr. 1, 144 vermuteten Zusammenhang mit *sem- ‘eins’ (s. εἷς) hat Gonda Reflexions on the numerals ‘one’ and ‘two’ 35ff. neue Gründe beigebracht. I-636

ἤμορος · ἄμοιρος; davon ἠμορίς· κενή, ἐστερημένη. Αἰσχύλος Νιόβῃ (Fr. 165); ἠμόριξεν· ἄμοιρον ἐποίησεν H. — Ion. att. aus *ἄ-σμορος und mit hom. (äol.) ἄ-μμορος identisch; s. zu μείρομαι (μόρος, μοῖρα) und κάμμορος. — Schwyzer 310; vgl. noch Schulze Herm. 28, 25 (= Kl. Schr. 401). I-637

ἦμος (ep. poet. seit Il.) ‘als, während’ s. τῆμος. I-637

ἠμύω, Aor. ἠμῦσαι, auch mit κατ-, ἐπ-, ὑπ-, ‘sich neigen, (mit dem Kopf) nicken, zusammenstürzen’ (ep. poet. seit Il.); vereinzelt trans. ‘senken, zugrunde richten’ (A. R., Musae.); daneben ἀ̆μύω ‘ds.’ (Hes. Fr. 216). Hierher wahrscheinlich auch das Perf. ὑπεμνήμῡκε X 491 für ὑπ-εμήμῡκε (mit metr. Dehnung); Schwyzer 774, Bechtel Lex. s. ἠμύω m. Lit. — Unerklärt. I-637

ἤν Interjektion, um die Aufmerksamkeit zu erregen ‘he!, siehe da!’, auch ἠνίδε (ἢν ἴδε), ἢν ἰδού (Ar., Herod., hell.). Angehängt in argiv. ταδ-έ̄ν, το̄νδεο̄ν-έ̄ν. — Das damit identische lat. ēn ist wenigstens teilweise als griech. Entlehnung zu verstehen. Schwyzer-Debrunner 566, W.-Hofmann s. v. m. Lit. und weiteren Einzelheiten. I-637

ἠνεκής s. διηνεκής. I-637

ἡνία (Hom., Hes., Pi.), n. pl. ἡνίαι f. pl., auch -ία sg. (nachhom.), dor. ἁν- (ἀν-) ‘Zügel’. Als Vorderglied u. a. in ἡνί-οχος "Zügelhalter", ‘Wagenlenker’ (seit Il.; ep. auch -ῆα, -ῆες, metrisch bedingt) mit ἡνιοχ-ικός, -έω (ep. -εύω), -ησις, -εία. Als Hinterglied z. B. in χρυσ-ήνιος ‘mit goldenen Zügeln’ (ep. poet.). — Da lak. ἀνιοχίο̄ν = ἡνιοχέων (IG 5 [1], 213) ursprüngliche Psilose zu verbürgen scheint (Herkunft des Hauches unbekannt), kann ἀ̄νία auf *ἀνσία zurückgehen und mit einem keltischen Wort für ‘Zügel’, mir. (i)si pl. (aus *ansio-) identisch sein. Dazu werden noch aus dem Lat., Balt. und Germ. einige Ausdrücke für ‘Griff, Henkel usw.’ gestellt, lat. ānsa = lit. ąsà, awno. ǣs f. (< *ansiā) ‘Loch zum Durchziehen der Schuhriemen’ (wegen der Bedeutung sehr zweifelhaft). — Walde Stand u. Aufgaben 153f. Weitere Lit. und überholte Auffassungen bei Bq, WP. 1, 68, W.-Hofmann s. ānsa, Puhvel Lang. 30, 456f. I-637

ἡνίκα, dor. äol. (Pi., Theok.) ἁνίκα, ἀν- relat. Konj. ‘wann, zu der Zeit wo’ (seit χ 198). Daneben τηνίκα, πηνίκα; vgl. zu ἡλίκος. — Nach Persson IF 2, 250f. zum Relativum ὁ-, ἁ̄- (s. 1. ὅς) mit demselben Ausgang wie αὐτί-κα, ὅ-κα; zu -νι- vgl. ark. ὀ-νί. Nicht besser mit Buttmann u. A. (s. Schwyzer 629): τηνίκα aus *τὴν ϝίκα "hac vice", wozu ἡνίκα usw. — Zur Interjektion ἤν? fragend Schwyzer-Debrunner 652 A. 2. Andere Hypothesen bei Szemerényi Glotta 35, 112f. I-637

ἤνῑς ep. Beiwort von βοῦς, βοῦν (Hom.) Akk. pl.; sg. ἤνῑν (ἦνιν?); Gen. sg. ἤνιος A. R. 4, 174. — Wohl mit Sch. Α 1 ‘Jährling, einjährig’, Vr̥ddhibildung von einem Wort für ‘Jahr’, das auch in ἐνιαυτός (s. d.) u. a. erhalten ist. Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 114 A. 1 (= Kl. Schr. 2, 1171 A. 1) mit Kritik anderer Ansichten. Zur Stammbildung Schwyzer 463 mit A. 5. I-638

ἠνορέη ‘Manneskraft, Mannhaftigkeit’ (ep.). — Abstraktbildung von ἀνήρ, s. d. I-638

ἦνοψ, -οπος Beiwort von χαλκός (Π 408, Σ 349 = κ 360), von οὐρανός und πυρός (Kall. Fr. anon. 24, 28); auch PN (Il.). Bedeutung schon im Altertum streitig, vgl. H.: ἤνοπα· λαμπρόν, πάνυ ἔνηχον, διαφανῆ. — Bildung auf -οψ (Schwyzer 426, Chantraine Formation 258), aber sonst unklar; urspr. wohl *ϝῆν-οψ (Chantraine Gramm. hom. 1, 152); vgl. νῶρ-οψ, αἶθ-οψ, auch von χαλκός. Mehrere vergebliche Deutungsversuche von Bezzenberger BB 1, 338, Reichelt KZ 39, 67, Charpentier KZ 40, 452 A. 2, Froehde BB 18, 63, Stokes BB 20, 223 (vgl. Bq); s. noch Kuiper MAWNied. NR. 14 : 5, 27 A. 2. I-638

ἤνυστρον n. ‘der vierte Magen der Wiederkäuer, Labmagen’, auch als Ben. eines Gerichts (Ar., Arist. u. a.); — ἐν- (LXX) nach ἔντερα, ἐγκοίλια usw. Von ἤνυστρον, falls aus *ϝήνυστρον, unterscheidet sich ein nordgerman. Wort für ‘Labmagen’, z. B. norw. dial. vinstr f. nur bezüglich der Quantität der ersten Silbe und der Farbe des Zwischenvokals; gr. -υ- kann aus ὑστέρα analogisch übertragen sein. Als gemeinsame Grundform wäre idg. *u̯ē̆nes-tro-, -trā- anzusetzen. Dazu noch, im Suffix abweichend, ahd. wanastWanst’, auch ‘der erste Magen der Wiederkäuer’, aind. vaniṣṭhú- m. etwa ‘Mastdarm’ (urspr. r-Stamm? Frisk Suff. -th- im Idg. 34f.). — Lidén KZ 61, 19ff. mit Kritik anderer Ansichten. I-638

ἠπανᾷ und ἠπανεῖ· ἀπορεῖ, σπανίζει, ἀμηχανεῖ H. Daneben ἠπανία· ἀπορία, σπάνις, ἀμηχανία H., EM 433, 17; coni. in AP 5, 238. — Hängt irgendwie mit πανίαπλησμονή’ zusammen; somit metr. Dehnung für *ἀ-πανία (WP. 2, 8)? Nicht mit Fick 2, 42 zu πῆ-μα, πη-ρός oder mit Curtius zu πένομαι (mit präfixalem ἠ- nach Prellwitz Glotta 19, 126). I-638

ἠπάομαι, Aor. ἠπήσασθαι, Perf. Ptz. Pass. ἠπημένος ‘flicken, ausbessern’ (Hes. Fr. 172, Ar. Fr. 227, Gal., Aristid. u. a.). Davon ἠπητής ‘Flicker, Ausbesserer’ (X. Kyr. 1, 6, 16 [schlechtere v. l. ἀκεσταί], Batr., Pap.; von den Attizisten verworfen, vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 15 m. A. 2), f. ἠπήτρια (Pap.); ἤπητρα pl. ‘Flickerlohn’ (Pap.), ἠπητήριον ‘Flickerwerkzeug, Nadel’ (Ael. Dion.). — Zur Bildung vgl. πηδάω und andere Deverbativa mit gedehntem -Vokal (Schwyzer 719); sonst dunkel. Nach Prellwitz KZ 47, 302 u. A. zu ἤπιος; Charpentier ZDMG 73, 137f. vergleicht aind. vápati ‘scheren’. I-638-639

ἦπαρ, -ατος n. ‘Leber’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ἡπατοσκοπέω ‘die Leber (als Wahrsager) besehen’ (LXX). Ableitungen: ἡπάτιον Ben. eines Gerichts (Ar. usw.); ἡπατῖτις f. ‘zur Leber gehörig, lebergefärbt’ (Hp. usw.), auch als N. eines Steins und einer Pflanze (Plin., Ps.-Dsk.; Redard Les noms grecs en -της [s. Index], Strömberg Pflanzennamen 41); ἡπατ-ικός, -ιαῖος, -ίας, -ηρός ‘auf die Leber bezüglich’ (Hp. u. spät); ἥπατος m. N. eines Fisches (Kom., Arist. u. a.; zum unbekannten Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 45f.; nach Thompson Fishes s. v. eher ägyptisch [?]). — Das idg. Wort für ‘Leber’, *i̯ē̆q(-t), Gen. *i̯eqn-és (-ós) ist als heteroklitisches Neutrum auch in aind. yákr̥t, yakn-ás und indirekt in lat. iecur, iecin-or-is erhalten. In anderen Sprachen ist der alte Wechsel ausgeschaltet worden: airan. yākarə, mpers. ǰakar, npers. ǰigar (aber pashto yī̆na; zu bemerken noch airan. huyāɣna-, nach Krause KZ 56, 304ff. für *ha-yākana- eig. "von gemeinsamer Leber"), alit. (j)ẽknos f. pl. Oft sind neue Benennungen geschaffen worden, u. a. wegen der kulinarischen Verwendung der Leber, wohl auch zu tabuistischen Zwecken, z. B. ngr. συκώτι (: σῦκον), lat. fīcātum (> frz. foie usw.), russ. péčenь (von pekú ‘backen’; ebenso lit. kẽpenos von kepù ‘ds.’). Andere Ersatzwörter sind: germ., z. B. ahd. lebara (vgl. zu λίπος), arm. leard (Ausgang von *i̯éqr̥t übernommen), heth. li-e-ši; des weiteren s. Buck Synonyms 251f. — Die Versuche, die l-Formen mit *i̯éqr̥t unter Annahme eines ursprünglichen Anlauts li̯- zu vereinigen (J. Schmidt Pluralbild. 198f.; ebenso Benveniste Origines 132 mit willkürlicher Wurzelanatomie und Etymologie) erübrigen sich. Weitere Lit. bei W.-Hofmann s. iecur, Fraenkel Lit. et. Wb. s. (j)ẽknos, WP. 1, 205f., Pok. 504; dazu Winter Lang. 31, 4ff. I-639

ἠπεδανός ‘schwach, hinfällig, gebrechlich’ (ep. poet. seit Il., Hp.). — Bildung wie ῥιγεδανός, πευκεδανός (Chantraine Formation 362, Schwyzer 530, Risch 98) aber sonst wie so viele Gefühlsadjektive unklar. Bezzenberger BB 1, 164 und Charpentier KZ 40, 442ff. vergleichen lit. opùs ‘zart, empfindlich, gebrechlich’ (daneben *ἦπος n. wie ῥῖγος zu ριγεδανός Risch), aind. apuvā́ ‘lähmender Schrecken, Panik, Todesangst’ (zur Bed. K. Hoffmann Corolla linguistica 80ff., der auch apers. afuvā anreiht). Andere Vermutungen bei Schulze Q. 148 A. 4, Prellwitz KZ 47, 299f. (dazu Kretschmer Glotta 10, 240f.), Glotta 19, 125. Vgl. noch Fraenkel Lit. et. Wb. s. opà und Specht Ursprung 345 (zur Morphologie). I-639-640

ἤπειρος, dor. ἄπειρος, äol. ἄπερρος f. ‘Festland’ im Gegensatz zu dem Meer und den Inseln, ‘Küste’, auch im Gegensatz zum Binnenland (seit Il.), auch EN Epeiros. Als Vorderglied in ἠπειρο-γενής ‘auf dem Festland geboren’ (A. Pers. 42). Davon ἠπειρώτης, f. -τις ‘Festlandsbewohner(in), (Klein)asiate, -in, Epeirot’ (ion. att.; zur Bildung Fraenkel Nom. ag. 2, 128 A. 1) mit ἠπειρωτικός (X. u. a.); denom. Verb. ἠπειρόομαι, *όω ‘Festland werden, zum festen Lande machen’ (Th., Arist. u. a.). — Urgr. *ἄ̄περι̯ος stimmt bis auf das Jotsuffix zum westgerman. Wort fur ‘Ufer’, ags. ōfer m. usw., urg. *ṓfera-, idg. *ā́pero- (Lottner KZ 7, 180 u. A.; vgl. Kluge-Götze s. Ufer mit weiteren Einzelheiten). Arm. apn ‘Ufer’ (Benveniste Origines 13) ist lautlich damit nicht vereinbar. — Die von WP. 1, 47 abgelehnte Verbindung mit aind. ápara- ‘hinterer, späterer’ wird von Specht Ursprung 23 mit fragwürdigen Schlüssen wieder aufgenommen. I-640

ἠπεροπεύς m. ‘verführerischer Beschwatzer, Betrüger’ (λ 364, A. R. 3, 617, AP 9, 524, 8), -ηΐς f. [Hom.] ap. Str. 1, 2, 4. Daneben ἠπεροπεύω nur Präsensstamm ‘verführerisch beschwatzen, betrügen’ (Hom., Hes.) mit ἠπεροπευτής (nur Vok. -τά Γ 39 = Ν 768, h. Merc. 282 u. a.; zur Bildung Fraenkel Nom. ag. 1, 20f., 2, 34) und ἠπερόπευμα (Kritias). — Schon wegen der Spärliechkeit der Belege ist man geneigt, mit Boßhardt Die Nomina auf -ευς 26 ἠπεροπεύς als eine retrograde Ableitung von dem weit gewöhnlicheren ἠπεροπεύω zu betrachten. Das dadurch erschlossene Grundwort, *ἠπερ-οψ, *ἠπερ-οπός, -ή hat zu vielen Vermutungen Anlaß gegeben: aind. ápara- ‘hinterer, anderer’ (Curtius 263, Prellwitz BB 22, 112); lat. săpiō (Solmsen KZ 42, 233 A. 1); gr. ἤπιος (L. Meyer 1, 609); ἀπάτη (Kuiper Glotta 21, 283f.; vgl. s. v.). I-640

ἠπίαλος m. ‘Schüttelfrost, Frostschauer vor einem Fieber, mit Frostschauer verbundenes Fieber’ (Thgn., Ar., Hp. usw.; zur Bedeutung Strömberg Wortstudien 82ff.); ἐπίαλος Alk. bei EM 434, 6 (wohl nach ἐπί). Davon ἠπιαλώδηςἠπ.-artig’ (Hp.), ἠπιαλέω ‘von ἠπ. leiden’ (Ar., Arist.), ἐξ-ηπιαλόομαι ‘in ἠπ. übergehen’ (Hp.). — ἠπίολος ‘Lichtmotte’ (Arist. HA 605b 14; v. l. -όλης) mit ἠπιόλιον· ῥιγοπυρέτιον H. — Nach Strömberg a. a. O. von ἤπιος, eig. "das milde Fieber" als tabuisierende Umschreibung; vgl. die daselbst angeführten Beispiele ähnlicher Benennungen; zur sekundären Ableitung auf -αλο- Chantraine Formation 246f. Von ἠπίαλος ist ἠπίολος (besser -όλης; nach den Nomina auf -όλης) ‘Lichtmotte’ nicht zu trennen, wie die schon von Bugge BB 18, 166 herangezogenen lit. drugỹs ‘(kaltes) Fieber, Fiebervogel, Schmetterling’ (zu russ. drožátь ‘zittern’), alb. ethe ‘Fieber’ mit ethëzë "Fiebervogel", ‘Motte’ zeigen; s. noch Immisch Glotta 6, 193. Im Volksglauben gelten Schmetterlinge u. dgl. als fieberbringend. — Nicht mit Vaniček u. A. (z. B. Güntert Kalypso 226f.) zu lat. vappō ‘Motte?’. — Vgl. ἐφιαλτης. I-640-641

ἤπιος ‘freundlich, gütig, mild, heilsam’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in ἠπιό-φρων ‘mit milder Gesinnung’ (Emp. u. a.). Davon ἠπιότης ‘Milde’ (hell.) und die seltenen Denominativa ἠπιόομαι ‘mild werden’ (Phld.), ἠπιαίνω ‘mildern’ (Arist. Mu. 397b1; unsicher). Zu ἠπίαλος s. bes. — Gewöhnlich zu aind. āpí- ‘Freund’ gezogen (Froehde BB 21, 330, L. Meyer u. A.; vgl. Kretschmer Glotta 11, 109), bisweilen mit gleichzeitiger Heranziehung von aind. āpnóti ‘erlangen’ (Prellwitz KZ 47, 300ff.). Andere vergleichen lat. pius (Rozwadowski, s. Glotta 4, 344) oder ἅπτω (Würtheim, s. Glotta 19, 176) oder sogar ἠπύειν, wozu noch νήπιος (Lacroix Mélanges Desrousseaux 261ff.). I-641

ἠπύω, dor. ark. ἀπύω, Aor. ἠπῦσαι ‘laut tönen, laut rufen’, auch mit ἀν-, ἐπ- (ep. poet. seit Il.). Daneben ἠπύτᾰ ‘Rufer’ als Epithet (Η 384, Q. S., Opp.), ’Ηπυτίδης N. eines Herolds (Ρ 324), βρι-ήπυ-ος ‘laut schreiend, mit lautem Geschrei’ (Ν 521). — In ἠπύω steckt wahrscheinlich ein Nomen *ἦπυς ‘lauter Ruf’, das außerdem nicht nur in ἠπύ-τᾰ sondern wahrscheinlich auch in βρι-ήπυ-ος vorhanden ist (Fraenkel Nom. ag. 1, 165). — Zum Ausgang vgl. γηρύ-ω, οἰζύ-ω, ἀΰ̄-σαι; sonst unklar. Der Vergleich mit lat. vāpulō ‘Prügel bekommen’, wohl eig. ‘wehklagen, jammern’, (Persson Beitr. 1, 495 A. 4), wozu noch, mit lautgeschichtlich abweichendem Labial, germ., z. B. got. wopjan ‘schreien, rufen’, erheischt ein anlautendes Digamma, von dem indessen keine Spur zu entdecken ist (Dissimilation gegen -π-?; vgl. WP. 1, 217). — Vgl. zu ἠχή. I-641

ἦρα Akk. sg. (pl. n.?), bei Hom. nur (ἐπὶ) ἦρα φέρειν ‘jmdm. einen Gefallen tun’, nachhom. m. Gen. = χάριν ‘zu jmds. Gunsten’ (B., Kall. u. a.). Davon ἐρί-ηρες pl. etwa ‘traut, lieb’, s. d., auch ἐπίηρος, ἐπιήρ-ανος ‘gefällig, angenehm, willkommen’, s. dd. Außerdem βριηρόν· μεγάλως κεχαρισμένον H. (falsch für ἐρί- ?). EN Πολυ-ήρης u. A. (Bechtel Hist. Personennamen 194f.). — Unsicher lesb. ἠρώνα (IG 12 [2] : 242, 8) Bed. unklar, viell. ‘Freundlichkeit’ (vgl. Bechtel Dial. 1, 120; Bildung wie ῥαστώνη). — Ein ursprüngliches ϝῆρ-α (zum Digamma Chantraine Gramm. 1, 152; zur Stammbildung Sommer Nominalkomp. 138) eröffnet mehrere formale Anknüpfungsmöglichkeiten, von denen der Anschluß an lat. se-vērus ‘ernsthaft’ (aus *sē vērō "ohne Freundlichkeit"), germ., z. B. awno. vǣrr ‘freundlich’, ahd. ala-wāri ‘gütig, freundlich’, weiterhin an das Wort für ‘wahr’, lat. vērus = air. fir = germ., z. B. ahd. wār, an aksl. věra ‘Glaube’ u. a. m. am meisten für sich hat (Prellwitz KZ 44, 152, Bechtel Lex. 138 u. A.). Aus dem Griechischen gehören wahrscheinlich hierher noch ἑορτή, ἔρανος, ἔροτις, s. dd. — Nicht mit Fick 1, 130, Prellwitz a. a. O. und Bq zu aind. vr̥ṇóti ‘wehren’ usw. (s. ἔρυμαι). Weitere Formen mit Lit. WP. 1, 285f., W.-Hofmann s. sevērus und vērus. I-641-642

Ἥρα, Gemahlin des Zeus (seit Il.) ion. Ἥρη; kypr. Ε̄ραι (Dat., Schwyzer 681, 4), myk. E-ra? Als Vorderglied z. B. in ‘Ηρα-κλέης, -κλῆς (seit Il.; zur Erklärung Kretschmer Glotta 8, 121ff. m. Lit.) mit ‘Ηρακληείη (βίη; metrisch; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 31), -κλήϊος, -κλειος und ‘Ηρακλείδης (seit Il.; zur metrischen Form Debrunner ’Αντίδωρον 38). Davon ‘Ηραῖος ‘der H. gehörig’ (ion. att.); f. -αία, -άα Stadtname (Arkadien VIa) mit ‘Ηραιεύς Bew. von Heraia; auch Ε̄ρϝαο̄ιοι (el.); ‘Ηρα(ι)ών Monatsnamen (Tenos, Eretria usw.). — Eigentliche Bedeutung unbekannt, mithin ohne Etymologie. Die digammalosen kyprischen und arkadischen Formen, wozu noch att. Ἥρα gegenüber κόρη aus *κορϝη, machen die Richtigkeit von el. Ε̄ρϝαο̄ιοι stark verdächtig. Schon dadurch wird die Anknüpfung an lat. servāre usw., wozu noch ἥρως ("die Schützerin, die Herrin"; Fick-Bechtel Personennamen 361, 440, Solmsen Wortforschung 81 m. A. 1), ganz unwahrscheinlich. Neue Vorschläge: zu idg. *i̯ēr- ‘Jahr’ (s. ὥρα), u. z. entweder als "Jahresgöttin" (Schröder Gymnasium 63, 60ff.) oder als "die einjährige, d. h. junge Kuh" (v. Windekens Glotta 36, 309ff.). Wie bei den meisten Götternamen liegt auch bei Ἥρα vorgriechischer Ursprung am nächsten. Ausführlich über Hera Nilsson Gr. Rel. 1, 427ff. (mit reicher Lit.). I-642

ἠράνθεμον n. "Frühlingsanthemon" (Dsk.). — Von ἔαρ ‘Frühling’, vgl. Strömberg Pflanzennamen 72. Zur Bildung auch Risch IF 59, 53f. I-642

ἤρανος m. ‘Schützer, Herr, Helfer’ (hellen. Dichtung), nach H. = βασιλεύς, ἄρχων, σκοπός, φύλαξ. Davon ἠρανέων· βοηθῶν, χαριζόμενος H. — Früher belegt ist ἐπι-ήρανος ‘mächtig, herrschend, schützend’ (Emp., Pl. Kom., AP u. a.). Zum Suffix vgl. zu κοίρανος. Fick 2, 270 vergleicht aind. vāraka- ‘Abwehrer, Gegner’ (näher käme das früher belegte vāraṇá- ‘abwehrend, stark, kräftig’ [seit RV.]), kymr. gwawr ‘Held’ (idg. *u̯ōr-); dann wäre ἔρυμαι damit entfernt verwandt. Zu ἐπι-ήρανος vgl. zu ἐπι-βουκόλος; ob ἤρανος ein archaisierendes Simplex ist, sei dahingestellt. — Verbindung mit ἦρα, ἐπίηρος usw. scheint semantisch ausgeschlossen. I-642-643

ἠρέμᾰ Adv. ‘ruhig, sanft, langsam, ein wenig’ (Pl., Ar., Arist. usw.); auch ἠρέμᾰς (A. R. 3, 170; antevok.), -μί̄ (Ar. Ra. 315). Davon ἠρεμαῖος ‘ruhig’ (Pl., Hp. u. a.), Komp. ἠρεμέστερος (X., Thphr.; Schwyzer 535; Neubildung, nicht alter s-Stamm = got. rimis), mit ἠρεμαιότης (Hp.); ἤρεμος ‘ds.’ (Thphr., Kaiserzeit; Rückbildung aus ἠρεμέω) mit ἠρεμότης (spät); denominative Verba: 1. ἠρεμέω ‘ruhig sein’ (Pl., Hp. usw.) mit ἠρέμησις ‘Ruhe’ (Ti. Lokr., Arist. u. a.), auch ἠρεμία ‘ds.’ (Arist. usw.; nach dem Typus ἐπιδημέω : ἐπιδημία; Schwyzer 469; vgl. auch ἤρεμος [: ἐπίδημος]); 2. ἠρεμίζω ‘zur Ruhe bringen’ (X., Arist.) mit ἠρέμισμα (Arist.-Kom.); 3. ἠρεμάζω ‘ruhig sein’ (LXX). — Zur Bildung von ἠρέμᾰ s. Schwyzer 622; ἠρέμᾰς wie ἀτρέμᾰς (ebd. 620), zu ἠρεμί̄ (-εί) ebd. 623. — Von ἠρέμα kann eine weitverbreitete Wortsippe für ‘ruhen, ruhig’ nicht getrennt werden, die im Indoiranischen, Baltischen, Germanischen und Keltischen mehrere Vertreter hat, z. B. aind. rámate ‘ruhen usw.’, lit. rìmti ‘ruhig sein’, got. rimis n. ‘Ruhe’, air. fo-rimim ‘setzen, legen’. — In ἠρέμα ist mit fraglichem Recht ein Präfix ἠ- gesucht worden (s. zu ἠβαιός); eher ist eine rhythmisch gedehnte Vokalprothese anzunehmen (zuletzt Čop KZ 74, 228; vgl. zu ἠΐθεος). — Reiche Lit. und weitere Formen bei WP. 2, 371f. I-643

ἦρι Adv. ‘früh’ (Hom.). Als Vorderglied z. B. in ἠρι-γένεια ‘die frühgeborene’ (seit Il.), Beiname der ’Ηώς, auch subst. für diese selbst (Schwyzer 456, 474, Schwyzer-Debrunner 34), später auch -ής (A. R.); ἠρι-γέρων "Frühgreis", ‘Senecio’ (Thphr.; Strömberg Pflanzennamen 56). — Scheint zunächst für *ἤερι (vgl. ἠέριος, ’Ηερί-βοια) aus *ἄ̄ιερι zu stehen, das als dehnstufiger Lokativ neben hochstufigem *αἴερι in ἄ̄ρι-στον ‘Frühstück’ (s. d.) erklärt wird. Zu *αἴερι stimmt genau got. air, awno. ār Adv. ‘früh’ aus idg. *ai̯er-i; die Dehnstufe ist sonst nirgends belegt. Das entsprechende Nomen liegt als heteroklitisches Neutrum in aw. ayarə, Gen. ayąn ‘Tag’ vor. — Weitgehende Kombinationen bei WP. 1, 2ff. I-643

ἠρίον n. ‘Erdhügel, Grabhügel’ (seit Ψ 126). Als Vorderglied in ἠρι-εργής· τυμβώρυχος H. Nach Kretschmer Mélanges van Ginneken 207ff. hierher auch der Flußname ’Ηριδανός: urspr. N. eines Flüßchens in Attika, dann durch Vermischung mit ‘Ροδανός auf diesen und den Po übertragen (zur Bildung Schwyzer 530); abweichend Pokorny Mélanges Boisacq 2, 193ff.: ’Ηριδανός aus Rhodanos über iber. *Errodanos mit Angleichung an den attischen Flußnamen; ganz anders über ’Ηριδανός Alessio Studi etr. 18, 150, Belardi Doxa 3, 205. — Bildung wie κηρίον (: κηρός), μηρία (: μηρός) u. a. (Chantraine Formation 59). Von den Alten zu ἔρα ‘Erde’ gezogen (vgl. Schwyzer 424, wo an das unklare πολύηρος· πολυάρουρος, πλούσιος H. erinnert wird), aber nach Ψ 126 μέγα ἠρίον zu schließen eher als *ϝηρίον anzusetzen. Gewöhnlich aus der allumspannenden Wurzel u̯er- ‘verschließen, bedecken’ (WP. 1, 280ff.) hergeleitet, wobei besonders auf einige germanische Wörter hingewiesen wird, z. B. awno. vǫr f. (idg. *u̯orā) u. a. ‘Hügel oder Bank von Steinen oder Kies’, awno. ver n. (idg. *u̯oriom) ‘Damm, Fischwehr’, die zunächst vom Verb für ‘wehren’, got. warjan usw. abhängen. — Aind. vr̥ṇóti im Sinn von ‘verhüllen, bedecken’ gehört vielmehr zu εἰλύω; s. d. I-643-644

ἦρος m. mit ἠρίσκος Bed. unbekannt (Delos IV -IIIa). — Unerklärt. I-644

ἤρυγγος 1. N. einer distelartigen Doldenpflanze, ‘Eryngium’ (Nik. u. a.); 2. ‘Ziegenbart’ (Arist.). (1.) gew. ἠρύγγιον (Thphr. u. a.), auch ἠρύγγη (Plin.) und ἠρυγγίτης (Plu.) ‘ds.’ 1. f., 2. m. (1.) davon ἠρυγγίς f. ‘zu E. gehörig’ (Nik.). — Bildung wie εἴλιγγος und das unklare πίσυγγος; viel öfter in athemat. Form wie φάρυγξ u. a. — Nach Strömberg Pflanzennamen 72 von ἔαρ, ἦρος ‘Frühling’, also eig. "Frühlingsblume". Die Bedeutung ‘Ziegenbart’ muß dann sekundär sein. Vgl. Lobeck Proll. 306. I-644

ἥρως, -ωος, vereinzelt -ωνος, -ωνι, -ωτι u. a. (Einzelheiten bei Schwyzer 479f., 557, 582) m. ‘Herr, Held, Heros’ (seit Il.). Davon ἡρώϊος, ἡρῷος ‘heldenhaft, heroisch’ (Pi., Pl. usw.) mit ἡρώϊον, -ῶον ‘Heroenheiligtum’ (ion. att.); ἡρωϊκός ‘ds.’ (att., Arist. usw.). Mehrere Femininbildungen (vgl. zu βασιλεύς): 1. ἡρωΐς (Pi. u. a.); 2. ἡρωΐνη, ἡρῴνη, ἡροΐνα (Ar., Inschr.); 3. ἡρώϊσσα, ἡρῷσσα (A. R., Inschr.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 2, 9 A. 1); 4. ἡρώασσα (Kreta); 5. ἡρυς (Lilybaion IIa), wohl Neubildung (nach θῆλυς, γρηΰς?); nach Kretschmer Glotta 15, 306f. alter -Stamm, mit ōu inἥρως (s. unten) ablautend; wieder anders Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 5f. — ἡρωϊασταί, ἡρωϊσταί (-οϊσταί, -ωσταί) pl. ‘Heroenverehrer’ (Inschr. seit IVa); nach den Nomina auf -αστής, -ιστής, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 175ff.; ebenso ἡρωϊσμός ‘Heroenverehrung’ (Mytilene); das Verb ἡρωΐζω nur Eust. 4, 1, u. z. im Sinn von ‘epische Gedichte schreiben’. — PN Ἥρυλλα (Chantraine Formation 252). — Bildung wie πάτρως, μήτρως, somit wohl einen Stamm ἡρωϝ- voraussetzend; sonst unklar. Gewöhnlich als "der Beschützer" erklärt und mit lat. servāre ‘erhalten, bewahren’, aw. haurvaiti ‘beschützen, behüten’ verbunden. Lit. zu Ἥρα, das als Fem. von ἥρως betrachtet wird. — Ältere, entschieden verfehlte Deutungen bei Bq; dazu noch Schröder Gymnasium 63, 69ff., v. Windekens Glotta 36, 310f. I-644-645

Ησίοδος m. PN (seit Pi.) mit ‘Ησιόδειος (Pl. usw.). — Vermutlich mit Solmsen Unt. 81 verbales Rektionskompositum zu ἵημι *ϝοδήν ‘einen Gesang anstimmen’. Vgl. zu αὐδή; außerdem Knecht Τερψίμβροτος 48f. m. weiterer Lit. (bes. P.-W. s. Hesiod 1168); auch Schwyzer 443 A. 6 (mit anderer Deutung). — Zu lesb. Αἰσίοδος (EM 452, 37) s. Schwyzer 185 Zus. 3. I-645

ἥσυχος (seit Hes.), auch ἡσύχιος (seit Φ 598), ἡσύχιμος (Pi. O. 2, 32; analogisch zu ἡσυχία, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 77), ἡσυχαῖος (att.; zu ἡσυχῆ) ‘ruhig, still, langsam’. Davon ἡσυχῆ, -ῇ Adv. ‘ruhig, gelassen, heimlich’ (ion. att.; Schwyzer 550 m. Lit.); ἡσυχία, -ίη ‘Ruhe’ (seit σ 22); ἡσυχάζω, -άσαι ‘ruhig sein, ausruhen, zur Ruhe bringen’ (att.) mit ἡσυχαστικός ‘ruhebringend’ (spät). Die in den Hss. sporadisch vorkommenden Formen mit ἁσ- sind als Hyperdorismen zu betrachten. — Unerklärt. Eine Hypothese von Osthoff und Brugmann ist bei Bq, WP. 2, 461, Pok. 890 und W.-Hofmann s. sinō notiert. Nach v. Windekens Le Pélasgique (s. Index) pelasgisch. I-645

ἦτα n. (Hp., Pl. u. a.) der siebente Buchstabe des Alphabets; — aus dem Semitischen, vgl. hebr. ḫēth; dazu Schwyzer 140. I-645

ἦτορ (ep. lyr. seit Il.), nur Nom.-Akk. bis auf ἤτορι (Pi., Simon.) n. ‘Herz’ (zur Bed. Bolelli Ann. d. Scuola Norm. di Pisa 17, 65ff.). Als Hinterglied in μεγαλ-ήτωρ, -ορος ‘hochherzig’ (ep. poet. seit Il.). Davon ἦτρον n. ‘Unterleib’ (ion. att.; zur Bildung Schwyzer 461) mit ἠτριαῖος ‘zum Unterleib gehörig’ (Ar. u. a.); vgl. z. B. νεφρ-ιαῖος und Chantraine Formation 49. — Alter r(-n?)-Stamm mit äol. -ορ für schwundstufiges -αρ (J. Schmidt Pluralbild. 177, Sommer Nominalkomp. 135). Das Wort ist auch im Germanischen und Keltischen nachzuweisen, z. B. awno. ǣðr f. ‘Ader’, ahd. ād(a)ra, mhd. āderAder, Sehne’, pl. ‘Eingeweide’, air. inathar (aus *en-ōtro-) ‘Eingeweide’ (Fick 1, 366, J. Schmidt Pluralbild. 198); weitere Einzelheiten bei WP. 1, 117, Pok. 344. — Zur Bed. ‘Herz’ ~ ‘Eingeweide’ vgl. z. B. ags. hreðer ‘Brust, Bauch, Herz’, ahd. herdar ‘Eingeweide’; s. auch zu κῆρ, καρδία. I-645

ἤτριον (ἄτριον Theok. 18, 33) besser -ίον n. ‘Aufzug des Gewebes, Kettenfaden’ (Pl., E., Theok. u. a.). — Zur Bildung vgl. ἠρίον. Semantisch empfiehlt sich die Anknüpfung an ἄττομαι ‘das Gewebe anzetteln’ (s. d.); vgl. in derselben Bed. die davon abgeleiteten ἄσμα, δίασμα. Hierher vielleicht noch ἐπήτριμοι ‘dicht nebeneinander’ (s. d.). — Ältere Deutungsvorschlage werden von Bq mit Recht abgelehnt. I-645-646

ἥττων, ion. usw. ἥσσων, ἡττάομαι, ἧττα usw. s. ἦκα. I-646

ἠΰτε Partikel ‘wie, gleichwie’ (ep. seit Il.). — Aus ἤ, ἠ(ϝ)έ ‘oder’ und *υτε = aind. utá ‘und, auch’ zusammengezogen. Schwyzer-Debrunner 564 und 576. Vgl. εὖτε. I-646

Ἥφαιστος, dor. äol. Ἅφ-, Ἄφ-, att. Vasen Ηε̄φαστος (Schwyzer 276 m. Lit.; zur Namensform usw. auch Kretschmer Glotta 30, 115ff.) m. der göttliche Schmied, Gott des Feuers, auch metonym. für ‘Feuer’ (seit Il.). Kompp., z. B. ‘Ηφαιστό-τευκτος ‘von H. verfertigt’ (S. u. a.), ἀν-ήφαιστος ‘ohne H., ohne Warme’ (πῦρ, E. Or. 621). Ableitungen: ‘Ηφαίστιος, -ιών Monats. name (Thess. u. a.), ‘Ηφαιστῖτις (sc. λίθος) N. eines Steins (Plin. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 54). ‘Ηφαίστια pl. ‘H.-feier’ (att.), -εῖον ‘H.-tempel’ (ion. att.) auch -ιεῖον (Pap. Ia, nach ’Ασκληπι-εῖον) u. a. — Vorgriechisches Wort ohne Etymologie. Pelasgische Erklärung von Carnoy Le Muséon 67, 359f. Über Hephaistos Nilsson Gr. Rel. 1, 526ff. I-646

ἠχή, dor. ἀχά f. ‘Schall, Geräusch, Ton’ (ep. seit Il., poet. u. spät) mit ἠχήεις ‘schallend, tönend, tobend’ (ep. poet. seit Il.; mit Kürzung ἠχέεντα Archil. 74, 8; vgl. Schwyzer 246). — ἠχώ, dor. ἀχώ f. ‘Schall, Laut, Widerhall, Echo’, auch personifiziert (h. Hom., Hes. Sc., Pi., A. usw.). — ἦχος m. (sekundär n.; Schwyzer 512) = ἠχή mit ἠχώδης (Hp., hell. u. spät); auch als EN ϝᾶχος (ark.), Kurzname wie ϝᾶχυς (kor. chalkid.). — ἠχέω, Aor. ἠχῆσαι, oft mit Präfix, z. B. ἀντ-, ὑπ-, ‘schallen, rauschen, tönen, ertönen lassen’ (seit Hes.); davon u. a. ἀντ-ήχημα, -ήχησις, ἠχέτης, -τᾰ (ἀχ-) ‘der Rauschende, der Tönende, Cikade’ (poet. seit Hes.; auch auf ἦχος beziehbar, Schwyzer 500, Fraenkel Nom. ag. 1, 165 u. ö.), ἠχητής Hes. mit ἠχητικός ‘tönend’ (spät), ἠχεῖον ‘Schallbecken’ (Ph., Plu. u. a.). — Als Hinterglied z. B. in ὑψ-ηχής ‘hoch wiehernd’ (ἵππος, Il.), wohl zunächst zu ἠχή (Schwyzer 513); ἄντ-ηχος ‘entgegentönend’ (Ph.) zu ἠχή, ἦχος oder ἠχέω. — Zu ἰάχω, ἰαχή s. bes. — Hinter ἠχή aus *ϝᾱχά̄, wozu das personifizierende ἠχώ und das sekundäre ἦχος (vgl. κόμπος, τάραχος u. a.), steht entweder ein Wurzelnomen oder eine uncharakterisierte Verbform. Beide sind durch nominale bzw. verbale Neubildungen, ἠχ-ή und das abgeleitete, eher deverbative (vgl. z. B. κηλέω und Schwyzer 720) als denominative ἠχέω ersetzt worden. Daneben stand ein primäres redupliziertes schwachstufiges Präsens ϝι-ϝᾰ́χ-ω, s. ἰάχω. — Die expressiven ἠχή, ἠχέω u. Verw. haben wie zu erwarten keine genauen Entsprechungen in anderen Sprachen. Nahe kommen indessen u. a. einerseits lat. vāgīre ‘wimmern’ (mit idg. -g-), anderseits einige baltische und germanische Wörter mit anlautendem su̯-, z. B. lit. svagiù, -ė́ti ‘tönen’ (idg. -g(h)-), ags. swōgan ‘tönen, sausen, widerhallen’ (idg. -gh- wie ἠχή). Fick GGA 1894, 237, Hoffmann BB 26, 132, Bezzenberger BB 27, 152. Aus dem Griechischen sei auch an ἠπύω (s. d.) erinnert. — WP. 1, 214f., W.-Hofmann s. vāgiō mit weiteren Formen und ausführl. Lit. I-646-647

θαιρός m. ‘Türangel, drehbarer Türzapfen’ (Μ 459, Q. S., Agath.), auch ‘Wagenachse’ (S. Fr. 596) mit θαιραῖος (Poll.); dazu θαιροδύται· οἱ ἐν τῷ ζυγῷ δακτύλιοι, διὧν οἱ ῥυτῆρες H. — Technischer Ausdruck ohne Etymologie. Nach Brugmann (z. B. IF 17, 356ff.) aus *θϝαρ-ιό-ς, idg. *dhu̯r̥-i̯ó-, eig. "Türgänger’’, Zusammenbildung aus θύρα (s. d.) und ἰέναι ‘gehen’ (?). Norw. dial. darre ‘Türangel, kleiner Ständer in der Ecke eines Schlitten’, von Falk-Torp Wb. 1, 178 mit θαιρός identifiziert, kann höchstens damit entfernt verwandt sein. I-647

θᾶκος (att.), ep. ion. dor. poet. θῶκος (zerdehnt θόωκος β 26, μ 318, Versende; vgl. unten) m. ‘Sitzung, Sitz, Stuhl’ (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in σύν-θακος, -θωκος ‘der den Sitz mit einem anderen gemeinsam hat, beisitzend’ (S., E. usw.). Denominative Verba: 1. θάσσω, ep. θαάσσω, nur Präsensstamm, ‘sitzen’ (ep. poet. seit Il.), aus *θαϝακ-ι̯ω, vgl. unten. 2. θᾱκέω, θωκέω, auch mit Präfix, z. B. συν-, ἐν-, ‘sitzen’ (posthom.) mit θάκημα ‘das Sitzen’ (S.), ἐνθάκησις ‘das Darinsitzen’ (S.), ἐνθακη ‘Hinterhalt’ (Pompeiopolis; postverbal), θακεῖον ‘Sitz’ (Attika IVa; vgl. ἀρχεῖον u. a., Chantraine Formation 61). 3. θακεύω ‘zu Stuhle gehen’ (Plu., Artem.). — Zu θοάζω s. bes. — Aus θάβακον· θᾶκον ἢ θρόνον H. geht hervor, daß *θᾶκο aus *θά(ϝ)ακος kontrahiert ist; für θῶκος läßt sich in entsprechender Weise auf ein älteres θώ(ϝ)ακος, gekürzt *θό(ϝ)ακος, schließen, das mit metrischer Dehnung in dem zerdehnten θόωκος stecken kann. Die weitere Analyse bleibt unsicher, aber allem Anschein nach ist von der Schwundstufe, bzw. der -haltigen Hochstufe von τί-θη-μι (vgl. θαμ-ά, θωμ-ός) auszugehen. Grundform somit *θᾰ́-ϝα-κος, *θώ-ϝα-κος, das ein mit κ-Suffix versehenes Verbalnomen *θᾰ́-ϝαρ, θᾰ-ϝα(ν)-, bzw. *θῶ-ϝαρ, θω-ϝα(ν)- ‘das Hinsetzen’ enthalten kann. Gewöhnlich wird (mit Schulze Q. 435) *θάϝακος aus *θόϝακος durch regressive Vokalassimilation erklärt. — Lit. dėvė́ti ‘tragen (von Kleidern) usw.’ (Bezzenberger BB 27, 179) hat damit nichts zu tun. Andere Hypothesen bei WP. 1, 827, Pok. 237. — Einzelheiten über θᾶκος, θῶκος bei Björck Alpha impurum 349ff. I-647-648

θάλαμος m. ‘innerer, hinterer Raum des Hauses’ (im Gegensatz zu μέγαρον, δῶμα), als Frauen- und Schlafgemach, auch als Vorratskammer dienend (ep. poet. seit Il.; zur Bedeutung Wace JournofHellStud. 71, 203ff.), als Seeausdruck ‘das tiefste Deck des Schiffes’ (Timae., Poll.). Als Vorderglied z. B. in θαλαμη-πόλος f., spät m. ‘Kammerfrau, Zofe; Eunuch’ (seit Od.; -η- rhythmisch bedingt, Schwyzer 438f.). — θαλάμη f. ‘Lager, Schlupfwinkel, Höhle, Höhlung im Körper’ (ε 432, E., Hp., Arist. usw.), als Seeausdruck = θάλαμος (Luk.): zu θάλαμος ~ -μη Porzig Satzinhalte 284. Ableitungen: θαλαμιά ‘Ruderluke am tiefsten Deck des Schiffes’ (Hdt. 5, 33), auch ‘das auf diesem Deck befindliche Ruder’ (Ar. Ach. 533, Inschr.); vgl. Scheller Oxytonierung 129, zur Bed. Morrison Class. Quart. 41, 125ff.; dazu θαλαμίας m. ‘der im θάλαμος oder in der θαλαμιά sitzende Ruderer’ (Th. 4, 32, App., Them.), in dieser Bed. auch θαλάμᾱξ (Ar. Ra. 1074; Schwyzer 497, Chantraine Formation 381) und θαλαμίτης (Sch. z. St.). Von θάλαμος noch die vereinzelt belegten θαλαμήϊος (Hes. Op. 807, A. R.), θαλαμαῖος (Ph.), θαλαμίς (An. Ox.) und das Denominativum θαλαμεύομαι, -εύω ‘in den θάλαμος eingeführt werden bzw. einführen, zu Gattin genommen werden bzw. nehmen’ (Ph., Hld. u. a.) mit θαλαμεύτρια = νυμφεύτρια (Poll.); θαλάμευμα = θάλαμος schon E. Ba. 120 (lyr.), vgl. Chantraine Formation 185; θαλαμευτός (Tim. Pers. 245). — Erinnert der Form, auch dem Sinne nach an θόλος (s. d.), aber sonst dunkel; vorgriechische Herkunft ist sehr wohl denkbar. Nach E. Maaß RhM 77, 1ff. auch zu θάλος, θαλλός; wohlbegründete Bedenken bei Wahrmann Glotta 19, 213. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 88f.; noch anders Haas Jb. f. kleinas. Forsch. 3, 129ff. — Fern bleibt ὀφθαλμός, s. d. I-648

θάλασσα, att. θάλαττα f. ‘Meer’ (seit Il.). Zahlreiche Kompp., z. B. θαλασσο-κράτωρ (Hdt., Th. u. a.), ἀμφι-θάλασσος ‘vom Meer umgeben’ (Pi. u. a.; Bahuvrihi); oft in Hypostasen, gewöhnlich mit erweiterndem -ιος (-ίδιος), z. B. ἐπι-, παρα-θαλάσσιος, -ίδιος (ion. att.). Ableitungen: θαλάσσιος ‘zum Meer gehörig, maritimus’ (seit Hom.), -ία f. -ιον n. als Pflanzennamen (Dsk.; Strömberg Pflanzennamen 114), θαλασσ-ίδιος (Hdt.), -αῖος (Simon., Pi.) ‘ds.’, θαλασσώδης ‘meerähnlich’ (Hanno Peripl.), θαλασσερός m. ‘Art Augensalbe’ (Gal.); θαλασσίτης (οἶνος Plin.; Redard Les noms grecs en -της 96). Denominativa: θαλασσ-εύω ‘im Meer sein’ (Th. u. a.), -όομαι, -όω ‘von Meerwasser gefüllt werden, ins Meer verwandeln’ (Arist., hell.) mit θαλάσσωσις ‘Überschwemmung’ (Thphr., Ph.), -ίζω ‘Meerwasser ähneln, im Meerwasser waschen’ (Ath., Pap. u. a.). — Um den Begriff des Meeres auszudrücken, haben die Griechen für das auf das Italo-Keltische, Germanische, Baltisch-Slavische beschränkte mareMeer usw. teils alte Wörter in neuer Bedeutung verwendet, ἅλς, eig. ‘Salz’, πόντος, eig. ‘Pfad’, teils mit idg. Mitteln das griechische πέλαγος geschaffen. Mit θάλασσα muß maked. (?) δαλάγχαν· θάλασσαν H. irgendwie zusammenhängen, aber sonst fehlt eine brauchbare Anknüpfung. Die wiederholten Versuche, die bis in die neueste Zeit gemacht worden sind, um das Wort aufzuklären, müssen alle als gelinde gesagt hypothetisch betrachtet werden: v. Windekens Beitr. z. Namenforschung 1, 200f., ders. Le Pélasgique 89, Autran REIE 2, 17ff., Buck Class. Studies pres. to E. Capps (s. Idg. Jb. 22, 220), Battisti Studi etr. 16, 369ff., Pisani Rend. Acc. Lincei 7, 67ff., Vey BSL 51, 80ff., Steinhauser Μνήμης χάριν 2, 152ff. (mit weiterer Lit.). Nach Lesky Hermes 78, 258ff. wäre θάλασσα ursprünglich ein Fremdwort für ‘Salzwasser’ und in dieser Bedeutung von dem synonymen idg. ἅλς ersetzt worden. I-648-649

θάλλω (seit Hes., h. Cer. 402), Aor. 2 ἔθᾱ̆λον (h. Hom. 19, 33, hell.), Perf. mit Präs. bedeutung τέθηλα, äol. dor. τέθᾱλα (seit Il.); spätere Formen Aor. 1 ἀν-έθηλα (Ael.), Fut. ἀνα-θᾰλήσομαι (AP), auch mit Präfix (ἀνα- u. a.) ‘blühen, gedeihen’ (vorw. poet.). Mehrere Ableitungen. 1. Vom Wurzelaorist: θάλος n. ‘Sprößling’, nur übertr. (ep. poet. seit Il.) mit ἀμφι-θαλής ‘von θάλος (θάλεα) umgeben, umblüht, reich’ (seit Χ 496; auch auf θαλεῖν beziehbar) u. a.; Adj. f. θάλεια ‘blühend, üppig’ (ep. poet. seit Il.; zum Akzent vgl. ἐλάχεια, s. ἐλαχύς), m. n. *θαλύς, -ύ nur im Gen. pl. θαλέων (Χ 504); dafür (seit Il.) θαλερός (wie γλυκερός zu γλυκύς u. a.). θαλία, -ίη ‘Blüte, Überfluß’, pl. ‘Festgelage’ (ep. poet. seit Il., Hdt.; vgl. Scheller Oxytonierung 39 mit abweichender Analyse) mit θαλιάζω ‘sich ergötzen’ (Plu. u. a.). EN Θάλης (-ῆς), Gen. Θάλεω, Θάλητος usw. (Schwyzer 461f.). Zu θαλύσια s. bes. 2. Vom Präsens: θαλλός m. ‘grüner Zweig, bes. Ölzweig, Sprößling’, auch ‘(Fest)gabe’ (seit ρ 224) mit θαλλία f. sg. ‘Laubwerk’ (Thphr. u. a.), θαλλία n. pl. ‘Gaben’ (Pap.), θάλλῐνος ‘aus θαλλοί bestehend’ (Rhodos). Θαλλώ f. ‘Göttin des Wachstums’ (Iusi. ap. Lykurg. 77, Paus. 9, 35, 2). — Sekundäre Präsentia. 1. Zum Wurzelaorist: θᾰλ-έθω (ep. poet. seit Il.; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 327, Shipp Studies 39). 2. Zum Perfekt: θηλέω, θᾱλέω, Aor. θηλῆσαι, θᾱλ- (ep. poet. seit Il.) mit ἐρι-θηλής ‘üppig wachsend’ (Il., Hes. u. a.) usw. (dagegen ἐριθαλίς· εἶδος δένδρου H., erithales n. Plin. zu θάλος). Aus θηλέω erweitert: τηλεθάω, in alter Zeit nur Ptz. τηλεθάων (ep. seit Il.; Chantraine Gramm. hom. 1, 359). — Eine sichere Entsprechung zu dieser im Griechischen, insbes. in der dichterischen Sprache, reich entwickelten Wortfamilie bieten nur das Albanesische und das Armenische mit dem Präsens alb. dal ‘hervorgehen, -sprießen’ aus idg. *dhal-nō, das mit θάλλω sogar identisch sein kann (auch *θαλ-ι̯ω möglich; vgl. zu βάλλω), dem Aor. dol(l)a (idg. *dhāl- wie τέ-θᾱλ-α) und dem arm. Adj. dalar ‘grün, frisch’, das bis auf den Zwischenvokal zu θαλερός genau stimmt. Was aus dem Keltischen und — noch mehr — aus dem Germanischen herangezogen worden ist, bleibt besser beiseite; s. WP. 1, 825f. m. Lit., Pok. 234; außerdem Mann Lang. 26, 380; 28, 36. I-649-650

θάλπω, Aor. θάλψαι ‘erwärmen’, selten intr. ‘warm sein’ (seit Od.), auch mit Präfix, ἀνα-, ἐπι-, συν-, ὑπο- u. a. Davon θάλπος n. ‘Wärme’ (ion. att.) mit δυσ-θαλπής ‘mit schlechter Wärme, frostig’ (Ρ 549) u. a.; auch auf θάλπω beziehbar; θαλπωρή ‘Erquickung’ (Hom., späte Prosa); θάλψις ‘Erwärmung’ (Hp. usw.); θαλπνός ‘erwärmend’ (Pi.; vgl. τερπνός u. a.; Chantraine Formation 193); θαλπεινή ‘Iris’ (Strömberg Pflanzennamen 82); EN Θάλπιος Β 620. Erweitertes Ptz. Präs. θαλπιόων ‘warm’ (τ 319, Arat. 1073; zur Bildung Risch 274). — Wenn indogermanisch, muß θαλπ- ein formantisches -π- enthalten (vgl. Schwyzer 702). Dadurch entsteht die Frage nach etwaiger Beziehung zu θάλλω ("grünen machen, beleben"?; WP. 1, 826). Sie kann weder bejaht noch bestimmt verneint werden. Vgl. θαλυκρός. I-650

θαλυκρός ‘heiß, glühend’ (Kall. Fr. anon. 69, AP 5, 219), nach H. auch = ἰταμόν, λαμπρόν, βλοσυρόν, ἀναιδές, πανοῦργον, mit θαλυκρέονται· ψεύδονται H. Daneben θαλύ<πτ>εσθαι· φλέγεσθαι; θαλύψαι· θάλψαι, πυρῶσαι; θαλυσσόμενος· φλεγόμενος H. — Neben dem Gutturalstamm in θαλυκ-ρός, θαλύσσομαι repräsentieren θαλύ<πτ>εσθαι und θαλύψαι offenbar analogische Neubildungen (Schulze GGA 1897, 874; vgl. Schwyzer 704). Die erwünschte Verbindung mit θάλπω sucht Brugmann Grundr.2 1, 596, Gramm.4 137 (s. auch Schwyzer 296) in der Weise zustandezubringen, daß er in -π- ein idg. q sieht, dessen labialer Nachschlag in θαλύσσομαι usw. in die vorausgehende Silbe getreten sei mit daraus folgender Beibehaltung des -κ-; alles wenig überzeugend. Nach θαλυκρός entstand ἀλυκρός, s. 1. ἀλέα ‘Wärme’. Oder hat zu ἀλέα ein *ἀλύσσομαι, ἀλυκρός existiert, wozu durch Kreuzung mit θάλπω θαλύσσομαι, θαλυκρός? (vgl. Güntert Reimwortbildungen 159). I-650-651

θαλύ̄σια n. pl. ‘Ernteopfer, Erntefest bei dem Erstlinge der Früchte dargebracht wurden’ (Ι 534, Theok. 7, 3). Davon θαλύσιος ἄρτος ‘Erstlingsbrot das aus dem frischgedroschenen Korn gebacken wurde’ (Ath. 3, 114a; vgl. zu Θαργήλια), θαλυσιὰς ὁδός ‘der Weg zu den Th.’ (Theok. 7, 31); Θαλυσιάδης Patron. (Δ 458). — Zu θάλλω u. Verw., u. z. zunächst mit Solmsen Unt. 37, Glotta 1, 80 nach Lobeck vom Adj. *θαλύς, -ύ (nur θαλέων Gen. pl. und θάλεια f. [δαῖς, ἑορτή] belegt); zur Bildung Fraenkel Nom. ag. 2, 124, Chantraine Formation 41f. — Über die Thalysien Nilsson Gr. Rel. 1, 468. I-651

θαμά Adv. ‘oft’ (vorw. poet. seit Il.) mit θαμάκις (: πολλάκις) ‘ds.’ (Pi.). Davon θαμινά ‘ds.’ (Pi., Hp., Ar. in lyr., X. u. a.), Adj. θαμινός ‘häufig, gedrängt’ (Kall. u. a.; vgl. πυκινά, -ινός) mit θαμινάκις (Hp.); auch θαμεινός, nach αἰπεινός u. a. (h. Merc. 44 u. a.; Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 119 A.2 = Kl. Schr. 2, 1176 A. 2). — Neben θαμά (Akzent nach πολλά, Wackernagel Akz. 34 = Kl. Schr. 2, 1103) steht der u-Stamm *θαμύς (τάχα : ταχύς) in θαμέες pl. ‘dicht gedrängt, häufig’, f. θαμειαί (Hom.; Akzent, Schwyzer 385 m. Lit.); vgl. noch Θαμυ-κλῆς EN (Bechtel Hist. Personennamen 197). Komp. θαμύντεραι· πυκνότεραι H. (vgl. ἰθύντατα). Hierher noch θάμυρις H., wohl nach πανήγυρις, womit es u. a. von H. glossiert wird; auch als PN (Β 595, Inschr.); vgl. Bechtel Namenst. 25f.; außerdem ὁδοὺς θαμυρούς· τὰς λεωφόρους; θαμυρίζει· ἁθροίζει, συνάγει H.; auch intr. (BCH 50, 401, Thespiae). — Denominativum von θαμά: θαμίζω ‘häufig kommen, verkehren, häufig sein’ (seit Il.; vgl. Schwyzer 736). Neben den hochstufigen θημών, θωμός (s. d.) steht θαμ-ά mit alter Schwundstufe; bei Abtrennung des suffixalen -μ- ergibt sich die regelrechte Schwundstufe von θη- in τί-θη-μι, die in sämtlichen Verbalformen und in zahlreichen Nomina von θε- ersetzt worden ist (s. θέμεθλα, θέμις). I-651

θάμβος n. ‘Staunen, Verwunderung, Erschrecken’ (poet. seit Il.). Als Hinterglied z. B. in ἀ-θαμβής ‘furchtlos, unerschrocken’ (Ibyk., B. u. a.) mit ἀθαμβία, -ίη ‘Furchtlosigkeit, Unerschrockenheit’ (Demokr. 215); Rückbildung ἄθαμβος ‘unerschrocken’ (Demokr. 216), auch als EN (Delphi); vgl. auch θαμβέω und ἔκθαμβος unten; dazu Schwyzer 469. Ableitung θαμβαλέος (Nonn.). Denominative Verba: 1. θαμβέω, -ῆσαι, auch mit Präfix, z. B. ἐκ-, ‘staunen, erschrocken sein’ (ep. poet. seit Il., späte Prosa), hell. u. spät auch trans. ‘in Staunen, in Schrecken setzen’ (LXX u. a.) mit θάμβ-ησις, -ημα (Aq. u. a.), ἔκθαμβος (Plb. u. a.). 2. θαμβαίνω intr. ‘ds.’ (Pi.). 3. θαμβεύω trans. ‘ds.’ mit -ευτής (Aq.). — Neben θάμβος steht ein altertümliches Perfekt τέθηπα ‘staune’ mit dem thematischen Wurzelaorist ταφεῖν (ταφών, τάφε u. a.; ep. ion. poet. seit Il.; späte Prosa); vom letzteren τάφος n. = θάμβος (Od., Ibyk.). Zu τέθηπα entstand sekundär θήπω· ἐπιθυμῶ, θαυμάζω u. a.; s. auch θώψ. Zu θάμβος : ταφεῖν vgl. θρόμβος : τρέφειν u. a.; der sekundäre Nasal hat die nachfolgende Aspirata in eine tönende Media verwandelt; vgl. zur Nasalierung Schwyzer 692, zur Deaspiration ebd. 333. In dem dehnstufigen τέ-θηπ-α hat progressive Assimilation stattgefunden. — Sonst isoliert. Von Wood Mod. langu. notes 21, 227 mit dem got. Ipv. afdobnφιμώθητι, verstumme’ zusammengestellt. Ebenso zweifelhaft ist die Heranziehung einer germ. Wortgruppe für ‘schlagen’ usw., z. B. meng. dabben ‘leise schlagen’, nhd. tappen u. a. m. (WP. 1, 824 nach Fick, Pok. 233). Pelasgische Etymologie von v. Windekens Le Muséon 63, 106ff.; hypothetische Kombinationen von Szemerényi Glotta 33, 238ff. (vgl. zu θέα). I-651-652

θάμιξ · ἀλώπηξ H. — Über die sehr anfechtbare Zusammenstellung mit lat. fāmex ‘Blutunterlauf, Blutgeschwür’ (v. Blumenthal Hesychst. 36ff.) s. W.-Hofmann s. v. I-652

θάμνος (auch f., nach den Baumnamen) m. ‘Dickicht, Gebüsch, Strauch’ (seit Il.). Davon das Demin. θαμνίσκος m. (Dsk. u. a.), θαμνῖτις ‘strauchig’ (Nik. Th. 883; Redard Les noms grecs en -της 71), θαμνώδης ‘strauchähnlich’ (Thphr.), θαμνάς = ῥίζα (EM). — Daneben θάμνη (-α) f. ‘Wein aus gepreßten Trauben (?)’ (Herod. 6, 90, Gp.). θάμνος steht neben θαμινός und θαμά wie πυκνός neben πυκινός und πύκα; die Barytonese ist durch die Substantivierung verursacht (vgl. Schulze Kl. Schr. 124 A. 1). — Wegen der Bedeutung vgl. die Erklärung bei H.: θάμνοι· δασέα καὶ πυκνὰ δένδρα. Weiteres s. θαμά. — Nicht mit Alessio Studi etr. 18, 414 zu lat. tamnus ‘der Stock einer an Hecken vorkommenden Pflanze’, s. W.-Hofmann s. v. I-652

θάνατος m. ‘Tod’ (seit Il.). Kompp., z. B. ἀ-θάνατος ‘unsterblich’ (seit Il.), θανατη-φόρος ‘todbringend’ (A. usw.; -η- rhythmisch und analogisch bedingt, Schwyzer 438f.). Mehrere Adj.: θανάσιμος ‘todbringend, dem Tode verfallen’ (ion. att.; zur Bildung Arbenz Die Adj. auf -ιμος 17 und 70f.; vereinzelt θανατήσιμος, Arbenz 78f.); auch θανατώδης (Hp. u. a.), θανατόεις (S., E. in lyr.), θανατήσιος (Afric.; nach βιοτήσιος, βροτήσιος), θανατικός (D. S., J., Plu. u. a.), θανατηρός (Eust.); θανατούσια (sc. ἱερά) pl. ‘Totenfest’ (Luk.; nach γερούσιος u. a.). Denominative Verba: 1. θανατόω ‘töten, hinrichten, zum Tode verurteilen’ (ion. att.) mit θανάτωσις; 2. θανατάω ‘sterben wollen’, auch ‘sterbend sein’ (Pl., J. u. a.); 3. θανατιάω ‘ds.’ (Luk. u. a.). — Daneben ein altes Perfekt τέθνηκα ‘bin tot’, pl. τέθνᾰμεν, Ptz. τεθνηώς, τεθνεώς, äol. Inf. τεθνά̄κην usw., mit dem thematischen Wurzelaorist ἔθανον ‘ich starb’ (seit Il.), dem Fut. θανοῦμαι (seit Il.) und einem hinzugebildeten Präsens θνηισκω (Inschr.), θνήσκω (Hss.), äol. θναισκω (Hdn. Gr. 2, 79); in der Prosa dafür fast ausnahmslos ἀπο-θνῄσκω; auch mit anderen Präfixen, z. B. κατα-θνῄσκω, -θανεῖν, -τέθνηκα (alles seit Il.); zur Funktion des Präfixes (auch intensivierend) Schwyzer-Debrunner 268f., Hermann Gött. Nachr. 1943, 617f. Verbaladj. θνητός ‘sterblich’ (seit Il.). — Davon θνήσιμος (nur Arg. zu S. OT 7) mit θνησιμαῖον ‘Kadaver’ (LXX u. a.; Chantraine Formation 49, Mélanges Maspéro 221); in derselben Bed. auch θνᾱσίδιον, θνησ(ε)ίδιον (Lesbos, Ael. u. a.; Schwyzer 270). Verbalsubst. θνῆσις ‘das Sterben, Sterblichkeit’ (Mediz. u. a.); aber εὐθνήσιμος ‘einen leichten Tod bereitend’ (A. Ag. 1294) von εὖ θνῄσκειν; vgl. εὐθάνατος, -τέω, -σία; anders, schwerlich richtig, Arbenz 78 u. 84. — Das zweisilbige θάνα-(τος) mit der einsilbigen Reduktionsstufe θαν- (εῖν) und das damit regelmäßig abwechselnde langvokalische und einsilbige θνᾱ-(ίσκω), θνᾱ-τός haben nahe Entsprechungen in dem ebenfalls zweisilbigen aind. Aorist -dhvanī-t ‘er erlosch, schwand’ (vom Grimm) und in dem langvokalischen einsilbigen Ptz. dhvān-tá- ‘dunkel’; die Bedeutung ‘sterben’ wurzelt in einem Euphemismus, vgl. Chantraine Sprache 1, 146. Weitere Anknüpfungen an idg. dhu̯enə- bei WP. 1, 841, Pok. 266. Nicht mit Kent Lang. 11, 207ff. zu θείνω, φόνος. Vgl. noch Specht KZ 63, 217f. (Zweifelhaftes über θανόντες). I-652-653

θάπτω, Aor. θάψαι, Pass. ταφῆναι, auch -θῆναι, Perf. Pass. τέθαμμαι, auch mit Präfix, z. B. ἐν-, συν-, κατα-, ‘bestatten, begraben’ (seit Il.). Ableitungen: τάφος m. ‘Bestattung, Grab, Grabmal’ (seit Il.), ταφή ‘ds.’ (ion. att.); davon u. a. die Hypostasen ἐν-, ἐπι-τάφιος ‘zum Begräbnis gehörig usw.’ mit ἐνταφιάζω, ἐνταφιαστής (LXX, Pap. usw.) u. a.; ἐπιταφέω ‘einer Bestattung beiwohnen’ (Inschr.) usw.; ferner ταφήϊος ‘zum τ. gehörig’ (Od. u. a.), ταφεύς ‘Totengräber’ (S.; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 41), ταφ(ε)ών ‘Grabstätte’ (Inschr.), ταφικόν ‘Grabkosten’ (Pap.) u. a. — τάφρος f. (zum Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 1) ‘Graben (zur Befestigung usw.)’ (seit Il.) mit ταφρεύω ‘einen Graben ziehen’ (att.), wovon ταφρ-εία, τάφρ-ευμα, -ευσις, -ευτής; selten τάφρη ‘ds.’ (ion.). — Ganz unsicher θάπτ<ρ>α· μνῆμα (cod. μυῖα). Κρῆτες H.; s. Latte Glotta 34, 196f. — Zu der durchgeführten Schwundstufe θαπ-, ταφ- aus *θαφ- stimmt arm. damb-an, damb-aran ‘Grab, Gruft, Grabmal , wenn man von idg. dhm̥bh- ausgeht; die Hochstufe dhembh- ist in beiden Sprachen ausgeschaltet worden. Aus τάφ-ρ-ος : damb-an ist vielleicht auf einen r-n-Stamm zu schließen; -aran ist im Armenischen ein sehr produktives Suffix. — Lidén Armen. Stud. 41f. mit Kritik älterer Ansichten; danach Bq s. v. und WP. 1, 852. I-653-654

Θαργήλια n. pl. ion. attisches Vorerntefest, mit dem Apollonkult verbunden (Hippon., Archil. usw.), auch Ταργήλια (Milet. u. a.). Davon Θαργηλιών (Ταργ-) Monatsname (ion. att.), Θαργήλιος (Ταργ-) PN (ion.). — Daneben θάργηλος, nach Krates ap. Ath. 3, 114a N. eines Brotes, das sonst θαλύσιος (ἄρτος) benannt wurde (s. θαλύσια), außerdem Ben. eines mit gekochten Früchten gefüllten Topfes (χύτρα), der als Symbol der Fruchtbarkeit betrachtet wurde (Suid., H., EM 443, 19). — Ohne Etymologie, wahrscheinlich vorgriechisch. — Nach Kretschmer Glotta 10, 108ff. (s. auch Glotta 20, 252f. gegen E. Maaß RhM 78, 13ff.) aus *τὰ ἀργήλια (von ἄρχω) "Erstlingsfrüchte" (dazu Schwyzer 413); wieder anders Grošelj Živa Ant. 4, 170f. — Zu den Thargelien Nilsson Gr. Rel. 1, 534 m. Lit. I-654

θάρνυμαι H. s. θορός und θρέομαι. I-654

θάρσος (seit Il.), att. θάρρος (teilweise lautliche Umsetzung von hom. θάρσος usw. nach Leumann Hom. Wörter 115), äol. θέρσος n. ‘Zuversicht, Mut, Kühnheit, Frechheit’. Kompp., z. B. εὐ-θαρσής ‘guten Mutes’ (A. usw.), θερσι-επής ‘kühn redend’ (B.; zum Vorderglied Schwyzer 448). Ableitungen: θαρσαλέος, -ρρ- ‘zuversichtlich, kühn’ (seit Il.; zur Bildung Chantraine Formation 253f.), Θερσίτης PN (Hom. usw.; Redard Les noms grecs en -της 196; dazu Risch Gnomon 23, 160 und Bloch Mus. Helv. 12, 59), θαρσήεις ‘kühn usw.’ (Kall., Nonn.; Neubildung, s. Schwyzer 527); denominatives Verb θαρσέω, -ρρ-, Aor. θαρσῆσαι ‘mutig sein’ (seit Il.; dazu Schwyzer 724 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 349; kaum mit Leumann a. a. O. aus εὐθαρσέω [von εὐ-θαρσής]) mit θαρρητικός (Arist. u. a.). — Neben θάρσος, θέρσος steht θρασύς ‘dreist, kühn, verwegen’ (seit Il.), oft als Vorderglied, z. B. θρασυκάρδιος ‘dreisten Herzens’ (Il. usw.), rhod. Θαρσύ-βιος, ther. Θhαρ(ρ)ύ-μαqhος (vgl. Bechtel KZ 51, 145; weitere Formen bei Schwyzer 284; zu Kurznamen wie Θρασύλος auch Leumann Glotta 32, 216 und 223 A. 2); davon θρασύτης ‘Kühnheit’ (ion. att.), Θρασώ Bein. der Athena (Lyk.), denominatives Verb θρασύνω, θαρσύνω, -ρρ- ‘ermutigen’ (seit Il.) mit θάρσυνος zuversichtlich, getrost’ (Il.; wohl am ehesten postverbal; vgl. Schwyzer 491 m. Lit. und anderen Auffassungen); Komp. θρασίων (Alkm.), θρασύτερος, -ύτατος (att.); Seiler Steigerungsformen 55f. — Vgl. noch ἀτάσθαλος. Zu θρασύς stimmt aind. dhr̥sú- (Gramm.); liter. dafür dhr̥ṣṇú- ‘kühn’ nach dhr̥ṣ---ti ‘dreist sein’. Das hochstufige θέρσος, wofür sekundär θάρσος, θράσος durch Angleichung an θρασύς, hat dagegen im Aind. keine Entsprechung (dafür u. a. dhárṣa-; wäre gr. *θόρσος). Umgekehrt sind im Griechischen die in anderen Sprachen belegten primären Verba durch die neugebildeten θαρσέω, θαρσύνω abgelöst: aind. dhr̥ṣ---ti (mit Nasalinfix), dhárṣati mit dem Perf. da-dhárṣa = germ., z. B. got. ga-darsτολμῶ’ (wäre gr. *τέ-θορσ-α), lit. (mit infigiertem Nasal) drį̃sti ‘wagen’ (aus idg. *dhr̥-n-s-), wozu analog. Präsens dręsù mit den Nomina drąsà ‘Dreistigkeit’, drąsùs mit drąsū̃nas ‘Frechling’, alit. drįsùs (nach drį̃sti; nicht mit θρασύς, θάρσυνος unmittelbar gleichzusetzen). Ganz fraglich toch. A tsraṣi, B tsir ‘stark’ (Poucha Archiv Orientální 2, 326, ZDMG 93, 206); s. Pedersen Zur toch. Sprachgeschichte 19 m. Lit. — Weitere Formen mit Lit. bei WP. 1, 864, Pok. 259, Mayrhofer Wb. 2, 112f., Fraenkel Lit. et. Wb. s. drąsùs, Vasmer Russ. et. Wb. s. derzkij; auch W.-Hofmann s. īnfestus. I-654-655

θάσσω, θαάσσω ‘sitzen’ s. θᾶκος. I-655

θάσσων, att. θάττων ‘schneller’ s. ταχύς. I-655

Θαύλιος thess. Bein. des Zeus (Larisa), Θαύλια pl. N. eines Festes, mit θαυλίζειν (H.). Θαυλωνίδαι pl. N. eines alten attischen Geschlechts, das die Zeremonie der βουφόνια vollzog. Vgl. noch Θαῦμος (für Θαύλιος?) ἢ Θαῦλος· Ἄρης Μακεδόνιος H. — Ableitungen eines l-Stamms, der auch in dem lydisch-phrygischen Namen des Hermes, Vok. Καν-δαῦλα, nach Hippon. 1 = Κυν-άγχα "Hundwürger", verrußtet worden ist und zu einem idg. Wort für ‘würgen’ gehört, das namentlich im Slavischen, z. B. aksl. daviti ‘würgen’, aber auch sonst, z. B. got. af-dauiþsἐσκυλμένος, geplagt’ vorliegt, idg. dhāu̯- (WP. 1, 823, Pok. 235). Solmsen KZ 34, 77ff., Herm. 46, 286ff. Unsicher sind die illyr. ON Δαυλία, Δαυλίς ebenso wie Δαῦλις· ἑορτὴ ἐν Ἄργει H. (Fick KZ 44, 339). — Eine parallele n-Ableitung ist in θαῦνον· θηρίον H., lat. Faunus vermutet worden, s. W.-Hofmann s. v. mit reicher Lit. Vgl. auch θώς. I-655

θαῦμα, Hdt. u. a. θῶμα (Hss. auch θῶυμα; s. unten) n. ‘Wunder, Wunderding, Bewunderung, Verwunderung’ (seit Il.). Als Vorderglied z. B. in θαυματο-ποιός ‘Taschenspieler, Gaukler’ (Pl., D. usw.). Ableitungen: θαυματός ‘wundervoll, erstaunlich’ (Hes. Sc. 165, h. Hom., Pi.) mit θαυμάσιος ‘ds.’ (ion. att.; Schwyzer 466), wovon θαυμασιότης (Hp. u. a.); θαυματόεις ‘ds.’ (Man.); Θαύμας, -αντος (Hes.; Schwyzer 526, Chantraine Formation 269). Denominative Verba: 1. θαυμαίνω ‘sich wundern, bewundern, staunen’ (θ 108, h. Ven. 84 usw.) mit dor. Θωμάντας (Phleius); 2. θαυμάζω ‘ds.’ (seit Il.; zur Bildung Schwyzer 734) mit θαυμαστής ‘Bewunderer’ und θαυμαστικός (Arist. usw.), θαυμασμός ‘Verwunderung’ (hell. und spät), θαύμακτρον etwa ‘Schaupfennig’ (Sophr. 120; vgl. Chantraine 332); 3. θαυματίζομαι· ἐκπλήττομαι H. — Θώμων (böot.); vgl. γνῶμα : γνώμων u. a.; dazu Bechtel Hist. Personennamen 214. — Das schwundstufige θαῦμα und das davon im Ablaut abweichende hochstufige θῶμα, woneben durch etymologische Schreibweise bei Hdt. auch θῶυμα (Hoffmann Dial. 3, 366f.), gehen als Verbalnomina auf ein Verb für ‘anschauen’ zurück, das auch in θέα ‘das Anschauen’ (s. d.), θεάομαι ‘schauen’ vorliegt; θαῦμα, θῶμα (aus *dhəu-mn̥, *dhō(u)-mn̥) somit eig. ‘(das Ding zum) Anschauen’; vgl. Porzig Satzinhalte 281. I-655-656

θάψος f. N. einer Pflanze, ‘Gelbholz, Rhus Cotinus’, zum Färben gebraucht (Theokr. u. a.), auch θαψία ῥίζα (Thphr.); θαψία f. ‘giftige Mohrrübe, Thapsia garganica’ (Arist., Thphr. usw.); davon θάψινος ‘gelbfarbig’ (Ar. u. a.). — Mit dem Namen der Halbinsel Thapsos (an der Ostküste Siziliens) identisch, bzw. davon abgeleitet. Strömberg Pflanzennamen 127. I-656

θέα, ion. θέη (syrak. θάα?; vgl. Kaibel CGF 1,200) f. ‘Anschauen, Schau, Besichtigung, Anblick, Schauspiel’ (ion. att.). Als Vorderglied in θεωρός ‘Zuschauer, Festgesandter’, s. bes. Davon Θᾱΐς f. PN (D. S., Plu. u. a.). — Daneben θεάομαι, ion. θηέομαι, dor. θαέομαι (mit θάμεθα [Sophr.] und anderen kontrahierten Formen; Bechtel Dial. 2, 191), auch mit Präfix, z. B. ἐκ-, κατα-, συν-, ‘schauen, betrachten’ (seit Il.) mit mehreren Verbalnomina: 1. θέαμα, θέημα ‘Anblick, Schauspiel, Augenweide’ (Semon., A. u. a.); 2. θέασις ‘Betrachtung, Einsicht’ (Gal., Porph.); 3. θατύς (dor. aus *θαατύςἴκριον (= ‘Bank im Theater’), θεωρεῖον, ἐς θατύν· εἰς θεωρίαν H.; 4. θέατρον, θέητρον ‘Zuschauerraum, Theater’ (ion. att.) mit zahlreichen Kompp. und Ableitungen, z. B. ἀμφι-θέατρος eig. Bahuvrihi ‘mit Zuschauerraum rings um’ (ἱππόδρομος, στοά), Subst. -ον ‘Amphitheater’ (D. H., Str. usw.), θεατρικός, θεατρίζω, θεατρισμός u. a.; 5. θεατής, θεητής ‘Betrachter, Zuschauer’ (ion. att.) mit θεατικός (Arr.); 6. θηητήρ (φ 397), θατήρ (B. 9, 23) ‘ds.’; 7. θεήμων ‘ds.’ (APl.). — Als Grundform von θέα usw. ist *θά̄ϝᾱ anzusetzen; dabei könnte att. θέα sein -α aus θεάομαι bezogen haben (vgl. Schwyzer 188 m. A. 2). Aus *θά̄ϝᾱ, *θήϝη, θέα (mit Kürzung η > ε; Schwyzer 349) lassen sich θᾱ(ϝ)έομαι, θη(ϝ)έομαι (mit Übergang von αο > εο; Schwyzer 242f.), θεάομαι unschwer als Denominativa verstehen. Ebenso nahe liegt es, darin ein iterativ-intensives Deverbativum zu sehen (Schwyzer 720 m. Lit.), wobei θέη, θέα als Rückbildungen zu erklären sind; für die letztere Alternative spricht die Chronologie der Belege. Als Ableger eines primären, verlorengegangenen Verbs sind jedenfalls θαῦμα, θῶ-μα (s. d.) zu betrachten. Ein anderes primäres Nomen ist wahrscheinlich θῆβος (= θῆϝοςθαῦμα mit θήγεια (= θήϝειαθαυμαστά, ψευδῆ und θηταλά (= θηϝαλάθαυμαστά, ψεύδεσιν ὅμοια H. — Außergriechische Verwandte sind nicht nachgewiesen; verfehlte Kombinationen sind bei Bq und WP. 1, 832 notiert. Nach Szemerényi Glotta 33, 256 wäre *θά̄ϝα aus idg. *dhm̥su̯ā entstanden, wozu noch θάμβος, ταφεῖν aus *dhm̥bh- (τέθηπα Analogiebildung); idg. *dhem- mit verschiedenen Erweiterungen (?). I-656-657

θειλόπεδον n. ‘Platz zum Trocknen in der Sonne’ s. εἱλόπεδον. I-657

θείνω, redupl. Aor. πε-φν-εῖν (ep. poet. seit Il.), Med. ἐπέφατο (cod. ἀπ-)· ἀπέθανεν H.; daneben auch, wohl als Neubildungen, der them. Wurzelaor. θενεῖν (E., Ar. u. a.) und der σ-Aor. Ptz. θείνας (Υ 481; Schwyzer 755); Fut. θενῶ (Ar.), Perf. Pass. 3. Sg. πέφαται, Inf. πεφάσθαι (ep. poet. seit Il.), wozu Fut. Pass. πεφήσεται (Ο 140 u. a.: Schwyzer 783 A. 4, Chantraine Gramm. hom. 1, 448); Verbaladj. als Hinterglied in Zusammenbildungen, z. B. ἀρηΐ-φατος (s. auch zu διφάσιος), ‘schlagen’, auch ‘totschlagen, töten’ (πεφνεῖν, κατα~). Daneben φόνος m. ‘Totschlag’, s. bes.; vgl. noch Αργεϊφόντης. — Das hochstufige themat. Jotpräsens θείνω hat eine genaue formale Entsprechung in lit. geniù (Inf. genė́ti) ‘Äste abhauen, abästeln’, idg. *ghen-i̯ō; daneben das schwachstufige aksl. žьnjǫ (Inf. žęti) ‘ernten, schneiden’. Auch arm. ǰnǰem ‘abwischen, reinigen, abschaffen usw.’ kann lautlich dazu stimmen, weicht aber in der Bedeutung stark ab. Sehr fraglich alb. gjanj ‘jagen, verfolgen’ (s. Pedersen und Jokl bei W.-Hofmann s. dēfendō). Mutmaßlich älter ist ein im Indoiranischen und Hethitischen erhaltenes athematisches Wurzelpräsens, aind. hánti = aw. ǰainti = heth. kuen-zi ‘er schlägt, tötet’, idg. *ghén-ti. Als Ersatz davon ist neben dem Jotpräsens in mehreren Sprachen eine thematische Wurzelbildung eingetreten: aind. hanati ‘schlagen, töten’, lit. genù ‘(das Vieh auf die Weide) treiben, jagen’, aksl. ženǫ ‘(ver)treiben, verfolgen’, vielleicht auch arm. ǰnem ‘schlagen’ (eher denominativ von ǰin ‘Stock’). Andere Bildungen sind air. gonim ‘verwunden, töten’ (iterativ) und lat. dē-, of-fendō (mit d-Suffix). — Auch der reduplizierte Aorist hat außergriechische Entsprechungen, u. z. im Indoiranischen: aw. ava-ǰaɣnat_ ‘er schlug’ = πέφνε, aind. Ptz. ja-ghn-ant = πεφνόντ-, idg. *ge-ghn-ont-. Ebenso stimmen die Perfektbildungen zueinander: aind. ja-ghā́n-a, 3. pl. ja-ghn-úḥ : πέ-φα-ται, idg. *ge-ghon-, *ge-ghn-, *ge-ghn̥-. Verbaladjektiva (bzw. Partizipia): aind. hatá- = aw. ǰata- = -φατος, idg. *ghn̥-to-s. — Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen mit Lit. bei Bq s. v., WP. 1, 679ff., Pok. 491ff. ebenso wie in den einschlägigen Spezialwörterbüchern, insbes. W.-Hofmann s. dēfendō. Zur Bed. von θείνω usw., eig. euphemistisch, Chantraine Sprache 1, 143ff.; auch Trümpy Fachausdrücke 92ff. I-657-658

θεῖον, ep. θέειον, auch θήϊον (χ 493) n. ‘Schwefel, Schwefelgeruch’ (ion. att. seit Il.). Davon das Deminutivum θε(ι)άφιον (H., Tz.; θέαφος Eust.), Adj. θειώδης ‘schwefelig’ (Str., Mediz. usw.), denominatives Verb θειόω, θεόω, ep. θεειόω, auch mit δια-, ἐκ-, περι-, ‘schwefeln, mit Schwefel ausräuchern’ (Od., Mediz. u. a.); davon θεώματα· τὰ περικαθαρτήρια H. — Als gemeinsame Grundform ist θέειον anzusetzen, woraus durch Hyphärese θεῖον, durch weiteren Wegfall des ι θεόω, θεάφιον; dazu durch metrische Dehnung und Suffixtausch das einmalige θήϊον. In θέειον aus *θϝέσειον liegt ein substantiviertes Adjektiv von einem Nomen *θϝέσος n. eig. ‘Rauch’ vor, das zu einem Verb für ‘rauchen, ausatmen’ in lit. dves-iù ‘den Geist aushauchen’ gebildet ist. Solmsen Unt. 85ff. (in Einzelheiten abweichend). Vgl. θεός und 2. θύω. I-658

θεῖος m. ‘Onkel, Oheim’ (att.). Davon die späten Neubildungen πρόθειος ‘Großoheim’ (Laodicea; nach proavus) und θεία f. ‘Tante’ (Pap. u. a.; für τηθίς, Schwyzer-Debrunner 31). — Grammatikalisiertes Lallwort aus (vokativischem?) *θη mit suffixalem -ειος erweitert (nach Schwyzer 193 für *θη-ος). Vgl. das reduplizierte τήθη. — Aus θεῖος ital. zio ‘ds.’. I-658

θέλγω, Aor. θέλξαι (poet. seit Il.), Pass. θελχθῆναι, Fut. θέλξω (poet. seit Od.), vereinzelt mit Präfix, δια-, ἐπι-, κατα, παρα-, Iter. Ipf. θέλγεσκ’ (γ 264) ‘bezaubern, betören, täuschen, beschwichtigen’. Davon θελκτήρ ‘Bezauberer usw.’ (h. Hom. 16, 4) mit θελκτήριον ‘Zaubermittel’ (seit Il.), Adj. θελκτήριος ‘bezaubernd’ (A., E. u. a.); θέλκτωρ ‘ds.’ (A. Supp. 1040 [lyr.]; Versuch einer semantischen Differenzierung von Benveniste Noms d’agent 31 u. 39; s. auch Fraenkel Nom. ag. 2, 10 und 49); θέλκτρον = θελκτήριον (S. Tr. 585), θέλγητρον ‘Zauber, Beschwichtigung, Erquickung’ (E., Ath. u. a.); θέλγμα ‘ds.’ (Sch., H.); θέλκταρ (cod. θέρκαλθέλγμα H. (vgl. Fraenkel Glotta 32, 29); (κατά-)θέλξις ‘Bezauberung’ (Plu., Luk., Ael.); θέλξι- als Vorderglied in verbalen Rektionskompp., z. B. θελξι-επής ‘mit bezaubernden Worten’ (B.), θελξί-φρων ‘sinnberückend’ (E. in lyr. u. a.); vgl. Schwyzer 443. — Zu Τελχῖνες s. bes. — Unerklärt. Mehrere Hypothesen: zu lit. žvelgiù ‘blicken’ (de Saussure MSL 8, 443 A., Thumb IF, Anz. 11, 23; Bezauberung durch den bösen Blick); zu aind. hvárate ‘schief gehen’ usw. aus ĝhu̯el-gō (?, Ehrlich Sprachgesch. 29); zu germ., z. B. ags. dolg, ahd. tolc ‘Wunde’ (eig. *‘Schlag’; Havers IF 28, 190ff.; s. auch ἀσελγής). I-658-659

θελεμόν, Beiwort von πῶμα ‘Trank’ (A. Supp. 1027 [lyr.]) unbekannter Bedeutung, von H. als οἰκτρόν, ἥσυχον erklärt, von Hdn. Gr. 1, 171 zu θέλω gezogen. — Unerklärt; vgl. θελημ(ν)ά (τε καὶ στερεωπά) Emp. 21, 6; angebl. "das Gründende", und Solmsen Wortforsch. 63 m. A. 2; s. auch zu -θελυμνος. I-659

-θελυμνος in προ-θέλυμνος, τετρα-θέλυμνος προ-θέλυμνος Beiwort von δένδρεα (Ι 541), von χαῖται (Κ 15), von σάκος (Ν 130); nachhom. von verschiedenen Gegenständen (δρῦς, καρήατα u. a.); — τετρα-θέλυμνος Beiwort von σάκος (Ο 479 = χ 122); vgl. τριθέλυμνος = τρίπτυχος Eust. 849, 5. — Ein entsprechendes Simplex ist nirgends belegt, wird aber von Sturz bei Emp. 21,6 für überliefertes θελημ(ν)ά (Diels u. a. θελεμνά) konjiziert. Zu προ-θέλυμνος vgl. πρό-ρριζος ‘dessen Wurzel weg ist, entwurzelt’, lat. prŏ-fundus ‘dessen Boden weg (entfernt) ist, tief’, aind. pra-parṇa- ‘dessen Blätter abgefallen sind, entblättert’. Da für das Hinterglied von προ-θέλυμνος, das ebensogut als *θέλυμα wie als *θελυμνον (-ος) angesetzt werden kann, seit alters die Bedeutung ‘Grundlage, Lage, Schicht’ angenommen wird, muß προ-θέλυμνος heißen ‘dessen Grundlage weg ist, (von der Grundlage) losgerissen’, was für sämtliche Stellen bis auf Ν 130 (danach Nonn. D. 22, 183; 2, 374) paßt. Weil aber diese Deutung für Ν 130 versagt, hat Wackernagel Unt. 237ff. (wo ausführliche Behandlung mit Kritik früherer Ansichten wie Bechtel Lex. s. προθέλυμνος; s. noch Solmsen Wortforsch. 61ff., Diller Phil. 97, 361ff.) darin eine Nebenform von τετρα-θέλυμνος ‘mit vier Schichten’ sehen wollen, wobei προ- die äolische Entsprechung von τρα- aus *πτϝρα- (vgl. τρά-πεζα) wäre. — Die H.-glossen ἀθέλιμνοι· κακοί, ἀθέλημον ἄκουσμα· κακόν sind irgendwie entstellt; θέλεμνον· ὅλον ἐκ ῥιζῶν scheint aus προθέλυμνος abgeleitet zu sein (Latte bei Mayrhofer Wb. 2, 94A.). Da auch die Empedoklesstelle unklar ist, sind wir ganz auf die Kompp. angewiesen. Die alte ansprechende Gleichung mit aind. dharúṇam n. ‘Stütze, Grundlage, Boden’ (idg. dher-; vgl. θρόνος) sucht Mayrhofer Wb. 2, 93f. neu zu begründen, indem er annimmt, -θελυμνο- sei in προ-, τετρα-θέλυμνος durch Dissimilation aus *θερυμνο- entstanden. — Ältere Deutungen bei Bq und WP. 1, 865. Nach v. Windekens Le Pélasgique (s. Index) pelasgisch. Auch Krahe Die Antike 15, 181 hält das Wort für vorgriechisch. I-659-660

θέλω s. ἐθέλω. I-660

θέμεθλα n. pl. ‘Fundamente, Grund(lage)’ auch übertr. (ep. poet. seit Il.). — θεμείλια n. pl. ‘ds.’ (ep. poet. seit Il.), metrische Dehnung von θεμέλια, Adj. θεμέλιος ‘zu den Fundamenten gehörig’, als Subst. (sc. λίθος) ‘Grundstein’ (att. hell. usw.) mit θεμελιόω ‘den Grund legen’ (X., LXX usw.), θεμελίωσις ‘Grundlegung’ (LXX usw.). Durch poetisch-archaisierende Rückbildung entstand das gleichbedeutende θέμειλον (AP), -α (Versinschr., Adana). Bildungen mit θλο- bzw. λο-Suffix aus einem nominalen μ-Stamm; vgl. θεμούς s. θεμόω; zur Bildung von θεμέλιος noch Frisk Eranos 41, 51ff. Vgl. auch θέμερος, θέμις. I-660

θεμέρη · βεβαία, σεμνή, εὐσταθής; θέμερον· σεμνόν. ἀφοὗ καὶ τὸ σεμνύνεσθαι θεμερύνεσθαι H. — Aus der Lit. als Simplex nur θεμέρᾳ ὀπί (v. l. Pi. N. 7, 83), θεμε[ρώτε]ρα (IG 14, 1018, 3, IVp; richtig ergänzt?). Als Vorderglied in θεμερῶπις Beiwort von ‘Αρμονίη (Emp. 122, 2), von αἰδώς (A. Pr. 134 [lyr.]); θεμερόφρονας· συνετούς, σώφρονας H. Neben θέμερος (θεμερός ?) ‘fest, standhaft’ steht *θέμιστος in Θεμιστο-κλῆς u. a. (vgl. ’Αριστο-κλῆς) wie κράτιστος neben κρατερός (vgl. Frisk Eranos 48, 6). Als Grundlage dient das nominale θεμ- in θεμούς, θέμεθλα, θεμέλια, s. dd. — Ob daneben wegen der Wiedergabe mit σεμνός ‘ehrwürdig, ernst’ ein zweites θέμερος anzusetzen ist, scheint etwas fraglich. Nach Fick 1, 464; 3, 201 gehört es in dieser Bedeutung zu ahd. timber ‘finster’; dazu noch mit anderer Bildung mir. dem ‘schwarz, dunkel’ (Johansson IF 4, 145 A. 4). I-660

θέμις f. (vereinzelt und sekundär n., vgl. unten) ‘Recht, Gesetz, Sitte’, auch personifiziert als Göttin des Rechts (seit Il.); Plur. ‘Satzungen, (göttliche) Gesetze, Orakelsprüche’ (Hom., Hes., Thgn., Pi.). dazu wechselnde oblique Formen: Gen. θέμιστος (β 68; thess. Inschr.), Dat. -ιστι (Ο 87; thess. Inschr.), Akk. -ιστα (Ε 761, Υ 4); θέμιδος (A. Pr. 18 u. a.), θέμιτος (Pi. O. 13, 8 u. a.); vereinzelt noch θέμιος (Hdt. 2, 50; v. l. -ιδος), θέμεως (Inschr. Metropolis); Akk. θέμιν (Hes. usw.), Vok. Θέμι (seit Ο 93). Plur. θέμιστες, Akk. -ιστας usw. Myk. temi, Gen. timito; vgl. Ruipérez Minos 5, 176f., 181ff. Als Vorderglied z. B. in θεμι-σκόπος ‘das Recht bewachend’ (Pi.), θεμισ-κρέων ‘durch das Recht (die Satzungen) waltend’ (Pi.), θεμιστο-πόλος ‘die Gesetze schützend, die Orakelsprüche hegend’ (h. Cer. 103, Inschr. Delphi IIIa); zahlreiche EN, z. B. Θεμιστο-κλῆς (s. dazu θέμερος). Als Hinterglied z. B. in ἄ-θεμις ‘gesetzlos, ungesetzlich’ (Pi., E.), ἀ-θέμιτος ‘ds.’ (Hdt. usw.), ἀ-θέμιστος ‘ds.’ (vorw. ep. u. poet. seit Il.), auch ἀ-θεμίστιος (ep. poet. seit Od.; metr. Nebenform). Ableitungen: θεμιστός (A. Th. 694 [lyr.]; nach ἀ-θέμιστος); θεμιτός in οὐ θεμιτόν = οὐ θέμις (ion. att.); Θεμίστιος Beiname des Zeus ‘Herr der θέμιστες’ (Plu.), auch Monatsname (Thessalien); θεμιστεῖος ‘auf die θ. bezüglich’ (Pi.); θεμιστοσύναι = θέμιστες (Orph. H. 79, 6). Denominative Verba: 1. θεμιστεύω ‘die θέμ., d. h. Gesetze, Orakelsprüche verkünden’ (seit Od.) mit θεμιστεία ‘Orakelgebung’ (Str.). 2. θεμιτεύω ‘gesetzlich begehen’ (E. Ba. 79 [lyr.]). 3. θεμιζέτω· μαστιγούτω, νομοθετείτω. Κρῆτες H.; nach Bechtel Dial. 2, 786 gemäß der Buchstabenfolge in θεμισσέτω (= Paus. Gr. Fr. 202) zu ändern; wohl von θέμιστ-ες; Aor. Ptz. θεμισσάμενος (Pi.). — Zu θέμις stimmt bis auf den Ablaut aw. dā-mi- f. ‘Schöpfung’, auch ‘Schöpfer’ (m. u. f.); vgl. die gleiche Abweichung in θέ-σις, -θε-τος gegenüber -dā-ti- ‘das Setzen’, dā-ta- ‘Satzung Recht, Gesetz’ (= θέμις). Ein Problem bietet dabei die eigentümliche Pluralbildung θέμι-στ-ες, wozu vereinzelte Singularformen θέμι-στ-ος usw.; die von Schulze stammende und von Fraenkel Glotta 4, 22ff. näher begründete Zerlegung in ein Kompositum θεμι- (neben θέμ-ερος) und στᾱ- ‘stehen’ (Θέμις = "die fest und unverbrüchlich Stehende") stößt auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten; s. Frisk Eranos 48, 1ff. (mit Lit.), wo ein Versuch gemacht wird, unter Heranziehung von Θεμιστο-κλῆς (eig. Superlativ zu θέμερος) und ἀ-θέμιστος (nach ἀ-χάριστος : χάρις) die στ-Flexion als eine ursprünglich im Plur. eingetretene Neuerung zu erklären. Das zuweilen auftretende neutrale Genus stammt, wie Fraenkel richtig gesehen hat, von synonymen Ausdrücken wie δέον, καλόν, προσῆκον u. a. — Zur Bed. usw. von θέμις H. Vos Themis. Diss. Univ. Rheno-Traj. 1956. I-660-661

θεμόω nur Aor. θέμωσε in (νῆα) ... φέρε κῦμα (...), θέμωσε δὲ χέρσον ἱκέσθαι (ι 486, 542). Denominatives Verb von θεμός, nur in θεμούς· διαθέσεις, παραινέσεις H. und in PN, Θέμ-ανδρος, Θεμό-θεος (Bechtel Hist. Personennamen 201f.). — Die gewöhnliche Wiedergabe durch ‘bewirken, mettre en état de’ oder einfach ‘drove ashore (landwards)’ (LSJ) ist offenbar allzu abstrakt; man erwartet vielmehr ein instrumentatives ‘mit θεμός versehen’ o. dgl. Die Bedeutung dieses seemännischen Ausdrucks bleibt allerdings verborgen. I-661

θέναρ, -αρος n. ‘Handfläche’ (auch übertr.), ‘Fußsohle’ (seit Il.). Auch als Hinterglied, z. B. ὀπισθέναρ n. ‘Handrücken’ (Poll.) für *ὀπισθο-θέναρ, παραιθένατα· τὰ ἀπὸ τῶν μικρῶν δακτύλων παρὰ τὸ θέναρ, ἤγουν ἐπὶ τὸν καρπόν H. Denominative Verba: θεναρίζει· τύπτει; ἐνθεναρίζει· ἐγχειρεῖ H. — Altes Wort für ‘Handfläche’, auch im Germanischen vertreten: ahd. tenar m., tenra f. ‘ds.’ (thematische Erweiterungen des r-Stammes). — Hypothetische weitere Kombinationen bei WP. 1, 853, Pok. 249. I-661-662

θεοκόλος, auch θεηκόλος (Schwyzer 438) m. ‘Gottesdiener, Priester’ mit θεοκολέω (θεη-), -ία, -εών (hell. u. spät). — Nach βουκόλος neugebildet; daneben vereinzelt θεο-πόλος, -έω (Pl. Lg. 909d, Phot., Suid.; vgl. αἰ-πόλος). Solmsen Unt. 24 A. 1; über Bedeutung und Verbreitung noch E. Kretschmer Glotta 18, 82f. I-662

θεοπρόπος m. ‘Wahrsager, Seher’, auch Adj. ‘weissagend’, mit θεοπροπέω (nur Ptz.) ‘weissagen’ und θεοπρόπιον, -ία ‘Weissagung, Orakel’ (alles seit Il.; zu -ιον, -ία Scheller Oxytonierung 30f. m. Lit.). — Wohl mit Bechtel Lex. s. v. nach Buttmann von θεός und πρέπειν als "der von Gottes wegen erscheinende, auftretende" ("der sich von dem Gott aus vernehmlich macht" Bechtel; dagegen mit anderem Vorschlag Runes IF 50, 272). Abzulehnen L. Meyer KZ 22, 54ff. u. A. (zu lat. precor, procus) und Bonfante Ist. Lomb. 65, 66ff. (zu lat. reciprocus). I-662

θεός myk. te-o? m. f. ‘Gott, Göttin’ (seit Il.); Sehr oft in Kompp., z. B. ἄ-θεος, θεο-ειδής; θεόσ-δοτος nach Διόσ-δοτος; zu der Form θεσ- s. θέσκελος, θέσπις. Über θεσ- als vergrößerndes Präfix im Neugr. Georgakas ’Αθ. 46, 97ff. Ableitungen: 1. θεά f. ‘Göttin’ (ep. poet., nachklass.; Einzelheiten bei Lommel Femininbildungen 13f., dazu Wackernagel Syntax 2, 25; über θεά und fem. θεός bei Hom. s. Humbach Münch. Stud. zur Sprachwiss. 7, 46ff.). 2. θέαιναι pl. ‘Göttinnen’ (nach τέκταιναι u. a.; bei Hom. als metrische Ausfüllung; nicht mit Chantraine REGr. 47, 287 A. 1 archaische Form; weitere Lit. bei Schwyzer 475 m. A. 7). 3. θεῖος ‘göttlich’ (seit Il.; vgl. unten) mit θειώδως Adv. (Pap.), θειότης ‘Göttlichkeit, Gottheit’ (LXX, NT, Plu. u. a.), θειάζω ‘prophezeien, als Gott verehren’ (Th.), auch mit Präfix, z. B. ἐπι-θειάζω ‘im Namen der Götter beschwören usw.’ mit (ἐπι-)θειασμός (Th.) u. a. 4. θεϊκός ‘ds.’ (spät). 5. Denominatives Verb θεόω, -όομαι ‘vergöttlichen, Gott werden’ (Kall. u. a.), vorwiegend mit Präfix, z. B. ἀπο-θεόω ‘ds.’ (Pap., Plb., Plu. u. a.) mit ἀποθέωσις (Str. u. a.). — Nicht sicher erklärt. Wegen der vielen lexikalischen Berührungen zwischen Griechisch und Armenisch kommt die Verbindung mit arm. di-k‘ pl. ‘Götter’ (Bartholomae BB 17, 348) zunächst in Betracht; damit werden noch verknüpft lat. fēriae ‘Feiertage’, fēstus ‘festlich’, fānum ‘Tempel’, s. W.-Hofmann s. vv., wo auch weitere Lit.; zu aind. dhíṣṇiya- (Bed. unsicher) Mayrhofer Wb. s. Dhiṣáṇā. Als Grundform wäre dann für arm. di-k‘ idg. *dhēs-es anzusetzen, woneben θεός aus *dhĕs-ós; vgl. noch θέσ-κελος; auch θεῖος aus *θέσ-ι̯ος (Schwyzer 467)? Der quantitative Unterschied : bleibt noch zu erklären. — Dieser Etymologie steht eine andere entgegen, die θεός aus *θϝεσ-ός mit lit. dvasià ‘Geist’, mhd. getwās ‘Gespenst’ (s. noch θεῖον) verbindet (de Saussure Mém. 81 A. 5); man hat dagegen eingewendet, daß das angebliche ϝ keine metrische Spur hinterlassen hat und daß sich die Griechen ihre Götter körperlich vorstellten. Der Vorschlag Pisanis (REIE 1; s. Acme 1, 272f.), auch arm. di-k‘ aus idg. *dhu̯es- herzuleiten, ist lautlich kaum haltbar. — Noch anders Bechtel BB 30, 267ff. (zu θοός· λαμπρός H.), Senn Soter 4 (1927) 11ff. (zu τίθημι mit Hdt. 2, 52; offenbare Volksetymologie), Bartoli Riv. fil. class. 56, 108ff., 423ff. (zu lat. deus mit vielen Vorgängern; lautlich unmöglich). — Zu neuphryg. δεως ζεμελως κε s. Σεμέλη und χθών. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 844 und 867; dazu noch W.-Hofmann s. bēstia und fānum usw. (s. oben), Pok. 259 und 269. I-662-663

θεουδής ‘gottesfürchtig, fromm’ (ep. seit Od.) mit θεούδεια f. ‘Gottesfurcht’ (A. R. 3, 586). — Daraus kontrahiert att. EN Θουδῆς Θουδιάδου. — Für θεο-δϝής aus *θεο-δϝειής, zu *δϝεῖος > δέος ‘Furcht’, s. d. Die Bedeutung ‘göttergleich’ (sp. Dichter) beruht auf Vermischung mit θεο-ειδής. Einzelheiten bei Bechtel Lex. s. v.; s. auch Verdenius Mnemos. 4 : 8, 232f. m. Lit. I-663

θέπτανος · ἁπτόμενος H. — Von Fick BB 12, 162, Brugmann Grundr.2 2 : 1, 269 u. a. mit lit. dègtinas ‘wer oder was zu verbrennen ist’ (von deg-, dèg-ti ‘brennen’) identifiziert. Vgl. zu τέφρα ‘Asche’. — Nach P. Maas ByzZ 37, 381 und Latte Glotta 34, 198f. dagegen aus θεπταίνων· ἁπτόμενος (Kyr.) entstellt, das Latte in θ(ε)ιγγάνων emendieren will. Zur Herkunft des suffixalen -τανος, -tinas (idg. *-tn̥nos) Benveniste Origines 107f.; dazu noch eine sehr unsichere Hypothese bei Pedersen Hittitisch 149f. I-663

θεράπων, -οντος (-ονος äol. [Gramm.]; vgl. unten) m. ‘Diener, Gefährte’ (seit Il.) mit dem Deminutivum θεραπόντιον (D. L.). Davon θεράπαινα f. ‘Dienerin, Magd’ (ion. att.), mit θεραπαινίς, -ίδιον (Pl., Men. u. a.); auch θεράπνη ‘ds.’ (poet. seit h. Ap. 157; vgl. unten) mit θεραπνίς (AP); unklar θεραποντίς Beiw. von φερνή (A. Supp. 979). — Daneben θέραψ, -απος m., meistens im Pl. ‘ds.’ (poet. seit E.) mit θεράπιον (Hyp.), -πίς (Pl. Mx. 244e). Denominatives Verb θεραπεύω ‘(be)dienen, verehren, pflegen, heilen’ (seit ν 265) mit mehreren Nomina: θεραπεία, ion. -ηΐη, θεράπευμα ‘das Dienen usw.’ (ion. att.), θεράπευσις ‘ds.’ (Phld.); θεραπευτής ‘Diener, Verehrer’ (ion. att.) mit θεραπευτικός (Pl., X., Arist. usw.), auch θεραπευτήρ (X., Aristox. u. a.; wahrscheinlich dorisch, Fraenkel Nom. ag. 2, 54f.) mit θεραπευτρίς (Ph.), -εύτρια (EM); θεραπήϊος = θεραπευτικός (AP), -ηΐς f. (Orac. ap. Jul. Ep. 88b). — Außer im Sinn von ‘Dienerin’ kommt θεράπνη bei Eur. und seinen Nachfolgern auch in der Bedeutung ‘Wohnung, Aufenthaltsort’ vor (θεράπναι· αὐλῶνες, σταθμοί H.), was an δοῦλος· ἡ οἰκία H. (vgl. s. v.) erinnert; bei gemeinsamem Ursprung wäre von ‘Haus’, koll. ‘Dienerschaft’ auszugehen. Von θεράπνη ‘Wohnung’ ist jedenfalls der lakonische ON Θεράπνα, -ναι schwerlich zu trennen; dadurch wird vorgriechische Herkunft der ganzen Sippe nahegelegt. Kretschmer Glotta 28, 269f. (s. auch dens. Glotta 24, 90ff.; über Bed. und Verbreitung noch E. Kretschmer Glotta 18, 72ff.) sieht darin eine "protoindogermanische" Entsprechung von τέραμνα; mit θέραψ wäre lat. trabs ‘Balken’ usw. zu vergleichen. Zustimmend v. Windekens Le Pélasgique 89f. (m. Lit.). An und für sich kann indessen θεράπνη ‘Dienerin’ sehr wohl von θεράπων ausgehen (vgl. Sommer Nominalkomp. 145; zum sekundären ντ-Stamm vgl. θεράπαινα und Schwyzer 526 m. A. 3 und Lit.) und höchstens indirekt mit der gleichlautenden Ortsbezeichnung verwandt sein; vgl. Schwyzer 489 m. A. 4 u. Lit. — Auffallend ist das stark beschränkte und späte Vorkommen von θέραψ im Vergleich zu θεραπεύω nebst Ablegern, was für postverbalen Ursprung sprechen könnte. Die Grundlage von θεραπεύω wäre dann in einem verlorengegangenen Wort zu suchen. — Die Anknüpfung an idg. dher- ‘(fest)halten, stützen’ (s. θρόνος; Näheres bei Bq s. v. und WP. 1, 857) ist weder semantisch noch morphologisch befriedigend. Vgl. auch θρησκεύω. I-663-664

θέρμος m. ‘Lupinus albus’ (mittl. Kom., Thphr. u. a.). Davon θέρμιον ‘ds.’ (Pap. u. a.), θέρμινος ‘aus Lupine’ (Luk., Dsk.). — Wohl mit θερμός ‘warm’ bis auf die regelmäßige Akzentverschiebung identisch; zum Benennungsmotiv Strömberg Pflanzennamen 82. I-664

θερμός ‘warm’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z. B. Θερμο-πύλαι (Hdt. usw.; vgl. Risch IF 59, 267). Zu ἄ-, ἔκ-, ἔν-θερμος usw. s. unten zu θέρμη und θερμαίνω. Zahlreiche Ableitungen. A. Substantiva. 1. θέρμη, auch -μᾰ (dazu Schwyzer 476 A. 2, Chantraine Formation 102 und 148) f. ‘Wärme, Hitze, Fieberhitze’ (ion. att.) mit ἄ-θερμος ‘ohne Wärme’ (Frisk Adj. priv. 11 m. Lit.), ἔν-θερμος ‘mit Wärme drin, warm’ (Strömberg Greek Prefix Studies 95) u. a.; θερμίζω ‘fiebern’ (Euböa). 2. θερμότης ‘Wärme, Hitze’ (ion. att.). 3. θερμωλή ‘ds.’ (Hp.; Frisk Eranos 41, 52). 4. θερμέλη· ἡ θέρμη Suid. (Strömberg Wortstudien 79). 5. θέρμασσα = κάμινος (Hdn. Gr. 1, 267; Bildung unklar, vgl. Schwyzer 525f., Müller-Graupa Glotta 31, 129). — B. Adjektiva: 1. θερμώδης ‘lauwarm’ (Aret.); dazu Θερμώδων, -οντος Flußname (Böotien, Pontos; s. Krahe Beitr.· z. Namenforschung 2, 236; 3, 162). 2. θερμηρός Beiw. von ποτήριον (H. s. κελέβη; auch auf θέρμη beziehbar). — C. Verba: 1. θέρμετο Ipf. ‘wurde warm’ (ep. seit Il.), θέρμετε Ipv. ‘erwärmet!’ (θ 426; danach Ar. Ra. 1339); zur Bildung vgl. Schwyzer 722f. 2. θερμαίνω, Aor. θερμῆναι ‘erwärmen’ (seit Il.), oft mit Präfix, z. B. ἐκ-θερμαίνω ‘ganz und gar erwärmen’ (Hp., Arist. usw.) mit dem postverbalen ἔκθερμος ‘sehr heiß’ (Vett. Val. u. a.); davon θέρμανσις ‘Erwärmung’ (Arist. u. a.) mit θερμαντικός ‘zum Erwärmen geeignet, erwärmend’ (Pl., Arist., hell.), θερμασία ‘Erwärmung, Wärme’ (Hp., Arist. usw.; vgl. Schwyzer 469), θέρμασμα ‘wärmender Umschlag’ (Mediz.; vgl. Chantraine Formation 176), θερμάστρᾱ s. θερμάζω; θερμαντήρ "Aufwärmer", ‘Kessel zum Wasserkochen’ (Poll.) mit θερμαντήριος ‘aufwärmend’ (Hp., Inschr.). 3. θερμάζω ‘ds.’ nur Aor. Opt. Med. θερμάσσαιο (Nik. Al. 587) mit θερμάστρα f. ‘Ofen’ (Kall. u. a.; auch auf θερμαίνω beziehbar); auch θερμαύστρα geschrieben durch Vermischung mit θερμαυστρίς (θέρμ-) ‘Feuerzange’ (Arist., H.), vgl. πυρ-αύστρα ‘Feuerzange’ (αὔειν ‘Feuer holen’); auch übertr. als N. eines Tanzes (Poll., Ath.) mit θερμαυστρίζω (Kritias, Luk.); von θερμάστρα: θερμαστρίς (θέρμ-) = θερμαντήρ (Eup., LXX); die Formen auf -αστρ-, -αυστρ- werden indessen nicht auseinandergehalten, vgl. Schulze Kl. Schr. 189 m. A. 6; durch Dissimilation θέρμαστις Bed. unklar (Attika IVa) mit θερμάστιον (Aen. Tact. u. a.). — Altererbtes Adjektiv, mit arm. ǰerm ‘warm’, thrak.-phryg. germo- (in ON, z. B. Γέρμη) identisch, idg. *ghermo-; dazu noch in substantivischer Funktion alb. zjarm, zjarr ‘Hitze’. Daneben mit o-Vokal, ursprünglich substantivisch, idg. *ghormo- in aind. gharmá- m. ‘Hitze’, apreuß. gorme ‘ds.’; sekundär auch adjektivisch in aw. garəma-, lat. formus, germ., z. B. nhd. warm (anders Zupitza u. A.; s. WP. 1, 688). Unsicher toch. A śārme ‘Hitze (?)’. Weitere Formen mit Lit. bei W.-Hofmann s. formus, Mayrhofer Wb. s. gharmáḥ; s. noch θέρομαι, θέρος. I-664-665

θέρομαι ‘warm werden, sich wärmen’ (ep. ion. poet. seit Il., hell. u. späte Prosa), vereinzelt Akt. θέρω ‘wärmen’ (A. R., Nik.), nur Präsensstamm bis auf Aor. 2 Pass. Konj. θερέω (ρ 23; für *θερή-ω), Fut. Ptz. θερσόμενος (τ 507). Daneben θέρος n. ‘Sommer’ (seit Il.), ‘Ernte’ (ion. att.). Als Hinterglied z. B. in εἱλη-θερής, aber s. zu εἵλη. — Ableitungen: θέρειος ‘zum Sommer gehörig’, f. θερεία, -η (sc. ὥρα) ‘Sommer’ (Pi., Hdt., hell. u. spät), θερινός ‘ds.’ (ion. att.; nach χειμερινός u. a., Chantraine Formation 201), θερόεις ‘ds.’ (Nik. Al. 570; poetische Bildung, Schwyzer 528 m. Lit.), θεριακός ‘für den Sommer passend’ (ἱμάτια θ. Pap. VIp; nach ἡλιακός u. a.); θερίδιον ‘Sommeraufenthalt’ (Jul.), θέρετρον ‘ds.’ (Hp.; nicht ganz sicher, vgl. Chantraine 332). Denominatives Verb θερίζω, Aor. θερίσαι ‘ernten, abmähen’ (ion. att.), auch intr. ‘den Sommer zubringen’ (X., Arist.), mit θερισμός ‘Ernte, Erntezeit’ (Eup., X. usw.), θεριστής ‘Ernter, Schnitter’ (att. usw.) mit -ιστικός (Pap.), auch -ιστήρ ‘ds.’ (Lyk. 840; Fraenkel Nom. ag. 1, 135f.), -ιστήριον ‘Sichel’ (LXX u. a.); θέριστρον ‘Sommergewand’ (LXX, Pap. u. a.), -ίστριον ‘ds.’ (Theok. u. a.; Wackernagel KZ 33, 50 = Kl. Schr. 1, 729); θέριστρα pl. ‘Erntelohn’ (Pap.). — Zu θέρος stimmt der Form nach genau aind. háras- n. ‘Hitze’, idg. *ghéros-, ebenso arm. ǰer ‘ds.’ (sekundärer o-Stamm). Die Bedeutung ‘Sommer’ ist eine griechische Neuerung (‘Hitze’ = θέρμη, θάλπος u. a.). Im Sinn von ‘Ernte’ scheint θέρος postverbal zu θερίζω *‘Sommerarbeit machen’ zu sein. Dem thematischen Wurzelpräsens θέρομαι entspricht air. fo-geir ‘erwärmt, erhitzt’ (idg. *ghere-t). Die übrigen Sprachen zeigen verschiedene Bildungen : arm. ǰeṙ-nu-m, Aor. ǰeṙ-ay ‘sich wärmen’ (: aind. ghr̥-ṇo-ti ‘leuchtet, brennt’ [Gramm.], vgl. ghr̥-ṇá- m. ‘Glut, Hitze’), aksl. grě-jǫ grě-ti sę ‘sich wärmen’ (gorjǫ, gorěti ‘brennen’) usw. — Weitere Formen mit reicher Lit. bei Bq, WP. 1, 687ff., Pok. 493ff., W.-Hofmann s. formus und fornāx, Ernout-Meillet s. formus, Vasmer Russ. et. Wb. s. gorétь, Fraenkel Lit. et. Wb. s. gãras. I-665-666

θέσις f. ‘das Setzen, Aufstellung, Stellung, Lage, Adoption, Satz usw.’ (Alk., Pi., ion. att.).; sehr oft mit Präfix in Ableitungen von den betreffenden präfigierten Verba, z. B. διά-, σύν-, ὑπό-θεσις (von δια-τίθημι usw.). Davon -θέσιμος in παρα-, περι-, ἐκ-, ἀπο-θέσιμος (von παράθεσις usw.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 91f.). — Zu θέσις stimmt das nur in Ableitungen und Zusammenbildungen vorkommende aind. -(d)hiti-, z. B. ápihiti- = ἐπίθεσις (von api-dhā- = ἐπι-θη-), úpahiti- = ὑπόθεσις (von upa-dhā- = ὑπο-θη-); vgl. apihi-ta- = ἐπίθε-τος, upahi-ta- = ὑπόθε-τος; dazu aw. tarōi-dī-ti- (-- sekundär) ‘das Beiseiteschaffen usw.’ von tarō-dā- (= aind. tiro-dhā- ‘beiseite schaffen usw.’, Ptz. tirohi-ta-); auch das spätlat. conditi- ‘Gründung’ (nach condi-tus, -tor von con-dō). Daneben stehen mehrere hochstufige Formen (idg. *dhē-ti- gegenüber *dhə-ti-): germ., z. B. got. ga-deds ‘das Hinsetzen, Adoption’ (du suniwe gadedaiεἰς υἱοθεσίανEph. 1, 5), missadeþs ‘Missetat’, ahd. tāt, aw. -δ-ti in ni-δ-ti- (von ni-dā- ‘niederlegen’) usw., lit. dė́tis ‘Ladung, Last’, aksl. blago-dětь ‘Wohltat’, wohl auch lat. *fē-tis ‘Satzung, Vertrag’ in fēti-ālis ‘Kriegsherold’. — Zur Bildung im allg. Schwyzer 505, Holt Les noms d’action en -σις (s. Index); zum Ablaut G. Liebert Das Nominalsuffix -ti- im Altind. (Lund 1949) 104f. m. Lit. — Verbalnomen zu τίθημι, s. d.; vgl. auch θεσμός. I-666-667

θέσκελος ep. Beiwort, etwa ‘wunderbar, herrlich’ (seit Il.). — Zusammenbildung aus *θεσ- ‘Gott’ (s. θεός) und κέλομαι ‘treiben’; somit eig. ‘von einem Gott getrieben’. Zum e-Vokalismus des Hinterglieds Schwyzer 449 A. 3. — Vgl. θεσπέσιος, θέσφατος. I-667

θεσμός, dor. τεθμός, lak. ark. lokr. auch θεθμός m. ‘Satzung, Gesetz, Sitte’ (seit ψ 196 [nach Anderen hier ‘Stätte’; nicht wahrscheinlich]). Kompp., z. B. θεσμο-θέται, ἔνθεσμος. Davon θέσμιος, τέθμιος, θέθμιος ‘gesetzmäßig, herkömmlich’ (ion. att. dor. usw.); θεσμοσύνη ‘Gerechtigkeit’ (AP). — Die Gleichsetzung mit dem synonymen air. deidmea, kymr. deddf f. (Thurneysen KZ 51, 57f., Loth Rev. celt. 45, 184) erfordert eine idg. Grundform *dhedhmo-, --, die mit Reduplikation entweder aus *dhe-dh-m-o- (-dh- Schwundstufe von θη- in θή-σ-ω usw.) oder aus *dhe-dhm-o- (-dhm- Schwundstufe von θεμ- in θέμις usw.) entstanden ist; vgl. Schwyzer 492 A. 12. In θε- kann indessen auch dieselbe Form der Schwachstufe vorliegen wie in θέ-σις u. a., wozu suffixales -θμ- bzw. -σμ-; die regelmäßig eintretende Hauchdissimilation wurde in θεθμός durch Angleichung an θέσις usw. aufgehoben. I-667

θεσπέσιος ‘göttlich, übermenschlich, gewaltig, wundervoll’ (ep. poet. seit Il., auch Pl. u. sp. Prosa). Daneben θέσπις, ιος, -ιν, -ιδα ‘ds.’ (ep. poet. seit Od.), auch als Vorderglied, z. B. θεσπι-δαές (πῦρ, Il. usw.; s. zu δαίω) und als PN; davon θεσπίζω, Aor. θεσπίσαι, -ίξαι (Theok.) ‘weissagen, ein Orakel geben’ (Hdt., Trag., späte Prosa) mit θεσπίσματα pl. (selten sg.) ‘Orakelsprüche’ (Trag., sp. Prosa), θεσπιστής ‘Wahrsager, Prophet’ (Man.). — Hierher noch Θεσπιαί pl. Stadt in Böotien und andere EN. Wie z. B. ἀμβρόσιος aus ἄμβροτος ist θεσπέσιος aus *θέσ-σπ-ετος gebildet, einer Zusammenbildung von *θεσ- ‘Gott’ (s. θεός) und dem Verb (ἐνι-)σπεῖν ‘verkünden’ (s. ἐν(ν)έπω) mittels des το-Suffixes (vgl. ἄ-σπ-ετος); eig. Bedeutung somit ‘von einem Gott verkündet’. Ähnlich steht θέσπις für *θέσ-σπ-ις, evtl. als Kurzform. — Einzelheiten bei Bechtel Lex. s. vv.; dazu Schwyzer 450 und 458. I-667

θέσσασθαι Aor., Ptz. θεσσάμενος, Ind. 3. pl. θέσσαντο ‘anflehen’ (Hes., Archil., Pi., H.); θέσσεσθαι· αἰτεῖν, ἱκετεύειν, θεσσόμενος· δεόμενος, ζητούμενος, ἱκετεύων H. Davon Θέστωρ "Fleher", Vater des Sehers Kalchas usw. (Il. u. a.) mit Θεστορίδης, Θεστόρειος; als Hinterglied in πολύ-θεστος u. a., wohl auch in ἀπόθεστος (s. d.), ’Αγλω-θέστης (Fraenkel Nom. ag. 1, 14 A. 2 m. Lit.). — Hierher vielleicht noch der Volksname Θεσσαλοί, thess. Πετθαλοί, böot. Φετταλοί, vgl. Schwyzer 90 A. 1 und 483. Aus *θέθ-σασθαι, sigmatischem Aorist neben ποθέω ‘ersehnen’, s. πόθος. Aus diesem und böot. Θιό-φειστος ergibt sich ein idg. *ghedh-, wovon u. a. der air. s-Konj. 1. pl. -gessam (: θέσσασθαι; Ind. guidiu ‘bitte’ = ποθέω) und das altiran. Jotpräsens aw. ǰaiδyemi = apers. ǰadiyāmiy ‘bitte’, das dem mutmaßlichen Präsens θέσσεσθαι unmittelbar gleichgesetzt werden kann (idg. *ghedh--). Weiteres s. πόθος. I-668

θέσφατος ‘von einem Gott verkündet, bestimmt’ (ep. poet. seit Il.), auch s. v. a. ‘gewaltig’ (ἀήρ η 143; vgl. ἀχλὺς θεσπεσίη η 42; anders Schwyzer Glotta 12, 10). — Zusammenbildung aus *θεσ- ‘Gott’ (s. θεός) und φημί mittels des το-Suffixes; vgl. ἄ-φα-τος, auch διφάσιος u. a. — Daneben ἀ-θέσφατος (ὄμβρος, θάλασσα u. a.; ep. poet. seit Il.), wörtlich "was von den Göttern nicht verkündet, bestimmt ist", d. h. "was sich einer bestehenden Ordnung nicht fügt" (H. Fränkel ’Αντίδωρον 281f.), aber eher nur mit pleonastischem ἀ- privativum wie ἀ-βέλτερος; vgl. ἀμαιμάκετος, ἀπειρέσιος und andere expressive Beiwörter. I-668

Θέτις, -ιδος, -ιος, -ιδι, -ῑ, -ιν f. Meergöttin, Mutter des Achilleus (seit Il.). Davon Θετίδειον ‘Thetistempel’ (E., hell.). — Nach Ribezzo Don. nat. Schrijnen 351 als Lallwort zu τήθη, τηθίς; ähnlich v. Windekens Beitr. z. Namenforschung 2, 62f., Carnoy Le Muséon 67, 360: pelasgische Benennung der Mutter, zu τέττα ‘Vater’, lit. tė̃tis ‘Vater’, tetà ‘Tante’ u. a. m. Der Umweg über das Pelasgische scheint kaum notwendig. I-668

θέω 1. Fut. θεύσομαι (zur Diathese Wackernagel Syntax 1, 134), Ipf. θέεσκον, später Aor. θεῦσαι (Vett. Val. u. a.), auch mit Präfix, z. B. ἀνα-, κατα-, παρα-, ‘laufen’ (seit Il.). Davon θεῦσις ‘das Laufen’ (Corn. ND 1, als etymol. Erklärung von θεός), θοός ‘schnell’ (seit Il.) mit Θόας, -αντος PN, auch Flußname (Krahe Beitr. z. Namenforschung 2, 236; 3, 162), Θόωσα f. PN (Od., Emp.; Schwyzer 526); θοάζω ‘in schnelle Bewegung setzen, sich schnell bewegen’ (E.) mit θόασμα ‘Tanzplatz o. ä.’ (Orph. H. 49, 6). Zu βοηθόος, -θέω s. bes. — Das thematische Wurzelpräsens θέ(ϝ)ω (vgl. θεῦ· δεῦρο, τρέχε H. und Specht KZ 67, 219) ist mit aind. dhavate ‘strömen, fließen’ bis auf die Diathese identisch. Das dehnstufige dhā́vati ‘laufen, strömen’ hat dagegen im Griechischen keine Entsprechung, da ep. θείη (nach Schulze Q. 277 für *θή(ϝ)η) und θείειν metr. gedehnt sind, letzteres auch für *θε(ϝ)έμεν stehen kann (vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 102; 346; 492). — Unsicher bleibt die Heranziehung des germanischen Wortes für ‘Tau’, ahd. tou m., awno. dǫgg, Gen. dǫggwar, urg. *dau()a-, -, idg. *dhóu̯o-, -ā́ (wäre gr. *θό(ϝ)ος, *θο(ϝ)ή); hypothetisch auch ἄδδεε· ἐπείγου H. (phrygisch?; Hoffmann BB 25, 180). Über illyrische und andere Flußnamen, die herangezogen worden sind, s. Pok. 260 m. Lit. Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 834. I-668-669

θέω 2. ‘glänzen’ nur in ὀδόντων λευκὰ θεόντων (Hes. Sc. 146); daraus durch Nachbildung ὕλῃ χλωρὰ <θ>ούσῃ (Theok. 25, 158) und ποίην ... χλωρὰ θέουσαν (Epigr. Gr. 1046, 83); daneben θοόν· .. λαμπρόν H. (auch als ὀξύ, σκοτεινόν, ἰσχυρόν, ταχινόν erklärt), θοῶσαι· ὀξῦναι, λαμπρῦναι H. — Für λευκὰ θεόντων will Wackernagel Glotta 14, 44ff. = Kl. Schr. 2, 852ff. (mit älterer Lit.) sehr ansprechend in einem Wort λευκαθεόντων lesen (von λευκαθέω für *λευκάθω = λευκαθίζω), wodurch das angebliche θέω ‘glänzen’ in Wegfall käme. Die Erklärung von θοός, θοῶσαι als λαμπρός, λαμπρῦναι schöpft offenbar aus derselben Überlieferung. — Von *λευκάθω stammt auch der Göttinnenname Λευκαθέα (Wackernagel a. a. O.). I-669

θεωρός (ion. att.) daraus durch Entlehnung und Angleichung an den Heimatdialekt dor. usw. θεᾱρός, ark. auch θεαορός; ion. auch θεορός (Paros), θευρός (Thasos) ‘Zuschauer, Festgesandter, Orakelgesandter’ (nachhom.), auch Ben. einer Aufsichtsbehörde (Mantinea, Thasos usw.). Als Vorderglied in θεαρο-δόκος ‘der die θ. empfängt’, mit -δοκέω, -δοκία (Inschr.). Davon 1. θεωρίς (sc. ναῦς) f. ‘Schiff der θ.’ (ion. att.); 2. Θεάριος Bein. des Apollon als Orakelgott (Troizen), θεάριον ‘Begegnungsplatz der θ.’ (Pi.); 3. θεωρικός ‘für den Zuschauer bestimmt’, τὸ θ. ‘Zuschauergeld’ (att.). 4. θεωρία, -ίη, θεαρία, böot. θιαωρία (hybride Form) ‘das Zuschauen, Festschau, Festgesandtschaft’. 5. θεωροσύνη ‘ds.’ (Man.). 6. Denominatives Verb θεωρέωθεωρός sein, zuschauen, betrachten, überlegen’ (ion. att.) mit θεωρητικός ‘beschaulich, spekulativ, theoretisch’ (Arist. usw.; θεωρητής Phld.), θεώρημα (att., Arist., hell.), -ησις (Pl.; Röttger Plat. Subst. 17f.), -ητήριον u. a. — Eig. "der eine Schau ansieht", *θεᾱ-(ϝ)ορός, *θεη-(ϝ)ορός > θε(ε)ωρός; daneben θεορός > θευρός, wohl am ehesten nach -ορος (ἔφορος u. a.). Etwas abweichend Schwyzer 248; dazu Leumann Hom. Wörter 223 A. 2, Buck Studies presented to D. M. Robinson 2, 443f., Szemerényi Glotta 33, 250 A. 2. — Ganz anders über θεωρός (zu θεός) Koller Glotta 36, 273ff. I-669

Θῆβαι f. pl., selten Θήβη sg. (zum Numeruswechsel Schwyzer 638, Schwyzer-Debrunner 43 A. 3) Theben, Ortsname, insbes. Hauptstadt Böotiens und Stadt in Oberägypten (seit Il.). Als Vorderglied u. a. in Θηβᾱ-γενής (Hes. Th. 530), -αιγ- (E. Supp. 136 u. a.; Schwyzer 452). Ableitungen: Θηβαῖος ‘thebanisch’, auch als EN (seit Il.), f. Θηβᾱΐς, -ίδος f. ‘das Gebiet von Th.’ (ion. att.), auch N. eines epischen Gedichts (Paus.); Θηβαιεύς, Θηβᾱϊκός (Hdt. usw.), Θηβάδᾱς (böot., megar.; Fraenkel Nom. ag. 2, 184), Θηβάνᾱς m. N. eines nord-östlichen Windes auf Lesbos (Arist.); vgl. Chantraine Formation 31. — Vorgriechisch (Fick ON 78); Kretschmer Glotta 14, 307 (nach G. Meyer IF 1, 324) vergleicht sabin. teba ‘Hügel’ und kleinasiat. τάβα = πέτρα (St. Byz. s. Τάβαι); s. noch dens. Glotta 32, 182 und 33, 248 A. 4, 251; außerdem Heubeck Gnomon 25, 270. I-670

θήγω dor. θά̄γω, θηγάνω (A. Ag. 1535 nach H.), Aor. θῆξαι, Dazu mit -Abtönung: τέθωκται· τεθύμωται, τεθωγμένοι· τεθυμωμένοι H. (unsicher θῶξαι, auch θᾶξαι· μεθύσαι, πληρῶσαι, τεθωγμένοι, auch τεθαγμένοι· μεμεθυσμένοι u. a. H.). auch mit Präfix wie παρα-, συν-, ὑπο-, ‘wetzen, schärfen, anfeuern’ (seit Il.). Ableitungen: θηγάνη ‘Wetzstein’ (A., S. u. a.; H. auch θήγανον) mit θηγανίτης λίθος ‘ds.’ (IG 14, 317, Sizilien; Redard Les noms grecs en -της 55); θηγαλέος ‘scharf’ (AP; Suffixwechsel λ ~ ν?, Chantraine Formation 253); H. noch θηγάνεον, θηγόν· ὀξύ, ἠκονημένον, ἀκονητόν (Schwyzer 459), θῆξις· ῥοπή, στιγμή, τάχος. — Aus idg. *dhāgō, wozu das arm. Nomen instrumenti daku, Gen. pl. dakuac̣ ‘Axt’, zunächst wohl von einem u-Stamm, idg. *dhāgu- ‘scharf’. Lidén Armen. Stud. 55; danach WP. 1, 823 mit älterer Lit. I-670

θήκη f. ‘Behältnis, Kasten, Grab’ (ion. att.) mit dem Deminutivum θηκίον (Pap.) und θηκαῖος ‘zum Grabbehältnis dienend’ (Hdt. u. a.). Sehr oft als Hinterglied, u. z. sowohl mit Präfix in verschiedenen Bedeutungen (δια-, ὑπο-, συν- usw.; von δια-, ὑπο-, συν-τίθημι) wie mit nominalem Vorderglied (βιβλιο-, χαλκο-θήκη usw.); davon wieder etliche Ableitungen. — Wird allgemein mit aind. dhāká- m. ‘Behälter usw.’ (Gramm.) zusammengestellt. Zweifel über den genetischen Zusammenhang bei Schwyzer 741 A. 8 und Mayrhofer Wb. s. v. Weiteres s. τίθημι. I-670

θηλέω ‘blühen, gedeihen’ s. θάλλω. I-670

θηλή f. ‘Mutterbrust, Zitze’ (ion. att.). Als Hinterglied z. B. in ἄ-, εὔ-, νεό-θηλος (-θηλής). Davon θηλώ· τροφός, τήθη (H., Plu.). — Denominatives Verb θηλάζω ‘säugen, saugen’ (ion. att. dor.) mit θήλασμα, θηλασμός ‘das Säugen, Saugen’ (Plu., Pap.), θηλάστρια ‘Amme’ (S., Kom.); auch θηλαμών ‘ds.’ (Sophr., Thespis u. a.), wohl zu θηλά-σαι nach τελά-σαι : τελα-μών u. a.; dazu θηλαμινοῦ· νεογνοῦ, θήλαντο· ἐθήλασαν H. (richtig?); vgl. Bechtel Dial. 1, 361. Unsicher θηλονή ‘Amme’ (Plu. 2, 278d). — Zu θηλή stimmt das aus lat. fēlāre ‘saugen’ zu erschließende *fēla ‘Mutterbrust’, idg. *dhēlā. Aus demselben oder einem ähnlichen Grundwort stammen noch lett. dę̂ls ‘Sohn’, eig. "Säugling", lat. fīlius ‘ds.’ < *fēlios, umbr. sif feliuf ‘sues lactantes’ (‘saugende’ oder ‘säugende’?, s. Benveniste BSL 45, 82f.), lit. dėlė̃ ‘Blutegel’ u. a.; dazu mit anderem Ablaut lett. dīle ‘saugendes Kalb’ (idg. *dhī-l-), mir. del ‘Zitze’, germ., z. B. ahd. tila f. ‘weibliche Brust’ (idg. *dhĭ-l-) u. a. m.; mehrdeutig ist arm. dayl, dal ‘Biestmilch’ (dhəi-li-?; Hübschmann Armen. Gr. 1, 437, Pedersen KZ 39, 406); zu lat. fēlīx ‘fruchtbar’ s. W.-Hofmann s. v. (auch Nachträge). Vgl. zu θῆλυς und θῆσθαι. I-670-671

θῆλυς , -εια, -υ (auch f., vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 252) ‘weiblich’, auch übertr. (seit Il.). Kompp., z. B. θηλυ-γενής, μιξό-θηλυς. Ableitungen: θηλυδρίας ‘weibischer Mann’ (Hdt., Arist. usw.), zunächst von *θηλύδριον (Schwyzer 471 A. 8, Chantraine Formation 72 m. Lit.); θηλυκός ‘weiblich, weibisch’ (Arist., hell.; vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 165), θηλώδης ‘weibisch’ (Ar.), θηλῶτις f. ‘ds.’ (Prisc.); θηλύτης ‘Weiblichkeit’ (Arist. u. a.); denominatives Verb θηλύνω ‘weiblich machen, verweichlichen’ (vorw. ion. hell.). Zum Komparativ θηλύτερος Benveniste Noms d’agent 117f. — Zu θῆλυς stimmt formal bis auf den Akzent aind. dhārú- ‘saugend’, wenn aus idg. *dhēlu-. Für dhārú- geht man am besten direkt vom Verb ‘saugen’ (s. θῆσθαι) aus mit einem idg. ru- bzw. lu-Suffix (Wackernagel-Debrunner 2 : 2, 860); für θῆλυς ist neben direkter Ableitung von θῆσθαι ("die säugen kann, können wird"; Pedersen REIE 1, 197; s. noch Fraenkel Nom. ag. 2, 173, Chantraine Formation 253) auch als Zwischenglied ein nominaler l-Stamm zu erwägen ("mit Zitzen versehen"?). — Nach Duchesne-Guillemin hierher noch toch. B tlai ‘Frau’; anders, gewiß nicht besser v. Windekens Lex. étym. 140. I-671

θῆμα, θημών s. τίθημι. I-671

θην ‘in der Tat, gewiß, zweifellos’ in ἦ θην, οὔ θην u. a. (ep. seit Il., Epich., Sophr.). — Unerklärt. Nach Prellwitz Wb. Akk. eines Wurzelnomens *θή ‘Tat’ (idg. *dhē) und mit alb. dot ‘gar nicht’ (nach Pedersen BB 20, 236 aus idg. *dhē-tim) verwandt. I-671

θήρ äol. φήρ, -ρός m. ‘wildes Tier, Raubtier’ (vorw. ep. poet. seit Il.). Kompp., z. B. θηρο-φόνος ‘Wild erlegend’ (Thgn. usw.), Θηρε-φόνα (Paus. 5, 3, 3; zum Komp. vokal -ε- Schwyzer 438); ἔν-θηρος ‘voll Wild’ (Trag. u. a.), ἄ-θηρος (Hdt., A. u. a.) ‘ohne Wild’, auch ‘ohne Jagd’ (von θήρα; Sommer Nominalkomp. 149f.). Davon θηρίον ‘wildes Tier, Jagdtier’ (seit Od.; Wackernagel Unt. 218; urspr. besänftigendes Deminutivum, Sieberer Sprache 2, 112); nachhom. auch ‘Tier’, mit mehreren Ableitungen: Deminutiva θηρίδιον (Thphr. u. a.), θηρά̄φιον (Damokr. ap. Gal.; Wackernagel Glotta 4, 243f.); dazu, wohl als Rückbildung, θήραφος ‘Spinne’ (Kyren. 62; nach Strömberg Wortstudien 23 als "Jagdtier" von θήρα, θηρᾶν); θηριακός ‘auf die Tiere bezüglich’ (Mediz. u. a.), θηριώδης ‘voll wilder Tiere, tierisch’ (ion. att.); θηριότης ‘tierisches Wesen’ (Arist); Denominativa: 1. θηριόομαι, -όω ‘in ein Tier verwandelt werden bzw. verwandeln’ (Pl., Eub. u. a.) mit θηρίωσις (Luk.); daneben θηρίωμα ‘bösartiges Geschwür’ von θηρίον ‘ds.’ (Mediz.); 2. θηριάζομαι ‘ds.’ (Corp. Herm. 10, 20). — θήρειος ‘zum Wild gehörig’ (ion. att.). — Denominative Verba: 1. θηράω ‘jagen’ (seit A.), Perf. Ptz. πεφειράκοντες (thess.); davon θηρατήρ, -άτωρ (-ρητ-) ‘Jäger’ (ep. seit Il.; zum strittigen Bedeutungsunterschied zwischen -τήρ : -τωρ Benveniste Noms d’agent 46 mit den Einwänden Fraenkels Gnomon 22, 161) mit θηρατήριος (S.); auch θηρατής ‘ds.’ (Ar., hell. u. sp.) mit θηρατικός (X. usw.); θήραμα ‘Jagdbeute, Ziel’ (E. usw.), θήρατρον ‘Werkzeug zum Jagen, Garn, Netz’ (X. usw.); θηράσιμος ‘der Jagd, des Erstrebens wert’ (A. Pr. 858; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 63). Hierher wohl noch als Rückbildung θήρα ‘Jagd, Jagdbeute’ (seit Il.) mit θηροσύνη ‘ds.’ (Opp., AP; nach den Nomina auf -οσύνη), θηρότις· θηρεύτρια H. (nach ἀγρότις). Als Hinterglied -θήρας, z. B. ὀρνιθο-θήρας ‘Vogelfänger’ (Ar., Arist. u. a.). 2. θηρεύω ‘jagen’ (seit τ 465) mit θηρευτής ‘Jäger’ (seit Il.), θηρευτικός (Ar., X., Arist. usw.), auch θηρευτήρ (Opp.), f. θηρεύτρια (Pap. u. a.), θήρευμα ‘Jagdbeute’ (S., E., Pl.), θήρευσις ‘Jagd’ (Ph). — Ausführliche Behandlung der ganzen Wortgruppe bei Chantraine Ét. sur le vocab. grec 65ff.; mehrere Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. (s. Index); dazu noch Porzig Satzinhalte 234. — Zu den Pluralformen θῆρες, θηρῶν stimmen genau die gleichbedeutenden ostlit. Formen žvė́res, žvėrų̃, idg. *ĝhu̯ēr-es, -ō̃om; dazu mit Überführung in die i-Deklination Sing. lit. žvėrìs, aksl. zvěrь ‘ds.’. Daneben kurzer Stammvokal in lat. fĕrus ‘wild’. Einzelheiten bei W.-Hofmann s. ferus, Vasmer Russ. et. Wb. s. zverь; dazu WP. 1, 642f. (m. älterer Lit.), Pok. 493. I-671-672

θής, θητός ‘Lohnarbeiter, Tagelöhner’ (seit Od.); θᾶτας· θῆτας (θάτας· θύτας cod.), τοὺς δούλους. Κύπριοι H.; f. θῆσσα, att. θῆττα (E., Posidipp. u. a.). m. Davon θητικός ‘zum Tagelöhner gehörig, knechtisch’ (Lex. ap. D., Arist. u. a.), θητεύω ‘Tagelöhner sein, um Lohn arbeiten’ (seit Il.) mit θητεία ‘Lohndienst’ (S., Isok. u. a.), θητεῖον ‘Löhnung’ (Ath.). — Unerklärt. Gegen die Anknüpfung an θέω ‘laufen’ (Brugmann IF 19, 388ff.) Fraenkel Nom. ag. 1, 87 A. 2. Nach Aßmann Glotta 9, 96 LW aus dem Westsemitischen. S. noch E. Kretschmer Glotta 18, 79f. (über Bedeutung, Etymologie und Verbreitung). I-672-673

θησαυρός m. ‘Schatzkammer, Vorratskammer, Speicher, Geldkasten, Schatz’ (seit Hes.). Kompp., z. B. θησαυρο-φύλαξ ‘Wächter des θ.’ (hell.). Davon θησαυρικός ‘zum Speicher gehörig’ (Pap.), θησαυρώδης ‘voll von Schätzen’ (Philostr.); θησαυρίζω ‘aufspeichern, aufbewahren, Schätze sammeln’ (ion. att.) mit θησαύρισμα ‘Aufgespeichertes, Vorrat, Schatz’ (Demokr., Trag. u. a.), θησαυρισμός ‘Aufspeicherung’ (Arist., Thphr. u. a.), -ιστής ‘Aufspeicherer’ (Poll.) mit -ιστικός (Arist.). — Ohne Etymologie, wahrscheinlich technisches LW. Zur Erklärung als "Wasserniederlage" (Muller Mnemos. 53, 446f.: θησ-αυρ-ός; vgl. zu ἄναυρος) s. Kretschmer Glotta 16, 194f. Nach E. Maaß RhM 74, 235ff. von θη- ‘stellen’ und αὔρα ‘Luft’ als "das in die freie Luft gestellte Vorratshaus" (?); dagegen mit Recht Kretschmer a. a. O. — Lat. LW thēsaurus, thēsaurizō. I-673

Θησεύς Sohn des Aigeus und der Aithra, König von Athen (seit Il.). Davon Θησηΐς f. ‘zu Th. gehörig’ (A. u. a.), Θησεῖον ‘Th.-tempel’ (Ar. u. a.), Θησεῖδαι pl. ‘Th.-söhne’ = ‘Athener’ (S. in lyr.); zur Ableitung Debrunner ’Αντίδωρον 32f. — Vorgriechischer EN ohne Etymologie. Ganz unsichere Hypothesen über Bildung und Etymologie bei Boßhardt Die Nomina auf -ευς 137 und Carnoy Le Muséon 67, 360. I-673

θῆσθαι Präs. Inf. (δ 89), θήσατο Aor. Ind. (Ω 58, Kall. Jov. 48), θησάμενος (h. Cer. 236 u. a.) θήσατο ‘säugte’ (h. Ap. 123); Akt. θῆσαι· θρέψαι, θηλάσαι H. ‘saugen’ (auch δ 89); — Dem medialen σ-Aorist θήσατο kommt am nächsten der aktive σ-Aorist aind. adhāsīt ‘sog’ (nur Gramm.); daneben der Wurzelaorist adhāt ‘ds.’ (AV). Als Präsens fungiert im Altind. das im Ablaut ganz abweichende dháyati, das sowohl zu aksl. dojǫ wie zu got. daddjan, aschwed. dæggja ‘saugen’ (mit "Schärfung" [Gemination] des j) stimmt, idg. *dhəi̯eti (vgl. unten). Zu θῆ-σθαι stimmen anderseits ahd. tāen, lett. dêt ‘saugen’ (idg. *dhē-); beide Sprachen haben ein Jotpräsens, tāju, dêju, das an und für sich auch in dem zunächst als athematisch aufzufassenden θῆ-σθαι (< *θή-ι̯ε-σθαι?) vorliegen könnte. Da auch die übrigen Vertreter dieser Sippe im Griechischen von θη- ausgehen (θηλή, θῆλυς, τιθήνη, γαλαθηνός; auch θήνιον· γάλα H.; ganz fraglich τιθασός), liegt es nahe, in θῆσθαι eine Neubildung nach θήσατο zu sehen. — Neben idg. *dhē- in θη- (wozu noch aind. Fut. dhāsyati, dhātrī ‘Amme’ u. a. m.) steht *dhī- in aind. dhītá- ‘gesogen’, mhd. dīen ‘saugen, die Brust geben’ u. a.; dazu kommt *dhəi- in aind. dhenā ‘Milchkuh’ u. a., somit auch in dháyati aus idg. dhəi̯-eti; *dhē- also ursprünglich langdiphthongisch *dhēi-. — Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen bei Bq, WP. 1, 829ff. (m. Lit.); dazu die betreffenden Artikel der sondersprachlichen etymol. Wörterbücher (z. B. W.-Hofmann s. fēlīx, fēlō, fēmina). I-673-674

θῆτα n. (Ar. usw.), Gen. θήτατος Demokr. 20, lat. pl. tetates aus θήτατες; sonst unflektiert; der achte Buchstabe des Alphabets; — aus dem Semitischen, vgl. hebr. ṭēth; dazu Schwyzer 140. I-674

θίασος m. ‘Festschwarm der Bacchanten, kultische Versammlung im allg.’ (ion. att.). Davon θιασώτης ‘Teilnehmer eines θ.’ (ion. att.), f. -ῶτις (Opp.), mit -ωτικός; auch θιασίτης ‘ds.’ (ion. hell. Inschr.; wie τεχνίτης, ὁπλίτης u. a., Fraenkel Nom. ag. 2, 128 A. 2) mit -ιτικός; θιασώδηςθ.-artig, zu einem θ. gehörig’ (Nonn.); θιασῶνες· οἶκοι, ἐν οἷς συνιόντες δειπνοῦσιν οἱ θίασοι H. Denominative Verba: 1. θιασεύω ‘in einen θ. einführen, an einem θ. teilnehmen’ (E., Str. u. a.) mit θιασεία (Prokl.); 2. Rückbildung θιάζω in ἐξεθίαζε· χορείας ἐπετέλει, ἐπεθίαζεν· ἐχόρευεν, Aor. θιάσαι· χορεῦσαι H. — Wie θύρσος u. a. gebildet (Schwyzer 516), schon als Ausdruck der dionysischen Religion fremder (thrakisch-phrygischer?) Herkunft stark verdächtig (Debrunner Eberts Reallex. 4 : 2, 526 u. A.). Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 90f.; andere vergebliche Deutungsversuche aus dem Indogermanischen sind bei Bq notiert. I-674

θιβρός Adj. unsicherer Bed., nur bei alexandrinischen Dichtern; Beiwort der Κύπρις (Kall. Fr. 267), der Σεμίραμις (Euph. 81), der ὤεα χελύνης (Nik. Al. 555), der ὀφίων κῆρ (‘Schlangengift’, Nik. Th. 35). Die Alten geben tastende Erklärungen: ‘heiß, zart usw.’, vgl. H.: θιβρόν· τρυφερόν, καλόν, σεμνόν, ἁπαλόν; θιβρήν· φιλόκοσμον, καλλυντικήν .... καὶ παρὰ μὲν Νικάνδρῳ τὴν ἔμπυρον καὶ καυστικήν, τινὲς δὲ χαλεπήν. - Daneben θίρρον· τὸ τρυφερόν (Theognost.). — Schon wegen der unsicheren Bedeutung etymologisch mehrdeutig. Nach Ehrlich Sprachgeschichte 33 zu φοῖβος, idg. *ghig-ro-; er vergleicht slov. žigra ‘Zunder’ (?). I-674

θιγγάνω Aor. θιγεῖν (lak. σιγῆν Ar. Lys. 1004), Fut. Med. προσ-θίξῃ (E. Herakl. 652; codd. -εις), τεθίξομαι (E. Hipp. 1086), Aor. Pass. θιχθῆναι (S. E.), auch mit Präfix wie προσ-, ἐπι-, ὑπο-, ‘mit der Hand berühren, antasten, sich mit etwas befassen’ (ion. dor. ark.; fehlt im echten Attischen wie bei Hom.; dem Äolischen fremd?, Wackernagel Unt. 222). Davon θίξις ‘Berührung’ (Hp., Arist. usw.), θίγμα ‘ds.’ (Pergam.), ‘Befleckung’ (θιγμάτων· μιασμάτων H.); unsicher θίγημα (AP 12, 209; cod. φιλήματα) und θιγάνα ‘Deckel?’ (Delph., Labyadeninschr. C 39). — Dem Präsens θιγγάνω mit seiner zweifachen Nasalierung stehen im Lat. das infigierte fingō ‘bestreichen, kneten, bilden, gestalten’, im Arm. das suffigierte diz-anem ‘anhäufen’ gegenüber. Diese einleuchtende Etymologie (Zweifel bei Schwyzer 701 und bei W.-Hofmann s. fingō) setzt allerdings voraus, daß ein ursprüngliches χ (idg. ĝh) nach dem Nasal in die entsprechende Media γ übergegangen sei (vgl. zu θάμβος); aus dem Präsens wäre γ auch in den Aorist θιγεῖν (für *τιχεῖν) eingedrungen. Neben den obengenannten Nasalpräsentia steht im Aind. ein athematisches Wurzelpräsens déhmi ‘bestreichen’, idg. *dhéiĝh-mi; dazu 3. pl. Ipf. ádihan (= ἔθιγον?); hierher noch got. Präs. Ptz. Dat. þamma digandinτῷ πλάσαντι’. — Weitere Verwandte s. τεῖχος. I-674-675

θί̄ς, θῑνός m. f. ‘Haufen, Sandhaufen (am Meere), Düne, Gestade’ (ep. ion. poet. seit Il., hell. u. späte Prosa); zur Bed. U. Finzenhagen Die geograph. Terminologie des Griechischen (Berl.-Diss. Würzburg-Aumühle 1939) 10f. Davon ἀποθινόομαι ‘versandet werden’ (Plb.). Als Hinterglied in ἀκρο-θίνια (-να) pl. (selten sg.) ‘das Oberste vom Haufen, Erstlingsopfer’ (vorw. nachhom. Dichtung), Zusammenbildung aus ἄκρος θίς mit ιο-Suffix. Anders Risch IF 59, 289. — Ohne befriedigende Erklärung. Wackernagel Unt. 82 A. 2 vergleicht aind. dhíṣṇya- ‘auf einem Erdaufwurf aufgestellt’, Subst. ‘Erdaufwurf mit Sand bestreut’, das auf einen n-Stamm, idg. *dhisen-, dhisn- zurückgehen könnte, woraus gr. *θιων, *θιην, θῑν-, zu welch letzterem der Nom. θΐς eine Neubildung wäre. Specht Ursprung 23 erinnert an θίλα· θημών H. (wozu nach Grošelj Živa Ant. 2, 207 noch θικέλιον· τὴν γογγυλίδα. Λάκωνες H.). — Oft zu nhd. Düne und Verw. gezogen, u. z. entweder als *θινϝ- zu aind. dhánvan- ‘trockenes Land, Festland, Strand’ (Fick 1, 463 u. A., s. Bq; dabei bleibt der ι-Vokal unerklärt) oder als *θϝ-ῑν- zu lit. dujà ‘Stäubchen usw.’ (Persson Beitr. 43f.); vgl. noch zu θύω ‘einherstürmen usw.’. Nach Osthoff MU 4, 236f. A. zu aind. -dh-i- in ni-dh-- ‘Niederlage, Aufbewahrung’ (s. τίθημι). I-675

θλάσπις, -ιος, -εως f. (Hp. u. a.), θλάσπι n. (Dsk., Plin.) mit θλασπίδιον (Ps.-Dsk.) ‘Capsella bursa pastoris’. — Herkunft unbekannt, von Dsk. 2, 156 an θλάω volksetymologisch angeschlossen, s. Strömberg Pflanzennamen 155. I-675-676

θλάω (Arist., Herod. usw.; vgl. Schwyzer 676), Aor. θλάσ(σ)αι (seit Il.), Pass. θλασθῆναι, Fut. θλάσω (Hp. u. a.), Perf. τέθλασμαι (Alex., Theok. u. a.), auch mit Präfix, z. B. ἀμφι-, κατα-, συν-, ‘zerquetschen, zermalmen’. Davon θλάσις ‘das Zerquetschen’ (Arist. u. a.), θλάσμα ‘Quetschung, Quetschwunde’ (Arist., LXX u. a.), θλαστός (Kom. u. a.); θλάστης ‘Zerquetscher’ = ἐμβρυοθλάστης (Mediz.), θλαστικός ‘zerquetschend’ (Arist.); θλαδίας m. ‘Eunuch’ (LXX, Ph.) mit θλαδιάω H. = φλαδιάω; aus *θλάδος, *θλαδεῖν u. a., vgl. φλαδεῖν, auch κλάδος (zu κλάω). — Ohne sichere Anknüpfung. Nach Scheftelowitz IF 33, 165f. und Ehrlich Sprachgeschichte 9 zu čech. dlasmati ‘drücken’ und aind. dhr̥ṣád- f. ‘Fels, Mühlstein’ (richtiger dr̥ṣád-?; s. Mayrhofer Wb. s. v. und zu δειράς). Vgl. θλίβω und φλάω. I-676

θλίβω Aor. θλῖψαι, oft mit Präfix, ἐκ-, συν-, ἐν-, ἀπο- u. a., ‘pressen, drücken, quetschen’ (seit ρ 221). Davon (ἔκ- usw.) θλῖψις ‘Bedrückung, Drangsal usw.’ (Arist. usw.), θλιμμός ‘ds.’ (LXX, Aq.), ἔκ-, ἀπό-θλιμμα ‘das Ausgedrückte, Ausgepreßte, Saft’ (Hp. u. a.), (ἐκ-)θλιβή ‘Drückung’ (LXX, Gal.) mit θλιβερός (Paul. Aeg.), θλιβώδης (Aq.); θλιβίας = θλαδίας (Str.). — Aus θλάω und φλίβω (auch τρίβω?) durch Kreuzung entstanden; Walde IF 19, 105, Güntert Reimwortbildungen 149. I-676

θνῄσκω ‘sterben’ s. θάνατος. I-676

θοάζω ‘sitzen’ (Emp., A., S., Plu.). — Für *θοάσσω = θαάσσω, θά̄σσω mit Suffixtausch (Schwyzer 734) aus *θο(ϝ)άκ-ι̯ω, Denominativum von *θό(ϝ)ακος ‘Sitz’, s. θᾶκος. — Nicht richtig Bechtel Lex. 162. I-676

θοάζω 2. ‘(sich) schnell bewegen’ s. θέω. I-676

θοίνη, dor. θοίνα, hell. θοῖνα (Solmsen Wortforsch. 254) f. ‘Schmaus, Gastmahl’ (ion. att. dor. seit Hes. Sc. 114). Kompp. θοινοδοτέω ‘Festgeber sein, einen Schmaus geben’ (Kreta Ia-Ip), θοιναρμόστρια f. ‘Ordnerin einer θ.’ (Inschr. röm. Zeit; Fraenkel Nom. ag. 1, 201). Davon θοινᾱτικός (v. l. -νητ-) ‘zu einem Schmaus gehörig’ (X. Oik. 9, 7). Denominative Verba: 1. θοινάω, -άομαι ‘bewirten bzw. schmausen’ (seit δ 36) mit θοίνᾱμα ‘Bewirtung, Schmaus’ (E. in lyr., Posidon.), θοινατήρ ‘Gastgeber’ (A. Ag. 1502) mit θοινατήριον = θοίνη (E. Rh. 515), θοινάτωρ ‘Schmauser’ (E.), -ήτωρ (AP), θοινατάς ‘ds.’ (Kallatis Ia); zum dorischen α-Vokalismus Fraenkel Nom. ag. 2, 16f., Björck Alpha impurum 140ff. 2. θοινάζω ‘ds.’ (X., Ael.). 3. θοινίσαι v. l. für θοινῆσαι (Hdt. 1, 129). — Ohne Zweifel aus *θωι-να, von θῶσθαι· δαίνυσθαι, θοινᾶσθαι (A. Fr. 49), θῶται· εὐθηνεῖται, θοινᾶται (zur Bildung Schwyzer 675 A. 8) H. (auch θώσασθαι, θωθῆναι), θωσούμεθα (Epich. 139); θωστήρια· εὐωχητήρια Alkm., H. — Schulze KZ 27, 425 = Kl. Schr. 52 (mit unrichtiger Anknüpfung an θῆσθαι), Fraenkel IF 22, 396ff. m. Lit. S. auch θώς. I-676-677

θόλος f. (hell. m.; dazu Schwyzer-Debrunner 32 A. 4, 34 A. 2) ‘Kuppelbau, Rundbau’, in Athen Ben. des Rundgebäudes der Prytanen, hellen. ‘rundgebautes Schwitzbad’ (seit Od.); Deminutivum θολίδιον (Attika). — Davon θολία ‘runder Sonnenhut für Frauen’ (Theok. 15, 39), auch ‘Kasten mit kuppelförmigem Deckel’ (Poll.); vgl. σαλία (σ- < θ-)· πλέγμα καλάθῳ ὅμοιον, ὅ ἐπὶ τῆς κεφαλῆς φοροῦσιν αἱ Λάκαιναι. οἱ δὲ θολία H.; s. auch H. s. θαλιοποιοί. — θολωτός ‘mit θ. versehen, kuppelförmig’ (Prokop.), θολικός ‘ds.’ (Suid.). — Technisches Wort ohne sichere Erklärung. Man vergleicht seit Fick 1, 466 ein Wort für ‘Tal usw.’, das im Germanischen, Slavischen, auch im Keltischen vertreten ist, z. B. got. dal(s) m. od. n. ‘φάραγξ, βόθυνος’, awno. dalr ‘Tal, Bogen’, aksl. dolъβάραθρον, λάκκος’, russ. dol ‘Tal, untere Seite’, kymr. dol f. ‘Tal’. Eig. Bedeutung dann *‘Biegung, Krümmung’, woraus ‘Wölbung’, bzw. ‘Höhlung’ (zuletzt Huisman KZ 71, 103). Oft mit θάλαμος zusammengestellt, z. B. E. Maaß RhM 77, 1ff. mit weiterer Anreihung an θάλος, θαλλός; dagegen Wahrmann Glotta 19, 213. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 864f.; dazu Pok. 245f. I-677

θολός m. ‘Schlamm, Schmutz, der dunkle Saft des Tintenfisches’ (Hp., Arist. u. a.; zum Akzent Schwyzer 459), auch Adj. ‘trüb’ (Ath. u. a.). Davon θολερός ‘schlammig, trüb, verwirrt’ (ion. att.), θολώδης ‘ds.’ (Hp., Arist. u. a.), θολόω ‘trüben, beunreinigen’ (ion. att.) mit θόλωσις ‘Trübung’ (Arist., Gal.). — Kann für *θϝολός stehen, wodurch sich die Möglichkeit eröffnet, θολός an einige german. Ausdrücke für geistige Trübung u. ähnl. anzuschließen: primäres Verb asächs. for-dwelan ‘versäumen’, ahd. gi-twelan ‘betäubt sein, säumen’ mit mehreren Verbalnomina, z. B. awno. dvǫl f. ‘Verzögerung’ (wäre gr. *θολή), asächs. dwalm, ahd. twalm ‘Betäubung, betäubender Dunst, Qualm’ (wäre gr. *θολμός), got. dwals ‘töricht’ (= gr. θολός). Hierher noch ein keltisches Wort für ‘blind’, z. B. air. dall (idg. *dhu̯ol-nos oder *dhu̯l-nos?). Vgl. noch zu Δύαλος und θύελλα. Weitere, z. T. entlegene oder recht unsichere Verwandte bei Bq, WP. 1, 842f. mit reicher Lit., Pok. 2 65f. I-677

θοός 1. ‘schnell’ s. θέω. I-677

θοός 2. ‘scharf’ in νήσοισι ἐπιπροέηκε Θοῇσιν (ο 299); vgl. Str. 8, 3, 26 Θοὰς δὲ εἴρηκε τὰςΟξείας κτλ. (s. Bechtel Lex. s. v.), hell. u. spät von γόμφοι, ὀδόντες, πελέκεις, ξίφος (A. R., AP). Davon der faktitive Aorist ἐθόωσα ‘ich spitzte zu’ (ι 327), Perf. Ptz. Pass. τεθοωμένος (Nik., Opp. u. a.). — Keine sichere Anknüpfung. Schulze KZ 29, 261 = Kl. Schr. 370 vergleicht aind. dhā́rā ‘Schneide, Klinge’. I-678

θορός θορή f. m., ‘männlicher Same’, θόρνυμαι ‘bespringen’ s. θρώσκω. I-678

θόρυβος m. ‘Lärm, Geschrei, Geräusch, Tumult, Verwirrung’ (Pi., ion. att.). Davon θορυβώδης ‘voll Lärm usw.’ (ion. att.) und das Denominativum θορυβέω, auch mit Präfix, ἀνα-, ἐπι- u. a., ‘lärmen, in Verwirrung bringen’ (ion. att.); davon θορυβητικός ‘lärmend’ (Ar.) und θορύβηθρον Pflanzenname = λεοντοπέταλον (Ps.-Dsk.); zum Benennungsmotiv Strömberg Pflanzennamen 80, zur Bildung ebd. 146. — Bildung wie ὄτοβος, κόναβος, φλοῖσβος und andere expressive Geräuschbezeichnungen (Chantraine Formation 260). Eine verwandte Reduplikationsbildung ist τον-θορύ-ζω; daneben mit anderem Ablaut θρῡ-λέω, θρῦ-λος; s. noch θρέομαι. I-678

θοῦρος ‘anstürmend, stürmisch, ungestüm’ (Il., Trag.), f. θοῦρις, -ιδος (Hom., H.), θουράς (Nik., Lyk.; vgl. Chantraine Formation 354f.); formale Erweiterung θούριος ‘ds.’ (Trag.; Chantraine 37); auch θουραῖος, θουρήεις u. a. (H.); denominatives Ptz. pl. f. θουρῶσαι (θουράω) mit Akk. ‘anstürmend an’ (Lyk. 85). — Aus *θόρ-ϝος, u. zw. entweder direkt vom Aorist θορεῖν oder als Umbildung eines u-Stamms *θόρ-υ-ς (vgl. μανός < *μαν-ϝ-ός, στενός < *στεν-ϝ-ός u. a.); vgl. Bechtel Lex. s. v. m. Lit. — Nach Anderen (seit Persson Stud. 59) zu ἀθύρω usw. (s. d.); wieder anders Ehrlich KZ 39, 571 (zu θύω, lat. febris usw.; vgl. W.-Hofmann s. v., WP. 1, 842). I-678

θρᾶνος Myk. ta-ra-nu? m. ‘Tragbalken, Bank, Schemel’ (att. u. hell. Inschr., Ar.). Ableitungen: Deminutivum θρανίον ‘ds.’ (Ar. u. a.) mit θρανίδιον (Ar.); θρανίτης ‘Ruderer der obersten der drei Reihen’ (Th., Ar. u. a.; vgl. Morrison Class. Quart. 41, 128ff.), f. θρανῖτις (κώπη; Attika), mit θρανιτικός (Kallix.); θρανίας m. (Marcell. Sid.), θρᾶνις od. -ίς (Xenokr.) = ξιφίας, ‘Schwertfisch, Hornfisch’, wohl nach der Form des Oberkiefers, vgl. Thompson Fishes s. v. Denominatives Verb θρανεύω ‘auf die Gerbebank spannen’ (Ar. Eq. 369; θρανεύεται· συντρίβεται H.) mit ἀθράνευτον· ἄστρωτον H. (= E. Fr. 569); zu συν-θρανόω, θρανύσσω s. d. — Daneben θρῆνυς, -υος m. ‘Fußbank, Schemel’ (Hom.; vgl. Hermann Gött. Nachr. 1943, 8; Chantraine Formation 118; unwahrscheinliche Analyse bei Benveniste Origines 56), mit sekundärer κ-Erweiterung (Chantraine 383, Schwyzer 496 A. 6) θρῆνυξ, -υκος (Euph.), θρᾶνυξ (Korinn.). — Bei Abtrennung eines νο- bzw. νυ-Suffixes ergibt sich Anschluß an den Aor. Inf. θρή-σασθαι (nur Philet. 14 [IV-IIIa]: θρήσασθαι πλατάνῳ γ<ρ>αίῃ ὕπο), gewöhnlich mit ‘sich setzen’ wiedergegeben. Die ursprüngliche Bedeutung muß aber vielmehr ‘sich aufstützen, aufstemmen’ od. ähnl. gewesen sein, wenn das Wort, wie wahrscheinlich, zu derselben Sippe wie θρόνος gehört; θρᾶνος, θρῆνυς somit eig. "die Stütze, der Träger". — Weiteres s. θρόνος; s. auch θρησκεύω. I-678-679

θρᾱνύσσω ‘zerschmettern’, nur Aor. Ptz. θρανύξαντες (Lyk. 664); συν-θρᾱνόω ‘ds.’, nur Perf. Pass. συντεθράνωται (E. Ba. 633; = συμπέπτωκε H.); vgl. noch θρανεύεται· συντρίβεται H. — Die Zurückführung auf ein Nomen *θραυσ-ανό-ς, von θραύω (Sütterlin Denom. 107, Solmsen Unt. 88), erweckt, obwohl theoretisch möglich, bei diesem expressiven Wort wenig Vertrauen, vgl. Sommer Lautstud. 64f. Weit näher liegt (trotz Sommer a. a. O.), an θρανεύω ‘auf die Gerbebank spannen’ anzuknüpfen, das von H. mit συντρίβεται glossiert wird. Es dürfte sich mithin um eine Bedeutungsverschiebung ‘gerben (foltern)’ > ‘zerschmettern’ Hand in Hand mit der formalen Umbildung (nach ἀμύσσω, νύσσω u. a.?, Sommer a. a. O., Debrunner IF 21, 243) handeln; die neue Assoziation mit θραύω trat an die Stelle der früheren Verbindung mit dem seltenen θρᾶνος. I-679

Θρᾷξ, -κός, ep. ion. Θρῆϊξ, -ῐκος (selten und sekundär -ῑκος), auch Θρῇξ, -κός (Chantraine Gramm. hom. 1, 107) ‘Thraker, thrakisch’ (seit Il.); f. Θρᾷσσα, -ττα, Θρῇσσα, Θρήισσα, Θρέισσα, Θράισσα ‘Thrakerin’ (ion. att. dor.), auch als Fischname, s. bes. m. Davon Θρᾷκη, Θρηΐκη, Θρῄκη ‘Thrakien’ (seit Il.); Θρᾴκιος usw. ‘thrakisch’ (seit Il.), -ικός ‘ds.’ (Luk.); Θρᾳκίας m. N. des N.-N.-W.-Windes (Arist. u. a.; auch Θρασκίας); θρᾳκίζω ‘thrakisch sprechen’ (A. D.). — Zum Vokalismus im allg. Björck Alpha impurum 354f. Etymologie unbekannt. Kretschmer Glotta 24, 39ff. erwägt Zusammenhang mit dem Flußnamen Τραῦος (Hdt. 7, 109; Zufluß des Bistonis- Sees) und dem skythischen (od. thrakischen) Volksnamen Τραυσοί (Hdt. 5, 3, St. Byz., H. u. a.). Nach Kretschmer Glotta 26, 56 gehört hierher auch der Windname Θρασκίας (Kreuzung von Θρᾱικ- und Τραυσκ-?). I-679

θράσος, θρασύς s. θάρσος. I-679

θρά̄σσω, θρά̄ττω, vereinzelt mit Präfix, ἐν-, ὑπο-, ἐπι-, ‘verwirren, beunruhigen’ (Pi., Hp., att.); Aor. θρᾶξαι (A., E.), Pass. ἐθράχθη (S. Fr. 1055); Perf. τέτρηχα intr. ‘verwirrt, unruhig sein’ (ep. seit Il.). — Primäres Jotpräsens aus *θρᾱχ-ι̯ω, woneben das alte Perfekt *τέ-θρᾱχ-α (Schwyzer 702); dagegen sind die spärlich belegten Aoristformen θρᾶξαι, ἐθράχθη Neubildungen nach Muster von πράσσω : πρᾶξαι u. a. für das ältere ταράξαι (wie δαμάσαι u. a.), wozu das Präsens ταράσσω (s. d.), mit derselben zweisilbigen Stammform wie ταραχή; zu τέ-τρηχ-α : ταραχ-ή vgl. z. B. τέ-θνη-κα : θάνα-τος. Eine primäre Nominalbildung mit langer Stammsilbe wie θρά̄σσω, τέτρηχα ist τρᾱχύς ‘rauh, hart’; s. d. Genaue außergriechische Entsprechungen zu dieser expressiven Wortgruppe sind kaum zu erwarten. In Betracnt kommt seit Bezzenberger BB 4, 320 ein weitverbreitetes, in wechselnden Formen auftretendes Wort für ‘Bodensatz, Hefe’: germ., z. B. anord. dregg f., pl. dreggiar, balt.-slav., z. B. alit. drãgės pl., alb. drā, wohl auch lat. fracēs, -um. Zum Vergleich wird ferner eine reich ausgebildete baltische Wortgruppe herangezogen, die ablautmäßig durch den Stoßton zu den griechischen Wörtern stimmt, z. B. lit. dérgiu, dérgti ‘schlackerig sein (vom Wetter), schmutzig werden usw.’, wozu nach Specht KZ 59, 102 und 117 m. A. 3 noch dìrgstu, dìrgti ‘sich entspannen, schwach werden usw.’ (mit dìrginu, dìrginti ‘entspannen, erregen’); vgl. dazu die kritischen Bemerkungen bei Fraenkel Lit. et. Wb. s. dìrginti und drė́gti. — Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 854ff., W.-Hofmann s. fracēs; dazu Fraenkel s. drãgės und Pok. 251. Vgl. noch Bechtel Lex. s. ταράσσω. I-679-680

θρᾷττα f. Ben. eines kleinen Meerfisches (mittl. Kom., Arist.); Deminutivum θρᾱͅττίδιον (Anaxandr.). — Nach Strömberg Fischnamen 86 eig. "die Thrakerin", s. Θρᾷξ. Vgl. θρίσσα. I-680

θραύω, Aor. θραῦσαι, Pass. θραυσθῆναι, Perf. Pass. τέθραυσμαι, auch mit Präfix, ἀπο-, περι-, συν- u. a., ‘zerbrechen, zermalmen, entkräften’ (ion. att.). Davon (ἀπό-, σύν-)θραῦσις ‘das Zerbrechen usw .’ (Arist., LXX u. a.), bei H. auch = σφῦρα, ἡ τοὺς βώλους θραύουσα, woraus ngr. dial. (Chios, Ikaros) θράψα (Kukules ’Αρχ. 27, 61ff.); θραῦμα (A. usw.), auch θραῦσμα (Agatharch., Arist. usw.) ‘Bruchstück, Zermalmung, Wunde’; θραυσμός ‘das Zerbrechen’ (LXX), θραυστήριος ‘zum Zerbrechen geeignet’ (Aët.); θραυστός ‘zerbrechlich, zerbrochen’ (Ti. Lokr., Thphr. u. a.); θραῦλον· κόλουρον (verfehlt darüber v. Blumenthal Hesychst. 38), θραῦρον· τραγανόν, θραυόμενον H. (vgl. Schwyzer 282). — Durch den (volkstümlichen?) α-Vokalismus, der eine Reduktionsstufe von idg. dhrēus- repräsentieren kann (Bechtel Lex. s. θρυλίζω, WP. 1, 872), aber vielleicht nur eine sekundäre Entgleisung darstellt, unterscheidet sich θραύω nebst Ablegern von *θρυλίσσω (θρυλίχθη, θρυλίξαι) und Verw., s. ebd. Vgl. θρύπτω. I-680-681

θρέομαι ‘ausrufen, verkünden’ (A., E., immer von Frauen, fast nur in lyr.), nur Präs. bis auf θρεύετο (poet. Inschr., Epid. IVa), nach θρεῦμαι A. Th. 78 künstlich gebildet; zur imperfektiven Aktionsart Fournier Les verbes "dire" 90 und 228. Ableitung θρόος, att. θροῦς m. ‘Ruf, Stimme, Gemurmel, Gerücht’ (Δ 437, Pi. N. 7, 81, Th., X. usw.), sehr oft als Hinterglied, z. B. ἀλλό-θροος ‘mit anderer Stimme, fremdsprachig’ (ep. ion. seit Od.). Iteratives Deverbativum bzw. Denominativum (vgl. Schwyzer 719 und 726; θρόος teilweise postverbal?) θροέω, Aor. θροῆσαι, vereinzelt mit Präfix δια-, προσ- u. a., ‘rufen, verkünden, sprechen’ (vorw. Trag.); Pass. θροεῖσθαι, θροηθῆναι ‘sich übertönen lassen, verwirrt, erschreckt werden’ (LXX, NT u. a.); davon συνθρόησις ‘Verwirrung, Verlegenheit’ (S. E. M. 9, 169). — Neben dem thematischen Wurzelpräsens θρέ(ϝ)ομαι, idg. -dhreu̯-o-, steht im Armenischen ein athematisches Wurzelpräsens erdnum, Aor. erdu-ay ‘schwören’, idg. *dhru-neu-mi; vgl. alat. deicō gegenüber δείκ-νυ-μι. Frisk Etyma Armen. 8ff., wo auch Verwandtschaft mit θάρνυται im Sinn von ‘sprechen’ (δηλοῖ τὴν διὰ λόγων ἔντευξιν H.) erwogen wird. Dazu mit anderem Ablaut θόρυβος und θρυλέω, θρῦλος. Vgl. auch θρῆνος. I-681

θρῆνος m. ‘Klage, Totenklage, Klagelied’ (ion. att. seit Ω 721; über Bedeutung und Gebrauch Diehl RhM 89, 90 u. 112). Kompp. z. B. θρην-ῳδός ‘der eine Totenklage singt’ (Alkiphr. u. a.) mit -έω, -ία u. a. (E., Plu.), ἔν-θρηνος ‘klagevoll’ (Pap.). Davon θρηνώδης ‘klageähnlich’ (Pl. usw.), θρήνωμα = θρῆνος (Pap. Ia; -ωμα nur erweiternd, Chantraine Formation 186f.). Denominatives Verb θρηνέω, Aor. θρηνῆσαι, auch mit Präfix, z. B. ἐπι-, κατα-, ‘ein Klagelied anstimmen, beklagen, beweinen’ (seit Ω 722) mit mehreren Ablegern: θρήνημα ‘Klage’ (E.), θρηνη-τής, -ητήρ (A. u. a.; vgl. Benveniste Noms d’agent 42) ‘Wehklagen’, auch θρηνήτωρ (Man.); θρηνητικός (Arist. u. a.); ἐπιθρήν-ησις (Plu.). — Zu θρῆνος gesellen sich in erster Linie das damit ablautende θρώναξ· κηφήν. Λάκωνες H. und das reduplizierte τενθρήνη ‘Hornisse’ (vgl. noch zu ἀνθρηδών; anfechtbare Kombinationen bei Kuiper Μνήμης χάριν 1, 221f.). Auch in anderen Sprachen gibt es anklingende Schallwörter: aind. dhráṇati ‘tönt’ (Gramm.) und das germanische Wort für ‘Drohne’, z. B. asächs. dreno, wozu noch got. drunjus ‘Schall’, nd. drönendrōhnen’ u. a., lat. drēnsō, -āre Naturlaut der Schwäne (aus dem Gall.); in allen diesen Fällen ist aber eher onomatopoetische Elementarverwandtschaft als genetischer Zusammenhang anzunehmen. Lautlich damit nicht vereinbar ist jedenfalls arm. dṙnč̣im ‘Horn blasen’ (Mladenov Mélanges Pedersen 95ff.); vgl. mit anderem Anlaut lit. trinké̇ti ‘dröhnen’; lautlich mehrdeutig toch. A träṅk- ‘sprechen’. — WP. 1, 860f., Pok. 255f., W.-Hofmann s. drēnsō, Mayrhofer s. dhráṇati. Vgl. θρέομαι, θόρυβος, θρῦλος. I-681-682

θρῆνυξ, θρῆνυς, θρῆσασθαι s. θρᾶνος. I-682

θρησκεύω ‘einen religiösen Gebrauch beobachten’ (Hdt. u. a.), ‘verehren, anbeten’ (LXX, D. H. u. a.). Mehrere Verbalnomina: θρησκεία, ion. -ηΐη ‘heiliger Dienst, Gottesdienst, Gottesverehrung’ (ion., hell. u. spät), auch θρήσκευμα, -ευσις ‘ds.’ (hell. u. spät); θρησκευτής ‘Gottesverehrer’ (spät); postverbal θρῆσκος ‘gottesfürchtig’ (Ep. Jac. 1, 26) mit θρησκώδης ‘ds.’ (Vett. Val.); θρήσκια n. pl. ‘religiöse Zeremonien’ (POxy. 1380, 245, IIp, OGI 210, 9, Nubien IIIp). — Zur Geschichte von θρησκεύω, -εία s. J. van Herten Θρησκεία, εὐλάβεια, ἱκέτης. Diss. Utrecht. Amsterdam 1934. — Da θρῆσκος offenbar postverbal ist, muß für θρησκεύω ein anderer Ausgangspunkt gesucht werden. Das als äußerste Grundlage zu erwartende σκ-Präsens (wovon θρησκεύω zur Not nur eine Erweiterung sein könnte) liegt tatsächlich in θρήσκω· νοῶ, θράσκειν· ἀναμιμνήσκειν H. vor; falls richtig überliefert, bestätigen die Glossen den ionischen Ursprung von θρησκεύω. Neben dem Präsens θρήσκω (vgl. θνήσκω (θνῄσκω), θρώσκω usw.) kann in ἐν-θρεῖν· φυλάσσειν H. ein schwundstufiger thematischer Aorist vermutet werden; dazu noch ἀ-θερές· ἀνόητον, ἀνόσιον H., von *θέρος oder *θερεῖν. Die ursprüngliche Bedeutung wäre ‘beobachten, an etw. festhalten’; weitere Beziehungen s. θρόνος; vgl. auch θρᾶνος. — Ganz anders Grégoire Hommages à Bidez et Cumont 375ff.: θρῆσκος (woraus θρησκεύω, -εία) aus *θρᾱισκος, eig. ‘thrakisch’ (?). I-682

θριαί (θρῖαι) f. pl. Nymphen am Parnaß, Ernährerinnen des Apollon, auch Benennung von Steinchen, die als Losorakel dienten (Philoch. 196, Kall. Ap. 45; unsichere Konj. h. Merc. 552). θριοβόλοι pl. ‘Werfer der θ.’ (Epic. ap. St. Byz. s. Θρῖα, Suid.). Davon θριάζειν· ἐνθουσιᾶν, ἐνθουσιάζειν H. aus S. (Fr. 466) und E. (Fr. 478) mit θρίασις (Suid.); auch θριᾶσθαι· μαντεύεσθαι (AB 265). — Herkunft unbekannt. Nach v. Wilamowitz Glaube 1, 379ff. ursprünglich mit θρῖα ‘Feigenblätter’ identisch (?). I-682

θρίαμβος m. N. eines bei den Dionysosfesten gesungenen Liedes (Kratin. 36), auch auf den Gott übertragen (Trag. Adesp. 140 u. a.); hell. u. spät Übersetzung von lat. triumphus (Plb., D. S. u. a.); davon θριαμβικός = triumphālis, θριαμβεύειν = triumphāre. — Bildung wie διθύραμβος, ἴαμβος (s. dd.) und wie diese wahrscheinlich Fremdwort. Oft (nach Sommer Lautstud. 58ff.) mit dem Zahlwort ‘drei’ verknüpft ("Dreischritt" od. ä.). Ausführliche Behandlung mit Lit. bei v. Windekens Orbis 2, 489ff., der θρίαμβος als "pelasgisch" ansieht und eine ganz willkürliche idg. Etymologie vorschlägt. Auch lat. triumphus (worüber W.-Hofmann s. v.) wäre direkt aus dem Pelasgischen geholt. — Nach Sturtevant ClassPhil. 5, 323ff. aus θριάζω, θρίασις unter Einfluß von ἴαμβος; vgl. noch Theander Eranos 15, 126 A. 1 (zu θριάζειν, θρῖον). Ältere Lit. auch bei Bq (mit Add. et corr.). I-682-683

θριγκός vorw. pl., späte Nebenformen τριγχός (SIG 1231, 6, Nikomedia III-IVp, H., Sch.), θριγγός (v. l. Plu. 2, 85f.), θριγχός (v. l. Dsk. 4, 85) m. ‘Mauerkranz, Gesims, Fries’, auch übertr. (seit Od.), ‘Umfriedigung, Zaun’ (E., Ar. u. a.); zur Bedeutung Süßerott Olymp. Forschungen hg. v. Kunze und Schleif (Berlin 1944) 125ff. (eig. "Terrakottentrager"?). Davon θριγκίον (Luk., App. u. a.), θριγκώδης H. s. αἱμασιαί, θριγκόω ‘mit einem θ. versehen, krönen, vollenden’ (ξ 10 u. a.) mit θρίγκωμα = θριγκός (J., Plu.), wohl nur daraus erweitert (Chantraine Formation 186f.). — Ausdruck der Baukunst unbekannter Herkunft; vgl. zu γεῖσον. — Die Form στριγχός· τειχίον, στρικτόριον, στεφάνη δώματος H. ist wahrscheinlich Kreuzung von τριγχός und στρικτόριον (= lat. strictōrium). I-683

θρίδαξ, -ᾰκος f. ‘(wilder) Lattich’ (Epich., ion., hell.). Davon in derselben Bedeutung θριδακί̄νη (att., hell.; Chantraine Formation 204) mit -ῑνίς f. (Stratt.), θριδακίσκα (Alkm. 20; Chantraine 407), θριδάκιον (Plu.); außerdem θριδακίας = μανδραγόρας θῆλυς (Dsk., Chantraine 94) und die Adj. θριδακ-ηΐς f. (Nik.), -ώδης (Dsk.) ‘lattichähnlich’. — Viele Nebenformen: θίδραξ (Arr., H.) mit θιδρακίνη (H.; Liquidametathese; Schwyzer 258), θρύδαξ (Pap.; nach θρύον), θρόδαξ (H.; wenn richtig, nach θρόνα?) mit θοδράκιον (Choerob.). — Nach Nehring Glotta 14, 151 vorgriechisch. Wegen der für den Lattich charakteristischen Blätter denkt Strömberg Pflanzennamen 39 an θρῖον ‘Feigenblatt, Blatt im allg.’ mit Bildung z. B. nach οἶδαξ ‘unreife Feige’. Durch Assoziation mit τρι- ‘drei’ entstand das volksetymologische τετρακίνη = θριδακίνη (Hippon. 135). Nicht mit Wood ClassPhil. 16, 64f. zu ano. drīta ‘cacare’ usw. (idg. dhrei- ‘zerreiben, zerschneiden’, wozu noch θρίψ u. a.). I-683

θρῖναξ, -ακος f. ‘(dreizackige) Gabel, Dreizack’ (Ar., Tab. Heracl. 1, 5, Nik., Pap.). Davon Θρινακίη f. "Gabelinsel", N. einer märchenhaften Insel (Od.), später mit Sizilien identifiziert, durch Volksetymologie in Τρινακρία (τρία ἄκρα) umgebildet; auch Θρινακίς f. (Str.); Adj. Θρινάκιος ‘sizilisch’ (Nik.). — Technisches Wort auf -ᾰξ (Chantraine Formation 377ff.); Ursprung unbekannt. Allgemein wird darin ein Kompositum mit τρι- ‘drei’ gesucht: nach Sommer Lautstud. 55ff. aus idg. *tri-snak- (zu eng. snag ‘Zacke’ usw.); nach Kretschmer BphW 1906, 55 aus *trisn-aḱ ‘mit drei Spitzen’ (idg. *tris-no- = lat. ternī); nach Geffeken-Herbig Glotta 9, 103f. aus *tri-snak- zu νάκη, νάκος (?). — Ob zu θρῖον ‘Feigenblatt’ (wegen der Form)?; vgl. auch θρινία· ἄμπελος ἐν Κρήτῃ H. I-683-684

θρίξ, τριχός f. ‘Haar’ im allg., insbes. das naturgewachsene Haar im Gegensatz zu dem gepflegten Kopfhaar, κόμη (seit Il.). Kompp., z. B. τριχό-φυλλος ‘mit haarähnlichen Blättern’ (Thphr., vom Nadelholz), οὐλό-θριξ ‘mit krausem Haar’ (Hdt. usw.). Zahlreiche Ableitungen. 1. θρίσσα, att. θρίττα f. (aus *θρίχ-ι̯α) Art Anchovis, ‘Clupea alosa’ (mittl. Kom., Arist. usw., nach den haarähnlichen Gräten, Strömberg Fischnamen 47f.; ausführliche Behandlung bei Thompson Fishes s. v.; daraus ital.-lomb. trissa u. a.?; s. Pok. 276); Demin. θρισσίον (Pap.); in derselben Bed. auch τριχίς, -ίδος f. (Ar. usw.), τριχίδιον (Alex.), τριχίας m. (Arist. u. a.). 2. Demin. τρίχιον (Arist. u. a.). 3. τριχώδης ‘voll Haar, haarähnlich’ (Hp., Arist. usw.). 4. τριχωτός ‘haarig’ (Arist. u. a.; vgl. τριχόομαι unten). 5. τρίχῐνος ‘aus Haaren’ (Pl., X., Pap. usw.). 6. τριχῖτις, -ιδος f. Art Alaun (nach der faserigen Struktur; Dsk., Pap., Plin.; Redard Les noms grecs en -της 62). 7. τριχία ‘Strick’ (Pap.). 8. τριχισμός ‘haarfeine Spalte eines Knochens’ (Paul. Aeg.), wie von *τριχίζω; vgl. Chantraine Formation 143ff. Denominative Verba. 1. τριχόομαι, -όω ‘mit Haaren versehen (werden)’ (Arist. usw.); davon τρίχωμα ‘Haar(wuchs)’ (Hdt., E., X. usw.) mit τριχωμάτιον (Arist. u. a.); τρίχωσις ‘Haarwuchs’ (Arist. u. a.); vgl. auch τριχωτός oben. 2. τριχιάω ‘an Haarkrankheit leiden’ (Hp., Arist. usw.) mit τριχίασις Ben. verschiedener Haarkrankheiten (Mediz.). 3. *τριχίζω vgl. τριχισμός oben. — Da die Benennungen des Haares von Sprache zu Sprache stark wechseln (s. Buck Synonyms 203f., Ernout-Meillet s. capillus), erwartet man von vornherein nicht, in anderen Sprachen Verwandte von θρίξ anzutreffen. Der Vergleich mit mir. gairb-driuch ‘Borste’ (aus garb ‘rauh’ und *drigu- oder *driku-, Fick 2, 156) muß man somit auf sich beruhen lassen. Zu lit. drikà ‘Fäden, die beim Weben nicht eingezogen vom hinteren Webebaum herabhängen’, das von Prellwitz s. v. herangezogen wird, s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. draĩkas ‘langgestreckt’. I-684

θρῖον n. ‘Feigenblatt’, sekundär auch ‘Blatt’ im allg.; gew. als Benennung eines aus Eiern, Milch, Honig usw. bereiteten und in Feigenblätter gewickelten Gerichts (Ar. usw.). Als Hinterglied in λεπτό-θρῐος ‘aus feinen Blättern’ (Nik.; -ῐ- metr. Kürzung). — Ohne Etymologie, wohl Mittelmeerwort. Vgl. θρινία· ἄμπελος ἐν Κρήτῃ H.; s. noch θρῖναξ und θρίδαξ. — Nach Sommer Lautstud. 57f. aus *τρισϝον, zu τρεῖς. I-685

θρίσαι Aor., ἔθρισεν δόμον (A. Ag. 536), gewöhnlich ἀπο-θερίσαι ‘abschneiden’ (Archil., E., Dsk. u. a.), auch συνέθρισε· συνέτεμε, λεπτὰ ἐποίησεν. ἀπὸ τοῦ θρίσαι, ὅ ἐστι τεμεῖν H.; daneben ἀπο-θρίξαι, -ασθαι (v. l. E. Or. 128, Ael. u. a.), nach θρίξ. — Gewöhnlich als synkopierte Form von ἀπο-θερίσαι (LXX, Ael. u. a.; zu θερίζω ‘abmähen’) verstanden, die dann als notgedrungene metrische Lizenz zu gelten hat. Auch eine Angleichung an θραύω, θρύπτω ließe sich wohl denken (ähnlich Grošelj Živa Ant. 4, 175f.). Vgl. zu θρίψ. I-685

θρίψ, θρῑπός m. ‘Holzwurm’ (Thphr., Men. u. a.). Als Vorderglied z. B. in θριπ-ήδεστος ‘von Holzwürmern gefressen’ (Ar., Hyp., att. Inschr. u. a.; von ἐδεστός mit kompositioneller Dehnung); Abl. θριπωδέστατος ‘voll Holzwürmer’ (Thphr. HP 3, 8, 5; v. l. θριπηδέστατος). Vgl. ἴψ, κνίψ, σκνίψ. Güntert Reimwortbildungen 134f. vermutet Umbildung nach diesen für *θρύψ, zu θρύπτω ‘zerbröckeln, zerreiben’; auch θραύω und θρίσαι können den Anlaut beeinflußt haben. — Indog. Etymologie (von Meringer IF 18, 235, Petersson IF 23, 396f.) bei Bq und WP. 1, 872; nach v. Windekens Le Pélasgique 26 pelasgisch für *τρίψ (zu τρίβω). I-685

θροέω ‘rufen, verkünden, sprechen’ s. θρέομαι. I-685

θρόμβος m. ‘Klumpen, Kloß, Tropfen, besonders (geronnenen) Blutes’ (ion. att.). Davon θρομβίον (Dsk.), θρομβήϊον (Nik.) ‘Klümpchen, Klößchen’, θρομβώδης ‘voll Klumpen, kloßartig’ (ion. att.), θρομβόομαιθ. bilden, gerinnen’ mit θρόμβωσις ‘das Gerinnen, Thrombose’ (Mediz. u. a.). — Zu θρόμβος stimmt lautlich nisl. drambr m. ‘Knorren, Knoten’, idg. *dhrómbhos (mit griechischer Deaspiration nach Nasal, Schwyzer 333), vgl. Porzig Satzinhalte 256, 316. Ob direkter Zusammenhang besteht, ist aber höchst fraglich, da nisl. drambr zu einer expressiven nordischen Wortgruppe gehört (vgl. noch awno. trē-drumbr m. ‘Baumstumpf’, dramb n. ‘prahlender Übermut’ u. a.). Auch das Baltische besitzt mehrere anklingende, offenbar volkstümliche Wörter, die zugleich semantisch abweichen, wie lit. dramblỹs, dremblỹs ‘Dickbauch’, lett. dram̃blis ‘Vielfraß’, lit. drìmba ‘hochaufgeschossener Mensch, Tölpel’ u. a. m., s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. drìbti. — Innerhalb des Griechischen gehört jedenfalls θρόμβος zunächst zu τρέφω im Sinn von ‘gerinnen machen’, Med. τρέφεσθαι, Aor. 2 τραφεῖν ‘gerinnen’; θρόμβος somit eig. "geronnene Masse"; zum Lautlichen vgl. θάμβος : ταφεῖν. Das Verb hat aber im Griechischen die spezielle Bedeutung ‘dick machen, nähren’ erhalten und eine eigene Entwicklung durchgemacht, s. bes. I-685-686

θρόνα n. pl. ‘Blumen’ als Zierat in Geweben und Stickwerk (Χ 441 θρόνα ποικίλα; danach ποικιλό-θρονος als Bein. der Aphrodite Sapph. 1, 1; ebenso χρυσό-, ἀργυρό-θρονος u. a. nach Lawler Phil Quart. 27, 80ff. mit beachtenswerten Argumenten), ‘Blumen’ als Heil- und Zaubermittel (hell. Dichter); nach Sch. zu Theok. 2, 59 wurden von den Thessaliern bunt gestickte Figuren (πεποικιλμένα ζῷα), von den Kyprioten bunte Kleider (ἄνθινα ἱμάτια) θρόνα genannt; H. erklärt θρόνα sowohl als ‘Blumen’ wie als ‘farbenreiche Stickereien’ (θρόνα· ἄνθη, καὶ τὰ ἐκ χρωμάτων ποικίλματα H.); vgl. Bechtel Dial. 1, 448; Bowra JournofHellStud. 54, 73. — Von einer hypothetischen Bedeutung ‘bunt’ (Hoffmann BB 15, 86) ausgehend, vergleicht Lidén Stud. 67f., 95f. alb. drë-ri, drê-ni m. ‘Hirsch’ (eig. "der Bunte"?; vgl. zu νεβρός), uralb. *drani- (= ἀρανίς [für δρ-]· ἔλαφος H. als illyrisch?), idg. *dhroni-. Anders Solmsen KZ 35, 474f.: θρόνα eig. ‘Kräuter, Blumen’ zu russ. dërn ‘Rasen, Wasen’ usw. (dagegen Lidén a. a. O., WP. 1, 876f., Vasmer s. dërn). Nach Stokes (s. Bq und WP. a. a. O.) zu mir. druine ‘Stickerei’. I-686

θρόνος m. ‘Sessel, Sitz’, auch ‘Herrschersitz, Thron, Richterstuhl, richterliche Gewalt’. Kompp., z. B. χρυσό-θρονος ‘mit goldenem Thron’ (seit Il.), wenn nicht eher zu θρόνα, s. d. Davon die Deminutiva θρονίς f. (Them.), θρόνιον (EM, Ptol.); ferner θρονίτης (cod. -τιςπρώτιστος H. (vgl. Redard Les noms grecs en -της 24); θρονιτικός ‘thronähnlich’ (Sidyma); denominatives Verb θρονίζομαι ‘auf den Thron erhoben werden’ (LXX u. a.) mit θρονιστής ‘Thronerheber’ (liter. Pap.), θρονισμός ‘Thronerhebung’ (D. Chr. u. a.); auch θρόνωσις ‘ds.’ (Pl. Euthd. 277d; als Ritus der Korybanten) wie von *θρονόομαι; vgl. Chantraine Formation 279; zur Sache v. Wilamowitz Glaube 2, 187. — Bildung wie κλ-όνος (von κέλομαι; vgl. auch χρόνος und Κρόνος), u. zw. von einem Verb ‘halten, stützen, tragen’, das u. a. im aind. Perf. dā̆dhā́ra (wäre gr. *τέ-θορ-α), in dem athem. Wurzelaor. dhr̥-thās (2. sg.), vielleicht auch in ἐν-θρ-εῖν· φυλάσσειν H. (s. θρησκεύω) vorliegt; θρόνος somit eig. "Halter, Stütze, Träger". Andere griechische Verwandte sind: θόρναξ· ὑποπόδιον. Κύπριοι. ἢ ἱερὸνΑπόλλωνος ἐν τῇ Λακωνικῇ H., wohl für *θρόναξ durch Metathese und dann direkt aus θρόνος abgeleitet; θρή-σασθαι mit θρᾶνος (s. d.), θρῆ-νυς; θρά̄-σκω mit θρησκεύω (s. d.); s. noch zu -θέλυμνος. — Die zahlreichen Vertreter dieser Wortsippe in anderen Sprachen, z. B. lat. ferē, frētus, firmus (auch frēnum?), aind. Kaus. dhāráyati, dhárma- ‘Recht, Sitte’, dháraṇa- ‘haltend’, tragen zur Erklärung der aus dem alten Verbsystem losgelösten griech. Wörter nichts bei. Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 856ff., Pok. 252f., W.-Hofmann s. firmus, ferē, Mayrhofer s. dhāráyati. I-686-687

θρόος, att. θροῦς ‘Ruf, Stimme, Gemurmel’ s. θρέομαι. I-687

θρυαλλίς ‘Docht’, auch Pflanzenname, s. θρύον. I-687

*θρυλίσσω (*θρῡλίζω?) ‘zerbrechen, zerschmettern’ nur in θρυλίχθη δὲ μέτωπον (Ψ 396), θρυλίξας (Lyk. 487) mit θρύλιγμα ‘Bruchstück’ (Lyk. 880). — Denominatives Verb von *θρῦλος (zur Bildung Schwyzer 733 ζ und 737f.), das zu kymr. dryll ‘Bruchstück’, gallorom. *drullia pl. ‘Abfälle’ stimmt und wie dies auf idg. *dhrus-lo- bzw. *dhrus-li̯o- zurückgehen kann. Das primäre Verb lebt vermutlich im Germanischen weiter, z. B. got. driusan ‘herabfallen’, eig. *‘abbröckeln’. Ein paralleles Gutturalsuffix zeigt lett. druska ‘Brocken, Krümchen’; sehr unsicher dagegen lat. frustum ‘Brocken’. — Ob θρυλ[λ]εῖ· ταράσσει, ὀχλεῖ H. hierher gehört (Bechtel Lex. s. θρυλίζω), ist fraglich; es kann ebensogut einen okkasionellen Gebrauch von θρυλεῖν ‘schwätzen’ wiederspiegeln. Ein selbständiger Ableger dieser Wortsippe ist dagegen θραύω mit unerklärtem Vokal, s. d.; vgl. auch θρύπτω. Weitere Formen mit Lit. bei WP. 1, 872f., Pok. 274f., Fraenkel Lit. et. Wb. s. druskà, W.-Hofmann s. frustum. I-687

θρῦλος (auch θρύλλος) m. ‘Gemurmel’ (Batr., Orph., Pap. u. a.). Daneben θρυλέω (-λλ-) ‘schwätzen, viel Gerede machen’, auch mit δια- und anderen Präfixen, (att.) mit πολυ-θρύλ(λ)η-τος ‘viel besprochen’ (Pl., Plb. u. a.), θρύλημα ‘Gerede, Geschwätz’ (LXX); auch θρυλίζω etwa ‘einen Mißton auf der Kithara hervorbringen’ (h. Merc. 488; cod. θρυαλ- [metrisch vorzuziehen] = θρυλλ- ?) mit θρυλισμός, -ιγμός (D. H. u. a.). — Der anscheinend nächstliegenden Annahme, θρυλέω sei aus θρῦλος abgeleitet, widerstreiten sowohl das Alter wie die Frequenz der Belege. Man ist vielmehr geneigt, in θρυλέω eine Bildung nach Muster von den zahlreichen (denominativen, deverbativen oder primären) Schallverba auf -έω, z. B. κομπέω, κελαδέω, βομβέω, δουπέω, ῥοιβδέω (Schwyzer 726 m. A. 5) zu sehen, wovon das seltene und späte θρῦλος eine Rückbildung wäre. Daß θρυλέω zu θρέ(ϝ)ομαι, θόρυβος, τονθορύζω Beziehungen hat, scheint sicher, und es steht auch nichts im Wege, es als eine schwundstufige λ-Ableitung von idg. dh(e)-reu- (WP. 1, 860, Pok. 255) zu betrachten. Ob man durch eine solche rein grammatische Analyse einem Schallausdruck gerecht wird, scheint immerhin etwas fraglich. — Die mehrfach vorkommende Schreibung -λλ- kann eine expressive Gemination ausdrücken. I-687-688

θρύον n. ‘Binse’ (seit Il.). Als Vorderglied in θρυο-πώλης ‘Binsenverkäufer’ u. a. (Pap.). Ableitungen: θρυόεις ‘binsenreich’ (Nik.), f. Θρυόεσσα Ort am Alpheios (Λ 711; Leumann Hom. Wörter 301), auch Θρύον genannt (Β 592; vgl. Solmsen Wortforsch. 85); θρυώδης ‘ds.’ (Str.); θρύϊνος ‘aus Binsen’, θρυῗτις ‘mit Binsen bewachsen’ (γῆ, Pap.; Redard Les noms grecs en -της 118). Außerdem θρυαλλίς f. ‘Docht’ (Ar. u. a.), auch Pflanzenname, ‘Wegerich, Plantago crassifolia’ (Thphr., Nik., Pap.), weil die Blätter als Dochte verwendet wurden, deshalb auch λυχνῖτις benannt (Strömberg Pflanzennamen 78 und 106); zur Bildung vgl. φυσαλλίς, συκαλλίς usw., vorwiegend Pflanzen- und Vogelnamen (Schwyzer 484, Chantraine Formation 252 und 346); der Pflanzenname θρυαλλίς somit primär im Verhältnis zum Appellativum? Vom letzteren oder vom Deminutivum θρυαλλίδιον (Luk.) wohl als Rückbildung θρύαλλον n. ‘Rußregen?’ (Vett. Val. 345, 22). — Erinnert der Form nach an βρύον, aber sonst unklar. Nach Sommer Lautstud. 60f. aus idg. *trusom zu aksl. trьstь f. ‘Rohr, Rohrstab’, lit. tr(i)ušìs ‘ds.’, sachlich völlig befriedigend (unbegründete Bedenken bei WP. 1, 762), aber lautlich und morphologisch sehr fraglich. I-688

θρύπτω, Aor. θρύψαι, Pass. τρυφῆναι (Il.), später θρυφθῆναι (Arist.), θρυβῆναι (Dsk.), Perf. Med. τέθρυμμαι, auch mit Präfix, z. B. δια-, ἐν-, ‘zerreißen, zerbröckeln, entkräften, verweichlichen’, Med. ‘weichlich sein, sich zieren, im Überfluß schwelgen’ (ion. att.). Ableitungen: 1. τρύφος n. ‘Bruchstück’ (δ 508, Hdt., Pherekr. u. a.). 2. τρυφή ‘Weichlichkeit, Üppigkeit, Schwelgerei’ (att.); davon τρυφερός ‘weichlich, schwelgerisch’ (att.; nach θαλερός, γλυκερός u. a.) mit τρυφερότης (Arist., LXX u. a.); τρυφηλός ‘ds.’ (APu. a.); τρυφαλίς = τροφαλίς und Umbildung davon (Luk. u. a.); τρύφαξ ‘Schwelger, Wollüstling’ (Hippod.); denominatives Verb τρυφάω, auch mit Präfix, z. B. ἐν-, mit ἐντρυφής = τρυφερός (Man.), ‘weichlich, üppig leben, schwelgen’ (att.) mit τρύφημα ‘Schwelgerei, Wollust’, auch konkret (E., Ar. u. a.), τρυφητής ‘Wollüstling’ (D. S.). 3. θρύμμα ‘Bruchstück’ (Hp., Ar. u. a.) mit θρυμματίς f. Art Kuchen (mittl. Kom. u. a.), wohl auch θρυμίς· ἰχθῦς ποιός H. 4. θρύψις ‘das Zerreiben, Weichlichkeit, Schwelgerei’ (X., Arist. usw.) mit θρύψιχος = τρυφερός (Theognost., H.), nach μείλιχος u. a. (Chantraine Formation 404). 5. Vom Präsens: θρυπτικός ‘mürbe, zerbröckelnd’ (Gal., Dsk.), ‘weichlich’ (X., D. C. usw.), θρύπτακον· κλάσμα ἄρτου. Κρῆτες H. — Der Form und ursprünglichen Bedeutung nach an θραύω und *θρυλίσσω (s. dd.) erinnernd, kann θρύπτω aus idg. *dhrubh-i̯ō zu den im Baltischen isolierten lett. drubaža ‘Trumm’, drubazas ‘Holzsplitter’ stimmen. Auch asächs. drūƀōn, drūvōn ‘betrübt sein’ ist lautlich damit vereinbar, ebenso air. drucht ‘Tropfen’, urkelt. *drub-tu-. Daneben stehen im Lettischen Formen mit auslautendem p, z. B. drup-u, drup-t ‘zerfallen’. Ebenso im Germanischen, z. B. ano. drjūpatriefen’ (mit dropi m. ‘Tropfen’ u. a.), dessen p jedoch, wenn alt, auf idg. b zurückgehen müßte, eine ganz unwahrscheinliche Annahme. Eher liegt eine einzelsprachliche Neuerung vor. — WP. 1, 872f., Pok. 274f., wo weitere Formen mit Lit. zu finden sind. — Nach θρύπτω wahrscheinlich δρύπτω, s. d. I-688-689

θρώσκω (θρῴσκω, Schwyzer 710, Chantraine Gramm. hom. 1, 317), Aor. θορεῖν, Fut. θοροῦμαι (seit Il.), ἔθρωξα (Opp.), Perf. Ptz. f. τεθορυίης (Antim. 65); nach θορεῖν das Präs. θόρνυμαι (Hdt. 3, 109, [S.] Fr. 1127, 9, Nik. Th. 130) für ursprüngliches schwundstufiges θάρνυσθαι = κυΐσκεσθαι (H.; dazu thematisch θαρνεύει· ὀχεύει; s. noch zu θρέομαι), zum Ablaut vgl. das sinnverwandte βλώσκω, μολεῖν, μολοῦμαι (s. d.), dazu Schwyzer 696 und 747. oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐκ-, ἐπι-, ὑπερ-, ‘springen, bespringen, laufen, eilen’ (poet. seit Il.); Ableitungen. 1. Von θρω- (im Anschluß an den Präsensstamm): θρωσμός (θρῳσμός) ‘Vorsprung, Erhöhung’ (Κ 160, Λ 56 = Υ 3; A. R. 2, 823; vgl. Porzig Satzinhalte 239); θρῶσις ‘Strick’ (Theognost., H.). 2. Vom Aorist : θορός m. (Hdt., Hp., Arist. u. a.), θορή f. (Hdt., Alkmaion) ‘männlicher Same’, eig. "Springer", bzw. "Sprung" (vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 88, Schwyzer 459); davon θορικός ‘zum Samen gehörig’ (Arist. u. a.), θοραῖος ‘Samen enthaltend usw.’ (Nik., Lyk.), θορώδης ‘ds.’ (Gal.), θορόεις ‘aus Samen bestehend’ (Opp.); denominatives Verb θορίσκομαι ‘Sanken empfangen’ (Ant. Lib.; vgl. κυΐσκομαι). — Zu θοῦρος s. bes. — Den einzigen sicheren Vergleich bietet mir. dairim ‘bespringen’ mit den Nomina der ‘junges Mädchen’ (aus *dherā), kymr. -derig ‘brünstig’ (Fick 2, 142, Loth Rev. celt. 41, 378f.). Zu aind. dhā́rā f. ‘Strom, Guß, Strahl’, das wahrscheinlich fernzuhalten ist, s. Mayrhofer Wb. s. v. I-689

θύαρος m. ‘Taumellolch, Lolium temulentum’ (Ps.-Dsk.). — Bildung auf -αρος wie κόμαρος, κίσθαρος u. a. (Strömberg Pflanzennamen 58) von 1. θύω ‘rasen, toben’; vgl. z. B. russ. dur-níca ‘ds.’ von durь f. ‘Torheit, Albernheit’. I-689-690

θυάω ‘brünstig sein’ s. 1. θύω. I-690

θυγάτηρ, -τρός (flexivische Einzelheiten bei Schwyzer 568) f. ‘Tochter’ (seit Il.). Selten und spät als Vorderglied, z. B. θυγατρο-ποιία ‘Adoption einer Tochter’ (Kos, Rhodos). Davon das Deminutivum θυγάτριον (Kom., Pap. usw.); ferner θυγατριδοῦς, ion. -δέος m. ‘Tochtersohn, Enkel’, θυγατριδῆ f. ‘Tochtertochter, Enkelin’ (ion. att.), auch θυγατερεΐς f. (Magnesia; nach den Patronymika auf -ίς); θυγατρίζω ‘Tochter nennen’ (Kom.; vgl. Schwyzer 731 A. 1). — Altes Wort für ‘Tochter’, in der Mehrzahl der idg. Sprachen erhalten: aind. duhitár- (Nom. duhitā́; Akz. von θυγάτηρ nach dem Vok. θύγατερ = dúhitar), aw. dugdar-, arm. dustr, osk. futír, germ., z. B. nhd. Tochter, lit. duktė̃, aksl. dъšti, toch. B tkācer, idg. *dhug(h)ətér-; lautliche Einzelheiten bei Schwyzer 293. Ursprüngliche Bedeutung wahrscheinlich "die (potentielle) Säugerin" (zu aind. duhé Med. ‘säuge’), s. Duchesne-Guillemin Le Muséon 59, 571ff. mit einem Versuch, die Wortbildung aufzuklären; -ter jedenfalls nach den Wörtern für ‘Vater, Mutter, Bruder’, s. πατήρ, μήτηρ, φράτηρ. Für weitere Einzelheiten sei auf WP. 1, 868, Pok. 277 und die betreffenden Spezialwörterbücher verwiesen. I-690

θυεία (-είη Nik. Th. 91; spät auch itazistisch -ία, -ίη); θυεῖον ‘ds.’ (Pap.); f. ‘Mörser’ (Kom. usw.), auch ‘Ölpresse’ (Pap.); Deminutivum θυ(ε)ίδιον (Ar.); daraus rückgebildet θυΐς, -ίδος f. (Damokr. ap. Gal.)? — Daneben θυέστης m. ‘Mörserkeule’ (Dionys. Trag.). — Bildung wie ἐγχείη (: ἔγχος) u. a.; somit aus *θυεσ-ίᾱ als ία-Ableitung von θύος ‘Räucherwerk’ (Solmsen Wortf. 250 A.); vgl. die Konkreta auf -ία, bes. Gefäßnamen wie ὑδρία, ἀντλία, bei Scheller Oxytonierung 48ff. Aus der Bedeutung ‘Gefäß zum Zerstoßen des Räucherwerks’ erwuchsen durch Verallgemeinerung bzw. neue Spezialisierung ‘Mörser’ und ‘Ölpresse’. — θυεῖον wie ἀγγεῖον. — Die Mörserkeule, θυέσ-της (vgl. Chantraine Formation 3 12f.), wurde rein persönlich aufgefaßt. — Verfehlt Persson Stud. 204 A. 1 (s. Bq). I-690

θύελλᾰ f. ‘Sturmwind’ (poet. seit Il., Arist. usw.); θυελλό-πους (Nonn.) nach ἀελλό-πο(υ)ς (Θ 409 u. a.); θυελλώδης (Sch. S.) wie ἀελλώδης (Sch. Il.). — Bildung von θύω ‘toben, stürmen’, wahrscheinlich nach Muster von ἄελλα (s. d.), wo das l-Suffix altererbt war (Porzig Satzinhalte 350); zu bemerken jedoch illyr. Δύαλος (s. d.); dazu noch Specht Ursprung 328. I-690

Θυέστης m. Sohn des Pelops, Bruder des Atreus, Vater des Aigisthos (seit Β 107); Patronymikon Θυεστιάδης = Aigisthos (δ 518); Θυέστειος ‘dem Θ. gehörig’ (Ar.). — Von θύος, s. 2. θύω; vgl. auch zu θυεία und Fraenkel Nom. ag. 2, 211. I-691

θυηλή f. ‘Brandopfer, Opfer(gabe)’ (poet. seit Ι 220, hell. u. späte Prosa). Erweiterte Form (Chantraine Formation 186f.) θυηλήματα pl. (Thphr. Char. 10, 13; neben στέμματα). — Bildung wie γαμφηλαί (: γόμφος, α unerklärt, vgl. s. v.), ἀ-κανθηλή (: ἄκανθα, Hdn.). Dazu kommen einige Barytona wie ἀνθήλη (: ἄνθος, ἀνθέω), δείκηλον (: δείκνυμι), τράχηλος (: τρέχω, τροχός?); θυηλή somit entweder aus θύος erweitert oder (weniger wahrscheinlich) direkt von θύω ‘opfern’. — Ähnliche Bildungsweise zeigen: 1. θυᾰλήματα pl. ‘ds.’ (Miletos Va), aus *θυάλη erweitert (Typus ἀγκάλη : ἄγκος) oder etwa nach ἄλημα, παιπάλημα? 2. θυλήματα pl. ‘Opferkuchen’ (Kom., Thphr.), auf eine λ-Ableitung von θύω zurückgehend. Eine Rückbildung aus θυλήματα ist θυλέομαι (Porph.). — Vgl. Bechtel Lex. s. θυηλή, wo mit wenig wahrscheinlichen Ablautsvarianten operiert wird. I-691

θύλακος ‘Sack, Beutel, meistens aus Leder’ (ion. att.); auch θῦλαξ (Kom. u. a.; Rückbildung aus θυλάκιον?, Kalén Quaest. gramm. graecae 106), θυλακή ‘Hodensack’ (Hippiatr.). m. Als Hinterglied in παρσουλακίρ (= παραθυλακίςτὸν τρίβωνα, ὅταν γένηται ὡς θύλακος H. (lak.). Deminutiva: θυλάκιον (ion. att.), θυλακίς f. (Ael.), θυλακίσκος m. (Kom., Dsk.). Andere Ableitungen: θυλακώδης (Thphr. u. a.), θυλακόεις (Nik.) ‘sackähnlich’; θυλακῖτις in Pflanzennamen (Dsk.): θ. μήκων (nach den Samenkapseln), θ. νάρδος (nach dem eichelförmigen Wurzelstock; Strömberg Pflanzennamen 36); θυλακίζειν· τὸ ἀπαιτεῖν τι ἑπόμενον μετὰ θυλάκου. Ταραντῖνοι H. — Kurzform, evtl. mit hypokoristischer Gemination: θυλ(λ)ίς H. — Nicht sicher gedeutet; vielleicht Fremdwort wie σάκκος. — Das durch Abtrennung eines mutmaßlichen κ-Suffixes sich ergebende *θῡλ(ο)- läßt einen Vergleich zu mit lit. dundùlis ‘aufgedunsen, dickbäuchig’, wenn aus *dul-dùlis dissimiliert (Persson Beitr. 2, 798 A. 1; andere Möglichkeit bei Fraenkel Lit. et Wb. s. demblỹs), mit endlicher Anknüpfung an die Wortsippe von 1. θύω; vgl. slav., z. B. russ. dutь ‘blasen’ mit dúlo ‘Mündung (eines Gewehrs, eines Geschützes)’, ukr. dúɫo ‘Blasebalg’. Andere ganz unsichere Vermutungen bei Kalén a. a. O. — Die im Vokal abweichenden θαλλίς· μάρσιππος μακρός, θάλλικα· σάκκου εἶδος H. sind nicht erklärt; abzulehnen Persson a. a. O. — Eine "pelasgische" Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 91f. I-691

θύμαλλος m. Fischname, ‘Äsche, Thymallus vulgaris, Salmo thymallus’ (Ael.). — Bildung auf -αλλος (vgl. κορύδ-αλ(λ)ος u. a. Chantraine Formation 317) von θύμον ‘Thymian’ wegen des Geruches (Strömberg Fischnamen 60f.; Zweifel bei Thompson Fishes s. v.). — Daraus (über lat. LW thymallus) ital. temolo usw.; s. Meyer-Lübke Rom. et. Wb. No 8721. I-692

θυμάλωψ, -ωπος m. etwa ‘Feuerbrand, glühende Kohle’ (Kom., Luk. Lex. 24). — Bildung wie αἱμάλωψ ‘Blutgeschwür, blutunterlaufene Stelle’ (Hp., Pap.), νυκτάλωψ ‘in der Nacht sehend’ = ‘tagblind’, auch ‘Tagblindheit’; sekundär ‘nachtblind, Nachtblindheit’, wozu ἡμεράλωψ. — Über den verdunkelten Ausgang -ωψ s. Schwyzer 426 A. 4; als Grundlage hat ein nominaler λ-Stamm gedient (vgl. z. B. αἴθαλος, αἰθάλη), der seinerseits entweder zu einem men-Stamm mit Wechsel men ~ mel (vgl. θῦμα s. 2. θύω) in Beziehung steht oder aus einem mo-Stamm (vgl. zu θυμός) abgeleitet ist. Eine Entsprechung von θυμαλ(ο)- kann in aind. *dhūmara-, woraus durch Analogie dhūmrá- ‘rauchfarben’, vorliegen; daneben die davon unabhängigen dhūmarī f. ‘Nebel’, dhūmala ‘rotbraun, rauchfarben’ (beide Lex.); s. Mayrhofer Wb. s. dhūmráḥ. I-692

θύμβρᾱ N. einer wohlriechenden Pflanze, ‘Satureia Thymbra, Bohnenkraut’ (Kom., Thphr., Dsk. u. a.), auch θύμβρον (Thphr.) und θυμβραία (Hp. ap. Gal.; nach anderen Pflanzennamen auf -αία). Durch Metathese (oder Anlehnung an θρύ-πτω?) θρύμβη (Gp.). f. Davon θυμβρώδηςθ.-ähnlich’ (Thphr.), θυμβρίτης οἶνος ‘mit θ. gewürzter Wein’ (Dsk.; Redard Les noms grecs en -της 96). — Zu θύμον, θύμος ‘Thymian’ in Beziehung stehend, aber schwerlich direkt davon abgeleitet (Strömberg Pflanzennamen 149); das β erklärt sich dann als Übergangslaut zwischen μ und ρ. Eine ρ-Ableitung von τύφω mit Nasalierung und Deaspiration (Persson Stud. 56 A. 4 mit Curtius; vgl. zu θάμβος und θρόμβος) läßt sich aber nicht von der Hand weisen. — Niedermann Glotta 19, 14 erinnert einerseits an kleinasiatische ON wie Θύμβρη, Θύμβριον, anderseits an Τυφρηστός (südlicher Ausläufer des Pindos, nach der θύμβρα benannt?), wozu noch slavische Pflanzennamen wie russ. dubrávka ‘Potentilla erecta, Tormentille’; alles ganz hypothetisch oder unwahrscheinlich (dubrávka wohl von dubráva ‘Laubwald, Park’). I-692

θυμέλη ‘Herd’ s. 2. θύω. I-692

θυμιάω, auch mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐκ-, ἐπι-, ὑπο-, ‘in Rauch aufgehen lassen, räuchern, rauchen’ (ion. att.). Aor. -ιᾶσαι, ion. -ιῆσαι, Erweiterte Formen: θυμι-άζω, -ατίζω (Gp.), -αίνω (Gloss.), -ατεύω (Sch.). Ableitungen (ion. Formen nicht >besonders notiert) : θυμίασις, vorw. von den präfigierten Verba (ἀνα-, ἐπι- u. a.), ‘das Räuchern’ (ion. att.); θυμίαμα, auch von den Präfixverba, ‘Räucherwerk’ (ion. att.); ἐπιθυμιατρός ‘Räucherer’ (Ephesos), θυμίατρον ‘Räuchergefäß’ (Miletos, hell.), auch θυμιατρίς (Dam.), meistens θυμιατήριον (ion. att.); postverbal θυμίη = -ίημα (Aret.); θυμιατός ‘zum Räuchern bestimmt, geeignet’ (Hp., Arist. u. a.), -τικός ‘ds.’ (Pl.). — Bildung auf -ιάω (nach κονι-άω u. a., Schwyzer 732) von θῡμός (s. d.) in der alten aber im Griechischen sonst verlorengegangenen Bed. von ‘Rauch’. I-692-693

θύμον selten -ος m. n., ‘Thymian’ (ion. att.). Als Vorderglied in θυμ-ελαία f. N. einer Pflanze, viell. ‘Daphne Cnidium’ (Dsk., Plin.; vgl. zu ἐλαία) mit -αΐτης (οἶνος) ‘Wein mit Th. gewürzt’ (Dsk.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 96); θυμ-οξ-άλμη f. ‘Trank aus Thymian, Essig und Salzlake’ (Dsk.). Ableitungen: θύμιον = σμῖλαξ, auch ‘Feigwarze’ (Hp., Dsk.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 97), θυμίτης ‘mit Th. gewürzt’ (Ar., Dsk.; Redard 93 und 96), θύμινον (μέλι) ‘aus Th.’ (Colum., Apul.), θυμόεις ‘reich an Th.’ (Choeril.), θυμώδης ‘Th.-ähnlich’ (Thphr.). Denominatives Verb θυμίζω ‘Th. schmecken’ (sp. Mediz.), θυμιχθείς· πικρανθείς H. — Zu θύμαλλος Fischname s. bes. Primäre μο-Ableitung von 2. θύω ‘rauchen’ (s. d.), wegen des Geruchs (Strömberg Pflanzennamen 27). Vgl. zu θύμβρα. I-693

θῡμός m. ‘Geist, Mut, Zorn, Sinn’ (seit Il.); über Bed. und Gebrauch bei Hom. usw. Marg Charakter 47ff.; auch Magnien REGr. 40, 117ff. (dagegen Wahrmann Glotta 19, 214f.). Zahlreiche Kompp., z. B. θυμο-βόρος ‘herznagend’ (Il.), θυμ-ηγερέων ‘den Geist sammelnd, zu sich kommend’ (η 283; Leumann Hom. Wörter 116 A. 83, Chantraine Gramm. hom. 1, 349), θυμᾱρής, θυμήρης ‘herzerfreuend’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa; Bechtel Lex. s. v., Leumann 66); πρό-θυμος (Bahuvrihi) ‘geneigt, bereitwillig’ (ion. att.) mit προθυμία, -ίη (seit Β 588) und -έομαι (ion. att.). Ableitungen: Deminutivum θυμίδιον (Ar. V. 878); Adj. θυμικός und θυμώδης ‘leidenschaftlich, heftig’ (Arist. usw.); denominative Verba: 1. θυμιάω ‘räuchern, rauchen’ mit θυμίη ‘Räucherwerk’, s. bes.; 2. θυμόομαι ‘sich erzürnen’ (ion. att.), selten -όω ‘erzürnen’ (E. Supp. 581 [wo θυμοῦσθαι Musgrave], LXX), mit θύμωμα ‘das Zürnen’ (A. Eu. 861, Epigr.), θύμωσις ‘ds.’ (Cic. Tusc. 4, 9, 21); 3. θυμαίνω ‘zürnen’ (Hes. Sc. 262, Ar., A. R.); Neubildung nach den Verba auf -αίνω; nach Leumann Hom. Wörter 111 aus δυσθυμαίνω ausgelöst; wieder anders Fraenkel Denom. 9 (mit J. Schmidt). — Mit aind. dhūmá-, lat. fūmus, lit. dū́mai (pl.), aksl. dymъ ‘Rauch’ formal, ursprünglich auch begrifflich identisch; die Bed. ‘Rauch’ ist in θυμιάω und θυμάλωψ noch erhalten. Die griech. Bedeutungsentwicklung ist über ‘Rauch, Hauch, Geist, Mut usw.’ erfolgt; vgl. lat. animus und v. Wilamowitz Glaube 1, 370; sekundäre Anknüpfung an θύω ‘einherstürmen’ kann allerdings den Sinn beeinflußt haben. Anders Schulze Q. 313f. (θυμός ‘animus’ und ‘Zorn’ zwei Wörter; dagegen Persson Beitr. 653 A. 2); Chantraine Formation 134 mit Ernout-Meillet s. fūmus (θυμός nicht zu aind. dhūmá- usw. sondern von θύω ‘einherstürmen’). — Neben idg. *dhū-mo-s stehen mit kurzem Stammvokal θῠ́μον, -ος ‘Thymian’ (s. d.), mir. dumacha ‘Nebel’ (k-Suffix), mit idg. ou-Diphthong ahd. toum ‘Dampf, Dunst, Duft’. Weiteres s. 2. θύω. I-693-694

θύννος m. ‘Thunfisch’ (Orac. ap. Hdt. 1, 62, A. Pers. 424, Arist. usw.). Als Vorderglied u. a. in θυννο-σκόπος ‘Thunfischspäher’ (Arist.), -έω ‘(dem Thunfisch) auflauern’ (Ar.) mit -ία, -εῖον (Str.). — Fem. *θύννᾰ oder *-η, Gen. -ης mit -ίς, -άς (Kom. u. a.). Sonstige Ableitungen: θύννᾱξ, -ᾱκος m. (Kom.; affektive Bildung, Björck Alpha impurum 62); θυννίτης ‘Thunfischer’ (Inschr. Varna; Redard Les noms grecs en -της 39), θύννειος, θυνναῖος ‘aus Thunfisch’ (Ar. u. a.), θυννώδης ‘Thun-ähnlich’ (Luk.), θυννεῖα pl. n. ‘Thunfischerei’ (Troizen), θυννευτικός ‘zum Thunfang gehörig’ (Luk.; wie von *θυννεύω, vgl. auch ἁλιευτικός u. a.); denominative Verba θυννάζω ‘Thunfisch fangen’ (Ar.), auch -ίζω (Suid.). — Mittelmeerwort, oft mit hebr. tannīn ‘großes Wassertier, Wal-, Haifisch’ verglichen; Lit. bei Lewy Fremdw. 14f. Dazu Strömberg Fischnamen 126f., Thompson Fishes s. v., wo auch über die Volksetymologien (θύω, θύνω). Lat. LW thynnus, thunnus, woraus die roman. Formen. I-694

θύνω ‘einherstürmen’ s. 1. θύω. I-694

θύον n. N. eines Baumes, dessen Holz wegen seines Wohlgeruchs verbrannt wurde, ‘Lebensbaum’ (ε 60, hell. u. spät). — Primäre Ableitung von 2. θύω, wohl eig. vom Holz; vgl. Wackernagel Syntax 2, 17. Vgl. θυία, θύα s. 2. θύω. I-694

θύος myk. tu-we-a? n. ‘Räucherwerk, Opferdampf, Brandopfer, Opfer(gabe)’, vorw. im Plur. θύη (ep. poet. seit Il.), Als Vorderglied in θυο-σκόος (s. bes.), θυο-δόκος ‘Räucherwerk aufnehmend’ (E.), θυη-πόλος ‘Opfer verrichtend, Opferpriester(in)’ (A., E. u. a.), mit -έω, -ία u. a. (θυη- nach dem Plur.?; vgl. auch Schwyzer 438f.). Ableitungen: θυόεις, θυήεις (s. zum Vor. und Schwyzer 527) ‘reich an Räucherwerk usw., duftend’ (ep. poet. seit Il.; θυῶεν· εὐῶδες H.); θυώματα pl. ‘Räucher- >werk, Spezereien’ (ion. u. spät), wohl eher aus θύος erweitert (vgl. Chantraine Formation 187) als von einem Denominativum *θυόομαι, -όω, das immerhin von dem Ptz. τεθυωμένος ‘dufterfüllt’ (Ι 172 u. a.), wozu noch θυωθέν (Hedyl. ap. Ath. 11, 486b), vorausgesetzt wird; θυΐσκη (LXX, J.; v. l. -ος), auch θύσκη, -ος (Pap., Suid., EM) f. ‘Weihrauchfaß’ (nach καδίσκος u. a.; Chantraine Formation 406); θυΐτης (λίθος) m. N. eines äthiopischen Steins (Dsk., Gal.; Redard Les noms grecs en -της 55). — Zu θυέστης, θυεία s. d. — Primäre Ableitung von 2. θύω, s. d. — Daraus lat. LW tūs, tūris n. ‘Weihrauch’; s. W.-Hofmann s. v. I-694-695

θυοσκόος m. f. Ben. eines Opferpriesters, wohl eig. "Opferschauer" (Hom., E.), auch als Übersetzung von lat. haruspices (D. H.); adjektivisch θυοσκόα ἱρά (IG 14, 1389 12; Versinschrift). Davon θυοσκεῖν· ἱεροῖς παρέξεσθαι, ἢ θεοῖς H.; θυοσκεῖς 2. Sg. A. Ag. 87 (-κινεῖς codd.); zur Hyphärese (aus *θυοσκοεῖν) vgl. βοηθεῖν zu βοηθόος. — Eine kaum abzuweisende Zerlegung in θυο-σκόος ergibt als Hinterglied ein Verbalnomen *σκοϝός, das in dem unsicheren got. un-skawai (für *us-skawai?) sijaima = νήφωμεν eine genaue Entsprechung haben könnte; jedenfalls ist damit zusammenzuhalten das germ. Iterativ asächs. skauwōn, ahd. scouwōnschauen’. Wir erhalten dadurch eine σ-anlautende Nebenform von dem griech. Iterativ κοέω ‘bemerken, auffassen’, s. d.; vgl. noch zu ἀνακῶς. I-695

θύρα, ion. θύρη f. ‘Tür, Torflügel’, meist im Plur. ‘Tür(e), Tor’ (seit Il.; vgl. Schwyzer-Debrunner 44). Mehrere Kompp., z. B. θυρᾰ-ωρός (Χ 69), θυρ-ωρός, -ουρός (Sapph. usw.) ‘Türhüter’ (vgl. zu ὁράω und Schwyzer 438), als Hinterglied mit thematischer Erweiterung, z. B. πρό-θυρ-ον ‘Platz vor dem Tore, Torweg, Vorhof’ (seit Il.). Zahlreiche Ableitungen. Deminutiva: θύριον (att. usw.) und θυρίδιον (Gp.), θυρίς f. ‘Fenster(öffnung) usw.’ (ion. att.) mit θυριδεύς ‘Fensterrahmen’ (Delos IIIa; vgl. die Gerätenamen auf -εύς bei Chantraine Formation 128), θυριδόω ‘mit Fenster versehen’ (Pap.) mit θυριδωτός (Inschr. u. a.). Ferner θυρεός m. ‘Türstein’ (ι 240, 313), Ben. eines länglichen Schildes = lat. scutum (hell. u. spät; zur Bildung Chantraine 51; auch Schwyzer 468 und Hermann Sprachwiss. Komm. zu ι 240, aber schwerlich mit Bechtel Vocalcontr. 154 vom Konsonantstamm in θύρ-δα) mit θυρεόω ‘mit einem Schild bedecken’ (Aq.); θύρετρα pl. ‘Türfutter, Tür’ (ep. poet., hell.; Schwyzer 532, Chantraine 332) mit θυρετρικός (Chios); θύρωμα, oft im Plur. -ώματα ‘Türwerk, Türgerüst’ (ion. att.; nicht mit Schwyzer 523 von θυρόω, vgl. Chantraine 187); θυρών, -ῶνος m. ‘Vorhalle’ (S., hell. u. spät). Adj. θυραῖος, äol. θύραος ‘zur Tür gehörig, vor der Tür stehend, draußen befindlich, fremd’ (Trag., hell. u. spät). Denominatives Verb θυρόω ‘mit Türen versehen’ (att. usw.) mit θύρωσις (Epid.), θυρωτός (Babr. u. a.). — Unsicher θυράγματα· ἀφοδεύματα H. (an unrichtiger Stelle), wie von *θυράζω. — Aus θύρ-δα· ἔξω. ’Αρκάδες H. und θύσθεν für *θύρ-σθεν = θύρα-θεν (Tegea; zur Bildung Schwyzer 628), vielleicht auch aus θύραζε ‘(zur Tür) hinaus’ (wenn für *θύρᾰς δε; Schwyzer 625 m. A. 1) läßt sich ein alter Konsonantstamm, idg. *dhur-, erschließen, der in anderen Sprachen mehrfach belegt ist: germ., z. B. ahd. turi = Tür (eig. Plur.), aus idg. *dhúr-es; balt., z. B. lit. Akk. pl. dur-ìs, Gen. dùr-ų̃, aind. Akk. pl. dúr-aḥ (idg. *dhúr-n̥s; zum anlaut. d- für dh- s. die Erklärungsversuche bei Mayrhofer 2, 83 m. Lit.). Der Konsonantstamm ist oft von Neubildungen verdrängt oder ersetzt worden: von einem i-Stamm in lit. Nom. pl. dùr-y-s, Gen. dùr-i-ų̄, von einem o-Stamm (germ. -Stamm) in got. daúr n. = nhd. Tor usw. (urg. *dur-a-), von einem n-Stamm in arm. duṙ-n, von einem -Stamm wie in θύραι auch in arm. Gen. Dat. Abl. pl. dr-a-, Instr. dr-a-w-k‘. — Neben dem schwundstufigen *dhur- standen hochstufige *dhu̯er-, *dhu̯or-, die ursprünglich im Paradigma damit wechselten, z. B. aind. Nom. pl. dvā́r-aḥ, Akk. dúr-aḥ (vgl. oben), aber oft verallgemeinert worden sind wie in lat. for-ēs, toch. B twere. Auch die hochstufigen Formen zeigen selbstverständlich Erweiterungen auf, z. B. aind. dvā́r-a-m ‘Tür’, aksl. dvor-ъ ‘Hof’, lat. for-īs ‘draußen’, for-ās ‘hinaus’. Eine Schwundstufe *dhu̯r̥- (in aksl. dvьr-i ‘Tür’; pl.) ist mit sehr zweifelhaftem Recht in θαιρός ‘Türangel’ vermutet worden (s. ebd.). — Die thematische Erweiterung des Hinterglieds in πρό-θυρ-ον u. a. erscheint noch z. B. in aind. śatá-dur-a- ‘mit hundert Türen versehen’ (vgl. Sommer Nominalkomp. 131); zu θύριον stimmt formell das davon unabhängig gebildete aind. dúriyaḥ ‘zur Tür gehörig’. — Weitere Einzelheiten aus den verschiedenen Einzelsprachen mit reicher Lit. bei WP. 1, 870f., Pok. 278f., W.-Hofmann s. foris, Ernout-Meillet s. forēs, Mayrhofer Wb. 2, 83f., Fraenkel Lit. et. Wb. s. dùrys, Vasmer Russ. et. Wb. s. dverь. I-695-696

θυραυλέω ‘seinen Aufenthalt vor der Tür haben, im Freien leben, antichambrieren’ (att.) mit θυραυλία ‘der Aufenthalt vor der Tür, im Freien, das Antichambrieren’ (Ti. Locr., Arist. usw.). — Von dem Bahuvrihi θύρ-αυλοι· τῶν ποιμένων οἱ ἀπόκοιτοι H., falls nicht direkt auf θύρα und αὐλή zu beziehen (vgl. Schwyzer 726). Das auslautende -α in θύρα ist durch Elision weggefallen (θυρ- somit nicht zum Konsonantstamm in θύρ-δα; vgl. Brugmann IF 17, 358 A.). I-696

θύρσος m. ‘der Thyrsosstab’, ein leichter mit Efeu und Weinblättern umwundener Stab, am oberen Ende mit einem Pinienzapfen versehen (E., hell.). Kompp., z. B. θυρσο-φόρος, ἄ-θυρσος (E. u. a.). Ableitungen: Deminutiva θυρσίον (Hero), θυρσάριον (Plu.); Pflanzennamen θύρσιον (Ps.-Dsk.), θύρσις (Kyran.), θυρσ-ίνη und -ίτης (Dsk., vgl. Strömberg Pflanzennamen 50; letzteres auch N. eines Steins, Redard Les noms grecs en -της 55); θυρσίων N. eines delphinartigen Fisches (Ath., Plin.; vgl. W.-Hofmann s. tursiō). Denominativa: θυρσάζω ‘den Thyrsos schwingen’ (Ar. Lys. 1313; lakon. Ptz. θυρσαδδωᾶν = -αζουσῶν), θυρσόω ‘als Th. brauchen’ (D. S.). — Hierher auch θυρξεύς Bein. des Apollon in Achaia (Paus. 7, 21, 13)?; s. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 77. — LW unbekannter Herkunft, vgl. hier. heth. tuwarsa- ‘Weinstock’ (Laroche BSL 51 p. XXXIIIf., Forbes Glotta 36, 271f.). Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 92f. I-697

θυρωρός ‘Türhüter’ s. θύρα und ὁράω. I-697

θῠσανος, gew. pl. -οι, m. ‘Troddel, Quaste, Franse’ (ep. ion. poet. u. spät seit Il.) mit θυσσανόεις (Il.; zu -σσ- vgl. unten), θυσανωτός (Hdt., J.) ‘mit Troddeln usw. besetzt’, θυσανώδης ‘troddelähnlich’ (Thphr.), -ηδόν Adv. ‘ds.’ (Ael.). — Technisches Wort auf -ανος (vgl. Chantraine Formation 200) unsicherer Herkunft. Nach Persson Beitr. 1, 45 aus *θύσσα erweitert, das für *θύθ-ι̯ᾰ stände und mit lett. duša ‘Bündel von Stroh, Halmen usw.’ identisch wäre; idg. *dhudh-i̯ă. Daneben ein primäres Jotpräsens in θύσσεται· τινάσσεται H. Als außergriech. Verwandte werden noch herangezogen aind. dúdhi- ‘ungestüm’ und mehrere germ. Wörter; s. außer Persson a. a. O. WP. 1, 839, Pok. 264f. Idg. *dhudh- könnte entweder (mit Persson) eine reduplizierte Form von dhū̆- ‘schütteln’ oder (mit Brugmann Grundr. 21, 1047, 22 : 3, 374) eine dh-Erweiterung davon enthalten. — Ältere Deutungen bei Persson und Bq. I-697

θύσθλα n. pl. ‘die heiligen Geräte der Bakchosfeier’ (Ζ 134, spät), sekundär ‘Opfer’ (Lyk. u. a.; durch Anschluß an 2. θύω). — Aus θύσ-θλα mit θλο-Suffix (Chantraine Formation 375) zu 1. θῦω, s. d. Nicht mit G. Hoffmann bei Hermann Silbenbildung 80 A. 1, Pisani Stud. itfilclass. 11 (1934) 225f., Benveniste Origines 203 zu θύρσος. I-697

θύ̄ω 1. (ep. poet. seit Il.), auch θυίω (Hom., h. Merc. 560; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 51 und 372), θύ̄νω (ep. poet. seit Il.), Ipf. auch ἐθύνεον (Hes.), Aor. ἔθῡσα (Kall. Fr. 82), vereinzelt mit Präfix, ἀνα-, ὑπερ-, ‘einherstürmen, brausen, stürmen, toben’. Ableitungen: θυ(ι)άς, -άδος f. "die Stürmende", ‘Thyiade, Bakchantin’ (A., Tim. u. a.), auch θυῖα f. (Str. 10, 3, 10 [und S. Ant. 1151, lyr.?]; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 95); Θυῖα n. N. eines Dionysosfestes in Elis (Paus. 6, 26, 1), Θυῑος N. eines thessal. und böotischen Monats (Inschr.); Θυώνη Bein. der Semele (h. Hom., Sapph., Pi. usw.); auch θύστα· θυῖα und θυστάδες· νύμφαι τινές, αἱ ἔνθεοι, καὶ Βάκχαι H.; Θυστήριος Bein. des Bakchos (EM); θῦνος· πόλεμος, ὁρμή, δρόμος H. (von θύνω; nicht = aind. Ptz. dhūna-); θῦσις (Pl. Kra. 419e als Erklärung von θυμός). Deverbativa: θυάω ‘in Brunst sein, von Schweinen’ (Arist.; nach βακχάω, μαργάω u. a.; s. Schwyzer 726 A. 2), θυωθείς· μανείς, ὁρμήσας H. — Zu θύελλα und θύσθλα s. bes. Hierher noch θυάκται m. pl. (Troizen IIa), wenn = ‘mystae sive thiasotae’; zu den Vorbildern Fraenkel Nom. ag. 1, 174. — Es liegt nahe, θύ̄νω aus *θύ-νϝ-ω (mit ἐθύνεον aus *ἐ-θύ-νεϝ-ον) als altes νῡ-Präsens mit aind. dhū̆-nó-ti ‘schütteln’ zu identifizieren (Schwyzer 696 u. A. 2 m. Lit., 698). Die abgeleiteten θυστάδες, θύσθλα u. a. lassen indessen auf einen Stamm θυσ- schließen, der auch in θυίω, wenn aus *θύσ-ι̯ω, vorliegen kann (Schulze Q. 313 A. 5, Fraenkel Nom. ag. 2, 37; anders J. Schmidt KZ 27, 294f.; s. auch Schwyzer 686 ε), wobei Anschluß an lat. fur-, -ere möglich ist, s. W.-Hofmann s. v., wo auch andere Auffassungen über furō referiert sind. Weiteres s. 2. θύω. I-697-698

θύω 2. Fut. θύσω, Aor. θῦσαι (seit Il.), τυθῆναι (Hdt. usw.), Perf. τέθῠκα, τέθῠμαι (att.), oft mit Präfix, z. B. ἐκ-, κατα-, προ-, συν-, ‘ein Rauch- oder Brandopfer darbringen, opfern im allg.’. Zahlreiche Ableitungen, die z. T. auf die ältere Bedeutung ‘rauchen, räuchern’ zurückgehen (vgl. dazu unten) : 1. θῦμα ‘Opfer’ (ion. att. usw.); 2. ἔκ-, πρό-θυσις von ἐκ-, προ-θύω (spät); 3. θυσία s. unten zu θύτης; 4. θύος n. mit θυέστης u. a. ‘Räucherwerk’, s. bes.; 5. θύον ‘Lebensbaum’, s. bes.; 6. θυητά n. pl. ‘Räucherwerk’ (Aret.; zur Bildung vgl. θυηλή); 7. θυ(ε)ία f. ‘starkriechende Zederart, Thuya’ mit θυῖον n. ‘Baumharz’ (Thphr.); Bildung mehrdeutig; zu θύος (s. d.)? 8. θύτης m. ‘Opferer’ (hell. u. spät; ἐκ-θύτης von ἐκ-θύω E. u. a.); θύτας (thess.), mit θυτεῖον ‘Opferplatz’ (Aeschin.), θυτικός ‘zum Opfer gehörig’ (hell. u. spät, auch auf θύω beziehbar), θυσία ‘Opfer, Opferfest’ (seit h. Cer.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 224, Porzig Satzinhalte 200); davon θυσιάζω ‘opfern’ mit θυσίασμα, -αστήριος, -ον; 9. θυτήρ m. ‘ds.’ (Trag. u. a.) mit θυτήριον ‘Opfertier’ (E.), auch ‘Opferaltar’, N. des Sternbildes Ara (Arat.; Scherer Gestirnnamen 192); 10. θύστας· ὁ ἱερεὺς παρὰ Κρησί H., f. θυστάς, -άδος ‘zum Opfer gehörig’ (A., S.; Fraenkel Nom. ag. 1, 182; 2, 37, E. Kretschmer Glotta 18, 85); 11. θύστρα n. = θύματα (Kos); 12. θυ<σ>τηρίοις· θυμιατηρίοις H.; 13. θυσμικός ‘auf das Opfer bezüglich’ (ἔτος; Paros, Tenos); das -σ- der letztgenannten Wörter schwerlich mit Schulze Q. 320 A. 1 und Fraenkel a. a. O. vom σ-Stamm in θύος, sondern vielmehr mit Solmsen KZ 29, 114 analogisch (vgl. μύστης u. a.). — Mit λ-, bzw. μ-Suffix in θυηλή, θυμός, θύμον, θυμάλωψ, s. dd.; dazu mit μελ-Suffix (Frisk Eranos 41, 51) θῠμέλη ‘Herd, Altar’ (Trag. usw.; nicht mit Aly Glotta 5, 60ff. eig. "Tummelplatz" von 1. θύω ‘stürmen’) mit θυμελικός. — Die regelmäßige Stammbildung von θύω ist selbstverständlich das Resultat einer innergriechischen Ausgleichung. Wie das Paradigma ursprünglich aussah, läßt sich nicht mehr ermittels. Zum Vergleich bietet sich vor allem lat. suf-fiō, -īre ‘räuchern’, das sich als Jotpräsens aus *-dhu̯-ii̯ō erklären läßt und als solches in die -Konjugation eingetreten ist. — Daß 1. θύω und 2. θύω ursprünglich identisch sind, läßt sich kaum bezweifeln; eine Bedeutungsreihe ‘stieben, stäuben, wirbeln, stürmen, rauchen’ o. ä. läßt sich unschwer annehmen. Die verschiedenen Einzelsprachen zeigen eine Menge auseinandergehender Nominalbildungen und Verbalerweiterungen auf, die bei WP. 1, 835-847 und Pok. 261-267, 268-271 zusammengetragen sind. — S. noch τύφω, θάνατος, θολός, ἀθύρω. I-698-699

θυωρόςἱερὰ τράπεζα, Opfertisch’ (Pherekyd. Syr., Kall. u. a.), auch θυωρίς f. (Poll.). Davon θυωρίτης· τραπεζίτης H., übertr. Lyk. 93 (vgl. Redard Les noms grecs en -της 40); θυωρία ‘Opferfest, Mahlzeit’ (Didyma), θυωρεῖσθαι· εὐωχεῖσθαι H. — Aus *θυο-ϝωρός (vgl. θυωρόν· τράπεζαν τὴν τὰ θύη φυλάσσουσαν H.), Güntert Götter und Geister 120, s. noch θυρωρός. Durch Assoziation mit θεός, θεωρία usw. entstanden die Schreibungen θεωρίς, θεωρία (Poll., Didyma, Kaiserzeit). — Anders Kalén Quaest. gramm. graecae 11f.: θυω- > θεω- lautlich bedingt; θυωρός aus *θυ-ᾱϝορος zu ἀείρω (vgl. μετέωρος u. a.). I-699

θωή (Ν 669, β 192), θωϊή, θωιιή (Archil., ion. Inschr., Kall.), θΟά (IG 12, 114, 42; att.) f. ‘Strafe, Buße’. Als Hinterglied in ἀ-θῷος ‘straflos, unschuldig’ (ion. att.) mit ἀθῳόω ‘jn für straflos erklären’ (LXX u. a.). Denominative Verba: θΟάω (IG 12, 4, 7; 12), Fut. θοάσει (IG 22, 1362, 14; att.), θωέω (delph.), θΟέω (lokr.) mit ἀθώητος· ἀζημίωτος H., θΟαίω (kret.), θΟάζω (el.) ‘zu einer Geldstrafe verurteilen, strafen’; davon θωΐασις (delph.). — Bildung auf -ιά (vgl. στωιά, στο(ι)ά u. a., Schwyzer 469) von einem unbekannten Grundwort, gewöhnlich als "die festgesetzte Buße" zu τίθημι gezogen; zum Ablaut vgl. θωμός. I-699-700

θῶκος s. θᾶκος. I-700

θῶμιγξ, -ιγγος f. ‘Strick, Schnur, Band, Bogensehne’ (Hdt., Trag. usw.) mit θωμίσσει· νύσσει, δεσμεύει (H.), θωμιχθείς (Anakr.). — Bildung auf -ιγγ- (Chantraine Formation 399, Schwyzer 498) von einem Grundwort *θωμ(ο)-, das von Solmsen Wortforsch. 130 A. 1 zu lat. fūnis ‘Seil’ aus *dhū-ni- gezogen wird. Das zugrunde liegende primäre Verb will Duchesne-Guillemin BSL 41, 178 in toch. AB tsu- ‘zusammenfügen’ wiederfinden. Vgl. noch v. Blumenthal Hesychst. 36f. I-700

θωμός m. ‘Haufe, Schober’ (A., Ar., Thphr. usw.) mit θωμεῦσαι· συμμῖξαι, συναγαγεῖν H. — Mit einem german. Wort für ‘Urteil, Gericht, Meinung, Zustand usw.’, got. doms, awno. dōmr, ags. dōm, ahd. tuom, und mit phryg. δουμοςσύνοδος, σύγκλητος, συμβίωσις’ (Solmsen KZ 34, 53 nach Fick) formal identisch; altes Verbalnomen von idg. dhē- ‘setzen, stellen, legen’ (s. τίθημι), urspr. somit ‘das Setzen’ = ‘Satzung, Gesetz usw.’, ‘das Niederlegen’ = ‘Niederlage usw.’; vgl. θέσις, θέμις, bzw. θημών. Die verschiedenen konkreten Bedeutungen sind in verschiedenen Berufssprachen entstanden. I-700

θώραξ, ep. ion. θώρηξ, hyperäol. pl. θόρρακες (Alk.), myk. to-ra-ke (??), ‘Brustharnisch, Panzer’ (seit Il.), ‘Oberkörper, Rumpf, Brustkasten’ (seit Hp.). Kompp., z. B. θωρακο-φόρος ‘Panzer tragend’, χαλκεο-θώρηξ ‘mit ehernem Panzer’. Ableitungen: θωρακεῖον (A., Inschr.), θωράκιον (Plb. usw.) ‘Brüstung, Brustwehr’; θωρηκτής ‘mit Brustharnisch ausgerüsteter Krieger’ (Il.; zur Bildung außer Trümpy [s. unten, m. Lit.] Redard Les noms grecs en -της 14, 232 A. 8 m. Lit.), θωρακίτης ‘ds.’ (Plb. u. a.); θωρακικός ‘zum Rumpf gehörig’ (Aët. u. a.), θωρακαῖος ‘mit Harnisch versehen (?)’ (Delos IIa). Denominative Verba: 1. θωρήσσομαι, -ω ‘(sich) mit Brustharnisch ausrüsten, bepanzern’ (poet. seit Il.), auch übertr. ‘sich (mit Wein, οἴνῳ, usw.) stärken, berauschen’ (Hp., Thgn. u. a.) mit θώρηξις ‘das Berauschen’ (Mediz.). 2. θωρακίζω ‘bepanzern’ (Th., X. u. a.) mit θωρακισμός (LXX). — Technisches Wort ohne sichere Etymologie, wahrscheinlich entlehnt. Früher als Erbwort zu aind. dhāraka- ‘Behälter’ (vgl. zu θρᾶνος, θρόνος) gezogen, aber auch als LW mit lat. lōrīca verglichen. Die Bedeutung ‘Oberkörper usw.’ ist wahrscheinlich als medizinischer Fachausdruck gegenüber ‘Harnisch, Panzer’ sekundär. — Ausführliche Behandlung mit Lit. bei Trümpy Fachausdrücke 10ff. I-700

θώς, θωός m. (f.) ‘Schakal’ (Il., Hdt., Arist.); zur Bedeutung (auch = eine Viverre?) Körner Hom. Tierwelt 17f. Keine Kompp. oder Ableitungen. — Mehrere hypothetische Erklärungsversuche. Nach Fraenkel IF 22, 396ff. als "der Fresser" zu θῶσθαι, θοίνη (s. dd.). Anderer Vorschlag bei Bq Add. et corr. (m. Lit.): mit δάος· ... ὑπὸ Φρυγῶν λύκος H. als "der Würger" zu aksl. daviti ‘würgen’ usw. (s. Θαύλιος). Nicht mit Fick Spracheinheit 412f. zu 1. θύω ‘stürmen’ (und gleichzeitig zu θέω ‘laufen’). — Lit. auch bei WP. 1, 823; dazu noch v. Wilamowitz Glaube 1, 146 A. 5 und Mayer Glotta 31, 236. I-701

θῶσθαι ‘schmausen’ Davon θωστήρια pl. = εὐωχητήρια, ‘Opferspeise’ (Alkm., H.; vgl. Kukula Phil. 66, 226ff., Bechtel Dial. 2, 374). s. θοίνη. I-701

*θώσσω in θῶξαι· μεθύσαι, πληρῶσαι, θᾶξαι· μεθύσαι, τεθωγμένοι· ... μεμεθυσμένοι, τεθαγμένοι· μεμεθυσμένοι H., θωχθείς (S. Fr. 173; aus θωρηχθείς zusammengezogen?; Schwyzer 16 A. 1) usw. ‘berauschen’. — Die herkömmliche Anknüpfung an θήγω (seit Ahrens Dial. 2, 182; weitere Lit. bei Bq) wird von WP. 1, 823 angezweifelt und dafür Anschluß an θοί-νη (über *θο(ι)άκ-ι̯ω, *θο(ι)-αξ) erwogen. I-701

θωΰσσω, Aor. θωΰξαι, auch mit Präfix, ἀνα-, ἐπι-, ὑπο-, ‘bellen, schreien, laut rufen’ (Trag.). Davon das Nom. ag. θωϋκτήρ (APl. 4, 91). — Bildung auf -ύσσω (Schwyzer 733; Einzelheiten bei Debrunner IF 21, 242), sonst isoliert. Oder von θώς *‘sich wie ein Schakal benehmen’ (mit Bezug auf das Geheul)? I-701

θώψ, θωπός m. ‘Schmeichler’, sekundär auch adjektivisch (ion. att.). Davon θωπικός ‘schmeichlerisch’ (Ar. u. a.), θωπεύω ‘schmeicheln’ mit θωπεία, θώπευμα ‘Schmeichelei’, Deminutivum θωπευμάτια pl., θωπευτικός (att. usw.); auch θώπτω ‘ds.’ (A.). — Wohl mit de Saussure Mémoire 156, Bezzenberger BB 5, 317 als Wurzelnomen (vgl. Chantraine Formation 2) zu τέ-θηπ-α, θάμβος, s. d.; vgl. H.: θώψ· κόλαξ, ὁ μετὰ θαυμασμοῦ ἐγκωμιαστής. I-701

-ί̄ angehängte Partikel, demonstrativ-verstärkend, ὁδ-ί̄, οὑτοσ-ί̄, νυν-ί̄ usw. (att.; auch el. το-ΐ, böot. ταν-ί usw.), schlecht bezeugt -ί̄ν. — Zu vergleichen sind in erster Linie die nachgestellten Enklitika aind. und g. aw. īm, ; in Betracht kommt noch das auslautende -i in heth. aši, eni-, uni- ‘der besagte, jener’, in lat. utī̆ u. a. m.; s. Schwyzer 611 A. 3 m. Lit. I-701

ἵ f. ‘sie’, anaphorisch-reflexives Pronomen (S. Fr. 471; auch Ω 608?), — mit germ., z. B. got. si, kelt. (air.) sī, aind. sī-m (Akk.) identisch; idg. *sī. Lit. bei Brugmann Grundr.2 2 : 2, 321 und Schwyzer 608 A. 2. I-702

ἴα Akk. ἴαν (Il., ξ 435, vereinzelte Fälle, teilweise zweifelhaft, im Lesb., Thessal., Böot. [Korinn.] und bei Hp. Morb. 4, 37), Gen. ἰῆς, Dat. ἰῇ (Il.); außerdem Dat. n. ἰῷ (Ζ 422), Akk. m. ἰόν (IG 5 [1] 1390, 126, Messen. Ia, wohl Nachbildung von Ζ 422; nicht ganz sicher), Dat. m. ἰῷ (Gortyn) f. ‘ein und dieselbe, ein und derselbe’, auch ‘(die, der) eine’ im Gegensatz zu ‘die (der) andere’; ‘derjenige’ (Gortyn). — Altes Pronomen (Zahlwort?) ohne sichere außergriechische Entsprechung, wohl ursprüngl. nur Fem. und in der Flexion dem bedeutungsähnlichen μία angeschlossen (nicht mit J. Schmidt KZ 36, 391ff. daraus entstanden). Die zahlreichen Erklärungsversuche (u. a. zu Lat. is) sind bei Schwyzer 588, wo auch Lit., referiert. I-702

ἰά, ion. ἰή f. ‘Geschrei, Klage, Stimme’ (Orac. ap. Hdt. 1, 85, A., E. in lyr.). Daneben als Interjektion ἰαί (S., Ar.) und ἰή (A. in lyr., Ar., Kall.) mit ἰήιος Beiwort des Apollon "der mit ἰή (παιών) Angerufene" (Pi., Trag. in lyr. u. a.), auch ‘klagend, traurig’ (S., E. in lyr.); denominatives Verb ἰάζω ‘laut rufen’ (Theognost.). — Elementarschöpfung wie ἰώ, ἰού usw. (Schwyzer-Debrunner 600); aus der Interjektion entstand das Nomen. Allerhand unsichere Anknüpfungsversuche bei WP. 1, 312; s. auch W.-Hofmann s. vītulor. — Vgl. ἰόμωροι, ἰάλεμος, auch Ἴωνες und ἰωῄ. I-702

ἰαίνω, Aor. ἰᾶναι, ion. ἰῆναι, Pass. ἰανθῆναι ‘erwärmen, erquicken, erfreuen’ (ep. lyr. seit Il.). Keine Ableitungen. — Zu ἰαίνω stimmt formal das aind. Jotpräsens iṣaṇyáti ‘antreiben, anregen’ (Osthoff MU 4, 194f.); wegen der abweichenden Bedeutung wird diese Etymologie von Schulze Q. 381, Ehrlich Betonung 135 ebenso wie von Persson Beiträge 326A. angezweifelt. Wenn sie zu Recht besteht, liegt es unzweifelhaft am nächsten, in ἰαίνω wie in iṣaṇyáti (woneben iṣanat; vgl. Renou Gramm. de la langue véd. 303) eine Ableitung von einem r-n-Stamm (vgl. ved. iṣáṇ-i und Schwyzer 528 A. 8, auch ἱερός) zu sehen, der seinerseits von dem primären íṣ-yati, iṣ-ṇā́ti ‘in rasche Bewegung setzen’ (wozu das Wz.-nomen íṣ- ‘Erquickung, Labung’) ausgeht. Aber ἰαίνω, ἰῆναι könnte auch aus einem alten primären Nasalpräsens (δάμνημι, κάμνω) stammen, zu dem ein neues Jotpräsens auf -αίνω gebildet wurde (Schwyzer 694). — Vgl. ἰάομαι und ἱερός. I-702

Ἴακχος m. Beiname des Dionysos, aus dem Ruf (Ἴακχε) entstanden, mit dem die Gemeinde an den Lenäen den Gott begrüßte, auch N. des Festgesangs selbst (Hdt., S., Ar. u. a.); vom Tyrannen Dionysios im Sinn von χοῖρος gebraucht (wegen des ἰαχεῖν der Ferkel; Wackernagel KZ 33, 48 = Kl. Schr. 1, 727); danach als Ben. des pudendum muliebre (s. H. Diels bei Kretschmer Glotta 1, 385). Davon ’Ιακχαῖος ‘iakchisch, bakchisch, dionysisch’ (hell.), ’Ιακχεῖον ‘Iakchos-Tempel’ (Athen; Plu. u. a.), ἰακχάζωἼακχε rufen’ (Hdt.; coni. in Longos 3, 11 für ἰακχεύσαντες). — Aus ἰαχή, ἰάχω (s. d.) mit expressiver Gemination, zunächst im Vok. Ἴακχε, entstanden. — Näheres über Ἴακχος bei Nilsson Gr. Rel. 599f., 664; auch v. Wilamowitz Glaube 2, 161. I-703

ἰάλεμος, ἰήλεμος (zur Verteilung Björck Alpha impurum 161) m. ‘Klage, Klagelied’ (Trag. in lyr., Theok. u. a.); ‘kläglicher, träger Mensch’, auch Adj. ‘träg, langsam’ (hell. u. spät; vgl. unten). Davon ἰαλεμώδης ‘kläglich’ (H., Phot., Suid.), ἰαλεμέω, -ίζω (ἰη-) ‘beklagen’ (Hdn., Kall.) mit ἰηλεμίστρια f. ‘Klageweib’ (A. Cho. 424, lyr.). — Expressives Wort, von der Interjektion ἰή ausgehend (vgl. v. Wilamowitz zu Eur. Her. V. 109; ἰάλεμος nach dem Subst. ἰά); die eigenartige Bildung kommt nur noch in κοάλεμος vor, das die spätere Bedeutung von ἰάλεμος veranlaßt zu haben scheint. Zacher IF 18 Anz. 86 nimmt für ἰάλεμος thrakisch-phrygischen Ursprung an. I-703

ἰάλλω, Aor. ἰῆλαι, dor. (Sophr.) ἰᾶλαι, Fut. ἰαλῶ (ἐπ- Ar. Nu. 1299), auch mit Präfix, z. B. ἐπ- (ἐφ-, vgl. unten), προ-, ‘absenden, ausstrecken’ (ep. poet. seit Il.; auch Th. 5, 77, dor. Vertragsurkunde); intr. ‘wegfliehen’ (Hes. Th. 269). Dazu ’Ιάλμενος PN (Il. usw.), vgl. unten. — Als redupliziertes Jotpräsens, dessen Reduplikation auch in den außerpräsentischen Formen beibehalten wurde, läßt sich ἰάλλω in *ἰ-αλ-ι̯ω zerlegen. Wenn die Aspiration in ἱάλλω (Hdn. Gr. 1, 539; dazu noch φιαλεῖς [Ar. V. 1348] und φιαλοῦμεν [Ar. Pax 432] für (ἐ)πιαλ-) ursprünglich ist, könnte ἱάλλω zu ἅλλομαι gehören (Leumann Hom. Wörter 80 A. 45). Da sich indessen der Hauch durch volksetymologischen Anschluß an ἵημι (mit dem v. Wilamowitz zu Eur. Her. V. 1064 ἰάλλω tatsächlich verknüpft) erklären läßt, scheint die schon von Kuhn KZ 5, 195f. vorgeschlagene Zusammenstellung mit dem ebenfalls reduplizierten aber athematischen aind. Präsens íy-ar-ti ‘erregt, setzt in Bewegung’ (vgl. ’Ιάλ-μενος) immer die beste Lösung zu bieten; als weitere Verwandte kommen dann die unter ἐλαύνω besprochenen Verba in Betracht. — Ältere Lit. und überholte Etymologien bei Bq. I-703

ἴαμβος m. N. eines Versfußes und eines Verses, ‘Jambus, Spottvers’ (Archil., Hdt., att.). Kompp., z. B. ἰαμβο-ποιός (Arist. u. a.), χωλ-ίαμβος ‘Hinkiambus’ (Demetr. Eloc.; vgl. Risch IF 59, 284f.). Ableitungen: ἰαμβικός ‘iambisch, spöttisch’ (Arist., D. H. u. a.), ἰαμβώδης ‘spöttisch’ (Philostr.), ἰαμβύλος ‘Spottdichter’ (Hdn.), ἰαμβύκη N. eines Instruments (Eup., H. u. a.; vgl. σαμβύκη), ἰαμβεῖος ‘iambisch’, ἰαμβεῖον n. ‘iambischer Vers’ (att. usw.). Denominative Verba: ἰαμβίζω, -ιάζω ‘in Jamben reden, spotten’ (Gorg., Arist. usw.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 2, 53) mit ἰαμβιστής ‘Spottdichter’ (Ath.). — Zur Form und Bedeutung vgl. διθύραμβος, θρίαμβος (auch ἴθυμβος); wie diese ist ἴαμβος ohne Zweifel vorgriechischer Herkunft. Die mehrfachen vergeblichen Versuche, das Wort aus dem Idg. herzuleiten, die nunmehr nur wissenschaftsgeschichtliches Interesse beanspruchen können, sind bei Bq (mit Add. et corr.) referiert oder notiert; dazu noch die Lit. zu διθύραμβος. — Nach Theander Eranos 20, 1ff. zu ἰά; dazu Kretschmer Glotta 13, 243ff. (s. auch zu ἔλεγος). I-704

ἴαμνοι m. pl. ‘Niederung, feuchte Wiese’ s. εἱαμενή. I-704

ἰάνθινος Adj. ‘veilchenfarben, violett’ (Str., Plin., Aq., Sm.). Daraus rückgebildet ἴανθος m., -ον n. = ἴον (H., Theognost.). — Eig. ‘veilchenblumig, -bunt’, von ἄνθινος (s. zu ἄνθος) mit determinierendem ἴον. Anders über ἴανθος Deroy Glotta 35, 193. I-704

ἰανογλέφαρος (Alkm. 13, 69, von den Mädchen) wohl ‘mit veilchenblauen Augen’, vgl. ἰανοκρήδεμνος· ἴοις ὅμοιον τὸ ἐπικράνισμα H.; — somit aus ἰο-γλέφαρος (Pi. u. a.) erweitert nach den sinnverwandten und gebräuchlichen Kompp. mit κυανο- (~ -χαίτης usw.; κυανοβλέφαρος erst AP 5, 60); zu bemerken noch ἀγανο-βλέφαρος (Ibyk.). Ebenso ἰανόφρυς PMich. 11, 13 nach κυανόφρυς. — Ausführlich über ἰανογλέφαρος Taillardat Rev. de phil. 79, 131ff., dazu Treu Von Homer zur Lyrik 265 u. 285. Nicht mit Kretschmer KZ 32, 539, Johansson ebd. 543 (nach Blaß) = ἑᾱνός; auch nicht mit Bq (s. ἑᾱνός) von ἰαίνω. I-704

ἰάομαι, Aor. ἰάσασθαι, ion. ἰήσασθαι (seit Il.), Pass. ἰάθην, ἰήθην (ion. att.), Fut. ἰάσομαι, ἰήσομαι (seit Od.), Perf. ἴαμαι (Ev. Mark. 5, 29), vereinzelt mit Präfix (ἐξ-, ἐπ-), ‘heilen’. Zahlreiche Ableitungen: 1. ἴαμα, ἴημα (die ion. Formen werden nicht weiter besonders notiert) n. ‘Heilmittel, Heilung’ (ion. att.) mit ἰαματικός (Kyran.); 2. ἴασις ‘das Heilen, die Heilung’ (ion. att.) mit ἰάσιμος ‘heilbar’ (Arbenz Die Adj. auf -ιμος 71f.), wohl auch ἰασιώνη Pflanzenname, ‘Convolvulus sepium (?)’ (Thphr., Plin.); nach Strömberg Pflanzennamen 81 wegen der (allerdings unbekannten) medizinischen Verwendung; 3. ’Ιασώ f. N. einer Heilgöttin (Ar., Herod. u. a.), von ἴασις oder vom Aor., vgl. Καλυψώ. 4. ἰατήρ ‘Arzt’ (poet. seit Il., kypr., myk. i-ja-te?) mit ἰήτειρα Adj. f. ‘heilend’ (Marc. Sid.), ἰατήριον‘Heilmittel, Heilung’ (Mediz., Q. S.); 5. ἰάτωρ ‘ds.’ (Alkm., thess. Inschr.) mit ἰατορία ‘Heilkunst’ (B., S. in lyr.); 6. ἰατής ‘ds.’ (LXX) mit ἰατικός (Str. u. a.; auch auf ἰάομαι beziehbar); 7. gew. ἰατρός ‘ds.’ (seit Il.), wovon ἰατρικός, ἡ ἰατρική (τέχνη) ‘Heilkunst’ (ion. att.), ἰάτρια f. ‘Hebamme’ (Alex.), ἰατρίνη ‘ds.’ (Kaiserzeit, vgl. Schulze Kl. Schr. 428 m. A. 3), ἰατρεύω ‘heilen’ (Hp. usw.) mit ἰατρεία, -εῖον, ἰάτρευσις, -ευμα, -ευτικός; 8. ἴατρα n. pl. ‘Honorar für die Heilung, Arztgebühr’ (Epidauros, Herod.). Näheres über ἰατήρ, ἰάτωρ, ἰατρός bei Fraenkel Nom. ag. (s. Index); Versuch einer semantischen Differenzierung zwischen ἰατήρ und ἰάτωρ bei Benveniste Noms d’agent 46, auch Schwyzer 531. — Nicht sicher erklärt. Schon von Lobeck Rhematicon 157 (mit weiteren, falschen Kombinationen, s. Curtius 389) zu ἰαίνω gezogen, was von Brugmann Grundr. 21, 1086 (= 22 : 3, 199) weiter ausgeführt wird: ἰῶμαι aus *isā-i̯o-mai neben ἰαίνω = aind. iṣaṇ-yá-ti wie δρῶ aus *drā-i̯ō neben δραίνω, eine Gleichung die aber schwerlich zutrifft, da δραίνω am ehesten als Neubildung zu betrachten ist, s. zu δράω. Schwyzer 681 u. 683 erklärt ἰάομαι als thematische Umbildung eines athematischen *ἴᾰ-μαι (noch in ’Ια-μενόν Μ 139, 193 und in kypr. ἰjασθαι erhalten?). Noch anders Wißmann Nom. postv. 1, 127 A. 1: ἰάομαι deverbativ. — Zweifel über die Verknüpfung mit ἰαίνω bei Schulze Q. 381f.; verfehlte Deutungen bei Ehrlich Betonung 136 (zu lat. sānus) und bei Theander Eranos 20, 33 (von ἰά). Über die Quantität des anl. ἰ- (bei Hom. ῑ-, später auch ῐ-) Schulze a. a. O., Sommer Lautstud. 9f. Laryngalbetrachtungen bei Sturtevant Lang. 16, 86f. I-704-705

Ιάονες ep. für Ἴωνες. I-705

ἰάπτω, Aor. ἰάψαι (seit Il.), Pass. ἰάφθη (Theok.), Fut. ἰάψω (A.), auch mit Präfix, z. B. προ-, ‘werfen, schleudern, treffen, verletzen’. Davon ’Ιαπετός "der Herabgeschleuderte" (Θ 479, Hes.; ’Ι- metr. gedehnt, zur Bildung Schwyzer 502 m. Lit., Fraenkel Nom. ag. 1, 51 A. 1) mit ’Ιαπετιονίδης (Hes.; Solmsen Unt. 58). Zur Bedeutung ‘werfen, schleudern, treffen, verletzen’ vgl. βάλλειν. Es liegt somit kein Grund vor, mit Schulze Q. 168 A. 3, Bechtel Lex. s. ἴπτομαι, GEL u. a. zwei verschiedene Verba anzusetzen. — Reduplizierte Bildung mit verschleppter Reduplikation, aber sonst etymologisch unerklärt. Oft zu *ἴπτομαι, ἴψασθαι ‘drücken, bedrängen’ gezogen (Bechtel a. a. O., Kuiper Glotta 21, 282ff. und MAWNied. N. R. 14 : 5, 25A. 1), auch zu lat. iaciō (Lottner KZ 7, 174, Schulze a. a. O.; weitere Lit. bei Bq s. v. und W.-Hofmann s. iaciō); noch anders Prellwitz Wb. (zu αἶψα), Belardi Doxa 3, 206 (aind. vápati ‘hinstreuen’). — Ob ἰάσσειν (cod. -εῖνθυμοῦσθαι, δάκνειν H. als ursprüngliches Präsens von ἰάψαι zu gelten hat (vgl. Bq s. ἰάπτω), mag dahingestellt sein. I-705-706

ἰασιώνη Pflanzenname s. ἰάομαι. I-706

ἰάσμη f. ‘Jasmin’ mit ἰάσμινον n. ‘Jasminöl’, auch ἰασμ-έλαιον n. (Aët.). — Aus dem Iranischen; vgl. mp. yāsman, np. yāsaman, yāsam, yāsamīn usw. I-706

ἴασπις, -ιδος, -ιν f. ‘Jaspis’ (Pl., Thphr. u. a.), auch Pflanzenname (Dsk.); wahrscheinlich von der Farbe (Strömberg Pflanzennamen 26). Als Vorderglied u. a. in ἰασπ-αχάτης ‘jaspisähnlicher Achat’ (Aët., Plin.). Davon ἰασπίζω ‘jaspisähnlich sein’ (Dsk.). — Orientalisches LW, vgl. hebr. iāšepoeh N. eines Steins; eig. ägyptisch? — Lewy Fremdw. 56 m. Lit. I-706

ἰαύω, vereinzelt Aor. ἰαῦσαι (λ 261, Kall.) und Fut. ἰαύσω (Lyk.), auch mit ἐν-, παρ-, ἐπ-, ‘schlafen, ausruhen, übernachten’ (ep. lyr. seit Il.). Davon ἰαυθμός ‘Schlafstelle, Lager’, μηλ-ιαυθμός ‘Schafstall’ (Lyk.), ἐνιαυθμός (EM; unsicher Kall. Fr. 127); ganz fraglich ἴαυος· κοίτη H. — Redupliziertes Präsens (wozu ἰαῦσαι, ἰαύσω) zu dem in αὖ-λις, αὐ-λή vorliegenden Verb; daneben ohne Reduplikation αὔει (Nik. Th. 263, 283). Unklar sind die H.-glossen ἄιες und αἰέσκοντο, s. Latte z. St. und Schulze Q. 71f. Weitere Verwandte s. αὐλή und ἐνιαυτός; zur Stammbildung usw. Schwyzer 648, 686, 690 m. Lit. Fraglich ist die Heranziehung vom Aor. ἄεσα; vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 313 m. Lit., auch Bechtel Lex. s. ἰαύω. I-706

ἰάχω (ep. poet. seit Il.), Aor. ἰαχῆσαι (h. Cer. 20 usw.; Zumbach Neuerungen 32), Präs. auch ἰαχέω mit Fut. ἰαχήσω (Trag. in lyr. usw.); Perf. Ptz. ἀμφιαχυῖα (Β 316), wozu ἀμφιάχω (Orph., Q. S.); auch περι-, ἐπ-ιάχω (Hom. u. a.) usw., ἀντ-ιαχέω (Theok., A. R.), ‘laut schreien, aufschreien, tosen, rauschen’. Davon ἰαχή ‘Geschrei, Lärm’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 228) mit αὐίαχοι (s. d.); ἰάχημα ‘ds.’ (E. in lyr., AP; zur Bildung Chantraine Formation 186); Ἴακχος, s. d. — Aus *ϝι-ϝάχ-ω mit Präsensreduplikation (zum Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 139f.); ein thematischer Aorist *ϝαχεῖν, *ϝάχε wird seit Schulze KZ 29, 230ff. (= Kl. Schr. 330ff.) im Homertext für das als Aorist fungierende ἴαχε vermutet; s. dazu auch Chantraine 1, 393, Schwyzer 748. Das Präsens erklärt sich am einfachsten als Neubildung nach den Schallverba auf -έω (Schwyzer 726 A. 5), es kann aber auch vom Aor. ἰαχῆσαι ausgehen (vgl. Schwyzer 721); eine denominative Bildung von ἰαχή (Schulze Kl. Schr. 344 A. 1) ist weniger wahrscheinlich. Zum unreduplizierten Ptz. ἀμφι-(ϝ)αχυῖα Schwyzer 767, Chantraine 1, 421. — Die mitunter in der Tragödie auftretende Länge der Stammsilbe kann auf expressiver Gemination des Gutturals beruhen (vgl. Ἴακχος und Schwyzer 315), aber näher liegt Einfluß vom Präsens ἀ̄χέω. Zu ἠχή, s. d. I-706-707

ἰβάνη, ἴβανος ‘Schöpfgefäß’, ἴβδης ‘Pflock im Schiffsboden’ u. a., — gewöhnlich zu εἴβω gezogen (s. d.); Zweifel bei Bq. Das Wort scheint in tsakon. ἰμάνι ‘Schöpfgefäß’ weiterzuleben, s. Kukules ’Αρχ. 27, 61ff.; vgl. indessen auch die unter ἱμάς besprochenen Wörter. I-707

ἰβηρίς, -ίδος f. Pflanzenname, ‘Lepidium, Pfefferkraut’ (Damokr. ap. Gal., Aët. ap. Ps.-Dsk.). — Wahrscheinlich nach der Heimat ’Ιβηρία; Strömberg Pflanzennamen 124f. Anders Alessio Studi etr. 15, 205ff. (ägäisch wie ἰβίσκος, ἰβάνη u. a.). I-707

ἰβίσκος (v. l. in Ps.-Dsk. 3, 146, Erot.), auch ἐβίσκος (Gal., Aët.) eine Art Malve, ‘Eibisch’, = ἀλθαία (s. zu ἀλθαίνω). — Wie das synonyme ἀλθίσκον und andere Pflanzennamen gebildet (Chantraine Formation 407); sonst dunkel. Mit den früher (seit Verg.) belegten lat. (h)ibiscum (eb-), -us identisch und trotz des Suffixes vielleicht daraus stammend, in welchem Falle keltischer Ursprung zu erwägen ist, s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. Vgl. auch zu ἰβηρίς. I-707

ἰβύ Interjektion od. Adverb (H., Phot. aus Telekl.). Davon ἰβύει· τύπτει, βοᾷ mit dem postverbalen ἰβύς· εὐφημία, στιγμή H. — Mit Gutturalsuffix ἴβυξ· ὀρνέου εἶδος, καὶ ἶβις (dazu Thompson Birds s. v.), ἰβύκη· εὐφημία, und ἰβυκτήρ, nach H. ‘Sänger eines Marschlieds auf Kreta’ (cod. ἰβηκ-); auch Ἴβυκος PN?, vgl. Radermacher Glotta 16, 135f. — Durch Kreuzung mit βυκινίζω, βυκανίζω (Eust.; s. βυκάνη) entstand ἰβυκινῆσαι· ἐπευφημῆσαι, βοῆσαι H. (ἰβυκηνίσαι EM). Einzelheiten bei Kock zu Telekl. 58. — Mit Dentalsuffix ἰβυδῆνας· τοὺς εὐφημοῦντας H., vgl. die Geräuschnomina auf -δος, κέλαδος u. a. — Onomatopoetisches Schallwort, nach H. lydisch (s. ἰβύ) oder ionisch (s. ἰβυκινήσαντες), auch als Ausruf der Verwunderung od. ähnl. benutzt. Auf der letztgenannten Verwendung fußt die bei H. erwähnte steigernde Bedeutung = τὸ πολὺ καὶ μέγα; wie die Bedd. τύπτειν und στιγμή zu verstehen sind, bleibt unklar. — Vgl. βύζω und ἰύζω. I-707

ἴγδις, -εως (Sol., Kom., AP u. a.), auch ἴγδη f. (Hdn. Gr., Hp. u. a.) f. ‘Mörser’, auch = ἴγδισμα (s. unten). Davon das Deminutivum ἰγδίον (Gp., Paul. Aeg.) und das Verbalnomen ἴγδισμα (wie von *ἰγδίζω ‘im Mörser stoßen’) N. eines Tanzes (EM, Suid.; vgl. Lawler ClassJourn. 43, 34). — Erinnert der Form nach an λίγδος ‘Mörser’, vielleicht als Reimwort (Güntert Reimwortbildungen 158). Wenn nicht LW, was bei einem technischen Ausdruck naheliegt, vielleicht letzten Endes als Verbalnomen mit ἴκταρ, ἴξ (s. dd.) verwandt; vgl. auch zu αἰχμή. I-707-708

ἴγκρος · ἐγκέφαλος H., Hdn. — Zunächst für *ἔγκρος mit ι aus ε vor Nasal (Schwyzer 275 m. Lit.), Hypostase aus ἐν und (der Schwundstufe von) κάρᾱ, κάρη ‘Kopf’; vgl. ἔγκαρος und ἀκαρός. I-708

ἴγνητες pl. ‘αὐθιγενεῖς, Eingeborene’ (A. D., H. u. a.), auch als N. der alten Bewohner von Rhodos (Simmias 11, H.). — Aus *ἔν-γνη-τες, Zusammenbildung aus ἐν und γίγνομαι mittels eines τ-Suffixes (Schwyzer 451, Solmsen Wortforsch. 215). Nicht mit Ehrlich Sprachgesch. 14 (und Schwyzer 613) zum deiktischen Pronomen i- ‘is’. I-708

ἰγνύη (ep. ion. poet. seit Il.), ἰγνύα (Arist., hell. u. spät), auch Formen von *ἰγνύς (ἰγνύσι h. Merc. 152, ἰγνύων, -ύν Arist. u. a.) f. ‘Kniekehle’. — Aus *ἐν-γνύ-η ‘im Knie befindliche Stelle’, somit hypostatische Abstraktbildung; ἰγνύς nach ἰξύς, ὀσφύς und anderen Körperteilbenennungen auf -ύς. Solmsen Wortforsch. 214f. (Kritik bei Ward Lang. 20, 76); verfehlte Deutungen sind bei Bq notiert. I-708

ἰδανός ‘wohlgestaltet, schön’ (Kall. Fr. 535, H.), ἰδανό-χροος ‘mit schönen Farben’ (Ep. Alex.). Primäre Ableitung von ἰδεῖν (s. d.); vgl. πιθανός, ἱκανός u. a. (Chantraine Formation 196f.). — Nach Fraenkel KZ 63, 182 zu εἴδωλον mit altem Stammwechsel l ~ n; sehr hypothetisch. I-708

Ιδάρνας · ὁ ἐκτομίας ... H. — Von der karischen Stadt ’Ιδάρνη; des näheren s. E. Maaß RhMus. 74, 432ff. I-708

ἰδέ ‘und’ (ep. seit Il.), ‘(und) dann’ (kypr.). — Vielleicht aus dem deiktischen Pronomen i- (Schwyzer 613) und δέ ‘und, aber’; Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer-Debrunner 566f. Vgl. ἠδέ. I-708

ἰδέα, ion. -έη f. ‘Erscheinung, Gestalt, Beschaffenheit, Form, Urbild, Idee’ (ion. att.); zur Bed. s. Lit. zu εἶδος; außerdem H. Wersdörfer Die Φιλοσοφία des Isokrates, 1940, S. 43ff., Gillespie Class. Quart. 6, 179ff., Baldry ebd. 31, 141ff. — Verbakabstraktum von ἰδεῖν (s. d.); zur Bildung vgl. ἀλέα ‘Sonnenwärme’ usw. bei Chantraine Formation 91. I-708

ἰδεῖν Aor., Ind. εἶδον (ἴδον), oft mit Präfix, ἀπ-, εἰσ-, κατ-, συν- usw., ‘erblicken, erkennen’ (seit Il.). Davon ἰδέα, ἰδανός, s. bes.; außerdem ἰδανικὸς κόσμος ‘Ideenwelt’ (Ti. Lokr. 97d, mit Beziehung auf ἰδέα). Dagegen steht ἰλλός = ὀφθαλμός (H., z. B. s. ἔπιλλος) nicht mit v. Blumenthal Hesychst. 36 für idg. *u̯id-lo-, sondern ist aus ἔπιλλος· παράστραβος, ἰλλώπτειν· στραβίζειν u. a. frei erfunden, vgl. zu ἰλλός. — Alter thematischer Wurzelaorist, mit arm. egit und aind. ávidat ‘er fand’ formal identisch, idg. *-u̯id-e-t. Zur Bedeutung vgl. u. a. das anders gebildete lat. videō. Daneben das Perfekt οἶδα ‘weiß’, s. d.; als Präsens fungiert ὁράω. — S. noch ἰνδάλλομαι, εἴδομαι, εἶδος. I-708-709

ἴ̄δη, dor. (Theok.) ἴδα f. ‘Holz, Waldung’ (Hdt., Theok.). Daneben als EN Ἴδη Waldgebirge im westlichen Mysien (Il. usw.) und auf Kreta (D. P., Paus.); davon Ἴδηθεν, ’Ιδαῖος (Il. usw.). — Vorgriechisches Wort ohne Etymologie. Nach Georgiev und v. Windekens (s. Le Pélasgique 94) als pelasgisch zu ahd. witu ‘Holz’ usw.; eine verfehlte idg. Etymologie wird von Bq abgelehnt. Nach Prellwitz Wb. und Fay Class. Quart. 11, 214f. zu οἶδος ‘Geschwulst’ usw. I-709

ἴδιος, dor. ϝίδιος, arg. hίδιος ‘eigen, privat’ (seit Od.). Oft als Vorderglied, z. B. ἰδιο-γενής ‘von eigener Gattung’ (Pl. Plt. 265e; Gegensatz κοινο-γενής), vorw. hell. u. spät. Ableitungen: 1. ἰδιώτης m. ‘Privatmann, Laie, ungebildeter Mensch’ (ion. att.; zur Bildung Chantraine Formation 311, Redard Les noms grecs en -της 28) mit f. ἰδιῶτις (hell. u. spät); davon ἰδιωτικός ‘einem ἰδιώτης zugehörig, gemein, ungebildet’ (ion. att.; Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 120 u. 123) und ἰδιωτεύω ‘für sich allein handeln od. leben, ohne Ansehen, ungebildet sein’ mit ἰδιωτεία ‘Privatleben, Unbildung’ (att.); auch ἰδιωτίζω ‘auf besondere Weise aussprechen’ (Eust.). 2. ἰδιότης, -ητος f. ‘Eigenart, Eigentümlichkeit’ (Pl., X., hell.). 3. ἰδικός = ἴδιος (spät). 4. ἰδιόομαι ‘sich zu eigen machen, zueignen’ (Pl., hell.) mit ἰδίωμα ‘Eigenart, Besonderheit’ (hell. u. spät), ἰδίωσις ‘Sonderung, Zueignung’ (Pl., Plu.). 5. ἰδιάζω ‘eigenartig sein, allein leben’ (Arist., hell. u. spät) mit ἰδιαστής, ἰδιασμός (spät). — Arg. ϝhεδιεστας = ἰδιώτης (vgl. κηδεσ-τής, el. τελεσ-τα) läßt für ἴδιος auf ein urspr. *ϝhεδιος, zum Reflexivum ϝhε = ἕ (idg. *su̯e), schließen (Schwyzer 226 m. Lit.; über ε > ι 256). Anders, an sich auch möglich, Schulze KZ 40, 417 A. 6 = Kl. Schr. 74 A. 2, Brugmann IF 16, 491ff., Fraenkel Ling. Posn. 4, 104: zu aind. ví ‘auseinander’; arg. hίδιος dann nach ἑαυτοῦ usw., ἕκαστος. — Nicht mit Specht KZ 68, 47, Ursprung 197 m. A. 2 aus *su̯i-dio-. I-709

ἰ̄δίω (υ 204, Hp., Kom.), Aor. ἰ̄δῖσαι (Arist., Thphr.), vereinzelt mit Präfix, ἐξ-, ἀν-, ‘schwitzen’. Daneben ἶδος n. ‘Schweiß’ (Hp. Koak. 105), ‘Hitze’ (Hes. Sc. 397, Emp. u. a.) mit ἰδάλιμος ‘schweißtreibend’ (Hes. Op. 415; nach εἶδος : εἰδάλιμος, s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 29); ἀν-ιδ-ιτί ‘ohne Schweiß’ (Pl. Lg. 718e), wohl zu ἰδίω. — Aus εἶδος· καῦμα und ἠεῖδος· πνῖγος H. ist ein s-Stamm *ϝεῖδος zu entnehmen, der als idg. *su̯eidos- n. neben *su̯oido- m. in aind. svéda-, germ., z. B. ahd. sweizSchweiß’ steht. Die Form ἶδος zeigt ionische Psilose und itazistische Schreibweise (von ἱδρώς begünstigt). Ebenso ἰ̄δίω = εἰδίω (nach κηκίω u. a.) für *εἵδω = aind. svédate ‘schwitzt’ aus idg. *su̯eid-; daneben aind. svídyati = ahd. swizzit ‘ds.’ aus idg. *su̯id-i̯eti (wäre gr. *ἵζει); lettische und iranische sḱ-Formen bei Leumann IF 58, 120. — Wackernagel Philol. 86, 133ff. (Kl. Schr. 1, 745ff.); weitere außergriechische Verwandte bei WP. 2, 521, Pok. 1043, W.-Hofmann s. sūdō. Vgl. ἱδρώς. I-709-710

ἴδμων ‘wissend’ mit ἰδμοσύνη s. οἶδα. I-710

ἰδνόομαι (Hp.), Aor. ἰδνωθῆναι (Hom.) ‘sich krümmen’ (Akt. ἰδνόω Hdn. Gr. 1, 451). — Aus einem Verbaladjektiv *[ϝ]ἰδ-νός ‘krumm’; daneben das hochstufige Verbalsubstantiv aind. vedá- m. ‘Büschel starken Grases’ (eher idg. *u̯oido- als *u̯eido-) mit der l-Ableitung lat. vīdulus ‘geflochtener Korb’; mehrdeutig ist lett. wīdināt ‘flechten’. WP. 1, 236, W.-Hofmann s. vīdulus m. Lit. — Vgl. ἴτυς, εἰμάδες; auch ἶρις und οἶνος. I-710

ἴδρις ‘kundig’ s. οἶδα. I-710

ἱδρύω, Aor. ἱδρῦσαι (seit Il.), Pass. ἱδρυνθῆναι (Γ 78, Η 56 u. a.; für -ῡθῆναι? Schwyzer 761 A. 5), Perf. Pass. ἵδρῡμαι (A. usw.), Akt. ἵδρυκα (Arist.), oft mit Präfix, bes. καθ- (wozu ἐγ-καθιδρύω u. a.), ‘hinsetzen, sich setzen lassen, aufstellen, errichten, gründen’. Davon ἵδρυμα ‘das Aufgestellte, Errichtete, Standbild, Tempelbau’ (ion. att.), ἵδρυσις ‘das Errichten, die Besiedlung’ (Hp., Pl., Str., Plu. u. a.). — Denominatives Verb, anscheinend von einem Nomen *ἱδρυ- (Bed.?) ausgehend (Schwyzer 727 und 495); letzten Endes jedenfalls zu einer primären r-Ableitung des Verbs ‘sitzen, setzen’ in ἕζομαι, ἵζω gehörig; vgl. namentlich ἕδρα. Das ἱ- stammt wahrscheinlich aus ἵζω (Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 2); nach anderer Auffassung (Bq, Schwyzer 351, WP. 2, 484, Sturtevant Lang. 19, 300) wäre ι Reduktionsstufe von ε. I-710

ἱδρώς, -ῶτος, -ῶτι usw., ep. Dat. -ῷ, Akk. -ῶ (vgl. unten) m., auch f. (Sapph.) ‘Schweiß’, auch übertr. von anderer Feuchtigkeit (seit Il.). Vereinzelt in Kompp., z. B. ἱδρωτο-ποιέω (Arist.), δυσ-ίδρως ‘mit schlechtem Schweiß, schwer in Schweiß kommend’ (Thphr.), auch mit Übergang in die o-Deklination, z. B. κάθ-ιδρος ‘von Schweiß bedeckt’ (LXX). Ableitungen: Deminutivum ἱδρώτιον (Hp.); ἱδρώεις ‘schweißig’ (B.), ἱδρώδης ‘vom Schwitzen begleitet’ (Hp.), ἱδρωτικός ‘schweißtreibend usw.’ (Hp., Thphr. u. a.); ἱδρῶα (?) pl. ‘Blattern’ (Hp. Aph. 3, 21; Lesung unsicher) mit ἱδρω-τάρια, -τίδες ‘ds.’ (Mediz.; vgl. Strömberg Wortstudien 102); ἱδρώιον ‘Schweißtuch’ (Pap.); ἱδροσύναι pl. ‘schweißige Anstrengungen’ (poet. Inschr. aus Phrygien, Kaiserzeit). Denominative Verba: ἱδρώω ‘schwitzen’ (seit Il.) mit ἵδρωσις ‘das Schwitzen’ (spät) und ἱδρωτήρια pl. ‘schweißtreibende Mittel’ (Paul. Aeg.); ἱδρώττω ‘ds.’ (Gal.; vgl. Schwyzer 732). — Zu ἱδρώς bietet sich zunächst zum Vergleich arm. kirtn ‘Schweiß’, das auf einen r-Stamm *su̯id-r- zurückgeht, der auch in lett. swiêdri pl., alb. dirsë ‘Schweiß’ vorliegt. Mit diesem r-Stamm ist im Griechischen ein ō̆s-Stamm verquickt worden, der in lat. sūdor, wenn aus *su̯oidōs, ein Gegenstück haben kann. Wie γέλως, ἔρως u. a. ist auch ἱδρώς später in die τ-Stämme übergegangen (Schwyzer 514). Der s-Stamm ist indessen noch vorhanden im ep. Akk. ἱδρῶ (als -όα zu lesen? Chantraine Gramm. hom. 1, 54), vielleicht auch im Dat. ἱδρῷ, wenn für -οῖ (sehr fraglich; vgl. Chantraine 1, 211), außerdem in mehreren Ableitungen: ἱδρώ-ω, ἱδρώεις (vgl. Schwyzer 527), ἱδρώιον. — Zum Fehlen des Digamma bei Hom. vgl. zu ἐμέω (andere, nicht vorzuziehende Hypothesen bei Chantraine 1, 156). Vgl. ἰδίω. I-710-711

ἰδυῖοι, ἰδῦοιμάρτυρες, συνίστορες’ (Lex Solon. ap. Ar. Fr. 222, Paus. Gr. Fr. 151, H.), auch ‘οἱ τὰς φονικὰς δίκας κρίνοντες’ H. — Für *ϝιδυῖοι = lak. usw. βιδυιοι, s. d.; dazu noch E. Kretschmer Glotta 18, 91f. I-711

ἵεμαι, Aor. (ἐ)είσατο, Fut. εἴσομαι (s. bes.) ‘sich vorwärts bewegen, sich beeilen, streben, begehren’ (ep. poet. seit Il.). — Für *ϝί̄εμαι (zum Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 142), aber früh auf das Medium von ἵημι bezogen, was auch zu formalen Entgleisungen hat führen können; eine Vermutung darüber bei Brugmann-Thumb 324, Solmsen Unt. 151, Petersen Lang. 7, 129. Nach Anderen (Schwyzer 680, Chantraine 1, 293) dagegen eine alte athematische Bildung. Das Wort gehört jedenfalls zu einer weitverbreiteten Wortsippe mit Vertretern in aind. véti, 3. pl. vyánti ‘verfolgen, treiben’, lit. vejù, výti ‘jagen, verfolgen’, wohl auch lat. vīs ‘du willst’, in-vī-tus ‘wider Willen’ u. a. m., s. WP. 1, 228ff., W.-Hofmann s. invītō; zu dem mehrdeutigen heth. uii̯a- (u̯ii̯a-) ‘(her)schicken’ s. Pedersen Hittitisch 198, Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre 181. Ältere Lit. auch bei Bq und Bechtel Lex. s. v. — Vgl. ἰωκή, auch ἱέραξ, ἴς, οἶμος und ἰότης. I-711

ἱέρᾱξ, -ᾱκος (Alkm. 28, E., Ar., Arist. u. a.), ἴρηξ, -ηκος (ep. ion. seit Il.) m. ‘Habicht, Falke’, übertr. als Fischname (Epich. 68 u. a.; nach Strömberg Fischnamen 1 13f. wahrscheinlich ‘Hochflieger’). Vereinzelt in Kompp., z. B. ἱερακο-βοσκός ‘Falkner’ (Pap. u. a.). Mehrere Ableitungen: Deminutivum ἱερακίσκος (Ar.); ἱερακίδιον, -άδιον ‘Statuette eines Habichts’ (Delos IIa; zur Bedeutung Chantraine Formation 70), ἱερακεῖον ‘Habichttempel’ (Pap. IIa), ἱερακιδεύς ‘junger Habicht’ (Eust.; wie ἀετ-ιδεύς u. a.; Boßhardt Die Nomina auf -ευς 78f.); ἱερακάριος ‘Falkner’ (Cod. Cat. Astr. u. a.); ἱερακίτης N. eines Steins, von der Farbe (Plin., Gal. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 55), ἱεράκιον, auch -ία, -ιάς, -ῖτις Pflanzenname, ‘Habichtkraut, Hieracium’ (Ps.-Dsk. u. a.; zum unklaren Benennungsmotiv Strömberg Pflanzennamen 118). — ἱεράκ-ειος, -ώδης ‘habichtähnlich’ (spät). — Obwohl ἴρηξ bei Hom. kein Digamma aufweist (Chantraine Gramm. hom. 1, 156), ergibt die H.-glosse βείρακες· ἱέρακες (wozu βειράκη· ἡ ἁρπακτική) ein urspr. *ϝῑρᾱξ mit suffixalem -ᾱκ- wie in zahlreichen anderen Tiernamen. Auszugehen ist von einem Adj. (Nomen) *ϝῑρος, das sich ungesucht zu (ϝ)ίεμαι ‘sich vorwärts bewegen’ gesellt (Ebel KZ 4, 164f.). Die sekundäre Form ἱέραξ beruht auf Volksetymologie nach ἱερός. — Solmsen Unt. 148f., Bechtel Lex. s. ἴρηξ; weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 229. I-712

ἱερός "heilig", ‘einem Gott geweiht, göttlich’ , auch im allg. lobend ‘herrlich, trefflich, kräftig, rasch usw.’ (vgl. unten); (seit Il.), dor., nwgr. ἱαρός, ion. poet. ἰ̄ρός, äol. ἶρος, myk. i-je-ro (?); ἱερόν n. ‘heiliger Bezirk, Tempel’ (nachhom.), ἱερά n. pl., selten sg. ‘Weihgeschenk, Opfer(tier)’ (seit Il.). Als Vorderglied in zahllosen Kompp., auf die hier nicht eingegangen werden kann. Ableitungen (die Dialektformen werden im allg. nicht besonders angeführt): 1. ἱερεύς (seit Il.), myk. i-je-re-u (?), ark. kypr. ἱερής, ion. auch ἱέρεως (kaum aus ἀρχιέρεως ausgelöst, Sommer Nominalkomp. 129 m. Lit., Egli Heteroklisie 111f. mit neuem Erklärungsversuch) m. ‘der die Opfer (τὰ ἱερά) verrichtet, Opferer, Priester’ (Schulze KZ 52, 193 = Kl. Schr. 573; nach Boßhardt Die Nom. auf -ευς eher Rückbildung aus ἱερεύω; zur Bed. und Verbreitung E. Kretschmer Glotta 18, 81f.). Von ἱερεύς stammen: a) mehrere Femininbildungen (vgl. zu βασιλεύς): ἱέρεια (seit Il.), myk. i-je-re-ja (?), kypr. ἰερήϝιjα, ion. ἱερέη, -ῆ; ἱερηΐς (megar.), ἱέρισσα (Pap. IIa); b) die Nomina ἱερεία ‘Priesterwurde’ (Thyateira; vgl. Bechtel Dial. 1, 311), ἱερεῖον, -ήϊον ‘Opfertier’ (seit Il.), ἱερ(ε)ωσύνη ‘Priestertum’ (ion. att.) mit ἱερ(ε)ώσυνος ‘priesterlich’ (hell. u. spät); c) das Adjektiv ἱερευτικός ‘priesterlich’ (Pap.); d) die Denominativa ἱερεύω ‘opfern, weihen’ (seit Il.) mit ἱέρευσις (Sch.) und ἱερεύσιμος (Plu. 2, 729d, neben θύσιμος; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 94), wenn nicht eher von ἱερός, ἱερά; ἱερεώομαι, ἱερεώσασθαι ‘ein Priesteramt ausüben’ (hell.; Schulze Symb. phil. Danielsson 304 = Kl. Schr. 325). — 2. ἱερόλας = ἱερεύς (S. Fr. 57; nicht sicher; zur Bildung Chantraine Formation 238). — 3. ἱερῖτιν· καθαρμοῦ δεομένην, ἱκέτιν H. (A. Fr. 93). — 4. ἱερατικός ‘priesterlich, hieratisch’ (Pl. Plt. 290d, Arist. usw.; vgl. auch ἱερατεύω, ἱερατεία unten). — 5. Ἵερυς PN (Leumann Glotta 32, 220). — 6. Mehrere Denominativa: a) ἱερεύω, vgl. zu ἱερεύς; b) ἱεράομαι die Opfer (ἱερά) besorgen’ (Hdt., Th. usw.); c) ἱεράζω ‘ds.’ (ion. Inseln), böot. ἱαρειάδδω, wohl von ἱαρεία; d) ἱερόω ‘weihen’ (att., lokr. usw.) mit ἱέρωμα ‘Weihung’ (kret., epid. usw.), ἱερωτός (thess.); e) ἱερίζω = καθαίρω H. (s. ἁγνίτης) mit ἱεριστής ‘der die ἱερά besorgt’ und ἱερισμός ‘heiliger Dienst’ (hell.); f) ἱερατεύω ‘Priester sein’ mit ἱερατεία, ἱεράτευμα, ἱερατεῖον; ἱεριτεύω ‘ds.’; ἱερωτεύω ‘ds.’ mit ἱερωτεία; alle dialektisch, hell. und spät; zur Bildung Schwyzer 732, Solmsen Glotta 1, 80. — Die wechselnde Bedeutung, z. T. auch die schwankende Form haben viele Forscher dazu veranlaßt, ἱερός in zwei oder sogar in drei verschiedene Wörter zu zerlegen. So hat man wegen der anlautenden Länge in ἱ̄ερὸν ἰχθύν Π 407, ἱαρὸς ὄρνις (Alkm. Fr. 26) und ἱερὸς ὄρ. (AP 7, 171), die sich unschwer als metrische Dehnung erklären läßt, ein besonderes ϝῑερός ‘hurtig, schnell’, wovon ἱέραξ ‘Habicht’ (s. d.), angenommen. Im Sinn von ‘stark, kräftig’ wäre ἱερός dagegen mit aind. iṣirá- etwa ‘kräftig, regsam’ identisch; hierher noch keltische Flußnamen wie Isara (zuletzt Krahe Beitr. z. Namenforschung 4, 121f.). Ein drittes ἱερός, u. zw. im Sinn von ‘heilig’, hätte Beziehungen zum Italischen und Germanischen, z. B. osk. aisusis ‘sacrifiis’, pälign. aisis, umbr. erus ‘dis’, ahd. ēraEhre’. So namentlich Schulze Q. 207ff. nach Ahrens Phil. 27, 585ff., Solmsen Unt. 147ff. Für einheitlichen Ursprung, wenn auch im Einzelnen voneinander abweichend, dagegen Kuhn KZ 2, 274, Meillet Zeitschr. celt. Phil. 10, 309, Devoto Studi etr. 5, 316, v. Wilamowitz Glaube 1, 21f., Specht bei Schaeder ZDMG 94, 408, Duchesne-Guillemin Mélanges Boisacq 1, 333ff., der als Stütze für die alte Gleichung mit aind. iṣirá- mit Recht auf die Übereinstimmung zwischen ἱερὸν μένος und aind. iṣiréṇa mánasā (Instr.) hinweist. — Eine vermittelnde Auffassung wird von Kretschmer Glotta 11, 278ff. (s. auch dens. Glotta 30, 88) insofern vertreten, als er ἱερός als Kreuzung von vorgr. *aisaros, *eiseros ‘göttlich’ (wozu etr. aesar ‘Gott’ und die oben genannten osk. aisusis usw.) und einem idg. Wort für ‘kräftig, hurtig’ (= aind. iṣirá-) faßt. -Ausführliche Behandlung mit weiterer Lit. von P. Wülfing von Martitz in einer ungedruckten Diss. (Göttingen 1958) ‘Ιερός bei Homer — mit einem Ausblick auf den Gebrauch in d. Lit. der folg. Zeit; s. auch Belardi Doxa 3, 207. Zum Wechsel von ἱερός, ἱαρός, ἰ̄ρός (aus idg. *iseros, *isr̥os, *isrós) Schwyzer 482 und 243; zum Hauch ebd. 219f. Zur Bedeutung (gegenüber ἅγιος, ἁγνός) Nilsson Gr. Rel. 1, 61ff.; auch J. Chr. Bolkestein Ὅσιος en εὐσεβής. Diss. Amsterdam 1936, Palmer Eranos 53, 4ff., Defradas Rev. de phil. 81, 208ff. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 4; 13; 229. I-713-714

ἵζω ‘(sich) setzen, sitzen’ — Zur Konjugation von καθίζω noch Chantraine BSL 36, 19ff. s. ἕζομαι. I-714

ἰηθενέουσα · ἐκπεπληγμένη, καὶ ἀποροῦσα; ἰαθενεῖ· διαπορεῖ ἐπί τινι κακῷ. Κῶοι H. — Unerklärt. Enthält nach Fick BB 8, 330; 16, 289; 28, 90 eine Vorsilbe ἰη-, die er mit aind. īṣát ‘wenig, leicht, etwas’ verbinden will. Nach Fraenkel KZ 77, 188 wäre ἰη-, ἰα- in die Privativpartikel νη-, νᾱ- zu ändern. Noch anders Prellwitz Glotta 19, 125. I-714

ἰήϊος Beiwort des Apollon, "der mit ἰή (παιών) angerufene", auch ἰήϊε παιάν; außerdem von βοά, γόος, κάματοι ‘aus Wehrufen bestehend, von Wehrufen begleitet’ (Pi., Trag. in lyr., A. R. u. a.). — Aus der Interjektion ἰή (wozu pl. ἰῆτε [Pi.]; Wackernagel Philol. 95, 184 = Kl. Schr. 2, 883); vgl. ἤϊε und Εὔιος. — Von den Alten falsch auch auf ἵημι bezogen ("ἀπὸ τῆς ἀφέσεως καὶ τοξείας" H.). I-714

ἵημι, Aor. ἕηκα, ἦκα, Inf. ἕμεναι, εἷναι, Med. εἵμην (ἡκάμην), Inf. ἕσθαι, Pass. εἵθην, ἑθῆναι, Fut. ἥσω (seit Il.); Perf. Med. εἷμαι, Akt. εἷκα (att.), ἕωκα (hell.), vorwiegend, in gewissen Formen ausschließlich mit Präfix in verschiedenen Bedeutungen, ἀν-, ἀφ-, ἐφ-, καθ-, προ-, συν-, ὑφ- usw., ‘(ent)senden, entlassen, werfen, schleudern usw.’; Einzelheiten aus der Flexion bei Schwyzer 686f., 741, 770, 775. Zahlreiche Ableitungen, aber fast nur von den präfigierten Formen: 1. ἧμα ‘das Werfen, Speerwurf’ (Ψ 891; Porzig Satzinhalte 267), ἥμων ‘speerwerfend’ (Ψ 886); κάθημα, hell. -εμα (Schwyzer 523) ‘Halsband’ (Antiph., LXX); μεθήμων ‘nachlässig’ mit -μοσύνη (Hom.), συνήμων ‘Genosse’ (A. R.) mit -μοσύνη ‘Vertrag, Genossenschaft’ (Il. usw.). 2. ἑσμός ‘(Bienen)schwarm’ s. bes. 3. ἄν-, ἄφ-, ἔξ-, ἔφ-, κάθ-εσις usw. (ion. att.; ἕσις nur Pl. Kra. 411d, 420a als künstliche Bildung, EM 469, 49) mit ἀφέσιμος u. a. (Arist.). 4. ἐννεσίαι ‘Ratschläge’ (ep. seit Il.), ἐξεσίη ‘Aussendung’ (Hom.), ἀνεσία ‘das Nachlassen’ (Kratin.); zur Bildung s. ἐννεσίαι. 5. ἐνετή ‘Spange, Nadel’ (Il. usw.). 6. ἐν-, ἀφ-, καθ-ετήρ (Hp., hell. u. spät) mit -ετήριος usw.; καθετηρίζω, -ισμός (Mediz.). 7. ἐφέται, ἐφετμή s. bes.; ἀφέτης ‘Absender, Schleuderer’ (Plb. u. a.). 8. συνετός ‘verständig’ (Pi., ion. att., neben σύνεσις ‘Verstand’), ἄν-, ἄφ-, κάθ-ετος usw.; ἀν-, προ-ετικός (: ἄν-, πρό-εσις; X., Arist., hell.). — Die Proportion ἔθηκα : fēcī : ἕηκα : iēcī spricht entschieden für einen genetischen Zusammenhang zwischen den beiden letztgenannten Formen; weit weniger schwer fallen dafür in die Waage die parallel laufenden Komposita ἀφ-, ἐν-, προ-, συν-ίημι : ab-, in-, prō-, con-iciō, da sie ja auf Gleichheit der Bedeutung beruhen können. Anderseits stimmen die Präsentia ἵημι, wenn aus *si-sē-mi, und lat. serō ‘säen’ aus *si-s- der Bildung nach zueinander. Die schwerwiegende Einwendung, daß idg. sē(i)- ‘entsenden, werfen’ auf europäischem Boden sonst nur im Sinn von ‘säen’ vorkommt, wurde von arm. himn ‘Grundlage, Basis’, wenn aus idg. *sē-mn̥ (= ἧμα, lat. sēmen), in Anbetracht der vielen Berührungen zwischen Griechisch und Armenisch einigermaßen abgeschwächt werden (Frisk Eranos 41, 49f.). So verdient immerhin die Annahme Beachtung, nach der das Paradigma ἵημι, ἕηκα, pl. ἕεμεν das Resultat einer Vermischung von idg. sē(i)- und i̯ē-k- sei (Bartholomae KZ 27, 355; zuletzt Petersen Lang. 7, 125ff., Schwyzer 741 m. weiterer Lit.). Für ausschließlichen Anschluß an iaciō optieren u. a. Osthoff Etym. parerga 1, 197f., Hirt IF 12, 229, v. Windekens Philol. Stud. 11-12, 161ff., Walde (zuletzt WP. 2, 460), Hofmann s. iaciō und 1. serō, Ernout-Meillet, Bq. Dagegen für serō (ausschließlich oder hauptsächlich) Persson Beitr. 1, 358ff., Fraenkel REIE 2, 46ff. usw.; weitere Lit. bei Frisk a. a. O. I-714-715

ἰθαγενής, sek. ἰθαιγενής (Schwyzer 448 m. Lit.) ‘hier, d. h. zu Hause geboren, in rechtmäßiger Ehe geboren, eingeboren’ (ξ 203, ion., A., Arist. usw.). — Bildung wie αὐθι-γενής, Bahuvrihi von γένος mit altererbtem adverbialem Vorderglied ἰθα- = aind. ihá, prākr. idha, aw. iδa ‘hier’; vom Pronominalstamm i- in kypr. ἴν (s. d.) und mit demselben Suffix wie in ἔν-θα. Schwyzer 613 m. Lit. und 628; außerdem W.-Hofmann s. ibi, wo auch weitere Einzelheiten. Verfehlt Bechtel Lex. s. v. I-715

ἰθαρός ‘heiter, klar, rein’ (Alk., Simm., AP) s. αἰθήρ und αἴθω. I-715

ἴθματα pl. ‘Schritte, Tritte’ s. εἶμι. I-715

ἰθουλίς Fischname (BCH 60, 28; Böot., IIa), — vielleicht nur Verschreibung für ἰουλίς (s. ἴουλος und den Herausg. z. St.). I-715

ἴθρις = ἔθρις, s. d. I-715

ἴθυμβος m. Ben. eines bakchischen Gesanges mit Tanz, bzw. des Ausführers desselben (Poll. 4, 104, H., Phot.). — Bildung wie ἴαμβος, διθύραμβος usw. und wie diese ein unerklärtes Fremdwort. Verfehlte idg. Etymologie bei H. Petersson IF 34, 236’ vgl. Charpentier ebd. 35, 248. I-715-716

ἰθυπτίωνα Akk. nur μελίην ~ ‘geradefliegende Lanze’ (Φ 169, Versende). — Zusammenbildung aus ἰθύς und der Schwundstufe von πέτομαι mit Ausgang nach den Nomina auf -ων, -ίων (καταπύγων, οὐρανίων, κυλλοποδίων) für *ἰθύ-πτ-ιος (wie ὁμό-γν-ιος). Schulze Q. 309 (wo auch über die Dehnung des -ι-), Risch 52. I-716

ἰ̄θύς Adj. ‘gerade, gerecht’, auch Adv. (neben selteneren ἰθύ, ἰθέως) ‘geradeswegs’ (ep. ion. poet. seit Il.; vgl. zu εὐθύς); Superl. ἰθύντατα (Hom.; nach ἰθύνω?, anders Schwyzer 534). Oft als Vorderglied (darüber Strömberg Prefix Studies 156), z. B. ἰθυ-ωρίη, vgl. zu εὐθυωρία. Ableitungen: 1. ἰθύ̄ς f. ‘gerade Richtung, Gang, Unternehmen’, nur im Akk. ἀνἰθύν, πᾶσαν ἐπἰθύν usw. (Hom.); zur Erklärung Schwyzer 463 m. A. 8, Frisk Eranos 43, 221. 2. ἰθύτης f. ‘gerade Richtung’ (Aret.). Denominative Verba: 1. ἰθύω, Aor. ἰθῦσαι, auch mit ἐπι-, ‘gerade angehen, angreifen, streben’ (ep. ion. poet. seit Il.); 2. ἰθύνω, Aor. ἰθῦναι, Pass. ἰθυνθῆναι, auch mit Präfix, δι-, ἐξ-, ἐπ-, κατ-ιθύνω usw., ‘gerade machen, richten, lenken, führen’ (ep. ion. poet. seit Il.; Schwyzer 733) mit ἰθυντήρ ‘Lenker, Führer’ (Theok., A. R. u. a.), f. ἰθύντειρα (Orph. A. 352), Adj. -τήριος ‘lenkend, führend’ (S. Ichn. 73); auch ἰθύντωρ (Orph. u. a.), ἰθύντης (H.) ‘ds.’; postverbal ἴθυνα = εὔθυνα (Chios V-IVa). — Der nicht abzuweisende Vergleich mit aind. sādhú- ‘gerade, richtig’ (neben sā́dhati, sādhnoti ‘zum Ziel kommen’) setzt einen ursprünglichen Langdiphthong, idg. sā[i]dh- : sīdh- voraus, der indessen sonst ausgeschaltet ist; die aind. Schwundstufe zeigt in sídhyati ‘zum Ziel kommen’, Ptz. siddha-. Hierher vielleicht noch arm. aǰ ‘dexter, recht’ aus *sādhi̯o-, evtl. *sədhi̯o- (Lidén Armen. Stud. 75f.). Ältere Lit. bei Bq und WP. 2, 450. Abzulehnen Sommer IF 11, 208, Wood ClassPhil. 7, 324, ders. Mod. langu. notes 18, 13f. I-716

ἱκανός ‘zureichend’, ἱκάνω ‘kommen’ s. ἵκω. I-716

ἴκελος, auch εἴκελος (nach εἰκών, εἰκάζω usw.; urspr. vielleicht nur für metrisch gedehntes ἴ̄κελος, Leumann Hom. Wörter 306 A. 76) ‘vergleichbar, ähnlich’ (ep. ion. poet. seit Il.). Als Hinterglied u. a. in θεο-(ε)ίκελος ‘götterähnlich’ (Il.) und in ἐπι-, προσ-(ε)ίκελος ‘ähnlich’ (Hom., Hdt.) von ἐπι-, προσ-έοικα; vgl. auch zu ἐπιεικής. Davon ἰκελόω ‘gleich machen’ (AP). — Altertümliche Bildung auf Grund der Schwundstufe von ἔοικα (s. d.) mit λο-Suffix (Chantraine Formation 243); vgl. ἀ-ϊκής neben ἀ-εικής. I-716

ἱκέτης ‘Schutzflehender’, auch attributivisch ‘schutzflehend’ (seit Il.), f. ἱκέτις, -ιδος (Hdt. usw.). m. Davon 1. ἱκέσιος ‘zum ἱκέτης gehörig usw.’, Beiname des Zeus als des Beschützers der Schutzflehenden, ‘schutzflehend’ (Trag. usw.); 2. ἱκεσία ‘Schutzflehen, Hilfsgesuch, Bitte’ (E., Aeschin. usw.); 3. ἱκετήσιος = ἱκέσιος (ν 213), nach φιλοτήσιος usw. (Chantraine Formation 41f.; Fraenkel Nom. ag. 2, 151f.); daneben ἱκτήριος von ἱκτήρ (s. ἵκω); durch Vermischung ἱκετηρία (sc. ῥάβδος) eig. ‘der Zweig (des Lorbeer- oder Ölbaums) der Schutzflehenden’, ‘Bittgesuch’ (ion. att.), ἱκετῆρες = ἱκέται (S. O. T. 185; lyr.), ἱκετηρίς f. (Orph. Π.); umgekehrt ἵκτης (Lyk. 763); 4. ἱκετικός = ἱκέσιος (Ph., Aq.). 5. ‘Ικέτυλλος PN (att. Inschr.; Leumann Glotta 32, 219 u. 225 A. 1). Denominativum ἱκετεύω ‘Schutzflehender sein, anflehen’ (seit Il.) mit ἱκετεία (att.), auch ἱκέτευμα (Th. u. a.), ἱκέτευσις (Suid.) = ἱκεσία; ἱκετευτικός (Sch.). — Von ἵκω, ἱκέσθαι, s. d.; mehrere Einzelheiten zur Bildung bei Fraenkel Nom. ag. (s. Index); zur Bedeutung J. van Herten Θρησκεία, εὐλάβεια, ἱκέτης. Diss. Utrecht. Amsterdam 1934. I-717

ἰκμάς, -άδος f. ‘Feuchtigkeit, Sekret’ (Ρ 392, Hdt., Hp., Ar., Arist. usw.). Als Hinterglied (mit Umbildung nach den ο-Stämmen) ἄν-, ἔν-, δύσ-ικμος (Hp., Arist. usw.), als Vorderglied in ἰκμό-βωλον n. ‘feuchter Erdkloß’ (Dsk.; zum Ntr. vgl. zu διόσπυρον). Ableitungen: ἰκμαδώδης (H. s. ἴκμενος), ἰκματώδης (Ach. Tat.; nach αἱματώδης) ‘feucht’; auch ἰκμαῖος (A. R., Nonn.), ἴκμιος (Kakl., Nonn.), ἰκμώδης (Sch.), ἰκμαλέος (Hp., Opp. u. a.; Debrunner IF 23, 8); ἰκμαίνω ‘feuchten, benetzen’ (A. R., Nik.). Hierher noch die Rückbildung ἴκμη ‘Entengrün, Lemna minor’ (Thphr.; anders über die Bildung Strömberg Pflanzennamen 113); auch ’Ικμάλιος τ 57?; unsichere Vermutung von Lacroix Coll. Latomus 28, 309ff. — Bildung auf -άδ- wie νιφάς u. a. (Schwyzer 507f., Chantraine Formation 349ff.), zunächst von einem μ-Stamm; daß dieser in den meist späten Ableitungen ἰκμαῖος usw. Spuren hinterlassen hätte, ist wenig wahrscheinlich. Ein primärer Aorist scheint in ἷξαι· διηθῆσαι H. erhalten zu sein; außerhalb des Griechischen gibt es mehrere Verwandte, z. B. aind. siñcáti ‘ausgießen’ (Nasalpräsens), germ., z. B. ahd. sīhanseihen’ (primäres Wurzelpräsens), aksl. sьčati ‘harnen’ (Iterativbildung). Weitere Formen m. Lit. bei WP. 2, 466f., Pok. 893, W.-Hofmann s. siat. I-717

ἰκμάω ‘worfeln’ s. λικμάω. I-717

ἴκμενος Beiw. von οὖρος ‘Wind’ (Α 479, Od.), — athematisches Ptz. wie ἄρμενος, ἄσμενος u. a. (Schwyzer 524, Chantraine Gramm. hom. 1, 384), vielleicht urspr. sigmatisch (Schwyzer 751). — Wahrscheinlich von ἵκω, ἱκέσθαι ‘kommen’, aber eig. Bedeutung unklar: viell. "mit dem man vorwärts kommt, bei dem man gut hinkommt" (WP. 2, 465, Schwyzer), d. h. ‘günstig’. Nach Schulze Q. 493 mit Zustimmung von L. Meyer, Bechtel Lex., Fraenkel Nom. ag. 1, 52 A. 2 (S. 53) dagegen ‘erwünscht’ (vgl. lat. flatus optati), zu προ-ΐκτης, ἱκετεύω usw., und wie diese nicht von ἵκω ‘kommen’, sondern von einem Verb ‘bitten’ (got. aihtron; auch αἰκάζει· καλεῖ H.). I-717-718

ἱκνέομαι ‘kommen’ s. ἵκω. I-718

ἰκνύς, -ύος f. ‘Staub, Asche’ (Kyrene); vgl. ἴκνυον· κονίαν, σμῆμα H. und ἰγνύς ‘ds.’ (Hp. Nat. Mul. 88). — Bildung wie λιγνύς ‘Rauch, Ruß’, aber sonst unklar; nach v. Blumenthal Hesychstud. 39 zu idg. seiq- ‘trocken’ (WP. 2, 467). Vgl. W.-Hofmann s. ignia. I-718

ἴκρια (wahrscheinlich ῑ-; Ar. Th. 395, Kratin. 323) n. pl. ‘Aufbauten, Verdeck’, eig. ‘die (stehenden) Stützbalken desselben’? (Hom., B. u. a.), ‘Gerüst, Plattform, Zuschauerplätze’ (Hdt., Kom., Inschr. usw., vgl. Beare ClassRev. 53, 54f.); sg. ‘Mast’ (Eust. 1533, 31 [?]). Kompp. ἰκρισ-ποιέω ‘ein Gerüst aufbauen’ (hell. Inschr.), ἐπ-ίκριον n. ‘Segelstange, Rahe’ (ε 254, 318, A. R.), eig. Hypostase: ‘auf den ἴκρια befindlich’; als Adj. Nik. Th. 198? Denominatives Verb ἰκριόω ‘mit ἴκρια versehen, ein Gerüst errichten’ (att. Inschr., D. C.) mit ἰκρίωμα ‘Gerüst’ und ἰκριωτῆρες pl. ‘(stehende) Stützbalken, Pfeiler’ (att. Inschr.; oft hικ- geschr.). — Technischer Ausdruck ohne Etymologie, vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 8, Hermann Gött. Nachr. 1f. Hypothese von Bezzenberger BB 27, 162 (zu russ. ikrá ‘Wade’; dazu Vasmer Russ. et. Wb. s. v.); nicht besser Gray AmJPh 53, 67ff. (zu apers. yakā Art Holz; zur Bed. Kent Old Persian [1950] 204). I-718

ἰκταίνω s. 1. ἴκταρ. I-718

ἴκταρ 1. Adv. u. Präp. m. Gen. (Dat.) ‘nahe, nahe bei’ (Hes., Alkm., A. u. a.). — Zur Bildung vgl. ἄφαρ, εἶθαρ u. a. (Schwyzer 630f.), wohl eig. wie diese ein Verbalnomen auf -(τ)αρ; schon von Pott zu lat. īcō ‘schlagen’ gezogen und als "anstoßend" erklärt; vgl. aind. ghanám und taḍítas Adv. ‘nahe’ von han- ‘schlagen’ bzw. taḍ- ‘stoßen’. Vgl. ἴγδις und αἰχμή; außerdem Belardi Doxa 3, 207. — Unklar auch der Bedeutung nach ist ὑπερικταίνοντο (πόδες) ψ 3, nach Aristarch = ἄγαν ἐπάλλοντο; gewöhnlich (s. Debrunner IF 21, 66) mit ἴκταρ zusammengestellt; vgl. noch Schwyzer-Debrunner 519. Eine v. l. ὑποακταίνοντο ist bei H. mit ἔτρεμον glossiert; dazu Bechtel Lex. s. ἰκταίνω. I-718

ἴκταρ 2. (Kall. Fr. 38, Eust.), ἰκτάρα H. m. Ben. eines kleinen wertlosen Fisches; auch κτάρα· ἰχθῦς βραχύτερος πάντων H., ἀκτάρα (Sch. Opp. H. 1, 762). — Dunkles Fremdwort; zum Sachlichen Thompson Fishes s. v. I-719

ἴκτερος m., oft pl. ‘Gelbsucht’ (Hp.), auch N. eines Vogels = lat. galgulus (Plin.; nach der Farbe). Davon ἰκτερικός, ἰκτερώδης ‘gelbsüchtig, auf die Gelbsucht bezüglich’ (Mediz.), auch ἰκτεριώδης ‘ds.’ (Hp., Dsk.; nach ἰκτεριάω) und ἰκτερόεις ‘ds.’ (Nik.; poetisch, Schwyzer 527); ἰκτερῖτις f. ‘Rosmarin’ (Ps.-Dsk.; als Heilmittel gebraucht; Redard Les noms grecs en -της 72, Strömberg Wortstudien 29), -ίτης ‘ds.’ (Gloss.); ἰκτερίας N. eines gelblichen Steins (Plin.; wie καπνίας u. a., Chantraine Formation 94). Denominativa ἰκτερόομαι (Hp., Gal.), ἰκτεριάω (M. Ant., S. E. usw.; Bildung Schwyzer 732) ‘an der Gelbsucht leiden’. — Bildung wie ὕδερος, χολέρα (Schwyzer 481, Chantraine Formation 228), sonst dunkel. Die Zusammenstellung mit ἴκτις, ἰκτῖνος (Prellwitz BB 30, 176, Wb. 195; wegen der Farbe) ist von Grošelj Živa Ant. 6, 236f. unter Annahme einer Farbwurzel ἰκ- ‘gelb, grün’ (wozu auch ἰκμαλέον· χλωρόν, ὑγρόν H. [?]) wieder aufgenommen worden. Verfehlte ältere Versuche bei Bq (ebenso Walleser WuS 14, 165 u. 173). I-719

ἰκτῖνος m. (ion. att.), sekundär ἰκτίν (-ίς), -ῖνος (Kom., Paus. u. a., vgl. Thompson Birds s. v.; nach δελφίς) ‘der Weihe, Hühnergeier’. — Bildung wie ἐχῖνος u. a. (Schwyzer 491, Chantraine Formation 204), aber wahrscheinlich altererbt und mit arm. c̣in ‘ds.’ identisch (zum Lautlichen Schwyzer 413 und 325; dazu Deroy Ant. Class. 23, 305ff.). Aind. śyená- m. ‘Adler, Falke’, aw. saēna- N. eines großen Raubvogels weichen lautlich stark ab; Erklärungsversuch bei Merlingen Μνήμης χάριν 2, 53f. — Lit. bei Bq und WP. 1, 505, wo auch weitere Einzelheiten. S. auch zu ἴκτερος. I-719

ἴκτις, -ιδος (ἰκτίς, -ίδος) f. ‘Marder’ (Ar., Arist., Nik.); davon κτίδεος (ἰκτίδεος Suid.) in κτιδέη κυνέη ‘Helm aus Marderfell’ (Κ 335, 458) mit Apokope des Anlautvokals, vielleicht durch Umgliederung der Wortfuge (P. Maas KZ 60, 286, Leumann Hom. Wörter 53f.); durch künstliche Rückbildung κτίς H. s. κτιδέα. — Ohne Etymologie; vgl. zu ἴκτερος. I-719

ἵκω (ep. lyr. dor. ark.), ἱκάνω (ep. lyr., vereinzelt trag.), ἱκνέομαι (seit Od., fast nur mit Präfix, s. unten), Aor. ἱκέσθαι, Fut. ἵξομαι (seit Il.) mit dem ep. Aor. ἷξε, ἷξον (Schwyzer 788, Chantraine Gramm. hom. 1, 418f., Leumann Glotta 32, 213), Perf. ἷγμαι (seit Od.), oft, in der Prosa fast ausschließlich mit Präfix, bes. ἀφ-, ἀπ- (wozu εἰσ-, συν-αφ-ικνέομαι u. a.), auch ἐξ-, ἐφ-, καθ- u. a. (dazu Fraenkel Glotta 35, 88ff. mit baltischen Parallelen), ‘kommen, gelangen, erreichen’. Ableitungen: 1. ἵξις (ἴξις) ‘Streckung, Richtung’ (Hp. usw.), von ἀφικνέομαι usw. ἄφιξις ‘Ankunft’ (ion. att.), selten u. spät ἔφ-, κάθ-, δί-ιξις; 2. ἵκτωρ, ἱκτήρ = ἱκέτης, ἱκέσιος, auch προσ-, ἀφ-ίκτωρ ‘ds.’, (trag.) mit ἱκτήριος (S.); Versuch einer semantischen Differenzierung von Benveniste Noms d’agent 46; 3. ἱκέτης mit ἱκετεύω usw. s. bes.; daneben (προσ-)ἵκτης (hell. Dichtung); 4. πόθ-ικ-ες pl. ‘προσήκοντες, Angehörige’ (Tegea Va); 5. ἱκανός ‘zureichend, genügend’ (ion. att. Prosa), vgl. πιθανός u. a. (Chantraine Formation 196f.); s. noch ἴκμενος, προίξ. — Neben dem langvokalischen aktiven thematischen Wurzelpräsens ἵ̄κω (ursprünglich Perfektum? Wackernagel Glotta 14, 56ff.) steht der kurzvokalische mediale thematische Wurzelaorist ἱκέσθαι; kurzvokalisch sind ebenfalls das aktive ἱκά̄νω (nach φθάνω, κιχάνω, Schwyzer 698 m. A. 3 und Lit.) und das mediale ἱκνέομαι (Schwyzer 696a, Chantraine Gramm. hom. 1, 352f.), außerdem ἱκανός und andere Nominalbildungen. Die normale Hochstufe kommt in dem semantisch abweichenden ἐνεῖκαι ‘hintragen’ (s. d.) zum Vorschein (Brugmann Grundr.2 2 : 3, 92); daneben stehen langvokalische Formen nicht nur in ἵ̄κω, sondern auch in ἥκω (s. d.). Als gemeinsame vokalische Grundlage wäre also ein Ablaut ei : einschließlich langdiphthong. ēi : mit daraus hervorgegangenem anzuerkennen. — Eine annehmbare Anknüpfung bietet lit. siékiu, siékti ‘mit der Hand langen, schwören’, at-siékiu ‘mit der Hand erreichen’ (Fick GGA 1891, 207), idg. somit seiq-, siq-, sē[i]q-, sīq- (Bq, WP. 2, 465f., wo auch weitere ältere Lit., Pok. 893); Schmid IF 62, 229 A. 41 denkt an toch. B sik-naṃ, Konj. saikaṃ ‘den Fuß setzen’. I-719-720

ἱλάειρα, ἵλαος, ἱλαρός, ἵλεως s. ἱλάσκομαι. I-720

ἱλάσκομαι (seit Il.), vereinzelt ἵλαμαι (h. Hom. 19, 48; 21, 5; Inf. ἵλασθαι Orph. A. 944; zur Quantität usw. des Anlauts in diesen und den folgenden Formen s. unten), ἱλάονται (Β 550, ἱλάεσθαι A. R. 2, 847); Aor. ἱλάσ(σ)ασθαι (seit Il.), ἱλάξασθαι (delph., A. R.), Pass. ἱλασθῆναι (LXX usw.); Fut. ἱλάσ(σ)ομαι (Pl., Orac. ap. Paus. 8, 42, 6), ἱλάξομαι (A. R.); Perf. Ipv. äol. ἔλλαθι (Gramm., B. 10, 8), pl. ἔλλατε (Kall. Fr. 121); daneben ἵλᾰθι, ἵλᾰτε (Theok., A. R. u. a.), ἵληθι (γ 380, π 184), vgl. unten; Konj. ἱλήκῃσι (φ 365), Opt. ἱλήκοι usw. (h. Ap. 165, AP, Alkiphr.), auch mit Präfix, bes. ἐξ-, ‘günstig, gnädig stimmen, versöhnen’, Perf. intr. und Aor. Pass. ‘günstig, gnädig sein’. Ableitungen: ἐξίλασις, (ἐξ-)ἱλασμός (LXX u. a.), ἱλασία (Inschr. Kaiserzeit), (ἐξ-)ἵλασμα ‘Versöhnung, Sühnopfer’ (LXX), ἱλάσιμος ‘versöhnlich’ (M.Ant.; nach ἰάσιμος u. a., Arbenz Die Adj. auf -ιμος 93), ἱλαστήριος ‘sühnend’, -ιον ‘Sühnmittel usw.’ (LXX, Pap. u. a.), auch (analogisch) ἱλατήριον (Chron. Lind.), ἱλαστής ‘Versöhner’ (Aq., Thd.) mit ἐξιλαστικός (Corn. u. a.). — Daneben stehen ältere Bildungen: 1. ἵλαος (ep. lyr. ark.; zur Quantität des α unten), ἵλεως (att., auch ion.), ἵλεος (kret. seit IIIa, auch Hdt.), hιλέ̄ϝο̄ι Dat. (lak., IG 5 : 1, 1562, VI-Va), ἴλλαος (äol., Gramm.) ‘gnädig, gütig’; ark. ‘gesühnt’; denominatives Verb ἱλαόομαι (ΜΑΜΑ 1, 230), ἱλεῶμαι, ἱλεόομαι (A. Supp. 117 [lyr.], Pl. u. a.; vgl. Schulze Kl. Schr. 324f.) ‘gnädig stimmen’ mit ἱλέωσις (Plu.), ἱλεωτήριον (Phot., Suid.). 2. ἱλαρός ‘heiter, fröhlich’, spät auch = ἵλεως (Ar., X., hell. u. spät) mit ἱλαρότης, ἱλαρία, ἱλαρόω, -ρύνω, -ρεύομαι (hell. u. spät); lat. LW hilarus, -is. 3. ἰλλάεις, -εντος (Alk.), ἱλᾶς, -ᾶντος (Hdn. Gr., H.) = ἴλλαος, ἵλαος und daraus erweitert (vgl. Schwyzer 527). 4. ἱλάειρα f. von φλόξ und σελήνη (Emp.; Quantität schwankend, vgl. unten), daneben ἑλάειρα (Sch., Steph. Byz.) und ΕΛΕΡΑ (Kretschmer Vas. 208; s. noch Schulze Kl. Schr. 716), Neubildung nach πίειρα, κτεάτειρα, Δάειρα usw., Chantraine Formation 104, Schwyzer 543. — Entscheidend für die Beurteilung des obigen Formensystems ist der äol. Imperativ ἔλλαθι, ἔλλατε, der für *σε-σλα-θι, -τε stehen kann und somit wie τέ-τλα-θι, ἕ-στα-θι, δείδιθι = δέ-δϝι-θι als eine Perfektform aufzufassen ist. Die metrisch feststellbare Länge des α in ἔλλᾱθι bei B. 10, 8 muß wie in ἵλᾱος (s. unten) sekundär sein. Das entsprechende ion. att. *εἵλαθι, dessen Reduplikation durch die Lautentwicklung nicht mehr erkennbar war, wurde nach φάνηθι usw. von εἵληθι· ἵλεως γίνου H. abgelöst. Ein anderer Angelpunkt der Formenbildung war das reduplizierte Präsens ἱ̄λάσκομαι aus *σι-σλᾰ́-σκομαι (wie δι-δᾰ́-σκω u. a.), dessen anlautende Vokallänge auch in anderen Formen Eingang fand: Perf. Konj. und Opt. ἱλήκῃσι, ἱλήκοι für *εἱλ- (Ind. *εἵληκα wie εἴρηκα, τέ-τλη-κα), vielleicht auch in ἵλᾰθι, -τε und hom. ἵληθι (vgl. εἵληθι H.), das sich indessen auch als redupliziertes athematisches Wurzelpräsens (*σι-σλη-θι) erklären läßt. Auch in die Aorist- und Futurformen ἱλάσ(σ)ασθαι, ἱλάξασθαι, ἱλάσσομαι, ἱλάξομαι ist die Länge eingedrungen; daneben besteht die Kürze in ἱλάσσεαι (Α 147), ἱλασσάμενοι (Α 100), ἵλαμαι (h. Hom.; aber ἵ̄λασθαι Orph.), ἱλάομαι, auch in ἱλαρός und ἱλάειρα (Emp. 85). Da das kurze ῐ- ablautsmäßig nicht zu begreifen ist, liegt es nahe, darin einen Ersatz für ε- (ἑλάειρα [s. oben], *ἕλαμαι, *ἑλαρός) nach ἱλάσκομαι zu sehen. — Auch ἵληϝος, ἵλεως, ἵλᾰος gehen (mit Ablautswechsel) von dem reduplizierten Stamm *σι-σλη-, σι-σλᾰ- aus; das langvokalische ἵλᾱος (Α 583 usw.; dazu ἱλᾰ́ειρα Emp. 40) läßt sich als eine äolisierende bzw. dorisierende Umbildung von ἵλεως (nach νᾱός : νεώς, λᾱός : λεώς) erklären. Zu diesem offenbar alten Wort mit dem Ablaut selə- : slē- : slə- (vgl. telə- : tlā- : tlə- in τελα-μών : ἔ-τλᾱ-ν : τέ-τλᾰ-θι) gibt es keine sichere außergriechische Entsprechung. Möglich ist die auf Fick 1, 564 und Froehde BB 9, 119 zurückgehende Zusammenstellung mit den allerdings ganz anders gebildeten lat. sōlor ‘trösten’, germ., z. B. got. selsχρηστός’, ahd. sālig ‘selig’. — Weiteres zu den griechischen Formen (nach Froehde a. a. O., Solmsen KZ 29, 350f., Schulze Q. 466f., Bechtel Lex. 175ff., Wackernagel Unt. 81) bei Schwyzer 281, 681, 689 m. A. 2, 710, 800 usw., Chantraine Gramm. hom. 1, 13; 22; 299; 427 usw. I-721-722

ἴλη, dor. ἴλα f. ‘Schar, Truppe’, bes. eine Abteilung der spartanischen Jugend, Rotte, bes. der Reiterei = lat. turma (Pi., S., X. u. a.). Als Vorderglied in ἰλ-άρχης, auch -αρχος (hell. u. spät; Fraenkel Nom. ag. 2, 145f.) mit ἰλαρχέω, -ία, böot. ϝιλαρχίω; H. βειλάρχας als Erklärung von βειλαρμοστάς (tarent.). Davon ἰλαδόν ‘scharenweise, in Geschwadern’ (Β 93, Hes. Op.287, Hdt.), metrisch bequemer als *ἰληδόν; vgl. noch Schwyzer 626, Haas Μνήμης χάριν 1, 143. — Aus ἴλλαι· τάξεις, συστροφαί H. folgt ein ursprüngliches *ϝίϝλαι, zu ἴλλω ‘zusammendrängen’ aus *ϝί-ϝλ-ω (s. 1. εἰλέω). Wenn damit identisch, zeigt ἴλη eine unerklärte Vereinfachung der Geminata mit Ersatzdehnung. Nach Solmsen Unt. 227 A. 1 ist von *ϝίλ-νᾱ auszugehen mit ι als Schwächung von ε wie u. a. in πίλναμαι, das indessen eher analogisch zu verstehen ist. Anders Bezzenberger BB 27, 163. Ähnlich ἴλιγγος neben εἴλιγγος von dem homonymen εἰλέω, ἴλλω ‘drehen’; vgl. dazu Solmsen Unt. 243f. I-722

ἴλια · μόρια (δῶρα cod.) γυναικεῖα; ἴλιον· τὸ τῆς γυναικὸς ἐφήβαιον δηλοῖ. καὶ κόσμον γυναικεῖον παρὰ Κῴοις H. — In der letztgenannten Bedeutung liegt es nahe, ἴλια zu 2. εἰλέω ‘drehen, winden’ (vgl. z. B. ἅλυσις) zu ziehen mit ι für ει wie in ἴλη. Im übrigen bietet sich mit Fick 2, 46 zum Vergleich lat. īlia, -ium n. pl. ‘die Weichen, der Unterleib, Eingeweide, Mutterleib’ (vgl. zu ἰξύς); dabei denkt man eher an Entlehnung (aus dem Latein?) als an Urverwandtschaft. — Allerlei unwahrscheinliche oder unbeweisbare Hypothesen sind bei WP. 1, 163f., W.-Hofmann s. īlia erörtert; über die daselbst erwähnten germ. Wörter, ano. īl f. ‘Fußsohle’ usw., s. die ausführliche Behandlung von Lidén GHÅ 40 (1934) : 3, 15ff. I-722

ἴλιγγος, ἶλιγξ s. εἴλιγγος, εἶλιγξ. I-722

ἰλλός f. ἰλλίς· στρεβλή, διεστραμμένη H. ‘schielend’ (Ar., Sophr. u. a.), Davon ἰλλώδης ‘ds.’ und ἰλλαίνω (Hp.), ἰλλώπτω (Kom., vgl. Debrunner IF 21, 211f.), ἰλλίζω (Suid.) ‘schielen, einen schief ansehen usw.’, außerdem ἴλλωσις ‘das Schielen’ (Hp.) wie von *ἰλλόω. PN ’Ιλλεύς (Boßhardt Die Nom. auf -ευς 132). — Von ἴλλω ‘drehen, winden’, s. 2. εἰλέω. I-723

ἴλλω 1. ‘zusammendrängen’, 2. ‘drehen’ s. 1. und 2. εἰλέω. I-723

ϝίλσις ‘Drangsal’ s. 1. εἰλέω. I-723

ἰ̄λύ̄ς, -ύος f. ‘Schlamm, Kot, Morast’ (ion. seit Il., Arist. usw.)· Davon ἰλυώδης (Hp., hell. u. spät), ἰλυόεις (A. R., Nik.; poetische Bildung, vgl. Schwyzer 527) ‘schlammig, morastig’; ἰλύωμαι· ἐρρύπωμαι H. Außerdem ἰλύματα (Gal. 13, 45) durch Kreuzung mit λύματα. Adjektiviert ἰλύ (εἰλύ cod.)· μέλαν H. — Bildung wie ἀχλύ̄ς u. a. (Schwyzer 495) und bis auf den Ausgang mit einem slavischen Wort für ‘Schlamm’ identisch, z. B. aksl. russ. ilъ, Gen. ila (alter u-Stamm); dazu noch lett. īls ‘stockfinster’. Weitere Formen bei WP. 1, 163 und Vasmer Russ. et. Wb. s. v.; daselbst wie bei Bq (und W.-Hofmann s. lutum und silva) auch Lit. und ältere, verfehlte Deutungen. I-723

ἱμαλιά f. ‘Mehlhaufen, Überschuß an Mehl, Überfluß’, nach H. = τὸ ἐπίμετρον τῶν ἀλεύρων. ἐπιγέννημα ἀλετρίδος. καὶ ὁ ἀπὸ τῶν ἀχύρων χνοῦς. καὶ περιουσία. Daneben ἱμαλίς, -ίδος f. ‘Ertrag (an Mehl) usw.’, nach H. = νόστος, δύναμις, ἐπικαρπία, ἡδονή, ἀπαρχὴ τῶν γινομένων; ähnlich Trypho ap. Ath. 14, 618d (dorisches Wort); außerdem im Sinn von ‘Mühlengesang, ἐπιμύλιος ᾠδή’ (H., Poll.) und als Beiname der Demeter in Syracus (Polem. Hist. 39). — Adj. ἱμάλιος, nach H. = πολύς, ἱκανός, νόστιμος usw., auch als Monatsname in Hierapytna (GDI 5040, 4). — Volkstümliche Ausdrücke der Landwirtschaft, die in der Literatur fast nicht vertreten sind. Zu ἱμαλιά vgl. zunächst ἁρμαλιά ‘zugeteilte Nahrung, Portion’, ἀχυρμιά ‘Spreuhaufen’, φυταλιά ‘Gartenpflanzung’ u. a.; an ἱμαλίς erinnern τροφαλίς ‘frischer Käse’, μολυβδίς ‘Bleiklumpen’ und andere Sekundärbildungen auf -ίς (Chantraine Formation 342ff.). Als Grundwort ist eine primäre μαλ-Ableitung (‘das Sieben, gesiebtes Mehl’) von einem Verb ‘sieben, seihen’ anzunehmen, s. ἠθέω mit weiteren Anknüpfungen; vgl. noch die Lit. zu ἁρμαλιά. — Zu lat. simila ‘feinstes Weizenmehl’ s. σεμίδαλις. I-723

ἱμανήθρη f. ‘Brunnenseil’ (Herod. 5, 11). — Bildung wie κολυμβήθρα (: κολυμβάω), ἀλινδήθρα (: ἀλινδέω, ἀλίνδω) u. a. (Schwyzer 533, Chantraine Formation 373f.), somit von einem Verb *ἱμανάω (Bechtel Dial. 3, 304) oder von *ἱμαίνω; s. zu ἱμάς. I-723

ἱμάς-, -άντος m. ‘lederner Riemen, zum Ziehen, Peitschen usw., Schuhriemen, Türriemen usw.’, als bautechnischer Ausdruck ‘dicke Latte, Balken’ (seit Il.; vgl. Delebecque Cheval 63, 187f.). Als Vorderglied z. B. in ἱμαντ-ελίκται pl. "Riemendreher", Ben. der Sophisten bei Demokr. 150, ἱμαντελιγμός N. eines Spiels (Poll. 9, 118), Zusammenbildungen aus ἱμάντας ἑλίσσειν, vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 244 m. A. 1. Zahlreiche Ableitungen: Deminutiva ἱμάντιον (Hp.), ἱμαντ-άριον (Delos IIa u. a.), -ίδιον (EM), -ίσκος (Herod.); Adj. ἱμάντινος ‘aus Riemen’ (Hdt., Hp.), ἱμαντώδης ‘riemenartig’ (Pl., Dsk., Gal. u. a.); denominative Verba: 1. ἱμάσσω, Aor. ἱμάσαι a) ‘peitschen’ (ep. seit Il.) mit ἱμάσθλη ‘Peitsche, Geißel’ (ep. seit Il.); daneben μάσθλης (durch Kreuzung mit μάστιξ?, vgl. zu μαίο-μαι; anders über ἱμάσσω, ἱμάσθλη Schwyzer 533, 725 A. 3, Belardi Maia 2, 274ff.); b) ‘mit ἱμάντες, d. h. Balken versehen’ nur in ἱμασσια ‘Gebälk?’ (IG 4, 823, 26, Troizen IVa; s. Fraenkel Nom. ag. 1, 149 m. A. 1, Bechtel Dial. 2, 510, Scheller Oxytonierung 113 A. 1). 2. ἱμάσκω ‘prügeln’ (‘fesseln’?; Del.3 409, 7; vgl. Brugmann IF 29, 214). 3. ἱμαντόω ‘mit ἱμάντες, d. h. Bettgurt versehen’ in ἱμαντωμένην κλίνην (H. s. πυξ<ίνην>; davon ἱμάντωσις (LXX, Poll.), ἱμάντωμα H. — Daneben, von ἱμάς unabhängig, aber damit verwandt: 1. ἱμαῖος (sc. ᾠδή), ἱμαῖον (μέλος, ᾆσμα) ‘Lied beim Wasserschöpfen’ (Kall., Tryphon, Suid.) mit ἱμαοιδός (haplologisch für ἱμαιο-αοιδός) ‘der ein ἱμαῖον singt’ (Poll., H.); 2. ἱμάω ‘(Wasser) an einem Seil (aus einem Brunnen) heraufholen’, auch übertr. (Arist., Ath. u. a.), gewöhnlich ἀν-, καθ-ιμάω (Ar., X. usw.) mit ἱμητήρ (κάδος, Delos IIa), ἱμητήριος (H. s. ἱβανατρίς), ἀν-, καθ-ίμησις (Plu. u. a.); 3. ἱμονιά ‘Brunnenseil’ (Kom., Ph., Luk. u. a.; Scheller Oxytonierung 75f.); 4. ἱμανήθρη ‘ds.’ s. bes. — Als sekundäre Bildung auf -ντ- (Schwyzer 526 m. Lit., bes. Kretschmer Glotta 14, 99f.) setzt ἱμάς ein Nomen voraus, das auch in ἱμάω, ἱμαῖος vorliegen kann und somit als *ἱμᾱ ‘Seil’ anzusetzen ist (ἱμαῖος von ἱμάω wie δαμαῖος von δαμάζω u. ä.?; vgl. Chantraine Formation 48f.); daneben liegt in ἱμον-ιά (ebenso wie in καθ-, κατ-ιμονεύει· καθίησι, καθιεῖ H., wenn nicht zu ἱμονιά frei gebildet) ein ν-Stamm, wahrscheinlich *ἱμων vor; ähnlich geht ἱμανήθρη über *ἱμανάω, evtl. *ἱμαίνω auf *ἱμάνη (vgl. πλεκτάνη, ἀρτάνη), bzw. *ἷμα zurück; vgl. z. B. γνώμη : γνῶμα : γνώμων. Bemerkenswert ist die schwankende Quantität des Anlautvokals: gegen Länge in ἱμονιά, ἱμανήθρη, καθ-ιμάω steht Kürze in ἱμαῖος, gewöhnlich auch in ἱμάς (bis auf Φ 544, Κ 475 u. a., vgl. Schulze Q. 181, 466 A. 1) mit Kompp. und Ableitungen; der Wechsel geht letzten Endes auf alten Ablaut zurück, vgl. unten. — Zu *ἱ̄μων stimmt genau ein germ. Wort für ‘Seil, Strick’, z. B. awno. sīmi, asächs. sīmo m.; dazu mit abweichender Bedeutung aind. sīmán- m. f. ‘Scheitel, Grenze’, idg. *sī-mon-, sī-men-; formal identisch sind ebenfalls *ἱμᾱ und aind. sīmā f. ‘Grenze’; ein m-Suffix noch in irisch sim ‘Kette’. Das primäre Verb ‘binden’ ist noch im Indoiranischen, Baltischen und Hethitischen vorhanden, z. B. aind. sy-ati, si-nā́-ti, Ptz. sĭ-ta-, lit. sienù, siẽti, heth. išḫii̯a-, 3. sg. išḫāi. Die nominalen Ableitungen sind sehr zahlreich, u. a. ahd. nhd. seil (unsichere Hypothesen über die Nominalsuffixe bei Specht Ursprung 227). Weitere Formen mit Lit. bei Bq, WP. 2, 463f., Pok. 891f. — Eine auffallende Ähnlichkeit zeigt die Gruppe ἰβάνη, ἴβανος usw. (s. v. und zu εἴβω); dabei ist eher sekundäre Angleichung als alter Wechsel β ~ μ (Kuiper Μνήμης χάριν 1, 212f.) anzunehmen. I-724-725

ἱμάτιον n. (att.), ion. εἱμάτιον (εματιοις Keos), dor. ἡμάτιον (Kyrene IVa) ‘Oberkleid, Kleid, Gewand’, oft pl. -ια (vgl. Schwyzer-Debrunner 43). Als Vorderglied z. B. in ἱματιο-πώλης ‘Kleiderhändler’ (Kritias, Pap. u. a.). Davon die Deminutiva ἱματίδιον, -ιδάριον (Ar. usw.) und das denominative ἱματίζω ‘bekleiden’ (Pap., NT u. a.) mit ἱματισμός (εἱμ-) ‘Bekleidung, Garderobe’ (Thphr., Plb., Pap. u. Inschr.). — Familiäres Deminutivum von εἷμα, kret. ϝῆμα (s. ἕννυμι) mit frühem Übergang von ει (= ) zu ῑ. Wackernagel IF 25, 330 (= Kl. Schr. 2, 1026), s. auch Schwyzer 193 und Scheller Oxytonierung 20f.; ältere Lit. bei Bq. — Nicht zu lat. vīmen ‘Rute zum Flechten’ (Froehde BB 21, 204, Ehrlich Betonung 147A. 1) oder zu aind. véṣa- ‘Tracht, Anzug’ (Kalén Quaest. gramm. graecae 108). I-725

ἱμάω ‘an einem Seil ziehen’ s. zu ἱμάς. I-725

ἴμβηρις · ἔγχελυς. Μηθυμναῖοι H. — Im Ausgang zu λεβηρίς ‘Schlangenhaut’ stimmend (Muller Altital. Wb. 30; somit ἰμβηρίς zu betonen?), erinnert das griech. Wort zunächst an einige baltoslavische Wörter für ‘Aal’, z. B. lit. ungurỹs, russ. úgorь, idg. *eng- (de Saussure MSL 6, 78f.) mit Übergang von ε zu ι vor (gutturalem) Nasal und äolischer Entwicklung des idg. g (Schwyzer 275f.; vgl. ebd. 352; auch 300 und 302). Über die unklare Beziehung zu ἔγχελυς, lat. anguilla usw. vgl. oben s. v. und W.-Hofmann (s. anguis) m. weiterer Lit. Die Annahme illyrischer Herkunft (Bonfante, Barić) steht auf sehr schwachen Füßen, vgl. Mayer Glotta 32, 67. I-725

*(ϝ)ίμβω Aor. ἴμψας· ζεύξας. Θετταλοί H. ‘anschirren’? Dazu Ἴμψιος· Ποσειδῶν ὁ Ζύγιος, ἴψον· δεσμωτήριον, ἰψόν· τὸν κισσόν. Θ<ο>ύριοι; γιμβάναι (= ϝ-)· ζεύγανα H. Bechtel Dial. 1, 206 >zieht noch (zögernd) heran den böot. EN ϝιμππίδας. — Zwei Hypothesen: zu lat. vinciō ‘umwinden’, vicia ‘Wicke’ mit labiovelarem Auslaut (Fick u. a.; s. W.-Hofmann s. v.); zu got. bi-waibjan ‘umwinden’ usw. (WP. 1, 241, Persson Beitr. 1, 323 A. 1). Zur Wortbildung noch Solmsen Wortforsch. 173 A. 2 (S. 174), Schwyzer 692; s. auch Latte zu γιμβάναι. I-725-726

ἴ̄μερος m. ‘Sehnsucht, Liebessehnsucht, Liebe’ (vorw. ion. poet., vgl. Leumann Hom. Wörter 313 m. A. 90). Kompp., z. B. ἐφ-ίμερος ‘von Sehnsucht, Liebe erfüllt, lieblich, anmutig’ (Hes., Archil., A. usw.), ἱμερό-γυιος ‘mit anmutigen Gliedern’ (B.). Ableitungen: ἱμερόεις ‘sehnsüchtig, anmutig’ (ep. poet. seit Il.), ἱμερώδης ‘ds.’ (Kallistr.); ἱμείρω, -ομαι, auch ἐφ-, ‘sich sehnen, verlangen’ (ep. ion. poet. seit Il.) mit ἱμερτός ‘ersehnt, anmutig, lieblich’ (ep. poet. seit Β 751, späte Prosa). — Nicht sicher erklärt. Die Anknüpfung an aind. iṣmá- ‘Frühling, Liebe(sgott)’ (Lex.), iccháti (< *is-sḱé-ti) ‘wünschen’ (Curtius, Fick, Solmsen KZ 29, 78f., Sommer Lautstud. 27f.), obwohl semantisch ausgezeichnet (Bedeutung ‘Liebe(sgott)’ immerhin erfunden?, s. Mayrhofer Wb. s. v.), läßt die griechische Wortbildung unerklärt. Deshalb vielleicht eher mit Bally MSL 12, 321 aus *si-smero-s bzw. *si-smer-i̯ō mit intensifierender Reduplikation wie in aw. hi-šmarənt- ‘aufpassend’ zu aind. smárati (< *sméreti) ‘sich erinnern, gedenken’; vgl. μέριμνα, μέρμερος, μάρτυς; ἵμερος, ἱμείρω somit eig. ‘lebhaftes Gedenken’, ‘sich lebhaft erinnern, heftig über etw. sinnen’ o. ä. (vgl. aind. smará- m. ‘Liebe’); dabei kann ἵμερος postverbal zu ἱμείρω sein (Risch 248). Vgl. noch Schwyzer 282 u. 423. I-726

ἱμονιά ‘Brunnenseil’ s. zu ἱμάς. I-726

ἴν · αὐτήν, αὐτόν. Κύπριοι H. — Mit alat. im ‘eum’ identisch, zum idg. Demonstrativum *i- in lat. und got. is usw. Einzelheiten m. Lit. Schwyzer 613; s. auch z. Folg. I-726

ἵνα relat. Adv. ‘wo (wohin)’ (Hom., auch ion. att. Prosa); finale Konjunktion ‘damit, auf daß’ (seit Il.). — Herkunft unklar; zum Ausgang vgl. aind. Instrumentale wie yé-na, té-na ‘wo-, dadurch’, ahd. hina (aus -nā), air. cen ‘diesseits’ (von idg. *ḱi- in ἐ-κεῖ) usw. Der Stamm ἱ- vielleicht vom idg. Relativum *i̯o- (s. ὅς) mit Umbildung nach einem demonstrativen *i-na (vgl. ἴν) oder nach einem interrogativen *τί-να. Schwyzer 615 m. Lit., Brugmann K. vergl. Gr. par. 910 A. 1; zum Gebrauch Schwyzer-Debrunner 672ff., Gonda Moods 92, 126f., 141. I-726

ἰνάω, -άομαι (auch -έω, -όω Gramm.), Fut. Med. ἰνήσομαι (Hp.) ‘ausleeren, reinigen’, nach H. s. ἰνᾶσθαι auch = προΐεσθαι, ‘entsenden’. Davon ἰνηθμός ‘Ausleerung, Reinigung’ (Hp. Loc. Hom.), ἴνησις ‘ds.’ (ibid., Pherekyd. Hist. VIa). Mit Präfix ὑπερ-ινάω ‘übermäßig, heftig ausleeren’ (Hp. ap. Erot.) mit ὑπερίνησις (Hp. Loc. Hom.) und ὑπέρινος ‘übermäßig ausgeleert, erschöpft’ (Hp. Epid. 6, 5, 15, Arist., Thphr. u. a.). — Unsicher ἐπινάω (Arist.-Komm. VIp); zu περίναιος (-εος) usw. s. bes. Nicht sicher erklärt. Unter Annahme, daß ‘entsenden’ die ursprüngliche Bed. war und daß ἰ- lang gesprochen wurde, wird ἰνάω von Meister KZ 32, 136ff., wo ausführliche Behandlung (dazu Brugmann Grundr.2 2 : 3, 301, Bechtel Dial. 3, 304f.), mit aind. iṣ-ṇā́-ti ‘in rasche Bewegung setzen’, auch ‘ausspritzen’ (vgl. zu ἰαίνω) gleichgesetzt. I-726-727

ἰνδάλλομαι (ep. seit Il., auch att.) nur Präsensstamm bis auf ἰνδάλθην (Lyk., Max.) ‘erscheinen, sich zeigen, gleichen’. Davon ἴνδαλμα ‘Abbild, Trugbild’ (LXX, Kaiserzeit), ἰνδαλμός ‘ds.’ (Hp.). — Wie ἀγάλλομαι u. a. gebildet (Schwyzer 725) und somit von einem Nomen *ἴνδαλον o. ä. abgeleitet bzw. einem derartigen Nomen nachgebildet; letzten Endes zu ἰδεῖν, εἶδος (s. dd.); zum λ-Stamm vgl. εἴδωλον, zum Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 142. Der Nasal stammt aus einem Präsens, das in anderer Bedeutung in aind. vindáti ‘finden’ und in mehreren keltischen Formen, z. B. air. ro-finnadar ‘findet aus’ vorliegt; auch in keltische Nomina z. B. air. find, gall. Vindo-(magus, -bona) ‘weiß’, kelt. *u̯indo-, ist der Präsensnasal eingedrungen. Zu ἰνδαλμός vgl. bes. σχινδαλμός (zu lat. scindō, σχίζω; Bechtel Lex. s. ἰνδάλλομαι). Lit. bei Bq und WP. 1, 237. I-727

ἴνδουρος · ἀσπάλαξ (‘Maulwurf’) H. — Von H. Petersson Et. Miszellen 16f., Heteroklisie 9 mit aind. undura- ‘Ratte’ verglichen, wozu nach Jacobsohn Arier und Ugrofinnen 205 u. a. tscheremiss. umdőr ‘Biber’. Wohl zufälliger Gleichklang, s. Mayrhofer Wb. s. v. I-727

ἶνις, Akk. -ιν m. f. ‘Sohn, Tochter’ (A. und E. in lyr., Lyk., Kall., auch kypr. Inschr.; vgl. Leumann Hom. Wörter 274 A. 21, v. Wilamowitz Eur. Her. 296). — Nach Walde Glotta 13, 127ff. (WP. 1, 577) aus *ἔν-γν-ις mit kypr. ιν < εν und Assimilation mit Vokaldehnung wie in γί̄νομαι; vgl. bes. das ähnlich gebildete air. ingen, Ogam inigena ‘Tochter’ und νεο-γν-ός. Nach Ribezzo Don. nat. Schrijnen 355 (zustimmend Schwyzer 450 A. 3) eher zum Lallwort ἴννος (ἴννην· κόρην μικράν, ἴννους· παῖδας H.); vgl. noch byz. u. ngr. νινί ‘Kind, Pupille’ (Pantelides ’Αθ. 40, 34ff.; Bedenken bei Kretschmer Glotta 20, 236). Ältere, verfehlte Vorschläge bei Bq. I-727

ἴννος m. ‘(junger) Maulesel’, = γίννος (Arist. u. a.; Näheres zur Bedeutung bei H. s. v. und Meister KZ 32, 143ff., wo auch eine verfehlte Etymologie). Als Hinterglied wahrscheinlich in ὄν-ιννος Ben. eines Tieres, s. d. — Wie γίννος unerklärtes Fremdwort mit hypokoristischer Gemination. Unter Annahme einer Grundform *ἴσνος sucht Brugmann IF 22, 197ff. (dazu Kretschmer Glotta 2, 351, wo onomatopoetischer Ursprung erwogen wird) über angebl. pont. *išno- Verbindung mit arm. ēš, pl. išan-k‘ ‘Esel’ herzustellen. — Lat. LW hinnus mit h- nach hinnīre. Vgl. zu ὄνος. I-727-728

ἴ̄ξ, ἰ̄κός m. Ben. eines den Weinstock schädigenden Wurms (Alkm. 43). — Von L. Meyer 2, 23 als Wurzelnomen ("der Verletzer") zu lat. īcō ‘schlagen, verletzen’ gezogen; vgl. ἴκταρ, ἴγδις, auch ἴψ. I-728

ἴξαλος m. ‘(verschnittener) Bock’ (Δ 105, AP; zur Bed. E. Maaß RhMus. 74, 464f.). Davon ἰξαλῆ f. ‘Ziegenfell’ (Hp. Fract. 29) mit mehreren orthographischen Varianten: ἰσαλῆ, ἰσσέλα, ἰτθέλα usw. (Gal., Poll., H.; ausführlich darüber Solmsen Wortforsch. 141). — In der schwankenden Schreibweise des ersten Konsonanten sieht Solmsen wie auch Bechtel Lex. s. v. mit Recht den Beweis für kleinasiatische Herkunft; ebenso Schwyzer 61. Verfehlte ältere Etymologien bei Bq. I-728

ἰξός m. ‘die Mistel, die Mistelbeere, der daraus bereitete Vogelleim’, auch übertr. von allerlei klebrigen Stoffen (Hp., E., Ar., Arist., Thphr. usw.). Als Vorderglied z. B. in ἰξο-βόρος N. einer Drosselart, ‘Turdus viscivorus’ (Arist.). Davon ἰξία ‘Mistel’ (von ἰξός = ‘Vogelleim’ abgeleitet?; vgl. Strömberg Theophrastea 114), auch N. einer Distel, ‘χαμαιλέων λευκός, Atractylis gummifera’ (in dieser Bed. auch ἰξίνη [Thphr., Strömberg 86]), N. einer Krankheit, ‘Krampfadern’, vgl. Scheller Oxytonierung 42 (Arist., Thphr. u. a.); ἰξίας m. Distelart, ‘χαμαιλέων μέλας, Cardopatium corymbiferum’ (Dsk. u. a.) mit ἰξιόεις ‘aus ἰξίας gemacht’ (Nik.); ἰξίον ‘Blatt des χαμαιλέων λευκός’ (Gal.); ἰξώδης ‘leimartig, klebrig’ (Hp., Luk.). Denominativa: 1. ἰξεύω ‘mit Vogelleim fangen’ (Artem., Poll.); davon ἰξευτής ‘Vogelsteller’ (LXX, Bion usw.) mit ἰξευτικός, auch ἰξευτήρ (Man.), f. -εύτρια (Plu.; Τύχη ἰξεύτρια = Fortuna viscata); 2. ἰξόομαι ‘mit Vogelleim bestrichen werden’ (Thphr.). — Als altes Kulturwort mit dem synonymen lat. viscum (viscus) identisch; in Betracht kommen noch germanische und slavische Benennungen der Kirsche (weil zur Bereitung von Vogelleim verwendet), z. B. ahd. wīhsela ‘Weichselkirsche’, russ. usw. víšnja ‘Kirsche’. Einzelheiten mit Lit. bei Bq, WP. 1, 313, W.-Hofmann s. viscum, Vasmer Russ. et. Wb. s. víšnja. Ganz fraglich toch. A wiskāñc ‘Schlamm (?)’ (Duchesne-Guillemin BSL 41, 166; anders v. Windekens Lex. étymol.: zu aind. viṣ- ‘faeces’ usw.). I-728-729

ἰξύ̄ς, -ῠ́ος f. ‘die Weichen, die Lendengegend’ (ε 231 = κ 544, Hp., hell. u. späte Dichtung); Adv. ἰξυόθεν (Arat.); daneben ἰξύα, -η (EM). — Bildung wie ὀσφύς, νηδύς, δελφύς usw.; ἰξύα nach δελφύα, ἰγνύη u. a. (Schwyzer 463). Nicht befriedigend erklärt. Bq denkt an ἰσχίον (vgl. ἰξός : viscum u. a.); Froehde BB 8, 162 u. A. (s. W.-Hofmann s. īlia) verbindet es mit lat. īlia pl. ‘die Weichen’, was immerhin Beachtung zu verdienen scheint. I-729

ἰόμωροι pl. Beiwort der ’Αργεῖοι (Δ 242, Ξ 479). — Die Erklärung der Scholl. als ‘pfeilberühmt’ scheitert an der Kürze des ἰ- (zum Sachlichen außerdem Bechtel Lex. s. v.). Schon das hinzugefügte Epitheton ἀπειλάων ἀκόρητοι leitet die Gedanken an ἰά, ἰή ‘Geschrei’; in dieselbe Richtung führt der Ausdruck βοὴν ἀγαθός sowie auch ὑλακό-μωροι (κύνες ξ 29, π 4). So mit vielen Vorgängern Ehrlich Sprachgeschichte 48, Bechtel Lex. s. v., Theander Eranos 15, 99ff. u. A. Vgl. noch Leumann Hom. Wörter 37 und 272 A. 18; zum Hinterglied s. ἐγχεσί-μωρος. I-729

ἴον n. ‘Veilchen’ (ep. poet. seit Hom., Thphr. u. a.). Determinativkomp. λευκό-ϊον = ἴον λευκόν ‘Levkoje’ (Thphr.; Risch IF. 59, 257); oft als Vorderglied, z. B. ἰο-ειδής ‘veilchenfarbig’ (πόντος usw.; ep. seit Il.), ἰο-στέφανος ‘veilchenbekränzt’, von Aphrodite, den Musen, Athen (h. Hom. 6, 18, Pi., Thgn. usw.), ἰό-κολπος ‘mit veilchenduftendem Bausch’ (Sapph.; vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 171), ἰο-δνεφής, s. δνόφος; zu ἰάνθινος s. bes. Verfehlt Bénaky REGr. 28, 16ff.: ἴον in ἰο-ειδής usw. erst IIp auf die Farbe bezüglich. Ableitungen: ἰόεις ‘veilchenfarbig’ = ‘dunkelblau’ (σίδηρος Ψ 850, θάλασσα Nik.); ἰωνιά ‘Veilchenbeet’, auch Pflanzenname (Thphr. u. a.), nach ῥοδων-ιά, θημων-ιά (Scheller Oxytonierung 70f.); ἰοντῖτις f. Pflanzenname = ἀριστολόχεια (Dsk.; nach κληματῖτις?, Redard Les noms grecs en -της 72). — H. γία (= ϝίαἄνθη und die epische Metrik bestätigen Zusammenhang mit lat. viola; beide sind wahrscheinlich aus einer Mittelmeersprache entlehnt, s. die Lit. bei W.-Hofmann s. v. I-729

ἴονθος m. ‘junger Bart, Flaum’, gewöhnlich ‘mit dem ersten Bart herausbrechender Gesichtsausschlag’ (Hp., Arist., Phld. u. a.). Davon ἰονθώδης ‘ausschlagähnlich’ (Thphr., Gal.) und ἰονθάς f. ‘zottig, bärtig’, Beiwort von αἴξ (ξ 50; zur Bildung Chantraine Formation 354). — Kann als reduplizierte Bildung *ϝί-ϝονθος (vgl. Schwyzer 423) zu einem Wort für ‘Haar usw.’ gehören, das im Keltischen, Germanischen und Baltoslavischen vertreten ist: mir. find ‘Haupthaar’ (idg. *u̯n̥dh-, [*u̯endh- ?]), ahd. wint-brāwa ‘Wimper’ (idg. *u̯endh(o)-), mir. fēs ‘Haupthaar’, apreuß. wanso f. ‘der erste Bart’, aksl. (v)ǫsъ ‘barba, mystax’ (idg. *u̯endh-s-o- bzw. *u̯ondh-s-o-); Lidén IF 19, 345ff. — Die Wörter können als Verbalnomina zum idg. Verb winden (WP. 1, 261) gehören; wegen der Bedeutung vgl. ἴουλος. Unbefriedigende Stammanalyse bei Specht Ursprung 237. I-729-730

ἴορκος m. ‘Reh, Gazelle’ s. δορκάς. I-730

ἰός 1. ‘ein und derselbe, der eine’ s. ἴα. I-730

ἰ̄ός 2. pl. ἰοί, auch ἰά (Υ 68; zum Genuswechsel Schwyzer-Debrunner 37 m. Lit.) m., ‘Pfeil’ (ep. poet. seit Il.; Trümpy Fachausdrücke 67). Als Vorderglied z. B. in ἰο-δόκος ‘Pfeile aufnehmend’ (φαρέτρη Hom.), -η f. ‘Köcher’ (A. R. u. a.); zu ἰοχέαιρα s. bes. — Aus *ἰσϝ-ο- und bis auf den erweiternden Themavokal (Schwyzer 472) mit aind. íṣu-, aw. išu- ‘Pfeil’ identisch (Curtius 402; weitere Lit. bei Bq). I-730

ἰ̄ός 3. m. ‘Gift’ (Pi., Trag., auch Plu. u. a.). Als Vorderglied z. B. in ἰο-βόρος ‘(wie) Gift verzehrend’ (Nik., Opp.); Ableitung ἰώδης ‘giftig’ (Kaiserzeit). — Altes Wort für ‘Gift’, oft durch euphemistische Ausdrücke ersetzt (φάρμακον, lat. venēnum, germ. gift, frz. poison usw.), aber noch in den Randsprachen, d. h. Indoiranischen und Italokeltischen vorhanden: aind. vĭṣá- n., aw. vī̆ša-, lat. vīrus n. (Genus sekundär) = irisch fī, idg. *u̯ī̆so-; zum Quantitätswechsel vgl. z. B. die Fälle bei Fraenkel Nom. ag. 1, 91. Neben diesen thematischen Formen steht im Indoiranischen das einsilbige aw. viš- ‘ds.’ und, mit abweichender Bedeutung, aind. viṣ- ‘faeces’. Ähnlich bedeutet lat. vīrus auch ‘zähe Flüssigkeit, Schleim, Saft’; vgl. noch kymr. gwyar ‘Blut’ und 4. ἰός. Da idg. *u̯ī̆s(o)- seinerseits wahrscheinlich eintabuistisches Ersatzwort ist, kommt weitere Beziehung zu einem Verb, aind. veṣati ‘zerfließen’ (Gramm.; mehrdeutig véṣantīr als Beiwort der Ströme RV. 1, 181, 6), wozu u. a. germ. Flußnamen wie Wisura ‘Weser’, Vistula ‘Weichsel’ (zuletzt Krahe Beitr. z. Namenforschung 4, 38ff.), ernstlich in Betracht. — Lit. bei Bq, WP. 1, 243f., W.-Hofmann s. vīrus. I-730

ἰ̄ός 4. m. ‘Grünspan, Rost’ (Thgn., Hp., Pl., Theok., Dsk., Plu., SIG 284, 15 [Chios IVa]). Davon ἰώδης ‘grünspanfarbig, rostfarbig’ (Hp., Thphr., Kall. Hist., Dsk., Plu. u. a.). — Angesichts der wechselnden Bedeutung von idg. *u̯ī̆s(o)- (s. zu 3. ἰός) liegt es unzweifelhaft am nächsten, mit Fick 23, 242 ιός ‘Grünspan, Rost’ mit ἰός ‘Gift’ zu identifizieren. Es kann sich dabei um berufsmäßige Verschiedenheiten des Sprachgebrauchs handeln; zu bemerken ist noch, daß ἰός ‘Grünspan, Rost’ im Gegensatz zu ἰός ‘Gift’ seit alters auch in der Prosa benutzt wurde, was auch für eine stilistische Differenzierung spricht. I-730-731

ἰότης nur Dat. ἰότητι (Hom. elfmal, A. R.; ἰότατι Alk. ᾱ 3, A. Pr. 558 [lyr.]) außer ἰότητα Ο 41 etwa ‘Wille, Entschluß, Anlaß’ (θεῶν ἰότητι usw.; zum Gebrauch bei Homer [nur in der Rede] Krarup Class. et. Med. 10, 13). — Nicht sicher erklärt. Zwei Hypothesen: 1. zu aind. iṣ- ‘wünschen’ (Präs. iccháti), u. zw. entweder aus *iso-tāt- (Curtius 402 nach Pott u. A.; auch Schwyzer 528 A. 8 mit einer zweifelhaften Alternative) oder auch *isto-tāt- vom Ptz. *istós = aind. iṣṭá- ‘erwünscht’ (Chantraine Formation 294); 2. zu ἵεμαι ‘sich beeilen, begehren’ aus *ϝιό-της oder, mit haplologischer Kürzung, *ϝιοτό-της, von *ϝίοτος ‘wollend’ = lat. (in-)vītus (s. zu ἵεμαι; Fick 1, 124 und 543, Sommer Lautstud. 12f.). — An beiden diesen Erklärungsversuchen eine wohlbegründete Kritik übend will Leumann Hom. Wörter 127ff. nicht weniger kühn ἰότητι aus einer falschen Zerlegung von δηιοτῆτι (-τος) ‘Feindseligkeit’ in δὴ ἰότητι (-τος) herleiten; der böot. EN Θειο-ϝίοτος, der zweifellos stark zugunsten eines urspr. ϝιότητι spricht, wäre aus dem ep. θεῶν ἰότητι gebildet. Gegen Leumann u. a. Fraenkel Gnomon 23, 373. I-731

ἴουλος m. ‘erstes Milchhaar, Korngarbe, Kätzchen’, auch Ben. eines dem Tausendfüßler ähnlichen Wurms (λ 319, A. Th. 534, Arist., Thphr. usw.). Als Vorderglied z. B. in ἰουλό-πεζος "mit Füßen wie ein ἴουλος", von einem Schiff, d. h. ‘mit vielen Rudern’ (Lyk. 23). Ableitungen: ἰουλίς f. Fischname ‘Coris iulis’ (Arist. u. a.), nach der Ähnlichkeit mit einem Tausendfüßler (Strömberg Fischnamen 125; ausfuhrlich Thompson Fishes s. v.), auch ἴουλος benannt (Eratosth.); ’Ιουλώ f. "Göttin der Korngarbe" = Demeter (Semus 19), daraus rückgebildet ἴουλος ‘Lied zu Ehren der Demeter’ (ibid., Eratosth. u. a.; verfehlt Mann Lang. 28, 38), auch καλλίουλος (für καλλι-ίουλος, Semus); ἰουλώδης ‘einem Tausendfüßler ähnlich’ (Arist.); denominatives Verb ἰουλίζω ‘Milchhaar bekommen’ (Tryph.). — Aus *ϝί-ϝολνος durch Reduplikation (vgl. ἴονθος), zu οὖλος ‘wollig, kraus’ (s. d.) und 2. εἰλέω (> *ϝελνέω) ‘drehen, winden’. I-731

ἰοχέαιρα f. Attribut der Artemis, auch substantivisch gebraucht (Hom.; Pi. P. 2, 9 [mit Kürzung des ἰ-], poet. Inschr.), auf die φαρέτρα übertragen (AP 6, 9); auch Ben. der Viper (Nik. Fr. 33). — Seit dem Altertum gewöhnlich als ‘Pfeile ausschüttend, Pfeilschützin’ erklärt, von ἰός ‘Pfeil’ und χέω, vgl. δούρατἔχευαν Ε 618; durch gelehrte Spielerei von Nik. auf ἰός ‘Gift’ bezogen. Das Hinterglied ist nach χίμαιρα, γέραιρα u. a. geformt (Schwyzer 452 u. 475, Chantraine Formation 104); da es als selbständiges Wort nie existiert hat, ist nicht zu entscheiden, ob es auf einen ρ-Stamm *χέϝ-αρ (Benveniste Origines 27) oder auf einen ν-Stamm (πίειρα : πίων, πέπειρα : πέπων) zurückzuführen ist. — Dagegen nach Heubeck Beitr. z. Namenforschung 7, 275ff. (mit Pisani; Einwände bei Belardi Doxa 3, 208, Fraenkel Ling. Posn. 4, 96) von ἰός und χείρ als ‘die den Pfeil (die Pfeile) in der Hand hält’; für diese Deutung sprechen namentlich ähnliche aind. Bildungen, z. B. íṣu-hasta- ‘der einen Pfeil in der Hand hält’, śūla-hasta- ‘der eine Lanze in der Hand hält’. Zum Formalen s. zu χείρ. — Nicht mit Ehrlich Sprachgeschichte 48 als ‘Jagdruf gellend’ von ἰά ‘Geschrei’ und einem Verb ‘rufen’ (aind. hávate); vgl. Kretschmer Glotta 4, 350. I-731-732

ἴπνη f. N. eines Vogels (Boios ap. Ant. Lib. 21, 6); daneben ἵππα (nach der alphab. Folge eher mit Vossius ἵπτα) und ἵττα· δρυσκόλαψ, ἐθνικῶς H. — An ἵττα erinnert σίττη, s. d.; sonst dunkel. Vgl. Solmsen Wortforsch. 173 A. 2. I-732

ἰπνός myk. i-po-no?; m. ‘Ofen’, auch ‘Küche’ und ‘Laterne’ (ion. att.), Kompp., z. B. ἰπνο-πλάθος ‘Ofensetzer’ (Pl.), Ἔφ-ιπνος· Ζεὺς ἐν Χίῳ H. Ableitungen: Deminutivum ἰπνίον (Mediz.); ἰπνών (Delos IIIa), ἰπνιών (Gortyn) ‘Küche’; ἰπνίτης (ἄρτος) ‘im Ofen gebackt(es Brot)’ (Hp. u. a.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 89); ἴπνιος ‘zum Ofen gehörig usw.’, ἴπνια· τὰ καθάρματα τοῦ ἰπνοῦ H. (Kall. Fr. 216); ἰπνεύω ‘im Ofen backen’ (H.; hιπνε[ύεσθαι] IG 12, 4, 15) mit ἰπνευτής· furnarius (Gloss.). — u ἰπνός, viell. aus *ἱπνός (vgl. Ἔφ-ιπνος und das nicht ganz sichere hιπνε[ύεσθαι] IG 12, 4, 15), stimmt bis auf den Anlaut ein synonymes westgerm. Wort, ags. ofen, ahd. ovanOfen’, auch ano. ofn, urg. *ofna- < *úfna-. Daneben stehen im Gotischen und Nordischen Formen mit Guttural, got. auhns, aschw. oghn, urg. *oχna-, *oʒna- < *χna-, *uʒná-. Unter Annahme einer ursprünglichen Bedeutung ‘Glutpfanne, Kohlenbecken’ werden die genannten Wörter mit aind. ukhá- m., ukhā́ f. ‘Topf, Kochtopf, Feuerschüssel’ zusammengehalten, wozu wiederum das mit Diphthong anlautende lat. aulla ‘Topf, Hafen’, nach dem Deminutivum auxilla zu schließen aus *auxlā. Die wiederholten Versuche, alle diese Formen mit Hilfe der zu Gebote stehenden lautlichen Mittel auf ein gemeinsames Grundwort (auqh-, uqh-, u̯eqh-) zurückzuführen, haben zu keinem einwandfreien Resultat geführt; im allg. werden die Formen mit Labial als einzelsprachliche Neuerungen erklärt (so zuletzt Holthausen KZ 72, 206). Nach Bq (mit Meillet MSL 9, 137) sind zwei verschiedene Wörter anzunehmen. — Weitere Formen und Einzelheiten, auch aus dem Keltischen, Baltischen und Albanischen, bei WP. 1, 24, Pok. 88, W.-Hofmann s. aulla, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. auhns, Mayrhofer Wb. s. ukháḥ; daselbst auch reiche Literaturangaben. I-732-733

ἶπος f. (n.) ‘Presse (zum Walken, zu medizinischen Zwecken usw.), schweres Gewicht im allg.’ (Pi., Archil., Hp., Ar. usw.). Denominatives Verb ἰπόω, auch mit ἀπ-, ἐξ-, ‘pressen, drücken’ (Hdt., Hp., A., Kom. usw.); davon ἴπωσις ‘das Pressen, Druck’ (Hp.), ἰπωτήριον ‘Ölpresse, Kelter’ (Pap.), ‘Kathete’ (Mediz.), ἰπωτρίς ‘pressend, drückend’ (σπάθη, Mediz.), ἐξιπωτικός ‘auspressend’ (Gal.). Daneben der primäre Aorist ἴψασθαι mit dem Futurum ἴψεται (Α 454 = Π 237, Β 193), eher ‘drücken, bedrängen’ als ‘schädigen’ (= φθεῖραι, βλάψαι H. u. a.); Präs. ἴπτω = βλάπτω nur EM 481, 3. — Unerklärt. Nach Solmsen Wortforsch. 172ff. (wo wichtige Einzelheiten) zum lat. Adv. vix ‘kaum’; dagegen W.-Hofmann s. v. Nicht zu lat. īcō ‘schlagen’ (Curtius 461), auch nicht zu ἰάπτω (s. d.). I-733

ἵππος myk. i-qo?? m. f. ‘Pferd, Roß, Stute’ (seit Il.), kollektiv f. ‘Reiterei’ (ion. att.), Überaus oft in Kompp., sowohl als Vorder- wie als Hinterglied in verschiedenen Funktionen: Bahuvrihi (λεύκ-ιππος), verbale Rektionskompp. bzw. Zusammenbildungen (ἱππό-δαμ-ος, ἱππ-ηλά-της), Determinativkompp. (ἱππο-τοξότης); zuweilen mit umgeformtem Hinterglied (ἱππο-πόταμος, ἵππ-αγρος für ἵππος ποτάμιος, ἄγριος, Risch IF 59, 287; ἱππο-κορυστής, s. κόρυς); mit metrisch bedingtem ἱππιο- für ἱππο- in ἱππιο-χαίτης, -χάρμης (ep.). Als Vorderglied auch vergrößernd und verstärkend, namentlich in Pflanzennamen (ἱππο-λάπαθον u. a., Strömberg Pflanzennamen 30). Zahlreiche Ableitungen. A. Substantiva: Deminutiva ἱππάριον (X. u. a.), ἱππίσκος ‘(kleines) Standbild eines Pferdes’ (Samos IVa) usw., ἱππίδιον als Fischname (Epich.; Strömberg Fischnamen 100). — ἱππότης m. ‘Rosse-, Wagenlenker’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa; bei Homer immer ἱππότᾰ mit Vok. = Nom.; darüber Risch Sprachgesch. und Wortbed. 389ff), f. ἱππότις (Nonn. u. a.); ἱππεύς ‘Rosselenker, Wettkämpfer zu Wagen’ (Il.), ‘Reiter’ (Sapph., A., Hdt. usw.), ‘Ritter’ als Korporation oder gesellschaftliche Klasse oder Stand (Hdt., Ar., Arist. usw.); davon ἱππεύω, s. C.; auch als N. eines Kometen wie ἱππίας (Plin., Apul.; Scherer Gestirnnamen 107); ἱππών ‘Pferdestall’ (att. Inschr., X. u. a.); ἱππάκη ‘Käse aus Stutenmilch’ (Hp. usw.), auch Pflanzenname (Strömberg Pflanzennamen 136; Bildung wie ἐριθάκη, ἁλωνάκη u. a.); ἵππερος "Pferdesucht" (Ar., wie ἴκτερος, ὕδερος); ἱπποσύνη ‘Rosselenkerkunst, Reiterei’ (ep. poet. seit Il.; Urs Wyss Die Wörter auf -σύνη 23 u. 49). — B. Adjektiva: ἱππάς f. ‘zum Pferde gehörig, Stand und Zensus der Ritter in Athen’ (Hp., Arist. u. a.); ἵππειος ‘zum Pferde gehörig usw.’ (ep. lyr. seit Il.); ἵππιος ‘ds.’ (Alk., Pi., Trag. usw.), oft als Götterepitheton (Poseidon, Athena usw.); davon ‘Ιππιών als Monatsname (Eretria); ἱππικός ‘ds.’ (ion. att. Prosa, auch Trag.; Chantraine Et. sur le vocab. gr. 141); ἱππώδης ‘pferdeähnlich’ (X. u. a.). — C. Verba: 1. ἱππάζομαι, auch mit ἀφ-, ἐφ-, καθ- u. a., ‘Rosse lenken, führen, reiten, als Reitpferd dienen’ (seit Il.) mit ἱππασία, ἱππάσιμος, ἱππαστήρ, -άστρια, ἱππαστής, -αστικός, ἵππασμα, ἱππασμός. 2. ἱππεύω ‘ds.’ (ion. att.), eig. von ἱππεύς, aber auch auf ἵππος beziehbar (Schwyzer 732), auch mit Präfix, z. B. ἀφ-, καθ-, παρ-, συν-; davon ἱππευτήρ, -τής, ἱππεία, ἵππευσις, ἵππευμα; weitere Einzelheiten bei Boßhardt Die Nom. auf -ευς 34f. — Dazu kommen zahllose Eigennamen, sowohl Voll- wie Kurznamen (‘Ιππόλυτος, ‘Ιππίας, Ἵππη usw. usw.). Aus der reichen Lit. sei hier nur verwiesen auf E. Delebecque Le cheval dans l’Iliade. Paris 1951. — Die einzelsprachlichen Formen des idg. Wortes für ‘Pferd’, z. B. aind. áśva- (wovon áśv(i)ya- = ἵππιος durch parallele Neuerungen), lat. equus, venet. Akk. ekvon (Lejeune Studi etr. 21, 220ff.), kelt., z. B. air. ech, germ., z. B. ags. eoh, alit. ešva ‘Stute’, toch. B yakwe, wozu vielleicht noch thrak. PN wie Βετεσπιος u. a. m., ergeben idg. *eḱu̯os; daraus wäre gr. *ἔππος oder *ἔκκος zu erwarten (zum Lautlichen Schwyzer 301). Eine Form mit gutturaler Geminata liegt tatsächlich in ἴκκος (EM 474, 12), Ἴκκος PN (tarent., epid.) vor; in Λεύκιππος u. a. könnte zur Not eine ursprüngliche Lenis bewahrt sein, wenn nicht analogische Erhaltung der Tenuis (vgl. andrerseits τέθρ-ιππον) wahrscheinlicher wäre. Unerklärt bleibt jedoch trotz mehrerer Erklärungsversuche das ἰ-; vgl. zuletzt Pisani Ist. Lomb. 73, 485ff. mit Diskussion anderer Ansichten, Deroy REGr. 64, 423ff.; ältere Lit. bei Bq, WP. 1, 113f., W.-Hofmann s. equus, Schwyzer 351. So ist fremder Ursprung anzunehmen; mit Hinweis auf die Wechselformen ἴκκος : ἵππος und auf pannonische PN Ecco, Eppo, maked. ’Επό-κιλλος, wozu noch der illyr. VN ’Επειοί in Elis (Krahe, s. Pok. 302), will Kretschmer Glotta 22, 120f. ἵππος als ein nordbalkanisches LW erklären. — Zu idg. *eḱu̯os ‘Pferd’ wäre nach Wagner KZ 75, 67 (mit G. Hüsing u. A.) auch lat. aqua, got. aƕa usw. ‘Wasser’ als "göttliche Stute" zu ziehen; niemand dürfte zu Gunsten dieser Hypothese auf den Vergleich des lat.-germ. Wortes mit den primären Verba heth. e-ku-uz-zi ‘trinkt’, toch. AB yok-tsi ‘trinken’ verzichten wollen. I-733-735

ἵπταμαι = πέτομαι, ‘fliegen’ (Mosch., Babr. u. a.). — Zu ἔπτην, πτήσομαι nach ἔστην, στήσομαι : ἵσταμαι geschaffen. Schwyzer 681 m. Lit. I-735

*ἴπτομαι, Aor. ἴψασθαι ‘pressen, drücken’ s. ἶπος. I-735

ἴρην, ἰρήν Ben. des erwachsenen Jünglings in Sparta s. εἰρήν. I-735

Ἶρις, -ιδος, -ιν Iris, Tochter des Thaumas u. der Elektra, Botschafterin der Götter (Il., Hes. u. a.). - Daneben als Appellativum ἶρις, -ιδος, -ιδα, -ιν f. ‘Regenbogen’ (seit Il.), auch übertragen von einem Lichthof, vom Mondhof, von der Regenbogenhaut usw. (Arist., Thphr., Gal. u. a.), als Pflanzenname ‘Schwertlilie’ (Arist., Thphr. u. a.; wegen ihrer buntfarbigen Blüte, Strömberg Pflanzennamen 49), auch N. eines Steins (Plin.). - f. Ableitungen: ἴρινος (Kom., Thphr., Plb. u. a.), -εος (Nik.) ‘aus der Schwertlilie bereitet’, ἰρώδης ‘regenbogenähnlich’ (Arist.), ἰρῖτις f. N. eines Steins (Plin.; Redard Les noms grecs en -της 55); Denominativum ἰρίζω ‘wie der Regenbogen schimmern’ (PHolm. 7, 6). — Die ursprüngliche Form ϝῖρις geht sowohl aus einem inschriftlichen Beleg (kor.) wie aus der epischen Metrik (Chantraine Gramm. hom. 1, 152) hervor. Das Appellativum (ϝ)ῖρις ist von Bechtel Hermes 45, 156f. u. 617f. (ähnlich Jacobsohn Herm. 44, 91 A. 2), Lex. 181 (wo indessen wenig wahrscheinlich die Nebenform Εἶρις aus Ἔ-ϝῑρις erklärt wird) mit guten Gründen auf ein Verb ‘biegen’ zurückgeführt worden, das auch in ἰτέα und ἴτυς zu verspüren ist; ein r-Suffix erscheint auch im Germanischen, z. B. ags. wīr, awno. vīrr ‘Metalldraht, gewundener Schmuck’ (Kretschmer Glotta 2, 354). Anders Osthoff Arch. f. Religionswiss. 11, 44 (zu (ϝ)ί̄εμαι ‘sich vorwärts bewegen’ usw., s. Bq). Mit dem Appellativum ist der Name der Götterbotin ohne Zweifel identisch, s. Bechtel a. a. O. gegen Maaß IF 1, 159ff. und Solmsen Unt. 148. — Eine Nachbildung von Ἶρις wird allgemein in Ἶρος, dem Namen des Bettlers ("des Boten") auf Ithaka, vermutet. I-735

ἴ̄ς, 1. Akk. ἴν(α) (3mal, nur vor Vok., vgl. unten), Instr. ἶφι f. ‘Kraft, Stärke’ (Hom., Hes.). Davon ἴφι-ος ‘kräftig’ (ἴφια μῆλα Hom., D. P.; zur Bildung Schwyzer 461) mit PN wie ϝιφιάδας, ϝίφιτος (böot., kor.), Ἶφις (Ι 667 u. a.; Kosename); s. auch ἴφθιμος. — 2. ἴ̄ς, ἰ̄νός f., meist pl. ἶνες, Dat. ἴνεσι, spät ἰσίν, ἴναις ‘Sehne’ (Hom., Hp., Archil., Ar. u. a.), ‘Nackensehne’ (Ρ 522), ‘Muskelfaden, Blutfaser (Fibrin), Pflanzenfaser, Blattnerv’ (Pl., Arist., Thphr. u. a.; Einzelheiten aus dem botan. Sprachgebrauch bei Strömberg Theophrastea 129ff.). Kompp. ἄ-, πολύ-ϊνος ‘ohne, mit vielen ἶνες’ usw. (Thphr.; Strömberg 135). Ableitungen: ἰνίον n. ‘die Sehnenpartie am Hinterkopf, das Genick, der Nacken’ (Il., Hp., Arist. usw.; vgl. κρανίον und Chantraine Formation 59); ἰνώδης ‘sehnig, fibrös’ (X., Arist., Thphr. u. a.); wohl auch ἰναία· δύναμις H. (ganz unsichere Konj. Peripl. M. Rubr. 46); denominative Verba: ἰνόω ‘mit ἶνες versehen, stärken’ (Hdn.), ἐξ-ινόω ‘die ἶνες entfernen, entkräften’ (Lyk.), auch ἐξ-ινίζω, -ινιάζω (Gal., Peripl. M. Rubr. u. a.). — H. γίς (= ϝίς)· ... ἰσχύς bestätigt die Identität von (ϝ)ίς ‘Kraft’ mit lat. vīs ‘ds.’ (nach Holthausen IF 62, 152 hierher noch germ. PN wie asächs. Wī-rīc[?]); der zu erwartende Akk. (ϝ)ί̄ν = vim läßt sich aus dem stets antevokalischen ἶν’ leicht wiederherstellen. Es entsteht somit die Frage, ob ἴς ‘Sehne’ durch eine bemerkenswerte Konkretisierung von ἴς ‘Kraft’ entstanden ist oder als ein besonderes Wort zu gelten hat. Alt ist die Annahme (z. B. G. Meyer Gr.3 418), daß die ν-Stammflexion ἶν-α, ἶν-ες usw. aus einem erweiterten Akk. (ϝ)ῖν-α hervorgegangen sei; in formaler Hinsicht bietet sie eine jedenfalls mögliche Lösung. Nach Sommer Lautstud. 118 wäre ἰ̄ν- in ἶν-ες, ἰ̄ν-ίον usw. als n-Ableitung eines alten s-Stammes *u̯ī-s- (in lat. vīr-ēs?; unsicher, s. W.-Hofmann s. 2. vīs) aus *u̯ī̆s-n- zu erklären, wozu sekundär der Nom. ἴς; auch dabei wird also von dem abstrakten Begriff ‘Kraft’ ausgegangen. Ähnlich Kretschmer Glotta 30, 94 A. 1 (aus *u̯is-en-), Pisani Ist. Lomb. 76, 14f. (*u̯īs- urspr. neutr.), Specht KZ 59, 291; s. noch Schwyzer 570 m. A. 2. — Dagegen will Scheftelowitz IF 33, 158f. ein besonderes Wort (ϝ)ί̄ς, (ϝ)ῑνός ‘Sehne’ (vgl. γίς· ἱμάς H.) ansetzen, von einem Verb ‘biegen’ (s. ἴτυς, ἶρις), u. zw. entweder aus *u̯ī-n- (vgl. čech. winek ‘Band, Stirnband’) oder aus *u̯ī̆s-n- (> gr. ϝῑν-). I-735-736

ἴσᾱμι ‘weiß’, — Inf. ϝισάμην (Gortyn), dor. Neubildung (Theok., kret. usw.) zu 3. pl. ἴσαντι = att. ἴσασι nach ἵσταντι : ἵστᾱμι. Schwyzer 665 A. 3 m. Lit., 773. I-736

ἰσάτις, -ιδος, -ιος, -εως f. N. einer blaufärbenden Pflanze ‘Waid, Isatis tinctoria’ (Hp., Thphr., Samos IVa usw.); davon ἰσατώδης ‘waidähnlich’ (Hp., Aret.). — Eine sehr entfernte Ähnlichkeit zeigen lat. vitrum ‘ds.’ und ahd. weit, ags. wādWaid’, wozu noch mlat. waisda u. a. (Prellwitz2 s. v.); sie läßt sich vielleicht durch Entlehnungen aus einer gemeinsamen unbekannten Quelle erklären. Vgl. Bq s. v., WP. 1, 236, W.-Hofmann s. 2. vitrum m. Lit.; auch Schwyzer 314 u. 506. I-736

ἰσθμός m., auch f. (nach ἡ ὁδός u. a.; vgl. Schwyzer-Debrunner 34 A. 2) ‘schmaler Zugang, Landzunge, Erdenge, Meerenge, Hals’, insbes. als EN die Landenge an Korinth (ion. att. usw.). Als Hinterglied mit ιο-Suffix in der Hypostase παρ-ίσθμ-ια, n. pl. u. sg. ‘Tonsillen, Schlund’ (Hp., Arist. u. a.). Ableitungen: ἴσθμιος ‘zum Isthmos gehörig’ (Pi., Trag.), τὸ ἴσθμιον ‘Halsband’ (σ 300), τὰ ἴσθμια ‘Schlund, Kehle’ (Hp. u. a.); ἴσθμιον auch übertr. vom Hals einer Flasche und von der Flasche selbst (kypr. Wort bei Pamphil. ap. Ath. 11, 472e; anders Leumann Hom. Wörter 271); τὰ Ἴσθμια Ben. der korinthischen Spiele (Pi., Simon., Ar. usw.) mit ’Ισθμιο-νίκης, -νικος ‘Sieger an den Ἴ.’ (B.), ’Ισθμιασταί ‘Zuschauer der Ἴ.’ (Titel eines Schauspiels des A.; wie ’Απολλωνιασταί u. a., Chantraine Formation 317; ἰσθμιάζω Suid., H.), auch ’Ισθμιᾶται (Delos IIa); ἰσθμικός, -ιακός ‘zum Isthmos, zu den Isthmien gehörig’ (Ar., Str. u. a.), ἰσθμώδης ‘isthmosähnlich’ (Th. u. a.). — Das denominative ἰσθμαίνω = ἀσθμαίνω mit ἴσθμα = ἄσθμα H. ist durch Kreuzung von ἰσθμός ‘Hals’ mit ἀσθμαίνω entstanden. — Vielleicht von εἶμι ‘gehen’ mit θμο-Suffix, vgl. die Nebenform ’Ιθμός, ’Ιθμο-νίκα (Inschr.) und ἴ-θμα, εἰσ-ί-θμη; zur Bed. vgl. anord. eið n. ‘Landenge’, idg. *oi-dho- (oder *oi-to-). Das -σ- ist indessen nicht aufgeklärt; eine Grundform *idh-dhmo- läßt sich nicht begründen. Nach Chantraine Formation 137 daher Zurechtlegung eines lokalen Lehnworts. Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 103; dazu noch Schwyzer 492 A. 12, v. Wilamowitz Eur. Her. zu V. 958. I-737

ἴσκω nur 3. sg. Ipf. ἴσκε(ν) und Ptz. ἴσκοντες, ἴσκουσα ‘gleich machen, nachahmen, ähnlich finden, verwechseln’ (Hom.), auch ‘nachbilden’ = ‘erdichten’ (τ 203 mit λέγων; vgl. simulāre), ‘irrtümlich vermuten, irrereden’ (χ 31, nach τ 203); daraus ‘vermuten’ (Simon. 130) und bei den Alexandrinern (auch 1. sg. ἴσκον, Ptz. ἴσκων) ‘reden, sagen’ (Theok., A. R., Lyk.). — Wahrscheinlich aus *ϝίκ-σκ-ω, s. ἔοικα; dazu Bechtel Lex. s. v., Chantraine Gramm. hom. 1, 317. Ältere Lit. bei Bq. I-737

ἴσος, ep. ἶσος, f. ἐΐση (vgl. unten), ark. kret. böot. ϝίσϝος (H. γίσγον· ἴσον) ‘gleich’ an Zahl, Stärke, Größe, Rang usw. (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied, z. B. ἰσό-θεος ‘göttergleich’ (seit Il.), Hypostase aus ἴσος θεῷ oder Bahuvrihi ‘Götter als Ebenbürtige habend’ (Risch 170; vgl. Sommer IF 55, 195 A. 2), ἰσό-πεδον ‘Ebene’ (Il. u. a.), ἰσό-πεδος ‘mit der gleichen Ebene, gleichhoch’ (Hdt., Hp. u. a.; vgl. Risch IF 59, 15), ἰσ-ηγορίη, -ία ‘gleiches Recht zum Sprechen, gleiches Bürgerrecht’ (ion. att.; Zusammenbildung von ἴσον ἀγορᾶσθαι); zu ἰσοφαρίζω s. bes.; als Hinterglied z. B. in ἄ(ν)-ισος ‘ungleich, unbillig’ (ion. att.; zunächst als Bahuvrihi von τὸ ἴσον, ἡ ἴση ‘Gleichheit, gleiches Recht’). Ableitungen: ἰσότης ‘Gleichheit’ (Pl., Arist. usw.), ἰσάκις ‘gleichvielmal’ (Pl. usw.), ἰσαχῶς ‘auf ebensoviele Weisen’ (Arist.); denominative Verba: ἰσάζω ‘gleich machen, sein’ (seit Il.) mit ἰσασμός (Epikur.) und ἰσαστικός (Eust.); ἰσόομαι, -όω ‘gleichkommen, gleichmachen’ (seit η 212); ἰσαίομαι ‘gleichgemacht werden, gleich sein’ (Nik., Arat.); zu den Denominativa Schwyzer 727 u. 734. — Der Bildung nach stimmt ϝίσϝος, woraus ep. ἶσος (mit Vokalprothese f. ἐ-(ϝ)ίση, vgl. zum Digamma Chantraine Gramm. hom. 1, 144), att. ἴσος, zu *μόνϝος (> μοῦνος, μόνος), *ὅλϝος (> οὖλος, ὅλος) u. a.; die weitere Analyse bleibt unsicher. Da idg. -su̯- sich im Griechischen nicht halten konnte, ist die Zusammenstellung mit aind. viṣu- ‘nach verschiedenen Seiten’ (Curtius 378) hinfällig. Lautlich befriedigt dagegen eine Grundform *ϝιτο-ϝος (vgl. Schwyzer 308); die morphologische Anknüpfung an eine schwundstufige Nebenform *ϝιδσ- von εἶδος ‘Gestalt’ (Brugmann Grundr.2 2 : 1, 205) ist indessen hypothetisch. — Noch anders Meillet BSL 26, 12f. (zu δύω; dagegen Kretschmer Glotta 16, 195), Jacobsohn Hermes 44, 88ff. (zu u̯ei-s- ‘biegen’; dagegen Brugmann IF 28, 365ff., WP. 1, 312). I-737-738

ἰσοφαρίζω nur Präsens ‘sich gleich stellen, jmdm. gleichkommen, sich mit jmdm. messen’ (Il., Hes., Simon., Theok.); ‘gleich machen’ (Nik. Th. 572). — Für *ἰσοφορίζω = ἴσα φέρειν von einem hypothetischen *ἰσο-φόρος mit unklarem α-Vokal, wahrscheinlich nach einem unbekannten Muster (Typus ἰσοβαρής?); vgl. indessen auch den α-Vokal in φαρέτρα. In ähnlicher Bed. auch ἀντιφερίζω ‘sich einem gegenüberstellen’ (Il. usw.) nach ἀντι-φέρω. — Danach αὐτοφαρίζειν· αὐτοματεῖν H. — Vgl. Schwyzer 736 A. 5, 449 A. 4, Chantraine Gramm. hom. 1, 339. I-738

ἴσσασθαι auch ἴσσης für ἴσης (ι 42 = 549) und sogar ἴσσα für ἶσα (β 203; Bolling ClassPhil. 26, 313; anders Verdenius Mnemos. 4 : 9, 49)? · κληροῦσθαι H.; — S. αἶσα; dazu Bechtel Dial. 1, 120 und Luther "Wahrheit" und "Lüge" 70. I-738

ἱστάνω — hell. u. spätes Präsens für ἵστημι (Plb., Pap., Inschr. usw.), zum Inf. ἱστάναι neugebildet und somit von arm. sta-na-m (Aor. sta-c̣ay) ‘erstehen, erwerben’, lat. dē-stināre ‘festmachen, fest beschließen’ u. a. (s. Bq, WP. 2, 604, W.-Hofmann s. dēstinō m. Lit.) unabhängig. Ähnlich gebildet ist kret. στανύω ‘einsetzen’ (πόλιν στανυέσθων GDI 5040, 66), thematische Erweiterung eines primären schwundstufigen Präsens vom Typus αἴνυμαι, wohl nach τανύω u. a.; die Bildung stimmt zu aw. fra-stanvanti, -e ‘sie gewinnen einen Vorsprung’. Schwyzer 696f., 698f. m. Lit. I-738

ἵστημι, dor. ἵστᾱμι, Med. ἵσταμαι, Aor. στῆσαι, στήσασθαι, Fut. στήσω ‘stellen, sich stellen, stehen machen, anhalten’ (seit Il.), Aor. Pass. σταθῆναι (seit Od.), Fut. σταθήσομαι (att.); intr. Aor. στῆναι mit Fut. στήσομαι ‘hintreten’, Perf. ἕστηκα ‘stehen’ (seit Il.), sehr oft mit Präfix, ἀνα-, κατα-, ἀπο-, ἐξ-, μετα- usw. usw. Die zahlreichen, z. T. altererbten Ableitungen werden unter besonderen Schlagwörtern behandelt, s. ἱστός, σταθμός, σταμῖνες, στάμνος, στάσις, στατήρ, στήλη, στήμων, στοά usw.; vgl. noch σταυρός u. a. — Zu dem intr. athematischen Wurzelaorist ἔ-στη-ν stimmt genau aind. -sthā-m, idg. *-st(h)-m. Daneben steht ohne außergriechische Entsprechung schon bei Hom. ein transitiver σ-Aorist ἔ-στη-σ-α wie ἔ-φῡ-σ-α neben ἔ-φῡ-ν u. a.; das intrans. Futurum στή-σομαι, ursprünglich zu ἔ-στη-ν gebildet, aber mit den σ-Aoristen assoziiert, ist wahrscheinlich dabei wirksam gewesen. Auch das trans. reduplizierte athematische Präsens ἵ-στη-μι ist auf das Griechische beschränkt und schließt sich den semantisch befreundeten τί-θη-μι, ἵ-η-μι, βί-βη-μι an; sowohl das Indoiranische wie das Italokeltische haben dafür thematische Bildungen, z. B. aind. tí-ṣṭh-ati ‘steht’, lat. si-st-it ‘bleibt stehen, stellt’. Die transitive Bedeutung, die auch lat. sistō kennzeichnet (vgl. gi-gn-), erscheint sowohl in τί-θη-μι wie in ἔ-στη-σα und kann mit beiden in Verbindung stehen. Das intr. Perf. ἕ-στη-κ-α, pl. ἕ-στᾰ-μεν ist bis auf die κ-Erweiterung alt und spiegelt zusammen mit aind. ta-stháu, pl. ta-sthi-má, lat. ste-ti-mus ein idg. Perfekt wider. Alt ist desgleichen das Verbaladjektiv στᾰ-τός ‘stillstehend, stätig’ (seit Il.; hier von Pferden wie awno. staðr, nicht passiv mit Ammann Μνήμης χάριν 1, 17) = aind. sthĭ-tá- ‘stehend’, lat. stă-tus ‘gestellt’ (auf sistō bezogen), awno. sta-ðr ‘zum Stehen geneigt, stätig’ usw. Ganz fraglich ist dagegen die Gleichung ἐ-στά-θης : aind. -sthi-thās. Weitere Einzelheiten mit Lit. bei Schwyzer 686f., 742, 755f., 762, 775f., 782. — Übrige idg. Formen, die für das Griechische ohne Belang sind (z. B. lat. stō < *stā-i̯ō = lit. stō-ju, aksl. sta-jǫ ‘treten, sich stellen’, germ., z. B. as. ahd. stān, stēnstehen’ nach gān, gēngehen’), in reicher Auswahl bei Bq, WP. 2, 603ff., Pok. 1004ff. ebenso wie in den Wörterbüchern der betr. Einzelsprachen, z. B. W.-Hofmann s. stō. S. auch ἱστάνω. I-739

ἱστία, -ίη ‘Herd’ s. ἑστία. I-739

ἱστός m. ‘Webebaum, Webstuhl, Gewebe; Mastbaum’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z. B. ἱστο-δόκη ‘Maststütze, Mastgabel’ zum Aufnehmen des umgelegten Mastbaums (Α 434), ἱστο-πέδη ‘Mastfessel, Mastschuh’ (μ 51 = 162, Alk. Ζ 2, 6); vgl. Risch IF 59, 26; ἱστο-βοεύς ‘Pflugbaum, -deichsel’ (Hes. Op. 431, 435 [Versende], danach A. R. 3, 1318 u. Orac. ap. Paus. 9, 37, 4 [Versanfang]), metr. Verlängerung von *ἱστό-βοος = ἱστὸς βόειος, βοῶν (vgl. ἱππο-πόταμος) im Anschluß an die Gerätenamen auf -ευς; vgl. K. Meister HK 174, Boßhardt Die Nom. auf -ευς 31; auch ἱστο-βόη (AP 6, 104, nach -δόκη u. a.). Davon ἱστίον, gew. pl. -ία ‘Segel, Segelwerk’ (seit Il.), auch ‘Vorhang’ (LXX), ‘Webstück’ als Maß (Pap.); — Bildung wie φορτίον u. a. (Chantraine Formation 59). Zu ἵσταμαι (bzw. einem verschollenen Präsens vom Typus lat. si-st-) als "der Ständer" (nicht "der Steller"); urspr. vom Webebaum, vgl. Chantraine Étrennes Benveniste 14, Hermann Gött. Nachr. 1943, 7. S. auch στήμων. I-739-740

ἵστωρ, -ορος böot. ϝίστωρ m., "der Wisser", ‘wissend, kundig’ (h. Hom. 32, 2, Heraklit., B., S. u. a.), ‘Zeuge’ (Hp., böot. Inschr., att. Ephebeneid bei Poll. 8, 106), in unklarer Bedeutung Σ 501, Ψ 486 (‘Zeuge’ oder ‘Schiedsrichter’?), ebenso Hes. Op. 702. Mit Präfix: συν-ίστωρ ‘(Mit)zeuge, mitwissend, sich bewußt’ (: σύν-οιδα; Trag., Th., Plb. usw.) mit συνιστορέω ‘mitwissend, einer Sache bewußt sein’ (hell.); ἐπι-ίστωρ ‘mit etw. bekannt, vertraut sein’ (φ 26, A. R., AP u. a.; vgl. ἐπ-ιδεῖν ‘zusehen, erleben’), ὑπερ-ίσ-τωρ ‘etw. allzu gut wissend’ (S. El. 850 [lyr.], Augenblicksbildung); außerdem ἀ-ΐστωρ ‘unwissend’ (Pl. Lg. 845b, E. Andr. 682), πολυ-ΐστωρ ‘Vielwisser’ (D. H., Str. u. a.), φιλ-ίστωρ ‘das Wissen liebend’ mit φιλιστορέω (Str., Vett. Val. u. a.). Davon ἱστόριον ‘Zeugnis’ (Hp.), ἱστορία (s. unten). Denominatives Verb ἱστορέω, auch mit Präfix, z. B. ἀν-, ἐξ-, ‘Zeuge, kundig sein od. werden, Zeugnis ablegen, erzählen, Zeugnis erhalten, erkunden, erforschen’ (ion., Trag., Arist., hell. usw.) mit ἱστόρημα ‘Erzählung’ (D. H. u. a.); gewöhnlich ἱστορία, -ίη, formal von ἵστωρ ausgehend, aber funktionell an ἱστορέω angeschlossen, ‘Kenntnis, Erzählung, (geschichtliche) Darstellung, Geschichte, das Erforschen, die Forschung, Untersuchung’ (ion., auch att., hell. usw.). Adjektiv ἱστορικός ‘auf die ἱστορία, das ἱστορεῖν bezüglich, erkenntnismäßig, geschichtlich’ (Pl., Arist., hell. u. spät; vgl. Chantraine Études sur le vocab. gr. 134-136 m. Lit.). — Aus *ϝίδ-τωρ, Nomen agentis von οἶδα, ἴσμεν. Sowohl das Grundwort wie namentlich die im Ionischen entstandenen Ableitungen ἱστορέω, ἱστορίη haben sich mit der ionischen Wissenschaft und Aufklärung über die hellenische und hellenistische Welt verbreitet. Der Hauch muß unursprünglich sein; Erklärungsversuche bei Schwyzer 226 und 306. — Zur Geschichte und Bedeutung von ἵστωρ, ἱστορέω, ἱστορίη E. Kretschmer Glotta 18, 93f., Fraenkel Nom. ag. 1, 218f., Snell Die Ausdrücke für die Begriffe des Wissens 59ff., K. Keuck Historia. Geschichte des Wortes und seiner Bedeutungen in der Antike und in den roman. Sprachen. Diss. Münster 1934, Frenkian REIE 1, 468ff., Leumann Hom. Wörter 277f., Muller Mnemos. 54, 235ff., Louis Rev. de phil. 81, 39ff. I-740-741

ἰσχίον n. ‘Hüftgelenk, Hüfte’ (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in ἐξ-ίσχιος ‘von der Hüfte herausstehend’ (Hp.), εὐ-ίσχιος ‘mit schönen Hüften (hell. Dicht.). Ableitungen: Deminutivum ἰσχάριον (Hero); ἰσχιακός ‘zu den Hüften gehörig’ (Thphr. u. a.); ἰσχιάς, -άδος f. (sc. νόσος) ‘Hüftschmerz’ (Hp.) mit ἰσχιαδικός (Mediz.), als Pflanzenname = λευκάκανθα (Dsk., als Heilmittel gegen ἰσχιάς, Strömberg Theophrastea 194); ἰσχίᾱσις = ἰσχιάς (Mediz.; wie von *ἰσχιάω, Schwyzer 505 und 732); denominatives Verb ἰσχιάζω (ἰσχιάδδειν H.; lak.) ‘die Hüften neigen’ (Prokop., Suid., Phot., H.; unsicher Gal. 18 [1] 786). — Ohne überzeugende Erklärung. — Wenn ἴσχι· ὀσφύς H. richtig überliefert ist, stimmt es der Bildung nach zu ἄλφι, μέλι und zu aind. Körperteilbenennungen wie sákthi ‘Schenkel’, ásthi ‘Knochen’. Gegen Identifizierung von ἴσχι und sákthi (Meringer Beitr. 3, Schulze Kl. Schr. 710 A. 8) Sommer Sprachgeschichte und Wortbedeutung 426 A. 2, wo sákthi anders eingereiht wird. Unter Vergleich mit ahd. hlanca ‘Hüfte, Weiche’ : ags. hlanc ‘schlank, mager’ zieht Grošelj Razprave 2, 10 ἰσχίον zu ἰσχνός; abgesehen davon, daß hlanca von der Vorstellung des Biegens (zu nhd. lenken) ausgeht, bleibt die Bildung unklar. Wieder anders Mann Lang. 28, 39: zu alb. vithe ‘Lende eines Pferdes’. I-741

ἰσχνός ‘trocken, dürr, schmächtig, mager’ (ion. att.). Kompp., z. B. ἰσχνό-φωνος ‘mit trockener (dünner) Stimme’ (Hdt., Hp., Arist. u. a.), oft mit ἴσχω verknüpft (v. l. ἰσχό-φωνος; vgl. unten zu ἰσχναίνω) und als ‘mit stockender Stimme’ verstanden; ἔν-ισχνος ‘etwas trocken’ (Nik. Al. 147 u. a.; vgl. Strömberg Prefix Studies 128). Davon ἰσχνότης ‘Trockenheit usw.’ (Hp., Arist. usw.); denominative Verba: 1. ἰσχναίνω, auch mit Präfix wie κατ-, ἀπ-, ‘austrocknen, mager machen’ (ion. att.) mit ἰσχνασία, -ίη ‘ausgetrockneter Zustand, Magerkeit’ (Hp., Arist.; zur Bildung Schwyzer 469), ἰσχνασμός (Hp.), ἴσχνανσις (Paul. Aeg. u. a.) ‘Austrocknung’, ἰσχναντικός ‘trocknend, abmagernd’ (Arist.); 2. ἰσχνόομαι, -όω, auch mit ἀπ-, ἐξ- u. a., ‘trocken werden bzw. machen’ (Hp., Arist. u. a.) mit ἴσχνωσις, -ωτικός (Mediz. u. a.). — Daneben ἰσχαλέος ‘trocken, dürr’ (τ 233, Man.) und ἰσχάς, -άδος f. ‘getrocknete Feige’ (Kom., Arist. usw.) mit ἰσχαδο-πώλης, ἰσχάδιον u. a. (Kom. usw.). — Zu ἰσχ-ν-ός und ἰσχ-αλ-έος mit Stammwechsel ν : λ (σμερδνός : σμερδαλέος, Schwyzer 484, Chantraine Formation 253) hätte man ein Verb ἰσχαίνω erwartet (κερδαλέος : κερδαίνω), das tatsächlich oft als v. l. belegt ist, aber auch auf Vermischung mit ἰσχάνω ‘zurückhalten, hemmen’ beruhen kann. Ein mit diesem Wechsel in Beziehung stehender u-Stamm ist in aw. hišku-, kelt., z. B. mir. sesc ‘trocken’, idg. *si-sq-u(-o)-, vermutet worden. Da indessen dabei die Aspirata unerklärt bleibt, hat man für ἰσχνός eine lautlich ganz unbedenkliche, aber nur ad hoc aufgestellte Grundform *si-sq-sno- angenommen (Brugmann Grundr.2 2 : 1, 475); als Zwischenglied wäre ein s-Stamm einzuschieben. — Unklar ist das Grundwort von ἰσχάς; nach οἰνάς, κοτινάς, φυτάς, μυρτάς usw. wäre zunächst ein Nomen zu erwarten. Weitere Anknüpfungen (idg. seq- ‘versiegen’) m. Lit. bei Bq, WP. 2, 473f., Pok. 894f., W.-Hofmann s. siccus. — Nicht mit Osthoff IF 27, 181ff. zu lat. vēscus ‘abgezehrt, mager’ (zu vēscor, s. W.-Hofmann s. v.). I-741-742

ἰσχύ̄ς, -ῠ́ος f. ‘Kraft, Stärke, Macht’ (seit Hes.). Komp. ἄν-ισχυς ‘kraftlos’ (LXX). — Denominatives Verb ἰσχύω, Aor. ἰσχῦσαι, auch mit Präfix, ἐν-, ἐξ-, κατ-, ὑπερ- usw., ‘Kraft, Stärke, Macht besitzen’ (Pi., Hp., att., hell. u. spät) mit ἴσχυσις (LXX). — Adj. ἰσχῡρός ‘kräftig, stark, mächtig, heftig’ (ion. att.); als Vorderglied z. B. ἰσχυρο-ποιέω ‘verstärken, befestigen’ (Plb. usw.), als Hinterglied (für unbequemes -ισχυς, Frisk Adj. priv. 18) in ἀν-ίσχυρος ‘nicht stark, ohne Stärke’ (Hp., Str. u. a.), ὑπερ-ίσχυρος ‘außerordentlich stark’ (X., Arist.). Davon ἰσχυρικός ‘stark’ (Pl. Tht. 169b; expressive Erweiterung?; anders Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 147) und die Denominativa 1. ἰσχυρίζομαι, auch mit Präfix wie δι-, ἀπ-, ἀντ-, ‘sich stark erweisen, sich anstrengen, nachdrücklich behaupten usw.’ (Heraklit., att.) mit dem Desiderativum ἰσχυρι-είω ‘behaupten wollen’ (Hp.); 2. κατ-ισχυρεύομαι ‘heftig sein’ (Aq.); ’Ισχύλος EN (Inschr.). — Aus H. (und Hdn. Gr. 1, 509) βίσχυν (lak.), γισχύν· ἰσχύν folgt urgr. *ϝισχύ̄ς, das von Brugmann IF 16, 493f., Grundr.2 2 : 1, 209 ansprechend zu aind. vi-ṣah- ‘in der Gewalt haben’ gestellt wird; somit zu σχ-εῖν, ἔχω (s. d.) mit dem Präfix *u̯i- ‘auseinander’, auch verstärkend (vgl. zu ἴδιος). Zum -Stamm (wie πληθύ̄ς, νηδύ̄ς usw.) s. Schwyzer 463f.; dazu Meid IF 63, 1 1, der es als Abstraktbildung von einem Adj. *ϝι-σχ-ύς ‘widerstehend’ (-υ- wie in ἐχυ-ρός) erklären will. — Anders Meillet BSL 27, 129ff.: ἰ- prothetisch, Anlehnung an ϝίς sekundär. — Chantraine Emerita 19, 134ff. erwägt Zusammenhang mit ἰξύς, ἰσχίον; daselbst auch über Bedeutung und Gebrauch (ἰσχύς als volkstümlich von Hom. vermieden?). I-742-743

ἰταμός ‘keck, verwegen, unverschämt’ (att.) mit ἰταμότης (Pl., Plb. u. a.), ἰταμία (LXX) ‘Keckheit’, ἰταμεύομαι ‘keck sein’ (Jul. Or. 7, 210c; interpoliert). — Daneben ἴτης, -ου m. ‘verwegener Mensch, Brausekopf’ (Ar., Pl.), auch ἰτητικός = ἰταμός (Arist. u. a.; von ἰτάω, s. εἶμι). — Wie πό-της ‘Trinker’ gebildet (Chantraine Formation 318) gehört ἴ-της als "Draufgänger" wahrscheinlich zu ἰ-έναι ‘gehen’ (Curtius 401 mit den Alten, z. B. Pl. Prt. 349e, 359c); das davon nicht zu trennende ἰταμός steht der Bildung nach ziemlich allein, da die Oxytona auf -αμός (von οὐδ-, μηδ-αμός abgesehen) sonst Substantiva sind (ποταμός usw.). Beide Wörter dürfen aus der attischen Umgangssprache stammen (verfehlt Fraenkel Nom. ag. 2, 58f.). I-743

ἰ̄τέα, ep. ion. ἰτέη (-εί- A. R. 4, 1428; metr. Dehnung) f. ‘Weide’ (seit Φ 350), auch ‘ein aus Weide geflochtener Schild’ (E., Ar.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 73). Komp. ἰτεό-φυλλος ‘mit Weidenblättern geschmückt’ (Halik. IIIa). Davon ἰτέϊνος ‘aus Weiden’ (Hdt., Thphr., Pap. u. a.), ἰτεών ‘Weidenhain’ (Gp.). — Bildung wie πτελέα und andere Baumnamen (Chantraine Formation 92), wahrscheinlich von einem mit (ϝ)ί-τυς (von u̯ei- ‘biegen’) parallel laufenden Nomen, vgl. γιτέα (= ϝιτέαἰτέα H. In der anlautenden Länge ist wegen des att. Demennamens Εἰτέα eine itazistische Schreibung vermutet worden (Fick BB 30, 274; vgl. zu οἶσος). Weiteres s. ἴτυς. I-743

ἴτριον (Anfangssilbe lang Ar. Ach. 1092) n., gew. pl. Ben. eines Kuchens, der nach Ath. 14, 646d aus Sesam und Honig gemacht wurde (ion. att.); davon ἰτρίνεοςἴτριον-ähnlich’ (AP). — Herkunft unbekannt, wahrscheinlich LW. L. Meyer 2, 35 erwägt Zusammenhang mit ἱ-μαλιά. I-743

ἴτυς, -υος f. ‘Radfelge, Schildrand’, auch übertr., ‘Schild’ (ep. ion. seit Il.). Keine Ableitungen. — Äol. ϝίτυς (Gramm.; vgl. auch Chantraine Gramm. hom. 1, 144) erweist Zusammenhang mit ἰτέα, οἶσος, ἶρις (s. auch ἴς), somit eig. ‘Biegung’ (woraus zunächst ‘Weide’?) als τυ-Ableitung eines Verbs ‘biegen, flechten’ in lat. viēre ‘binden, flechten’, aind. vyáyati ‘winden, wickeln, hüllen’, Ptz. vītá- (vgl. ϝῖ-ρις, ϝῑ-τέα), lit. vejù, výti, Ptz. výtas (= aind. vītá-), slav., z. B. russ. vjú, vítь ‘drehen, winden’. Zu ϝίτυς stimmt genau lat. vitus ‘Radfelge’, wozu vitūtus ‘mit einer Felge versehen’ (aus βιτωτός Ed. Diocl. zu entnehmen), aber wahrscheinlich als Entlehnung (W.-Hofmann s. v.). Auch sonst sind Spuren von tu-Ableitungen sowohl im Griechischen wie im Baltoslavischen vorhanden: ἰτέα, οἶσος; apr. witwan ‘Weide’, aksl. větvь, russ. vítvina ‘Zweig, Rute’; direkte Beziehung zu ἴτυς ist indessen zweifelhaft, vgl. Porzig Satzinhalte 340. — Weitere Verwandte (z. B. lat. vītis, ahd. wīdaWeide’, lat. vīmen) m. Lit. bei Bq, WP. 1, 223ff., W.-Hofmann s. vīeō, Vasmer Russ. et. Wb. s. vetvь und vítvina. I-743-744

Ἴτυς, -υος m. Sohn des Tereus und der Prokne, die in eine Nachtigall verwandelt wurde (A., S., Ar.); aus dem Ruf der Nachtigall entstanden, vgl. S. El. 148 (lyr.): ἅ Ἴτῠν αἰὲν Ἴτῡν ὀλοφύρεται (zur Länge des υ vgl. Schulze Kl. Schr. 401); auch als Adj. in unklarer Bed. (metr. Inschr. aus Kappadokien; vgl. Ryba Rev. de phil. 57, 113ff. und ἴτυλος unten). Daneben mit suffixaler Erweiterung Ἴτυλος Sohn des Zethos und der Aëdon (τ 522; danach H. = μόνος, ὀρφανός, νέος, ἁπαλός; Pherekyd. 124 J.); auch ’Ιτυμονεύς (Λ 672, A. R.)?; — zur Bildung Boßhardt Die Nom. auf -ευς 97, Fraenkel Nom. ag. 1, 105 A. 1. Von Ἴτυς wohl auch ἴτυξ N. eines Vogels (Phot., Suid.); vgl. ὄρτυξ, ἴυγξ usw. I-744

ἰυγή, ἴυγμα, ἰυγμός ‘Geschrei’ s. ἰύζω. I-744

ἴυγξ, ἴυγγος f. N. eines Vogels, ‘Drehhals, Wendehals, Iynx torquilla’ (Arist., Ael.), der unter Zaubergesängen auf ein in Bewegung gesetztes Rad gebunden wurde, um eine verlorene Liebe wiederzugewinnen; daher ‘Zauberrad, Liebeszauber’ (Pi., Ar., X. usw.; vgl. Gow JournofHellStud. 54, 1ff.; dazu Kretschmer Glotta 26, 63); auch (meist im Plur.) Ben. gewisser chaldischen Gottheiten (Prokl., Dam.). Davon ’Ιύγγιος Monatsname in Thessalien (IG 9 : 2, 258, 5; zu ’Ιυγγίης· ὁ Διόνυσος H.?, vgl. zu ἰύζω); ἰυγγικός ‘zu den ἴυγγες gehörig’ (Dam.). — Bildung wie πῶυγξ, στρίγξ, σύριγξ und andere Benennungen von Vögeln und Musikinstrumenten (Chantraine Formation 3 u. 398), somit von ἰύζω nach dem Geschrei (z. B. Osthoff MU 4, 185 A. 2), evtl. als ursprüngliches Fremdwort (so Bq) an ἰύζω u. Verw. angeglichen. I-744

ἰύζω (ep. poet. seit Il.), Aor. ἰύξαι (Pi. P. 4, 237) ‘laut schreien, heulen’, auch ἀν-ιύζω (Q. S.). Davon ἰυγή (Orac. ap. Hdt. 9, 43, S., Nik. u. a.), ἰυγμός (Σ 572, A., E.) ‘Geschrei’, auch ἰύγματα pl. ‘ds.’ (A. Dict. in PSI 11, 1209, 17); ἰύκτης m. ‘Heuler, Pfeifer’, nur in ἰύκτᾰ (Theok. 8, 30; nach ἠπύτα, ἠχέτα, Fraenkel Nom. ag. 1, 223). Mit sekundärer Nasalierung ἰυγκτόν· τορόν und ἰυγγοδρομεῖν· ἐκβοηθεῖν. Βοιωτοί H. (nach βοηδρομεῖν; falsch für ἰυγο- ?); auch ’Ιυγγίης· Διόνυσος H. mit ’Ιύγγιος thess. Monatsname; Einzelheiten bei E. Kretschmer Glotta 18, 98. — Zu ἴυγξ s. bes. — Verbalisierte Interjektion, vgl. ἰΰ (Hdn. Gr. 1, 506; aus ἰύζω rückgebildet?), auch ἰού, ἰώ, ἰαῦ u. a. (Schwyzer-Debrunner 600). Von der Interjektion auch Ἴυος Beiname des Dionysos (Lykaonien; vgl. Robinson AmJournArch. 31, 26ff., Wahrmann Glotta 19, 161). Das anlautende ἰ- (Quantität schwankend) war wohl ursprünglich Halbvokal wie in lat. iūbilō, mhd. jū u. a., s. Schwyzer 313. — Unklar sind ἀβίυκτον (cod. -ηκτονἐφοὗ οὐκ ἐγένετο βοὴ ἀπολλυμένου (vgl. Latte z. St.) und ἐκβιούζει· θρηνεῖ μετὰ κραυγῆς H., ob aus *ϝιύζω nach ϝιϝάχω? Vgl. Schulze Kl. Schr. 335, wo indessen ἰ̄ύζω und ἰ̆υζω (aus *ϝιύζω) falsch getrennt werden. S. auch ἰβύ und 1. αὔω. — Weitere Formen m. Lit. bei W.-Hofmann s. iūbilō. WP. 1, 210, Pok. 514. I-744-745

ἴφθιμος etwa ‘kräftig, stark, wacker’ (Hom., Theok., D. P.). — Schon wegen der unsicheren Bedeutung etymologisch schwer bestimmbar (ebenso die gleichgebildeten ἐρῆμος, ἑτοῖμος, s. dd.). Das Fehlen des Digamma (Chantraine Gramm. hom. 1, 143) macht Anschluß an ἴς, ἶφι sehr unwahrscheinlich. Nach Kuiper Glotta 21, 289ff. und ZII 8, 249f. zu φθάνω und (mit Collitz BB 18, 226ff.) zu aind. kṣáyati ‘besitzen, beherrschen’; s. die Bedenken bei Schwyzer 326 A. 1. I-745

ἴφιος ‘kräftig’ s. 1. ἴς. I-745

ἴφυον n. Art Lavendel, ‘Lavandula Spica’ (Ar., Epich., Thphr.). — Unerklärt. Daneben τίφιον n. ‘Scilla autumnalis’ (Thphr.); vgl. Strömberg Pflanzennamen 155f. I-745

ἰ̄χανάω, -άομαι ‘begehren, trachten, streben’ (Hom., Babr., Herod.); daneben ἰχαίνω ‘ds.’ (Kall. Aet. 1, 1, 22), wohl Neubildung nach ὑφανάω : ὑφαίνω u. a. (s. Schwyzer 700); weiteres zur Bildung Risch par. 112e (m. Lit.), Chantraine Gramm. hom. 1, 360; dazu noch Bolling Lang. 21, 52. — Der alternierende ρ-Stamm kann in dem unsicheren ἶχαρ ‘Begierde’ (A. Supp. 850, lyr.) vermutet werden. — S. ἀ̄χήν. I-745

ἰχθῦς, -ύος m. ‘Fisch’ (seit Il.; zum Akzent Schwyzer 377f. und Berger Münch. Stud. zur Sprachwiss. 3, 7). Oft als Vorderglied, meist durch ο erweitert, z. B. ἰχθυο-πώλης (Kom. usw.) gegenüber ἰχθυ-βόλος (A., AP u. a.; -βολεύς Nik., Kall. u. a.; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 64). Als Hinterglied in ἄν-, εὔ-, πολύ-ϊχθυς u. a. (Str. usw.), auch πολυ-ΐχθυος (h. Ap. 417; metr. bequem). Mehrere Ableitungen: Deminutivum ἰχθύδιον (Kom., Pap. usw., wohl zunächst aus -υ-ΐδιον > -ύ̄διον; Spätere -ῠ-; Schwyzer 199 mit Fraenkel Nom. ag. 2, 177f. u. A.; anders Chantraine Formation 70). Andere Substantiva: ἰχθύᾱ, ion. -ύη ‘getrocknete Fischhaut, getrockneter Fisch, Fischerei usw.’ (Mediz., Pap. u. a.); ἰχθυήματα pl. (selten sg.) ‘Fischschuppen’ (Hp.); ἰχθυΐα ‘Fischerei’ (Prokl.; vgl. Scheller Oxytonierung 41); ἰχθυεῖον ‘Fischmarkt’ (Nesos; unsicher); ἰχθυόνερ· ἰχθυαγωγοί H.; vgl. Schwyzer 487. — Adjektiva: ἰχθυόεις ‘fischreich, aus Fisch(en) bestehend’ (ep. poet. seit H.; zur Bildung Debrunner ’Αντίδωρον 28ff.); ἰχθυώδης ‘fischreich, fischartig’ (Hdt. u. a.); ἰχθυηρός ‘aus Fisch(en) bestehend, schuppig, verunreinigt’ (Ar., Ph. u. a.; zum Nebensinn des Unangenehmen Chantraine Formation 233), ἰχθυηρά f. ‘Fischsteuer’ (Pap.; Mayser 1 : 3, 96); ἰχθυϊκός ‘auf Fisch(e) bezüglich, fischartig’ (LXX u. a.), -ική ‘Fischzoll’ (Magnesia, Ephesos); ἰχθυακός ‘ds.’ (Aq., Sm., Thd. u. a.); ἰχθύϊνος ‘ds.’ (Ael.). — Verba: ἰχθυάω ‘fischen’, auch intr. ‘sich wie ein Fisch benehmen’ (ep. seit Od.), erweitert ἰχθυάζομαι ‘fischen’ (AP). Vgl. die Ableitungen von ἅλς : ἁλι-εύς, -εύω, -εία usw., die im Gebrauch mit der ἰχθῦς-Gruppe konkurrierten und sie teilweise ersetzten. — Altes Wort für ‘Fisch’ im allg., das indessen auf das Armenische und das Baltische beschränkt ist: arm. ju-kn (mit derselben Erweiterung wie in mu-kn : μῦς), lit. žuvìs, Gen. pl. žuv-ų̃, lett. zuvs. Zur griechischen Vokalprothese Schwyzer 413; zu der ungelösten Frage nach dem ursprünglichen konsonantischen Anlaut ebd. 325, Deroy L’Ant. class. 23, 306ff., Merlingen Μνήμης χάριν 2, 53; vgl. zu ἰκτῖνος, χθών und χθές. Die Vokallänge in ἰχθῦς will Specht KZ 59, 280ff. (ebenso Schwyzer 350) auf vorgr. Dehnung in einsilbigen Wörtern zurückführen; dagegen Kretschmer Glotta 22, 240f. — Neben dem auf das idg. Zentralgebiet beschränkten ἰχθῦς- juknžuvìs gab es im Westen (Latein, Keltisch, Germanisch) ein anderes Wort für ‘Fisch’, lat. piscis, air. īasc, nhd. Fisch (russ. piskárь ‘gemeiner Gründling, Cyprinus Gobio’ bleibt fern, s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v.). I-745-746

ἴχλα f. N. eines Meerfisches, = κίχλα, κίχλη (BCH 60, 28 [Böotien IIa], H.); vgl. ἰχάλη = ἐσκευασμένος ἰχθῦς H. — Unklar; vgl. Lacroix Mél. Boisacq 2, 52f. I-746

ἴχνος n. ‘Fußtapfe, Spur, Fährte, Sohle’ (seit ρ 317). Als Vorderglied z. B. in ἰχνο-σκοπέω ‘nach den Spuren sehen’ (A., S., Plu.). Davon ἴχνιον ‘ds.’ (vorw. poet. seit Il.) mit ὑπ-ίχνιος ‘unter der Fußsohle befindlich’ (Q. S.). Denominatives Verb ἰχνεύω, auch mit Präfix, z. B. ἀν-, ἐξ-, δι-, ‘spüren, aufspüren’ (seit Χ 192) mit ἰχνευτής ‘Spürhund, Ichneumon’ (Hdt., S. u. a.), auch ἰχνευτήρ ‘ds.’ (Opp., Nonn.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 134f.) mit ἰχνεύτειρα (Korkyra); ἰχνεύμων, -ονος m. "Spürer", N. einer ägyptischen Wieselart, ‘Ichneumon’, auch übertr. von einer Wespenart (Arist., Eub. u. a.); ἴχνευμα ‘Spur’ (Poll.); ἰχνευτικός ‘zum Spüren geeignet’ (Ph., Arr. u. a.). Außerdem ἐξ-ιχνιάζω ‘aufspüren’ mit ἐξιχνιασμός (LXX, Aq.), eher von ἴχνος nach den Verba auf -ιάζω (vgl. Schwyzer 735) als von ἴχνιον. — Zu ’Ιχναίη Bein. der Θέμις (h. Ap. 94), von dem Ort Ἴχναι in Südthessalien, s. v. Wilamowitz Glaube 1, 203. — Bildung wie ἔρ-νος, κτῆ-νος u. a., aber Herkunft unklar; vielleicht mit Wood ClassPhil. 5, 305, Persson Beitr. 2, 563 mit A. 4 zu οἴχομαι (s. d.). Frühere Versuche bei Bq, dazu noch Wood ClassPhil. 16, 65 und 21, 72 mit verschiedenen Erklärungen. — Die Nebenform ἴχματα· ἴχνια H. vielleicht für ἴθματα (s. εἶμι). I-746-747

ἰ̄χώρ, -ῶρος (Akk. sg. ἰχῶ Ε 416) m. ‘Götterblut’ (Ε 340, 416), sek. vom Blut der Giganten (Str. 6, 3,5), von Blut im allg. (A. Ag. 1480, anap.), ‘Blutwasser, -serum, Molken’ (Hp., Arist. u. a.; aus der Dichtersprache geholt, s. Leumann Hom. Wörter 310). Als Vorderglied u. a. in ἰχω(ρο)-ρροέω ‘Blutwasser abgeben’ (Hp. u. a.). Ableitung ἰχωρώδης ‘serös’ (Hp). Morphologisch ohne genaues Gegenstück (vgl. Schwyzer 519 und 569, Chantraine Gramm. hom. 1, 212), wohl Fremdwort (vgl. Krahe Die Antike 15, 184). — Mehrere Erklärungsversuche: LW aus heth. ešḫar (s. ἔαρ; Kretschmer Kleinas. Forsch. 1, 9ff., Heubeck Würzb. Jb. 4, 212ff.); zu ἰκμάς (Pisani Ist. Lomb. 73, 492ff.); zu ἶχαρ, ἰχανάω (Bolling Lang. 21, 49ff.); noch anders Stokes bei Fick 2, 295 (s. auch Carnoy REGr. 69,2 83), Persson Stud. 112 A.2, Güntert Götter und Geister 102, Grošelj Razprave 2, 40f. I-747

ἴ̄ψ, ἰ̄πός Ben. eines Wurms, der Horn und Weinstöcke benagt (φ 395, Thphr., Str.), ’Ιπο-κτόνος N. einer Gottheit in Erythrai (Str. 13, 1, 64). — Reimwort zu θρίψ, κνίψ, σκνίψ, vielleicht Kreuzung davon mit ἴξ (s. d.). Seit alters zu ἴψασθαι (s. ἶπος) gezogen; dagegen Solmsen Wortforsch. 173 A. 2 (S. 174). Eine andere Vermutung bei Schwyzer 299 (nach Georgiev): lautgesetzliches ἴξ, ἰπός zu ἴξ, ἰκός, bzw. ἴψ, ἰπός ausgeglichen. I-747

ἴψος oder ἰψός m. Baumname ‘Korkeiche, Quercus Suber (?)’ (Thphr. HP 3, 4, 2); ἰψόν· τὸν κισσόν. Θ<ο>ύριοι H. — Vgl. zu *(ϝ)ίμβω. I-747

ἰωγή (ξ 533) s. ἐπιωγαί. I-747

ἰωή f. ‘Schall, Geschrei, Getöse, Gebrause’ (ep. seit Il.; ἰωά S. Ph. 216, lyr.). — Onomatopoetische Bildung, aus der Interjektion ἰώ erwachsen. Vgl. ἰή mit ἰήϊος (s. d.). I-747

ἰωκή, Akk. sg. ἰῶκα (Λ 601; zur Heteroklisie Schwyzer 584, Chantraine Gramm. hom. 1, 231, Egli Heteroklisie 12f.) f. ‘Angriff, Verfolgung’ (Il.). Daneben ἰωχμός ‘ds.’ (Il., Hes., Theok.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 160), ἴωξις· δίωξις H., παλί̄ωξις ‘Wiederverfolgung’ (Il., App.), danach προίωξις (Hes. Sc. 154). — Primärbildungen zu ϝιώκει ‘verfolgt’ (kor.), somit für (ϝ)ιωκή, παλι-(ϝ)ίωξις usw. (über Spuren vom Digamma Chantraine 1, 143); ἰωχμός (ῑ- metr. gedehnt) aus *ἰωκ-σμό-ς (Schwyzer 493). Zu ϝιώκει (: ϝίεμαι) s. διώκω m. Lit. Einzelheiten bei Bechtel Lex. s. v. — Verfehlt Fraenkel Satura Berolinensis (1922) 20ff. (Referat bei Kretschmer Glotta 15, 189). I-747-748

Ἴωνες, ep. poet. ’Ιάονες pl. (selten Ἴων, ’Ιάων) ‘Ionier’, einer der vier griechischen Hauptstämme (seit Ν 685 ’Ιάονες ἑλκεχίτωνες; späte Interpolation, v. Wilamowitz Glaube 1, 85 A. 3). Als Hinterglied in Παν-ίωνες (Eust. 1414, 36), Rückbildung nach Παν-έλληνες aus Πανιών-ιον n. ‘Tempel der gesamten Ionier’, -ια pl. N. des entsprechenden Festes (Hdt. usw.), Πανιώνιος m. Beiname des Apollon u. a. (Inschr.). Ableitungen: 1. ’Ιάς, -άδος f. ‘Ionierin, ionisch’ (Hdt., Th. u. a.) mit ’Ιακός (Plb. u. a.); zu Ἴωνες nach Ἕλληνες : ‘Ελλάς (vgl. unten). 2. ’Ιαόνιος ‘ionisch, griechisch’ (A. in lyr.), ’Ιαονίς f. (Nik.); spät ’Ιώνιος ‘ds.’ (Philostr.) mit ’Ιωνίς f. (Kall., Paus. u. a.), ’Ιωνιάς f. (Nik., Str.); dazu ’Ιωνία ‘Ionien’ (A. Pers. 771), ’Ιαονίη-θε (Nik. Fr. 74, 2). 3. ’Ιωνικός ‘ionisch’ (Hdt., Th. usw.). 4. ὁΙόνιος (κόλπος usw.) m. ‘das Ionische Meer’ (zwischen Epeiros und Italien; vgl. unten). 5. ’Ιάνειος Patronym. (thess.). 6. ἰωνίσκος m. ephesischer N. des Fisches χρυσόφρυς (‘Goldbrasse’; Archestr.; vgl. Strömberg Fischnamen 86). Denominatives Verb ἰωνίζω ‘ionisch sprechen’ (A. D.). Unsicher ’Ιαωλκός, ’Ιωλκός Stadt in Magnesia am Pagasäischen Meerbusen (seit Hes. Th. 997), eig. "Ionierhafen" aus *’Ιαϝο-ολκός? — Aus ägypt. jwn(n)’, hebr. jāwān, apers. yauna usw. folgt ein urspr. *’Ιά̄ϝονες; weitere Analyse unsicher. Eine kürzere Form *Ἴον-ες ist in ’Ιόνιος vermutet worden (vgl. Jacobsohn KZ 57, 76ff., Treidler Klio 22, 86ff., dazu Kretschmer Glotta 19, 216), wenn nicht nach χθόνιος u. a. (von Beaumont JournofHellStud. 56, 204 wird ’Ιόνιος auf ’Ιώ bezogen); jedenfalls lassen sich ’Ιάς und ’Ιαωλκός aus ’Ιάονες, Ἴωνες erklären. Unklar ’Ιάνων ( ̆ ̆; A. Pers. 949f.; lyr.). — Der Akzent in Ἴωνες kann sich nach den zahlreichen Personenbezeichnungen auf -(ί)ων, -(ί)ωνες gerichtet haben; nach Vendryes BSL 25, 49 dagegen attische Verschiebung wie in ἔγωγε. — Eigentliche Bedeutung unbekannt, mithin ohne Etymologie. Mehrere Hypothesen: "die ἰα-Rufer" (Theander Eranos 20, 1ff.), "Verehrer des Apollon ἰήϊος" (Kretschmer Glotta 18, 232f., Kleinas. Forsch. 1, 1ff.), zu ἰάομαι usw. (Carnoy Les ét. class. 24, 105f.). Einzelheiten m. weiterer Lit. bei Schwyzer 80 : 3. I-748

ἰωρός m. Bed. unsicher; nach A. D. Pron. 55, 26 att. = ὁ αὐτῆς τῆς πόλεως φύλαξ mit falscher Zurückführung auf das Pronomen ἵ; ähnlich Hdn. 1, 200: ὁ γνήσιος φύλαξ; nach einem Sprichwort bei Suid. (App. Prov. 4, 39) von dem einem Totschläger auferlegten Banne (ἐντὸς, ἐκτὸς ἰωροῦ), von H. als ‘Haus’ aufgefaßt; vgl. die zur Wahl gestellten Erklärungsversuche: ἰωρός· τὸ ὀρ<ε>ινὸν χωρίον, καὶ τὸ ὄρος. καὶ οἶκος, καὶ ὁ τούτου φύλαξ. — Von Bq als *ϝι-ϝωρό-ς zu ὁράω, ὤρα, hom. οὖρος ‘Wächter’ gestellt; angesichts der unsicheren Bed. ganz hypothetisch. I-749

ἰῶτα n. indekl. der neunte Buchstabe des Alphabets (Pl. Kra. 418b u. a.). Davon ἰωτακισμός ‘Wiederholung des i’ (Quint. u. a.), nach σολοικισμός, ἀττικισμός usw. (Niedermann Rev. de phil. 74, 5ff.; dazu Schwyzer 736 m. A. 8 u. Lit.). — Aus dem Semitischen, vgl. hebr. jōdh; dazu Schwyzer 140 u. 313. I-749

ἴωψ, -ωπος, böot. ϝίωψ (BCH 60, 28, IIa) m. N. eines kleinen Fisches (Nik., Kall. u. A. bei Ath., Ael., Hdn. Gr. 1, 247). — Unerklärt; zur Sache Thompson Fishes s. v. I-749

κα Partikel s. κε. I-749

καβαθα N. eines Gefäßes — s. γάβαθον; Anlaut wie in κάβος, vgl. s. v. I-749

κάβαισος m. ‘gefräßiger Mensch, Fresser’ (Kratin. 103), auch PN (IG 5 : 2, 271, 9; Mantinea IVa). — Nach den Alten von κάβος und αἶσα; ersteres mag richtig sein, zum Ausgang vgl. ’Αγόραισος (GDI 3269, 12; 3386, 36; Schulze Kl. Schr. 665). I-749

καβάλλης, -ου m. ‘Arbeitspferd, ἐργάτης ἵππος’ (Plu., AP, H.). Davon καβάλλ(ε)ιον n. ‘ds.’ (Inschr. Kallatis, H.), auch übertr. = ἡ πρώτη τοῦ τρικλίνου κλίνη· διὰ τὸ ἀνάκλιτον H. Ferner καβαλλάτιον (< lat. *caballatium) Pflanzenname, = κυνόγλωσσον (Ps.-Dsk.; vgl. die Pflanzennamen auf ἱππο- bei Strömberg 30); καβαλλάριος (Teukros Astrol.) = lat. caballārius ‘Pferdeknecht’ (Gloss.), mit καβαλλαρικός (μύλος, τάπης Edict. Diocl.) auf καβάλλης bezogen. — Wie lat. caballus, gall. EN Caballos ist καβάλλης (-ης technisch und volkstümlich, Chantraine Formation 30f.) ein asiatisches Wanderwort (viell. wie Wallach u. a. urspr. Ethnikon); vgl. zunächst türk. käväl Beiw. von at ‘Pferd’, pers. kaval ‘mischblütiges, zweitklassiges Pferd’. In Betracht kommen noch aksl. russ. kobýla ‘Stute’ und nach Nehring (s. u.) aind. kapala- als Beiw. des Kamels (?). Ob weiterer Zusammenhang mit dem kleinasiat. Volksnamen Καβαλεῖς (Καβηλέες Hdt.) besteht, muß bei unserer mangelnden Kenntnis der historischen und ethnischen Tatsachen eine offene Frage bleiben, ebenso die Zugehörigkeit von κάβηλος, κάληβος· ἀπεσκολυμμένος τὸ αἰδοῖον H. (vgl. zu βάκηλος). — Nehring Sprache 1, 164ff.; außerdem W.-Hofmann s. caballus (mit Nachtr. 853) und Vasmer Russ. et. Wb. s. kobýla mit weiteren Formen und reicher Lit.; dazu noch Belardi Doxa 3, 208. I-749-750

Κάβαρνοι m. pl. Ben. der Demeterpriester auf Paros (IG 12 : 5, 292 [IIIp], H.). Daneben Κάβαρνις, dichterischer N. der Insel Paros (St. Byz.). — Unklar; vgl. E. Kretschmer Glotta 18, 87f. I-750

Κάβειροι m. pl. Ben. chthonischer Gottheiten, die bes. auf Samothrake und Lemnos ebenso wie in Böotien verehrt wurden (Pi., Hdt., Inschr. usw.). — Herkunft unbekannt; schwerlich mit Wackernagel KZ 41, 316ff. = Kl. Schr. 1, 505ff. (wo über ältere Vorschläge) zu aind. Kúbera- ‘Herr der Geister des Dunkels, Gott der Schätze’, s. Mayrhofer Wb. s. v. m. Lit. Über die Kabiren Nilsson Gr. Rel. 1, 670ff., wo auch Lit., u. a. Kretschmer KZ 55, 82ff. I-750

κάβος m. Getreidemaß, = 4. ξέσται (LXX), — aus hebr. qaƀ. Vgl. zu γάβαθον, auch καβαθα. I-750

κάγκαμον n. Ben. eines orientalischen Baumharzes (Dsk.), = arab. kamkām; sonst dunkel. — Das Wort für ‘Saffran’, arab. kurkum, hebr. karkōm, akkad. kurkānu, wozu aind. kuṅkumam ‘ds.’, ist davon zu trennen; vgl. zu κρόκος. — Aus κάγκαμον lat. cancamum (seit Plin.). I-750

κάγκανος ‘dürr’ (ep. poet. seit Il.), poet. Erweiterung καγκάνεος ‘ds.’ (Man.). Dazu, wohl als Denominativum, καγκαίνει· θάλπει, ξηραίνει; außerdem mit ν:λ-Wechsel καγκαλέα· κατακεκαυμένα H., falls nicht vielmehr Neubildung nach den vielen Adjektiven für ‘dürr’ auf -αλέος (ἀζαλέος, αὐαλέος usw.). — Ohne Suffix καγκομένης· ξηρᾶς τῷ φόβῳ H. und πολυ-καγκής Beiwort von δίψα (Λ 642), vielleicht zu κάγκομαι in καγκο-μένης gebildet (vgl. Schwyzer 513). — Mit κάγκανος usw. sind einige Wörter für ‘Hunger, Qual’ verbunden worden: die hochstufigen primären Verba gr. κέγκει· πεινᾷ (Phot.), lit. keñkia, Inf. keñkti ‘es tut weh’ (eig. *‘brennt, dörrt’), das sekundäre awno. hā ‘plagen, quälen’, urg. *hanhōn (vgl. Wißmann Nom. postv. 1, 42), und die Verbalnomina lit. kankà ‘Qual, Pein’, germ., z. B. got. huhrusHunger’ mit huggrjan ‘hungern’ (Schwundstufe mit grammatischem Wechsel; wohl alter r- Stamm). Unsicher dagegen aind. kaṅkāla- m. n. ‘Gerippe’ (vgl. σκελετός), und ganz besonders das desiderative aind. kāṅkṣati ‘begehren’ (aus *‘brennend verlangen’?), vgl. Mayrhofer Wb. s. vv. Der innere Nasal in κάγκανος usw., der aus dem Ablaut qenq-, qonq-, qn̥q- herausfällt, muß dann sekundär sein (vgl. Schwyzer 343). — Schulze KZ 29, 269f. = Kl. Schr. 329; s. noch Bechtel Lex. s. v. und Fraenkel Lit. et. Wb. s. keñkti. Nach Schulze a. a. O. gehören hierher auch die H.-glossen κακιθής· ἄτροφος ἄμπελος, κακιθές· χαλεπόν, λιμηρές, κακιθά· λιμηρά (Hinterglied zu αἴθω, ἰθαίνω). S. auch κάχρυς. I-750-751

κάγκελ(λ)οι, (-ος), -ον n. m. pl., ‘Gitter, Schranken’ (Pap., Inschr., Kaiserzeit; Sch.) mit καγκελ(λ)ωτή ‘mit Gitter versehen’ (διαβάθρα, θύρα; Pap., Sch.), auch als Maßbezeichnung (μέτρῳ τῷ καγκέλλῳ usw.) in den Pap. — Aus lat. cancellī pl. ‘ds.’ (seit Cic.); ebenso καγκελλάριος (Lyd. Mag., Pap. VIp) = lat. cancellārius (seit IVp). I-751

καγχαλάω nur Präs. (ep. seit Il.), Ipf. καγχαλάασκε (A. R., Q. S.), auch mit Präfix ἐπι-, περι-, ‘laut jubeln, frohlocken’; καγχαλίζεται· χαίρει, ἱλαρύνει H. — Expressives Verb onomatopoetischen Charakters, was eine genaue grammatische Analyse erschwert. Schon von Benfey zu κακχάζω, καγχάζω gezogen; dabei wäre -αλάω nur erweiternd, vgl. ἀσχαλάω, βαυκαλάω (auch παμφαλάω?, vgl. s. v.). Dagegen nach Apollonios und Bechtel Lex., der aus semantischen Gründen die Anknüpfung an κακχάζω etwas voreilig ablehnt, mit intensiver Reduplikation zu χαλάω ‘nachlassen’; καγχαλάω eig. ‘ich bin losgelassen’ (?). Ebenso Risch par. 118 und Schwyzer 647. I-751

κάδαμος · τυφλός. Σαλαμίνιοι H. — Wenn überhaupt richtig überliefert (s. Schmidt z. St. und v. Herwerden Lex. suppl. s. v.), vielleicht zu hom. κεκαδών, κεκαδήσει ‘berauben’. Jedenfalls nicht mit Ehrlich KZ 40, 380 und Bechtel Dial. 1, 449 zu lat. cadamitās (sekundär für calamitās, s. W.-Hofmann s. v.). I-751

Κάδμος Heroenname s. κέκασμαι. I-751

κάδος m. ‘Gefäß zur Aufbewahrung von Wein und anderen Flüssigkeiten’, auch als Maß (ion. att.). Mehrere Deminutiva: κάδιον (LXX, Delos IIIa, Kyrene II-IIIp), καδίσκος, auch ‘Stimmurne’ (att.); mit hypokoristischer Gemination und familiärem χ-Suffix (Chantraine Formation 404) κάδδιχος, als Maß = Hälfte des ἑκτεύς (lak., H.) mit κεκαδδίσθαι (-ίχθαι?) ‘wegballotiert sein’ (lak., Plu. Lyk. 12); daneben κάδδιξ (herakl.), wohl nach χοῖνιξ und ἄδδιξ, Ben. eines Hohlmaßes (Ar. Fr. 709; urspr. persisch); hyperkorrekt καταδίχιον (Tauromenion) für *καδδίχιον wie von κατά und δίχα. — Wackernagel Hell. 11f. = Kl. Schr. 1042f., Bechtel Dial. 2, 374f., Fraenkel Phil. 97, 163. — Mittelmeerwort, vgl. hebr. kad ‘Eimer’ (dazu Schwyzer 64 u. 152). Aus κάδος lat. cadus, arab. ḳādūs (Lokotsch Et. Wb. No 988). I-751-752

κάδυρος · κάπρος ἄνορχις H. — Vielleicht mit v. Blumenthal Hesychst. 39 zu hom. κεκαδών, κεκαδήσει ‘berauben’. Vgl. noch E. Maaß RhM 74, 464 und Specht Ursprung 204 A. 1. I-752

καθαπτή f. N. eines Gefäßes (PSI 4, 420, 26; IIIa), nach den durch die Henkel gezogenen Tragriemen benannt (Bonner AmJPh 62, 453ff.); καθαπτός als Adj. ‘angeknüpft, angebunden’ (E. Fr. 752 u. a.). I-752

καθαρός, dor. (herakl. u. a.) κοθαρός, äol. (Alk.) κόθαρος ‘rein, frei von, unbefleckt, ungemischt, weiß (von Brot, Leinwand)’ (seit Il.); καθάρειος (-ιος) ‘reinlich, nett, elegant’ (Arist., Men., Plb. usw.), Adv. καθαρείως (X., mittl. Kom. usw.), nach ἀστεῖος u. a.; καθάρυλλος (ἄρτος usw., Kom.; vgl. Leumann Glotta 32, 219 A. 3). Adjektivabstraktum καθαρότης ‘Reinheit’ (Hp., Pl. usw.), καθαρ(ε)ιότης ‘Reinlichkeit, Verfeinerung’ (Hdt., X. usw.). — Denominative Verba: 1. καθαίρω (κοθ- herakl.), oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἀπο-, δια-, ἐκ-, περι- usw., Aor. καθῆραι (-ᾶραι) ‘reinigen’ (seit Il.) mit κάθαρσις (ion. att.), κόθ- (el.) ‘Reinigung’, καθαρμός ‘Reinigung, Sühnung’ (Hdt., Trag. usw.), κάθαρμα, oft im Plur. ‘Reinigung, Ausleerung, Kehricht’ (Att.); καθαρτής ‘Reiniger, Sühner’ (Hp., S. u. a.), -τήρ ‘ds.’ (Man., Plu.), -τήριος (D. H.); καθάρσιος (: καθαρτής, κάθαρσις, καθαρτός) ‘zur Reinigung gehörig, reinigend, sühnend’ (Hdt., Trag. usw.), καθαρτικός ‘ds.’ (Hp., Pl., Arist. usw.). — 2. καθαρίζω, auch mit Präfix, ἀπο-, δια-, ἐκ-, περι-, ‘reinigen’ (LXX, NT, Pap.) mit καθαρισμός (LXX, NT, Pap.), καθάρισις (Pap.) u. a. — 3. καθαρεύω ‘rein sein, sich rein erhalten’ (Ar., Pl., hell. u. spät) mit καθάρευσις (H., EM); auch καθαρι-εύω (Paus., Gramm. u. a.). — 4. καθαρι-όω ‘reinigen’ (LXX). — Zur Bildung vgl. u. a. das Oppositum μιαρός. Ob κοθ- (oder καθ-) das ursprüngliche darstellt oder ob sie etwa ebenbürtige Parallelformen sind, bleibt ungewiß. Nach Solmsen KZ 37, 7A. ist καθαρός aus κοθαρός assimiliert (-α- zunächst in καθαίρω wegen Assoziation mit κατά?); dagegen hält Schwyzer 344 κοθαρός für äolisch. — Eine annehmbare Etymologie fehlt. Mehrere vergebliche Versuche sind bei Bq referiert (u. a. zu aind. śudhyati ‘rein sein’; lautlich unmöglich). Nicht besser Schwyzer 260: zu lit. krečiù ‘schütteln’ mit Dissimilation für *κραθ-, äol. *κροθ-. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 95f. Nach Debrunner in Eberts Reallexikon 4, 2, 526 religiöser Terminus vorgriechischen Ursprungs. I-752-753

κάθιδοι · ὑδρίαι. ’Αρκάδες H. — Hoffmann Dial. 1, 103 erwägt, entweder κάθυδροι ‘die mit Wasser gefüllten’ (von ὕδωρ) oder κάθυδοι ‘ds.’ (von ὕδος, vgl. ὑδαλέος) zu lesen. Zu -ι- für -υ- vgl. Μετίδριον = Μεθύδριον, dazu Thurneysen Glotta 12, 146. I-753

καί, ark. kypr. κας (sekundär κα) ‘auch, sogar; und’ (seit Il.). — Ohne sichere Anknüpfung. Verschiedene Vorschläge: zu aksl. cě in a cě, cě iκαίτοι, καίπερ, εἴπερ’ (Leskien bei Curtius 138); zu lat. ceu ‘so wie, gleich wie’ (Wackernagel bei Niedermann IF 18 Anz. 76); zu lat. cēterī ‘die anderen’ aus *cae eterī (Walde LEW2 s. cēterus). Ausführliche Erörterung m. Lit. bei Schwyzer-Debrunner 567 A. 2 (wo vorgriechischer Ursprung erwogen wird). I-753

καιάδᾱς, -ου, dor. -ᾱ m. Erdschlund in Sparta, in welchen man die zum Tode verurteilten Verbrecher oder ihre Leichname stürzte (Th. 1, 134, Paus. 4, 18,4, D. Chr. 80, 9). Daneben καιάτας, -έτας ‘ds.’ (Eust. 1478, 45); καιετός ‘durch Erdbeben verursachte Erdspalte’ (Str. 8, 5, 7), καίατα· ὀρύγματα· ἢ τὰ ὑπὸ σεισμῶν καταρραγέντα χωρία H. — Der bei H. überlieferte Plural καίατα kann für *καίϝατα, sg. *καῖϝαρ, stehen und hat dann ein genaues Gegenstück in aind. kévaṭa- m. ‘Grube’ (nur RV. 6, 54, 7) aus idg. *qaiu̯r̥-t- (de Saussure Mém. 119; vgl. zu ἧπαρ; ernste Bedenken bei Mayrhofer Wb. s. v.). Die Form καιετός ist Umbildung nach ὀχετός, (σ)κάπετος u. a.; in καιάδας wird eine alte Nebenform mit -δ- vermutet (Schwyzer 498 A. 13, Specht Ursprung 220), aber Wörter wie γαιάδας· ὁ δῆμος ὑπὸ Λακώνων, γαυσάδας· ψευδής H., ῥωβίδας ‘noch nicht einjähriger Knabe’ bezeugen den lakonischen Gebrauch des δᾱ-Suffixes auch außerhalb des patronymischen Gebiets. Mischformen sind καιάτας, -έτας. In -ϝαρ < idg. *-u̯r̥ steckt zweifelsohne ein primäres Suffix (vgl. ἀλέ-(ϝ)ατα s. ἀλέω und Benveniste Origines 21 und 111); ein zugrunde liegendes Verb ist indessen nirgends angetroffen. — Vgl. κητώεσσαν. I-753

καιέτα καιετας (ohne Akzent, Apollon. Lex. s. v. κητώεσσαν), Gen. pl. καιατῶν (Anon. Lond. 36, 57). · καλαμίνθη. Βοιωτοί H., — Wohl zu καίω wegen des brennenden Geschmacks (Fraenkel Nom. ag. 1, 62 A. 2; vgl. Bechtel Dial. 1, 306). I-753

καικίας, -ου m. ‘Nordostwind’ (Ar., Arist. usw.). — Zur Bildung vgl. ἀπαρκτίας, ’Ολυμπίας und andere Windnamen bei Chantraine Formation 95; Grundwort unsicher. Von Fick GGA 1894, 238 und v. Wilamowitz Glaube 1, 265 A. 2 (mit Ach. Tat. Intr. Arat. 33) als "der vom Κάϊκος, einem Fluß der Äolis, herkommende" erklärt; vgl. die gleichartigen ’Ολυμπίας, ‘Ελλησποντίας u. a. Nach Anderen (Bersu, Fick, Brugmann; s. Bq; dazu noch Pisani KZ 61, 187, Huisman KZ 71, 99) dagegen als "der Blinde" = "der Dunkle, Verdunkelnde" von einem alten Wort für ‘blind, einäugig’, lat. caecus ‘blind’ = air. caech ‘einäugig’ = got. haihs ‘ds.’, aind. keka-ra- ‘schielend’; man beruft sich dabei namentlich auf lat. aquilō ‘Nordwind’ von aquilus ‘dunkel’. I-753-754

καινός ‘neu, neuerfunden, unerwartet’ (ion. att.). Oft als Vorderglied, z. B. in καινο-τομέω (: καινὰ τέμνειν), eig. Ausdruck des Bergbaus ‘ein neues Gestein anhauen’, übertr. ‘Neuerungen (im Staat) einführen’ mit -τομία, -τόμος (att.), καινο-ποιέω ‘Neues hervorbringen, erneuern’ (S., Plb. u. a.) mit -ποιΐα, -ποιητής, vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 90f. Ableitungen: Adjektivabstraktum καινότης ‘Neuheit’ (att.). — Denominative Verba: 1. καινίζω ‘erneuern, Neues bringen, zum erstenmal benutzen’ (Trag.), auch mit Präfix, bes. ἀνα- (Isok., Str., Plu.), ἐγ- (LXX, NT u. a.); davon (ἐγ-)καίνισις, -ισμός (LXX); postverbal ἐγκαίνια pl. ‘Tempelweihe’ (LXX, NT). — 2. καινόω ‘erneuern, zum erstenmal benutzen’ (Hdt., Th. u. a.), ἀνα-~ (NT u. a.) mit (ἀνα-)καίνωσις (J., NT u. a.). — EN Καινίας, Καίνιος u. a. (Bechtel Hist. Personennamen 229), Καινεύς mit Καινεΐδης (Boßhardt Die Nom. auf -ευς 128, Debrunner ’Αντίδωρον 32). — Wahrscheinlich thematische Umbildung eines alten n-Stamms, der u. a. in aw. kainī̆(n)-, aind. Gen. pl. kanī́nām ‘Mädchen’ erhalten ist, wozu der hochstufige Nom. ag. kanyā̀ ‘Mädchen’ (als -Stamm umgedeutet) und das Adj. kanī́na- ‘jung’ (Wackernagel-Debrunner Ai. Gramm. 3, 112f.; auch K. Hoffmann Münch. Stud. 6, 38 mit fraglichen weiteren Kombinationen); primäre Steigerungsformen kánīyas-, kániṣṭha-. Ganz fraglich ist dagegen die Gleichsetzung mit akymr. cein ‘schön’ (Pedersen Vergl. Gramm. 1, 23); es kann sich höchstens um einzelsprachliche parallele Neuerungen handeln. — Als entfernter Verwandter kommt weiter in Betracht lat. recēns ‘frisch, neu, jung’; wenn aus re-cen-t-, gehört es als primäre t-Ableitung zu einem Verb ‘frisch emporkommen, entspringen, anfangen’ in air. cinim ‘entspringen’, aksl. -, na-čьnǫ, -čęti ‘anfangen’ (idg. qen-). Weitere Formen m. Lit. bei Bq s. v., W.-Hofmann s. recēns, WP. 1, 397f., Pok. 563f. — Nicht mit Wackernagel Verm. Beiträge 38f. (= Kl. Schr. 1, 799f.) zu καίνυμαι, κέκασμαι aus *καιδνός. I-754

καίνυμαι in ἐκαίνυτο (γ 282, Hes. Sc. 4), ἀπε- (θ 127, 219; A. R. 2, 783), περι-καίνυται (Nik. Th. 38), Akt. Ipv. καινύτω (Emp. 23, 9) ‘sich auszeichnen, übertreffen’. — Wahrscheinlich kühne Analogiebildung zu κέκασμαι (s. d.), κέκασται nach Muster von δαίνυμαι, ἐδαίνυτο, die mit δέδασμαι, δέδασται verbunden wurden (Brugmann Grundr.1 2, 1012, Gramm.4 339). — Nicht mit Wackernagel aus *καίδ-νυμαι zum angeblichen *καιδ-νός > καινός (s. d.); auch nicht mit Osthoff ZGdP. 459f. aus *καδνι̯ομαι. I-754-755

καίνω, Aor. κανεῖν (κανῆν Theok. 24, 92), Fut. κανῶ, Perf. κέκονα (S. Fr. 1058) ‘töten’ (Trag., Timokr. 1, 9, Theok. l. c.); auch mit κατα- ‘ds.’ (X., späte Prosa). Davon κοναί· φόνοι H. — Nebenform zu κτείνω (s. d.) mit derselben Vereinfachung des Anlauts wie in χαμαί neben χθών (Schwyzer 326 m. Lit.). Die Annahme, καίνω, κανεῖν wäre aus κατα-κανεῖν mit Dissimilation für κατα-κτανεῖν entstanden (Kieckers IF 36, 233ff., Chantraine Sprache 1, 142 A. 3), ist mit der Chronologie der Belege schwer vereinbar. S. noch Brugmann Grundr.2 1, 792 Anm. 1, Kretschmer Glotta 10, 231, Deroy L’Ant. class. 23, 313. I-755

καίπετος · ἀξίνη H. — An alphabetisch unrichtiger Stelle überliefert und schon aus diesem Grunde für etymologische Zwecke kaum zu verwerten. Von Specht KZ 52, 90 zu russ.-skr.-ksl. cěpiti ‘spalten’ gezogen. Anders über cěpiti WP. 2, 545 (nach Berneker Etym. Wb. u. a.); s. noch Vasmer Russ. et. Wb. s. cép. — Verfehlt Loewenthal WuS 9, 176. I-755

καιρός m. ‘rechtes Maß, (rechter, entscheidender) Zeitpunkt, (günstige) Gelegenheit, Jahreszeit, Zeit’ (seit Hes.; vgl. καίριος unten). Kompp., z. B. καιρο-φυλακέω ‘rechtzeitiger Wächter sein, (zur rechten Zeit) bewachen’ (D., Arist. usw.), ἄ-, εὔ-καιρος mit ἀ-, εὐ-καιρία, -έω u. a. Ableitungen: καίριος ‘am rechten Orte eintreffend, entscheidend, tödlich’ (ep. ion. poet. seit Il.); ‘zu rechter Zeit eintreffend, gelegen’ (vorw. ion. poet.); καιρικός ‘rechtzeitig, zu gewissen (Jahres)zeiten gehörig’ (selten u. spät), καίριμος ‘tödlich’ (Macho ap. Ath. 13, 581b; nicht ganz sicher), ‘ausgereift, abgelagert’, vom Wein (PFlor. 143, 2; IIIp), nach ὥριμος (Arbenz Die Adj. auf -ιμος 55 u. 59). — Nicht sicher erklärt. Mehrere Vorschläge: zu κείρω als ‘entscheidender Augenblick’ oder ‘Zeitabschnitt’, vgl. lat. discrīmen (Persson Stud. 107, Brugmann Sächs. Ber. 1900, 410 A. 1); zu κεράννυμι ‘mischen’, aw. sar- ‘Vereinigung, Verbindung’ (Brugmann IF 17, 363f.; morphologisch kompliziert; ähnlich Benveniste Mélanges Ernout 11ff.: eig. "atmosphärische Mischung"); zu κύρω ‘(ein)treffen, zufällig begegnen’ (Bq 538 A. 1; lautlich schwierig); zu aind. kālá- ‘Zeit’ (Güntert Weltkönig 232; schon lautlich unmöglich, vgl. Mayrhofer Wb. s. v.). Verfehlt v. Blumenthal Hesychst. 39f. Vgl. W.-Hofmann s. cernō (1, 206) und 1. tempus (2, 661). — >Zur Bedeutung von καιρός s. noch H. Wersdörfer Die Φιλοσοφία des Isokrates (1940) 54ff., Fr. Pfister Festgabe für E. Bulle (Würzb. Stud. z. alttest. Wiss. 13 [1938]) 131ff. I-755-756

καῖρος Ben. einer Schnur od. Schlinge, durch die die Kettenfäden hindurchgesteckt und am Kettenstab befestigt wurden (Ael. Dion. Fr. 440, Phot. 304, EM); nähere Konstruktion unbekannt. Davon καίρωσις (Poll. 7, 33, H.), nach H. = τοῦ στήμονος οἱ σύνδεσμοι, kollektive Abstraktbildung von *καιρόω ‘mit καῖροι ausrüsten, am Kettenstab anbinden’; καίρωμα = καῖρος (Ael. Dion. l. c.), wohl nur daraus erweitert (Chantraine Formation 187), auch ‘Gewebe’ (Kall. Fr. 295); καιρωτίδες (-ωστ(ρ)ίδες) ‘Weberinnen’ (Kall. Fr. 356, H., Suid.). — Besonders zu bemerken καιροσέων Beiwort von ὀθονέων (η 107) für καιρουσσέων (zur Erklärung Wackernagel Unt. 84f. gegen Kretschmer, der Glotta 13, 249 an seiner Auffassung festhält), Gen. pl. von καιρόεσσα, m. καιρόεις eig. ‘mit καῖροι versehen’; nähere Bed. unsicher. — Zu καιρία, gew. κειρία (-η-, -ι-) s. bes. Technischer Ausdruck unklarer Bedeutung, mithin etymologisch schwierig zu beurteilen. Nach H. Petersson (s. WP. 1, 409, Pok. 577f.) zu arm. sari-k‘, pl. Gen. sareac̣ ‘Band, Schnur’, sard, Instr. sardi-w ‘Spinne’. Über das daselbst herangezogene aind. śr̥ṅkhalā ‘Kette, Fessel’ s. Kuiper Proto-Munda Words in Sanskrit 122f. Albanische Kombination (zu thur ‘flechten, weben, umzäunen usw.’ [?]) bei Cimochowski Ling. Posn. 5, 194. I-756

καίω (seit Il.), att. κάω, Aor. καῦσαι, ep. poet. (auch att. Inschr. IG 12, 374, 96; 261) κῆαι, Pass. καῆναι (ep. ion.), καυθῆναι, Fut. καύσω, Perf. κέκαυκα, κέκαυ(σ)μαι (ion. att.), oft mit Präfix, z. B. δια-, ἐκ-, κατα-, ὑπο-, ‘anzünden, anbrennen’, Med. Pass. ‘brennen’. Zahlreiche Ableitungen: 1. καῦμα ‘Brand, Hitze, Glut’ (seit Il.) mit καυματ-ώδης (Hp., Arist. u. a.), -ηρός (Str.), -ίας (Thphr.; von der Sonne) ‘brennend, glühend’, καυματίζω ‘brennen, sengen’ (NT, Plu., Arr. u. a.). — 2. καῦσις (ἔγκαυσις usw.) ‘das Brennen’ (ion. att.) mit (ἐγ-, κατα-)καύσιμος ‘brennbar’ (Pl., X. u. a.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 49f.). — 3. καῦσος m. ‘Brennfieber usw.’ (Hp., Arist. u. a.), von καῦσαι oder mit σο-Suffix (Solmsen Wortforsch. 244, Strömberg Wortstudien 87f. m. Lit., Schwyzer 516); davon καύσων ‘ds.’, auch ‘Hitze, heißer Wind usw.’ (LXX, NT, Mediz. u. a.; vgl. Leumann Sprache 1, 207 A. 13), καυσώδης ‘brennend, heiß’ (Hp., Thphr. usw.), καυσόομαι, -όω ‘Brennfieber haben, brennen: erhitzen’ (Mediz., NT, Pap.) mit καύσωμα ‘Erhitzung’ (Gal.). — 4. καυ(σ)τήρ m. ‘Verbrenner, Brenneisen’ (Pi., Hp. u. a.), f. Gen. καυστειρῆς Beiwort von μάχης (Il.), καμίνου (Nik.), von *καύστειρα (Schwyzer 474 m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 192); καυτήριον ‘Brenneisen, Brandmarke’ (LXX, D. S., Str. usw.), Deminutivum καυτηρίδιον (Gal.), denominatives Verb καυτηριάζω ‘brandmarken’ (Str., NT). — 5. καύστης m. ‘Heizer usw.’ (Pap. u. a.). — 6. καύστρᾱ f. ‘Feuerbestattungsplatz’ (Str., Inschr.). — 7. καυστικός, selten καυτ- ‘brennend, brennbar’ (Arist. u. a.). — 8. καυθμός ‘Brand an Gewächsen, Brennholz’ (Thphr., Pap.). — Von den Kompp., z. B. ἔγκαυ-μα, -σις, -(σ)τής, -στήριον, -στον (> lat. encaustum); ὑπόκαυ-σις, -στης, -στήριον, -στρᾱ u. a. — Neben diesen Bildungen stehen andere älteren Datums, bei denen der Zusammenhang mit καίω wegen der Lautentwicklung mehr oder weniger verdunkelt worden ist: κᾶλον ‘Holz’, κηλέος ‘brennend, lodernd’, κηώδης, κηώεις ‘duftend’, κηυα Bed. unsicher; s. bes. — Da καίω für *κάϝ-ι̯ω (woraus att. κά̄ω; Schwyzer 265f.) stehen kann, gehen alle Formen auf καυ-, κᾰϝ- zurück mit Ausnahme von ἔ-κη-α für *ἔ-κηϝ-α (oft mit falschem -ει- geschrieben in κείαντο usw.; Chantraine Gramm. hom. 1 , 9 m. Lit.; att. κέαντος mit Metathese). In *ἔ-κηϝ-α ist ein alter hochstufiger Wurzelaorist erhalten (Schwyzer 745 m. weiteren Einzelheiten; wahrscheinlich nicht aus *ἔ-κηυ-σ-α); die Hochstufe vertreten noch ep. κηλέος, κηώδης, außerdem delph. κηυα, wodurch sich ein urgr. κηϝ- neben κᾰϝ- ergibt. — Nur das Baltische liefert eine mögliche Anknüpfung in lit. kū̃lės ‘Brandpilze, Flugbrand, Staubbrand des Getreides’, kūlė́ti ‘brandig werden’, lett. kũla ‘altes, dürres, vorjähriges Gras’ (vgl. Fraenkel Wb. s. v.); idg. schwundstufiges qū- neben hochstuf. qēu̯- in ἔ-κηϝ-α, schwachstuf. qəu̯- in *κάϝ-ι̯ω, καῦ-μα. I-756-757

κάκαλα · τείχη. Αἰσχύλος Νιόβῃ (Fr. 166) H. — Unsichere Hypothese von Solmsen Wortforsch. 215: zu ποδο-κάκκη ‘Holz zum Festlegen der Füße’ (Leges ap. Lys. et D., Pl. Kom. 249, Sch.), auch -κάκη geschrieben mit Anschluß an κακός (vgl. Harp. u. H. s. v.). Er zieht ferner heran (nach Fick 1, 22) κιγκλίς ‘Gitter, Gittertür’ (aus *κεγκλίς; vgl. s. v.) und aus anderen Sprachen noch aind. káñcate ‘binden’ (Gramm.), kañcuka- ‘Panzer, Wams, Mieder’, lit. kinkýti ‘schirren, anspannen’, wozu ferner lat. cingō ‘umgürten’ u. a. m.; WP. 1, 400f., W.-Hofmann s. cingō, Pok. 565; zu aind. kañcuka- bes. Mayrhofer Wb. s. v. I-757

κακιθής · ἄτροφος ἄμπελος, κακιθές, κακιθά H., κακιθή (Theognost. Kan. 109). S. κάγκανος. I-757

κακκάβη 1. κάκκαβος m. (L), auch κακάβη, κάκαβος (Gal., Alex. Trall.); f., ‘dreibeiniger Kessel’, nach Ath. 4, 169c = χύτρα (Kom. u. a.) Deminutivum κακ(κ)άβι(ο)ν (Eub., Pap. u. a.). — Technisches LW aus unbekannter Quelle (semitisch?; vgl. akkad. kukubu; Lewy Glotta 16, 137 und Grimme Glotta 14, 19). Aus dem Griech. lat. cac(c)abus, Demin. cac(c)abulus (= κακουβαλουμ o. ä. bei Ps.-Dsk.; Andre Latomus 14, 518). Vgl. W.-Hofmann s. cac(c)abus. I-757-758

κακκάβη 2. κακκαβίς f. (Alkm. 25) f. (Ath. 9, 390a), ‘Rebhuhn’. Daneben κακκαβίζω ‘gackern’, vom Rebhuhn (Arist., Thphr.), von Eulen (Ar. Lys. 761; v. l. -βάζω; vgl. κικκαβάζω); auch κακκάζω (von Hühnern) H. — Zum Ausgang vgl. ὄτοβος, κόναβος, θόρυβος u. a. (Chantraine Formation 260); im übrigen onomatopoetisch, wobei sowohl für die Nomina wie für die Verba von einer Lautimitation auszugehen ist. Aus dem Griechischen lat. cacabāre ‘gackern’, vom Rebhuhn; andere ähnliche Bildungen sind lat. cacillāre ‘ds.’, nhd. gackern, holl. kakelen, russ. kokotátь ‘gackern’ u. a. m. I-758

κακκάω ‘cacō’ (Ar. Nub. 1384, 1390), κάκκη ‘Menschenkot’ (Ar. Pax 162). — Lallwort der Kindersprache mit expressiver Gemination wie lat. cacāre, mir. caccaim ‘cacō’, cacc ‘Kot’, nhd. kakken, russ. kákatь, arm. kakor ‘Mist’ usw.; s. z. B. WP. 1, 336, W.-Hofmann s. cacō, Pok. 521. Vgl. κόπρος. I-758

κακ(κ)αλία f. N. verschiedener Pflanzen (Dsk., Plin.); κακαλίς· νάρκισσος H. — Vgl. zu ἀκακαλίς. I-758

κακός ‘schlecht, häßlich, böse, schlimm, feig’ (seit Il.). Sehr oft als Vorderglied (Gegensatz εὖ); auch als Hinterglied, z. B. ἄ-κακος ‘der das Schlechte nicht kennt, schuldlos usw.’ (Bahuvrihi; Sapph., A. u. a.); auch ἀ-κάκᾱς (dor.) Beiwort des Hades (Megara), des Dareios (A. Pers. 855 [lyr.]), vgl. Chantraine Formation 28 (kaum richtig Fraenkel Nom. ag. 2, 187 A. 2). Ableitungen. Steigerungsformen: κακώτερος (ep. seit Il.), κακίων, κάκιστος (seit Il.; nach ἄριστος usw., Seiler 100f.; s. noch Chantraine Gramm. hom. 1, 259). Abstraktbildungen: 1. κακότης ‘Schlechtigkeit, Feigheit, Übel, Unglück’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.); 2. κακία ‘Schlechtigkeit, Bosheit, Feigheit’ (Thgn., att.; zu κακότης : κακία Porzig Satzinhalte 212); 3. κάκη ‘schlechte Beschaffenheit, Feigheit’ (A., E., Ar., Pl.); nach πάθη, βλάβη u. a., vgl. Frisk Eranos 43, 221; als Hinterglied in στομα-κάκη N. einer Mund- und Zahnkrankheit (Str., Plin.). — Denominative Verba. 1. κακίζω ‘tadeln, schmähen’, -ίζομαι ‘sich schlecht benehmen, feig zeigen’ (seit Il.) mit κακισμός (Phld., Str.), κάκισις (Vett. Val.) ‘Tadel’; 2. κακόω ‘Übles zufügen, beschädigen, verderben’ (seit Il.) mit κάκωσις ‘Mißhandlung, Beschädigung, Bedrängnis’ (ion. att.), κακωτής ‘Beschädiger’, κακωτικός ‘beschädigend, schädlich’ (Ph., Vett. Val. u. a.); 3. κακύνομαι, -ύνω ‘sich schlecht, feig zeigen, beschädigen’ (E., Pl. usw.; Schwyzer 733). — Ohne einleuchtende Etymologie, ursprünglich ohne Zweifel ein expressives Wort der (niedrigeren) Umgangssprache. Oft zu κακκάω gezogen (Prellwitz, Güntert Reimwortbildungen 83); noch unwahrscheinlichere oder ganz unmögliche Vorschläge (zu κέγκει, κηκάς, airan. kasu- ‘klein’ usw.) bei Bq; dazu Scheftelowitz ZII 6, 119. — Neuphryg. κακο(υ)ν ist als griech. LW zu betrachten, s. Solmsen KZ 34, 52 A. 4, Hirt Idg. 2, 596; anders Meillet MSL 15, 340. I-758-759

κάκτος f. Distelart, ‘Kaktus’ (Epich., Theophr., Theok. u. a.). — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. Strömberg Theophrastea 102. Davon lat. cactus usw. I-759

καλαβοῦτοι · ἐν τῷ τῆς Δερεάτιδος ἱερῷΑρτέμιδος ᾀδόμενοι ὕμνοι H. — Über eine sehr anfechtbare Deutung von Laum s. Wahrmann Glotta 17, 242f. Nach M. Schmidt ist καλαβοίδια zu lesen, s. καλαοίδια. I-759

καλαβώτης Eidechsenart, s . ἀσκάλαβος. I-759

καλαδία · ῥυκάνη (= Platane) H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 39 zu κλαδαρός, κλάδος (?). I-759

κάλαθος m. ‘geflochtener Korb’ (Ar., Arist., Kall. usw.), auch übertr. von verschiedenen Gegenständen, z. B. ‘Säulenkapitell’ (Kallix.), ‘Öllampenbehälter’ (Hero). Als Vorderglied z. B. in καλαθη-φόρος f. ‘Korbträgerin’ (Ephesos IIIp, Καλαθηφόροι Titel einer Komödie des Eubulos; zu -η- Schwyzer 438f.). Ableitungen καλαθίσκος (Ar., Lys. usw.), -ον n. (Delos IIa); καλάθιον (Poll. Orib.); außerdem καλάθωσις ‘Kassettierung einer Decke’ (Gloss.). — Bildung wie γυργαθός (γύργαθος), κύαθος, ὁρμαθός u. a., aber trotzdem wohl mit stammhaftem θ zu κλώθω; de Saussure Mém. 267, zustimmend u. a. Bechtel Lex. 196, Schwyzer 361; Bedenken bei WP. 1, 464. — Aus mgr. καλαθῆρι(ον) stammt osman. kélatir, woraus ngr. κελετῆρι. Maidhof Glotta 10, 12. I-759

καλάϊνος, καλλ- ‘blaugrün, bläulich’, von Steinen, Tonwaren, Hahnfedern u. a. (PSI 4, 396, 9 [IIIa], Peripl. M. Rubr. 39 [cod. καλλεανός], AP, Dsk. u. a.). — Adj. auf -ινος, anscheinend von κάλλαις ‘blaugrüner Stein, Türkis’ (Plin. NH 37, 151), das aber ebensowohl Rückbildung sein kann. Beachtenswerter Vorschlag von Bezzenberger bei Fick 2, 73 und Prellwitz 205: zu κάλλαιον ‘Hahnenkamm, -bart, die schillernden Schwanzfedern des Hahns’ und καλαϊς ‘Henne’ (s. dd.). I-759

καλαϊς, -ιδος, nur Akk. -ιδα (IG 4, 914, 3; 21; Epid.Va), eher fem. ‘Henne’ als mask. ‘Hahn’. — Ohne überzeugende Etymologie. Gewöhnlich zu καλεῖν gezogen (Meister Sächs. Ber. 1899, 153f., Dittenberger SIG 998). Nach Bechtel Dial. 2, 510f. aus *καλαϝίς, f. von *καλαϝός (vgl. κερα(ϝ)ός, τανα(ϝ)ός), eig. "die Rufende"; vgl. bes. aind. uṣā-kala- "Frührufer", ‘Hahn’ (s. ἠϊκανός). Auch Fraenkel Glotta 4, 33f. will καλαϊς mit καλεῖν verbinden, betrachtet aber das Wort als Verbalverbindung von καλεῖν und der Tiefstufe (?) von ἀείδειν; eig. "Rufesänger". — Pagliari Arch. glottol. it. 39, 145ff. setzt dagegen καλαϊς ‘Henne’ mit κάλλαϊς ‘Türkis’ (und mit κάλαϊς· τὸ ἱστίον H.) gleich und will eine orientalische (pers.?) Farbenbezeichnung zugrunde legen; aus demselben Wort nach P. auch καλάϊνος, vielleicht ebenfalls κάλλαιον. I-759-760

καλαμίνθη (Hp., Ar., Arist., Dsk. u. a.), -μινθα (Philum. Ven., Phot.; vgl. zu μίνθη), -μινθος (Nik. Th. 60) f. N. einer wohlriechenden Pflanze. Davon καλαμινθίνη ‘ds.’ (Mediz.; nach ῥητίνη u. a., Chantraine Formation 204), καλαμινθίτης (οἶνος; Dsk., Redard Les noms grecs en -της 97), καλαμινθώδης ‘voll von κ.’ (Str., Apollon. Lex.), Καλαμίνθιος N. eines Froschs (Batr. 224). — Unklar. Der formale Anklang einerseits an κάλαμος, anderseits an μίνθη läßt keine sicheren Schlüsse zu. Am wenigsten für sich hat die Ansetzung eines urspr. *καλαμο-μίνθη mit Silbendissimilation (G. Meyer Gr.3 393); hypothetisch bleiben indessen auch sowohl eine Ableitung καλάμ-ινθος (Schwyzer 526) wie die Annahme eines Fremdworts mit volkstümlicher Angleichung an κάλαμος (und μίνθη). Vgl. Chantraine Formation 370. I-760

κάλαμος m. ‘Rohr, Schilf, Grashalm’, oft übertr. von Gegenständen, die aus Rohr verfertigt sind, ‘Rohrpfeife, Angelrute, Schreibrohr’ usw. (h. Merc. 47 [vgl. Zumbach Neuerungen 5], Pi., ion. att.); zur botanischen Bed. Strömberg Theophrastea 100f. Daneben καλάμη f. ‘Getreidestengel, Getreidehalm, Strohhalm, Stoppel’ (Hom., Hdt., X., Arist. usw.). Zahlreiche Kompp., bes. in der botan. Terminologie (Strömberg Theophrastea 112), z. B. μονο-κάλαμος ‘mit einfachem Halm’ (Thphr.), καλαμη-φόρος ‘schilftragend’ (X. HG 2, 1, 2; v. l. -o-; vgl. Schwyzer 526), καλαμη-τόμος ‘Getreidehalme abschneidend’ (A. R.). — Wie die Kompp. gehören auch die Ableitungen im allg. zu κάλαμος: Deminutiva καλαμίσκος (Ar., Mediz.), καλάμιον (Pap. u. a.); καλαμίς f. Ben. verschiedener aus Rohr gemachten Gegenstände (hell. u. spät; vgl. Chantraine Formation 342f.); καλαμία (-εία) ‘Röhricht usw.’ (Pap.; kollektiv); καλαμών ‘ds.’ (lit. Pap.); καλαμάριον ‘Schachtel aus Rohr’ (Pap. u. a.). — καλαμεύς ‘Angler’ (Pankrat. ap. Ath.; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 75); auch καλαμευτής ‘ds.’ (AP; wie von *καλαμεύω, vgl. Chantraine 318); καλαμίτης ‘mit κάλαμος versehen usw.’ (D. usw.; s. Redard Les noms grecs en -της 81f. m. Lit.). — καλάμινος ‘aus Rohr gemacht’ (ion. att.), καλαμόεις ‘aus Rohr bestehend’ (E. in lyr.), καλαμώδης ‘voll von Schilf, rohrartig’ (Arist., Thphr. u. a.), καλαμικός ‘aus Rohr bestehend’ (Pap.). — καλαμόω ‘mit Rohr versehen, ein Bein schienen’ (Gal.) mit καλαμωτή ‘Gehege aus Rohr o. ä.’ (Eust.,H.); καλαμίζω ‘auf einer Rohrpfeife blasen’ (Ath.). — Von καλάμη : καλαμαία f. Art Heuschrecke (Theok. 10, 18), καλαμαῖον n. Art Zikade (Paus. Gr., H.), beide nach dem Aufenthaltsort benannt (Gil Emerita 25, 315f.; vgl. Georgacas Glotta 31, 216), καλαμάομαι ‘Getreidehalme sammeln, Ähren lesen’ (Kratin., LXX, Plu.) mit καλάμημα (Thd.). Auf καλάμη können sich ebenfalls beziehen die schon zu κάλαμος genannten καλαμευτής ‘Mäher, Schnitter’ (Theok.), καλαμόομαι ‘mit Stengeln versehen werden’ (Thphr.). — Altes Wort für ‘Rohr, Halm, Stroh’ mit Vertretern auch im Latein (culmus ‘Halm’), im Germanischen, z. B. ahd. halm, im Baltischen und Slavischen, z. B. apr. salme ‘Stroh’, lett. salms ‘Strohhalm’, russ. solóma, serb. slȁma ‘Stroh’. Alle Formen außer κάλαμος, -μη können auf idg. *ḱoləmo-, ḱoləmā- zurückgeführt werden; es liegt deshalb nahe, κάλαμος für *κόλαμος (vgl. z. B. ποταμός, πλόκ-αμος) als sekundär (durch Vokalassimilation; zunächst in καλάμη?) zu betrachten; vgl. anderseits θάλαμος, -μη, παλά-μη, τάλα-ρος u. a. Zu -μος, -μη Porzig Satzinhalte 283f. — Aus κάλαμος stammen sowohl lat. calamus (vgl. Ernout-Meillet s. v.) wie aind. kaláma- ‘Schreibrohr’, ebenso arab. qalam > osman. kalém > ngr. καλέμι ‘türkische Schreibfeder, Art Maurermeißel’ (Maidhof Glotta 10, 11). Auch toch. A kulmäṃts ‘Rohr(?)’ dürfte, wenn richtig erklärt, als LW hierher gehören. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 464, W.-Hofmann s. culmus, calamus, Vasmer Russ. et. Wb. s. solóma, Pok. 612. I-760-761

κάλανδρος m. Art Lerche (Dionys. Av. 3, 15). — Ausgang wie in τάρανδ(ρ)ος, Μαίανδρος u. a.; Herkunft unbekannt. Pelasgische Erklärung bei v. Windekens Le Pélasgique 111ff. — Daraus ital. calandro ‘Kalanderlerche, Feldlerche’ usw. (Meyer-Lübke Rom. et. Wb. No 1486). S. auch W.-Hofmann s. caliandrum. I-761

καλαοίδια · ἀγὼν ἐπιτελούμενοςΑρτέμιδι παρὰ Λάκωσιν H. — Nach Fraenkel Glotta 4, 35 durch Univerbierung von καλεῖν und ἀείδειν entstanden. Eher ιο-Ableitung von καλαὶ ἀοιδαί. I-761

καλάπους m. ‘Leisten’, καλαρῖνες· ὀχετοί. Λάκωνες, καλαρρυγαί· τάφροι H. S. κᾶλον. I-761

καλάσιρις (-σηρις), -ιος f. Ben. eines ägyptischen mit Troddeln besetzten Gewandes (Hdt. 2, 81, Kratin. 30; bei Demokr. Eph. 1 ein persisches Gewand), das auch bei den Mysterien in Andania (Messenien) gebraucht wurde (IG 5 : 1, 1390, 17; geschr. -σηρις); Καλασίριες m. pl. Ben. einer Art ägyptischen Soldaten (Hdt. 2, 164 u. a.; nach dem Kleid oder umgekehrt?). Als Hinterglied in τρυφο-καλάσιρις N. eines Frauengewandes (Ar. Fr. 320, 6; vgl. Risch IF 59, 269). — Ägyptisches Wort ohne sichere Etymologie; vgl. Spiegelberg Zs. f. ägypt. Spr. 43, 87ff. Zur Schreibung Schwyzer Glotta 11, 75f. I-761-762

καλαῦροψ, -οπος f. Ben. eines Hirtenstabs, der geworfen wurde, um das Vieh zur Herde zurückzutreiben (Ψ 845, Antim., A.R., AP u. a.); καλαυρόπιον (Artem.). — Unklar καλαυρόφις· βακτηριοφόρος H. (an unrichtiger Stelle). — Äolisches Kompositum καλα-ϝροψ (Schwyzer 224, Chantraine Gramm. hom. 1, 158), dessen Hinterglied an ῥόπαλον (s. d.) erinnert, das aber im übrigen als unerklärt gelten muß. Der Vergleich mit aind. śalá- ‘Stock, Stachel’ usw. (s. Bq; vgl. zu κῆλον) ist ganz hypothetisch; die Anknüpfung an κλάω, κλάσαι ("Brechestab"; Bechtel Lex.) ist für den Sinn alles andere als befriedigend. — Verfehlt v. Blumenthal Hesychst. 33f.; Laum Heiliges Geld (Tübingen 1924), s. Wahrmann Glotta 17, 242f. I-762

καλέω (seit Il.), ep. poet. auch κικλήσκω, äol. κάλημι, kypr. καλήζω, Aor. καλέσ(σ)αι (seit Il.), Pass. κληθῆναι (Archil. usw.), Fut. καλέω (ion. att. seit Γ 383), καλῶ (att.), καλέσω (jungatt., hell.), Perf. Med. κέκλημαι mit Fut. κεκλήσομαι (seit Il.), Akt. κέκληκα (Ar. usw.), ‘rufen, bei Namen rufen = nennen, herbei-, an-, aufrufen’. sehr oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐν-, ἐκ-, ἐπι-, παρα-, προ-, προσ-, συν-, Als Vorderglied in καλεσσί-χορος ‘zum Tanz aufrufend’ (Orph. L. 718; Schwyzer 443f.); zu ὁμο-κλή (ὀμ-), -κλέω, -άω s. bes. Ableitungen. Mit zweisilbigem (hochstufigem) Stamm: 1. καλήτωρ Beiwort von κῆρυξ ‘Rufer’ (Ω 577), auch als EN (Ο 419) mit Καλητορίδης (Ν 541); καλη- für erwartetes καλε- (vgl. z. B. γενέ-τωρ) wie in καλή-μεναι (Κ 125; äol. athemat. Bildung?), vielleicht nach κλη- (Schulze Q. 16f., Fraenkel Nom. ag. 1, 17), wenn nicht einfach metrisch gedehnt (Solmsen Unt. 17); wieder anders Schwyzer 531 A. 7 (nach καλέω usw. für κλη-); ebenso 2. Καλήσιος (Ζ 18) für *Καλέσιος (wie γενέ-σιος); 3. κάλεσις = κλῆσις, ‘Nominativ’ (Gramm.). — Mit einsilbigem (schwachstufigem) Stamm: 4. κλῆσις ‘Ruf, Einladung, Vorladung usw.’ (att. hell.), oft von den präfigierten Verba, z. B. ἐπίκλη-σις ‘Beiname’ (seit Il.); 5. -κλημα, z. B. ἔγκλη-μα ‘Vorwurf, Anklage’ (att.) mit ἐγκλήμων, -ματικός, -ματίζω u. a. 6. κλητηρ, -ῆρος ‘Herold, Zeuge’ (A., att.); ὁμοκλη-τήρ ‘Zurufer’ (Il.) von ὁμοκλή, -έω (s. d.); ἀνακλητήρια n. pl. ‘Feier beim Ausrufen eines Königs’ (Plb.); 7. κλήτωρ, -ορος ‘Zeuge’, auch EN (hell.), wohl für *καλέ-τωρ nach κλητήρ (Fraenkel Nom. ag. 1, 17f.; zu καλήτωρ : κλητήρ noch Benveniste Noms d’agent 29, 40, 46). — 8. κλητός ‘berufen, eingeladen, willkommen’ (Hom. u. a.; Ammann Μνήμης χάριν 1, 14 u. 21) mit κλητεύω ‘vor Gericht laden usw.’ (att.), (ἀνα- usw.) -κλη-τικός; öfter von den präfigierten Verba, z. B. ἔκκλη-τος ‘aufgerufen, berufen’ (ion. att. dor.) mit dem Kollektivabstraktum ἐκκλησία ‘(zusammenberufene) Versammlung’ (ion. att.), ‘Gemeinde, Kirche’ (LXX, NT); davon ἐκκλησι-άζω mit -αστής, -ασμός u. a.; mit nominalem Vorderglied als Zusammenbildung in πολύ-κλη-τος ‘vielgerufen’, d. h. ‘von vielen Orten herbeigerufen’ (Δ 438, Κ 420; anders, nicht überzeugend, Kronasser Sprache 3, 172f.). — 9. κλή-δην ‘bei Namen, namentlich’ (Ι 11; vgl. ἐξονομακλήδην); 10. ἐπίκλη-ν ‘mit (Zu)namen’ (Pl. u. a.; Schwyzer 425). — Deverbative Bildung καλιστρέω = καλέω (D. 47, 60 aus Harp., Kall.; wohl zunächst von einem Nomen, vgl. ἐλαστρέω und Schwyzer 706). — Zu κληΐζω, κληδών (κλεη-, κληη-) s. κλέος. — Der zweisilbige Verbalstamm in καλέ-σαι (woneben analogisch καλέσσαι), stimmt zu ὀλέ-σαι, ἀρό-σαι u. a. (Schwyzer 752); das einsilbige gemeingriech. κλη- in κέ-κλη-μαι, κι-κλή-σκω, κλη-τός hat mehrere Gegenstücke, z. B. βλη- in βέ-βλη-μαι, βλη-τός (neben βέλε-μνα, βάλ-λω, Schwyzer 360). Das Präsens καλέ-ω ist ohne Zweifel Neubildung, wahrscheinlich zu καλέσαι (Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 367; anders über καλέω, καλέσαι Specht KZ 59, 85ff.). — Ein anderer zweisilbiger (hochstufiger) Stamm wird in dem semantisch etwas abweichenden κέλαδος ‘Getöse, Lärm’ vermutet. Es könnte deshalb nahe liegen, den α-Vokal in καλέ-σαι auf ein sonantisches zurückzuführen; derselbe Vokal tritt indessen auch im Italischen auf, lat. calāre ‘ausrufen’, umbr. kařetu (> *kalē-tōd), ebenso in dem semantisch abseits liegenden lett. kaluôt ‘schwatzen’; hinzu kommen die allerdings lautlich nicht eindeutigen ahd. as. halōn ‘rufen, holen’ (= calāre), heth. kalleš- ‘rufen’, aind. uṣā-kal-a- ‘Hahn’ (s. ἠϊκανός). Wie in dem sinnverwandten idg. qan- (s. καναχή) ist somit a offenbar uralt und hängt mit der Schallbedeutung des Verbs zusammen. Dem einsilbigen κλη- (neben καλέ-σαι) steht im Latein ein ebenfalls einsilbiges clā- (clā-mare, clā-rus; neben calā-re) gegenüber. — Bunter Formenbestand m. Lit. bei WP. 1, 443ff., Pok. 548ff.; dazu W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. calō. Vgl. κέλαδος und κέλομαι. I-762-763

κάλη ‘Bruch’ s. κήλη. I-763

κάληβος · ἀπεσκολυμμένος τὸ αἰδοῖον H. S. βάκηλος; vgl. auch zu καβάλλης. I-763

καλιά, ion. -ιή f. ‘Hütte, Scheune, Speicher, Nest’ (ep. poet. seit Hes.); καλιός m. ‘Hütte, Schuppen, Vogelkäfig’ (Epich., Kratin.). Deminutivum καλί̄διον (Eup.); ferner καλιάς, -άδος f. ‘Hütte, Nest, Kapelle’ (Attika IVa, D. H., Plu. u. a.) mit καλιάδιον (Delos IIa). — Durch das fast durchweg langgemessene ῑ (Scheller Oxytonierung 91) unterscheidet sich καλιά nebst verwandten Wörtern von den sonstigen Oxytona auf -ιά. Wegen der somit unklaren Bildungsweise wird die etymologische Anknüpfung an καλύπτω usw. (s. d.) in Frage gestellt. Nach Pisani IF 58, 246 hierher noch osk. kaíla ‘aedem, sacellum’ mit Metathese (?) usw. Über das von Specht Ursprung 167 herangezogene unklare aind. kulā́ya- n. (m.) ‘Geflecht, Nest, Gehäuse’ s. Mayrhofer Wb. s. v. I-764

καλίδια · ἔντερα. Κύπριοι H. — Von Lidén KZ 61, 23ff. mit arm. kaɫird ‘Eingeweide (von Tieren)’ (mit -rd nach leard ‘Leber’) und lit. skil̃vis ‘Bauch, Magen’ verglichen. I-764

καλινδέομαι nur Präsensstamm, auch mit ἐν-, προ-, προσ-, συν-, ‘sich wälzen’ (ion. att.) mit καλινδήθρα ‘Wälzplatz für Pferde’ (Ael.), καλίνδησις Ben. eines Würfelwurfs (Alkiphr.). — Dazu der Aorist δια-καλῖσαι (nicht ganz sicher) ‘mittels Rollen transportieren’ (SIG 2 587, 158) mit διακάλισις (Hermione); auch ἐσ- und παρ-κάλισις (Epid.); vgl. immerhin zu κᾶλον. — Scheint eine Kreuzung von ἀλινδέομαι und κυλινδέομαι darzustellen (Güntert Reimwortbildungen 131f.). Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 111ff. I-764

καλιστρέω s. καλέω. I-764

καλλαβίς, -ίδος f. N. eines lasziven Tanzes (Eup. 163, Phot.); nach H. = τὸ περισπᾶν τὰ ἰσχία, ἢ γένος ὀρχήσεως ἀσχημόνως τῶν ἰσχίων κυρτουμένων. — Scheint von *κάλλαβος abgeleitet zu sein; es würde dann in die Sphäre der volkstümlichen, teilweise niedrigen Wörter auf -βος gehören (vgl. Chantraine Formation 260ff.). — Nach Bechtel Dial. 2, 375 aus *καταλαβίς; eine semantische Begründung steht noch aus. I-764

κάλλαιον, gew. pl. -α, n. ‘Hahnenbart’ (Ar., Ael., Paus.), ‘Hahnenkamm’ (Arist.), ‘die schillernden Schwanzfedern des Hahns’ (Ael. Dion.). — Dunkel. Die Anknüpfung an καλαϊς ‘Hahn’, καλέω usw. (Prellwitz nach Stokes und Berneker; s. Bq) wird von WP. 1, 444 abgelehnt; dafür wird Anschluß an κάλλος als "Zierstück" empfohlen. Die Bildung ist aber noch erklärungsbedürftig. Vgl. καλάϊνος, καλαϊς; außerdem W.-Hofmann s. 1. gallus. I-764

κάλλαϊς, -ιδος f. ‘blaugrüner Stein, Türkis’ (Plin.) s. καλάϊνος. I-764

καλλαρίας m. N. eines Fisches aus dem Dorschgeschlecht (Archestr., Opp., H. s. λαζίνης). — Bildung auf -ίας (Chantraine Formation 94), letzten Endes scherzhaft (tabuisierend?) zu κάλλος, ebenso wie das synonyme γαλ(λ)αρίας (Dorion, H.) mit γαλεός ‘Haifisch’ zusammenhängt oder danach umgeformt ist; über diese und ähnliche Kreuzungen Strömberg Fischnamen 130f.; das αρο-Suffix wie in κάνθαρος, γάδαρος u. a. (Chantraine 226f.). Vgl. zum Folg. Ausführlich über καλλαρίας Thompson Fishes 97. I-765

καλλίας, ion. -ίης, dor. (H.) -ίαρ m. ‘Affe’ (Din., Herod., H.). — Aus dem PN Καλλίας mit Beziehung auf κάλλος und Übergang zum Appellativum, scherzhaft oder euphemistisch (Gal. 18 : 2, 236 u. 611). Vgl. Kretschmer KZ 33, 560, Wiener Eranos (1909) 122; indische Bedeutungsparallele bei Schulze KZ 56, 124 (= Kl. Schr. 370): mind. su-mukha (d. i. καλλιπρόσωπος) als Anrede an einen Affen; vgl. noch Spitzer KZ 57, 63 I-765

καλλιερέω, Aor. καλλιερῆσαι (ion. att.), Perf. κεκαλλιέρηκα (X. u. a.) ‘καλὰ ἱερά verrichten, glücklich opfern’ (ion. att.), intr. unpers. (vom Opfer). ‘καλὰ ἱερά bilden, glücklich ausfallen’ (Hdt.); davon καλλιέρησις (Attika), -ημα (H., EM); dor. καλλιαρία (Kos; von *καλλιαρέω). — Zusammenbildung aus καλὰ ἱερά (vgl. Schwyzer 726) mit Angleichung des Vorderglieds an die Nominalkompp. auf καλλι-; s. καλός. I-765

καλλονή, κάλλος, καλλύνω s. καλός. I-765

κᾶλον, fast nur pl. -α, n. ‘Holz, Brennholz, Bauholz’ (h. Merc. 112, Hes. Op. 427, Ion. Trag., Kall., Kyrene), auch ‘Schiffsholz’ = ‘Schiffe’ (lakon. in Ar. Lys. 1253, X. HG 1, 1,23, Plu. Alk. 28; wohl verächtlich). Davon κάλινος ‘aus Holz’ (Epich., Lyk., A. R., Kyrene); Deminutiva (?) κάλιον (-ίον?)· ξυλάριον, βακτηρίδιον; καλύριον (-ύφιον?)· ξυλήφιον H. Als Vorderglied in καλο-τύπος· ὁ δρυοκολάπτης H., καλο-πέδιλα n. pl. "Holzschuhe", Art Fußfessel (Theok. 25, 103; mit Anspielung auf hom. καλὰ πέδιλα?); καλό-πους, -ποδος m. "Holzfuß", d. h. ‘Schusterleisten’ (v. l. in Pl. Smp. 191a und Poll. 2, 195; Edict. Diocl. u. a.), auch καλά-πους (Pl. a. a. O., Poll. 10, 141; nach τετρά-πους u. a.?), mit dem Deminutivum καλοπόδιον (Gal. 6, 364 [v. l. -απ-], Suid.); als technische Ausdrücke sind καλόπους und καλοπόδιον in östliche Sprachen eingedrungen, z. B. arab. qālib, woraus osman. kalyp ‘Form, Modell’ > ngr. τὸ καλοῦπι ‘ds.’, mpers. kalapaδ, npers. kālbud (Maidhof Glotta 10, 11; Bailey Trans. Phil. Soc. 1933, 49). — Ganz fraglich dagegen καλαρ<ρ>ύα ‘Kanal, Wasserleitung’ (ambrakiotisch nach Sch. Gen. Φ 259), καλαρρυϝαί (cod. -γαίτάφροι. ’Αμερίας H., nach Schwyzer 438 A. 4 eig. "hölzerne Wasserleitung" (?); ähnlich καλαρῖνες· ὀχετοί. Λάκωνες H.; vgl. ῥινοῦχος ‘Kanal’ usw., dazu Kretschmer Glotta 4, 335; s. auch v. Blumenthal Hesychst. 17f. (mit unannehmbaren weiteren Kombinationen). — Zu καίω, καῦσαι als ‘Brennholz’; das synonyme δᾱλός ‘Feuerbrand’ aus δαϝ-ελός (δαίω) legt für κᾶλον ein entsprechendes *κάϝ-ελον nahe (Bq, WP. 1, 376 u. a.). Da indessen dor. κᾶλον damit nicht vereinbar zu sein scheint, ist wohl ein ursprüngl. *κάϝ-αλον anzusetzen (Schwyzer 248, Lejeune Traité de phon. 234); zu -ελο- : -αλο- vgl. s. ἔταλον. — Aus κᾶλα pl. lat. cāla f. ‘trockenes Holz, Brennholz’. — Weiteres s. καίω; s. auch κῆλα. I-765-766

καλός, ‘schön, edel, gut’ (seit Il.); zur Bedeutungsgeschichte Smothers Traditio 5 (1947) 1-57, auch Kretschmer Glotta 22, 261 (ngr. nur ‘gut’). ep. ion. κᾱλός, böot. καλϝος. Primäre Steigerungsformen καλλίων (Alk. ntr. κάλιον [vgl. unten], el. καλιτερος [graphisch?], vereinzelt u. spät καλώτερος, καλλιώτερος), κάλλιστος; dor. Adv. (Alkm. 98) καλλά; vgl. Wackernagel Unt. 87f. Als Vorderglied sehr selten (für καλλι-, εὐ-), z. B. καλό-φυλλος ‘mit schönen Blättern’ (Thphr.; nach μακρό-, μικρό-, στενό-, λειό-φυλλος usw. usw.); als Hinterglied z. B. ἀπειρό-καλος ‘des Schönen unkundig’ (Pl.; von τὸ καλόν). Zu bemerken bes. καλοκἀγαθία (Redner, X. usw.), univerbierende Abstraktbildung von καλὸς κ(αὶ) ἀγαθός (ion. att.; dazu Berlage Mnemos. 60, 20ff.). Ableitung καλότης ‘Schönheit’ (von Chrysipp. Stoic. 3, 60 gebildet). — Daneben mit Geminata: 1. κάλλος n. ‘Schönheit’ (seit Il.), als Hinterglied z. B. in περι-καλλής ‘sehr schön’ (seit Il., Bahuvrihi); davon κάλλιμος ‘schön’ (Od., h. Hom.; wohl nach κύδιμος, s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 10ff.), καλλύνω ‘Schönheit verleihen, schön machen, fegen, kehren’ (S., Pl., Arist. usw.) mit καλλυντής ‘Feger’ (Pap. IIa), κάλλυντρον ‘Besen’, auch N. eines Strauches (Arist. usw.), κάλλυνθρον ‘Staubwedel’ o. ä. (LXX, Pap.), καλλυντήρια n. pl. N. eines Reinigungsfestes (Phot., EM), καλλύσματα pl. ‘Kehricht’ (Keos u. a.). Zu κάλλος wurden ferner hinzugebildet καλλονή ‘ds.’ (vorw. ion. poet.; vgl. ἡδονή), καλλοσύνη ‘ds.’ (E. in lyr. u. a.). — 2. Steigerungsformen καλλίων, κάλλιστος (seit Il.); davon καλλιόομαι ‘schöner gemacht werden’ (LXX), καλλιστεύω, -ομαι ‘der schönste sein’ (ion. poet.) mit καλλιστεῖον, καλλίστευμα ‘Opferung des Schönsten, Preis der Schönheit, Ehrenpreis’ (S., E., Inschr.). — 3. καλλι- als Vorderglied (seit Il.); z. B. καλλι-γύναικ-α, -ος, -ι ‘mit schönen Frauen’ (vgl. Sommer Nominalkomp. 62), auch in EN, woraus Kurznamen wie Καλλίας u. a. — Von att. κᾰλός und ion. κᾱλός, beide aus καλϝός (prosodische Einzelheiten bei Sommer Nominalkomp. 59 A. 3), weichen das Nomen κάλλος, die Steigerungsformen καλλίων, κάλλιστος und das Vorderglied καλλι- durch die Gemination ab. Eine einleuchtende Erklärung steht noch aus. Die für κάλλος (nebst καλλίων, κάλλιστος, vgl. Benveniste Origines 84; dazu analogisch καλλι- ?) angesetzten Grundformen *κάλ-νος oder *κάλ-ι̯ος (zu aind. kalya- ?, vgl. unten) erwecken kein Vertrauen, da κάλλος den Eindruck einer griechischen Neubildung macht; vgl. die ähnlichen Fälle bei Chantraine Formation 416f. Die Annahme einer expressiven Gemination (Chantraine) ist gewiß möglich, kann aber nur als ein Notbehelf angesehen werden. Auch für καλλι- fehlt eine überzeugende Erklärung. Neben καλ-ϝός mit altem u̯o-Suffix wäre als Vorderglied καλι- zu erwarten (noch in κάλιον [Alk.] erhalten?), das Wackernagel KZ 61, 191ff. (= Kl. Schr. 1, 352ff.) in aind. kaly-ā́ṇa- ‘schön’ (eig. ‘schönarmig, λευκώλενος’?; vgl. zu ὠλένη) wiederfinden will (dagegen Mayrhofer Wb. s. kalyaḥ1). Nach Schwyzer 447 A. 6 wäre καλλ- aus antevokalischem *καλι̯- entstanden, woraus καλλι- und dann als Rückbildung κάλλος usw. Wieder anders Risch par. 62a (fragend): -λλ- aus einem Komparativ *κάλλων < *καλι̯ων, wozu κάλλιστος usw.? Ähnlich Seiler Steigerungsformen 68ff.: ein Komp. ntr. *κάλλον < *κάλι̯ον wurde als Positiv umgedeutet und gab zu κάλλιον, καλλίων (wonach κάλλιστος usw.) Anlaß. — Den einzig brauchbaren außergriechischen Vergleich zu καλός bietet das schon erwähnte aind. kalyā́ṇa-, wozu nach gewöhnlicher, aber nicht einwandfreier (s. Wackernagel a. a. O.) Annahme das in der Bedeutung abweichende, erst ep. klass. belegte kalya- ‘rüstig, bereit’. Die von Specht KZ 62, 257f., Ursprung 128 und 195 damit verbundenen germanischen Wörter, z. B. ano. hǫldr ‘Großbauer, Herr’ und ahd. helid ‘Kämpfer, Held’ sind u. a. wegen der Bedeutung fernzuhalten. I-766-767

κάλπη f. ‘Trab’ (Paus., Plu., Hippiatr.). Davon καλπάζω ‘traben’ (A. Fr. 145A, Aq., Suid.) mit καλπασμός (Philum. ap. Orib.). — Reitsportlicher Fachausdruck ohne Etymologie, vielleicht ursprünglich lautimitierend ("Geklapper"). Von Brugmann (z. B. Grundr.2 1, 260, 572) im Anschluß an Zupitza (Die germ. Gutturale 118) mit apreuß. po-quelbton ‘kniend’, lit. klùpti ‘niederknien, stolpern’, germ., z. B. got. hlaupanlaufen’ u. a. m. verbunden, s. WP. 1, 473f. (Lit. auch bei Bq und W.-Hofmann s. callis); zu den baltischen Wörtern bes. Fraenkel Lit. et. Wb. s. klùpti. Verfehlt ebenfalls Persson Beitr. 1, 179 (zu κέλης, κολυφρόν· ἐλαφρόν H.). I-767

κάλπις, -ιδος, -ιν, -ιδα f. ‘Krug, Urne’ (seit η 20; zur Bed. Brommer Herm. 77, 358 u. 365) mit καλπο-φόρος ‘krugtragend’ (Epigr.); Deminutivum κάλπιον (Pamphil. ap. Ath. 11, 475c). — Daneben κάλπη (κάλπην als v. l. für -πιν Plu., Hdn. u. a.) N. eines Gestirns (Vett. Val.; Scherer Gestirnnamen 173 u. 190); κάλπος· ποτηρίου εἶδος H. — Wie so viele Gefäßnamen ohne sichere Erklärung. Gewöhnlich mit einem keltischen Wort für ‘Urne, Eimer’ zusammengestellt, z. B. air. cilornn (aus *kelpurno-). Nach Anderen zu assyr. karpu ‘Gefäß, Topf’ oder zu ahd. hal(a)p ‘Handhabe’. Aus κάλπη stammt lat. calpar (Bildung unklar). — Näheres (m. Lit.) bei Bq s. v., WP. 1, 447, W.-Hofmann s. calpar. I-767-768

κάλτιος auch κάλτοι (für κάλτ<ι>οι?)· ὑποδήματα κοῖλα, ἐν οἷς ἱππεύουσι H. m. ‘Schuh, Halbstiefel’ (Rhinth., Plu., Edict. Diocl.); — Sizilisches LW aus lat. calceus mit Suffixtausch (καλίκιοι Plb. 30, 18, 3). Nicht mit v. Blumenthal Glotta 18, 149f. aus osk. *calc-tios. I-768

κάλυξ, -ῠκος f. ‘Fruchtkapsel, Blumenkelch, Blütenknospe, Rosenknospe’, auch übertr. als Benennung eines Frauenschmucks (seit Σ 401). Als Vorderglied z. B. in καλυκοστέφανος ‘mit Knospen bekränzt’ (B. u. a.). — Zum Ausgang -υξ vgl. Chantraine 383; eine große Ähnlichkeit zeigt aind. (klass.) kalikā ‘Knospe’, das aber trotzdem vielleicht fernzuhalten ist, s. Mayrhofer Wb. s. v. Vgl. κύλιξ, auch σκαλλίον. Ableitungen: Deminutivum καλύκιον (Dsk., H.); καλυκώδηςκ.-ähnlich’ (Thphr.), καλύκειος λίθος N. eines in dem σάλπη benannten Fische gefundenen Steins (H.); außerdem κάλυξις· κόσμος τις ἐκ ῥόδων, καλύξεις· ῥόδων καλύκια H., καλύκωσις ‘Rosenknospe?’ (Aq.), wie von *καλύσσω, bzw. *καλυκόω; vgl. die Bildungen bei Chantraine Formation 288 und καλυκίζειν· ἀνθεῖν H. I-768

καλύπτω, Aor. καλύψαι, Perf. Med. κεκάλυμμαι (seit Il.), Viele Ableitungen: 1. καλύβη ‘Obdach, Hütte, Zelt’ (Hdt., Th. usw.; zur Bildung Chantraine Formation 23, nicht mit v. Blumenthal Glotta 18, 147 illyrisch); davon καλύβιον (hell. u. spät), καλυβίτης ‘Hüttenbewohner’ (Str. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 25); auch κάλυβος (Epigr. Kyrene, H.). 2. καλυφή ‘Überschwemmung, überschwemmtes Land’ mit ἀποκάλυφος (αἰγιαλός, ἄρουρα) ‘nach der Überschwemmung anbaufähig’ (Pap.), περικαλυφή ‘Umhüllung’ (Pl. Lg. 942d); zu -βη und -φη neben καλύ-πτω vgl. Schwyzer 332f. 3. (προ-, παρα- usw.) κάλυμμα ‘Verhüllung, Schleier, Decke usw.’ (seit Il.) mit καλυμμάτιον (Ar.). 4. συγκαλυμμός ‘Verhüllung’ (Ar. Av. 1496). 5. ἐγ-, κατα-, ἀπο-κάλυψις ‘Verhüllung usw.’ (hell. u. spät); dazu, wohl als Kosename (Schwyzer 478, Risch par. 58a; anders Meillet REGr. 32, 384ff.) Καλυψώ f. "Verhüllerin, Verbergerin" (seit Od.), nach Güntert Kalypso eig. Todesgöttin; Zweifel bei Kretschmer Glotta 12, 212f., s. noch Bérard REGr. 67, 503f. — 6. καλυπτήρ, -ῆρος m. "Verhüller", ‘Hülle, Decke, Ziegel’ (Hp., Arist., att. u. hell. Inschr.) mit καλυπτηρίζω ‘mit Ziegel bedecken’ (Inschr.), f. καλύπτειρα ‘Schleier’ (AP); ἐπι-, ἐγ-, ἀνακαλυπτήριον, -ια ‘Verhüllung, Ver-, Enthüllungsfeier’ (Arist. usw.). 7. καλύπτρα, -ρη f. ‘Schleier, Decke usw.’ (seit Il.; zur Bildung Schwyzer 532, Chantraine Formation 333). — 8. ἐκ-καλυπτικός ‘enthüllend’ (Stoic., S. E.). ‘umhüllen, bedecken, verbergen’, sehr oft mit Präfix, z. B. ἀμφι-, κατα-, περι-, συν-, auch mit ἀνα-, ἀπο-, ἐκ- ‘aufdecken, enthüllen’. — Bildung wie κρύπτω und vielleicht davon beeinflußt (wenn nicht umgekehrt); jedenfalls aus einem schwachstufigen, evtl. auf υ auslautenden Verb erweitert (vgl. zu 1. ἀρύω). Ein nahverwandtes hochstufiges thematisches Wurzelpräsens liegt auf dem westlichen Gebiet vor in air. celim, lat. *cĕlō, -ĕre (in oc-culere), germ., z. B. ahd. helanhehlen, verbergen’, vgl. zu κέλυφος. Dazu kommen noch ein dehnstufiges Deverbativum in lat. cēlō, -āre ‘verbergen’ und ein schwachstufiges Jotpräsens im Germ., z. B. got. huljanhüllen’. Schwundstufe zeigt u. a. lat. clam ‘verhohlen, heimlich’. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 432f., Pok. 553f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. cēlō. — Vgl. καλιά, κολεός, auch κλέπτω. I-768-769

κάλχη, mit Hauchversetzung χάλκη (Meisterhans3 103f.), auch (durch Vermischung der beiden Formen) χάλχη f. ‘Purpurschnecke, Purpur, purpurrote Blume, Chrysanthemum coronarium’ (Alkm., Nik., Str. u. a.), übertr. als Ausdruck der Baukunst ‘Rosette eines Kapitells’ (att. u. hell. Inschr.). Denominatives Verb καλχαίνω, im eigentl. Sinn im Med. ‘purpurrot sein’ (Nik. Th. 641), übertr. trans. ‘über etw. grubeln’ (ἔπος, S. Ant. 20), intr. ‘unruhig, aufgeregt sein’ (E. Herakl. 40), ‘sich sehnen’ (Lyk. 1457). Lehnwort unbekannter Herkunft, vielleicht aus derselben Quelle wie χαλκός (Kretschmer Einleitung 167 A. 3). — Die Bedeutung ‘grübeln, aufgeregt sein’, die sich nur in der Sprache der Dichter findet, entstand offenbar nach dem Vorbild von πορφύρα : πορφύρω, die, obgleich nicht zusammengehörig, miteinander jedoch verknüpft wurden. Die Heranziehung von ags. gealg ‘traurig, finster’ (Holthausen IF 20, 322; WP. 1, 540) erübrigt sich. — Ob auch der Name des Sehers Κάλχας als "der Grübler" hierhergehört (zuletzt Carnoy Les ét. class. 24, 102), ist mehr als unsicher; eine pelasgische Etymologie liefert v. Windekens Beitr. z. Namenforschung 7, 308ff. Zu Κάλχας, -αντος und Καλχᾱ-δών noch Kretschmer Glotta 14, 100. I-769

κάλως, -ω, -ων, ε 260 u. Hdt. κάλος, hell. u. späte Epiker pl. -ωες, -ωας, -ωσι m. ‘Rahentau, Schiffstau, Tau im allg.’ (seit ε 260); καλω-στρόφος ‘Seildreher’ (Plu. Per. 12). Deminutivum καλῴδιον, auch καλοίδιον (Kom., Th., Inschr., Pap.). — Ohne Etymologie, wohl technisches Fremdwort (Debrunner Eberts Reallexikon 4, 525, Hermann Gött. Nachr. 1943, 1f.). Idg. Etymologien von Mansion PBBeitr. 33, 547ff. (zu ndl. halen ‘ziehen’ > frz. haler usw.; aber vielmehr zu ahd. halōn ‘rufen, holen’, vgl. zu καλέω); von Persson Stud. 30 u. A. (zu κλώθω usw.; vgl. s. v.). I-769-770

κάμαξ, -ακος f. (m.) ‘Pfahl zum Stützen des Weins, Stange, Speerschaft’ (poet. u. spät seit Σ 563). Davon καμάκιον (Sch.), καμάκινος ‘aus einer Stange gemacht’ (X.), καμακίας σῖτος ‘Korn mit allzu langem Halm’ (Thphr.; vgl. Strömberg Theophrastea 91). — Bildung wie δόναξ, πῖναξ, κλῖμαξ u. a. (Chantraine Formation 377ff.). Ähnliche Wörter für ‘Stange, Holz, Stock usw.’, alle in der Bildung voneinander abweichend, begegnen in mehreren Sprachen: aind. śámyā ‘Stock, Zapfen, Nagel’, aw. simā Ben. eines Teils vom Geschirr des mit Pferden bespannten Wagens, arm. sami-k‘ pl. ‘Jochhölzer’, germ., z. B. mhd. hamel ‘Stange, Klotz’. Lit. und weitere germ. Formen bei Bq und WP. 1, 385. S. auch καμασήν. I-770

καμάρα, ion. -ρη f. ‘Gewölbe, Zimmerwölbung, gewölbte Kammer, Wagen und Barke mit gewölbtem Dach’ (Hdt., LXX, Str., hell. u. späte Inschr. u. Pap. usw.). Davon καμάριον (Inschr. u. a.), καμαρία· κοιτὼν καμάρας ἔχων H., καμαρικός ‘mit einem Gewölbe versehen’ (Ath. Mech.). Denominative Verba: 1. καμαρόω ‘mit einem Gewölbe ausrüsten’ mit καμάρωσις ‘Wölbung’ (hell. Pap. u. a.), καμάρ-ωμα ‘Gewölbe’ (Str., Gal.), -ωτός ‘gewölbt’ (Str. u. a.), -ωτικός ‘beim Wölben benutzt’ (Pap.); 2. καμαρεύω ‘anhäufen, herbeischaffen, sich anstrengen’ (H.); 3. ngr. καμαρώνω ‘sich brüsten, stolz sein’ (Kukules Festschr. f. Hatzidakis 33ff.). — Außerdem καμάρης· δέσμης, καμάραι· ζῶναι στρατιωτικαί, καμαρίς· κοσμάριον γυναικεῖον H.; vgl. unten. — An καμάρα erinnert vor allem das in der Bedeutung allerdings stark abweichende aw. kamarā ‘Gürtel’, aus dem jedenfalls die oben aus H. angeführten καμάρη, καμαρίς entlehnt sein müssen (Fick KZ 43, 137, Schwyzer WuS 12, 31 A. 3; vgl. auch Weber PhW 54, 1068ff., Kretschmer Glotta 26, 62f.). Hinzu kommt lat. camurus, -a, -um ‘gekrümmt (von Hörnern), gewölbt’. Was sonst zum Vergleich herangezogen worden ist, bleibt mehr oder weniger zweifelhaft : aind. kmárati ‘krumm sein’ (Gramm.; vgl. Mayrhofer Wb. s. v.), gr. κμέλεθρον aus *κμέρεθρον (?; vgl. s. v.), das german. Wort für ‘Himmel’, z. B. got. himins (mit r:n-Wechsel). Für eine naheliegende Entlehnung aus einer östlichen Sprache sind eingetreten: Fick a. a. O. (aus dem Iranischen), Solmsen BphW 1906, 852f. (aus dem Karischen nach Sch. Orib. 46, 21, 7; dagegen Bq 402 A.). — Aus dem Griech. ist jedenfalls καμάρα ins Latein (camera) und von da aus ins Germanische und Baltoslavische gewandert. WP. 1, 349f., Pok. 524, W.-Hofmann s. camera und camurus; ältere Lit. auch bei Bq. — Vgl. κάμινος. I-770-771

κάμαρος, κάμμαρος m. N. einer Giftpflanze, Art Aconitum (?), auch = δελφίνιον, ‘Rittersporn’ (Hp., Stratt., Nik., Dsk. u. a.). — Von Fick 1, 383; 3, 74 mit dem germanischen und slavischen Wort für ‘Nieswurz’, ahd. hemera, russ. čemeríca (aus r.-ksl. čemerъ ‘Gift’, eig. ‘Nieswurz’) und mit lit. kemė̃ras ‘Wasserdost’ (dazu Fraenkel s. kiemenà) zusammengestellt. Die daselbst angereihten aind. kamala- n. ‘Lotus’, camarika- m. ‘Bauhinia variegata’ haben jedenfalls auszuscheiden (s. Mayrhofer Wb. s. vv.). — Die Schreibung κάμμορον (Dsk., Erot. u. a.) ist volksetymologisch nach κάμμορος ‘unglücklich’. — Aus κάμμαρος unterital. kammári ‘Wolfsmilch’, s. Rohlfs ByzZ 37, 53, Wb. No 877, Dawkins JournofHellStud. 56, 4. I-771

καμασήν, -ῆνος m. N. eines unbekannten Fisches (Emp., AP, Hdn. Gr., H.). — Aus dem Fischnamen ἠλακατήν von ἠλακάτη läßt sich für καμασήν auf ein Grundwort *κάμασος o. ä. schließen mit suffixalem -ασος wie in πέτασος, κόμπασος u. a. (Chantraine Formation 435). Dadurch wird Anschluß gewonnen an die baltoslavische Benennung des Welses, lit. šāmas, lett. sams, slav. (russ. usw.) som. Weitere Beziehung zu κάμαξ ‘Pfahl, Stange’ (s. d.) liegt sehr nahe. Solmsen Wortforsch. 122f.; zum Benennungsmotiv auch Strömberg Fischnamen 36. I-771

κάμηλος m. f. ‘Kamel’ (Hdt., A., Ar. usw.). Als Vorderglied z. B. in καμηλο-πάρδαλις f. ‘Giraffe’ (Agatharch., LXX usw.; Strömberg Wortstudien 12); auch in καμηλάτης für *καμηλ-ελάτης ‘Kameltreiber’ mit καμηλ-άσιον ‘Kameltreiberlohn’ (Pap.), -ασία ‘das Kameltreiben’ (Dig.). Mehrere Ableitungen, meist aus den Papyri: Deminutivum καμήλιον; Adj. καμήλειος, καμηλικός ‘zum Kamel gehörig’, καμηλώδης ‘kamelähnlich’ (Gal.); Subst. καμηλίτης (Arist. u. a.), καμηλάριος ‘Kameltreiber’; καμηλών ‘Kamelstall’; Verb καμηλίζω ‘einem Kamel ähneln’ (Hld.). — Aus dem Semitischen (ursprüngl. babylonisch?; Grimme Glotta 14, 17); vgl. hebr. gāmāl (= γαμάλ· ἡ κάμηλος παρὰ Χαλδαίοις H.), mit (ionischem?) Übergang von ᾱ zu η in -ηλος; vgl. noch Γαυγάμηλα = καμήλου οἶκος Str. 16, 1, 3 (Kretschmer KZ 31, 287). — Aus κάμηλος stammen sowohl aind. kramela- (nach krámate ‘schreiten’ umgebildet) wie lat. camēlus und die europäischen Formen. I-771-772

κάμιλος m. ‘Ankertau, Schiffstau’ (Sch. Ar. V. 1035, Suid.). — Nach Lewy Fremdw. 154 aus dem Semitischen, vgl. arab. ĝamal ‘Schiffstau’. Nach anderer Auffassung aus der v. l. κάμιλος für κάμηλος Ev. Matt. 19, 24, Mk. 10, 25, Luk. 18, 25 (κάμηλον διὰ τρήματος ῥαφίδος διελθεῖν) entstanden, weil ‘Tau’ im Zusammenhang besser zu passen schien; vgl. Bauer Griech.-dt. Wb. zum NT. s. v. m. Lit. I-772

κάμῑνος f. (vgl. Schwyzer-Debrunner 34 A. 2; -η Pap. VIp) ‘Ofen zum Schmelzen, Brennen, Braten usw.’ (Hom. Epigr. 14, Hdt., A. usw.). Mehrere Ableitungen, alle spärlich belegt, meist spät: Deminutivum καμίνιον (Gp., Olymp. Alch.). Sonstige Subst.: καμινὼ γρηῦς ‘Ofenweib’ (σ 27; Chantraine Formation 116); καμινεύς N. eines Handwerkers, der an einem Ofen arbeitet, etwa ‘Schmied’ od. ‘Töpfer’ (D. S.; Boßhardt Die Nomina auf -ευς 76); καμινίων ‘ds.’ (Tegea IIp); καμινίτης ἄρτος (Philistion ap. Ath.; Redard Les noms grecs en -της 89). Adj.: καμίνιος ‘zum Ofen gehörig’ (Thphr.); καμιναῖος ‘ds.’ (Ezek.) mit καμιναία = κάμινος (LXX; vgl. Chantraine 86); καμινώδης ‘ofenähnlich’ (Str.). Verb καμινεύω ‘im Ofen brennen, schmelzen’ (Arist., Thphr., Str.) mit καμινευτής = καμινεύς (Pap. IIIa, Luk.), καμινευτήρ (αὐλός) ‘Blasebalg in einer Schmiede’ (AP), f. -εύτρια (Aristarch.), καμινεία (-ία) ‘Brennung, Schmelzung o. ä.’ (Thphr., Gal.). — Technisches Lehnwort unbekannter Herkunft (zur Bildung Schwyzer 491, Chantraine 205). Der Vergleich mit καμάρα (Prellwitz, Bq u. A.) hat wenig Wert; die Zusammenstellung mit aksl. kamy ‘Stein’ (Hirt Ablaut 137, Falk-Torp Wb. s. kamin) ist sachlich gewiß möglich (Geramb WuS 9, 28); es muß sich aber dann um eine nördliche oder östliche Entlehnung handeln (WP. 1, 349, Pok. 525). — Aus κάμινος lat. camīnus mit mhd. kamin usw. (W.-Hofmann s. v.; s. auch Vasmer Russ. et. Wb. s. kómin). I-772

κάμμαρος 1. Art Krebs (Epich., Sophr., Rhinth., H.; zur Bed. vgl. Thompson Fishes s. v.), καμμαρίς ‘ds.’ (Gal.); κομμάραι ἢ κομάραι· καρίδες. Μακεδόνες H. m. — Offenbar mit anord. humarr, nd. nhd. Hummer identisch, vielleicht daraus entlehnt (Kretschmer Glotta 22, 103f.). Aind. kamáṭha- m. ‘Schildkröte’ ist dagegen wahrscheinlich fernzuhalten (s. Mayrhofer Wb. s. v.). — Aus κάμμαρος lat. cammarus. I-772

κάμμαρος 2. N. einer Giftpflanze s. κάμαρος. I-772

καμμονίη f. ‘Ausdauer, siegreiche Abwehr’ (Χ 257, Ψ 661, APl.; zur Bed. Trümpy Fachausdrücke 201f.). — Mit äolischer Behandlung der Präposition für *καταμονίη, u. zw. entweder als Abstraktbildung zu κατάμονος (hell.) oder mit metrisch bedingtem Suffixtausch für *καμμονή = καταμονή (hell.); zu καταμένειν. — Vgl. κάμμορος. I-772-773

κάμμορος ‘unglücklich’ (Od., A. R.). — Äolisch für das metrisch unbrauchbare *κατά-μορος (über *κάτ-μορος), Hypostase aus κατὰ μόρον oder μόρου, ‘der dem μόρος, dem Geschick unterworfen ist’. Daneben das ältere κάσμορος· δύστηνος H., = *κάσσμορος aus *κάτ-σμορος. Bechtel Lex. s. v. mit älterer Lit., Schwyzer 310. I-773

κάμνω, Aor. καμεῖν, Fut. καμοῦμαι (Schwyzer 784), Perf. κέκμηκα, dor. (Theok.) κέκμᾱκα, ep. Ptz. κεκμηώς, ‘sich mühen, mit Mühe arbeiten od. verfertigen, bauen; müde werden, ermatten, sterben’ (euphem.; fast nur ep. οἱ καμόντες, att. οἱ κεκμηκότες); ‘in Gefahr sein, Not haben’ (seit Il.). auch mit Präfix, z. B. ἀπο-, ἐκ-, συγ-, — Als Hinterglied in Zusammenbildungen: ἀ-κάμα-ς, -α-ντ-ος ‘unermüdlich’ (poet. seit Il., späte Prosa; zur Bildung Schwyzer 526); gewöhnlicher -κμη-τ- (-κμᾱ-τ-), -κμη-το- (-κμᾱ-το-), z. B. ἀ-κμή-ς, -ῆτ-ος ‘unermüdlich’, ἄ-κμη-τος ‘ds.’, πολύ-κμητος ‘mit vieler Mühe bereitet’ (alle vorw. ep. poet.). Verbalnomen κάματος m. ‘Mühe, anstrengende Arbeit, Ermüdung, Leiden’ (ep. ion. poet. seit Il., späte Prosa; zur Bedeutung Radermacher RhM 87, 285f. [anfechtbar]). Kompp., z. B. ἀ-κάματος ‘ohne Mühe’ (ep. ion. poct. seit Il.). Ableitungen: καματώδης ‘mühsam’ (Hes., Pi. u. a.), καματηρός ‘mühsam, ermüdet’ (ion. poet. seit h. Ven. 246; nach ἀνιηρός u. a.; Chantraine Formation 232, Zumbach Neuerungen 15); καματηδόν ‘mit Mühe’ (Man.); außerdem die Verbformen καματῶν· κοπιῶν, ἐκαμάτευσε· μετὰ κακοπαθείας εἰργάσατο H. (: καματάω, -τεύω). — Dem thematischen Nasalpräsens κάμνω steht im Altindischen ein athematisches nā-Präsens (Typ δάμ-νᾱ-μι) gegenüber: Med. śam-nī-te ‘sich mühen, arbeiten’ (Schwyzer 693). Die zweisilbige Wurzelform, die schon daraus vermutet werden kann, wird u. a. durch den Ipv. śamī̆-ṣva und das Nom. ag. śami-tár- ‘Zurichter’, wozu gr. κάμα-τος stimmt, bestätigt. Auch der thematische Aorist ἔ-καμ-ον, ἔ-καμ-ε hat ein Gegenstück in aind. a-śam-a-t, beide mit einsilbiger Reduktionsstufe (Schwyzer 747, Chantraine Gramm. hom. 1, 391); die zweisilbige Form ist in den athematischen aind. -śami--ṭa (RV), a-śamī-t (Gramm.) noch zu spüren. Dagegen gilt im Griechischen als Schwundstufe κμη-, urgr. κμᾱ- (κέ-κμη-κα, ἄ-κμη-τος usw.) gegenüber aind. śān-tá- (Ptz.); vgl. dazu Schwyzer 343 Zus. 3, 361; s. auch zu θάνατος m. Lit. — Sichere Spuren dieser im Indischen und Griechischen reich vertretenen Wortsippe sind in anderen Sprachen nicht vorhanden; in Betracht kommen indessen einige keltische Nomina, z. B. mir. cuma ‘Kummer’, cumal ‘Sklavin’. WP. 1, 387f., Pok. 557. — Vgl. κομέω, κομίζω. I-773-774

κάμπη 1. f. ‘Kohlraupe, Seidenraupe’ (Hp., Kom., Arist., Thphr. u. a.); πιτυο-κάμπη ‘Pinienraupe, Gnethocampa processionea’ (Dsk. u. a.; auch αἱ πιτύϊναι κάμπαι). — Kann als ‘Krümmung’ zu κάμπτω gehören; zu beachten anderseits aind. kapanā́ ‘Raupe’, lett. kâpe, kâpars ‘Insektenlarve, -puppe, Raupe’ (letzteres mit Prellwitz 206 zu kâpt ‘steigen, klettern’?). Wenn mit kapanā́ urverwandt, hat sich κάμπη volksetymologisch an καμπή, κάμπτω angeschlossen. Lit. bei Bq und WP. 1, 346; vgl. außerdem Mayrhofer Wb. s. kapanā́. Unklare Darstellung bei Strömberg Wortstudien 9. S. noch Bolelli Studitfilclass. N. S. 24, 93 A. 1. I-774

κάμπη 2. auch κάμπος n. (Lyk.; nach κῆτος) f. (Epich. ap. H., D. S., Nonn.), ‘(indisches) Meerungeheuer’. — Herkunft unbekannt. I-774

κάμπτω (ion. att.), Fut. κάμψω, Aor. κάμψαι (seit Il.), Pass. καμφθῆναι (A., Th. u. a.; v. l. Ι 158), Perf. Pass. κεκάμφθαι (Hp. usw.), oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, κατα-, ἐπι-, περι-, συν-, ‘biegen, beugen, krümmen’. Ableitungen. Substantiva. 1. (ἀνα-, ἐπι-, περι-, συγ-)καμπή ‘Biegung, Krümmung’ (ion. att.) mit κάμπιμος ‘gebogen’ (E. IT 81, Versende; nach πομπή : πόμπιμος, s. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 81); ἐπικάμπ-ιος ‘eine ἐπικαμπή, Einbiegung bildend’, milit. u. bautechn. Ausdruck (Ph. Bel., Plb., Inschr. u. a.). 2. (ἀνα-, κατα-, ἐπι-, συγ- usw.) κάμψις ‘Biegung, Krümmung’ (ion. att.); als Vorderglied z. B. in καμψί-πους Beiwort der ’Ερινύς (A. Th. 791 [lyr.]), Bedeutung unklar, s. Schwyzer 444 A. 11. 3. καμπτήρ, -ῆρος m. "Bieger, Krümmer", als milit. und sportlicher Terminus ‘Biegung, Wendepunkt der Rennbahn’ (X., Arist., Herod. usw.) mit καμπτήριος (Sch.). 4. περικάμπτης ‘tergiversator’ (Gloss.). — Adjektiva. 5. καμπύλος ‘gebogen, krumm’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.; nach ἀγκύλος, Chantraine Formation 250) mit καμπύλη f. ‘Krummstab’ (Ar., Plu. u. a.), καμπουλίρ (= καμπυλίςἐλαίας εἶδος. Λάκωνες H., καμπυλότης ‘Krummheit’ (Hp., Arist.), καμπύλλω ‘krümmen’ (Hp.), auch καμπυλεύομαι, καμπυλόομαι (Mediz.), καμπυλιάζω (Phot., Suid.); poetische Erweiterung καμπυλόεις (AP; Schwyzer 527). 6. ἐπι-, περι-καμπής ‘gekrümmt’, von ἐπι-, περι-κάμπτω (vgl. Chantraine 426f., Strömberg Prefix Studies 101). 7. καμπτικός ‘biegsam’ (Arist., Poll.). 8. καμψόν· καμπύλον H.; nach γαμψός? (vgl. Schwyzer 516, Chantraine 434, Stang Symb. Oslo. 23, 46ff.). — Diese im Griechischen wohl ausgebildete Wortsippe, die auf einem ablautlosen Verbalstamm καμπ- aufgebaut ist, wovon das primäre Verbalnomen καμπ-ή (mit καμπ-ύλος?) und das ebenfalls primäre κάμπ-τω mit κάμψαι usw., hat in anderen Sprachen verstreute nominale Vertreter, z. T. in übertragenen Bedeutungen und somit nicht immer ganz einwandfrei: lett. kampis ‘Krummholz, Kesselhaken’, lit. kam̃pas ‘Winkel, Ecke, Kante, verborgener Ort’, auch ‘Krummholz am Kummet’, womit sowohl lat. campus ‘Feld’ (eig. ‘Biegung, Niederung’?) als auch ein german. Adj. ‘verstümmelt, gelähmt’, z. B. got. hamfs, lautlich übereinstimmen; daneben steht mit auslautendem -b (vgl. zu σκαμβός) ein keltischer Adjektiv ‘krumm’, air. camm usw. (aus *cambo-; dazu nach Krahe Beitr. z. Namenforschung 3, 231 der Bach- und Ortsname Kobenz < *Kambantia); vgl. außerdem Campona ON in Pannonia. — Hinzu kommen im Baltischen zahlreiche Wörter für ‘krumm usw.’ mit u-Vokal, lit. kum̃pas ‘gekrümmt, krumm’, lett. kùmpt ‘krumm werden, verschrumpfen’ u. a. m., die eine reduzierte Vokalstufe enthalten können, aber gleichzeitig einen volkstümlichen Charakter haben und deshalb nur mit Vorbehalt hier einzureihen sind. Dasselbe gilt vielleicht in noch höherem Maße von ein paar aind. Wörtern: kumpa- ‘lahm an der Hand’ (Lex.) und, wegen der Bedeutung, aind. kampate ‘zittern’; vgl. Mayrhofer Wb. s.vv. Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 350f., Pok. 525, W.-Hofmann s. campus, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kam̃pas. — Aus κάμψαι stammt lat. campsāre ‘umsegeln, abbiegen’ (wovon span. cansar usw., Rice Lang. 19, 154ff.); aus καμπή lat.-rom. camba, gamba (dazu Fohalle Mélanges Vendryes 157ff., Kretschmer Glotta 16, 166f.) und alb. kāmbë ‘Bein, Fuß’ (Mann Lang. 17, 19 und 26, 380); aus καμπύλος osman. kambur ‘Buckel, buckelig’ > ngr. καβούρης (Maidhof Glotta 10, 10); in byz. γαμματίζω = κάμπτω, -ομαι vermutet Amantos (s. Kretschmer Glotta 16, 179) ein Nomen *γάμμα, *κάμμα. I-774-775

κάναβος, κάνναβος auch κίνναβος (Suid.), κιναβεύματα· πανουργήματα H., Phot. (unsicher Ar. Fr. 699). m. ‘Holzgerüst zum Modellieren, Modell, Mannequin, magere Person’ (Stratt., Arist., Poll., H.); Davon κανάβιος, -ινος ‘zum κ. gehörig, κ.-artig’ (AP, H.). — Zur Bildung vgl. die mehrfach dunklen Wörter auf -βος wie κάκκαβος, κόλλαβος, σίττυβος (Chantraine Formation 262); vielleicht von κάννα ‘Rohr’ (s. d.), wenn eig. ‘Rohrgerüst’. — Über das in der Bed. abweichende lat. canaba ‘Krämerbude beim Heer usw.’ (eig. ‘Rohrgerüst, leichtes Holzgerüst’?) s. W.-Hofmann s. v. I-775

κάναδοι · σιαγόνες, γνάθοι H. — S. zu γνάθος; dazu noch Pisani Rev. int. ét. balk. 3, 18, Krahe IF 60, 297 (illyrisch). I-776

καναχή, dor. -ά f. ‘Geräusch, Schall, Getöse, Gerassel’ (poet. seit Il.). Als Vorderglied in καναχή-πους, dor. -χά- ‘mit lärmenden Füßen’ (Alkm. u. a.). Daneben καναχέω, Aor. -ῆσαι (τ 469, Kratin., A. R.), erweiternd καναχίζω (Μ 36, κ 399 [v. l.], Hes. Sc. 373) ‘schallen, tönen, rasseln, krachen’ (vgl. Schwyzer 736, Porzig Satzinhalte 231); Aor. δια-, ἐγ-, ἐκ-κανάξαι von gurgelnden und schlürfenden Lauten (E. Kyk. 152 u. 157, Ar., Eup. u. a.), κανάξαι nach Poll. 10, 85 = τὸ ἐκκενῶσαι ἢ ἐκπιεῖν; κανάξας· ἐγχέας H.; καναχηδά ‘mit Geräusch’ (Hes. Th. 367 u. a.), -ηδόν ‘ds.’ (D. P., Aret.) und die ἅπ. λεγγ. καναχής (A. Ch. 152 [lyr.], von δάκρυ), καναχός (Nik. Th. 620; von βάτραχοι), beide wohl zunächst von καναχέω; καναχισμός (Orac. Chald.) von καναχίζω. — Expressive Bildung wie στοναχή (: στενάχω; vgl. Chantraine Formation 403) von einem Verb ‘singen, klingen usw.’ in lat. canō = kelt., z. B. air. canim, wozu u. a. Namen für ‘Hahn’, z. B. gr. ἠϊκανός (s. d.), got. hana = nhd. Hahn u. a. m. Weitere Formen m. reicher Lit. bei Bq, WP. 1, 351, Pok. 525f., W.-Hofmann s. canō. — Vgl. κόναβος. I-776

κάνδαρος · ἄνθραξ H. — Wohl zu aind. candrá- ‘schimmernd, licht’, lat. candor ‘weißer Glanz, Helle’, candeō ‘glänzen’ usw.; s. Bq, WP. 1, 352, Pok. 562, W.-Hofmann s. candeō mit einer Fülle von Literatur und weiteren Formen; dazu noch Mayrhofer Wb. s. candráḥ (1. 373) und Schwyzer 482. I-776

Κανδαύλης, -ου Vok. Κανδαῦλα, m., lydisch-phrygischer Name des Hermes (Hippon. 1), auch N. eines lydischen Königs (Hdt.). — Nach Hippon. = Κυνάγχα (Vok.) "Hundwürger"; auf Hermes als Würfelgott (‘Ερμῆς Τύχων) bezüglich und als Ausdruck des Würfelspiels mit aind. śva-ghnín- eig. "Hundtöter" (κύων = śvan- Ben. des schlechten Wurfes) semasiologisch identisch. Sittig KZ 52, 204ff.; dazu Kretschmer Glotta 15, 192. Weiteres s. Θαύλιος. — Ganz anders über Κανδαύλης Bolling Lang. 3, 15ff. (nicht zutreffend). I-776

κάνθαρος m. Art Käfer, ‘Scarabaeus pilularius’, auch übertr. von einem Trinkbecher, einem Kahn, einem Fisch (Strömberg Fischnamen 123f.), einem weiblichen Schmuck (ion. att.). Als Hinterglied z. B. in ἡλιο-, κυκνο-κάνθαρος (Kom. u. a.). Ableitungen: κανθάριον Ben. eines Bechers (att. Inschr., Plu.); κανθαρίς Käferart, auch N. eines Fisches und einer Pflanze (Hp., Arist. usw.); κανθάρεως Ben. eines Weinstocks (Thphr.; -εως wie in ἐρινεώς u. a.; s. zu ἐρινεός), κανθαρίτης οἶνος (Plin.), beide von der Κανθάριος ἄκρα auf Samos (Str.), auch Ἄμπελος benannt (Redard Les noms grecs en -της 97); κανθαρίας N. eines Edelsteins (Plin.); κανθαρώδηςκ.-ähnlich’ (Sch.). — Nicht sicher erklärt. Von Strömberg Wortstudien 10f. (wo weitere Einzelheiten) auf den Namen des Esels, κάνθων, κανθήλιος bezogen mit demselben Suffix wie in χίμαρος, κίσσαρος u. a. (Chantraine Formation 226f.). — Über die Pflanzennamen κανθαρίς, ἀντικάνθαρον s. Strömberg Pflanzennamen 140. I-776-777

κανθήλια n. pl. ‘große Packkörbe, eig. an beiden Seiten des Saumsattels’ (Ar., Artem., Pap., Gp.), auch ‘krumme Hölzer am Hinterschiff, die beim Zeltschlagen benutzt werden’ (H.); -ιον Akk. sg. in der Baukunst ‘Dachsparren’ (IG 22, 463, 73); (ὄνος) κανθήλιος ‘Packesel’ (Pl., Kom., X., Pap. usw.); κανθηλικός ‘zum Packkorb oder Packesel gehörig’ (Pap.). — Daneben κανθίαι· σπυρίδες H., κάνθων = ὄνος κανθήλιος (Ar., AP u. a.), κανθίς· ὀνίς (‘Eselmist’) H. — Volkstümliche Wörter, deren Beziehungen zueinander und zu anderen lautähnlichen Bildungen vor allem durch ihre technische, uns manchmal unzugängliche Bedeutung unklar oder zweifelhaft bleiben. Zu κανθήλια stimmen κειμήλια, γαμήλιος; zu beachten noch τράχηλος, γαμφηλαί und andere Wörter mit ηλ-Suffix. In dem allerdings spärlich belegten κανθίαι könnte eine andere Ableitung des λ-losen Grundworts stecken. Daß (ὄνος) κανθήλιος ‘Esel’ zu κανθήλια ‘Packkörbe’ sekundär ist, kann nicht bezweifelt werden (Debrunner IF 54, 55); κάνθων läßt sich unschwer als eine Kurzform wie lat. cabō zu caballus verstehen (Bq 406 A. 2, W.-Hofmann s. caballus), ebenso das einmalige κανθίς (anders Nehring Sprache 1, 166). — Von κανθήλια, -ιος ist lat. cant(h)ērius ‘verschnittener Hengst, Gaul’, auch ‘Jochgeländer, Dachsparren’ (mit Suffixwechsel) nicht zu trennen; wegen der Bedeutung ist eher direkte Entlehnung als unabhängige Übernahme aus einer fremden Sprache anzunehmen. Im übrigen dunkel; idg. Etymologien werden von W.-Hofmann s. cant(h)ērius mit Recht abgelehnt. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 96f. (mit Lit.), dazu ders. Lingua posnan. 5, 86. Nach Deroy Glotta 35, 190f. Mittelmeerwort. — Vgl. κάνθαρος, κανθός und κανθύλη. I-777

κανθός m. ‘Augenwinkel’ (Arist., Nik., Gal., Pap.); poet. ‘Auge’ (hell. u. spät); nach H. auch ‘Dachöffnung für den Rauch, Rauchfang, καπνοδόκη’ und ‘Topf, Kessel, χυτρόπους’ (letzteres sizilisch). Davon die Hypostase ἐγκάνθιος ‘im κανθός befindlich’ (Dsk., Gal.) mit ἐγκανθίς f. ‘fleischiger Auswuchs im (inneren) Augenwinkel’ (Cels., Gal.), nach Poll. 2, 71 = ‘innerer Augenwinkel’; auch ἐπικανθίς ‘ds.’ (Hippiatr., v. l. in Poll. a. a. O.). Ableitung κανθώδης ‘gerundet’ (Kall. Fr. 504 coni. Hemsterhuys; codd. καθν-, κυκν-). — Nicht befriedigend erklärt. Aus dem einmaligen, auf einer ganz unsicheren Konjektur ruhenden κανθώδης des Kallimachosfragments eine allgemeine Grundbedeutung ‘Krümmung, Biegung’ herauszulesen, ist selbstverständlich unstatthaft. Der in hellenistischer und später Poesie geläufige Gebrauch von κανθός im Sinn von ‘Auge’ empfiehlt vielmehr, für κανθώδης, falls überhaupt richtig emendiert, eine Bedeutung ‘augenförmig’ (= ‘gerundet’) anzunehmen. Die Angaben bei H. lassen keine sicheren Schlüsse zu. — Man vergleicht teils einige keltische Wörter, z. B. kymr. cant ‘eiserner Reifen, Rand’, gall. (gallo-rom.) *cantos, teils ein gemeinslavisches Wort für ‘Winkel, Ecke (einer Bauernstube) usw.’, z. B. russ. kut, alles aus idg. *qan-tho- mit weiterer Beziehung zu idg. qam- in καμάρα, κάμπτω, Die Gleichung ist nicht ohne Bedenken, erstens weil gr. -θ- dabei unerklärt bleibt (vgl. zu πόντος; anders z. B. Specht Ursprung 254), zweitens weil die slavischen Wörter dem Verdacht unterliegen, aus dem Westen geholt zu sein (vgl. unten). Aus dem Keltischen stammt jedenfalls lat. cantus ‘eiserner Radreifen, Radfelge’, woraus einerseits κανθός in derselben Bedeutung (Edict. Diocl., EM, Sch.), andrerseits die romanischen Wörter für ‘Kreis, Rand, Ecke usw.’ (z. B. frz. chant, ital. canto, cantone) mit weiteren Ausläufern im Germanischen, z. B. mnd. kant(e), nhd. Kante. — Sehr weit ausgreifend will Belardi Rend. Acc. Lincei 8 : 9, 610ff. (s. auch Doxa 3, 209) die Wörter auf κανθ- einschließlich κόνδυλος, γάδος u. a. m. auf einen gemeinsamen indomediterranen Ausdruck für ‘Rundes, Halbrundes usw.’ zurückführen; das daselbst herangezogene sehr reiche Material bedarf jedenfalls einer gründlichen Sichtung. — Über κανθός = ‘Augenwinkel, Auge’ im Mittel- und Neugriechischen Kahane Byzantion 16, 339ff. Reiche Lit. bei WP. 1, 351f. (auch Pok. 526f.), W.-Hofmann s. cantus, Vasmer Russ. et. Wb. s. kut, Be1ardi a. a. O.; außerdem noch Mayrhofer s. kandharaḥ. Ältere Lit. bei Bq. I-777-778

κανθύλη auch κονθηλαί· αἱ ἀνοιδήσεις H. f. ‘Geschwulst’, nur in κανθύλας· τὰς ἀνοιδήσεις. Αἰσχύλος Σαλαμινίαις (Fr. 220) H. (an alphabet. unrichtiger Stelle); — Wegen der schwankenden Überlieferung etymologisch kaum verwertbar. Der Vergleich mit einem germanischen Wort für ‘(eiterndes) Geschwür, Eiter’, z. B. ahd. gund, got. gundsγάγγραινα’ (Holthausen KZ 28, 282), setzt voraus, entweder daß κονθ- ursprünglich ist oder daß κανθ- sekundär für *καθ- eingetreten ist; zur letzteren, sehr entfernten Möglichkeit Schwyzer 343 Zus. 1. Strömbergs Vorschlag, Wortstudien 94, κανθύλη aus dem Namen des Esels, κάνθων, κανθήλιος, herzuleiten, ist semantisch nicht genügend unterbaut. I-778-779

κάννα oder κάννη f., oft im Plur., ‘Rohr, Arundo donax, Rohrgeflecht, -matte’ (Kom., Inschr., Plb.). Ableitungen: 1. κάνης, -ητος m. ‘Rohrmatte’ (Solon. Gesetz bei Plu. Sol. 21, Krates Kom., D. H.; nach τάπης) mit καννητο-ποιός (Hippon. 116). 2. κάννηκες· πλέγματα ταρσῶν H. — 3. κανοῦν, ion. κάνεον, ep. auch -ειον n. ‘Rohrkorb, Korb, Schüssel’ (seit Il.; substantiviertes Stoffadj.); als Vorderglied in κανη-φόρος f. ‘Korbträgerin’ (Ar., Inschr., Pap.; zum Komp.-vokal Schwyzer 438f.) mit κανηφορ-έω, -ία, -ικός. Davon die Deminutiva κανίσκος, -ίσκιον (Ar., Inschr. u. a.), κανίδιον (Pap.); außerdem κάναστρον (Hom. Epigr., Nikophon, Attika, Kreta; vgl. zu ζύγαστρον), auch -αυστρον (wie θερμα(ύ)στρα; s. zu θερμός), -ιστρον, -υστρον (Inschr., Pap., Poll.; Kretschmer Glotta 11, 283) = lat. canistrum; davon καναστραῖα· κοῖλά τινα ἀγγεῖα Suid.; κάνασθον (Naukratis). — Zu κάν(ν)αβος, κάν(ν)αθρον, κανών s. bes. — Aus babyl.-assyr. qanū ‘Rohr’, das auf sumer.-akkad. gin ‘ds.’ zurückgeführt wird. Aus κάννα lat. canna ‘Rohr usw.’; s. W.-Hofmann s. v., wo auch Lit. I-779

κάνναβις, -ιος, -εως f. ‘Hanf, Cannabis sativa’ (Hdt., S., Dsk., Gal. u. a.). Davon καννάβιον ‘ds.’ (Ps.-Dsk., Gp.), κανναβίς, -ίδος f. ‘hanfenes Kleid’, pl. ‘Hanfsamen, die gebrannt und beim Dampfbad benutzt wurden’ (Hdt., Ephipp. Kom. u. a.); davon κανναβισθῆναι· πρὸς τὴν κάνναβιν ἐξιδρῶσαι καὶ πυριασθῆναι H.; κανναβίσκα n. pl. ‘Hanfschuhe’ (Herod. 7, 58); καννάβινος ‘aus Hanf, hanfähnlich’ (AP u. a.); κανναβάριος Mitglied eines Berufsvereins = stupparius (Ephesos, Gloss.; Wahrmann Glotta 22, 42f.). — Auch κάνναβος (Poll. 10, 176). — LW aus einer nicht näher bekannten östlichen Quelle, vielleicht skythisch oder thrakisch (Hdt. 4, 74f.); vgl. indessen auch sumer. kunibu ‘Hanf’. Aus κάνναβις lat. cannabis; zu den Germanen (ags. hoenep, ahd. hanaf usw.) ist das Wort, unbekannt woher, vor der Lautverschiebung gekommen. Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Vasmer s. konopljá (1, 615); s. auch W.-Hofmann s. cannabis, Pisani Sprache 1, 138. I-779

κάνναθρον, κάναθρον n. ‘geflochtener Wagen(korb)’ (X. Ages. 8, 7, Plut. Ages. 19, H., Eust.). — Wohl von κάννα ‘Rohr’ mit θρο-Suffix (vgl. Chantraine Formation 373f.), wenn nicht mit Lidén Streitberg-Festgabe 227ff. Kompositum aus κάννα und einem Wort für ‘Wagen(korb)’, das in ἄθρας· ἅρμα. ‘Ρόδιοι H. erhalten ist; s. d. I-779

κανών, -όνος m. ‘gerade Stange, Kettenstab, Stab od. Griff zum Festhalten des Schildes, Richtscheit, -schnur, Regel, Vorschrift, Modell usw.’ (seit Il.). Mehrere Ableitungen, fast alle der technischen Sprache angehörig: Deminutivum κανόνιον (Ph. Bel., Hero u. a.); κανονίς ‘Lineal, Rahmen usw.’ (Arist., Ph. Bel., Inschr.); κανονίης m. ‘stangähnlicher, gerade gewachsener Mann’ (Hp. Aër. 24); κανονικός ‘zum κανών gehörig, auf den κανών bezüglich’ (hell. u. spät); κανονωτός ‘mit κανόνες versehen’ (Pap. u. a.). Denominatives Verb κανονίζω ‘messen, abmessen, bestimmen’ (Arist. usw.) mit κανονισμοί pl. (Man.), κανόνισμα (AP), κανονιστικός (Choerob.). — Wohl zu κάννα als *‘Rohrstab’; zur Bildung Chantraine Formation 160ff. Die semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 133 (zu hebr. qānoeh ‘Meßrohr, Waage’) ist nicht vorzuziehen. — Zur Bedeutungsgeschichte von κανών s. H. Oppel Κανών. 1937 (Philol. Suppl. 30 : 4); dazu v. Fritz AmJPhil. 60, 112ff.; L. Wenger Canon in den römischen Rechtsquellen und in den Papyri. 1942 (WienAkSb. 220 : 2); dazu Dölger ByzZ 42, 282ff.; außerdem Hatzidakis ’Αθ. 38, 3ff. (Bed.-entwicklung im Neugr.), Jüthner WienStud. 53, 68ff. (als Sportterminus). I-780

καπάνα f. thessalisches Wort für ‘Wagen’ = ἀπήνη (Xenarch. 11, H.), -η ‘Querstück des Wagenkastens (?)’ (Poll. 1, 142), καπᾶναι (καπαλαί cod.)· φάτναι H. Davon καπάναξ ‘Seitenstück des Wagenkastens’ (Poll. ibid.; vgl. δίφραξ von δίφρος); καπανικώτερα (Komp.) Beiwort von Θετταλικά (δεῖπνα) bei Ar. Fr. 492, nach Ath. 9, 418d = ἁμαξιαῖα ‘einen Wagen füllend’, nach H. als Alternative = χορταστικώτερα, ἀπὸ τῆς φάτνης. — Unklar καπάνη· τριχίνη κυνῆ, καπάνια· ἁρπεδόνες, καπαλίζει· ζευγηλατεῖ H. — Hierher noch Καπανεύς EN? (Boßhardt Die Nom. auf -ευς 121). — Wohl eig. ‘Kasten’, Bildung auf -ᾱνᾱ (Chantraine Formation 206; vgl. bes. ἀπήνη) von κάπη, κάπτω, s. d. An καπάνα erinnert gallorom. capanna (Alessio Studi Etr. 19, 175 A. 34; vgl. Kuiper Μνήμης χάριν 1, 213 A. 9). I-780

καπέτις, -ιος persisches Maß = 1/48 einer ἀρτάβη (Polyaen. 4, 3, 32), = χοῖνιξ (H.). Daneben καπίθη f. pers. Maß = 2 χoίνικες (X. An. 1, 5, 6) = 2 att. κοτύλαι (H.). f. — Persische Fremdwörter, mit der Sippe von κάπτω urverwandt, aber näherer Ursprung unbekannt. Zu dem lautlich und begrifflich nahestehenden aind. kapaṭī f. ‘zwei Handvoll’ vgl. Mayrhofer Wb. s. v. I-780

κάπετος f. ‘Graben’ s. σκάπετος. I-780

κάπη f. ‘Krippe’ s. κάπτω. I-780

κάπηλος ‘Kleinhändler, Krämer, Weinschenk’ (ion. att.; zur Bedeutung vgl. zu ἔμπορος); sekundär Adj. = καπηλικός (A., Kom. Adesp., D. H.). m. Ableitungen: Fem. καπηλίς ‘Krämerin, Schenkwirtin’ (Kom., Pap.), καπήλισσα (Sch.); καπηλεῖον ‘Kramladen, Schankstube’ (att., hell. u. spät); καπηλικός ‘zum κάπηλος gehörig’ (Pl., Arist. usw.; Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 120); καπηλεύω ‘Kleinhändler sein, Kleinhandel treiben, mit etw. Schacher treiben, verfälschen’ (ion. att.) mit καπηλεία ‘Kleinhandel’ (Pl., Arist.) und καπηλευτικός = καπηλικός (Ph Lg. 842d). — Der formal naheliegenden Anknüpfung an κάπη, wobei für dieses Wort eine Bedeutung wie ‘Kasten’ od. ähnl. anzusetzen wäre ("der aus dem Kasten verkauft" im Gegensatz zum Großhändler; anders Prellwitz und H.), steht die aus sachlichen Gründen ebenfalls naheliegende Annahme eines fremden Ursprungs entgegen, wobei auch Zusammenhang mit lat. caupō ‘Schenkwirt’ zu erwägen ist, s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. I-781

καπνός m. ‘Rauch, Dampf, Dunst’ (seit Il.). Kompp., z. B. καπνο-δόκη ‘Rauchfang’ (ion. att.), δύσ-καπνος ‘einen unangenehmen Rauch besitzend od. verursachend’ (A., Thphr. u. a.). Zahlreiche Ableitungen. Substantiva. 1. κάπνη (Kom.), Kurzform von καπνοδόκη nach den Nomina auf -νη; auch = καπνιαῖος λίθος (PHolm.; s. unten); 2. καπνία für κάπνη (Moer. 292, Gloss.; vgl. Scheller Oxytonierung 56), myk. ka-pi-ni-ja??; 3. καπνίας m. Ben. a) eines Weins, der durch Räucherung einen besonderen Geschmack erhalten hat (Kom.), b) einer Art Jaspis, = καπνίτης, nach der Farbe (Dsk., Plin.), c) des Dichters Ekphantides (Ar. V. 151; ‘διὰ τὸ μηδὲν λαμπρὸν γράφειν’ H.). 4. καπνίτης m. N. eines Steins, nach der Farbe (Alex. Trall. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 55), καπνῖτις f. Pflanzenname, ‘Erdrauch, Fumaria officinalis’, nach den rauchfarbigen Blättern (Ps.-Dsk.), auch κάπνιος und καπνός genannt (Strömberg Pflanzennamen 27, Redard 72). — Adjektiva. 5. κάπνε(ι)ος (sc. ἄμπελος) f. ‘Weinrebe mit rauchfarbigen Trauben’ (Arist., Thphr., Pap.); 6. καπνώδης ‘rauchig, rauchfarben’ (Arist., Thphr., Plb.); 7. καπνηλός ‘rauchartig’ (Nik. Th. 54); 8. καπνιαῖος λίθος ‘rauchfarbener Quarz’ (PHolm.). — Denominative Verba. 1. καπνίζω, Aor. καπνίσ(σ)αι, auch mit Präfix, ἀπο-, περι-, ὑπο-, ‘Rauch machen, beräuchern, rauchfarben sein’ (seit Il.) mit κάπνισις ‘Beräucherung’ (Arist.), κάπνισμα ‘Weihrauch’ (AP), καπνιστήριον ‘Dampfbad?’ (Priene); 2. καπνόομαι ‘in Rauch aufgehen’ (Pi., E.); 3. καπνιάω ‘einen Bienenschwarm ausräuchern’ (A. R. 2, 131), nach θυμιάω; 4. καπνείω ‘in Rauch aufgehen lassen, verbrennen’ (Nik. Th. 36). — Neben καπνός steht ein Aorist ἀπὸ (δὲ ψυχὴν) ἐκάπυσσεν ‘hauchte aus’ (Χ 467; κάπυσσεν Q. S. 6, 523), wozu das Präsens καπύσσων· ἐκπνέων H.; das als Grundlage zu vermutende Nomen kann in κάπυς· πνεῦμα H. (auch κάπος· ψυχή, πνεῦμα) erhalten sein. Ganz unsicher ist das an falscher Stelle überlieferte καπυκτά· πνέοντα H.; Zusammenhang mit καπύσσων ist indessen nicht ausgeschlossen, vgl. zu ἀλύσσω s. ἀλύω. Derselbe mit dem ν-Suffix in καπνός alternierende υ-Stamm erscheint noch in καπυρός ‘trocken usw.’, s. bes.; unsicher dagegen κέκηφε· τέθνηκε H., κεκαφηότα (Hom.), s. d. — Ein ursprüngliches *κϝαπ-νός (zum Lautlichen Schwyzer 302; vgl. auch unten) stimmt hinsichtlich des Stammes zu lit. kvãpas ‘Hauch, Atem. Duft, Geruch’; daneben mit -Vokal kvėpiù, kvė̃pti ‘keuchen, atmen, einhauchen’, lett. kvêpstu, kvêpt ‘qualmen, rauchen, duften’; καπνός u. Verw. gehen somit auf idg. qu̯ep- zurück. Eine alte kaum zu entscheidende Streitfrage ist die Verwandtschaft von lat. vapor ‘Dampf, Dunst’ mit v- für erwartetes qu-. Umgekehrt begegnet in russ. kópotь ‘feiner Ruß, Staub’ u. Verw. eine -lose Form, die sich vom Slavischen aus nicht erklären läßt und auch zu καπνός in Beziehung stehen könnte. Endlich weist das Germ., z. B. got. af-ƕapjan ‘ersticken, auslöschen’, af-ƕapnan ‘erlöschen’ ein wurzelauslautendes p für f (b) auf. Man hat somit in den verschiedenen Sprachen mit zahlreichen, nicht unerwarteten Entgleisungen zu rechnen. — Weitere Formen, teilweise von zweifelhafter Zugehörigkeit, mit reicher Lit. bei WP. 1, 379f., Pok. 596f.; dazu W.-Hofmann s. vapor, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kvė̃pti, Vasmer Russ. et. Wb. s. kópotь. Ältere Lit. auch bei Bq. I-781-782

κάππα n. indekl. (Kallias ap. Ath. 10, 453d). — Aus dem Semitischen, vgl. hebr. kaph; dazu Schwyzer 140. I-782

κάππαρις, -εως, -ιος f. ‘Kaper, Capparis spinosa’ (Hp., mittl. Kom., Arist., Pap. usw.); Deminutivum καπ(π)άριον (Pap. u. a.). — Davon κάππαρος m. Fischname (PCair. Zen. 83, IIIa); nach der Bereitung, s. Strömberg Fischnamen 88. — Herkunft unbekannt. I-782

Καππώτας- -α m. Ζεὺς Κ., dorischer Name eines großen unbehauenen Steins in Gytheion (Paus. 3, 22, 1). — Wohl für *Καταπώτας "der Heruntergefallene", von *κατα-πωτάομαι (κατα-πίπτειν), eig. Ben. eines Meteorsteins; Pisani Acme 1, 86. Etw. abweichend Belardi Doxa 3, 209 : wie Ζεὺς Καβάτας (lakon.) = Καταιβάτης eig. Bein. des Blitzgottes. I-782

κάπρος m. ‘Eber, Wildschwein’, auch appositiv zu σῦς (seit Il.), als Fischname = ‘Capros aper’ (Arist. u. a.; nach der Lautgebung, Thompson Fishes s. v., Strömberg Fischnamen 101). Ableitungen: Deminutiva καπρίδιον, -ίσκος (Kom.); f. κάπραινα von einer unzüchtigen Frau (Kom.); καπρία f. ‘das Ovarium, der Brunstsaft der Sau’ (Arist.; Näheres bei Scheller Oxytonierung 43); καπρών ‘Schweinekoben’ (Delos IIIa); (σῦς) κάπριος = (σῦς) κάπρος (Il., A. R.); κάπριος ‘von der Gestalt eines Ebers’ (Hdt. 3, 59), κάπρειος ‘zum Eber gehörig’ (Nonn.). Denominative Verba: καπράω ‘nach dem Eber gehen’, vom brünstigen Schwein (Arist.), auch καπριάω (Arist. v. l., Ar. Byz.), zur Bildung Schwyzer 731f.; καπρίζω ‘ds.’ (Arist.); καπρῴζομαι ‘brünstig sein’, vom Eber (Skiras Kom.). — Stimmt lautlich zu dem italo-germanischen Wort für ‘Ziegenbock, Bock’, lat. caper, umbr. cabru ‘caprum’, germ., z. B. ano. hafr. Eine unsichere Spur desselben Wortes im Keltischen ist in gallo-rom. *cabrostos ‘Geißblatt, Liguster’ vermutet worden. Das im Griechischen neugeschaffene τράγος ("der Nager") hat die alte Benennung des Bocks, idg. *kápros für andere Zwecke freigestellt; das Wort wurde wahrscheinlich zuerst appositiv zu σῦς (vgl. oben) verwendet. Das anklingende lat. (ital.) aper ‘Eber’ hat den Vokal von caper angenommen, ist aber sonst damit nicht verwandt. Auch die keltische Bezeichnung des Bocks, z. B. air. gabor, scheint von einem anderen Wort (idg. *ghaidos in Geiß usw.?) beeinflußt worden zu sein. — In den östlichen Sprachen ist dieses Wort bis auf das ganz fragliche aind. kápr̥th- ‘membrum virile’ nicht nachzuweisen. — Reiche Lit. mit weiteren Einzelheiten bei WP. 1, 347f., Pok. 529, W.-Hofmann s. caper (und aper). Sehr kühne Kombinationen bei Wagner KZ 75, 72ff. I-782-783

κάπτω, Fut. κάψω, Perf. -κέκαφα, -κέκαπται, auch mit ἀνα-, ἐγ-, ὑπο-, ‘schnappen, schlucken’ (Hdt., Herod., Kom., Arist. u. a.). Davon (ἀνά-)κάψις ‘das Schlucken’ (Arist.); κάμματα pl. ‘Mundbissen, Opferkuchen’ mit καμματίδες pl. ‘Lorbeerblätter, die zum Schlucken der κάμματα benutzt wurden’ (Nikokl. 2); ἔγκαφος ‘Mundbissen’ (Eup. 330). — Daneben κάπη f. ‘Krippe’ (Θ 434, δ 40, S. Ichn. 8, Lyk. 95), κάπηθεν (Suid.). — Das Präsens κάπτω, von dem alle übrigen Formen ausgehen, kann mit lat. capiō ‘nehmen’ und germ., z. B. got. hafjanheben’ formal identisch sein; es stimmt aber in Gebrauch und Bedeutung weit besser zu dem volkstümlichen ndd. (= nhd.) happen ‘verschlingen’, ndl. happen ‘schnappen’ (mit expressiver Gemination). Die genannten Wörter gehören mit zahllosen anderen zu einer weitverbreiteten Sippe der Bedeutung ‘greifen, fassen usw.’ idg. kap- (nebst mehreren lautlichen Varianten), die ursprünglich lautmalender Natur war (vgl. Oehl Fangen — Finger — Fünf [Collectanea Friburgensia N. F. 22] 83ff.); griech. κάπτω hat einen ausgeprägt volkstümlich-expressiven Charakter. Das für sich stehende κάπη ‘Krippe’ ist wohl eher eine alte freistehende Bildung als eine direkte Ableitung von κάπτω; vgl. καπάνα und κώπη. — Reiches Material m. Lit. bei WP. 1, 342ff., Pok. 527f., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. capiō, Bq s. κάπτω usw. I-783-784

καπυρός ‘trocken, spröde, knisternd, hell von der Stimme’ (Hp., Epich., Antiph., Arist., Theok. usw.). Davon καπύρια, -ίδια pl. Art Kuchen (Pap. u. a.); καπυρόομαι ‘trocken, gesengt werden, knistern’ (Str., Orib.), καπυρίζω ‘lärmen, zechen’ mit καπυριστής ‘Zecher’ (Str.). — Zunächst vom υ-Stamm in *καπύω (κάπυς), somit eig. ‘Rauch von sich gebend, verbrannt’; zur Bedeutung Legrand REGr. 20, 10ff., Bugiatzides ’Αθ. 26, 109ff. Unbegründeter Zweifel bei WP. 1, 379, wo eine Grundform *κατα-πυρός (zu πυρόω) empfohlen wird. S. καπνός. I-784

καπύσσαι (*καπύω), καπύσσων s. καπνός. I-784

κάρ indekl. ‘Kopf’, nur in ἐπὶ κάρ ‘auf den Kopf, kopfüber’ (Π 392) und ἀνὰ κάρ ‘aufwärts’ (Hp. ap. Gal. 19, 79). n. — S. κάρᾱ. I-784

κάρᾱ (Trag., auch Kratin., Eup., Sannyr.), κάρη (ep.) n. ‘Kopf’. Als Vorderglied in καρᾱ-τομέω ‘enthaupten’ (E., J. u. a.) mit καράτομος ‘enthauptet’ (S., E.), scheinbares Grundwort καρατόμος ‘enthauptend’ (Lyk.), vgl. zu δειροτομέω s. δέρη; καρηβαρέω (-άω) ‘sich im Kopfe schwer fühlen, schläfrig sein, Kopfschmerzen haben’ mit καρηβαρία, -ίη usw. (Hp., Arist. usw.); daraus lat. caribaria > frz. charivari, W.-Hofmann 1, 854; zu καραδοκέω s. bes. Vgl. noch κράσπεδον, κρησφύγετον, κρήδεμνον. — Weitere Formen: A. Junge Analogiebildungen zu κάρᾱ, κάρη: Dat. τῷ κάρᾳ (A., S.), κάρῃ (Thgn.); κάρης, -ην (Kall., Nik. u. a.), κάρᾱν (Anakreont.). B. Ältere zweisilbige Formen: ep. καρή-ατος, -ατι, pl. -ατα; auch κάρη-τος, -τι; zu καρήατα neuer Nom. sg. κάρηαρ (Antim.). C. Einsilbige Formen: κρά̄-ατος, -ατι, pl. -ατα; gewöhnlicher (auch Trag.) κρᾱτός, -τί, pl. κρᾶ-τα (Pi. Fr. 8); weitere vereinzelte Formen: κράτεσφι (Κ 156; wohl sg.), κρά̄των (χ 309), κρᾱσίν (Κ 152), κρᾶτας (E.); κρᾶτα als Akk. sg. (θ 92, Trag.), als Nom. sg. (S. Ph. 1457); dazu Nom. sg. κράς (Simm. 4). D. κάρᾰ (antevok.) als Nom. pl. (h. Cer. 12), κάρᾱ pl.? (Sannyr. 3), myk. ka-ra-a-pi Instr. pl.?? Zu κάρηνα s. bes.; vgl. auch unten. — Aus den obliquen Formen des altind. Wortes für ‘Kopf’, z. B. Gen. sg. śīrṣṇ-ás mit dem adverbiellen Ablativ śīrṣa-tás (a aus ), die eine mit n erweiterte einsilbige Schwundstufe vom zweisilbigen Nom.-Akk. śíras- (aw. sarah-) repräsentieren, ergibt sich für κρά̄ατος ein ursprüngliches *κρά̄σα-τος (wegen des ᾱ äolisch); durch Kontraktion entstand κρᾱτός (nach Zenodot κρητός). Die antevokalische Form κρᾱσν- wird von κρᾱνίον (s. d.) vertreten. Die Erklärung der griech. zweisilbigen Formen hat vom Plur. κάρηνα aus *καρασν-α auszugehen, wozu die Singularformen καρήατος, -ατι aus *καρασα-τος, -τι (mit metr. Dehnung und η für ᾱ nach κάρηνα), falls nicht zu κάρη neugebildet, das auf ein analogisches *κάρασ-α (wie ὄνομα) zurückgehen kann; zu κάρη wurden jedenfalls κάρη-τος, -τι neugeschaffen. — Neben diesem alten σ-Stamm stehen vereinzelte σ-lose Formen: ἐπὶ κάρ ‘auf den Kopf’, ἔγ-καρ-ος, ἴγκρος· ἐγκέφαλος und κατὰ (ἀπὸ) κρῆ-θεν ‘vom Haupte herab’ (Hom., Hes.), κρή-δεμνον ‘Kopfbinde’. Ihre Erklärung ist strittig: κατὰ κρῆθεν (wonach ἀπὸ κρῆθεν) kann für κατἄκρηθεν stehen (s. bes. Leumann Hom. Wörter 56ff.); ἔγκαρος läßt sich am einfachsten als gelehrte Neubildung zu κάρη nach κεφαλή : ἐγκέφαλος verstehen; zu κρήδεμνον vgl. s. v. Die Ansetzung eines σ-losen Nomens κάρ kann sich vor allem auf arm. sar ‘Höhe, Gipfel, Abhang’ (idg. *ḱr̥r-o-) stützen; ein älteres *καρς (Ehrlich KZ 39, 556ff.) ist ganz unwahrscheinlich. — Lit. bei Schwyzer 583 (wo anders über κάρη [nach J. Schmidt Pluralbild. 117]: zu κάρ wie κριθή zu κρῖ u. a.; eine schon wegen des Genus anfechtbare Parallele); dazu noch WP. 1, 403ff., Pok. 574f., Chantraine Gramm. hom. 1, 230f., 242, Leumann Hom. Wörter 159, Egli Heteroklisie 31f., 87ff. Zu κάρᾱκεφαλή van Hook Hesperia Suppl. 8, 413f. — Vgl. noch 1. καρόω, καρώ, καρωτόν; κέρας, κράνος, κριός. I-784-785

κά̄ραβος m. 1. ‘stacheliger Meerkrebs’ (Epich., Ar., Arist. usw.; vgl. Thompson Fishes s. v.), übertragen von einem leichten Kahn (EM); 2. Käferart (Arist.). Davon καραβίς Art Meerkrebs (Gal., Sch.), καράβιον = ἐφόλκιον (H. s. ἐφόλκια, Sch.); wohl auch καραβαία· δίκρουν ξύλον H. (s. Grošelj Razprave 2, 11). — Daneben κηραφίς = καραβίς (Nik. Al. 394), wohl sekundäre Umbildung nach den Tiernamen auf -φ(ο)- und epische Sprache nachahmendes η für ᾱ. — Mittelmeerwort unbekannten Ursprungs; vgl. Cohen BSL 27, 100, wo mehrere anklingende arabische und andere Wörter herangezogen werden. Nach Bq s. v. wäre -βος außergriech. (makedonisch) für griech. -φος aus idg. -bho-. — Aus κάραβος stammen lat. cārabus ‘Meerkrebs’, ‘kleiner Kahn’ (wozu rom., z. B. frz. caravelle) und ein slavisches Wort für ‘Schiff’, z. B. russ. koráblь; s. Vasmer Russ. et. Wb. s. v. mit Lit. und Kritik abweichender Ansichten. I-785

κάραγος · ὁ τραχὺς ψόφος, οἷον πριών H. — Zu κέκρᾱγα wie τάραχος (-χή) zu τέτρηχα. S. κράζω und Bq s. v. I-785

καρᾱδοκέω, auch mit ἀπο-, δια- ‘den Ausgang von etwas (μάχη, πόλεμος usw.) abwarten, auf etwas warten, sorgfältig aufpassen’ (Hdt. [Attizismus?; vgl. Wackernagel Unt. 3 A. 1 m. Lit.], E., Ar., X., Plb. usw.); davon (ἀπο-)καραδοκία ‘eifrige Erwartung’ (Aq., Ep. Rom., Ep. Phil.). — Nach gewöhnlicher Annahme eig. ‘mit vorgestrecktem Kopfe nach etw. sehen’, was weder sachlich noch formal ganz befriedigt; nach δωρο-, ξενο-δοκέω u. a. (ὁδοι-δοκέω nach ὁδοι-πορέω) zu schließen, wäre für καρᾱ- eher Objektsfunktion zu erwarten. Zum Gebrauch usw. von καραδοκέω vgl. Aly Glotta 15, 104f. I-786

καράκαλλον (AP, Edict. Diocl.), καρακάλλιον (Pap. V-VIp) n. ‘Kapuze’. — Aus lat. caracalla; wohl urspr. gallisch, s. W.-Hofmann s. v. I-786

κάραννος, κάρανος usw. s. κάρηνα. I-786

καρβάν, Akk. -ᾶνα (A. Supp. 129 [lyr.], H.), κάρβᾱνος (A., Lyk.) ‘ausländisch, fremd’; davon καρβάζειν, καρβαΐζειν, καρβανίζειν = βαρβαρίζειν H. — Erklärung strittig. Nach Kretschmer Glotta 31, 250 (m. weiterer Lit.) von dem Ort Qarbana (= Herakleion) in Ägypten, von dem aus vermutlich die von den Ägyptern kriegsgefangenen Danaer nach dem Peloponnes flüchteten. Ganz anders Hommel Philol. 98, 132ff.: καρβάν = hebr. neutest. κορβάν, eig. ‘Opfergabe’, das als angeblicher Spitzname auf phönikische Kaufleute bezogen wäre; die dafür gegebene semantische Begründung ist kaum überzeugend. I-786

καρβάτινος ‘aus Häuten’ (Ph. Bel.), καρβάτιναι f. pl. ‘Schuhe aus unbereitetem Leder’ (X., Arist., Luk.); H. auch καρπάτινον· ἀγρο<ι>κικὸν ὑπόδημα μονόδερμον. — Bildung wie δερμάτινος u. a.; man vergleicht einige unter sich recht verschiedenartige Wörter für ‘Schuh usw.’ im Baltisch-Slavischen, Germanischen und Keltischen, z. B. lit. kùrpė ‘Schuh’, čech. krpě ‘ds.’, aisl. hriflingr, ags. hrifeling ‘Art Schuh’, air. cairem ‘Schuhmacher’, alles von WP. 1, 425 (m. Lit.), Pok. 581 auf idg. qerəp- ‘Zeug- oder Lederlappen; bes. Schuh’ zurückgeführt; außerdem lat. carpisc(u)lum ‘Art Schuhwerk’ (IVp), das schon wegen seiner späten Bezeugung als Fremdwort zu betrachten ist. Auch im übrigen haben wir es wahrscheinlich in gewisser Ausdehnung mit technischen Wanderwörtern zu tun. Lit. auch bei W.-Hofmann s. carpisc(u)lum, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kùrpė, Vasmer Russ. et. Wb. s. korpátь. — Aus καρβάτινος lat. carpatinus ‘rohledern’. — Vgl. κρηπίς. I-786

κάρδαμον n. Art Kresse, ‘Lepidium sativum’ (X., Ar., Pap. usw.). Als Vorderglied in καρδάμωμον, haplologisch für καρδαμ-άμωμον n. ‘Kardamom’ (Thphr., Dsk.; zur Bildung Schwyzer 263). Ableitungen: καρδαμίς = κάρδαμον (Nik., Plu.; nach κεδρίς u. a., Chantraine Formation 343); καρδαμίνη ‘ds.’, auch = σισύμβριον u. a. (Dsk. u. a.; Chantraine 204); καρδαμάλη ‘persischer Kuchen aus κάρδαμον’ (Trypho ap. Ath.; wie ἀμυγδάλη u. a.); καρδαμίζω "Kresse reden", d. h. ‘Unsinn reden’ (Nik. Th. 617). — Nebenform καρδάνη ‘ds.’ (Gloss.; nach βοτάνη). — Da unter den Pflanzennamen auf -αμον (Schwyzer 494, Chantraine 133) mehrere offenbare Fremdwörter sind, liegt es nahe, auch κάρδαμον als fremd zu betrachten. Ganz fragliche Vermutung von Strömberg Wortstudien 38: von *κάρδος = κράδος ‘Zweig’ in καρδίδιον, ἀνα-, κατακάρδιον. Nicht besser Grošelj Razprave 2, 41: zu σκόροδον. — Aind. kardamaḥ bezeichnet eine nicht näher bekannte Pflanze, weshalb Beziehung zu κάρδαμον unsicher bleibt; vgl. Mayrhofer Wb. s. v. I-786-787

καρδία, ion. -ίη, ep. fast nur κραδίη ‘Herz’, übertr. ‘Seele, Geist’ (seit Il.), auch ‘der obere Magenmund’ (Hp., Th.), ‘Kernholz’ (Thphr., Pap.; Strömberg Theophrastea 125ff.). Als Vorderglied z. B. καρδι-αλγέω ‘Sodbrennen haben’ mit -ής, -ία, -ικός (Hp.); sehr oft als Hinterglied, z. B. θρασυ-κάρδιος ‘dreisten Herzens’ (Il. usw.). Vereinzelte Ableitungen: κάρδιον n. ‘herzgeformter Schmuck’ (Delos IIIa), καρδικός ‘zum Herzen gehörig’ (Pap.), καρδιᾶτις f. pythagoreische Benennung der Fünfzahl (Theol. Ar.); καρδιώσσω, att. -ώττω = καρδιαλγέω (Epich., Hp., Ar., Arist. usw.) mit καρδιωγμός (Hp. u. a.), auch καρδιάω (καρδιόωντα Nik. Al. 581); καρδιόω ‘erheitern, ermuntern’ (LXX). — Daneben κῆρ (ep.), κέαρ (Pi., B., Trag.) n., Dat. κῆρι, Adv. κηρόθι ‘im Herzen’ mit κηραίνω ‘bange sein’ (E., Max., Ph.). — Zu καρδία vgl. andere Körperteilbenennungen auf -ία wie κοιλία, ἀρτηρία, λαυκανίη. Auszugehen ist von dem einsilbigen Neutrum κῆρ aus *κῆρδ (idg. *ḱērd), das ursprünglich mit Ablaut flektiert wurde; vgl. z. B. lat. cord-is (idg. *ḱr̥d-és; wäre gr. *καρδ-ός, *κραδ-ός). Möglich ist, daß als Vermittler der i-Stamm fungierte, der sich auch anderswo entwickelt hat: lit. šird-ìs, arm. Instr. srt-iw (Nom. sirt < idg. *kērd(-i); vgl. unten), heth. Gen. kard-iaš (Nom. ke-ir [= kēr]); das -i war ursprünglich im Nom. Akk. zuhause: aind. hā́rdi (Gen. hr̥d-ás wie lat. cord-is; zum Anlaut unten); vgl. noch arm. sirt oben. — Das zweisilbige κέαρ wurde von Dichtern als falscher Archaismus zu κῆρι usw. nach Muster von ἔαρ (ἦρ) : ἦρι ‘Frühling’ geschaffen (Brugmann IF 5, 341); auch ἧπαρ kann die Form beeinflußt haben. Zum Akzent von κῆρ Schwyzer 377; dazu noch eine Hypothese von Berger Münch. Stud. z. Sprachwiss. 3, 3. — Auch sonst hat das alte Wort Erweiterungen erfahren: kelt., z. B. air. cride (ḱr̥d-i̯o-), slav., z. B. aksl. srъdь-ce (neben srěda ‘Mitte’ aus urslav. *serd-a), germ., z. B. got. hairt-o, Gen. hairt-ins (n-Stamm wie augo ‘Auge’, auso ‘Ohr’), aind. hŕ̥d-aya-m = aw. zərəd-aē-m. Das aind. (indoiran.?) Wort zeigt ein sekundäres h- (für - < idg. -), wahrscheinlich durch Kreuzung mit einem sinnverwandten Begriff (s. zu χορδή). — Weitere Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 423, Pok. 579, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. cor, Vasmer Russ. et. Wb. s. sérdce. Zum Griech. noch Schwyzer, u. a. 279, 342, 377, 518; außerdem Scheller Oxytonierung 61, Bolelli (s. zu ἦτορ). Vgl. auch zu κραδαίνω. I-787-788

κάρδοπος f. ‘Backtrog, Mulde’ (Kom., Pl., Hom. Epigr., Nik.; zum fem. Genus vgl. die Fälle bei Schwyzer-Debrunner 34 A. 2; zu dem künstlich rationalisierten καρδόπη [Ar. Nu. 678] ebd. 28 A. 1). Davon das Deminutivum καρδόπιον (Delos IIa); καρδοπεῖον ‘Deckel einer Mulde’ (H.; cod. -ιον), auch ‘Maulkorb’ (Ar. Fr. 301). — Ohne Etymologie. Von Grošelj Živa Ant. 1, 125 aus κραδάω ‘schwingen’ erklärt. I-788

κάρηνα n. pl. (ep. poet. seit Il.), sekund. sg. κάρηνον (h. Hom. u. a.), κάρᾱνον (A. Cho. 396 [lyr.], Mosch. 1, 12) ‘Haupt, Kopf, Bergesgipfel’. Davon lakon. κάρᾱνος ‘Herr’ (X. HG 1, 4, 3), Κόραννος· βασιλεὺς Μακεδονίας (wohl eig. appellativisch), κάραννος· κεκρύφαλος, κρήδεμνον (äol.); καρανώ· τὴν αἶγα. Κρῆτες H.; zur Bildung Solmsen Wortforsch. 150 A. 2. Denominativa: καρανόω ‘(krönen), vollenden’ (A.); *καρανίζω ‘enthaupten’ in καρανιστῆρες ... δίκαι σφαγαί τε (A. Eu. 186), καρανιστὴς μόρος (E. Rh. 817); Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 2, 14; 18; 35; 49. — Aus *κάρασ-ν-α; der alternierende r-Stamm liegt in καράρα· κεφαλή H. aus *καρασ-ρ-ᾱ vor (davon Καράρων V. d. Κάρανος); ebenso in dem ablautenden lat. cerebrum ‘Hirn’ (aus *ceres-ro-m oder ceras-ro-m). Weiteres s. κάρᾱ, κρανίον, κραίνω; auch κέρας. I-788

καρθμοί · κινήσεις H. S. σκαίρω. I-788

κᾱρίς, -ίδος (Anan., alte Kom.), -ῖδος (mittl. Kom. u. a.), auch κουρίς, κωρίς (Epich., Sophr.) f. Ben. kleiner Krebstiere; Näheres bei Thompson Fishes s. v. Davon καρίδιον (Arist.), καριδάριον (Anaxandr.); καριδόω (τὸ σῶμα) ‘(den Körper) wie eine καρίς bewegen’ (Anaxandr.). — Nach Ath. 3, 106b ἀπὸ τοῦ κάρα· τὸ πλεῖστον γὰρ μέρος τοῦ σώματος ἡ κεφαλὴ ἀπηνέγκατο, eine offenbare Volksetymologie, die von Ehrlich KZ 39, 556f. weiter ausgeführt worden ist: κᾱρίς aus *καρσ-ίς, κουρίς, κωρίς aus *κορσίς; wenigstens für die letztgenannte Grundform fehlt jede Stütze (vgl. zu κόρση). Eher zu κάραβος als volkstümliche Kurzform; auch in κουρίς, κωρίς müssen volkstümliche Bildungen vorliegen. Vgl. noch Adjarian Mélanges Boisacq 1, 4, der καρίς zusammen mit arm. karič ‘Skorpion’ als ein asiatisches LW betrachtet. I-788-789

καρκαίρω nur Υ 157 κάρκαιρε δὲ γαῖα πόδεσσιν ὀρνυμένων, von den Alten teils als ‘erbebte, zitterte’ (ἐκραδαίνετο, σείετο), teils als ‘erdröhnte’ (ἐψόφει) erklärt (Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 1, 132 A. 1 mit unrichtiger Erklärung); dazu noch ἐκάρκαιρον· ψόφον τινὰ ἀπετέλουν H. — Jotpräsens mit intensiver Reduplikation (Schwyzer 647); dem Ursprung nach onomatopoetisch. Das Aind. hat ein athematisches, ebenfalls redupliziertes car-kar-ti ‘rühmend erwähnen’. — Vgl. κήρυξ. I-789

κάρκαροι · τραχεῖς H. — Stimmt zu aind. karkara- ‘hart’ (erst spät belegt, vgl. Mayrhofer Wb. s. v.), vgl. anderseits κάρχαρος (s. d.). S. auch καρκίνος. I-789

κάρκαρον (Sophr. 147), -ος (D. S. 31, 9), -ον oder -ος (Vett. Val. 68, 26) ‘Gefängnis’; κάρκαροι· δεσμοί H., auch κάρκαρα, u. a. mit μάνδραι erklärt (Glosse stark entstellt). — Aus lat. carcer entlehnt, s. W.-Hofmann s. v. I-789

καρκίνος m. (Epich., ion. att.) ‘Krebstier, Krabbe’ (zur Bed. ausführlich Thompson Fishes s. v.), übertr. ‘Krebsgeschwür, Kneifzange, Art Schuh usw.’, auch N. eines Sternbildes (Scherer Gestirnnamen 167f.). — Offenbar mit lat. cancer ‘Krebs’, aind. karkaṭa- ‘Krebs, Krabbe’ zusammenhängend; die morphologischen Einzelheiten bleiben indessen etwas unklar. Wie in lat. cancer aus *car-cro-s scheint auch in καρκίνος eine Dissimilation der r-Laute eingetreten zu sein mit weiterer Hinzufügung eines ινο-Suffixes (vgl. Schwyzer 490); zur Bildung von aind. karkaṭa- Wackernagel-Debrunner 2 : 2, 157 (etymologische Bedenken bei Mayrhofer Wb. s. v.). Aus καρκίνος als LW. aind. karki(n)- ‘der Krebs im Tierkreise’ (dazu karka- ‘Krabbe’ [Lex.] als Rückbildung?). — Zusammenhang mit dem Adjektiv für ‘hart’ (s. κάρκαρος, κράτος) nach den harten Scheren oder dem harten Panzer ist sehr wohl möglich. Vgl. W.-Hofmann s. cancer m. Lit. und weiteren Einzelheiten. Mehrere Ableitungen: Deminutiva καρκίνιον (Arist., Hp.), auch ‘Art Pantoffel’ (Herod.), καρκινάς, -άδος f. (Gal., Ael. u. a.); καρκινίας m. N. eines Edelsteins (Plin.; nach der Farbe; wie καπνίας u. a.; Chantraine Formation 94); καρκινευτής ‘Krabbenfänger’ (Artem. 2, 14; nach ἁλιευτής, ὀρνιθευτής u. a.); καρκινώδης ‘krebsartig’ (Arist., Mediz. u. a.). Denominatives Verb καρκινόω ‘krümmen, verkrampfen’ (Antiph., Thphr.; vgl. Strömberg Theophrastea 65), -όομαι ‘krebsartig werden, vom Krebs leiden’ (Hp.) mit καρκίνωμα ‘Krebs’ (Mediz.), καρκίνωσις ‘Bildung von Krebsgeschwüren’ (Aët.); καρκίνωθρον (codd. -αθρον, -ηθρον) Pflanzenname, ‘Polygonum aviculare’ (Dsk. 4, 4; nach Strömberg Pflanzennamen 147 eig. "Krebsmittel" [?]; wohl eher von den krebsartig um sich greifenden Wurzeln). I-789-790

κάρνη · ζημία, αὐτόκαρνος· αὐτοζήμιος H. — Man vergleicht seit Curtius und Fick zunächst das wie ein Denominativum aussehende lat. carināre ‘höhnen, spotten’ (Enn., Gramm.), ferner, mit Abtrennung eines n-Suffixes, eine Reihe keltischer, germanischer und baltoslavischer Wörter, z. B. air. caire ‘Tadel’, ahd. harawēn ‘verspotten’, lett. karinât ‘zergen, necken, reizen’, russ. kor ‘Beleidigung, Schimpf’; hinzu kommt das im Anlaut mehrdeutige toch. AB kärn- etwa ‘quälen, schlagen’. WP. 1, 353, Pok. 530, W.-Hofmann s. carinō, Fraenkel Lit. et. Wb. s. káirinti, Vasmer Wb. s. kor (überall m. Lit. und weiteren Formen), v. Windekens Lex. étym. 26. — Zu bemerken das anklingende κάραννος, von H. u. a. mit ζημία glossiert, und das von κάρᾱνον abgeleitete *καρανίζειν ‘enthaupten’ in καρανιστήρ, -τής (s. κάρηνον). Kann κάρνη davon getrennt werden? — S. auch κέρτομος. I-790

κάρνος · φθείρ, βόσκημα, πρόβατον H. — Im Sinn von φθείρ wohl zu κόρις usw. (s. auch κάρον und καρός); als ‘βόσκημα, πρόβατον’ zu der großen Sippe von κέρας; s. d. Zu Κάρνειος m. Bein. des Apollon auf dem Peloponnes, der damit verbunden worden ist, s. Nilsson Gr. Rel. 1, 532f. I-790

κάροινον n. Ben. eines süßen Weines (Edict. Diocl.: καροίνου Μεονίου; Hippiatr., Gloss.). — Grimme Glotta 14, 19 vermutet Entlehnung aus semit. (akkad.) khurunnu ‘Sesamwein’ (zunächst vom Hethit.); mehr als zweifelhaft. — Zu bemerken οἶνος καρύϊνος (Gal.; aus Mäonien); auch ἀβόλλης, χιτὼν καρόϊνος (Pap.; für καρύϊνος = ‘nußbraun’?). I-790

κάρον Pflanzenname, ‘Kümmel, Carum carvi’ (Theb. Ostr. 135 [Ip], v. l. Dsk. 3, 57), auch καρώ f. (Dsk. l. c., Orib., unsicher Ath. 9, 371e; volkstümliche Bildung, s. Chantraine Formation 116). n. — Vielleicht von κάρ· φθείρ H. wegen der Ähnlichkeit des Kümmelkornes mit einer Laus (WP. 2, 574). I-790

καρός Gen. nur in τίω δέ μιν ἐν καρὸς αἴσῃ (Ι 378) als Bezeichnung von etwas Wertlosem: — Dazu vielleicht καριμοίρους, von H. allerdings mit zwei Erklärungen versehen: τοὺς ἐν μηδεμιᾷ μοίρᾳ, ἢ μισθοφόρους. — Gewöhnlich als "Abgeschnittenes, Winziges" zu κείρω gezogen, aber vielleicht eher von κάρ ‘Laus’ (H.), was unbedingt anschaulicher und ausdrucksvoller wäre. Nicht mit Schwyzer Glotta 12, 17f. u. A. Gen. von κήρ ‘Todesgottin’ mit altem Ablaut. I-790-791

καρόω 1. auch mit ὑπο-, ‘in Schlaf versenken, betäuben’, -όομαι ‘betäubt, umnebelt werden’ (Hp., Antipho Soph., Arist, usw.). Davon κάρωσις ‘Betäubung, Dämmerzustand’ (Hp. u. a.), καρωτικός ‘betäubend’ (Arist., Gal. u. a.), καρώδης ‘betäubend, betäubt, schlaftrunken’ (Hp. u. a.; zur Bildung vgl. ὑπνώδης und die verbalen Ableitungen auf -ώδης bei Chantraine Formation 431); καρωτίδες (ἀρτηρίαι) pl. (auch sg.) ‘die Hauptschlagadern’ (die Schlagfluß veranlassen, Mediz.); postverbal κάρος n. ‘Betäubung, tiefer Schlaf, schläfriger Zustand’ (Arist., Phld., A. R. usw.), ebenso καρός· κωφός, οἱ δὲ σκοτόδινος H. — Wohl eig. als Denominativum von κάρα, κάρη ‘Kopf’ "einen (schweren) Kopf haben, sich schwer im Kopfe fühlen" wie καρηβαρέω; vgl. καρωθείς· τὴν κεφαλὴν σεισθείς, μεθυσθεὶς ἢ βαρηθείς H., dazu Baunack Philol. 70, 379. Das Verb war somit ursprünglich medial-intransitiv. Gegen Ansetzung eines Nomens *κάρος n. ‘Kopf’ (Ehrlich Sprachgesch. 6) mit Recht WP. 1, 404. I-791

καρόω 2. nur Ptz. Aor. καρούσαντες (IG 9 [2], 1229, 25; Thessal. IIa) ‘schätzend’ und καροῦσθαι· ὠνεῖσθαι, καρούμενος· ὠνησάμενος H. — Etymologisch unerklärt; vgl. Bechtel Dial. 1, 206f. I-791

καρπαία auch κάρπεα· ὄρχησις Μακεδονική). f. Ben. eines mimischen Waffentanzes der Thessalier (X. An. 6, 1, 7, Ath. 1, 15f, H. [cod. καπρία]; — Die Beschreibung des Tanzes bei Ath. l. c. (und bei Max. Tyr. 28, 4 ohne Nennung des Namens) läßt sich weder mit καρπός ‘Frucht’ noch mit καρπός ‘Handwurzel’ ungesucht vereinigen. I-791

καρπάλιμος Beiwort von πόδες ‘schnell, hurtig, eilig’ (Il., h. Merc. 225, Ar. Th. 957 [lyr.], A. R.), von γένυες (Pi. P. 12, 20); Adv. καρπαλίμως (ep. poet. seit Il.). — Zur Bildung Arbenz Die Adj. auf -ιμος 28f. — Nicht sicher erklärt. Von Schrader KZ 30, 473 (mit Grassmann, Curtius u. A.) als "behend" auf καρπός ‘Handwurzel’ bezogen mit weiterem Anschluß an ahd. hwerban ‘drehen’ usw., s. 2. καρπός. Solmsen KZ 30, 602 verzichtet auf die Anknüpfung an καρπός, geht also direkt von der Bedeutung ‘drehen’ aus. Andere, z. B. L. Meyer und Bechtel (s. Lex. s. v.), wollen in κάλπη ‘Trab’ (mit Dissimilation) das Grundwort sehen. I-791

κάρπασος 1. f. (auch κάλπασος [Pap.]) ‘eine Art feiner Flachs’ (D. H. 2, 68, Sch. Ar. Lys. 736), ‘Baumwolle’ (Peripl. M. Rubri 41), -α n. pl. ‘Segel aus Linnen’ (AP 9, 415, 6; nach ἱστία). Komp. ψευδο-κάρπασος m. = κάχρυ (s. d.; Ps.-Dsk.). Davon καρπάσιον ‘spanischer Flachs’ (Pap. IIIp), καρπάσινος ‘aus κ.’ (LXX, Str., D. H.) = lat. carbasinus. — Mit aind. karpā́sa- m. ‘Baumwollstaude’ identisch; weitere Geschichte dunkel. Seit alters wird κάρπασος als ind. LW betrachtet (Lit. bei Bq und W.-Hofmann s. carbasus); nach Porzig ZII 5, 272ff. ist der Ursprung in einer mediterranen oder kleinasiatischen Sprache zu suchen; dagegen Mayrhofer Wb. s. v. Über Versuche, aind. karpā́sa- als vorarisch (austrisch) zu erklären, s. Mayrhofer. Aus κάρπασος, -α (direkt oder indirekt) lat. carbasus, -a, s. W.-Hofmann m. Lit. I-791-792

κάρπασον 2. n. N. eines Gewächses mit giftigem Safte, ‘weißer Helleborus, Veratrum album’ (Med., Orph.); ὀπο-κάρπασον (Dsk.; lat. opocarpathon) = ὀπὸς καρπάσου (= lat. sucus carpathi, Plin.), nach ὀπο-βάλσαμον; ξυλο-κάρπασον (Gal.) nach ξυλο-βάλσαμον (Risch IF 59, 287). — Lat. carpathum mit th für -σ- läßt fremde (mediterrane) Herkunft vermuten. Eine Form mit Dental liegt übrigens auch in dem Namen der nach der Pflanze benannten Insel Κάρπαθος vor (Bogiatzides ’Αθ. 29, 72ff.); hierher noch der ON Καρπασία (Kypros). Die s-Form ist auch ins Latein gekommen (carpasum, carbasa). — An Ableitung von καρπός mit ασο-Suffix (Brugmann Sächs. Ber. 1899, 185) ist selbstverständlich nicht zu denken, aber volksetymologische Umbildung ist nicht ausgeschlossen. I-792

καρπήσιον Ben. einer aromatischen Pflanze aus Kleinasien, ‘Valeriana Dioscoridis’ (Gal., Alex. Trall.); καρπησία = 2. κάρπασον (Paul. Aeg.). n. — Zur Begriffsbestimmung Thiselton-Dyer JournofPhil. 34, 310f.; über den Ausgang -ήσιος Chantraine Formation 41f. Etymologie unbekannt. I-792

καρπός 1. myk. ka-po? m. ‘Frucht, Feldfrucht, Ertrag’ (seit Il.), Zahlreiche Kompp., z. B. καρπο-φόρος, ἄ-καρπος. Ableitungen. Deminutivum καρπίον (Thphr., Pap.); Adjektiva: κάρπιμος ‘fruchtbringend’ (Trag., Kom., hell. usw.; vgl. Arbenz Die Adj. auf -ιμος 45 u. 47), καρπώδης ‘reich an Früchten’ (Kaiserzeit). Denominative Verba: 1. καρπόομαι ‘Früchte einernten, ausbeuten’ (ion. att.), -όω ‘Frucht tragen, hervorbringen’ = ‘(Brand)opfer darbringen’ (A., LXX, Inschr.) mit κάρπωμα ‘Frucht, (Brand)opfer’ und κάρπωσις ‘Nutzung, Nießbrauch, (Brand)opfer’, καρπώσιμος (Hermipp. Hist.); vgl. Bechtel Dial. 1, 449 u. 2, 550 m. Lit. 2. καρπίζομαι (-ίζω Paros; hell. Versinschrift) ‘als Frucht pflücken, ernten’ (E., hell. u. spät), -ίζω ‘befruchten’ (E. in lyr.); davon καρπισμός ‘Gewinn usw.’ (Arist., Thphr.). 3. καρπεύω, -εύομαι ‘Früchte einernten’ (Hyp., hell. u. spät) mit καρπεία ‘Nutznießung, Einkommen’, καρπεῖον ‘ds.’, auch = καρπός. — Den nächsten Vergleich bietet lat. carpō ‘abpflücken’; καρπός mithin ‘Abpflückung, das Abgepflückte’; über die unerwartete Oxytonierung vgl. Schwyzer 459. Hierher noch das germ. Wort für ‘Herbst’, z. B. ahd. herbist (idg. *qar-pistos eig. "am besten zum Pflücken geeignet", vom Monat?); auch venet. PN, Carponia, Carpus u. a.?; vgl. Haas Sprache 2, 235 mit unsicheren weiteren Kombinationen. Da α in καρπός (im Gegensatz zu a in carpō und e in herbist) auch vokalisches repräsentieren kann, kommt auch lit. kerpù ‘mit der Schere schneiden’ in Betracht. — Weitere Kombinationen s. κρώπιον. I-792-793

καρπός 2. m. ‘Handwurzel’ (seit Il.). Als Vorderglied in καρπό-δεσμον, -δεσμος, -δέσμιον ‘Armband’ (Pap., Luk. u. a.), Hypostase ὑπο-κάρπιος ‘unter der Handwurzel befindlich’ (Aristaenet.). Davon καρπωτός ‘bis zur Handwurzel reichend’ (LXX); καρπίζομαι ‘an der Handwurzel gegriffen werden’, u. a. als Zeichen der Freilassung, ἐπὶ ἐλευθερίᾳ, = ‘adseror in libertatem’ (Gloss.), mit καρπιστής ‘Freilasser, emancipator’ (Arr.), καρπισμός, -ιστία ‘vindiciae’ (Gloss.). — Wohl mit Schrader und Solmsen (s. zu καρπάλιμος) zu einem germanischen Verb für ‘drehen usw.’, z. B. got. ƕaírban, ahd. hwerban, hwerfan ‘sich wenden, werben’. Grundform somit *κϝαρπός aus idg. *ku̯r̥p-; zum Lautlichen Schwyzer 302. — Fragliche weitere Anknüpfungen bei WP 1, 472f., Pok. 631. I-793

κάρρον n. (LXX, Pap., Edict. Diocl.), auch -ος (Ed. Diocl.) ‘Art vierrädriger Wagen, Karren’; als Vorderglied in καρρο-πηγός, -ποιός (Gloss.). Davon das Demin. καρρίον (Gloss.) und καρρικὸς γόμος ‘Karrenlast’ (Palmyra IIp). — Zunächst aus lat. carrus (Genus wohl nach ἅρμα; spätlat. auch -um), das aus dem Keltischen stammt. Weiteres bei W.-Hofmann s. carrus. I-793

κάρσιον -ίως Suid. · πλάγιον H., — Aus ἐγ-, ἐπικάρσιος (s. d.) losgelöst. I-793

κάρτα Adv. ‘stark, sehr’ (vorw. ion. u. trag.). — Von *καρτύς = κρατύς (vgl. καρτερός, κάρτιστος), s. κράτος. Zum Ausgang -α Schwyzer 622f. m. reicher Lit. I-793

καρταῖπος n. ‘Großvieh’ (Gortyn), — Neubildung zu m. *καρταί-πως für καρταί-πους (Pi.) = κραταί-πους ‘starkfüßig’ (Hom. Epigr.); Plur. καρταί-ποδα (Gortyn) wie τετρά-ποδα (sg. τετρά-πος Gortyn). Schwyzer 580 A. 6, Sommer Nominalkomp. 29 A. 1, 31f. — Dazu, wohl als Kurzform, κάρτην (für -ταντὴν βοῦν. Κρῆτες H.; s. Bechtel Dial. 2, 787, Fraenkel Glotta 35, 86ff. und Μνήμης χάριν 1, 101. I-793-794

κάρταλλος (selten -αλος) m. ‘unten spitz zulaufender Korb’ (LXX, hell. Pap., Ph., H.); Demin. καρτάλλιον (hell. Pap.). — Technisches oder volkstümliches Wort auf -αλλος (vgl. Chantraine Formation 245ff.), letzten Endes auf ein Verb ‘drehen, flechten’ zurückgehend, aber im einzelnen dunkel. Weiteres s. κύρτος. I-794

καρτός Beiwort der Zwiebel, des Lauches (πράσον, κρόμμυον) ‘geschnitten’, τὸ καρτόν ‘Schnittlauch’ (Dsk., Gal., Gp.); auch von Kleidern, etwa ‘(fein) geschnitten’? (IG 22 1514, 39f.; χλανίς, χλανίσκιον); καρτοί· κεκουρευμένοι H. — Verbaladjektiv von κείρω (s. d.); wegen der Beziehung auf die Zwiebel vgl. nhd. Schnittlauch und Knoblauch, aus ahd. klobo-louh zu ags. clufu ‘Zwiebel’ und ahd. kliobanklieben, spalten’; lat. sectīle porrum ‘Schnittlauch’. I-794

κᾰρύ̄κη (-ύκκη) f. N. einer lydischen Brühe aus Blut und Gewürzen (Pherekr., Ath., Plu., Hdn. usw.). Als Vorderglied u. a. im καρυκο-ειδής (Hp.), -ποιέω (Ar.). Ableitungen: καρύκινοςκ.-farben’, d. i. ‘dunkelrot’ (X.) und die Denominativa 1. καρυκεύω ‘mit κ. versehen, bereiten, würzen’ (Alex., Men. usw.), auch ‘vermischen, verwirren’ (Erot., H.), mit καρυκεία (Ath. u. a.), καρύκευμα (Poll., Arist.-Komm. u. a.); 2. καρυκάζειν· ταράττειν H. — Unerklärt, wohl lydisch. I-794

κάρυον n. ‘Nuß’ (Epich., Ar., Thphr. usw.). Kompp., z. B. καρυσ-ναύτης ‘der in einer Nuß fährt’ (Lyk.); καρυό-φυλλον ‘getrocknete Blumenknospe des Gewürznelkenbaums, Eugenia caryophyllata’ (Mediz.), volksetymologische Umbildung eines Fremdworts (aind. kaṭuka-phalam?; s. Maidhof Glotta 10, 11 m. Lit.). Mehrere Ableitungen. 1. καρύα f. ‘Nußbaum’, bes. ‘Hasel, Corylus avellana’ (S., LXX, Thphr. usw.; zum Genus Schwyzer-Debrunner 30). 2. Deminutiva: καρύδιον (Philyll. 19) mit καρυδόω ‘kastrieren’, καρύδωσις (Hippiatr.); καρυΐσκος (LXX). 3. Adjektiva: καρύ-ϊνος ‘aus Nüssen, nußbraun usw.’, -ώδης, -ηρός ‘nußähnlich’ (hell.); καρυωτός ‘mit nußähnlichem Buckel bzw. Frucht versehen’ (= ‘Dattelbaum’), καρυῶτις f. ‘Art Dattel’ (hell. u. spät); substantivisch καρυΐτης ‘Art Euphorbia’ (Dsk.; Strömberg Pflanzennamen 53, Redard Les noms grecs en -της 72). 4. Adverb: καρυηδόν ‘in einer nußähnlichen Weise’ (Mediz.). 5. Verb: καρυατίζω ‘mit Nüssen spielen’ (Ph.; nach den Verba auf -ατίζω). — Eine erweiterte Pluralform liegt endlich vor in καρυήματα· κάρυα. Λάκωνες H. (nach τραγήματα u. a.; Schwyzer 523 m. Lit., Chantraine Formation 178, Fraenkel Glotta 32, 26). — Alle zum Vergleich herangezogenen Wörter weichen hinsichtlich der Stammbildung sowohl von κάρυον wie von einander stark ab: lat. carīna ‘Schiffskiel’ (seit Enn. und Plaut.), ‘Nußschale’ (seit Plin.), kymr. ceri (< *carīso-) ‘Obstkern’; aind. karaka- m. ‘(Schale der) Kokosnuß’ (Lex.), ‘Wasserkrug’. Andere Bedenken kommen hinzu: für lat. carīna ist griechische Entlehnung (aus καρύϊνος = *‘nußschalenartig’ > ‘Schiffskiel’?) vermutet worden (W.-Hofmann s. v. m. Lit.); die Priorität der Bedeutung ‘Kokosnuß’ gegenüber ‘Wasserkrug’ bei aind. karaka- wird bei Mayrhofer Wb. angezweifelt. — Die Anknüpfung an eine Wortgruppe qar- ‘hart’ (WP. 1, 354f., Pok. 531f.) ist ganz hypothetisch. I-794-795

κάρφω, Aor. κάρψαι, Fut. κάρψω, auch mit κατα-, ὑπο-, ‘einschrumpfen lassen, zusammenziehen, dörren’ (ep. poet. seit Od.). Ableitungen. 1. κάρφος n. ‘dürres Reisig, dürrer Halm, Heu, Spreu’ (ion. att.); davon καρφίον Demin. (Dsk. u. a.), καρφηρός ‘aus dürren Halmen bestehend’ (E. Ion 172; vgl. αὐχμηρός, αὐστηρός u. a., Chantraine Formation 232f.), καρφίτης ‘ds.’ (AP), καρφώδης ‘voll von κ.’ (Gloss.), καρφεῖα n. pl. = κάρφη pl. (Nik. Al. 118); καρφόομαι (AP) = καρφύνεσθαι· ξηραίνεσθαι, φθείρεσθαι H.; s. noch Fraenkel Denom. 294. 2. κάρφη f. ‘Heu’ (X., Arr.). 3. καρφαλέος ‘trocken, dürr, spröde’ (ep. ion. poet. seit Il.; wie αὐαλέος u. a.; vielleicht von κάρφος, vgl. Chantraine 253f.). 4. κατακαρφ-ής ‘verdorrt’ (Nik. Fr. 70, 9). — Zu dem schwundstufigen thematischen Wurzelpräsens κάρφω (wozu κάρφος für älteres *κέρφος?; vgl. unten) bieten die verwandten Sprachen kein genaues Gegenstück. Große Ähnlichkeit zeigt aber eine im Baltisch-Slavischen und Germanischen reich vertretene Wortsippe, z. B. russ. koróbitь ‘krümmen, biegen’, refl. ‘sich krümmen, zusammenschrumpfen’, woneben mit anlaut. s- skórbnutь ‘zusammenschrumpfen’, lit. skrembù, skrèbti ‘sich mit einer dünnen Kruste überziehen, steif werden’, nisl. herpa-st ‘sich krampfartig zusammenziehen’, aisl. skorpna ‘einschrumpfen, vertrocknen’ usw., idg. (s)qerbh-, (s)qrebh-; WP. 1, 588ff., Pok. 948f. m. reicher Lit. und buntem Vergleichsmaterial; dazu noch Vasmer Russ. et. Wb. s. koróbitь und skórblyj, W.-Hofmann s. corbis. Unklar bleiben die Hesychglossen κορφῶς· ἐλαφρῶς, κέρβαλα· ἀσθενῆ (trotz v. Blumenthal Hesychst. 40f.). Vgl. auch κράμβη. — Die expressive Wortgruppe hat offenbar lautliche Entgleisungen und Verschränkungen erlitten. I-795

καρχαλέος ep. Adj., durch Kreuzung von κάρχαρος und καρφαλέος entstanden und semantisch zwischen beiden schillernd, somit ‘trocken, sengend, bissig, scharf’ (Φ 541 [v. l. καρφ-], Nik. Th. 691 [v. l. καρφ-], A. R., Nonn.). — S. κάρφω und κάρχαρος. I-796

κάρχαρος καρχαρόδων (-ους), -οντος ‘beißend, bissig, scharf, rauh’ (Alkm. 140, Lyk., Opp., sp. Prosa), ‘mit scharfen Zähnen’ (Il., Hes., Ar., Arist., Thphr.; vgl. Sommer Nominalkomp. 93 m. Lit.); im Ausgang umgebildet καρχαρέος (EM). Ableitung καρχαρίας m. Art Haifisch (Pl. Kom., Sophr. u. a.; vgl. Thompson Fishes s. v., Strömberg Fischnamen 45). — Onomatopoetische Reduplikationsbildung (Schwyzer 423). Man vergleicht aind. khára- ‘hart, rauh, scharf’, neupers. xār() ‘Fels, Dorn’, auch toch. A tsär ‘rauh’; letzteres jedenfalls sehr fraglich, s. Pedersen Tocharisch 242f. m. A. 1. Nach Leumann Hom. Wörter 156 wäre κάρχαρος aus hom. καρχαρόδοντες abstrahiert. — Eine unaspirierte Nebenform ist κάρκαροι· τραχεῖς H. (vgl. s. v.). Lit. bei Bq, WP. 1, 355, Mayrhofer Wb. s. kharaḥ1. I-796

καρχήσιον (Pi. -άσιον) n. ‘ein nach der Mitte sich verengendes Trinkgefäß’, übertr. ‘der oberste Teil des Mastbaums, wo die Fallen laufen, der Topp, der Mastkorb’, auch ‘Käfig einer Drehmaschine’ (Sapph., Pi., ion. att.). Davon καρχήσιος m. ‘Fall eines Schiffes, Tau im allg.’ (Gal.). — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. Schwyzer 470, Chantraine Étrennes Benveniste 3, Hermann Gött. Nachr. 1943, 1f. Weitgehende Kombinationen bei Grošelj Živa Ant. 2, 208f., 4, 171. Lat. LW carchēsium (s. Friedmann Die jon. u. att. Wörter im Altlatein 20ff.), woraus sp. carquesia, ital. calcese > frz. calcet. I-796

καρώ f. ‘Kümmel, Carum carvi’ (Dsk., Gal., Orib., wohl auch Diph. Siph. ap. Ath. 9, 371e); καρωτόν n. ‘Karotte, Möhre’ (Ath. l. c.?; Lesung sehr unsicher); lat. carota (Apic.). — Wohl von κάρᾱ, -η ‘Kopf’ wie κεφαλωτόν Ben. einer Zwiebel von κεφαλή (ähnlich Bq). I-796

-κάς adverbielles Suffix, s. ἑκάς. I-796

κασαλβάς (κασσαβάς EM), -άδος f. ‘Hure’ (Ar.) mit κασάλβιον ‘lupanar’ (Sch. Ar. Eq. 1825 als v. l.), κασαλβάζω (Ar., Hermipp. Kom.). Auch κασωρίς mit κασωρεύω (Lyk.) und κασωρῖτις ‘ds.’ (Hippon., Antiph.), κασώριον (Ar. Eq. 1285) = κασωρικὸς δόμος (ganz unsichere Konj. in Hippon. 74); κασαύρα· κασωρίς, πόρνη, auch κασαυράς, mit κασαυρεῖα (pl.) H. — Kurzform κάσσα (Lyk.). — Vulgäre Wörter, mit κασᾶς (s. d.) irgendwie zusammenhängend (vgl. lat. scortum und die Lit. bei W.-Hofmann s. v.), aber der Bildung nach ganz dunkel, vgl. Chantraine Formation 352. I-796-797

κασᾶς, -ᾶ, -ᾶν (Agatharch., X. Kyr.), ‘Pferdedecke, -schabrake’; κασῆς (PTeb.); auch κάσσος (Hdn. 1, 208), nach H. ἱμάτιον παχὺ καὶ τραχύ, περιβόλαιον, und κάς· ... δέρμα H., PLond. 2, 402 V 5. m. Als Vorderglied in κασ(σ)ο-ποιός (Pap., Ostr.); Ableitung κασωτός Beiw. von ἐσθής (Diog. Oen.). — Orientalisches Fremdwort, vgl. hebr. kissē’ und kesūṭ eig. ‘Bedeckung’, bzw. ‘(Ober)kleid’; Cuny MSL 19, 193f. und Nyberg bei Björck Alpha impurum 295 (wo auch weitere Einzelheiten). Verfehlte idg. Etymologien werden von Bq abgelehnt. I-797

κασία- ion. -ίη (selten -σσ-) f. ‘Kasienlorbeer, Cinnamomum iners, Art Zimt’ (Sapph., Melanipp., Hdt., Thphr. usw.). Davon κασσίζωκ. riechen oder schmecken’ (Dsk.). — Orientalisches LW, vgl. hebr. qeṣīāh, assyr. kasîa; urspr. austroasiatisch? Kretschmer Glotta 27. 250 (nach Gonda); ältere Lit. bei Bq. I-797

κασίγνητος κασιγνήτη f. (ep. poet. seit Il., auch kork., kypr., lesb.; vgl. Bowra JournofHellStud. 54, 65), thess. κατίγνειτος m. m., ‘Bruder, Schwester (von derselben Mutter), Vetter, Base’. Kompp.: αὐτο-κασίγνητος (Il.), -ήτη (ep. poet. seit κ 137) ‘leiblicher Bruder, Schwester’, πατρο-κασίγνητος, -ήτη ‘Oheim, Tante’ (Hom. u. a.), ματρο-κασιγνῆται pl. ‘Schwester mütterlicherseits (?)’ (A. Eu. 962); συγ-κασιγνήτη ‘(eigene) Schwester’ (E. IT 800). Daneben, wohl als Kurzform (vgl. unten) κάσις, (-ιος) m. f. ‘Bruder, Schwester’ (Trag., Kall., Nik. u. a.), σύγ-κασις ‘(eigene) Schwester’(E. Alk. 410 [lyr.]). Auch κάσιοι (für -ιες?)· οἱ ἐκ τῆς αὐτῆς ἀγέλης ἀδελφοί τε καὶ ἀνεψιοί. καὶ ἐπὶ θηλειῶν οὕτως ἔλεγον Λάκωνες. H.; vgl. Leumann Hom. Wörter 307 m. A. 79, wo κάσις, κασίγνητος mit zweifelhaftem Recht auf die poetische Sprache zurückgeführt wird. Unklar sind κασεν (lakon. Knabeninschr.; s. Kretschmer Glotta 3, 270ff., Schwyzer 625 A. 5 [für καθἕν?]) und καινίτα· ἀδελφή, καινίτας· ἀδελφοὺς καὶ ἀδελφάς H. (kyprisch < κασιγνητ- [mit Itazismus]?; s. v. Blumenthal Hesychst. 22 m. Lit.). — Unerklärt. Wie Fick Curt. Stud. 8, 323 von αὐτοκασίγνητος als der ältesten Form ausgehend, will Kretschmer Glotta 2, 204ff. mit einer leisen Änderung eines früheren Vorschlags von Wackernagel (KZ 33, 13ff. = Kl. Schr. 1, 692ff.) in einem ursprünglichen *αὐτο-[τε]κασίγνητος ein Ptz. f. *τεκασῑ (idg. *teqn̥tī) = τεκοῦσα wiederfinden; es wäre aber unbedingt *τέκασσα (Prellwitz, Bq) zu erwarten. Ähnlich will Ribezzo Riv. fil. class. 44, 91ff. (auch Schwyzer 270f.) κασι- mit aksl. za-čęti ‘concipere’ (vgl. zu καινός) verbinden (eig. "eodem conceptionis loco genitus"?). Noch anders Kuiper Glotta 21, 287 (zu κατά) und Pisani Arch. glottol. it. 34, 127 (dazu Belardi Doxa 3, 209). I-797-798

κασκάνδιξ · ἡ γηθυλλίς (Art Zwiebel) H. — Wohl zu σκάνδιξ ‘Kerbel’ mit Reduplikation und Dissimilation (Brugmann Grundr.2 1, 856, Schwyzer 260). I-798

κάσμορος · δύστηνος H. S. κάμμορος. I-798

Κασσάνδρα, ion. -η f. Tochter des Priamos (seit Il.). Auch Κασάνδρα (erste Silbe stets lang), Κεσάνδρα (kor., tarent. Vasen; hyperkorrekte Form?; Fraenkel Phil. 97, 161), Κατάνδρα (att. Amphora). Näheres zu den verschiedenen Formen und der Bildung im allg. Sommer Nominalkomp. 189f. m. Lit. — Etymologisch unerklärt; allerlei Hypothesen von Schulze Kl. Schr. 698, Hoffmann Glotta 28, 52, Sturtevant ClassPhil. 21, 248f., J. Davreux La légende de la prophétesse Cassandre (Paris 1942) 90ff., Carnoy Les ét. class. 22, 344. I-798

κασσίτερος, att. καττίτερος m. ‘Zinn’ (ep. ion. seit Il., att. Inschr.); als Vorderglied in κασσιτερο-ποιός ‘Verzinner’ (Ptol.). Davon κασσιτέρινος (καττι-) ‘aus Zinn’ (att. Inschr., Arist. u. a.); Κασσιτερίδες νῆσοι "die Zinninseln", wahrscheinlich sw. von Britannien (Hdt. 3, 115, Str.); κασσιτερᾶς m. ‘Verzinner’ (Pap.); κασσιτερόω ‘verzinnen’ (Dsk.). — Herkunft strittig. Man hat einerseits elamitischen Ursprung vermutet, aus *kassi-ti-ra "aus dem Land der Kassi (d. h. Kossäer) stammend" (davon Κασσίτιρα Insel im Indischen Ozean [Dion. ap. St. Byz.]?), anderseits an keltische Namen wie Cassi-velaunus erinnert, wobei die Κασσιτερίδες νῆσοι ebensowohl dem Metall ihren Namen hätten geben können (vgl. z. B. Κύπρος: Kupfer) wie umgekehrt; die eine Annahme ebenso hypothetisch wie die andere. — Eberts Reallexikon 6, 299, Schrader-Nehring Reallex. 2, 699f.; weitere Lit. bei W.-Hofmann s. cassiterum (auch Nachträge); dazu Kretschmer Glotta 27, 36; ältere Lit. auch bei Bq. — Gr. κασσίτερος hat eine weite Verbreitung erhalten: lat. cassiterum (nach ferrum, aurum u. a.), aksl. kositerъ, aind. kastīram, arab. qazdir usw. I-798

κασσύω (Nik. Fr. 85, 6), att. καττύω (Kom., Pl.), auch mit ἐν-, ἐπι-, παρα-, συν-, ‘flicken, schustern’ (ion. att.). Davon κάσσυμα (Hp.), κάττυμα (Kom. u. a.) ‘Schuhsohle’, καττύς f. ‘Stück Leder’ (Ar. Fr. 285). — Nicht sicher erklärt. Der verlockenden Anknüpfung an das idg. Verb für ‘nähen’, z. B. lat. snō, aind. sī́vyati, got. siujan (Curtius 381, Osthoff MU 4, 139) stehen lautliche Bedenken entgegen (Lagercrantz Lautgesch. 114f. mit unhaltbarem Vorschlag, Kretschmer Glotta 1, 52f., Schwyzer 321 u. 686). Aber καττύς ist schwerlich das Grundwort (Kretschmer l. c.), sondern vielmehr aus καττύω rückgebildet. I-798-799

κάστανα n. pl. (Mnesith. ap. Ath. 2, 54b, Gal. u. Dsk. als v. l.), auch κάστανοι (Gal.), καστανίαι (Dsk.); sg. κάστανον (Gp.), -ος (H. s. καρύαι) ‘Kastanien’. Als Hinterglied in βαλανο-κάστανον = βάλανος καστανικός (so Gal.) und βολβο-κάστανον ‘Erdnuß’ (Alex. Trall.). Ableitungen: καστάναια, -εια pl. = κάστανα (att. Inschr. u. a.), καστανέη ‘Kastanienbaum’, καστανεών ‘Kastanienhain’ (Gp.), καστανικός (Gal.; vgl. oben), κασταναϊκὸν κάρυον (Thphr. u. a.); Καστανὶς αἶα Land in Kleinasien (Nik. Al. 271; vgl. Καστανέα = πόλις Μαγνησίας EM). — Unklar ist das η in καστηνοῦ (Gen.) ‘Kastanienbaum’ (Nik. Al. 269). Wohl kleinasiatisch; vgl. außer den genannten ON arm. kask ‘Kastanie’, kaskeni ‘Kastanienbaum’. — Aus κάστανον, -άνεια lat. castanea (vgl. z. B. picea), woraus u. a. ahd. chestinna, durch neue Entlehnung nhd. Kastan(i)e. Weiteres s. W.-Hofmann s. castanea. I-799

κάστον · ξύλον. ’Αθαμᾱ͂νες H. — Zahlreiche Vorschläge. Nach Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 4, 355ff. aus *κάλστον (neben *κάλσον > κᾶλον, κῆλον [?]; vgl. s. v.) und mit aind. kāṣṭhám n. ‘Holzstück’ ursprünglich identisch; über das mehrdeutige aind. Wort Mayrhofer Wb. s. v. Bechtel Dial. 2, 86 denkt (fragend) an lat. castrāre; Güntert IF 45, 346 vergleicht, lautlich unbefriedigend, κεάζω, κέαρνον; dazu Kretschmer Glotta 18, 236. Beachtung verdient die Hypothese v. Blumenthals, Hesychst. 18, καστόν stehe für καυστόν ‘brennbar’ mit illyrischem Übergang von au zu a. I-799

Κάστωρ, -ορος Sohn des Königs Tyndareos und der Leda, einer der Dioskuren (seit Il.). Daraus κάστωρ ‘Biber’, auch ‘Bibergeil’ (Hdt., Hp., Arist. usw.). m. Davon Καστόρ(ε)ιος ‘zu Kastor gehörig, auf den Biber bezüglich’ (Pi., X., Dsk. u. a.), καστόρ(ε)ιον n. ‘Bibergeil’ (Pap., Plu. u. a.); καστορίδες f. pl. ‘lakonische Hunderasse, anfänglich von Kastor aufgezogen’ (AP, Poll.), ‘Biber’ (Opp., Ael.); καστορίζω ‘dem Bibergeil ähnlich sein’ (Dsk., Vett. Val.). — Als urspr. appellativisches Nomen agentis gehört Κάστωρ zu κεκαδμένος, κέκασμαι (s. d.; verfehlt Steinhauser Sprache 2, 2 A. 4 [zu ir. cass ‘Locke’] und Dumézil BSL 42 S. XVI [zu lat. censeō]). Wegen der Heilwirkung des Bibergeils bei Frauenkrankheiten wurde der Name des Κάστωρ, der u. a. auch als σωτήρ der Frauen bekannt war, auf den Biber und das Bibergeil übertragen. Lit. bei Bq s. v., Schwyzer 635, W.-Hofmann s. castrō und ēcastor, Wahrmann Glotta 17, 258. Aus καστόρ(ε)ιον aind. kastūrī f. Moschus’. I-799-800

κασύτας · Συριακὸν βοτάνιον H.; auch καδύτας (Thphr. CP 2, 17, 3) ‘Hopfenseide, Cassyta filiformis’. — Aus arab. kašūth, vgl. Grimme Glotta 14, 19. I-800

κασωρίς, κασωρεύω usw. S. κασᾶς, κασαλβάς. I-800

κάτα, κατά Adverb und Präposition ‘(von -) herab, (-) hinab, gegen, entlang, durch — hin, über — hin’ mit Gen. (Abl.) und Akk. (seit Il.); daneben καται- in καται-βαταί (ν 110), καται-βάτης Bein. d. Zeus usw. (Thera, Melos, Thasos, Trag. u. a.); vgl. noch zu καταῖτυξ. — Mit heth. katta Adv. und Postpos. ‘hinab, herab, bei, mit, unter’ begrifflich und formal im Grunde identisch; auch das keltische Wort für ‘mit’, z. B. altkymr. cant, air. cēt-, dürfte dazu stimmen; idg. Grundform somit *kn̥ta (zu heth. -a- für zunächst erwartetes -an- s. Pedersen Hittitisch und Kronasser Vgl. Laut- und Formenlehre 53). Weitere Beziehung zu idg. *kom in lat. cum usw. (s. κοινός), wobei idg. *km̥ta anzusetzen wäre, bleibt offen. — Die Nebenformen καται- und ark. κατύ erklären sich am einfachsten als Analogiebildungen nach παραί bzw. ἀπύ (καται- somit nicht = heth. katti-mi ‘bei mir’ usw.). — Einzelheiten mit reicher Lit. bei Schwyzer-Debrunner 473ff. Ältere Lit. bei Bq. I-800

καταδίχιον Ben. eines Gefäßes (IG 14, 427 : I, 15 u. a., Tauromenion). — Hyperkorrekte Form für *καδδίχιον, s. κάδος. I-800

καταῖτυξ, (-υγος) f. Ben. eines ledernen Helms ohne φάλος und λόφος (Κ 258), etwa ‘Schirmhaube, Sturmhut’. — Erinnert der Bildung nach an ἄντυξ; die von den Scholl. gegebene Erklärung παρὰ τὸ κάτω τετύχθαι· λόφον γὰρ οὐκ ἔχει ist indessen wertlos, da sie offenbar aus dem Text erschlossen ist. Ob sie trotzdem dem Kerne nach richtig ist, läßt sich wegen unserer Unkenntnis der betreffenden Kopfbedeckung (vgl. Trümpy Fachausdrücke 45) nicht entscheiden. — Nach Bechtel Lex. s. v. Lehnwort; unbefriedigende semitische Anknüpfung bei Lewy KZ 55, 29f. I-800

κατ ἄκρας, ion. κατἄκρης — s. ἄκρος m. Lit.; vgl. auch über κατἄκρηθεν s. κάρᾱ. I-800

καταρράκτης, ion. -ρρήκτης m. ‘herabstürzend, steil, Wasserfall, Falltüre, Enterbrücke, Schleuse’, auch N. eines Vogels, ‘Wasser-, Seerabe’ (Hdt., S., Ar., hell. u. sp.). — Von κατα-ρράττω, -ρρήσσω, s. ῥά̄ττω. I-801

κατασκένε ‘(wenn er) tötet’ (GDI 4998: 1, 14f., Gortyn) — = κατα-κτείνῃ mit lautlicher Sonderentwicklung der Konsonantengruppe (Schwyzer 325f.); s. u. Verfehlt H. Petersson IF 23, 394. I-801

κατενῶπα (κατένωπα) s. ἐνῶπα. I-801

κατῆλιψ, -ιφος f. Bed. unbekannt, etwa ‘Gebälk, Dachsparren, oberes Stockwerk’ (Ar. Ra. 566). — Zur Bildung vgl. αἰγίλιψ, ἄλιψ; sonst unerklärt. I-801

κατηφής ‘mit niedergeschlagenen Augen, beschämt, betrübt’ (ω 432, Hp., E., hell. u. spät) mit κατήφεια, ep. ion. -είη ‘Niedergeschlagenheit usw.’ (Il., Th., hell. u. sp.). — Daneben κατηφέω (E., Arist.), Aor. -ῆσαι ‘niedergeschlagen sein, sich schämen usw.’ (vorw. ep. poet. seit Il.); dazu κατηφής als Rückbildung? (Szemerényi Glotta 33, 244 zögernd). Nebenformen : κατηφόνες = κατηφέες (Ω 253; zur Erklärung Schwyzer 487, Chantraine Formation 160); κατηφιάω = κατηφέω (A. R., AP, Plu. u. a.), nach den Verba auf -ιάω; ngr. κατηφιάζω vom Wetter ‘zu Regen neigen, neblig werden’ (Georgakas Λεξ. Δελτ. 2, 123ff.). — Ohne überzeugende Etymologie. Nach Schwyzer Mél. de Saussure 247ff. als ‘den Blick nach unten gerichtet habend’ zu ἁφή, ἅπτω (dagegen Kretschmer Glotta 5, 309). Anders, gewiß nicht besser, Prellwitz KZ 44, 123f., Glotta 19, 126, Fick KZ 45, 56f. (zustimmend Bechtel Lex. s. v.), Pisani Rend. Acc. Lincei 4-5 (1929) 4. I-801

κατρεύς, -έως m. N. einer indischen Pfauenart (Klitarch., Nonn.). — Herkunft unbekannt, wohl indisch; zur Bildung vgl. ἐριθεύς, χλωρεύς und andere Vogelnamen (Bosshardt Die Nom. auf -ευς 20). Bosshardt 74 erinnert als Alternative an die kretische Stadt Κατρεύς, Κάτρη. — Zum Sachlichen Thompson Birds s. v. I-801

καύαξ καύηξ, -ηκος (Antim., hell. Dichtung), auch κήξ f. (ο 479) und κῆϋξ m. (Babr., Dionys. Av.) m. · λάρος H.,N. eines Seevogels, ‘Seeschwalbe’? (vgl. Thompson Birds s. v.). — Ausgang wie in ἱέραξ, ἴρηξ u. a. (Chantraine Formation 380). Schallwort ohne genaue außergriechische Entsprechung. Genetisch oder elementar verwandt sind mehrere Vogelnamen wie kymr. cuan ‘Nachteule’ und andere keltische Wörter, woraus lat. cavannus ‘ds.’, ahd. (mit regelrechter Lautverschiebung) hūwo ‘Eule’; mit innerem Guttural (reduplizierte Bildung) καυκαλίας· ὄρνις ποιός, καυκιάλης· ... ὄρνις H., aind. koka- m. Ben. einer Gänseart (auch ‘Wolf’), lit. kaukỹs m. N. eines schreienden Vogels u. a. m. Dazu primäre Verba wie aind. káuti ‘schreien’, lit. kaũkti ‘heulen, winseln’ u. a. m.; vgl. zu κωκύω. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 1, 331, Pok. 535f. und in den einschlägigen Spezialwörterbüchern, z. B. W.-Hofmann s. cavannus, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kaũkti, Mayrhofer s. káuti; auch Bq s. v. — καύαξ· πανοῦργος Suid. ist als Schimpfwort aus einer Komödie geholt, s. Kretschmer KZ 31, 354. I-801-802

καύης m. (Hippon. 2), Akk. -ην f. (IGRom. 4, 1755 u. a.; geschr. -ειν) N. eines Priesters bzw. einer Priesterin in Sardes. — Lydisches Wort, vgl. Latte Philol. 97, 43. I-802

καυκαλίς, -ίδος N. einer Umbellifere, ‘Tordylium apulum’ (Thphr., Nik., Dsk., Gp.), auch καῦκον (Ps.-Dsk. 2, 139) und καυκιάλης· βοτάνη τις, ὁμοία κορίῳ (cod. κωρ-) H. f. — Zur Bildung auf -αλίς Chantraine Formation 251f. Die Pflanze wurde auch δαῦκος ἄγριος genannt (Dsk. 2, 139); die Form καῦκον scheint jedenfalls mit δαῦκος (δαῦκον) in Beziehung zu stehen (Umbildung davon nach κάω, καῦσαι?), vgl. Strömberg Pflanzennamen 153. Weitere Hypothesen bei Nencioni Rev. degli stud. or. 19, 101f. I-802

καῦκος m. ‘Becher’ (Gloss.) mit dem Deminutivum καυκίον (Pap. VIp, AP 9, 749 in lemm., Just.); daneben καυκάλιον ‘ds.’ (Alex. Aphr. Pr. 1,94; nach βαυκάλιον, s. d.). — Mit lat. caucum n. ‘Becher’ (seit Script. hist. Aug.) identisch, aber sonst dunkel; vgl. W.-Hofmann s. v. Davon vulgär- und neugr. καῦκα ‘patera, vulva, Freundin’, vgl. Rohlfs WB s. κάψα. Nencioni Riv. degli stud. or 19, 101 will καυκ- (καυκάλιον) durch Assimilation aus βαυκ- (βαυκάλιον) erklären; dabei bleibt indessen das Grundwort καῦκος unverständlich, da ein entsprechendes *βαῦκος fehlt. I-802

καυλός m. ‘Schaft, Stengel, Stiel, Federkiel’ (Il., ion.-att.; zur botan. u. anatom. Bed. Strömberg Theophrastea 95ff. und 49). Oft als Hinterglied, z. B. μονό-καυλος (Thphr. u. a.; Strömberg 104f.), vereinzelt als Vorderglied, u. a. in καυλο-κινάρα ‘der Stengel der Artischocke’ (Gp.; vgl. Strömberg Wortstudien 7). Mehrere Ableitungen. Zwei Deminutiva: καυλίον (Arist., Pap. u. a.), καυλίσκος (J., D. S., Dsk.); καυλεῖον = καυλός (Nik.; nach ἀγγεῖον u. a.); καυλίας ‘Stengelsaft’ (Thphr.; wie ῥιζίας ‘Wurzelsaft’, vgl. Strömberg Theophrastea 91, Chantraine Formation 94f.); καυλίνης Fischname = χλωρὸς κωβιός (Diph. Siph. ap. Ath. 8, 355c; nach der Farbe, Strömberg Fischnamen 26; Bildung wie Αἰσχίνης u. a.); καυλικός, καυλώδης ‘stengelartig’ (Thphr.), καύλινος ‘aus einem Stengel bestehend’ (Luk.), καυλωτός ‘mit Stengel versehen’ (Eudem. Phil. IVa; wie αὐλωτός u. a.); καυληδόν ‘stengelweise’ (Opp. u. a.). Denominatives Verb καυλίζομαι ‘mit Schaft versehen sein’ (Ar. Fr. 404). Dagegen gehen δικαυλέω ‘zwei Stengel haben’, ἐκκαυλέω ‘in einem Stengel auswachsen, einen Stengel schießen’ mit ἐκκαύλησις, -ημα, ἐκκαυλίζω ‘den Stengel entfernen’ (Thphr. u. a.) usw. von virtuellen *δι-καυλος, *ἔκ-καυλος usw. aus (καυλέω nur Suid.). Zu ngr. καυλώνω ‘sexuell erhitzt sein’ Caratzas Glotta 33, 121. — Altes Erbwort, das auch im Latein und im Baltischen vorhanden ist: lat. caulis m. ‘Stengel’ (i-Stamm wohl sekundär, s. Leumann Lat. Gramm. 232); lit. káulas (mit abweichendem Stoßton) ‘Knochen, Bein, Würfel’, lett. kaũls ‘ds.’, auch ‘Stengel’, preuss. caulan ‘Bein’; dazu das abgeleitete mir. cuaille ‘Pfahl’ (aus *kaulīni̯o-). Weitere Beziehung zu aind. kulyā́ ‘Bach, Graben, Kanal’ und zu dem germ. Wort für ‘hohl’, z. B. anord. holr, got. us-hulōn ‘aushöhlen’ (idg. *qaul-, *qul-?) ist gänzlich unsicher, s. Mayrhofer Wb. s. kulyam; weitere Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s. caulis und Fraenkel s. káulas. — Ein Reimwort ist αυλός, s. d. I-802-803

καυνάκης s. γαυνάκης. I-803

καυνός · κακός, σκληρός, κλῆρος H.; in der letztgenannten Bed. auch Kratin. 194 und Ar. Fr. 660 (s. Kock z. St.); davon διακαυνιάσαι = διακληρῶσαι (Ar. Pax 1081). — Im Sinn von κακός seit Fick 1, 375 zu einem germ.-baltischen Wort für ‘demütig, Scham usw.’ gezogen, z. B. got. hauns ‘niedrig, demutig’, nhd. Hohn, lett. kàuns ‘Scham, Schande, Schmach’. Der Text ist aber sehr unsicher; jedenfalls sieht σκληρός (in diesem Sinn von Schulze KZ 29, 270 A. I = Kl. Schr. 329 A. 1 zu καίω gestellt) wie eine Dittographie (mit σ- von κακός) des folgenden κλῆρος aus. — Zu καυνός = κλῆρος eine sehr fragliche Hypothese von Bezzenberger BB 27, 171 A. 3 (s. Bq Add. et Corr., WP. 1, 332). Mayer Glotta 32, 75 A. 1 will die illyrischen Namen Ceunus, -a u. a. heranziehen. I-803

καῦρος = κακός (S. Fr. 1059, Phot., H.). — Nach Güntert Reimwortbildungen 131 Kreuzung von παῦρος und καυνός = κακός (vgl. d. W.). Auch eine Kreuzung von κακός und παῦρος ließe sich denken. I-803

καυσία f. Ben. eines königlichen Filzhutes bei den Makedonen (hell. u. spät; s. Hoffmann Maked. 55ff.). — Unerklärt. Lose Vermutung von Sapir AmJPh 60, 464. I-803

καυχάομαι, Aor. καυχήσασθαι (καυχάσ[α]ιτο Sapph. Supp. 4, 21), Fut. καυχήσομαι, Perf. κεκαύχημαι (2 Ep. Cor. 7, 14), ‘sich rühmen, prahlen’ (Pi., Sapph., ion. att.). auch mit ἐκ-, ἐν-, κατα-, Ableitungen: καύχα f. ‘Prahlerei’ (Pi. Nem. 9, 6; Rückbildung), καῦχος n. ‘Gegenstand des Prahlens’ (Syrien Vp; Rückbildung); καύχημα, -ᾱμα ‘ds.’ (Pi., spät) mit καυχηματίας ‘Prahler’ (Ptol., Sch.) und καυχηματικός (Sch.), καύχησις ‘das Rühmen’ (hell. u. spät); καυχήμων ‘sich rühmend, prahlend’ (Babr. u. a.); καυχητής ‘Prahler’ mit καυχητικός, καυχητιάω (Sch., EM). — Expressive Iterativbildung (vgl. Schwyzer 717ff.) mit mehreren Anknüpfungsmöglichkeiten: zu arm. xausim ‘sprechen’ (mit Umstellung der Gutturale, idg. *qhauḱ-; Pedersen KZ 39, 335) und lit. šaukiù, šaũkti ‘schreien, laut rufen’ (Prellwitz Wb; zur Bedeutung vgl. εὔχομαι); zu aind. hávate, aw. zavaiti ‘anrufen usw.’, aksl. zovǫ, zъvati ‘rufen’, arm. jaunem ‘weihen’ usw.; dabei wäre eine ähnliche Reduplikation wie in aw. zao-zao-mi ‘nachrufen’ anzunehmen (Persson Beitr. 1, 118ff. m. Lit. und weiteren Einzelheiten). I-803-804

καχάζω, auch κακχάζω, καγχάζω (zur Gemination und Nasalierung Schwyzer 315 u. 647), Aor. καχάσαι, Fut. καχαξῶ (Theok.), auch mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐκ-, ‘laut lachen’ (ion. att., Theok.). Davon καχασμοί pl. (Ar. Nu. 1073, v. l.), κακχαδίαι· ἰσχνό-φωνοι H. — Redupliziertes Schallwort mit nahen Entsprechungen in mehreren Sprachen: aind. (Gramm.) kákhati, aksl. chochotati, ahd. kachazzen ‘laut lachen’, arm. xaxan-k‘ pl., lat. cachinnus ‘schallendes Gelächter’ mit cachinnō, -āre; genetische Verwandtschaft ist möglich aber selbstverständlich unsicher. Vgl. WP 1,336, Pok. 634 und die Spezialwörterbücher, namentlich W.-Hofmann s. cachinnō mit weiteren Formen und Lit. S. auch *κηκάζω. I-804

καχεξία f. ‘schlechter Zustand des Körpers od. der Seele, Unwohlsein’ (ion. att.) mit der Rückbildung καχέκτης m. ‘in schlechtem Zustand befindlich, krank, übelgesinnt’, wovon καχεκτικός, -τέω, -τεύομαι (hell. u. spät), auch καχεξής (Phld. Rh. 1, 36 S.; nicht sicher). — Zusammenbildung aus κακῶς ἔχειν; Gegensatz εὐεξία mit -έκτης usw. von εὖ ἔχειν. I-804

καχεταιρίη f. ‘schlechte Genossenschaft’ (Thgn. 1169). — Zusammenbildung aus κακοὶ ἑταῖροι ‘schlechte Genossen’. Vgl. Porzig Satzinhalte 212f. I-804

καχλάζω, fast nur im Präs. u. Ipf., vereinzelt mit Präfix, z. B. ἀνα-, ὑπερ-, ‘plätschern, rauschen, brausen, vom Wasser’ (poet. seit Pi. und A., auch sp. Prosa). Davon καχλασμός (Zos. Alch., Gloss.), ἀνακάχλασις (Sch.). — Seltene Nebenform κοχλάζω (PHolm. 3, 1, coni. in Plu. 2, 590f) mit κόχλασμα (H. s. ἀπόβρασμα, πομφόλυξ). Onomatopoetisches Wort mit intensiver Reduplikation (Schwyzer 647); vgl. παφλάζω und Güntert Reimwortbildungen 161. Vergebliche idg. Anknüpfungsversuche sind bei Bq notiert. I-804-805

κάχληξ, -ηκος m. ‘Steinchen, Kiesel im Flußbett’, auch koll. (Th., Str., J. u. a.). — Bildung auf -ηξ wie τράπηξ, νάρθηξ u. a. (vgl. Björck Alpha impurum 261f.); ein angenommenes Grundwort *κάχλος ist von Zupitza Die german. Gutturale 207f. mit dem germ. Wort für ‘Hagel’, ahd. hagal m., anord. hagl n. usw. gleichgesetzt worden. — Nach Güntert Labyrinth 28 A. 1 wäre κάχληξ samt lat. calx aus dem Ägäischen entlehnt. Für fremden Ursprung auch Porzig ZII 5, 269f. I-805

κάχρυς, -υος (-υδος, -υδα Dieuch. ap. Orib.) f. ‘geröstete Gerste’ (ion. att.), ‘Winterknospe’ (Thphr.); κάχρυ n. ‘Frucht des Weihrauchbaumes, auch der Baum selbst’ (Hp., Thphr., Dsk. u. a.). Als Vorderglied καχρυο-φόρος ‘Winterknospen tragend’ (Thphr.), καχρυ-φόρος ‘das κάχρυ tragend’ (Nik.; Beiwort der λιβανωτίς). Ableitungen: καχρυώδης ‘Winterknospen ähnlich’ (Thphr.), καχρυόεις = καχρυφόρος (Nik.); καχρύδια pl. ‘Spreu der κάχρυς’ (Arist.; zur Bildung Chantraine Formation 70), καχρυδίας m. ‘κάχρυς-ähnlich’ (πυρός, Thphr. u. a.), ‘aus κάχρυς gemacht’ (ἄρτος, Poll.); καχρυδιάζομαι ‘im Winter hervorsprießen’ (Cat. Cod. Astr.). — Seit Persson Studien 103 und 124 zu κέγχρος ‘Hirse’ gezogen, s. ebd. Die Bedeutung weist aber eher in die Richtung von ‘geröstet, trocken’, was eine Verbindung mit κάγκανος nahe legen würde; dagegen verstößt jedoch das χ. I-805

καψοί · οἱ τοῖχοι H. — Von v. Blumenthal Hesychst. 40 wenig überzeugend zu lat. capsa, idg. qap- ‘fassen, in sich enthalten’ (s. zu κάπτω) gezogen. I-805

κάω ‘brennen’ s. καίω. I-805

κε (äol. kypr.), κεν (ep. poet. seit Hom.), κα (dor.; Dichter κᾱ) Modalpartikel = ion. att., ark. ἄν. — Mit κα deckt sich formal das hervorhebende russ. -ko (nach Dat. von Personalpronomina und nach Imperativen), woneben -ka = κᾱ. Zu κα : κε vgl. γα : γε. Der auslautende Nasal in κεν kann als ion. ν ἐφελκυστικόν erklärt werden; genetischer Zusammenhang mit dem hervorhebenden aind. kám und mit der slav. Präposition (beide aus idg. *qom) ist trotz der anklingenden Verbindung nú kam : νύ κεν nicht glaubhaft. — Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer-Debrunner 568f.; zum Gebrauch noch Gonda Moods 135ff. I-805

κεάζω, Aor. κεάσ(σ)αι, Pass. κεασθῆναι, Perf. Ptz. Pass. κεκεασμένος, auch mit ἀμφι-, δια-, ‘spalten, zerschmettern’ (ep. poet. seit Il.). Davon εὐκέα-τος ‘leicht zu spalten’ (ε 60, Theok. 25, 248), κέαρνα· σίδηρα τεκτονικά (nach σκέπαρνον); unsicher Κεάδαο Gen. (Β 847). — Der zweisilbige Aorist κεά-σ(σ)αι (mit fakultativem analogischem -σσ-) stimmt zu ἐλά-σ(σ)αι, πετά-σ(σ)αι usw.; dazu wurden die übrigen Formen, κεάζω u. a., neugeschaffen. Eine andere Präsensbildung kann in κείων (ξ 425, Versende) vorliegen, wenn mit Schulze Q. 434 für κεῶν aus *κεάων (nach Persson Studien 134 u. A. dagegen aus *κεϝι̯ω zu nhd. hauen usw.; nicht vorzuziehen). Nach Palmer Μνήμης χάριν 2, 69ff. wäre auch myk. ke-ke-me-na (ko-to-na) als ‘geteilt’ hierherzustellen (?; vgl. auch zu κεῖμαι). — Zu κεα-, wenn aus *κεσα-, stimmt das aind. Fut. śasi-ṣyati ‘er wird schneiden’, dessen Ursprünglichkeit allerdings fraglich ist, da aind. śas-(a)ti ‘schneiden’ in allen alten Formen und Ableitungen ein einsilbiges śas- aufweist. Von gr. κεσ- mit sicherem und aind. śas- mit möglichem idg. e (*ḱes-) unterscheidet sich lat. castrō, -āre ‘verschneiden’ durch das unerklärte a (Reduktionsvokal?). Über andere, ganz hypothetisch hierher gezogene Nominalbildungen (am ehesten russ. usw. kosá f. ‘Sichel, Sense’; mit k- für s- durch Dissimilation?) s. WP. 1, 448f., Pok. 586, W.-Hofmann s. castrō, Vasmer Russ. et. Wb. s. kosá. I-806

κεβλή (Kall. Fr. 140, EM), auch κεβαλή (H., EM), makedon. für κεφαλή. Als Vorderglied in κεβλή-γονος ‘kopfgeboren’, Ben. der ’Ατρυτώνη (Euph. 108) und des Mohns (Nik. Al. 433). Davon κεβλήνη· ἡ ὀρίγανος H., wegen der drei dicht beisammenstehenden Blütenköpfchen des Origanums (Grošelj Razprave 2, 42); κέβλος· κυνοκέφαλος (Art Affe), κῆπος H. — Zum vielerörterten κεβ(α)λή s. Pisani Rev. int. ét. balk. 3, 14ff. mit Lit., insbes. Kretschmer Glotta 21, 162 und 22, 100ff., außerdem Krahe IF 60, 297, der für illyrische Herkunft eintritt. Hierher nach Mayer Glotta 31, 114ff. und 32, 72 auch der illyrische ON Cibalae. I-806

κεβλήπυρις N. eines unbekannten Vogels (Ar. Av. 303), auch als Spitzname von Themistokles gebraucht (Hermipp. Com. Va). — Die Beziehung auf κεβλή und πῦρ ("redpoll", ‘Hänfling’) ist sachlich nicht zu begründen, vgl. Thompson Birds s. v. I-806

κέγχρος m. (f.), gewöhnlich im Plur. ‘Hirse, Hirsekorn’, übertr. ‘Fischrogen, kleine Kugel, Flecken usw.’ (Hes. Sc. 398, Sapph. 5, 13 [?], Hekat., Hdt., Arist., hell. u. spät). Als Vorderglied z. B. in κεγχρο-φόρος (Str.). Mit Metathese bzw. andersartiger Dissimilation (vgl. unten) κέρχνος (Anaxandr., Gal., H.); dazu Κερχνεία ON? Zahlreiche Ableitungen: 1. κεγχρίς f. = κέγχρος (Hp.), auch N. eines mit Hirse gemästeten Vogels, lat. miliarius (Ael.; vgl. Thompson Birds s. v.), usw. 2. κεγχρίας m. ‘hirseähnlicher Rotlauf’ (ἕρπης, Gal.) mit -ιδίας ‘ds.’ (Dsk.). 3. κεγχρίνης m. ‘Schlange mit hirseartigen Flecken’ (Nik., Lyk. u. a.); vgl. κέγχρινος unten. 4. κεγχρίτης ‘ds.’ (Aët.), -ῖτις ἰσχάς ‘getrocknete Feige’ (AP; Redard Les noms grecs en -της 112). 5. κεγχραμίς f. ‘Feigenkern’ (Hp., Arist., Thphr.), nach καλαμίς, σησαμίς u. a.; nicht mit Schwyzer 494 fremdes Suffix; davon -ιδώδης. 6. κεγχρώματα pl. ‘kleine Visierlöcher am Schildrande (?)’ (E. Ph. 1386, vgl. Chantraine Formation 186; s. auch zu κέρχνος). 7. κεγχρεών, -ῶνος m. ‘Werkstatt, wo Metall gekörnt wird’ (Docum. ap. D. 37, 26). 8. κεγχρ-ιαῖος ‘von der Größe eines Hirsekorns’ (Luk., Dsk.; nach den Massadj. auf -ιαῖος, Chantraine 49). 9. κέγχρινος ‘aus Hirse gemacht’ (Dsk., Gal.). 10. κεγχρώδης ‘hirseähnlich’, von Ausschlägen (Hp.), von Pflanzen (Thphr.). 11. κεγχρωτός ‘mit Körnern, Tüpfeln versehen’ (Pap. u. a.). 12. Κεγχρεαί pl. ON. — Nicht sicher erklärt. Gewöhnlich nach Persson Studien 73 als "Zerriebenes" auf redupliziertes idg. *gher-ghr-os zurückgeführt mit uralter Dissimilation rr > nr (bzw. rn) und weiterer Beziehung zu χέρ-μα, χερ-άς u. a. Auch κάχρυς wird von Persson (S. 124) als damit verwandt betrachtet mit nächstem Anschluß an mhd. grū-z ‘Korn von Sand oder Getreide’, lit. grú-das ‘Korn’ usw.; κα- könnte dabei die Schwundstufe von κεγ- repräsentieren (Bq s. κάχρυς), was allerdings die Dissimilation in gemeinidg. Zeit hinaufschieben würde; semantische Bedenken s. κάχρυς. — Anders Niedermann Symb. Rozwadowski 1, 111ff.: für *κέρχνος (durch Metathese) < *κερκσνος zu ahd. hirso ‘Hirse’ aus *hirhso (?). I-806-807

κέγχρων, -ωνος m. N. eines Windes am Flusse Phasis, der als "βίαιος καὶ χαλεπὴ καὶ θερμή" beschrieben wird (Hp. Aër. 15). — Nach Pisani Ist. Lomb. 73, 496 mit v. Wilamowitz von κέρχνος ‘Heiserkeit’ mit Metathese. Schwyzer 487 erwägt fremde Herkunft. I-807

κεδάσσαι, κεδασθῆναι Aor. (ep. seit Il.), Präs. κεδαίω, κεδα(ί)ομαι (hell. Epig, κεδάννυμαι (AP 5, 275); s. σκεδάννυμι. I-807

κέδματα n. pl. (Hp.), nach Gal., Erot. und H. = αἱ χρονιώτεραι διαθέσεις νοσώδεις περὶ τὰ ἄρθρα; davon κεδματώδης (Hp. ap. Erot.; nicht sicher). — Von Prellwitz (und Bq) als ‘Gliederreißen’ mit κεδάσ(σ)αι verknüpft; man hätte indessen -κεδά(σ)ματα erwartet. I-807-808

κεδνός ‘sorgfältig, der Sorge wert, achtbar, wert, lieb’ (ep. seit Il.); davon κεδνοσύνη (IG 3, 1370; Versinschr., Kaiserzeit; vgl. Wyss -συνη 64). — Nicht überzeugend erklärt. Die sonst naheliegende Zusammenstellung mit κήδομαι, dor. κᾶδος, ep. κεκᾰδών (Curtius, Bartholomae BB 17, 109 A.; vgl. auch Seiler Steigerungsformen 83) ist wegen des ε-Vokals schwierig zu begründen. Nach Schulze GGA 1896, 235 (Kl. Schr. 698) zu Κόδρος, κόσμος u. a. — Verfehlt v. Windekens Le Pélasgique 15 (pelasgisch zu θέσσασθαι, πόθος), Bezzenberger BB 27, 166 (s. Bq). I-808

κέδρος f. ‘Wacholder, Juniperus’, später ‘Zeder’ (seit ε 60). Einzelne Kompp., z. B. κεδρ-έλαιον ‘Zederöl’ (Aët.), ὀξύ-κεδρος f. ‘stachelige Zeder’ (Thphr.; vgl. Strömberg Pflanzennamen 35). Ableitungen: κεδρίς f. ‘Wacholderbeere, Wacholder’ (Hp., Ar. usw.); κέδρον n. ‘Wacholderbeere usw.’ (Inschr., EM, H.); κεδρία ‘Zedernharz, Zedernöl’ (Hdt., D. S. u. a.), auch κεδρέα (Pap., Mediz.; nach μηλέα, συκέα usw.). κεδρίτης (οἶνος) ‘Wein mit Wacholder-(Zeder-)aroma’ (vgl. Redard Les noms grecs en -της 97 m. A. 6). κέδρινος ‘von Zedernholz’ (Hp., E., Arist. usw.), auch κεδρίνεος ‘ds.’ (Nik.; metrische Umbildung), κεδρωτός ‘aus Zedernholz gemacht’ (E. in lyr.), Κεδρεᾶτις, -ιδος f. N. der Artemis in Orchomenos in Arkadien (Paus. 8, 13, 2; nach Τεγεᾶτις u. a.). κέδρωστις, -εως f. ‘Hundsrübe’ (Dsk. 4, 182; nach ἄγρωστις, s. d.). Denominatives Verb κεδρόω ‘in Zedernharz legen, einbalsamieren’ (Posidon., Str.). — Herkunft unklar. Die Ähnlichkeit mit dem baltischen Namen des Wacholders, z. B. lit. kadagỹs (Schrader-Nehring Reallex. 2, 612, Lidén IF 18, 491), beschränkt sich auf die erste Silbe (verzweifelte morphologische Überbrückungsversuche von H. Petersson Heteroklisie 104f., Specht Ursprung 147); die weitere Anknüpfung an russ. čad ‘Dunst’, aksl. kaditi ‘räuchern’ (idg. qēd- : qōd-; Schrader-Nehring a. a. O.) muß ebenfalls als ganz hypothetisch betrachtet werden. Anderer Vorschlag von Endzelin bei Mühlenbach-E.: zu lett. cedrin̥š ‘Heidekraut’. Lat. LW cedrus. — Nach Fohalle Mélanges Vendryes 157ff. wäre ein Mittelmeerwort für ‘Zeder’, lat. citrus ‘Thuia articulata’ und gr. κέδρος, an ein einheimisches gr. κέδρος ‘Wacholder’ angeglichen (?). — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei Schrader-Nehring a. a. O., Fraenkel Lit. et. Wb. s. kadagỹs, W.-Hofmann s. cedrus und citrus, auch WP. 1, 384f. und Pok. 537. S. auch κίτρον, -κίτριον. I-808

κεῖμαι, 3. sg. κεῖται, 3. pl. κέαται, att. κεῖνται, Inf. κεῖσθαι usw. (weitere Formen bei Schwyzer 679; sehr unsicher myk. ke-ke-me-na) ‘liegen, sich befinden, stattfinden usw.’, überaus oft mit Präfix in verschiedenen Sinnfärbungen, ἀνά-, κατά-, παρά-, ἔγ-, ἔκ-, ἐπί-, σύγ-κειμαι u. a. m. (seit Il.). Nominale Ableitungen, z. T. altererbt (s. unten): 1. κοῖτος m. ‘Lager, Bett, Schlaf’ (ep. poet. seit Od., auch Hdt.), κοίτη f. ‘Lager, Bett, Ehebett, Nest, Parzelle, Kiste’ (seit Od.); oft in Kompp., z. B. ἀπό-, σύγ-, ἡμερό-κοιτος, ἀ-, παρα-κοίτης (vgl. zu ἀκοίτης). Von κοῖτος, κοίτη: κοιτίς f. ‘Kistchen’ (Men., J. usw.; vgl. Schwyzer 127) mit κοιτίδιον ‘ds.’ (Sch.); κοιτάριον ‘Bettchen’ (Sch.); κοιτών m. ‘Schlafgemach’ (Ar. Fr. 6, hell. u. sp.) mit κοιτώνιον, -ωνίσκος, -ωνίτης, ωνικός (spät); κοιτατήριον ‘Schlafzimmer’ (Kyrene; vgl. ἑστιατήριον s. ἑστία); κοιταῖος ‘auf dem Lager liegend’ (Decr. ap. D. 18, 37, Pkb. usw.), κοιτάριος ‘zum Bett gehörig’ (Edict. Diocl.). Denominatives Verb κοιτάζομαι ‘sich lagern, nisten’ (Pi., hell.), -άζω ‘zu Ruhe bringen, sich lagern’, auch ‘Land aufteilen’ (von κοίτη ‘Parzelle’), hell. u. sp. Davon κοιτασία ‘das Zusammenwohnen’ (LXX), κοιτασμός ‘das Einpferchen, die Einhürdung des Viehs’ (Pap.). — 2. *κοίμη oder *κοῖμος mit dem Denominativum κοιμάω ‘zur Ruhe legen, zu Bett bringen, einschläfern’, κοιμάομαι ‘sich zu Bett legen, schlafen gehen, sich lagern’ (seit Il.); davon κοίμησις ‘das Sich-Lagern, (Todes)schlaf’ (Pl., LXX, NT), κοίμημα ‘der Schlaf, Beischlaf’ (S.), κοιμη-τήριον ‘Schlafzimmer, Ruhe-, Grabstätte’ (Inschr.); auch κοιμίζω = κοιμάω (nachhom., vorw. poet.) mit κοίμισις, -ισμός, -ιστής, -ιστικός (spät); eher aus κοιμάω umgebildet als von *κοίμη, *κοῖμος selbständig abgeleitet. — 3. κειμήλιον n. ‘Kostbarkeit, Kleinod’ (vorw. poet. seit Il.), sekundär -ιοι Pl. m. (f.) ‘Kostbarkeiten’ (Pl. Lg. 931a; Apposition von πατέρες ἢ μητέρες); zunächst ηλ-Ableitung eines Neutrums *κεῖμα (Frisk Eranos 38, 42 u. 41, 52). In derselben Bed. κεμήλιον (Alk. G 1, 8)? Specht KZ 68, 145 (nach *θεμήλιον, θέμηλα); aber s. zu κεμάς. — Vgl. auch κῶμα und κώμη. — Verbale Ableitungen : Iterativum (παρε)- κέσκετο (ξ 521, φ 41); desiderative oder futurische Formen κείω, κειέμεν, κείοντες usw.; späte Erweiterung κατεκείαθεν· κατεκοιμήθη H. (wohl nach hom. μετεκίαθεν); weitere Einzelheiten m. Lit. bei Schwyzer 679, Chantraine Gramm. hom. 1, 322 und 453. — Eine genaue Entsprechung des abstufungslosen athematischen Präsens κεῖται liegt auf indoiranischem Gebiet in aind. śéte, aw. saēte ‘liegt’ vor; dazu stimmt noch bis auf die Endung das synonyme heth. kitta, -ri; ganz unsicher dagegen lyk. sijęni ‘ds.’ (Pedersen Lykisch und Hittitisch 17f.). Auch die nominalen t- und m-Bildungen kehren außerhalb des Griechischen wieder: bret. argud ‘leichter Schlaf’ < *ar-eḱoi-to-; germ., z. B. got. haims ‘Dorf, Heim’, lett. sàimė ‘Hausgesinde, Familie’, lit. šeimýna ‘ds.’, aksl. sěmьja ‘ds.’, wohl auch kelt., z. B. air. cōim ‘lieb’. Andere Ableitungen desselben Verbs sind in lat. cīvis, germ., z. B. got. heiwa-frauja ‘Hausherr’, aind. śéva- ‘traut, freundlich, lieb’ u. a. m. ebenso wie in arm. sēr ‘Neigung, Liebe’ mit sirem ‘lieben’ vermutet worden. — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 358ff., Pok. 539f., W.-Hofmann s. cīvis. I-809-810

κειμήλιον s. κεῖμαι. I-810

κειρία, auch κιρία, κηρία, καιρία f., oft pl. ‘Bettgurt, Binde (zu Wundverbänden, Totenbinden), Bandwürmer’ (Ar. Av. 816, LXX, Pap., Mediz., Ev. Jo. 11, 44 u. a.). — Beziehung zu καῖρος ‘Schnur, Schlinge’ od. ähnl. liegt nahe, aber die weitaus gewöhnlichsten Schreibweisen κ(ε)ιρ-, κηρ- bleiben dabei schwerverständlich. Somit unerklärt; vgl. Scheller Oxytonierung 57f. I-810

κείρω, Aor. κεῖραι, ep. usw. auch κέρσαι, Pass. καρῆναι (καρθέντες mit v. l. κερθέντες Pi. P. 4, 82), Fut. κερέω, κερῶ, Perf. Pass. κέκαρμαι, dazu Akt. κέκαρκα (hell. u. spät), ‘abschneiden, scheren, bes. vom Haar, abästen, abmähen, abweiden, aufzehren’ (seit Il.). oft mit Präfix, z. B. ἀπο-, δια-, περι-, Komp. ἀ-κερσε-κόμης ‘mit ungeschnittenem Haar’ (ep. seit Υ 39), auch ἀ-κειρε-κόμᾱς, -ης (Pi. u. a.); zur Form Schwyzer 442, zur Bed. Fink Philol. 93, 404ff. Ableitungen. 1. κέρμα n. ‘abgeschnittenes Stück, bes. kleines Geldstück, Kleingeld, Scheidemünze’ (Emp. 101, 1 [nicht ganz sicher], Kom., hell. u. sp.) mit κερμάτιον (hell. u. sp.) und κερματίζω ‘zerstückeln, in kleines Geld umwechseln’ (att., Arist., Pap.); davon κερματιστής ‘Geldwechsler’ (Ev. Jo. 2. 14), κερματισμός ‘Zerstückelung’ (Olymp.); κερματόομαι = -ίζομαι (Prokl.). — 2. κορμός m. ‘abgehauenes Stück, Klotz, Rumpf’ (seit ψ 196) mit κορμίον (hell. u. sp.), κορμηδόν ‘in Klötzen’ (Hld.), κορμάζω ‘in Klötze zersägen’ (D. H.). — 3. κουρά s. bes. 4. καρτός s. bes. — Vgl. noch κόρση, κόρις, κέρτομος, 2. κέλωρ. — Das primäre hochstufige Jotpräsens κείρω aus *κερ-ι̯ω, das zusammen mit dem übrigen Paradigma ein regelmäßiges, innerhalb des Griechischen ausgebautes System bildet (Schwyzer 715, 751, 759), gehört zu einer weitverbreiteten idg. Wortgruppe; immerhin fehlen genaue Entsprechungen zu den griechischen Verbformen. Am nächsten kommen die ebenfalls hochstufigen arm. kerem ‘kratze, schabe’ (mit sekundärem Aorist kere-c̣i; anders, nicht besser, über kerem Meillet BSL 37, 12), alb. sh-kjer ‘reiße auseinander’ (Prät. sh-kora aus idg. *qēr-); dazu noch heth. karšmi ‘abschneiden’ (mit s-Erweiterung wie in κουρά; s. d.). Sehr gewöhnlich sind die Formen mit anlautenden. idg. sq-: germ., z. B. ahd. sceranscheren’ (hochstufiges Wurzelpräsens), lit. skiriù, skìrti ‘trennen, scheiden’ (schwundstufiges Jotpräsens), air. scar(a)im ‘trenne’ (schwachstufiges -Präsens). Eine t-Erweiterung erscheint u. a. in aind. kr̥-n-t-áti ‘scheidet’ (infigiertes Nasalpräsens; Perf. ca-kart-a); sie wäre auch für den Aorist ἔκερσα (wenn aus *ἔ-κερτ-σα) denkbar (Risch 219). — Die Zahl der einzelsprachlichen Nominalableitungen ist fast unabsehbar; dabei konnten selbstverständlich parallele Neubildungen entstehen. So decken sich formal ganz κέρμα und aind. cárman-, aw. čarəman- n. ‘Haut, Fell’, apreuss. kērmens m. ‘Leib’ (idg. *qér-men-); nur im Ablaut weichen voneinander ab κορμός und aksl. krъma f. ‘Steuerruder, Achterteil des Schiffes’, russ. kormá ‘puppis’ (zur Bed. Persson Beitr. 172 m. A. 1). — Weitere Formen bei WP. 2, 573ff., Pok. 938ff., W.-Hofmann s. carō, cēna, corium; daselbst auch reiche Lit. I-810-811

κείω, 1. κειέμεν, κείων, κείοντες usw. — desiderative oder futurische Formen von κεῖμαι, s. d. I-811

κείων 2. ‘spaltend’ (ξ 425) s. κεάζω. I-811

κεκαδών ‘berauben’ redupl. Ptz. Aor. Akt. ‘beraubend’ (Λ 334), κεκαδήσει Fut. ‘er wird berauben’ (φ 153 = 170), κεκαδῆσαι· βλάψαι, κακῶσαι, φείσασθαι, στερῆσαι H.; dazu das Med. ὑπὸ ... κεκάδοντο ‘sie wichen zurück’ (Δ 497 = Ο 574) und das intr. Plusquamperf. ἐκεκήδει· ὑπε<κε>χωρήκει H. — Die Bedeutungsverschiedenheit zwischen den akt.-transitiven und den med.-intr. Formen läßt sich wohl aus der Diathese erklären. Aus dem Griechischen gehört hierher noch κάδυρος· κάπρος ἄνορχις H. (v. Blumenthal Hesychst. 39); unsicher κάδαμος· τυφλός. Σαλαμίνιοι H. — Anknüpfung an κήδω ‘betrüben usw.’ ist ebenfalls denkbar, aber nur, wenn man die sonst naheliegende Verbindung mit aind. kadanam n. ‘Vernichtung’ (ep. klass.) aufgeben will. — Fern bleiben lat. cadō (Fick 1, 42) und cēdō (Bechtel Lex. s. κεκάδοντο mit Kuhn KZ 1, 92), wohl auch χάζομαι (Schwyzer 748 als Hypothese). I-811

κέκασμαι, (ἐ)κέκαστο (ep. poet. seit Il.), κεκαδμένος (Pi. O. 1, 27) ‘sich auszeichnen, übertreffen, sich rüsten’ (zu -σμ- aus -δμ- Schwyzer 208 und 773). Davon κάδμος· δόρυ, λόφος, ἀσπίς. Κρῆτες H. (d. h. "Rüstung"; vgl. Bechtel Dial. 2, 787), wohl auch die EN Κάδμος, att. Vasen Κασσμος (anders Schulze Kl. Schr. 698 und Bottiglioni Glotta 21, 55f.) und Κάστωρ (s. d.); ebenso Καστι-άνειρα (Θ 305). — Ein synonymes Perf. Akt. besitzt das Aind. in śāśadúḥ, Ptz. śā́śadāna- ‘sich auszeichnen, hervorragen’. Ganz unsicher ist die Verbindung mit mir. cā(i)d ‘heilig’, gall. caddos ‘sanctus’; fernzuhalten lat. Camēnae, s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. — Zu κέκασμαι wurde als Analogiebildung ein Präsens καίνυμαι geschaffen, s. d. I-811-812

κεκαφηότα Ptz. Perf. Akt. m. sg. mit θυμόν (Ε 698, ε 468); in später Epik (Opp., Nonn.) mit γυῖα, δέμας oder absolut; auch -ηότας (Nonn.) und -ηότι (θυμῷ, ταρσῷ; Opp., AP). Der bei den Späteren unverkennbare intr. Gebrauch ‘erschöpft, ermüdet’ trifft auch für Homer zu (θυμόν somit entweder Objekt zum Hauptverb oder Akk. der Beziehung); eine trans. Bedeutung ‘aushauchend’ ist bei einem alten Perfekt ausgeschlossen; vgl. Nehring ClassPhil. 42, 113ff. — Schon von Kuhn KZ 1, 137 mit dem hochstufigen Ind. κέκηφε· τέθνηκεν H. verbunden; zum Ptz. auf -ηώς Schwyzer 770, Chantraine Gramm. hom. 1, 428. Weitere Anknüpfungen sind hypothetisch: zu ἐκάπυσσεν (ψυχήν Χ 467), ἐγκάπτει· ἐκπνεῖ H. usw. (s. καπνός; Kuhn, Curtius, Osthoff u. a.); zu κηφήν, κωφός (Bezzenberger BB 5, 313, Solmsen Wortforsch. 123, Bechtel Lex. s. v.). I-812

κεκῆνας · λαγωούς. Κρῆτες H. — Nicht sicher erklärt. Zur Bildung vgl. λειχήν, κωλήν u. a. (Chantraine Formation 167f., Schwyzer 487); als Grundlage kann sowohl ein Verb wie ein Nomen in Betracht kommen. Die Zusammenstellung mit aind. śaśá- ‘Hase’ (zuletzt Mayrhofer Stud. z. idg. Grundspr. 27ff.), wozu sekundär śaśati ‘springen’, setzt eine dialektische idg. Assimilation -s > - voraus (Schwyzer 302), da śaśá- ja von dem weitverbreiteten Namen des Hasen (germ., z. B. ahd. haso, apreuss. sasins, kymr. cein-ach < *ḱasnī) nicht zu trennen ist. Eine solche Assimilation ist aber besonders wegen der neuiran. und Pamirformen (z. B. pashto sōe, wakhi süi, Morgenstierne Pashto 66) nicht wahrscheinlich. — Von Solmsen Wortforsch. 144f. wird κεκήν mit einem im Slavischen, Germanischen und Keltischen vertretenen Verb für ‘springen usw.’ verbunden, z. B. aksl. skočiti ‘springen’, ahd. scëhan ‘eilen, schnell fortgehen’, kymr. scochid ‘weicht, geht fort, zu Ende’, idg. sqeq-; man muß dann für κεκήν eine Anlautsvariante qeq- annehmen. I-812

Κέκροψ, -οπος m. mythischer König Athens, halb Mann, halb Schlange; davon Κεκρόπιος, f. -πίς ‘kekropisch, attisch’, Κεκροπία f. = Athen, -πίδαι N. der Athener (ion. att.). — Nach Hekat. 119 J. fremden Ursprungs; Kretschmer Glotta 4, 309 will es dagegen durch Metathese aus *Κέρκοψ ‘mit Schwanz versehen’ erklären. I-812-813

κεκρύφαλος m. ‘weibliche Netzhaube, von der ἀναδέσμη umwunden’ (seit Il.), auch ‘Teil des Hauptgestells des Zaumzeugs’ (X., att. Inschr.), ‘Bauch des Jagdnetzes’ (X., Plu.), ‘der zweite Magen der Wiederkäuer, Netzmagen’ (Arist. u. a.; Strömberg Wortstudien 63f.). — Technisches Wort unbekannter, wohl asiatischer Herkunft, vielleicht nach κρύφα, κρύπτω umgebildet. Unhaltbare idg. (κρύπτω, κορυφή, κρόκη) und semitische Etymologien bei Bq. I-813

Κεκυπώσιος (μήν) m. Monatsname in Zelea (Mysien; SIG 279, 17, IVa). — Nach Schwyzer KZ 65, 248 A. 1 s. v.a. "Kukkucksmonat", der Monat, in dem üblicherweise der Kuckuck zu rufen beginnt, viell. illyrisch-thrakisch; nach einem onomatopoetischen Namen des Kuckucks. I-813

κέλαδος m. ‘Getöse, Lärm, scharfer Laut’ (ep. poet. seit Il.; zur Bedeutung und Verbreitung Trümpy Fachausdrücke 155). Vereinzelt in Kompp., z. B. κελαδο-δρόμος ‘ihren Lauf durch den Jagdlärm nehmend’ (Orph.; von Artemis), δυσ-κέλαδος ‘mit unheimlichem Getöse’ (Π 357 usw.); zu Εγκέλαδος s. bes. Ableitungen: κελαδεινός, äol. (Pi.) -εννός ‘lärmend, tosend’ (ep. lyr. seit Il.; analogisch nach den Adj. auf -εινός, Chantraine Formation 195f.); κελαδῆτις ‘ds.’ (γλῶσσα, Pi. N. 4, 86; Fraenkel Nom. ag. 1, 164f., Redard 10); κελάδων, -οντος ‘ds.’ (ep. seit Il.), auch als Flußname (Η 133; dazu Krahe Beitr. z. Namenforsch. 2, 236; 3, 162), eher Sekundärbildung auf -ντ- (vgl. zu ἱμάς m. Lit.) als von einem Denominativum *κελάδω (Schwyzer 723, Bechtel Lex. s. κέλαδος). Denominativum κελαδέω, Aor. κελαδῆσαι ‘rauschen, lärmen, zwitschern usw.’ auch trans. ‘besingen’ (ep. lyr. seit Il.) mit κελάδημα (E. in lyr. u. a.). — Der Bildung nach zu ὅμαδος, χρόμαδος, ῥοῖβδος und anderen Schallwörtern stimmend (Schwyzer 508, Chantraine Formation 359f.), gehört κέλαδος (idg. qelə-) zu καλέ-σαι, κλη-τός mit derselben Hochstufe wie in τελα-μών neben τλή-μων (dor. τλά̄-μων). Anders Zupitza KZ 36, 55: κέλα-δος aus qeln̥- (vgl. die Nomina auf -άδ-, Chantraine 349ff.). — Weiteres s. καλέω; vgl. auch κελαρύζω. I-813

κελαινός ‘schwarz, dunkel, finster’ (ep. poet. seit Il.). Als Vorderglied u. a. (mit Haplologie) in κελαι(νο)-νεφής ‘schwarzwolkig’, von Ζεύς (Hom., Pi.); auch von αἷμα (Hom.), von πεδίον, σκότος (Pi.), zur Erklärung (Umbeziehung in einem vorhomerischen Vers?) Leumann Hom. Wörter 202ff. Denominative Verba: κελαινόομαι ‘dunkel werden’ (A. Ch. 413, lyr.), κελαινιάω ‘schwarz sein’ (Opp., Nonn.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω, Schwyzer 732). — Morphologisch isoliert und somit schwierig zu beurteilen. Zum Ausgang vgl. περκνός, ἐρεμνός u. a., aber das vorausgehende κελαι- bleibt dabei unverständlich. Bei Annahme eines ιο-Suffixes (mit Metathese) kommt man dagegen zunächst auf einen n-Stamm zurück, der auch in lat. colum-ba ‘Taube’ (nach der Farbe) vorliegen kann (Prellwitz BB 22, 102f.). Dagegen ist aind. kalaṅka- m. ‘Fleck, Schmutz’ als mutmaßliches dravidisches LW fernzuhalten (Mayrhofer Wb. s. v.). — Weiteres s. κηλίς; vgl. auch κόλυμβος und κιλλός. I-813-814

κελαρύζω nur Präsensstamm mit Ausnahme vom Aor. κελάρυξε (Lyr. Adesp. 90, 1) ‘rauschen, rieseln’, vom Wasser (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa). Davon κελάρυσμα ‘das Rauschen’ (Opp.), κελάρυξις ‘ds.’ (H.). — Expressives Schallwort auf -(ρ)ύζω wie τονθορύζω, γογγύζω, ὀλολύζω, κλύζω, wohl zu κέλωρ· φωνή H. (wozu noch κελωρύειν, -ρύσας H.), u. zw. zunächst entweder von einem Adjektiv *κελαρός, -ής (wie ὕδωρ : ὑδαρής u. a.; dazu Bechtel Lex. s. v.) oder von einer Nebenform *κέλαρ (wie τέκμωρ : τέκμαρ; dazu Bq und Benveniste Origines 17); letzten Endes zu κέλαδος, καλέω, s. dd. I-814

κελεα, auch -εια, -ηα, -οια, -υα f. (auch n. pl.?) Bez. eines jugendlichen Agons in Sparta (lakon. Inschr., Kaiserzeit), vgl. Bechtel Dial. 2, 376. — Über eine Hypothese von Laum s. Wahrmann Glotta 17, 242. I-814

κελέβη f. ‘Gefäß mit großer Öffnung, Art Mischkrug’ (Anakr., Theok., Kall. usw.) mit κελεβήϊον (Antim. 17). — Auffallend ist die Ähnlichkeit mit hebr. koeloeb ‘Gefäß’ (Lewy Fremdw. 104); somit wohl semitisch oder Mittelmeerwort, vgl. Kretschmer Glotta 11, 284. Nach Güntert Labyrinth 27 A. 2 zu lat. calpar; s. zu κάλπις. — Verfehlte idg. Etymologien bei Bq. I-814

κελεΐς · ἀξίνη H. S. κελεός. I-814

κελέοντες m. pl. ‘die Bäume des stehenden Webstuhls’ (Ar. Fr. 795, Antipho Fr. 11, Theok., Ant. Lib.), nach H. auch = ’τὰ ὁπωσοῦν μακρὰ ξύλα, δοκοί, ἱστοί’. — Wohl eig. als "die Emporragenden" Ptz. Präs. von *κελέω, Denominativum von *κέλος, formal = aksl. čelo ‘Stirn’ mit weiterem Anschluß an κολοφών, κολωνός, s. d. Frisk IF 49, 97f. — Nicht mit H. zu κελοί = ξύλα, vgl. zu κελεός. S. auch 1. κέλωρ. — Hierher noch Celetrum Stadt im westlichen Makedonien (Liv. 31, 40; vgl. Frisk Symb. Oslo. 11, 64ff. mit Unhaltbarem über Κελένδερις, κελένδρυ(ν)ον)? I-814

κελεός m. ‘Grünspecht, Picus viridis’ (Arist.). — Bildung wie γαλεός, θυρεός, εἰλεός u. a. (Chantraine Formation 51) und letzten Endes wohl als "der Hauer" od. ähnl. mit κελοί = ξύλα (H. s. κελέοντας) zu κολάπτω, κόλος (s. dd.). Nach Bechtel KZ 44, 357 zu lit. kùlti ‘dreschen’; Zweifel bei Kretschmer Glotta 5, 309. Huber Comm. Aenip. 9, 16 sieht in der schwankenden Überlieferung (vv. ll. καλιός, κολιός usw.) ein Indiz fremder Herkunft. Eine Deminutivbildung scheint in κελεΐς· ἀξίνη H. ("die Hauerin") vorzuliegen. I-815

κελέτρα f. (IG 9 : 2, 521, Larissa IIIa). - Geländebezeichnung, aber nähere Bedeutung unbekannt, — mithin etymologisch schwierig zu beurteilen. Hypothese von Frisk Symb. Oslo. 11, 64ff.: als ‘Trift’ zu κέλομαι, κέλλω. Anders v. Blumenthal Hermes 74, 98f.; eig. ‘Ölkelter, Ölpresse’ zu κολετράω, s. d. I-815

κέλευθος f., pl. auch -α n. (zum fem. Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 2, zum neutr. Plur. Egli Heteroklisie 125) ‘Weg, Pfad, Bahn, Reise’ (ep. poet. seit Il., auch IG 5 [2] 3, 23, Tegea IVa). Vereinzelt als Vorderglied, z. B. κελευθο-ποιός ‘Weg bahnend’ (A.), öfter als Hinterglied, z. B. ἱππο-κέλευθος ‘den Weg zu Pferd machend, Wagenkämpfer’ (Il., von Patroklos); zu ἀκόλουθος s. bes. Wenige Ableitungen: κελεύθειᾰ f. ‘Weggöttin’, Beiname der Athena in Sparta (Paus. 3, 12, 4; nach den Nomina auf -ειᾰ), κελευθείας· τὰς ἐνοδίους δαίμονας H.; κελευθήτης ‘Reisender’ (AP 6, 120), nach ἀγυιήτης, πολιήτης u. a.; eine Änderung in das geläufigere -ίτης (z. B. von Redard Les noms grecs en -της 33 empfohlen) ist (trotz ὁδίτης) nicht geboten. — Zu κέλευθος u. Verw. im allg. Ruijgh L’élément achéen 123f. — Die Schwierigkeit, für ein θ-Suffix ein unmittelbar einleuchtendes Vorbild zu finden, hat zu mehreren Versuchen Anlaß gegeben, κέλευθος mit ἐλευθ- in ἐλεύσομαι usw. zu verknüpfen. So Brugmann Sächs. Ber. 1897, 28 (κέλευθος aus κελεύειν und ἐλευθ- kontaminiert), Pisani Rend. Acc. Lincei 6 : 5, 9 (aus κε- in κεῖνος u. a. und ἐλευθ-; dagegen Kretschmer Glotta 20, 253), ders. Ist. Lomb. 77, 552f. (aus *κελο-λευθος; von κέλομαι). Anders, nicht besser, Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 373ff.: κέλευθος nach κέλομαι umgebildet für *κλεῦθος (zu κλύω, s. d.). Unmittelbarer Anschluß an κελεύειν wird dagegen von Specht Ursprung 254 und 280 gelehrt, indem er, wenig überzeugend, das suffixale θ als idg. th in dem synonymen aind. pánthāḥ ‘Weg’ (vgl. zu πόντος) und in dem stammverwandten lit. keliū́ta ‘Weg’ wiederfinden will. Letzteres ist aber offenbar von kẽli-as ‘Weg, Straße, Bahn’ gebildet und steht mit κέλευθος in keinem unmittelbaren Zusammenhang; vgl. Fraenkel KZ 72, 177. Ebensowenig sind au in dem denominativen keli-áuti ‘wandern, reisen’ und ευ in κέλευθος miteinander gleichzusetzen (dafür Fraenkel Lit. et. Wb. s. kẽlias). Dagegen könnten kẽl-i-as und κέλ-ευ-θος einen alten Suffixwechsel i : eu (u) repräsentieren (Specht Ursprung 143). — Weiteres s. κελεύω. I-815-816

κελεύω, -ομαι, Aor. κελεῦσαι, -σασθαι, oft mit Präfix, z. B. παρα-, δια-, ἐπι-, ἐν-, ‘antreiben, auffordern, befehlen’ (seit Il.). Ableitungen, auch von den Präfixkompp. (hier nicht besonders notiert): κέλευ(σ)μα ‘Aufforderung, Befehl’ (ion. att.), auch ‘Zuruf des κελευστής’ (s. u.), woraus rom. LW, z. B. ital. ciurma, frz. chiourme ‘Gesamtheit der Ruderknechte eines Schiffes’ (vgl. Kahane Byz.-Neugriech. Jbb. 15, 97), κελευσμός (ion. att.), κελευσμοσύνη (Hdt.), κέλευσις (att. usw.) ‘ds.’ (zum analogischen -σ- in κέλευσμα usw. Schwyzer 773 und 761); κελευστής "Antreiber", d. h. ‘Rudermeister’ (att. usw.; zur Bedeutung Richardson Class. Quart. 37, 55ff.); κελευστικός ‘auffordernd’ (att. usw.). Erweitertes Ptz.: κελευτιόων, -όωντε (-άων, -άοντε) ‘anfeuernd’ (Ν 125, Μ 265), Vorbild unklar, vgl. Schwyzer 732 m. A. 5 und Lit. — Von κέλομαι ‘antreiben, in Bewegung setzen’ mit einer unerklärten ευ-Erweiterung, deren Alter aus κέλευθος ‘Weg’ (zur Bed. vgl. u. a. Weg: be-wegen, ἄγυια : ἄγειν und Luther Weltansicht und Geistesleben 28f.) hervorgeht und die auch in τελευ-τή vorzuliegen scheint. Nicht wahrscheinlich Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 367ff.: κελεύω nach κέλομαι für *κλεύω zu *κλεῦσαι ‘aufhorchen lassen’ (zu κλύω); dagegen Frisk GHÅ 56 : 3, 8f. I-816

κελεφός ‘aussätzig’ (Cat. Cod. Astr. 8 (4), 189) mit κελεφία ‘Aussatz, lepra’ (Kyran. 15). Als Vorderglied κελυφο-κομεῖον ‘Krankenhaus für Aussätzige’ (BMus. Cat. Copt. MSS. p. 453, Nr. 1077). — Zum Ausgang vgl. das synonyme ἀλφός ‘lepra’; sonst unklar. Strömberg Wortstudien 99, wie vor ihm Lewy Fremdw. 70, sieht darin nur eine lautliche Variante von κέλυφος ‘Schale’ (mit oppositivem Akzent), was semantisch gewiß möglich ist. Fremder Ursprung (vgl. Chantraine Formation 264) kommt bei diesem technischen Wort natürlich auch in Betracht. — Idg. Wurzeletymologie (zu σκάλλω usw.) bei Bq, WP. 2, 591, Pok. 924. Abzulehnen Mann Lang. 28, 34. I-816

κέλης, -ητος ‘Renner’ (seit ι 371; vgl. Delebecque Cheval 49f.), ‘schnellsegelndes Schiff’ (ion. att.), auch κέληξ ‘Renner’ (IG 5 : 1, 213; Sparta Va). m. Davon κελήτιον ‘Schaluppe’ (Th., App.); κελητίζω ‘auf Rennpferden (als Kunstreiter) reiten’ (Ο 679 usw.), κελητιᾶν· κελητίζειν, ἱππεύειν H. — Bildung auf -ητ- bzw. -ηκ- (Schwyzer 499 und 496), wohl von κέλομαι ‘antreiben’ (s. d.). Davon lat. celēs, celōx (nach vēlōx) ‘schnellsegelndes Schiff’. — Ganz fraglich ist die Zusammenstellung mit aw. čarāitī ‘junge Frau’ (wohl zu čar- ‘sich bewegen’, s. πέλομαι) und mit germ., z. B. ahd. helid ‘Held’ (Johansson WZKM 19, 237, Meillet MSL 17, 114). I-816-817

κελλάς · μονόφθαλμος H. — Wenn nicht expressive Gemination, muß -λλ- auf -λν- zurückgehen. Dann ist κελλάς als Fem. von κελλός zu betrachten, das tatsächlich auch bei H. belegt ist, allerdings im Sinn von στρεβλός, πλάγιος (vgl. zu κυλλός), und entweder auf einen nominalen n-Stamm zurückgeht oder zu einem Verb mit no-Suffix gebildet ist (idg. *qel-n--s oder *qel-nó-s). Eine auffallende semantische Übereinstimmung zeigen indessen air. (akymr.?) coll, aind. kāṇá- ‘einäugig’, die idg. *qol-no- repräsentieren können (vgl. Mayrhofer Wb. s. v.) und sich dann nur im Ablaut von κελλάς unterscheiden wurden. Lit. bei WP. 1, 436, u. a. Persson Beitr. 2, 646f. u. 960f. I-817

κέλλω (Gramm.), Aor. κέλσαι (ep. poet. seit Od.; zum Lautlichen Schwyzer 285), Fut. κέλσω (A., E.), κελῶ (H.) ‘antreiben (tr. u. intr.), bewegen, anfahren, landen’, auch mit Präfix, bes. ὀ-κέλλω, Aor. ὀκεῖλαι (ion. att.), vereinzelt ἐπι-, ἐγ-, εἰσ-, συγ-κέλσαι (ep., auch Hp., Ar.), ἐπ-έκειλα Act. Ap. 27, 41. Daneben κέλομαι (ep. poet. seit Il., dor.), Aor. (ἐ)κέκλετο (ep. poet. seit Il.) mit neuem Präsens κέκλομαι (A. R.), (ἐ)κελήσατο (Pi., Epich., Epid.), Fut. κελήσομαι (κ 296), vereinzelt mit ἐπι-, παρα-, ‘antreiben, auffordern, zurufen’. Dazu das athematische κέντο (Alkm. 141) aus *κέλτο (zum Lautlichen Schwyzer 213, zur Bildung ebd. 678f.). — Ableitungen κέλης, κελεύω, κλόνος, s. dd. — Die semantisch eng verwandten κέλλω (Jotpräsens) und κέλομαι laufen formal ohne Vermischung nebeneinander her. Die ursprüngliche Zusammengehörigkeit ist aber kaum anzuzweifeln, obwohl für κέλομαι die Bedeutung ‘zurufen’ an καλεῖν denken lassen könnte (so zuletzt Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 367f., Specht KZ 59, 86ff.); sie dürfte trotzdem aus ‘antreiben, auffordern’ sekundär entwickelt sein. — Die übrigen Sprachen bieten keine Formen, die zu den griechisehen genau stimmen. Semantisch am nächsten steht das sekundäre Präsens aind. kalayati (kāl-) ‘treibt’. Zu beachten ist auch der Wurzelaorist toch. A śäl, B śala ‘er brachte’, pl. kalar, śälāre (Pedersen Tocharisch 183ff.), wozu ein nā- Präsens källāṣ, källāṣṣäṃ; weder Bedeutung noch Form sind aber eindeutig. Dasselbe gilt für alb. qil ‘bringe, trage’ und für germ., z. B. got haldanβόσκειν, ποιμαίνειν’, nhd. halten. Eine Nominalbildung ist lat. celer ‘schnell’; ganz unsicher dagegen lat. celeber ‘belebt’. I-817-818

κέλῦφος n. ‘Frucht-, Zwiebel-, Eierschale usw., Hülse’ (Ar. V. 545 [lyr.], Arist., Thphr., AP u. a.). Davon κελύφιον (Arist.), κελύφανον ‘ds.’ (Lyk., Luk.) mit κελυφανώδης ‘schalenähnlich’ (Thphr.); auch κολύφανον· φλοιός, λεπύριον H. (-ο- nach κολεός u. a., vgl. Grošelj Razprave 2, 43). — Zum neutralen Genus, das bei φ-Ableitungen nur ganz ausnahmsweise erscheint, vgl. die synonymen σκῦτος, νάκος, δέρος u. a. Als "Hülle" gehört κέλυφος unzweifelhaft zur Sippe von καλύπτω; auszugehen ist von dem hochstufigen Verb, das in ahd. helan usw. (s. καλύπτω) vorliegt, wobei man für die Herkunft des ῦ auf Vermutungen hingewiesen ist; vgl. zu κολέος. — Abzulehnen Sütterlin IF 25, 67, Pisani Jb. f. kleinas. Forsch. 3, 150. I-818

κέλωρ 1., -ωρος m. ‘Abkömmling, Sohn’ (E. Andr. 1033 [lyr.], Lyk. u. a.); davon κελώριον· παιδίον H. — Wegen des Ausgangs (wie ἕλωρ, τέκμωρ u. a.; Schwyzer 519) vielleicht eig. n. ‘Nachkommenschaft’. Wenn aus *κέρωρ dissimiliert, tritt κέλ-ωρ als r-Stamm an die Seite des alten s-Stamms in lat. Cerēs, ahd. hirsi ‘Hirse’, arm. seṙ (idg. *ḱer-s-i-) ‘Geschlecht, Nachkommenschaft’; ein alternierender n-Stamm läßt sich in alb. thjerrë (< *ḱer-n-) ‘Linse’, eig. ‘Futter, Nahrung’ vermuten. Bq s. v. und MSL 17, 113ff.; reiche Lit. bei WP. 1, 408 (Pok. 577), W.-Hofmann s. Cerēs. Weiteres s. κορέννυμι und κόρη. — Anders, gewiß nicht besser, Frisk IF 49, 98. I-818

κέλωρ 2. · ἐκτομίας, γάλλος, σπάδων H. — Wenn aus *κέρωρ dissimiliert, wohl mit Bq zu κείρω, s. d. Ein alternierender n-Stamm z. B. in lat. carō, -nis urspr. *‘Abschnitt, Stück’. I-818

κέλωρ 3. · φωνή H. mit κελωρύειν· κεκραγέναι, βοᾶν (H., Phot.), κελωρύσας· φωνήσας, βοήσας (H.). — S. κελαρύζω. I-818

κεμάς, -άδος ‘Hirschkalb, junger Hirsch, junge Hindin, Spießer’ (Κ 361, A. R., Kall., auch späte Prosa); auch κεμμάς (Q. S., AP, H.; hypokoristische Gemination) und κεμφάς (H.; nach den Tiernamen auf -φάς, -φος wie γρομφάς); f. κεμαδο-σσόος ‘Hirschkälber jagend’ (Nonn.). Davon κεμήλιος Bein. des Dionysos (Alk. G 1, 8); wohl nach der Tracht, vgl. Gentili Maia 2 : 3-4, 2f., Nilsson Gr. Rel. 1, 570f.; Suffix indessen auffallend; vgl. Risch IF 33, 195 mit anderen Deutungen; s. auch zu κειμήλιον; — auch κέμων· ἑτερόφθαλμος H. (Grošelj Razprave 2, 42)? — Ableitung auf -άς, u. zw. entweder von einem o-Stamm *κέμος = aind. śámaḥ ‘hornlos’ (λίθος : λιθάς) oder von einem m-Stamm (νίφ-α : νιφάς), der auch dem german. Wort für ‘Hindin’, z. B. ahd. hinta f. zugrunde liegt (urg. *hin-ðī́ [-ði̯ō] < idg. *ḱem-tī́ wie hund, urg. *hun-ða- < idg. *ḱu̯n̥-tó-; s. κύων). Direkte suffixale Verbindung zwischen κεμάς und dem german. Wort ist nicht anzunehmen. Die Schwundstufe des m-Stammes ist in lit. šm-ùlas ‘hornlos’ erhalten. — Abweichend über die Stammbildung WP. 1, 385f. (mit reicher Lit.); verfehlt Specht Ursprung 132 u. 264. Vgl. noch Lüders KZ 56, 282ff. I-818-819

κενέβρεια ‘Tierleiche, Aas’ (Ar. Av. 538, Erot., Phot.) n. pl., auch sg. (Ael. NA 6, 2) — Unerklärt. Vgl. κινάβρα. I-819

κενεών ‘die Weichen’ s. κενός. I-819

κενός (att.), ep., auch ion., kypr. und epid. κενε(ϝ)ός, ep. ion. poet. κεινός ‘leer, eitel’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z. B. κενε-αυχέες (Vok. pl. Θ 230, -έα AP, κεν-αυχής Plu., AP) ‘leer, eitel prahlend’; Hinterglied zu αὐχέω, wenn nicht danach umgebildet für -ευχέες (zu εὖχος, εὔχομαι), Wackernagel Unt. 65, Bechtel Lex. s. v.; κέν-ανδρος ‘leer an Männern’ (A. Pers. 119 [lyr.], S. OC 917) mit -ία (A. Pers. 730 [troch.]), vgl. Sommer Nominalkomp. 191; κεν-εμβατέω ‘ins Leere treten, fehltreten, in eine Höhlung stoßen’ mit κενεμβάτησις (Plu., Mediz. u. a.), wie von *κεν-εμβάτης nach anderen Ableitungen auf -βατέω von Zusammenbildungen mit -βά-της. Ableitungen: κενεών, -ῶνος m. ‘der leere Raum zwischen Hüften und Rippen, die Weichen’ (ep. ion., X., LXX usw.; zur Bildung Schwyzer 488 und Chantraine Formation 164); κενεότης, -νότης f. ‘Leere’ (ion. bzw. att.); κενήριον = κενοτάφιον (hekl.), wohl nach ἠρίον, wenn nicht damit zusammengesetzt (danach ψευδήριον ‘ds.’ [Lyk.]). Denominatives Verb κενόω, -νεόω ‘entleeren, veröden’ (ion. att.) mit κένωσις, -νέωσις ‘Entleerung’ (ion. poet., att.), wozu κενώσιμος (Anon. ap. Suid.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 99), κένωμα, -νέωμα ‘leerer Raum’ (hell. u. sp.), κενωτικός ‘ausleerend usw.’ (Gal. u. a.). — Zu κενός, ion. κεινός, beide aus *κενϝός, vgl. z. B. στενϝός; zu κενεϝός stimmt ἐτεϝός; auszugehen ist somit wahrscheinlich von einem υ-Stamm *κενύς. — Angesichts der stark wechselnden Ausdrücke für ‘leer’ ist die Übereinstimmung zwischen κενός und arm. sin, Gen. sn-oy (o-St.) ‘ds.’ (idg. *ḱen-, Stamm unsicher) auffällig und zeugt von den nahen Beziehungen dieser Sprachen zueinander (vgl. z. B. Schwyzer 57, Porzig Gliederung 157). I-819

Κένταυροι m. pl. Ben. mythischer Wald- und Bergbewohner, halb Menschen, halb Pferde; bei Homer, wo die Pferdegestalt noch ganz zurücktritt, auf die Gegend von Pelion und Ossa beschränkt (seit Il.). Davon Κενταύρειος ‘zu den K. gehörig’ (E., Luk.), -(ε)ιον N. einer Heilpflanze, ‘Centaurea salonitana’ (Thphr., Dsk., Pap. u. a.; nach dem kräuterkundigen Kentauren Cheiron, daher auch χειρωνιάς genannt; Strömberg Pflanzennamen 100), auch Κενταυρίη (Hp.) und -ρίς (Thphr.) ‘ds.’; Κενταυρ-ικός ‘kentaurenartig, wild, roh’ (Ar.), -ίδης ‘von Kentauren stammend’ (Luk.). — Eigentliche Bedeutung unbekannt, mithin ohne Etymologie; wahrscheinlich Fremdwort. Der alte verfehlte Vergleich mit aind. Gandharvá- m. N. eines mythischen Wesens (Kuhn KZ 1, 513ff.) wird noch von Carnoy Le Muséon 49, 99f. und von Dumézil Le Problème des Centaures (Paris 1929) 253ff. (wo noch lat. februum herangezogen wird) verteidigt. Oft mit κεντεῖν ‘stacheln’ verbunden mit verschiedenen Auffassungen des Hinterglieds: zu einem angeblichen *auro- ‘Pferd’ (Nazari Riv. fil. class. 32, 99); zu αὔρα ‘Luft’ (Mannhardt Antike Wald- und Feldkulte [1877] 39ff.); zu demselben Wort für ‘Wasser’, das u. a. auch in ἄναυρος ‘Gießbach’ (s. d.) vermutet wird (Kretschmer Glotta 10, 50ff., 211f.). Noch anders Sturtevant ClassPhil. 21, 235ff. (von Kretschmer Glotta 17, 249f. abgelehnt), v. Blumenthal ZNF 16, 155ff. — Ausführlich über die Kentauren Nilsson Gr. Rel. 1, 229ff. I-819-820

κεντέω (seit Pi.), Aor. κένσαι (Ψ 337), κεντῆσαι (Hp. usw., κέντᾱσα Theok. 19, 1), Pass. κεντηθῆναι (Arist.) mit κεντηθήσομαι (Hdt.), κεντήσω (S.), κεκέντημαι (Hp.), auch mit Präfix, z. B. κατα-, παρα-, ἀπο-, δια-, ‘stacheln, stechen’. Ableitungen. 1. Das aus κένσαι für *κέντ-σαι (Schwyzer 287) zu erschließende κεντ- (Präsens oder starker Aorist?; vgl. unten) ging vor Dental lautgemäß in κεσ- über. So κεσ-τός (< *κεντ-τός) ‘gestickt’ (ep., sp. Prosa; Ammann Μνήμης χάριν 1, 17); κέσ-τρον ‘spitzes Eisen usw.’ (Plin. u. a.) mit κεστρωτός und κέστρωσις (H.; *κεστρόω), κέσ-τρος ‘Art Pfeil usw.’ (Plb., D. H., H.) mit dem Demin. κεστρίον (Attika) und κέστρειον ‘Vorrat von Pfeilen (?)’ (Delos IIIa); κέσ-τρα f. ‘Spitzhammer, Bolzen’ (S., Ph. Bel., Hero), auch Fischname = σφύραινα (Ar. usw.; nach der Körperform, Strömberg Fischnamen 35); dazu κεστρεύς ‘Seebarbe’ (ion. att.; Bosshardt Die Nom. auf -ευς 51) und κεστρῖνος, -ινίσκος ‘ds.’ (Kom.). — 2. Durch Umbildung nach κεντ-έω (nicht mit ρο-Suffix nach Fraenkel KZ 42, 118 A. 1) entstand κέντρον ‘Stachel, Stachelstab’, als geometrischer term. techn. ‘ruhender Zirkelschenkel, Mittelpunkt eines Kreises’ (seit Il.), wovon eine Menge Komposita und Ableitungen, z. B. κεντρ-ηνεκής ‘mit dem Stachel angetrieben’ (Il.; vgl. mit anderer Funktion des Hinterglieds δουρ-, ποδ-ηνεκής); Subst. κέντρων s. bes.; Adj. wie κεντρικός, >κεντρώδης, κεντρήεις; Fisch- bzw. Pflanzennamen wie κεντρίνης, κεντρίσκος, κεντρίτης (Strömberg Fischnamen 47, Redard Les noms grecs en -της 83, 111); denominative Verba κεντρόω ‘mit einem Stachel versehen, stechen’ (ion. att.), κεντρίζω ‘stacheln’ (X. u. a.); von κέντρον auch als Rückbildung κέντωρ m. ‘Sporner’ (Il., AP; Fraenkel Glotta 2, 32). — 3. Von κεντέω (κεντῆ-σαι, -σω): κέντημα ‘der Stich, das Mosaik’ (Arist., Inschr. Smyrna [Kaiserzeit]), κεντητής ‘Mosaikarbeiter’ (Edict. Diocl.), κεντητήριον ‘Pfriem’ (Luk.), κεντητικός ‘stachelig’ (Thphr.), κεντητός ‘gestickt, mit Mosaik eingelegt’ (Epikt., Pap.). — 4. Mit altem Ablaut κοντός m. "der Stecher", ‘Stange, Schifferstange, Stab zum Antreiben des Viehs’ (seit ι 487; LW lat. contus mit percontor) mit κοντά-κιον, -άριον, -ίλος, -ωτός u. a.; dazu κοντός ‘kurz’ (Adam. u. a.) durch Loslösung aus κοντο-μάχος, -βόλος, -βολέω u. a., wo κοντός als ‘kurz’ aufgefaßt wurde; so schon in κοντο-πορεία (Plb. u. a.), s. Hatzidakis Festschrift Kretschmer 35ff., wo über die zahlreichen mittel- und neugr. Ableger; dazu Wahrmann Glotta 17, 234. — Zu dem sigmatischen Aorist κένσαι aus *κέντ-σαι wurde nach unbekanntem Vorbild ein Präsens κεντ-έω neugebildet (vgl. Schwyzer 706), wozu κεντῆ-σαι, κεντή-σω usw. — Aus anderen Sprachen kommen als Verwandte nur isolierte Nominalbildungen in Betracht: ahd. hantag ‘spitz’, Ableitung von urg. *handa- (formal = κοντός), lett. sīts ‘Jagdspieß’ (= lit. *šiñtas < idg. *ḱentos- n.?), wozu noch einige keltische Wörter, z. B. bret. kentr ‘Sporn’, kymr. cethr ‘Nagel’, die aber alle wahrscheinlich aus lat. centrum entlehnt sind. — Lit. bei Bq, WP. 1, 402, W.-Hofmann 2, 423, Pok. 567. I-820-821

κέντρον ‘ Stachel (stab) usw.’ s. κεντέω. I-821

κέντρων 1., -ωνος m. eig. "der den Stachel verdient", ‘Spitzbube’ (S. Fr. 329, Ar. Nu. 450). — Von κέντρον, s. κεντέω. I-821

κέντρων 2., -ωνος m. ‘Lumpenrock, Flickwerk usw.’ (hell. u. spät); davon κεντρωνάριον (Pap. -όριον) Bed. unbekannt (POxy. 2, 326 [Ip]). — Aus lat. centō ‘ds.’ entlehnt unter Anlehnung an κέντρον ("der zerstochen ist"); ob auch 1. κέντρων dabei mitgewirkt hat, bleibt bei der abweichenden Bedeutung ganz fraglich. I-821

κέπφος m. N. eines unbekannten Wasservogels, gewöhnlich, aber ohne eigentlichen Grund, mit dem Sturmvogel, Thalassidroma pelagica identifiziert (Arist., Thphr., Lyk., Nik.); auch übertr. von einem leicht zu täuschenden, einfältigen Menschen (Ar., Kall.). Davon κεπφόομαι ‘sich leicht täuschen lassen, einfältig sein’ (LXX, Cic.). — Das Wort enthält offenbar eine expressiv-volkstümliche Gemination, ist aber sonst unerklärt. Eine Nebenform ist κεμπός· κοῦφος, ἐλαφρὸς ἄνθρωπος H. (Grošelj Živa Ant. 7, 43; vgl. die Beschreibung des κέπφος bei H. : εἶδος ὀρνέου κουφοτάτου κτλ.). — Solmsen IF 30, 7 A. 1 vergleicht lat. hebes, aber der Vogelname ist ohne Zweifel primär. Zum Sachlichen Thompson Birds s. v. I-821-822

κεραΐζω (ep. ion. poet. seit Il.), Aor. κεραΐσαι (Hdt.), -ΐξαι (Nonn.), Fut. Inf. κεραϊξέμεν? (Π 830 nach Bekker für κεραϊζέμεν), auch mit ἐκ- (Kall., AP), ‘verwüsten, zerstören, vernichten’. Davon κεραϊστής ‘Zerstörer’ (h. Merc. 336; Zumbach Neuerungen 7), κεραϊσμός ‘Zerstörung’ (D. H.). — Die sekundäre Präsensbildung κεραΐζω, wovon alle übrigen Verbalformen ausgehen, hat wahrscheinlich ein älteres primäres Verb ersetzt, das in den Nasalpräsentia aind. śr̥ṇā́ti ‘zerbricht’, air. ar-a-chrin ‘zerfällt’ erhalten ist. Der zweisilbige Stamm κερα- hat ein genaues Gegenstück im aind. Aorist a-śarī-t (Länge des sekundär) und im air. Präteritum do-cer ‘er fiel’ (idg. ḱerə-). Im Griechischen ist er noch in ἀ-κέρα-ιος ‘unversehrt’, vielleicht auch in ἀ-κήρα-τος ‘ds.’ (η metr. Dehnung?, vgl. s. v.) vorhanden. Wie δαΐζω ‘zerschneiden’ eine Erweiterung von δαίω ist (vgl. s. v.), trat das sinnverwandte κεραΐζω an die Stelle des verschwundenen primären Verbs. Die Ansetzung eines vermittelnden Nomens *κερα-ϝός (Bechtel Lex. s. v., WP. 1, 410 u. A.; vgl. auch Schwyzer 735) ist nicht wahrscheinlich und jedenfalls überflüssig. — Unabhängige Bildungen sind κεραυνός und κήρ; s. dd. mit weiteren Anknüpfungen. I-822

κεραΐς f. (Lyk. 1317; Akk. -ΐδα). Nach den Scholl. z. St. Ben. eines kleinen Vogels, die an der fraglichen Stelle der Medea beigelegt wird. Darauf bezieht sich die H.-glosse κεραΐς· κορώνη. — Eig. fem. von κεραός ‘gehörnt’ und somit einen dem Geschlecht der Hornvögel (Bucerotidae) angehörigen Vogel bezeichnend. I-822

κεράϊς, nur Akk. κεράϊν (Thphr. HP 9, 15, 5; cerain Plin. HN 19, 82), nach Thphr. a. a. O. medizinische Benennung des wilden Rettichs, der ῥάφανος ἀγρία. — Die Ähnlichkeit mit dem slavischen Wort für ‘Meerrettich, Cochlearia Armoracia’, z. B. russ. chrén, čech. křen, muß, wenn nicht zufällig, auf Entlehnung aus gemeinsamer Quelle (Küsten des schwarzen Meeres?) zurückgehen. Schrader-Nehring Reallex. 2, 55; weitere Lit. bei Vasmer Russ. et. Wb. s. v. I-822

κεράμβυξ, -υκος m. Käferart mit langen Fühlhörnern, ‘Hornschröter’ (Nik. Fr. 39, H.; zur Bed. Goossens L’Ant. Class. 17, 263ff.). — Volkstümliche Bildung von κέρας durch Kombination eines labialen und eines gutturalen Elements; vgl. einerseits σήραμβος, κόλυμβος, κόρυμβος u. a. (Chantraine Formation 261), anderseits βόμβυξ, ὄρτυξ usw. (ebd. 383 und 397). Eine andere Bildung ist κεράμβηλον, von H. u. a. mit κάνθαρος glossiert; vgl. πέτηλος, κίβδηλος u. a. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 406. I-822-823

κέραμος m. ‘Töpfererde, Ziegel, Ziegeldach, Tongefäß, Topf, Krug, Faß’ (seit Ik.), Ε 387 als (unterirdisches) Gefängnis gebraucht, eine Bedeutung, die vom Schol. z. St. auch den Kypriern zugeschrieben wird, aber nach Leumann Hom. Wörter 270 A. 17 und 273 vielmehr als hom. Nachbildung aus den Κύπρια ἔπη stammt (vgl. indessen Latte Glotta 34, 200ff. mit überzeugenden Gegenargumenten, auch σιρός· πίθος, δεσμωτήριον H.; dazu Bechtel Dial. 1, 450). Kompp., z. B. κεραμουργός ‘Töpfer’ (hell.). Zahlreiche Ableitungen: A. Stoffadjektiva: κερά-μινος (Hdt. u. a.), -μικός (ion. att.), -μεος (Pl. u. a.), -μεοῦς (att., hell.; nach ἐρεοῦς von ἐρέα), -μοῦς (hell.), -μαῖος (Plb.), -μιος (Str.), -μήϊος (Nik.), -μῖτις (Hp., Plu. usw.; Redard Les noms grecs en -της 107). — B. Substantiva. 1. κεραμεύς ‘Töpfer’ (seit Il.; myk. ke-ra-me-u) mit Κεραμεικός m. "Töpfermarkt", ein großer Platz in Athen, auch als Adj. = -μικός (X. u. a.), κεραμευτικός ‘zum Töpfer gehörig’ (D. S. u. a.), κεραμεῖον ‘Töpferwerkstatt’ (att. usw.), κεραμεύω ‘aus Ton herstellen, Töpfer sein’ (att.) mit κεραμεία ‘Töpferei’ (Pl. u. a.). 2. κεράμιον ‘irdenes Gefäß, Tonkrug, Faß’ (ion. att.) mit κεραμύλλιον ‘Krüglein’ (Delos, Pap., IIIa; Leumann Glotta 32, 215). 3. κεραμίς f. ‘Dachziegel, (Ziegel)dach’ (ion. att.) mit κεραμίδιον (spät) und κεραμιδόω ‘mit Ziegel decken’ (Arist. usw.). 4. κεραμ(ε)ών ‘Töpferei’ (Ar. Lys. 200, Hdn. Gr. 1, 32; 40). — Denominatives Verb κεραμόω ‘mit Ziegel decken’ (att. Inschr. usw.) mit κεραμωτός (Plb., Str.), κεράμωσις (Epid. IVa usw.). — Ohne sichere Etymologie. Die Anknüpfung an κερά-σαι, κεράννυμι (Prellwitz mit Hirt u. A.) ist formal tadellos, aber semantisch nicht befriedigend. Direkter Zusammenhang mit lat. cremāre als "terra coctilis" (Vaniček) ist formal schwer zu begründen; wir hätten vielmehr auf ein Verb qer- ‘brennen, glühen, heizen’ zurückzugreifen (WP. 1, 418f., Pokorny 571f.), das in verschiedenen baltischen und germanischen Nominalableitungen vermutet worden ist, z. B. lit. kárštas ‘heiß, glühend, brennend’ (daneben kir̃š-ti ‘aufgebracht werden, in Zorn geraten’), got. haúri n. ‘Kohle’, ahd. herd ‘Herd’; hinzu kommt das mehrdeutige aind. kūḍayati ‘versengt, verbrennt’; dagegen scheidet das primäre lit. kùrti ‘feuern, heizen’ aus, weil eig. ‘(Feuer) anmachen’, s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. v. Da aber unter den Wörtern auf -(α)μο- nicht wenige fremder Herkunft verdächtig sind (Chantraine Formation 133f., Schwyzer 493f.), ist bei diesem technischen Ausdruck des Ziegelsteinbaus auch mit vorgr.-kleinasiatischem Ursprung zu rechnen; zu beachten der karische ON Κέραμος (Kretschmer Glotta 11, 284, Schrader-Nehring Reallex. 2, 694). Über eine ganz unsichere protohattische Entsprechung s. Laroche BSL 51, p. XXXIV. I-823-824

κερανίξαι auch κρανίξαι· ἐπὶ κεφαλὴν ἀπορρῖψαι H. · κολυμβῆσαι, κυβιστῆσαι; — Letzteres scheint ein Denominativum von κρανίον zu sein, κερανίξαι läßt sich dann als Umbildung nach κέρας erklären. Mit lat. cernuus ‘kopfüber hinstürzend’ besteht kein direkter Zusammenhang; s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. I-824

κεράννυμι (att.), auch κεραννύω (Kom., Hyp.), κεραίω (Ι 203, Delph. Va usw.), κεράω (Od. u. a.; Konj. κέρωνται Δ 260), κίρνημι, -νάω (vorw. poet. und ion. seit Od.), Aor. κεράσ(σ)αι (seit Il.), auch (ἐπι-)κρῆσαι (η 164, Hp.), Pass. κρᾱθῆναι, κρηθῆναι (ion. att.), auch κερασθῆναι (att.), Perf. Med. κέκρᾱμαι, -κρη- (Sapph., Pi., ion. att.), auch κεκέρασμαι (Arist. usw.), Fut. κερῶ (att.), κεράσω (Them.), Pass. κρᾱθήσομαι (att.), auch mit Präfix, bes. συν- ‘mischen, vermischen’, insbes. von Wein mit Wasser, ‘mildern, temperieren’ (vom Klima usw.) Ableitungen. A. Von κρᾱ- (κρη-): 1. κρᾶσις, κρῆσις (σύγκρ. usw.) ‘Mischung’ (ion. att.) mit *κρᾱσίον > ngr. κρασί ‘Wein’ (Kretschmer Glotta 15, 64f., Hatzidakis ebd. 139f.; zur Bedeutungsgeschichte von κρᾶσις s. Den Dulk Κρᾶσις. Bijdrage tot de Grieksche Lexicographie. Diss. Leiden 1934). 2. κρᾶμα (vereinzelt auch κράμμα nach βάμμα u. a.), ion. κρῆμα ‘Mischung, Legierung’, auch ‘gemischter Wein’ (ion. hell.) mit κραμάτιον (Dsk.) und κραμ(μ)άτινος ‘aus einer Legierung bestehend’ (Pap.). 3. κρᾱτήρ, κρητήρ m. "Mischer", ‘Mischkrug’, auch übertr., ‘Krater’ (seit Il.; myk. ka-ra-te-ra?; zur Bed. Brommer Herm. 77, 359 u. 366) mit κρατηρία ‘ds.’ (Dsk. u. a.; Scheller Oxytonierung 54) und den Deminutiva κρατήριον, κρη- (Hp. u. a.), κρατηρ-ίδιον (Böot., J.), -ίσκος (Delos IIIa, Ath.); κρατηρίζω "eine Bowle trinken", ‘sich berauschen’ (Sophr., D. u. a.; vgl. Wackernagel Glotta 14, 52f. = Kl. Schr. 2, 860f.). 4. Zusammenbildungen wie ἄ-κρᾱ-τος (-η-) ‘ungemischt’ (seit Il.), αὐτο-κρη-ής "mit sich selbst gemischt", d. h. ‘ungemischt’ (Nik. Al. 163), αὐτό-κρας ‘ds.’ (Poll.). — B. Von κερᾰ-: κατα-κέρασις ‘Mischung (mit Wasser)’ (Arist.), κέρασμα ‘ds.’ (hell. u. spät), συγ-κερασμός ‘ds.’ (Gloss.), κεραστός (εὐ-, ἐγ-κέρ.) ‘gemischt’ (D. H., Plu., APl.), κεραστής ‘Mischer’ (Orph.), ἐπι-, κατα-κεραστικός ‘eine (rechte) Mischung bewirkend usw.’ (Mediz.), μετά-κερας Adj. n. ‘temperiert, lauwarm’ (Kom.), αὐτό-κερας, auch als Adv. ‘ungemischt’ (Poll., Phryn.; vgl. αὐτοκρηής). S. noch zu 2. ἀκήρατος. Im Sinn von ‘unvermischt’ (οἶνος; Dsk. 5, 6, 10) ist ἀκέραιος eine Umdeutung von ἀκέραιος ‘unversehrt’; s. zu 1. ἀκήρατος. — Dem. Verbaladjektiv (ἄ)-κρᾱτος entspricht im Altindischen das Ptz. ā́-śīr-ta- ‘gemischt’; sowohl gr. κρᾱ-, κρη- wie aind. śīr- repräsentieren die Schwundstufe einer zweisilbigen Wurzel (Einzelheiten bei Schwyzer 360ff.). Diese ist in κερά-σαι (woneben analogisch κεράσ-σαι) erhalten; ein entsprechendes aind. *-śari-ṣam ist nicht zu belegen. Dagegen stimmen bezüglich des Präsenssuffixes zueinander aind. śrī-ṇā́-ti und κίρ-νη-μι; beide Formen sind aber als Neu- oder Umbildungen zu betrachten. Ein idg. *ḱr-nā-ti hätte aind. *śr̥-ṇā́-ti (im homonymen Wort für ‘zerbrechen’ erhalten), gr. *κάρ-νη-σι ergeben sollen; das ι in κίρνημι ist eher Neubildung nach den reduplizierten Präsentia τίθημι, γίγνομαι usw. als alte Reduktionsstufe (Lit. bei Schwyzer 695). — Zu dem alten κερά-σαι gesellten sich als Neubildungen die verschiedenen Präsentia κεραίω, κεράω, κεράννυμι (Schwyzer 676, 681, 697) ebenso wie κερῶ, κεράσω, κερασθῆναι, κεκέρασμαι (beide mit analogischem σ); alt (oder älter) waren κρᾱ-θῆναι, κέ-κρᾱ-μαι (wie βλη-θῆναι, βέ-βλη-μαι u. a.). — Ein anderes Formensystem bietet das Altiranische in dem auch semantisch abweichenden, vielleicht davon zu trennenden aw. sar- ‘vereinigen’ (Gonda Acta Or. 14, 201; s. noch Wackernagel-Debrunner KZ 67, 174 = Kl. Schr. 1, 390) mit dem thematischen Wurzelpräsens sārə-ntē (3. Pl. Med.) und dem einsilbigen athematischen s-Aorist sārəš-tā (3. Sg. Med.). — Weitere Formen mit Lit. bei WP. 1, 419f., Pok. 582; Laryngalbetrachtungen bei Sturtevant ClassPhil. 36, 356ff., Lang. 19, 306. I-824-825

κεραός ‘gehörnt’, sek. ‘aus Horn gemacht’ (ep. poet. seit Il.). — Als *κεραϝός identisch oder nahverwandt mit mehreren Benennungen des Hirsches und anderer gehörnter Tiere: lat. cervus (wie κεραός wohl idg. *ḱerəu̯-o-), kelt., z. B. kymr. carw ‘Hirsch’ (idg. Reduktionsstufe, etwa *ḱr̥̄u̯-o-), alb. ka ‘Ochse’ (ebenso), slav., z. B. russ. koróva, skr. krȁva ‘Kuh’ (idg. *ḱōru̯- mit westlicher Behandlung des wie in alb. ka; illyrisches LW?, s. Porzig Gliederung 175 m. Lit.), lit. kárvė ‘ds.’ (sek. -Stamm); daneben mit Palatalisierung und Schwachstufe apreuß. sirwis ‘Reh’, falls nicht vielmehr zu lit. šir̃vas ‘grauschimmelig’ (vgl. zu νεβρός). — Eine parallele >Bildungsweise zeigt der german. Name des Hirsches, z. B. ahd. hiruz, idg. *ḱeru-d-. In beiden Fällen haben wir es mit Ableitungen eines Wortes für ‘Horn’ zu tun, das in aw. srū- f., heth. karau̯-ar n. erhalten ist; vgl. noch zu κόρυδος, κορυφή, κόρυς. Einzelheiten mit reicher Lit. bei W.-Hofmann s. cervus, dazu Sommer Nominalkomp. 20 A. 2. — Weiteres s. κέρας. I-825-826

κέρας Gen. ep. *-ραος, Hdt. -ρεος, att. -ρως, -ρᾱτος, Dat. ep. -ραϊ, Hdt. -ρεϊ, att. -ρᾳ, Nom. Akk. pl. ep. -ρα(α), Hp. und att. -ρᾱτα, Gen. ep. -ράων, att. -ρῶν, -ρᾱτων, Dat. -ρᾱ̆σι, ep. auch -ράεσσι; sp. Epik Gen. sg. -ρά̄ατος, N. A. pl. -ρά̄ατα (weitere Einzelheiten bei Schwyzer 515), myk. ke-ra-a?, n., ‘Horn, Blas-, Trinkhorn’, übertr. ‘Flußarm, Heeresflügel, Spitze usw.’. Als Vorderglied u. a. in κερασ-φόρος ‘horntragend’ (Trag. usw.), auch κερατο-φόρος ‘ds.’ (Arist. u. a.); κεραο-ξόος ‘hornglättend’ (Δ 110, AP; zum euphonisch bedingten Themavokal Schwyzer 440, Sommer Nominalkomp. 20 A. 2), thematisch umgebildet z. B. in κερο-φόρος (E.), außerdem κερε-αλκής ‘starkhörnig’ (A. R.; vgl. Schwyzer 440). Als Hinterglied in der Regel -κερως (m. f.) aus -κερα(σ)-ος in ὑψί-, ἄ-κερως usw.; dazu als besondere Femininform ὑψι-, καλλι-κέραν Akk. (B.; Sommer 20 A. 1); ganz vereinzelt -κέρᾱτος, z. B. ἀ-κέρατος (Pl., Arist.; τῆς ἀκεράτου neben τὴν ἀκέρων Pl. Plt. 265b, c), auch ἀ-κέρωτος (AP), -κερος z. B. in νή-κεροι pl. ‘hornlos’ (Hes. Op. 529); dazu die Subst. δί-κερας n. ‘Doppelhorn’ (Kallix.) und, als Pflanzennamen, αἰγό-, βού-, ταυρό-κερας n. (nach der Form der Frucht, Strömberg Pflanzennamen 54); auch αἰγο-κέρως ‘Capricornus’ mit dem metrisch bedingten Gen. -κερῆος (Arat., Q. S.; vgl. Bosshardt Die Nom. auf -ευς 64). Zahlreiche Ableitungen. Deminutiva: κεράτιον ‘Hörnchen’ (Arist. hell.), N. eines Gewichts u. einer Münze, "Karat" (Hero usw.) = lat. siliqua (Inschr. und Pap.); τὰ κεράτια ‘die Früchte des Johannisbrotbaums’ (Ev. Luk. 15, 16, Dsk. u. a.); davon κερατία f. ‘Johannisbrotbaum’ (Str., Plin.), auch -τέα (Pap., Gp.; nach den Baumnamen auf -έα), κερωνία ‘ds.’ (Thphr., Plin.; wie βρυωνία u. a.; Chantraine Formation 207f.), durch Kreuzung κερατωνία ‘ds.’ (Gal., Aët.). Weitere Substantiva: κερασ-τής m. ‘gehörntes Wesen’ (S., E. u. a.; von ἔλαφος, Πάν usw.), Ben. einer Schlange, ‘Cerastes cornutus’ (Nik. u. a.), f. -στίς (A).; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 209; auch Beiname der Insel Kypros (Hdn. 1, 104, 15: "ἀπὸ τοῦ πολλὰς ἄκρας ἔχειν"); κερατῖτις (μήκων) ‘Art Mohn’ (Thphr., Dsk.; Redard Les noms grecs en -της 72f.); κεραΐτης m. = lat. cornicularius (Lyd. Mag.), κεραῗτις f. "Hornpflanze" = τῆλις u. a. (Redard 41 und 72 m. Lit., Strömberg Pflanzennamen 54); sowohl κεραΐτης wie κεραῗτις gehören aber vielmehr zu κεραία (s. unten); κερατίας m. N. des Dionysos (D. S.), auch Ben. eines Kometen (Plin.; Scherer Gestirnnamen 107); κεραία f. Ben. verschiedener hornähnlicher Gegenstände, z. B. ‘Rahe, Balken, Fühlhorn’, als Schriftzeichen = lat. apex (att., hell.); Demin. κερᾴδιον (Attika, Delos; oder κεραΐδιον?); κερατών, -ῶνος m. Ben. eines Altars auf Delos (hell.; eig. "mit Hörnern geschmückter Platz"; nach den Ortsbezeichnungen auf -ών). — Adjektiva: κεράτινος ‘von Horn gemacht’ (X., Pl. Kom. usw.), κερατίνης m. ‘Hörnerschluß’ (D. L., Luk. u. a.); κερατώδης ‘hornähnlich’ (Thphr.); κερόεις ‘gehörnt’ (Anakr., Simon. usw.); κερέϊνος ‘ds.’ (Aq., Sm. u. a.). — Denominative Verba: 1. κερατίζω ‘mit den Hörnern stoßen’ (LXX u. a.); davon κερατιστής (LXX), κεράτισις (Apollod. Poliork.); κερατισμός ‘Umwechslung in Keratien’ wie von κερατίζω *‘in Keratien umwechseln’ (Pap. VIp, Lyd. Mag.); 2. κερατόω ‘in Horn verwandeln’ (Ael.); 3. κεράω ‘mit Hörnern versehen’ (Arat.), ‘einen Flügel bilden’ (Plb.). — Zu κεραός, κεραΐς, κεράμβυξ, κερανίξαι, κερουτιάω, κέρνα s. bes. — Neben dem hochstufigen κέρας ‘Horn’ steht in κάρᾱ, κάρηνα ‘Kopf’ ein schwachstufiges *καρασ-, in κρᾱνίον ‘Schädel’ ein schwundstufiges *κρᾱσ-; zur Bedeutung s. unten. Eine (sekundäre) Schwachstufe liegt auch in aind. śíras- n. ‘Kopf’ vor (wäre gr. *κάρος; aw. sarah- n. ‘Kopf’ ist mehrdeutig); dazu der schwundstufige Gen. śīrṣ--ás (wäre gr. *κρᾱνός; nach Umbildung κρά̄ατος, vgl. zu κάρᾱ). Dagegen erscheint der hochstufige e-Vokal in lat. cerebrum ‘Hirn’ (idg. *ḱeres-ro-m oder *ḱerəs-ro-m; letzteres = κερασ-). — Der s-Stamm hat ein u-Komplement in κερα(ϝ)-ός u. Verw. (s. d.); hinzu kommt die n-Bildung in germ., z. B. nhd. Horn, lat. corn- (Verquickung der n- und u-Stämme), aind. śŕ̥ṇ-g-am ‘Horn’ u. a. Hypothesen über die ursprüngliche Verteilung der verschiedenen Formen innerhalb des Paradigmas in der bei W.-Hofmann s. cerebrum angeführten Literatur. Die ursprüngliche Bedeutung war wohl ‘Horn, Gehörn’, woher ‘gehörnter Tierkopf’ und ‘Kopf im allg.’ (anders z. B. WP. 1, 403: eig. ‘das Oberste am Körper’, woraus ‘Kopf’ und ‘Horn’). — Weitere Formen mit Lit. s. zu κάρᾱ, κρᾱνίον, κρήδεμνον, κράνος, außerdem W.-Hofmann s. cerebrum und cornū; ältere Lit. auch bei Bq. I-826-827

κέρασος (κερασός nach Hdn. Gr. 1, 209) m. (f.) ‘Süßkirschbaum, Prunus avium’ (Xenoph., Thphr. usw.). Davon κερασία, -έα ‘ds.’ (Gp.; vgl. κερατία, -έα s. κέρας), κεράσιον ‘Süßkirsche’ (hell. u. spät), *κεράσινος in lat. cerasinus ‘kirschfarbig’, n. κεράσινον ‘kirschroter Farbstoff’ (PHolm.). — Ausgang wie die fremden θίασος, κάρπασος (s. dd.). Da der veredelte Süßkirschbaum aus dem Pontosgebiet stammt (daher Κερασοῦς Stadt am Pontos, "die Kirschreiche"), ist gewiß auch der Name kleinasiatisch. Herkunft sonst unbekannt, nach Bq (zögernd) thrakisch-phrygisch (Bedenken bei Kretschmer Glotta 5, 309); vgl. zu κράνον. — Aus gr. κέρασος, -ία, κεράσιον stammen einerseits asiatische Benennungen des Kirschbaumes und der Kirsche wie arm. keṙas, kurd. ghilas, anderseits lat. cerasus, -ium, vulgärlat. *cerasia, *ceresia, -ea; aus dem Latein wiederum die rom. und germ. Formen wie frz. cerise, ahd. chirsa > Kirsche. — Lit. bei W.-Hofmann s. cerasus. I-827-828

κεραυνός m. ‘Donnerkeil, Wetterstrahl, Blitz’ (seit Il.). Kompp., z. B. τερπι-κέραυνος (s. τέρπομαι), ἐγχει-κέραυνος ‘der den Donnerkeil als Speer hat’ (Pi.; nach ἐγχει-βρόμος ‘der mit dem Speer donnert’), auch κεραυνο-εγχής ‘ds.’ (B.). Ableitungen: κεραύνιος ‘zum Donnerkeil gehörig’, auch ‘vom D. getroffen, den D. schleudernd’ (Trag. usw.), auch κεραυναῖος (AP 7, 49; Steph. -ειος); κεραύνιον N. eines Pilzes ‘Tuber aestivum’ (Thphr., Gal.), weil angeblich gegen den Blitz schützend oder aus dem Donnerschlag entstanden; ebenso κεραυνία = ἀείζῳον μικρόν (Ps.-Dsk.), vgl. Strömberg Pflanzennamen 79f.; letzteres auch N. eines Steins wie κεραυνίας, -νίτης (PHolm., Clem. u. a.; Redard Les noms grecs en -της 55). Denominatives Verb κεραυνόομαι, -όω ‘vom Blitz getroffen werden’, bzw. ‘mit dem Blitz erschlagen’ (seit Hes.); davon κεραύνωσις ‘Donnerschlag’ (Str., Plu.). — Thematische Umbildung eines r-n-Nomens *κερα-ϝαρ, κερα-υν- ‘Zerschmetterung’ von einem verschollenen Verb ‘zerschmettern’, das von κεραΐζω (s. d.) verdrängt wurde; zur Bildung s. ἐλαύνω und Schwyzer 521 m. Lit. — Aind. śáru- ‘Pfeil’ und germ., z. B. got. haírus ‘Schwert’ (Bq) gehören nicht hierher, s. WP. 1, 410f. I-828

Κέρβερος m. N. eines vielköpfigen Hundes, der die Unterwelt bewachte (seit Hes.). — Erklärung strittig. Seit Müller KZ 5, 148f. gewöhnlich mit aind. karbara-, śárvara- ‘gesprenkelt, bunt’ identifiziert, das in der dissimilierten dialektischen Nebenform śabála- den beiden Hunden der Unterwelt beigelegt wird (RV. 10, 14, 10). Zweifel bei Mayrhofer Wb. s. karbaraḥ, wo für das aind. Wort austroasiatische Herkunft erwogen wird. — Nach Pisani Riv. degli studi or. 18, 91f. sind Κέρβερος und śabála- mediterrane LW. Dagegen will v. Wilamowitz Glaube 1, 314 A. in Κέρβερος die glückliche Erfindung eines Dichters sehen; "man hört in ihm das Knurren eines bissigen Köters" (?). Morphologische Betrachtungen bei Specht Ursprung 119 und 262. Ältere Lit. bei WP. 1, 423 (und Pok. 578). I-828-829

κέρδος n. ‘Gewinn, Vorteil, Lohn, Sold, Gewinnsucht’ (seit Il.); im Plur. auch ‘gute Ratschläge, Listen, Ränke’ (Hom.). Vereinzelt als Vorderglied, z. B. κερδο-φόρος ‘gewinnbringend’ (Artem.), als Hinterglied in αἰσχρο-κερδής ‘voll schmutziger Gewinnsucht, habgierig’ (ion. att.) u. a. Ableitungen: Deminutiva κερδάριον, κερδύφιον (Gloss.); κερδοσύνη ‘List’ (Hom., Kleanth. Hymn. 1, 28; Porzig Satzinhalte 226, Wyss -συνη 27), κερδώ f. "die Listige", d. h. ‘der Fuchs’ (Ar., Babr. u. a.); Κέρδων, -ωνος PN (D., Argolis; daraus als Appellativum lat. cerdō ‘gemeiner Handwerksmann’), auch Κερδέων Bein. des Hermes und Κερδείη Πειθώ (Herod. 7, 74); Κερδῷος ‘gewinnbringend’ Bein. des Apollon (Thessal., Lyk.; nach Λητῷος), auch des Hermes (Plu., Luk.), auch auf den Fuchs übertragen (Babr.); κερδητικός ‘gewinnsüchtig’ (Gloss.). — Ferner κερδαλέος ‘gewinnreich, -süchtig, verschlagen’ (seit Il.) und κερδαίνω, Aor. κερδῆναι, -δᾶναι, -δῆσαι ‘gewinnen, Vorteil ziehen’ (Pi., ion. att.); ob diese Bildungen zu κέρδος analogisch neugeschaffen wurden oder Ausläufer eines alten Stammwechsels /n:l/(:s) sind (Schwyzer 484 m. Lit.), läßt sich kaum entscheiden; jedenfalls gehört κερδαίνω nicht zu Κέρδων (Schwyzer 724). — Außerdem die primären, zu κέρδος neugebildeten Steigerungsformen κερδίων ‘vorteilhafter’ (poet. seit Il.), κέρδιστος ‘der listigste’ (Hom.), ‘der vorteilhafteste’ (Trag.), vgl. Seiler Steigerungsformen 84. — Die einzige brauchbare außergriechische Anknüpfung bieten einige keltische Wörter: air. cerd (idg. *kerdā) ‘Kunst, Handwerk’, auch ‘aerarius, figulus, poeta’, kymr. cerdd ‘Gesang’. — Aus der zweifelhaften H.-glosse κήρτεα· τὰ κέρδη lassen sich schwerlich morphologische Schlüsse (vgl. Schwyzer 512 A. 3) ziehen. Lit. bei Bq, WP. 1, 423, auch W.-Hofmann s. cerdō; dazu E. Lewy Festschrift Dornseiff 226f. I-829

Κερεάτας m. Bein. des Apollon in Arkadien (Paus. 8, 34, 5). — Wohl von dem ON Κερέα. Nach anderen eig. = "der Gehörnte" (zu κέρας) als N. eines alten Hirtengottes; vgl. Κάρνειος neben κάρνος. Näheres bei Nilsson Gr. Rel. 1, 536. I-829

κέρθιος m. N. eines kleinen Vogels mit heller Stimme, viell. ‘Baumläufer, Certhia familiaris’ (Arist. HA 616b 28). — Unerklärt; vgl. zu κρέξ. I-829

κέρκα · ἀκρίς; κέρκαξ· ἱέραξ; κέρκνος· ἱέραξ ἢ ἀλεκτρυών H. - S. κέρκος. I-829

κερκάς · κρὲξ τὸ ὄρνεον; κερκιθαλίς· ἐρῳδιός H. - S. κρέξ. I-830

κέρκηρις, -εως N. eines Wasservogels (PCair. Zen. 388b, IIIa, BGU 1252, 30, IIa), lat. cerceris (Varro LL 5, 79; mit querquēdula verglichen, das Gloss. 3, 319, 13 u.ö. durch κερκήδης paraphrasiert wird); κερκίων m. N. eines indischen sprechenden Vogels, Art Mynah (Acridotheres tristis oder Gracula religiosa?; Ael. NA 16, 3; Thompson Birds s. v.); κερκορώνους Akk. pl. N. unbekannter indischer Vögel (Ael. NA 15, 14). — Zu κερκίων vgl. πορφυρίων, ἀκανθίων und andere Vogel- und Tiernamen; wohl von κέρκος, "ἐπειδὴ καὶ αὐτὸς διασείεται τὸν ὄρρον, ὡς ποιοῦνται οἱ κίγκλοι" (Ael.). In κερκορωνος vermutet Thompson s. v. Haplologie für κερκο-κορώνη; ob κέρκηρις ebenfalls zu κέρκος oder etwa zur Sippe von κρέξ gehört, bleibt ungewiß. S. noch W.-Hofmann s. cerceris und querquēdula. I-830

κερκίς, -ίδος f. ‘Stäbchen, an dem der Einschlagfaden befestigt wurde, Weberschiffchen’ (seit Il.); übertr. von ähnlichen Gegenständen, z. B. ‘Schienbein, Armröhre’ (A. R., Heroph. Med. u. a.), ‘keilförmiger Ausschnitt der Zuschauerplätze im Theater’ (hell.); als Baumname u. a. ‘Espe, Populus tremula’ (Arist., Thphr.). Als Vorderglied in κερκιδοποιική (τέχνη) ‘die Kunst eines κερκιδοποιός’ (Arist.); als Hinterglied in παρα-κερκίς f. ‘Wadenbein’ (Poll.). Ableitungen: Deminutivum κερκίδιον (Pap.); κερκιδιαῖον ‘keilförmiger Klotz’ (Attika); κερκίζω ‘mit dem Weberschiffchen hantieren’ (Pl., Arist.) mit κέρκισις ‘Weberei’ (Arist.), κερκιστική (τέχνη) ‘Webkunst’ (Pl.), κέρκιστρα n. pl. ‘Weberlohn’ (Pap.). Außerdem noch κερκάδαι pl. ‘die Weber’, Ben. einer Gewerbevereinigung (Argos); vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 176. Deminutivum von κέρκος (s. d.), wahrscheinlich in einem ursprünglichen Sinn *‘Stab, Rute’ (vgl. Vendryes REGr. 25, 461). — Nicht mit Prellwitz u. a. zur Sippe von κρέξ (nach dem Summen des Weberschiffchens). I-830

κερκολύρα s. κρέκω. I-830

κέρκος f. (nach οὐρά?) ‘Schwanz eines Tieres’ (Kom., Pl. Phdr. 254d, Arist. usw.), ‘membrum virile’ (Ar., Herod.). Kompp. z. B. κερκο-φόρος ‘schwanztragend’, ἄ-κερκος ‘schwanzlos’ (Arist.); zu κέρκουρος und κέρκωψ s. bes. Davon die Deminutiva κερκίς (s. d.) und κερκίον (Aq., Sm., Thd.); außerdem die Tiernamen κέρκα· ἀκρίς H., κερκώπη N. einer Zikade (Ar. usw.; Strömberg Wortstudien 16; vgl. zu Κέρκωπες), wohl auch κέρκαξ· ἱέραξ H. und (mit unklarem, vielleicht verderbtem Ausgang) κέρκνος· ἱέραξ, ἢ ἀλεκτρυών H. (nach dem langen oder charakteristischen Schwanz; auch κέρκος wird von H. u. a. mit ἀλεκτρυών glossiert; vgl. indessen auch zu κρέξ); — κέρκωσις ‘schwanzartiger Auswuchs’ (Mediz. u. a.; nach καρκίνωσις u. a. wie von *κερκόομαι); κερκέτης· τὸ μικρὸν πηδάλιον H. (Paus. Gr. Fr. 118). — Im Gegensatz zu οὐρά scheint κέρκος, eig. wohl ‘Stab, Rute’ (s. zu κερκίς), aus der niedrigen Sprache zu stammen. Ursprung sonst unbekannt; einige ganz fragliche Hypothesen (zu κρέκω?, κρίκος, κίρκος?, mir. corc ‘Haarbekleidung’?, κέρας?, aus *κερ-κρ-ος dissimiliert?) werden bei Bq (mit Add. et Corr.) notiert. I-830-831

κέρκουρος m. ‘leichtes, urspr. kyprisches Fahrzeug’ (Hdt., hell.), auch N. eines Meerfisches (Opp.; vgl. Strömberg Fischnamen 48). Kompp. ταυρο-κέρκουρος, κερκουρο-σκάφη Ben. verschiedener Fahrzeuge (hell. Pap.). Dem. κερκούριον (AP 5, 43; als f. PN); κερκουρίτης ‘Matrose eines κ.’ (hell. Pap.; Redard Les noms grecs en -της 43). — Eig. als Bahuvrihi ‘mit einem κέρκος-ähnlichen Hinterteil’, sofern nicht volksetymologische Zurechtlegung eines Fremdworts; semitische Hypothese von Movers bei Lewy Fremdw. 152; dazu Chantraine Étrennes Benveniste 13f. — Lat. LW cercūrus als Fischname (Ov., Plin.). I-831

Κέρκυρα daneben Κόρκυρα (att. Inschr. 433a, auch kerkyräische Münzen; wohl durch Assimilation ευ > ου entstanden, Schwyzer 255) f. (Hdt., Th., att. Inschr. seit 375a), die Insel Korkyra (Korfu); davon Κερκυραῖος (Κορ-) ‘Bewohner von K.’. — Hierher noch der illyrische Volksname Κέρκυρες (vgl. Ἴλλυρες); danach der Inselname? (Schwyzer 66 m. Lit.). Nach Mayer KZ 70, 76ff. eig. "Eicheninsel", von dem illyr. Wort für ‘Eiche’ zu lat. quercus, got. fairguni ‘Gebirge’ usw. Andere Kombinationen bei Specht Sprache 1, 40f. I-831

Κέρκωπες m. pl. N. zweier neckischer Kobolde, die von Herakles gefesselt wurden (Hdt. u. a.), übertr. im Sing. ‘Necker, Spitzbube’ (Aeschin. u. a.), N. eines langschwänzigen Affen (Manil.); davon κερκωπία ‘Neckerei’ (Semon.), κερκωπίζω ‘necken, verspotten’ (Zenob., H.). Daneben, mit Erweiterung nach den -Stämmen, κερκώπη· τέττιξ θήλεια μὴ φωνοῦσα H. (vgl. Prellwitz Glotta 16, 152). — Eig. ‘mit schwanzartigem Aussehen, langschwänzig’, von κέρκος (s. d.) und -ωψ (Schwyzer 426 A. 4). Gil Emerita 25, 312 will in κερκώπητέττιξ’ ein Kompositum *κερκο-ϝωπ-η ‘mit schriller Stimme’ sehen, was u. a. im Hinblick auf die Erklärung bei H. (s. oben) wenig für sich hat. I-831

κέρνα 1. · ἀξίνη H. — Nach v. Blumenthal Hesychst. 40 von κείρω und somit von κέαρνα (s. zu κεάζω) zu trennen (?). I-831

κέρνα 2. -ναι f. pl. n. pl., ‘die beiden Auswüchse an den Knochenfortsätzen der Rückenwirbel’ (Poll. 2, 180). — Nach gewohnlicher Annahme aus *κερσ-ν-α mit derselben Stammbildung wie in κάρηνα (aus *καρασ-ν-α), κρανίον (aus *κρᾱσ-ν-), aber im Ablaut davon abweichend. Ein genaues Gegenstück zu κερσ-ν- aus idg. *ḱers-n- kann in dem germanischen Wort für ‘Hirn’, z. B. ahd. hirni (aus idg. *̂rs-n-iio-m neben awno. hiarsi aus *ḱers-on-) vorliegen. Semantisch sehr verlockend ist sonst der Vergleich mit awno. huern ‘die beiden bootförmigen weißen Knochen im Fischgehirn’, das aber wie got. ƕairnei ‘Schädel’ ein anlautendes idg. q- aufweist und zu awno. huerna ‘Kochgeschirr’ usw. gehört; vgl. zu κέρνος. I-832

κέρνος n. (m. Sch. Nik. Al. 217) ‘irdenes, ringsum mit Näpfen besetztes Gefäß, das in dem Mysterienkult gebraucht wurde’ (Ammon. und Polem. ap. Ath. 11, 476f und 478c, H.); pl. κέρνεα· τὰ τῇ μητρὶ τῶν θεῶν ἐπιθυόμενα H.; auch -να (Poll. 4, 103); zur Bedeutung usw. Nilsson Gr. Rel. 1, 128; 270f., 726. — Technisches Wort unbekannter Herkunft, vielleicht vorgriechisch (vgl. Schwyzer 491, Chantraine Formation 209). Mehrere erfolglose idg. Erklärungsversuche: zu κέραμος (s. d.), aind. carú- ‘Kessel’, awno. huerna ‘Kochgeschirr’ (s. Bq und WP 1, 518 m. Lit.; auch Vasmer Russ. et. Wb. s. čéren II); zu lat. scrīnium ‘Schrein’ (Persson BB 19, 261), zu aind. śárāva- ‘Teller’ (H. Petersson Et. Miszellen 18). — Die Nebenform κέρχνος mit κερχνίον (Eleusis) kann schwerlich ursprünglich sein (vgl. Bq), sondern ist wohl durch Volksetymologie verursacht, vgl. κέρχνος, κερχνώματα im Sinn von ‘Erhabenheit, getriebene Arbeiten’. Als Vorderglied in κερνο-φόρος (Nik., Ath. u. a.) mit κερνο-φορέω (Sch.); Kurzform κερνᾶς (AP 7, 709). Deminutivum κερνίον (att. Inschr., Theognost.). I-832

κερουτιάω ‘den Kopf hoch tragen’ (Ar. Eq. 1344) mit κερουτιασμός (Phot.). — Denominativum auf -ιάω (vgl. Schwyzer 732) von *κεροῦττα, echt attisch für κεροῦσσα (S., E.), κερόεσσα (Anakr.) ‘mit Hörnern versehen’ (von κερόεις), Beiwort des Hirsches; somit eig. "sich wie eine κεροῦσσα (ἔλαφος) benehmen". Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 46 (Kl. Schr. 2, 1148), A. 1 (S. 47). I-832

κερτομέω, Aor. (selten) κερτομῆσαι, ‘höhnen, (ver)spotten, lästern, kränken’ (fast nur poetisch seit Il.) mit κερτόμησις (S. Ph. 1236). auch mit ἐπι-, Daneben κέρτομος ‘höhnend, lästernd’ (pöet. seit Hes. Op. 788, späte Prosa) mit κερτομίαι pl. ‘Verspottungen, Kränkungen’ (Hom.; anders Porzig Satzinhalte 207f.); φιλο-κέρτομος ‘den Hohn liebend’ (χ 287, Theok., APl.); auch mit erweiterndem ιο-Suffix κερτόμιος ‘ds.’ (Hom., S. in lyr.). Von ἐπικερτομέω : ἐπικερτόμ-ημα (Demetr.), -ησις (Hdn. u. a.) und als Rückbildung ἐπικέρτομος (Q. S.). — Expressives Wort strittiger Herkunft. Nach Prellwitz Wb. s. v. Univerbierung von κείρειν und τέμνειν (vgl. die Bildungen bei Schwyzer 645; s. auch zu λοιδορέω); ähnlich, aber im einzelnen unklar, Radermacher Festschrift Kretschmer 149ff. Brugmann IF 15, 97f. geht von *κέρ-στομος ‘ein Lästermaul habend’ (vgl. ἐΰ-στομος u. a.) aus und zieht ebenfalls das Vorderglied zu κείρειν (s. auch Benveniste Origines 68 und zu σκερβόλλω). Nach anderen (Walde LEW2 132; vgl. W.-Hofmann s. carinō) ist auch die Sippe von κάρνη an der Bildung des Vorderglieds beteiligt gewesen. Wieder anders Pisani Ist. Lomb. 77, 583. — Ob κέρτομος das Grundwort von κερτομέω darstellt, scheint zweifelhaft; es ist eher als Rückbildung daraus zu verstehen (vgl. Risch 181). I-832-833

κερχνηΐς, -ίδος (-ῄς, -ῇδος), auch κεγχρηΐς, -ρίς (Arist., Ael.), κέγχρη (Arist.), κέρχνη (H.) f. (Ar. Av. 304, 589 u. a.) N. einer Falkenart, wahrscheinlich ‘Turmfalke, Falco tinnunculus’. — Von κέρχνος ‘rauhe Stimme, Heiserkeit’ mit derselben Bildung wie in χλωρηΐς Beiwort der Nachtigall (: χλωρός) u. a. (Chantraine Formation 345f.); daneben κέρχνη nach den η- (ᾱ-) Fem.; κεγχρηΐς usw. durch Metathese, evtl. in Anlehnung an κέγχρος ‘Hirse’; darüber Thompson Birds s. κεγχρηΐς, wo auch über die charakteristische Lautgebung des Turmfalken. I-833

κέρχνος m. ‘rauhe Stimme, Heiserkeit’ (Hp., S. Ichn. 128), ‘rauhe Fläche, Erhabenheit’ (S. Fr. 279), auch = ὁ τῶν ἀργυρίων κονιορτός (Poll. 7, 99). Kompp. ἄ-κερχνος ‘ohne Heiserkeit’ (Aret.), αἱμό-κερχνον n. ‘Bluthusten’ (Hp.; subst. Bahuvrihi). Aus ἄκερχνος und κέρχνω entstand das Adj. κέρχνος (κερχνός?) ‘rauh’ von der Stimme, ‘heiser’ (Gal.). Davon κερχνώδης ‘rauh, heiser’ (Hp.), κερχνασμός ‘Rauheit, Heiserkeit’ (Gal.; wie von *κερχνάζω). Denominatives Verb κερχνόομαι, -όω ‘rauh, uneben sein bzw. machen, gravieren’ (H.) mit κερχνώματα pl. ‘Unebenheiten, erhabene, getriebene Arbeiten’ (H.; danach auch E. Ph. 1386 für κεγχρώμασι zu lesen?, vgl. zu κέγχρος), κερχνωτός ‘getrieben, graviert’ (H.); auch κέρχνω ‘heiser sein oder machen’ (Hp. u. a.; zur Bildung Schwyzer 723 Zus.). — Daneben κερχαλέος ‘rauh, heiser’ (Hp.), auch κερχναλέος (Hp. v. l., Gal.; vgl. unten). Zu κερχνηΐς s. bes. — Ohne sichere Anknüpfung, wohl ursprünglich onomatopoetisch. Eine allgemeine Ähnlichkeit zeigen die unter κρέξ besprochenen Schallwörter; κέρχνος dann aus *κέρκ-σνος? Anderseits erinnert Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 12 an das schallnachahmende aind. ghar-ghara- m. ‘Geknister, Gerassel’, woneben die davon unabhängig gebildeten lat. hirriō ‘winselnd knurren’, ags. gierran ‘krachen, knarren, girren’ u. a. m. (WP. 1, 605, Pok. 439); κέρχνος stände dann für *κερ-χρ-ο-ς und κερχαλέος wäre Analogiebildung nach ἰσχνός : ἰσχαλέος u. a., wozu durch Kreuzung κερχναλέος. I-833-834

κέσκεον n. ‘Werg’ (Herod. 9a), κέσκι<ονστυπεῖον, τὸ ἀποκτένισμα τοῦ λινοῦ H. — Volkstümliche Reduplikationsbildung (vgl. Schwyzer 423) aus *κέσ-κεσ-ο-ν zu einem Verb für ‘kämmen, hecheln, kratzen’ in aksl. češǫ (Jotpräsens), česati, wohl auch in heth. kišāi-, idg. qes-, wozu u. a. die Verbalnomina čech. pa-čes ‘Hede, Werg’, lit. kasà ‘Haarflechte, Zopf’ (idg. *qos-), mir. cīr f. (*qēs-rā), wohl auch heth. kišri- Ben. eines wollenen Gegenstandes; weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 449f., Pok. 585, Vasmer Russ. et. Wb. s. česátь, W.-Hofmann s. carrō. — Eine Erweiterung davon ist ξέω; s. noch ξαίνω, ξύω. I-834

κεστός κέστρα, -τρον, -τρεύς usw. ‘gestickt’, s. κεντέω. I-834

κεύθω, auch κευθάνω (Γ 453), κυνθάνει· κρύπτει H., Fut. κεύσω, Aor. κεῦσαι, auch κύθε (γ 16), redupl. Konj. κεκύθωσι (ζ 303), Perf. κέκευθα, ‘verbergen, verhehlen’, auch ‘verborgen sein’ (ep. poet. seit Il.). auch mit ἐπι- (ἐνι-, ἀμφι-), Davon κεῦθος n., oft im Plur. -εα ‘Versteck, Höhle, Tiefe’ (poet. seit Il.), κευθμών, -μῶνες ‘ds.’ (vorw. poet. seit Od.), κευθμός, -μοί ‘ds.’ (Ν 28, Lyk., Kall.); vgl. Porzig Satzinhalte 240 und 263; auch κευθῆνες· οἱ καταχθόνιοι δαίμονες Suid. (Schwyzer 487, Solmsen Wortforsch. 143). — Ein nahes Gegenstück zu κεύθω kann auf germanischem Gebiet in dem ags. Jotpräsens hȳdan, nengl. hide ‘verbergen’ vorliegen. Verlockend ist auch der Vergleich mit arm. suzanem ‘untertauchen, verbergen’ (Bugge KZ 32, 38f.; näheres bei Lidén Armen. Stud. 122); er setzt aber ein anlautendes palatales voraus, das mit den sonst herangezogenen Wörtern, z. B. aind. kuhū́ḥ f. ‘Neumond’ ("der Versteckte"), kuharam n. ‘Höhle’ (Mayrhofer Wb. s. kúhakaḥ), nicht vereinbar ist; auch die übrigen weitverzweigten Vertreter von idg. (s)qeu- ‘bedecken, umhüllen’ (WP. 2, 546ff., Pok. 951ff.) enthalten velares q. Hierher noch einige keltische Verbalnomina, z. B. mir. codal ‘Haut’ (vgl. Vendryes WuS 12, 242); über das unklare lat. cūdō ‘Helm von Fell’ s. W.-Hofmann s. v. — Neben den obengenannten Wörtern aus idg. qeudh- stehen u. a. mehrere mit auslautendem t, s. κύτος. Vgl. noch κύσθος, κύστις, auch σκῦτος und σκῦλα. I-834

κεφαλή f. ‘Kopf, Haupt’, auch übertr. ‘das Oberste, Äußerste, Quelle usw.’ (seit Il.). Zahlreiche Kompp., z. B. κεφαλ-αλγ-ία ‘Kopfweh’ (Hp.), durch Dissimilation -αργία (Luk.); βου-κέφαλος ‘mit Ochsenkopf versehen’ (Ar.), auch als Pflanzenname (Strömberg Pflanzennamen 54); als EN Βου-κεφάλᾱς m. das Leibroß Alexanders des Großen (Str., Plu. u. a.; zur Bildung Schwyzer 451). Viele Ableitungen. Deminutiva: κεφάλιον (att. Inschr. u. a.), -ίδιον (Poll., Pap.), κεφαλίς f. ‘Bolle einer Zwiebel, Spitzkappe eines Schuhes, Säulenkapitell usw.’ (Arist. u. a.), κεφαλὶς βιβλίου ‘Buchrolle’ (LXX); — κεφάλαιον n. ‘Hauptsache, -punkt, -summe, Kapital’ (Pi., att. usw.; selten Adj. κεφάλαιος [Ar. Ra. 854, PMasp. 151, 16, VIp]) mit κεφαλαιώδης, Adv. -ωδῶς ‘die Hauptsache betreffend’ (Hp., Arist., hell. u. spät) und dem Denominativum κεφαλαιόω ‘(die Hauptpunkte) zusammenfassen’ (att. usw.), wovon κεφαλαίωμα ‘Gesamtsumme’ (Hdt. 3, 159), -αίωσις ‘Zusammenfassung’ (Sch.), -αιωτής = lat. capitularius mit -τία (Pap. Kaiserzeit); — κεφαλαία f. ‘chronisches Kopfweh’ (Mediz.); — κεφαλώδης ‘kopfähnlich’ (Thphr.), κεφαλικός ‘zum Kopf, zum Leben gehörig, capitalis’ (Pap., Dsk. u. a.); — κεφαλίτης λίθος ‘Eckstein’ (H.), κεφαλίτης γλήχων wahrsch. ‘Mentha aquatica’ (Hippiatr.; Redard Les noms grecs en -της 73); κεφαλίνη ‘Zungenwurzel’ (Poll.); κεφαλῖνος Fischname = βλεψίας (Dorio ap. Ath.; Strömberg Fischnamen 41), auch κέφαλος ‘Mugil cephalus’ (Hp., Kom., Arist. usw.; ausführlich darüber Thompson Fishes s. v.; anders Pisani Ist. Lomb. 75 : 2, 54f. [: zu aind. śaphara-, lit. šãpalas ‘Cyprinus’]); — κεφάλωμα ‘Summe’ (Messen., Delph.; nach ἀνάλωμα, Bechtel Dial. 2, 156; vgl. auch κεφαλαίωμα oben); κεφαλωτός ‘mit Kopf versehen’ (Arist., hell. u. spät), als Pflanzenname ‘Thymian’ (Ps.-Dsk.; Strömberg Pflanzennamen 50), -ωτόν (sc. πράσον) ‘Zwiebel’ (Pap. u. a.); — κεφαληδόν ‘nach Köpfen gerechnet’ (Priene IVa). — Denominativa: κ]εφαλίζω ‘enthaupten’ (BGU 1, 341, 9); dazu in anderer Bed. κεφαλισμός ‘Multiplikationstafel’ (Arist.); κεφαλόω in κεκεφαλωμένος ‘mit Kopf versehen’ (Arist.-Komm.); κεφαλιόω in ἐκεφαλίωσαν (Ev. Mark. 12, 4), Bed. unklar ‘auf den Kopf schlagen’ oder ‘enthaupten’?, s. Bauer Gr.-dt. Wb. s. v. m. Lit. (verfehlt Pernot Neophilol. 26, 310ff.). — Außerdem die Hypostasen προσ- (dor. ποτι-), ὑπο-κεφάλαιον ‘(Kopf)kissen’ (ion. att.; vgl. Schwyzer-Debrunner 517), ἀποκεφαλίζω ‘enthaupten’ (LXX, Phld. usw.) mit -ισμός, ισμα, -ιστής. — Altes Wort für ‘Kopf’, das auch im Tocharischen und Germanischen zu belegen ist: toch. A śpāl ‘Kopf’ (Auslaut unklar), ahd. gebal m., mhd. gebel ‘Schädel’, ahd. gibilla f. ‘ds.’ (germ. i̯ō-Ableitung); daneben im Sinn von ‘Giebel’ ahd. gibil m., got. gibla m. (n-Stamm) und, mit Ablaut, ano. gafl m. ‘Giebelseite’; idg. *ghebh(e)l-, das wie ein l-Stamm aussieht; ein entsprechendes Grundwort ist indessen nirgends angetroffen. — Hierher noch γαβαλάν· ἐγκέφαλον ἢ κεφαλήν H. und maked. (illyr.?) κεβ(α)λή; s. κεβλή m. Lit. I-835-836

Κέως, -ω f. eine der Kykladen (Inschr., Str.) mit Κεῖος, ion. Κήϊος Bewohner der Insel Keos (ion. att.); Κέος f. Örtlichkeit auf Salamis (Hdt. 8, 76). — "Beiläufiger Einfall" von Solmsen Unt. 125: ob aus *κῆϝος ‘Brand’ (zu καίω)? I-836

κῆβος (Arist., Str., Gal.), auch κῆπος (Agatharch., Str. 16, 4, 16 v. l., Ael.) m. ‘langschwänziger Affe’. — Als LW zu aind. kapí-, hebr. qōf, altägypt. qefi ‘Affe des Landes Punt’. Ursprung sonst unbekannt; nach dem Vokal zu schließen stammt κῆβος zunächst aus dem Ägyptischen. Anders Grimme Glotta 14, 16 (heth.-oriental.). Lewy Fremdw. 6, Mayrhofer Wb. s. kapíḥ m. weiterer Lit. I-836

κῆδος, dor. κᾶδος n. ‘Sorge, Trauer, Leichenbestattung; Verschwägerung, affinitas’ (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in ἀ-κηδής ‘sorglos, unbesorgt, unbestattet’ (vorw. poet. seit Il.) mit ἀκήδεια, -ίη, ἀκηδέω, -ιάω; auch ἀ-κήδεσ-τος ‘ds.’ (poet. seit Il.; Schwyzer 503), προσ-κηδής etwa ‘sorgenvoll, verschwägert, befreundet’ (φ 35, Hdt. 8, 136, A. R. u. a.); nach προσ-φιλής?, vgl. zur Bildung und Bedeutung Sommer Nominalkomp. 110 A. 2, Levin ClassPhil. 45, 110f. — Als Vorderglied in Κηδι-κράτης (IVa; Bechtel Hist. Personennamen 236; nach ’Αλκι- u. a.). Ableitungen: 1. κηδεστής m. ‘Heiratsverwandter, Verschwägerter’ (att. usw.) mit κηδεστ(ε)ία ‘Verschwägerung’, κηδέστρια f. ‘Pflegerin’ (Pap.); auch κηδέστωρ ‘Fürsorger’ (Man.; archaisierend, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 139f.). 2. Adjektiva: κήδε(ι)ος ‘der Sorge wert, geliebt, verschwägert’ (poet. seit Il.), ἐπικήδειος ‘zur Leiche, Trauer gehörig’ (E., Pl. Lg. 800e, spät; Hypostase), κηδόσυνος ‘lieb’ (E. Or. 1017) und κηδοσύνη (Dat. pl. -σύνῃσι) ‘Betrübnis’ (A. R.; Wyss -σύνη 42). 3. Denominatives Verb κηδεύω ‘besorgen, bestatten, vermählen’ (att. usw.) mit κήδευμα ‘Verschwägerung’ (S., E.), -ευσις ‘Sorge’ (Ael., Plot.), -ευτής ‘Besorger’ (Arist.), -εία ‘Verwandtschaft, Bestattung’ (E., X. usw.), wovon κηδειακός ‘Leichenbestatter’ (Pergam. IIp). — Primärer Superlativ κήδιστος ‘am nächstenstehend, der liebste, teuerste’ (Hom.; Seiler Steigerungsformen 82f.). — Primäres Verb κήδομαι, Aor. Ipv. κήδεσαι (A. Th. 139, lyr.), Fut. κεκαδήσομαι (Θ 353), Perf. κέκηδα (Tyrt. 12, 28), auch mit Präfix, z. B. περι-, προ-, ‘sorgen, besorgt sein, sich kümmern’ (seit Il.); auch Akt. κήδω, Fut. κηδήσω ‘besorgt machen, betrüben’ (ep. eleg. seit Il.); davon κηδεμών ‘Besorger, Fürsorger, Beschützer’ (seit Il.; nach ἡγε-μών; Schwyzer 522) mit κηδεμονία ‘Pflege, Fürsorge’, -μονικός ‘fürsorglich’ (hell. u. spät), -μονεύω ‘Beschützer sein’ (Just.); metrische Erweiterung κηδεμονεύς (A. R., APl.; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 63). — Ein mit dem s-Stamm in κῆδος alternierender r-Stamm (: κῦδος : κυδ-ρός) wird seit Geldner KZ 27, 242f. in aw. sādra- n. ‘Leid, Wehe, Unheil’ vermutet, idg. *ḱād-os- bzw. ḱād-ro-. Den s-Stamm hat Thieme Der Fremdling im RV 158f. in dem dunklen riśā́das-, nach Th. ‘für den Fremdling sorgend’, wiederfinden wollen. In Betracht kommen ferner einige Nomina aus dem Italischen, Keltischen und Germanischen: osk. cadeis ‘makevokentiae’ (Gen. sg.), kekt., z. B. mir. caiss ‘Haß’, auch ‘Liebe’ (eig. *‘Sorge’?), kymr. cawdd ‘offensa, ira, indignatio’, germ., z. B. got. hatis n. ‘Haß, Zorn’. Die germanischen Wörter gehen alle auf einen schwachstufigen s-Stamm zurück, idg. *ḱədos- (vgl. κεκαδήσομαι); die übrigen Formen sind mehrdeutig. Zum primären κήδομαι bieten die übrigen Sprachen kein Gegenstück. Vgl. zu κεκαδών. — WP. 1, 340f., Pok. 517 m. Lit.; zur Bedeutung noch Porzig Satzinhalte 293 und v. Windekens Sprache 4, 133, der die herkömmliche Etymologie verwirft und dafür eine pelasgische Erklärung gibt. I-836-837

κηθίς, -ίδος f. ‘Stimmurne, Würfelbecher’ (Poll. 7, 203; nicht ganz sicher); weitere Deminutivbildungen: κήθιον, -ειον, -ίον (Hermipp. 27, Poll., H.), κηθάριον (Ar. V. 674), κηθίδιον (Poll.); auch mit Metathese der Aspiration χείτιον neben κείθιον (Eust. 1259, 36) und mit Hauchverlust κητίον (Alkiphr. 1, 39, 8 [κηπίον Bast. usw.], Ath. 11, 477d cod. A). — Technisches Wort ohne Etymologie. Fick BB 1, 173 und Solmsen KZ 33, 295f. vergleichen κώθων ‘Krug’ mit einer weiteren, ganz fraglichen Hypothese (s. Bq und WP. 1, 533). — Vgl. κάθος· σπυρίς H., auch κάθιδοι (für -ίδες?)· ὑδρίαι H. (vgl. s. v.) und κάδος. I-837

*κηκάζω nur Aor. Konj. κηκάσῃ (Lyk. 1386) mit κηκασμός ‘Schmähung, Hohn’ (Lyk.); κηκαδεῖ (-άζει?)· λοιδορεῖ, χλευάζει H. ‘schmähen, höhnen’ Daneben, vielleicht als Ableitung (Schwyzer 508), κηκάς, -άδος f. ‘schmähend, höhnend’ (γλώσσῃ Kall. Fr. 253), auch als Beiwort der ἀλώπηξ (Nik. Al. 185). — Wenn aus *κᾱκ-, stimmt κηκάσῃ u. Verw. zu einem westgerm. Wort, ahd. huohōn ‘spotten, höhnen’, huoh ‘Spott, Hohn’; die Gleichung kommt indessen über eine Wurzelidentifizierung (idg. kāk-) nicht hinaus. Ursprünglich gewiß onomatopoetisch, vgl. den Seevogelnamen κήξ (s. καύαξ) und καχάζω; s. auch κακός. — Lit. bei Bq und WP. 1, 336. I-837-838

κηκίς, dor. κακίς, -ῖδος f. ‘hervorquellende Flüssigkeit’, von Blut, Purpurfarbe, Pech, Fett (A., S.), ‘Farbstoff des Gallapfels, Gallapfel’ (Hp., D., Thphr. u. a.); Deminutivum κηκίδιον (Mediz. u. a.). — Daneben, wohl als Denominativum eines ι-Stamms (Schwyzer 727), κηκίω (dor. κακίω H.), nur Präsensstamm, auch mit ἀνα-, ‘hervorquellen, -sprudeln’ (ep. poet. seit Il.). — Nicht sicher erklärt. Seit Fick 1, 420 mit lit. šókti ‘springen, tanzen’ verglichen, idg. *ḱāq-; die (nasalierte?) Form καγκύλας· κηκῖδας. Αἰολεῖς wird dabei mit lit. šankùs ‘flink’ zusammengehalten. Dazu noch thrak.-phryg. σίκιν(ν)ις ‘Tanz der Satyrn zu Ehren des Dionysos’ (S., E. usw.). Weitere, noch unsicherere oder ganz willkürliche Kombinationen bei Solmsen Wortforsch. 145 A. 2; ausführliche Lit. bei Bq und WP. 1, 334. — κηκίς, -ῖδος ist entweder aus einem alten -Stamm erweitert (Chantraine Formation 347) oder aus κηκίω rückgebildet. I-838

κῆλα n. pl. ‘Pfeile, Geschosse (der Götter)’ (Il., Hes., Pi., Orph.). — Zu einem allgemeinen Vergleich bieten sich einige aind. Wörter der Bed. ‘Rohr, Pfeil’ wie śará- m., śárya- n., - f., śalyá- m. n., außerdem mir. cail ‘Speer’ (idg. *kali-), awno. hali m., ‘Schwanz’ (n-Stamm), alle im Gegensatz zu κῆλα mit kurzem (α-)Vokal; Grundwort somit wohl ein ablautender l-Stamm. Beziehung zu κᾶλον ‘Holz’ liegt nicht vor. — Weitere, mehr oder weniger unsichere Anknüpfungen bei WP. 1, 431f. (m. Lit.), Pok. 552f. I-838

κηλᾶς, -ᾶ m. N. eines indischen Storches, ‘Marabu, Leptopilus argala’ (Ael. NA 16, 4). — Bildung wie ἀτταγᾶς, ἐλεᾶς u. a. (Schwyzer 461, Chantraine Formation 31f.); wohl aus dem Indischen (vgl. hind. hargēla) mit Umbildung nach κήλη ‘Geschwulst, Buckel’ mit Beziehung auf den großen Kropf. Thompson Birds s. v.; zum Akzent noch Björck Alpha impurum 63 A. 2. I-838

κηλάς s. κηλίς. I-838

κήλαστρος -ον n. f., ‘Stechpalme, Ilex aquifolium’ (Thphr.), κηλάστραι· σκαφίδες, ἀγγεῖα ποιμενικά. ἢ δένδρα H. — Bildung wie z. B. δέπαστρον, κάναστρον, ζύγαστρον (s. dd.). Herkunft unbekannt; die Anknüpfung an κηλίς (Bq) erfordert eine semantische Begründung. Hofmann Et. Wb. d. Griech. erinnert an bask. gorostri ‘Stechpalme’. I-838

κηλέος ‘brennend, lodernd’ (Hom., Hes.) nur in πυρὶ κηλέῳ (zweisilbig), immer am Versende außer Θ 217 und Ο 74 (hier πυρὶ κηλείῳ). Daneben περί-κηλος (Od.), κηλόν· ξηρόν H. und καυαλέον ἢ καυαλές· ὑπὸ Αἰολέων τὸ αἶθος, ἢ κατακεκαυμένον κτλ. — Wegen delph. κηυα (s. d.) scheint für κηλέος ein urgr. *κηϝαλέος erforderlich zu sein (κηϝαλέον πῦρ urspr. am Versende wie αἰθόμενον πῦρ u. a.?; Shipp Studies 54); äol. κᾰϝαλέος muß dann im Ablaut abweichen. Die Form κηλείῳ beruht auf Suffixtausch (Schmid -εος und -ειος 40; anders Fick: sekundär für äol. καυαλέῳ); auch περί-κηλος und καυαλές sind Umbildungen (nach den λο- bzw. den ής-Adj.). Einzelheiten m. Lit. bei Debrunner IF 23, 21f. und Bechtel Lex. s. v. — Weiteres s. καίω und κηώδης. I-839

κηλέω, Aor. κηλῆσαι, ‘bezaubern, betören, besänftigen’ (ion. att.). auch mit κατα-, ὑπερ-, ἐκ-, Davon mehrere Verbalnomina: κηληθμός ‘Bezauberung’ (λ 334 = ν 2; Chantraine Formation 137), κήλησις ‘ds.’ (Pl.), κήλημα ‘Zauber’ (Ibyk., E.), κήληθρον ‘ds.’ (Phryn., H.); — Κηληδόνες f. pl. N. mythischer Sängerinnen, die den Sirenen ähnelten (Pi.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 268), κηλήτωρ ‘Bezauberer’ (Orph.), -ήτειρα f. (Hes. Op. 464 εὐκηλήτειρα; wohl Juxtaposition, s. Fraenkel Nom. ag. 1, 111; = ἡσυχάστρια H.), κηλητήριος ‘bezaubernd, betörend’ (S., E.), -ητικός (Ath., Ael.). — Deverbative Bildung (Schwyzer 720) unklarer Herkunft. Mit Bugge Gurt. Stud. 4, 331f. wird allgemein ein anders gebildetes germanisches Deverbativum etwas abweichender Bedeutung zum Vergleich herangezogen: got. (af)hōlōn ‘verleumden, συκοφαντεῖν’ (wäre gr. *κωλάω wie πωτάομαι) = ags. hōlian ‘ds.’, ahd. huolen ‘betrügen’ (wozu als Rückbildungen ags. hōl n. ‘Verleumdung’, awno. hōl n. ‘Lob, Prahlerei’, vgl. Wissmann Nom. postv. 125). Zum germanischen Wort stimmt semantisch das formal davon abweichende lat. calvor, - ‘Ränke schmieden, täuschen’ mit calumnia ‘falsche Anklage, Betrug, Verleumdung’. Ein entsprechendes primäres Verb ist nirgends zu belegen. — Anders Prellwitz Wb. (als Alternative): zu κέλαδος, καλεῖν (s. dd.). Wieder anders Machek Slavia 16, 184ff.: zu russ. šalítь ‘übermütig, mutwillig sein’, čech. šáliti ‘täuschen, betrügen’ usw.; dagegen Vasmer Russ. et. Wb. s. šalítь. — WP. 1, 446, Pok. 551, W.-Hofmann s. calumnia. I-839

κήλη, att. κάλη f. ‘Geschwulst, Bruch’ (Hp., AP), ‘Buckel, Höcker’ (Eup., Arist. usw.); als Vorderglied in κηλο-τομία ‘Bruchoperation’, als Hintergkied in ἐντερο-, σαρκο-κήλη u. a. (Mediz.; Strömberg Wortstudien 69f.). Davon κηλήτης, att. καλήτης m. ‘mit einem Bruche behaftet’ (Str., Gal., Phryn. u. a.), (ἐντερο-)-κηλικός (Dsk., Gal.); κάλᾳμα· ὄγκος H. (Erweiterung, Chantraine Formation 186f.); denominatives Verb καλάζει· ὀγκοῦται. ’Αχαιοί H. Zu κηλᾶς Vogelname s. bes. — Der Gegensatz zwischen ion. κήλη und att. κάλη (nach den Gramm. α lang) ist nicht aufgeklärt. Die Annahme einer Rückverwandlung von uratt. η zu ᾱ (WP. 1, 333) ist nicht zu begründen; eine Zurückführung auf im Ablaut verschiedene Grundformen: *κᾱϝ-ελ-ᾱ > κήλη, *κᾰϝ-ελ-ᾱ > κάλη (Kretschmer KZ 31, 471f. zweifelnd) ist ein wenig verlockender Ausweg. So bleibt die Möglichkeit, in κάλη einen nichtattischen Terminus zu erblicken (Björck Alpha impurum 70 zögernd); der Beweis steht noch aus. — Eine auffallende Ähnlichkeit zeigt ein germanischer Ausdruck für ‘Leistenbruch’, awno. haull m., ags. hēala m., ahd. hōla f., urg. *haula(n)-, -(n); aus slavischem Gebiet kommen in derselben Bedeutung hinzu ksl. kyla, russ. kilá, auch ‘Knorren am Baum’ u. a., wozu lit. kū́las ‘Nabelbruch’, kū́la ‘Verdickung, Anschwellung, Auswuchs, Knorren’ stimmen. Alle oben genannten Formen lassen sich auf einen idg. l-Stamm *qāu̯el-, qaul-, qūl- zurückführen (vgl. zu ἥλιος). — WP. 1, 333, Pok. 536f., W.-Hofmann s. cūlus, Vasmer Wb. s. kilá. Ältere Lit. auch bei Bq. I-839-840

κηλίς, -ῖδος f. ‘Fleck, Blutfleck, Schandfleck’ (Trag., Antipho, X., Arist. usw.) mit κηλιδόω (καλ- Ekphant. ap. Stob. 4, 7, 64) ‘beflecken, schänden’ (E., Arist., Ph. u. a.), κηλιδωτός (Suid., Gloss.). — Daneben κηλάς, -άδος f. Beiwort der Sturmwolke (Thphr.), nach H. auch = χειμερινὴ ἡμέρα und αἴξ, ἥτις κατὰ τὸ μέτωπον σημεῖον ἔχει τυλοειδές, somit eig. ‘gefleckt, gesprenkelt’; auch κηλήνη· μέλαινα H. — Bildung wie κληΐς, κνημίς u. a. (Schwyzer 465, Chantraine Formation 346f.), wie diese von einem Nomen ausgehend. Ob κηλάς, κηλήνη auf dies unbekannte Nomen zurückgehen, ist nicht ganz sicher, da auch mit Suffixtausch bzw. Rückbildung zu rechnen ist. — Ein unbekanntes Wort liegt auch dem sinnverwandten italischen Adjektiv lat. cālidus ‘mit einer Blässe auf der Stirn versehen’ = umbr. (buf) kaleřuf ‘boves calidos’ zugrunde (wie candidus, nitidus u. a.). Zur selben Bedeutungssphäre gehört auch das kurzvokalische lit. kalýbas, -ývas ‘weißhalsig, von Hunden’; hinzu kommt air. caile ‘Fleck’ (idg. *qali̯o-). Semantisch etwas abseits steht lat. cālīgō ‘Nebel, Finsternis’, das von Ernout-Meillet ferngehalten wird. Fern bleiben jedenfalls aind. kāla- ‘(blau)schwarz’, kalmaṣa- ‘Fleck, Schmutz’ (wohl LW, s. Mayrhofer Wb. s. vv.). Vgl. noch κελαινός mit abweichendem Vokal und eigenartiger Bildung. — Einzelheiten mit reicher Lit. bei WP. 1, 440ff., Pok. 547f., W.-Hofmann s. (2.) callidus und cālīgō, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kalýbas, Vasmer Russ. et. Wb. s. kal. I-840-841

*κῆλον ‘Pfeil, Geschoß’ s. κῆλα. I-841

κήλων, -ωνος m. ‘Zuchthengst’ (Archil., Kratin., Ph., H.) oft übertr. ‘Brunnenschwengel’ (Delos IIIa, Pap.; wie mhd. heng(e)st); als Vorderglied in κηλωνο-στάσιον ‘Stellung für den Brunnenschwengel’ (PBerl. Leihg. 13, 14; vgl. den Hrsg. z. St.). Davon κηλωνεῖον, ion. -ήϊον ‘Schöpfmaschine’ (Hdt., Ar., Arist., Pap. u. a.) und κηλωνεύω ‘den Brunnenschwengel drehen’ (Hero, Ath. Mech.). Sekundärbildung auf -ων (Chantraine Formation 161f.); — Grundwort nicht sicher. Vendryes REGr. 25, 461 schlägt vor, von κῆλον in dem unbelegten Sinne von ‘πόσθη’ auszugehen. Anders, gewiß nicht besser, Zupitza Die german. Gutt. 195: zu ahd. scelo ‘Schellhengst’, mhd. schel ‘springend, auffahrend’ usw. — Vgl. zu Σιληνός. I-841

κημός m. ‘Maulkorb, geflochtener Deckel der Stimmurne, Fischreuse, Mundbinde usw.’ (A., S., Ar., X. u. a.; zur Bedeutung Schenkl WuS 5, 172ff.). Davon κημόω ‘einen Maulkorb anlegen, das Maul verbinden’ (X., 1 Ep. Kor. 9, 9, Sch.) mit κήμωσις· φίμωσις H. Als Hinterglied in εὐκαμία· ἡσυχία, ἤτοι εὐφημία (EM, H.), wie von *εὔ-κᾱμος. — Unerklärt. Die formal gewiß mögliche Anknüpfung an arm. kamem ‘drücken, pressen, auspressen’ (Petersson KZ 47, 284) ist mit der sonst naheliegenden Grundbedeutung ‘Flechtwerk’ schwer vereinbar. Dasselbe gilt von der Heranziehung einer im Baltisch-Slavischen und Germanischen stark vertretenen, z.T. ziemlich bunten Wortsippe der Bedeutung ‘zusammendrücken, pressen, zusammenballen usw.’, die außerdem im Vokal abweicht, z. B. lit. kãmanos pl. ‘Zaumzeug mit Gebiß’, russ. kom ‘Klumpen’, mhd. hemmen, hamen ‘aufhalten, binden, hemmen’ usw. usw. (WP. 1, 388f., Pok. 555, Fraenkel s. kãmanos, Vasmer s. kom). Lat. quālum ‘geflochtener Korb’ (Prellwitz1) weicht anderseits im Anlaut ab, s. WP. 1, 507, W.-Hofmann s. v. Nicht mit Specht Ursprung 263 A. 4 zu χάβος ‘Maulkorb’ (Sch.). Noch anders Wood ClassPhil. 21, 341 (zu ahd. hamo ‘Hülle’ usw.). — Aus dor. *καμός stammt lat. cāmus ‘Maulkorb, Beißkorb’, aus κημός osman. arab. ĝem ‘Gebiß, Mundstück des Zaumes, Zaum, Zügel’, wovon ngr. τὸ γέμι ‘Zügel, Zaum’ (Maidhof Glotta 10, 9). — S. auch κῶμος, κώμυς. I-841

κήξ s. καύαξ. I-841

κῆπος 1. dor. κᾶπος m. ‘Garten, eingehegtes bepflanztes Land’ (seit Il.), ‘unbearbeitetes Grundstück’ (kypr.; vgl. Kretschmer Glotta 3, 303 mit R. Meister). Oft als Vorderglied, z. B. κηπουρός aus *κηπο-ϝορός (att., hell. u. sp.), auch κηπ-ωρός (Archipp. u. a.; wohl nach θυρωρός, s. zu θύρα) ‘Gartenhüter, Gärtner’; κηπο-λάχανον ‘Gemüsegarten’ (Pap.; Typus ἱππο-πόταμος, s. zu ἵππος; dazu Strömberg Wortstudien 7), auch κηπο-λαχαν-ία ‘ds.’ (Pap.); κηπ-εργός ‘Gärtner’ (Korykos; nach ἔργον für -ουργός [Poll.]). Auch als Hinterglied, z. B. περί-κηπος m. ‘um das Haus angelegter Garten’ (ptol. Pap., D. S. u. a.; wohl nach περί-χωρος u. a.); ἀγρό-κηπος (att. Inschr., Kaiserzeit), ἀγρο-κήπιον (Str.) ‘als Garten bebautes Feld’. - Ableitungen: Deminutiva κηπίον (Halik. Va, Th. usw.), -πίδιον (Plu., D. L.), -πάδιον (Pap.); κηπαῖος ‘zum Garten gehörig’ (Arist. usw.; Chantraine Formation 48), κηπεύς, dor. καπεύς ‘Gärtner’ (Philyll. Kom. 14, AP; Bosshardt Die Nom. auf -ευς 49), κηπίδες Νύμφαι ‘Garten-Nymphen’ (Aristainet.). Denominatives Verb κηπεύω ‘im Garten bauen, heranziehen, pflegen’ (E., Eub., Arist. usw.) mit κηπεῖαι f. pl. ‘Gärtnereien’ (Pl. Lg. 845d u. a.), κηπεύματα pl. ‘Gartengewächse, -früchte’ (Ar. Av. 1100 u. a.), κηπευτής = κηπεύς (Gloss.), κηπεύσιμος ‘in einem Garten herangezogen’ (Alex. Trall.; nach φυτεύσιμος, Arbenz Die Adj. auf -ιμος 86). — Bis auf den Stammauslaut kann κῆπος, κᾶπος mit einem sinnverwandten westgerm. Wort identisch sein, ahd. huoba, asächs. hōba, nhd. Hufe, Hube f. ‘Stück Land von einem gewissen Maße’, ndl. hoeve ‘Bauernhof’, idg. *qāpā́; hierher noch alb. kopshtë ‘Garten’ (mit shtë-Suffix), das für velaren Anlaut entscheidet. Über weitere, unsichere oder entschieden verfehlte Anknüpfungen (κάπετος, lat. capiō, ahd. habaro ‘Hafer’) s. Bq, WP. 1, 345f., Pok. 529, wo auch ältere und jüngere Lit. zu finden ist. I-842

κῆπος 2. ‘Affe’ s. κῆβος. I-842

κήρ, κηρός f. ‘Tod, Verderben’, oft personifiziert ‘Todesgöttin, Todesdämon’ (poet. seit Il.), im Plur. ‘Todesarten, Unfälle’ (auch Prosa); ausführlich darüber Nilsson Gr. Rel. 1, 222ff., v. Wilamowitz Glaube 1, 271ff. Ableitungen: κηρέσιον· ὀλέθριον, νοσηρόν H. (nach θεσπέσιος); κηραίνω ‘beschädigen, ins Unglück bringen’ (A. Supp. 999, Ph. u. a.; nach πημαίνω), κηρόομαι ‘beschädigt werden’ (EM). Kompp. z. B. κηρεσσι-φόρητος ‘von den Keren (in den Tod) getrieben’ (Q 527; Schwyzer 446, Pfister Würzb. Jb. 3, 406f.), κηρι-τρεφεῖς ‘zum Tode erzogen’ (ἄνθρωποι, Hes. Op. 418), κηρο-τρόφος ‘den Tod ernährend, tödlich’ (ὄφις, Nik. Th. 192); ἐπί-κηρος ‘dem Tod anheimgefallen’ (Hp., Arist., hell.); auch ἀ-κήρ-ατος mit ἀκηράσιος und ἀ-κήρ-ιος ‘unversehrt’, s. 1. ἀκήρατος und Sommer Nominalkomp. 152 m. Lit. und weiteren Einzelheiten. — Altes Wurzelnomen, das sich semantisch ungesucht an κεραΐζω anschließt; auszugehen ist dabei von dem im Altind. und Keltischen belegten starken Aorist (s. zu κεραΐζω); κήρ somit eig. als Nomen agentis "die Verderberin". Der Umstand, daß die betreffenden Verbformen eine zweisilbige Wurzel enthalten, braucht (mit Ernout-Meillet s. cariēs) keine Bedenken dagegen zu erregen. Um so bedenklicher sind die langvokalischen α-Formen bei Alk. (κᾶρι B 6 A 7) und Alkm. (κᾶρα Fr. 56; überl. κάραν), weil sie ein urgr. *κά̄ρ (vgl. κάρ· θάνατος H.) zu erfordern scheinen. Auch καριῶσαι· ἀποκτεῖναι und ἐκαρίωσας· ἀπέκτεινας H. zeigen α, das indessen wie lat. cariēs eine Reduktionsstufe enthalten kann, s. unten. Hinzu kommt noch der alte attische Spruch θύραζε Κᾶρες, οὐκ ἔτ’ ’Ανθεστήρια, wo indessen Κᾶρες für älteres Κῆρες stehen dürfte und jedenfalls seine eigene Geschichte hat (s. Nilsson Gr. Rel. 1, 224f. m. Lit.). Gegen κᾶρι, κᾶρα bei Alk. und Alkm. stehen anderseits κῆρες und κής sowohl bei Pi. Fr. 277 wie in den Chorgesängen der Tragödie. Eine Lösung wird vielleicht ermöglicht durch die Ansetzung eines ablautenden Paradigmas κήρ, *κᾰρός (nicht in ἐν καρὸς αἴσῃ erhalten, s. καρός) mit einem sekundären Nom. *κά̄ρ (Ehrlich Sprachgesch. 9f.). — Weitere idg. Formen m. Lit. bei WP. 1, 410f., Pok. 578; zum Griech. noch Hamm Grammatik zu Sappho und Alkaios 45. I-842-843

κῆρ n. ‘Herz’ s. καρδία. I-843

κηραφίς f. Art Meerkrebs s. κάραβος. I-843

κηρός m. ‘Wachs’ (seit Od.). Oft als Vorderglied, z. B. in den Zusammenbildungen κηρό-δε-τος ‘mit Wachs zusammengefügt’ (Theok. u. a.), κηρο-πλάσ-της ‘Wachsbildner’ (Pl. u. a.), κηρο-τακ-ίς f. "Wachsschmelze", ‘heiße Platte, die von Malern gebraucht wurde, um die Wachsfarbe heiß zu halten’ (PHolm. 6, 33 u. a.; vgl. Lagercrantz z.St.); als Hinterglied z. B. in πισσό-κηρος m. ‘Mischung aus Harz und Wachs, mit der die Bienen die Zugänge ihres Stockes verstopfen, Bienenharz, Vorstoß’ (Arist., Plin.; daneben κηρό-πισσος ‘Salbe aus Wachs und Harz’ [Hp.], vgl. Risch IF 59, 58), μελί-κηρος ‘Bienenwachs’ (Pap.); daneben mit Umbildung des Hinterglieds nach verschiedenen Mustern: μελι-κήρ-ιον ‘Honigwabe’ (Sm.), μελι-κηρ-ίς ‘Honigwabe’, übertr. ‘Art Kyste oder Fettgeschwulst’ (Hp., Pap. u. a.), μελί-κηρᾰ f. ‘Eierkapsel der Schnecken’ (Arist.). Zahlreiche Ableitungen: 1. κηρίον ‘Wachskuchen, Honigwabe’ (ion. att. seit h. Merc. 559; Zumbach Neuerungen 11) mit κηρίδιον (Aët.), κηριώδης ‘wabenähnlich’ (Thphr.), κηρίωμα ‘Augenfluß’ (S. Fr. 715), κηριάζω ‘laichen’, von der Purpurschnecke, wegen der Ähnlichkeit ihres Laiches mit einer Wabe (Arist.). — 2. κήρινος ‘aus Wachs’ (Alkm., att.) mit κηρίνη (sc. ἔμπλαστρος) N. eines Pflasters (Mediz.); 3. κήρινθος m. ‘Bienenbrot’ (Arist., Plin., H.; zum gleichlautenden ON s. v. Blumenthal ZONF 13, 251); 4. κηρίων, -ωνος ‘Wachskerze, -fackel’ (Plu., Gal.; Chantraine Formation 165, Schwyzer 487); 5. κηρών, -ῶνος ‘Bienenkorb’ (Sch.); 6. κηρίς Fischname = κιρρίς? (Diph. Siph., Alex. Trall.; s. κιρρός), wohl nach der hellgelben Farbe; vgl. Strömberg Fischnamen 20f., Thompson Fishes s. v.; 7. κηρῖτις (λίθος) ‘wachsähnlicher Stein’ (Plin. HN 37, 153: "cerae similis"; Redard Les noms grecs en -της 55); 8. *κηροῦσσα in lat. cērussa ‘Bleiweiß’ (seit Plaut.; vgl. W.-Hofmann s. v. und Friedmann Die jon. u. att. Wörter im Altlatein 94f.). — Denominative Verba: 1. κηρόομαι, -όω ‘mit Wachs überzogen werden bzw. überziehen’ (Hp., Herod., AP u. a.) mit κήρωσις ‘Bienenharz’ (Arist.); κήρωμα ‘Wachssalbe, -pflaster’ (Hp. usw.; vielleicht direkt von κηρός, vgl. Chantraine Formation 186f., lat. cērōma), -ματικός, -ματίτης, -ματιστής (Redard 47); κηρωτή ‘ds.’ (Hp., Ar., Dsk. u. a.; direkt von κηρός?) mit κηρωτάριον ‘ds.’ (Mediz.); 2. κηρίζω ‘wie Wachs aussehen’ (Zos. Alch.). — Die von Curtius 149 angenommene Verwandtschaft mit einem baltischen Wort für ‘Honigwabe’, lit. korỹs, lett. kâre(s), ist von verschiedenen Forschern abgelehnt oder in Zweifel gezogen worden (Osthoff Etym. parerga 1, 18ff., Fraenkel Lit. et. Wb. s. korỹs, Specht Ursprung 52). Weil ein dor. *κᾱρός sich nicht erweisen läßt (Osthoff a. a. O.) und eine Entlehnung von ion. att. κηρός in fremdes Dialektgebiet durch nichts zu stützen ist, stößt diese Gleichung wegen der Verschiedenheit der Vokale (idg. : ) auf große Schwierigkeiten. Da ferner für das idg. Urvolk eigentliche Bienenzucht kaum anzunehmen ist (über idg. Benennungen der Naturprodukte der Bienen s. zu μέλι und μέθυ), ist für κηρός mit orientalischer Herkunft zu rechnen (vgl. Haupt Actes du 16éme congr. des orientalistes [1912] 84f., Schrader-Nehring Reallex. 1, 140f., Chantraine Formation 371, Deroy Glotta 35, 190, Alessio Studi etr. 19, 161ff., Belardi Doxa 3, 210). — Aus κηρός wahrscheinlich als LW lat. cēra (-a nach tabella, crēta; Einzelheiten bei W.-Hofmann s. v.); aus lat. cēreolus gr. κηρίολος ‘Wachskerze’ (Ephesos IIp). I-843-844

κηρύλος m. N. eines Vogels, der bisweilen mit dem Eisvogel ἀλκυών identifiziert oder verglichen wird (Alkm., Archil., Ar. Av. 299f. [hier κειρύλος geschrieben als Spitzname mit Beziehung auf κείρειν], Arist. u. a.); zur Sache Thompson Birds s. v. — Bildung auf -υλος, wohl deminutivisch (Chantraine Formation 249ff., Leumann Glotta 32, 217f.); als Grundlage kommt nicht nur κηρ-, sondern auch κηλ- (mit Dissimilation) in Betracht. Im ersten Falle vielleicht mit Prellwitz (Wb.2, BB 30, 176) zu aind. śārá- ‘bunt’, śārī̆- N. eines Vogels; vgl. Frisk Nom. 6 m. A. 4 (idg. *ḱero-); im letzteren ist an κελαινός u. Verw. (s. d.) angeknüpft worden (WP. 1, 420). Man ist aber dann vielmehr geneigt, mit Lagercrantz Sertum philol. C. F. Johansson oblatum (1910) 117ff. *κηλ-ύλος zu κήλων ‘Zuchthengst’ zu ziehen; vgl. die Beschreibung des Vogels bei H.: κηρύλος· ἄρσην ὄρνις συνουσιαστικός. I-844-845

κήρυνος auch κάρυννος (Phot.). m. Ben. eines Würfelwurfs (Eub. 57, 2); — Unerklärt. I-845

κήρυξ (κῆρυξ Hdn.; vgl. Schwyzer 391), dor. äol. κάρυξ, -ῦκος, myk. ka-ru-ke? m. ‘Herold, Bote’, auch ‘Trompetenschnecke‘ (seit Il.). Als Hinterglied z. B. in δρομο-κήρυξ ‘Kurier’ (Aeschin. u. a.). Viele Ableitungen. 1. Femininbildung: κηρύκαινα ‘Heroldin’ (Ar. Ek. 713; Augenblicksbildung, vgl. Chantraine Formation 108); 2. Patronymicum: Κηρυκίδαι m. ‘Abkömmlinge der athenischen Familie der Κήρυκες’ (Pokl.). 3. Adjektiva: κηρύκειος ‘zum Herold gehörig’ (S.), gewöhnlich im Ntr. κηρύκ(ε)ιον, dor. κᾱρ-, ion. κηρυκήϊον ‘Heroldstab’ (ion. att. dor.; lat. LW cādūceum, -eus; vgl. W.-Hofmann s. v.), auch als Sternbild (Scherer Gestirnnamen 200); ‘Ausruferlohn, Versteigerungssteuer’ (hell. Inschr. u. Pap.); Καρυκήϝιος böot. Ben. des Apollon (Tanagra, Theben, VIa; Schwyzer 468); κηρυκικός ‘den Herold, Ausrufer betreffend’ (Pl., Pap.; Chantraine Étud. sur le vocab. gr. 135f.), -ινος ‘zum Herold gehörig’ (Pap., Suid.), -ώδης ‘der Trompetenschnecke ähnlich’ (Arist.). — Denominative Verba: 1. κηρύσσω, -ύττω, κᾱρ- ‘Herold sein, ausrufen, bekanntmachen’ (seit Il.) mit κήρυγμα ‘Heroldsruf, Bekanntmachung’ (ion. att.), κηρυγμός (Sch.), κήρυξις (D. C.) ‘ds.’; 2. κηρυκεύω ‘als Herold auftreten, verkündigen’ (att.) mit κηρυκεία, -ηΐη ‘Heroldsdienst’ (ion. att.), κηρύκευμα ‘Botschaft’ (A. Th. 651), -ευσις ‘ds.’ (Suid.). — Bis auf das erweiternde -κ- (Schwyzer 496) mit aind. kārú- ‘Sänger, Dichter’ identisch. Aus dem Griechischen hierher noch καρκαίρω (s. d.). Weitere, mehr oder weniger entfernte Verwandte, namentlich im Altind. und German., bei Bq s. καρκαίρω, WP. 1, 353f., Pok. 530f. I-845

κῆτος, -εος n. ‘großes Seetier, Meerungeheuer’ (poet. seit Il.), ‘Walfisch’ (Arist.), auch N. eines Sternbilds (Arat. u. a.; Scherer Gestirnnamen 187). Kompp., z. B. κητό-δορπος (συμφορά) ‘den κητεα ihr Abendessen schenkend’ (Lyk.); μεγα-κήτης ‘mit großen κήτεα’ (Hom.), Beiw. von πόντος, auch von δελφίς = ‘ein großes κῆτος (ausmachend)’, danach auf ναῦς übertragen (vgl. Sommer Nominalkomp. 184f. mit Kritik anderer Ansichten), βαθυ-κήτης (πόντος) ‘κήτεα in der Tiefe bergend’ (Thgn. 175), πολυ-κήτης ‘mit vielen κήτεα’ (Theok. 17, 98). Ableitungen: κήτειος ‘zum κῆτος gehörig’ (Mosch., Nonn. u. a.), κητώδης ‘zum Walfischgeschlecht gehörig’ (Arist. u. a.); κητεία f. ‘Fang von κήτεα (Thunfischen)’ (Str., Ath., Ael.; nach ἁλιεία); κήτημα ‘eingepökelter Thunfisch’ (Diph. Siph. ap. Ath. 3, 121b; nicht sicher; erweiterte Form), κητήνη· πλοῖον μέγα ὡς κῆτος H. (nach ἀπήνη?; vgl. auch Chantraine Étrennes Benveniste 9); κητόομαι ‘ein κῆτος werden’ (Ael.). Vgl. κητώεσσαν. — Unerklärt. Verfehlte idg. Etymologien sind bei Bq und bei WP. 1, 384 (s. auch Bechtel Lex. s. v.) referiert. I-845-846

κητώεσσαν Beiwort von κοίλην Λακεδαίμονα (Β 581, δ 1; Versende), allg. als ‘voll von Schlünden, schlundreich’ erklärt, spät auf das hölzerne Pferd bezogen (Q. S. 12, 314) und, durch Vermischung, mit κήτειος, κῆτος, von πώεα, φάλαγξ gebraucht (Nonn.). — Nicht sicher erklärt. Zenodot (Sch. zu δ 1) las dafür καιετάεσσαν und verstand es als ‘καλαμινθώδη’, von καιέτα (H.) oder καιετας (ohne Akzent, Apoll. Lex. s. κητώεσσαν) = καλαμίνθη; von Kall. Fr. 224 wird der Eurotas καιετάεις genannt. Andere Gewährsmänner (bei Str. 8, 5, 7 und Eust. 1478, 41) bezogen es dagegen auf καιετοί· οἱ ἀπὸ τῶν σεισμῶν ῥωχμοί und auf καιέτας = καιάδας (s. d.). — Wer die Lesung Zenodots bevorzugt, muß Aristarchs κητώεσσαν als eine Verschlimmbesserung mit Anschluß an κῆτος betrachten. So Bechtel Lex. s. v., indem er nach Buttmann Lex. 2, 92ff., Solmsen Unt. 123f. u. a. ein Wort κῆτος = ‘Schlund, Höhlung’ ansetzt, das in μεγα-κήτης (von δελφίς, ναῦς, evtl. auch von πόντος) erhalten wäre (anders darüber s. κῆτος). Nach Buttmann und Solmsen ist dagegen κητώεσσαν (mit metr. Dehnung für *κητόεσσαν) die echte Lesart, u. zw. von κῆτος angebl. ‘Höhlung, Schlund’. I-846

κηυα delph. in θύεν..τρικτευαν κηυαν (IG 22, 1126, 34 [bis], IVa). — Ausdruck unklarer Bedeutung; τρικτευαν jedenfalls zu τριττο(ι)α, τρικτύα ‘aus drei Tieren bestehendes Opfer’. Wenn, wie diese, substantivische Ableitung von τρικτύς, τριττύς, muß κηυαν als Attribut am ehesten Adjektiv sein; ob = *κηιϝαν durch Metathese aus *κηϝ-ιαν ‘zum Brennen bestimmt’ (von καίω, Aor. *κῆϝ-αι)?; vgl. κηώδης und κήϊα, κεῖα· καθάρματα H. Nicht mit Bechtel Dial. 2, 156 aus *kēu̯usi̯ă. — Wenn dagegen τρικτευαν als Adjektivattribut fungiert (dafür mit guten Gründen Prellwitz BB 17, 166ff.), steckt in κηυα ein Verbalabstraktum, nach Prellwitz *κηϝ-ι̯ᾰ, nach Schwyzer 459 m. A. 7 (s. auch 349) dagegen *κήϝ-ᾱ. I-846-847

κῆϋξ N. eines Seevogels s. καύαξ. I-847

κηφήν, -ῆνος (καφάν H.) m. ‘Drohne, Raubbiene’, oft übertr. ‘Nichtstuer, Abgelebter’ (seit Hes.), auch von den kleinasiatischen Griechen als Benennung asiatischer Völker, z. B. der Perser (Hdt. 7, 61), verwendet wie russ. usw. Némĭci "die Stummen" als Name der Deutschen. Davon das Deminutivum κηφήνιον (Arist.) und κηφηνώδης ‘drohnenähnlich’ (Pl. u. a.). — Daneben Κηφεύς (Hdt. usw.) und mehrere andere Kurznamen wie Κῆφις, Κᾶφις, Κάφων, Καφώ, s. Solmsen Wortforsch. 123f.; anders Bechtel Lex. s. κεκαφηώς. — Substantivierung auf -ήν, -άν eines Adjektivs *κηφός, *κᾱφός, das auch dem PN Κηφεύς zugrunde liegen kann (verfehlt darüber Bosshardt Die Nom. auf -ευς 133f.) und mit κωφός ‘stumpf, stumm, taub’ ablautet. Weitere Analyse und Anknüpfung unsicher; vgl. zu κεκαφηότα. — Lat. hebes ‘stumpf’ ist wegen des Vokalismus (idg. gegenüber , in καφάν, κωφός) damit nicht vereinbar, insofern man Κᾶφις usw. nicht davon trennt und καφάν als eine falsche Dorisierung betrachtet. Andere, veraltete Kombinationen sind bei Bq referiert. I-847

κῆχος (κῆγχος, κηγχός) nur in der Frage ποῖ κῆχος; nach einigen Grammatiken = ποῖ γῆς; nach anderen = ποῖ δή; (Ar. Fr. 656, Pherekr. 165). — Volkstümlicher Ausdruck ohne Etymologie. I-847

κηώδης (Ζ 483, danach D. P. 941), κηώεις (Hom., AP, Nonn.); durch Vokalkürzung bzw. Metathesis der Quantität κεώδης· καθαρός, κεῶεν ὄζει· εὐωδεῖ H. ‘voll von Räucherwerk, wohlriechend’ — Aus *κηϝώδης bzw. *κηϝόεις (mit metr. Dehnung) von *κῆϝος n. ‘Brand, Räucherwerk’, Verbalsubstantiv vom starken Aor. *κῆϝ-αι ‘brennen’, s. καίω. Solmsen Unt. 124f., auch Schwyzer 527. Anders Thieme Studien 60. — Neben dem s-Stamm *κῆϝος stehen einerseits *κηϝίον (τεῖχος : τειχίον u. a.) in κήϊα und κεῖα· καθάρματα H., anderseits ein l-Stamm in *κηϝαλ-έος > κηλέος ‘brennend’, s. d.; zum Suffixwechsel vgl. z. B. ἔτος : ἔταλον, ἄγκος : ἀγκάλη. I-847

κιάθω s. κίω. I-847

κίβδηλος (auch Pi. Dith. 2, 3) ‘verfälscht, unecht’, vom Golde, Münzen usw., ‘trüglich, lügnerisch’ (seit Thgn.); negiert ἀ-κίβδηλος ‘unverfälscht’ (Hdt., Pl. Lg. u. a.; vgl. Frisk Adj. priv. 14f.). Davon κιβδηλία, -ίη ‘Verfälschung, Trug’ (Hp., Ar. u. a.) und die Denominativa: 1. κιβδηλεύω ‘verfälschen’ (E., Ar., Arist. u. a.) mit κιβδήλευμα, -λεία ‘Fälschung’ (Pl. Lg.), 2. κιβδηλιάω ‘wie verfälschtes Gold aussehen, Gelbsucht haben’ (Arist.; nach den Krankheitsverben auf -ιάω). — Daneben κίβδης· κακοῦργος, <κά>πηλος, χειροτέχνης H., κίβδωνες = μεταλλεῖς, ‘Bergwerksarbeiter’ (Poll., Moer.). — Gemeinsames Grundwort κίβδος ‘Metallschlacke’ (Poll.); in derselben Bed. auch κίβδηλις H. s. κιβδηλιῶντας; zum ηλο-Suffix Chantraine Formation 242, Schwyzer 484. — Ausdruck des Bergbaus ohne Etymologie (vgl. zu μέταλλον). Bq (mit Solmsen) vergleicht das ebenfalls dunkle κίβον· ἐνεόν. Πάφιοι H. und erinnert an frz. (pierre) sourde d. h. ‘terne, sans reflet’; Grošelj Živa Ant. 3, 200f. zieht noch heran nhd. taub, slov. gluh auch ‘ohne Metall’ (von Mineralien). Zum Ausgang -δος wären dann die sinnverwandten μόλυβδος ‘Blei’, λύγδος ‘weißer Marmor’ zu vergleichen; s. noch Fraenkel Nom. ag. 2, 175 A. 1 (S. 176; z. T. abweichend), Grošelj a. a. O. mit einer ganz hypothetischen Etymologie. Ältere verfehlte oder ganz fragwürdige Erklärungsversuche aus dem Idg. und dem Semit. bei Bq; s. auch WP. 1, 349. — Ein verwandtes Verb will v. Blumenthal in κίψει· κακοποιεῖ H. wiederfinden (?). I-847-848

κῐ́βῐσις f. ‘Sack, Ranzen’ (Hes. Sc. 224, Pherekyd., Kall., Pap.); nach H. kypr. = πήρα; auch κίβησις (Suid., Orion), κύβεσις, κυβησία H.; daneben, wohl als volkstümliche Kurzform mit Gemination, κίββα· πήρα. Αἰτωλοί H.; zu bemerken noch κίρβα· πήρα (cod. πειρά) H., ngr. κιρβέλλα ‘kleiner Sack’; dazu Kretschmer Glotta 11, 247. — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. zu σάκκος und θύλακος. Semitische Hypothese bei Lewy Fremdw. 91. S. auch κιβωτός. I-848

κιβώριον n. ‘das Fruchtgehäuse der ägyptischen Seerose, der κολοκασία’, übertr. ‘Trinkbecher’, auch ‘Grab’ (hell. u. spät). — LW, wahrscheinlich aus dem Ägyptischen (so H.), aber dort nicht belegt, s. G. Meyer Gr.3 140 m. Lit., Nencioni Stud. itfilclass. N. S. 16, 11. — Daraus lat. cibōrium, vgl. Ernout-Meillet s. v. I-848

κῖβωτός f. (zum Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 2) ‘holzerner Kasten, Kiste, Schrank’ (Hekat., Simon., att. usw.), auch von der Arche Noahs und von der Bundeslade (LXX). Davon die Deminutiva κιβώτιον (Ar., Arist. usw.), -ίδιον (Delos IVa), -άριον (Hero u. a.). — Vielleicht mit dem sachlich nahestehenden κίβισις ‘Sack’ (s. d.) verwandt; jedenfalls wie dies ein Fremdwort unbekannter Herkunft. Semitische Hypothesen bei Lewy Fremdw. 99f. Eine kürzere Form κίβος (κῖβος?) bei Suid. — Aus κιβωτός syr. qēƀūthā und npers. kēƀūt ‘Schachtel’ (vgl. Bailey Trans. Phil. Soc. 1933, 50). Zur selben Gruppe vielleicht lat. cibus, s. W.-Hofmann s. v. m. Lit. I-848-849

κίγκασος · κυβευτικός τις βόλος, auch κίκκασος· βόλου ὄνομα H. — Zur Bildung Chantraine Formation 435; sonst unerklärt. I-849

κιγκλίς, -ίδος gew. pl. -ίδες f., ‘Gittertür(en)’, bes. die Türen, durch die die Richter oder die Ratsherren die Gerichtsstätte oder den Sitzungsraum betraten (Ar., Luk., Plu. u. a.), auch θυρο-κιγκλίδες (Attika). — Technisches Wort ohne sichere Etymologie. Wohl am ehesten mit Strömberg Wortstudien 15 Rückbildung aus κιγκλίζειν ‘schwanken, unstet sein’ (Thgn. 303; Gegensatz ἀτρεμίζειν; vgl zu κίγκλος), somit eig. etwa "Pendeltür" o. ä. — Nach Solmsen Wortforsch. 215 dagegen zu κάκαλα· τείχη H.; sehr unwahrscheinlich. Wieder anders Pisani Ist. Lomb. 77, 549: aus κιλ-κλί-δ-ες dissimiliert und wie δι-κλί-δ-ες ‘zweiflügelige Türen’ (s. d.) von κλί-ν-ειν; ähnlich schon Fraenkel KZ 45, 169. I-849

κίγκλος m. ‘Bachstelze’, nach H. ‘ὄρνεον πυκνῶς τὴν οὐρὰν κινοῦν’ (Kom., Arist. u. a.; Einzelheiten bei Thompson Birds s. v.), auch als N. eines Fisches (κίγκαλος, Numen. ap. Ath. 7, 326a), nach der Farbe?; vgl. Strömberg Fischnamen 116. Als Vorderglied in κιγκλο-βάτᾱς ‘wie eine Bachstelze gehend’ (ῥυθμός, Ar. Fr. 140). — Davon κιγκλίζω eig. "sich wie eine Bachstelze bewegen", wohl zunächst mit Beziehung auf den Schwanz (vgl. H. s. κίγκλος: κιγκλίζειν, ὅ ἐστι διασείεσθαι), ‘schwanken, unstet sein’ (Thgn. 303; vgl. zu κιγκλίς), auch mit δια- (trans., Hp., Ar.) und ποτι- (Med., Theok. 5, 117); Ableitungen κίγκλισις (Hp.), -ισμός (Hp., Men.). — Schon die wechselnden Formen der Überlieferung (κί(γ)χλος, κίγκαλος, κέγκλος usw.) deuten darauf hin, daß κίγκλος eine volkstümliche Benennung ohne feste literarische Tradition ist. Eine überzeugende Erklärung steht noch aus. Nicht mit Fritzsche Curtius’ Stud. 6, 315f. als *κέγκλος (mit ε > ι vor Nasal; Schwyzer 275) zu aind. cañcala- ‘beweglich, unstet’, da dies Wort vielmehr für *cal-cal-a- (mit Dissimilation) steht und zu cálati = cárati ‘sich bewegen’ (s. πέλομαι) gehört, sich also mit *κέγκλος > κίγκλος nicht vereinigen läßt (vgl. WP. 1, 401f.). Auch κίγκλος ließe sich natürlich auf *κέλ-κλ-ος zurückführen, wodurch Anschluß an κέλλω, κέλομαι formal möglich wäre; semantisch ist aber diese Etymologie (trotz κλόνος, κλόνις) nicht befriedigend. I-849

κίδαλον · κρόμμυον H. — Nach Grošelj Živa Ant. 2, 209 zur Sippe von σχίζω (s. d.); vgl. σχιστά· τὰ γράμματα. καὶ τὰ κρόμμυα H. I-850

κίδαρις, auch κίτ(τ)αρις, -εως f. N. einer turbanartigen Kopfbedeckung, die nur die persischen Könige trugen (Ktes., Ph., Plu. u. a.), auch vom Turban des jüdischen Oberpriesters (LXX); N. eines arkadischen Tanzes (Ath. 14, 631d). — Fremdwort aus unbekannter Quelle; Grimme Glotta 14, 16 vermutet heth.-oriental. Ursprung. I-850

κίδαφος, κιδάφη, auch κινδάφη, κι(ν)δάφιος, daneben σκίνδαφος f. (Ael.), σκιδάφη (Ark.); als Adj.: κίδαφος = δόλιος, κι(ν)δάφιος = πανοῦργος H. = ἀλώπηξ H.; Denominativ κιδαφεύειν· πανουργεῖν H. — Tiername mit φο-Suffix (Schwyzer 495, Chantraine Formation 263); die adjektivische Funktion ist offenbar sekundär. — Unerklärt. Nach Wood ClassPhil. 3, 76 als "der Gescheite" zu lit. skíedžiu, skíesti ‘trennen, scheiden’ usw.; ähnlich im Grunde schon Fick 13, 806 und Schrader BB 15, 138: zu aind. chidura- ‘trügerisch’ (in dieser Bed. nur lexikalisch belegt; sonst ‘zerbrechlich, zerbrechend’, zu chid- ‘abschneiden’, s. σχίζω). — Eine Nebenform ist κίραφος, s. d.; nach Havers Sprachtabu 125 wäre der Wechsel δ : ρ tabuistisch. Weittragende Hypothesen zur Stammbildung bei Specht Ursprung 171 und 229. I-850

κίδναμαι ‘sich ausbreiten’ s. σκεδάννυμι. I-850

κιδνόν · ἐνθάδε. Πάφιοι H. — Von der deiktischen Partikel idg. *ḱi in lat. ci-s, gr. ἐ-κεῖ (s. d.) usw., aber im einzelnen unklar. Bechtel Dial. 1, 349 sieht darin eine νο-Ableitung vom Neutrum *κιδ = got. und hit-aἕως ἄρτι’. Auch Pisani Anales de filcl 6, 213ff. setzt *κιδ dem got. hit-a gleich; -νον stehe dagegen für νῦν ‘nun’ mit kyprischem Übergang von υ zu ο; vgl. heth. kinun ‘jetzt’. Hierher nach P. noch ἀ-κιδνός ‘schwach, winzig’, Komp. ἀ-κιδνότερος, eig. "la persona o cosa che meno di un’altra si trova ‘κιδνον’"(?) oder s. v. a. ‘unzeitgemäß’. I-850

κιθάρα, ion. -ρη, auch κίθαρις, -ιος f. (ep. poet. seit Il.; zum [äolischen?] Akzent Schwyzer 385 m. Lit.). ‘Zither, Laute’ (ion. att.) Kompp., z. B. κιθαρο-αοιδός (Kom.), gewöhnlich kontrahiert κιθαρῳδός (ion. att.) ‘Zithersänger’ mit κιθαρῳδέω usw., ἀ-κίθαρις ‘ohne Z.’ (A.). Davon κίθαρος m. 1. ‘Brustkasten’ (Hp. Loc. Hom.; nach der Form); 2. N. eines Plattfisches (Kom., Arist. usw.; nach der Form) mit κιθάριον (Ptol. Euerg.); auch κιθαρῳδός N. eines im Roten Meere lebenden Fisches (Ael.; nach der Farbenzeichnung; Thompson Fishes s. v., Strömberg Fischnamen 38). — Denominatives Verb κιθαρίζω ‘die Zither spielen’, auch von Saiteninstrumenten im allg. und von dem begleitenden Gesang (seit Il.; Schwyzer 736; zur Bed. E. Diehl RhM N. F. 89, 96f.) mit mehreren Ableitungen: κιθαριστύς f. (Il.), κιθάρισις (Pl. u. a.), -ισμός (Kall.) ‘das Zitherspielen, die Kunst des Zitherspielens’; Versuch einer semantischen Differenzierung bei Benveniste Noms d’agent 69, s. auch Porzig Satzinhalte 181; κιθάρισμα ‘Musikstück für die Z.’ (Pl. usw.); κιθαριστής ‘Zitherspieler usw.’ (h. Hom. 25, 3, Hes. usw.) mit -ίστρια (Arist. usw.), auch -ιστρίς (Nik. Dam.), -ιστικός (Pl. usw.), -ιστήριος (hell.) ‘dem Zitherspielen, -er gehörig’. — LW aus unbekannter Quelle. Verfehlte Erklärungsversuche aus dem Indog. und dem Semit. bei Bq. I-850-851

κί̄κᾰμα Akk. n. (pl.) N. einer Pflanze, nach H. (cod. κικαμία) ähnlich der καυκαλίς (Nik. Th. 841). — Bildung wie βάλσαμον, σήσαμον usw., aber im übrigen unerklärt. I-851

κῖκι, -ιος, -εως in dieser Bedeutung auch κικέα (Aët., Paul. Aeg.; nach συκέα usw.); n. (auch indekl., Mayser Pap. 1 : 2, 24) ‘Rizinusöl’ (Hdt. 2, 94, Pl. Ti. 60a, Pap. u. a.), auch auf den Baum übertragen ‘Wunderbaum, Ricinus communis’ (Str., Dsk.), als Vorderglied z. B. κικιο-φόρος ‘Rizinusöl hervorbringend’ (γῆ, Pap.). Davon κίκινος ‘vom Rizinus stammend’ (ἔλαιον, Dsk., Gal.), κίκιον ‘die Wurzel des Rizinusbaums’ (Gal.). — Ägyptisches Wort (Hdt. 2, 94); vgl. Hehn Kulturpflanzen 207 und Mayser Pap. 1 : 1, 37. I-851

κίκιννος m. ‘gekräuseltes Haar, Haarlocke’ (Kom., Theok., AP u. a.). — Unerklärtes Kulturwort (ägäisch oder kleinasiatisch?; vgl. Schrader-Nehring Reallex. 1, 420). Daraus lat. cincinnus; vgl. W.-Hofmann s. v. mit weiteren Einzelheiten; daselbst (wie bei Bq) auch verfehlte idg. Etymologien. I-851

κίκιρρος · ἀλεκτρυών, κίκκα· ἀλεκτορίς, κικκός· ἀλεκτρυών H. — Onomatopoetische Wörter; vgl. z. B. nhd. kikeriki Naturlaut des Hahnes usw. Zu κίκιρρος (aus Diodors ΓλῶσσαιΙταλικαί?) stimmt Cicirrus, osk. Cognomen des Messius (Hor. Sat. 1, 5, 52), wohl eig. ‘Kampfhahn’ mit Beziehung auf die in der unteritalischen Posse geläufige Hahnenmaske (W.-Hofmann s. v. nach Heinze zur Horazstelle). I-851

κικκαβαῦ Naturlaut der Nachteule (Ar. Av. 261); davon κικκάβη ‘Nachteule’ (Sch. z. St.) und κικκαβάζω ‘wie eine Eule schreien’ (Ar. Lys. 761 coni. Dobree für κακκαβάζω, -βίζω). Daneben κικκάβη (Gloss.), κίκυμος, -υβος (H.), κικυμωΐς (Kall. Fr. 318) ‘ds.’; vgl. Heubeck Würz. Jb. 1949-50, H. 2, 208ff. — Onomatopoetische Wörter, teilweise mit expressiver Gemination (Schwyzer 315); zum β-Suffix Chantraine Formation 261. Vgl. κακκάβη und κίκιρρος; s. auch κίκκαβος und κύμινδις; dazu noch W.-Hofmann s. cucubiō. I-851-852

κίκκαβος m. scherzhafte Benennung einer kleinen Münze der Unterwelt = ein Achtel einer ψωθία = 3 Obolen (Pherekr. [1, 167] ap. Poll. 9, 83); auch ‘Geizhals’ (Phot. s. κίμβικας). Davon κικκάβι(ο)ν· ἐλάχιστον, οὐδέν H. — Ausgang wie in dem sinnverwandten κόλλυβος (s. d.), aber vielleicht mit Pisani Paideia 6, 291ff. von (dem Laut) der Nachteule, κικκαβαῦ, κικκάβη; (nach der Eule auf der Rückseite der athenischen Münzen?). Das Wort *κίκκος ‘Kerngehäuse des Granatapfels’ beruht auf einer Konjektur für das unklare κικαῖος bei H.; s. Pisani l. c. I-852

κικλήσκω ‘rufen, nennen’ s. καλέω. I-852

κίκους · ὁ νέος τέττιξ, κίξιος· τέττιξ H. — Nach Gil Emerita 25, 323f. onomatopoetisch. I-852

κῖκυς, -υος f. ‘Kraft, Stärke’ (ep. poet. seit λ 393); ἄ-κικυς, -υος ‘kraftlos, schwach’ (ep. poet. seit Od., auch Hp.); κικύω = ἰσχύω (Hdn. Gr. 2, 533 u. a.). — Unerklärt. Verfehlte idg. Etymologien (zu κύος, κηκίω u. a.) bei Bq. Nach v. Windekens KZ 74, 239ff. pelasgisch (zu nhd. quick usw.). I-852

*κίκω, ἔκιξα s. κιχάνω. I-852

κιλλίβᾱς, -αντος, gew. pl. -αντες m. ‘dreibeiniges Gestell, Gerüst’ (Ar. Ach. 1121, Pap., Poll. u. a.). — Umbildung von κίλλος ‘Esel’ nach dem synonymen ὀκρίβας (vgl. Schwyzer 448). Zur Bedeutung vgl. z. B. ὄνος, ὀνίσκος ‘Winde, sucula’, frz. chevalet ‘Gestell’, nhd. Esel, Bock ‘ds.’ u. a. m. I-852

κιλλός ‘grau’ (Eub. 103, Phot., H., Eust.). Davon mit Akzentverschiebung κίλλος m. ‘Esel’ (vgl. frz. grison; Sammelb. 5224, Poll. 7, 56, H.), übertr. ‘Zikade’ (H.; nach der Farbe, vgl. Strömberg Wortstudien 11, Fischnamen 100, Gil Emerita 25, 315); auch als Vorderglied, z. B. κιλλ-ακτήρ· ὀνηλάτης, κυνηγός (Poll., H.; dor.), Κιλλ-άκτωρ PN (AP 5, 28; 44). Dazu noch als Hinterglied in maked. ’Επό-κιλλος (s. zu ἵππος)? — Über das dunkle Κιλλι-κύριοι (H., Phot.) s. die unsichere Hypothese von Weber KZ 66, 230ff. — Ableitung κίλλιος ‘eselsfarbig, ὀνάγρινος’ (Poll.), wohl auch κιλ<λ>ίας· στρουθὸς ἄρσην H. — Vgl. κίλλουρος. Herkunft unklar. Bezüglich des Stammvokals vgl. πιλνός ‘grau’ neben πελιός ‘ds.’; κιλλός also mit Persson Beitr. 1, 169 zu κελαινός (s. d.) u. Verw.? Für die Geminata λλ sind mehrere Erklärungen aufgestellt worden: aus λν (Persson), aus λνι̯ (WP. 1, 440), aus λι̯ (Güntert Idg. Ablautprobl. 26), Kurzform (WP. a. a. O.). — Anders Prellwitz Wb. — Aind. cillī ‘Grille’ (Gramm.) ist wohl lautnachahmend, s. Mayrhofer Wb. s. v. I-852-853

κίλλουρος · σεισοπυγίς (‘Bachstelze’) H. — Nach Schrader BB 15, 127f. zu einem baltischen Wort für Bachstelze, lit. kíelė, lett. ciẽlava, apreuß. kylo, das selbst auf ein Verb ‘bewegen’ (s. κινέω, κίω) zurückgeführt wird; lit. kíelė könnte dann mit gr. *κίλλα aus *κιλ-ι̯α identisch sein. — Zu erwägen bleibt indessen, ob die Bachstelze nicht einfach nach der grauen Farbe benannt worden ist; s. zu κιλλός. In beiden Fällen wäre als Hinterglied οὐρά ‘Schwanz’ angehängt. — Über das anklingende, aber dunkle lat. mōtacilla ‘die weiße Bachstelze’ s. W.-Hofmann s. v. I-853

κιμβάζει · στραγγεύεται H. S. σκιμβάζω. I-853

κίμβιξ, -ικος m. ‘Geizhals, Knauser’ (Xenoph., Arist., Plu. u. a.) mit κιμβικ[ε]ία· πανουργία, ἐνεασμός H.; auch κιμβ(ε)ία ‘Geiz, Knauserei’ (Artist., H.). — Volkstümlich-expressives Wort auf -ιξ (Chantraine Formation 382), das sich einer genauen Analyse entzieht. Vielleicht mit Persson Studien 177 A. 1, Grošelj Živa Ant. 2, 209f. zu σκιπός· σκνιφός, ὁ μικρολόγος H., σκιφία H. als Erklärung von κιμβεία; weitere Anknüpfungsversuche s. κνίψ. I-853

Κίμων, -ωνος m. PN (Hdt. usw.). — Hypothese von Prellwitz BB 30, 176: als ursprüngliches Farbenadj. (vgl. Μιλτιάδης : μίλτος ‘Rötel’) zu lat. cīmex ‘Wanze’ (eig. "der Dunkelbraune"?), aind. śyāmá- ‘schwarzgrau, dunkelfarbig’ usw. Weitere Formen bei WP. 1, 361, Pok. 541, W.-Hofmann s. cīmex. I-853

κινάβρα f. ‘Bocksgeruch’ (Luk., Poll.) mit κιναβράω ‘nach Bock riechen’ (Ar. Pl. 294). — Unerklärt. Begründeter Zweifel an der herkömmlichen Zusammenstellung mit κενέβρειος bei Schwyzer 350. I-853

κίναδος, -εος n. sizil. Wort für ‘Fuchs’ (Kall. Kom. 1 D., Sch. Theok. 5, 25), ‘Getier’ (Demokr. 259), auf Menschen übertr. ‘Bösewicht’ (att.); nach H. = θηρίον, ὄφις. Deminutivum κινάδιον (Harp.). — Vielleicht mit Fick BB 28, 101 zur Sippe von κνώδαλον, s. d. I-853

κινάθισμα n. ‘Geräusch’, von fliegenden Vögeln (A. Prom. 124, anap.), κιναθισμός ‘ds.’ (Phot.); von κιναθίζειν· ἰδιάζειν, ἀποθησαυρίζειν κατὰ μικρὸν συλλέγοντα. ἔνιοι μινυρίζειν καὶ κινεῖν H. Daneben κίναθος· θησαυρισμός Phot., κιναθίας· κρυπτός H. — Dunkel; zur Anfangssilbe vgl. κινυρός. Wegen der Kürze des ι nicht zu κῑνέω. I-853-854

κίναιδος m. ‘unzüchtiger Mensch, Wüstling’ (Pl., Herod., Pap. usw.), auch in Kompp., z. B. κιναιδο-λογέω (Str.), N. eines Meerfisches (Plin.), eines Vogels (= κιναίδιον, Gal.). Davon κιναίδιον (-ιος) N. der ἴυγξ (H., Phot.), der Bachstelze (Sch.) usw., κιναιδίας m. ‘Stein, der im Fische κίναιδος gefunden wurde’ (Plin.), -ία ‘Unzucht’ (Aeschin., spät), -ώδης ‘nach der Art eines κ.’ (Sch.); κιναιδίζωκ. sein’ (Antioch. Astr.) mit κιναίδισμα (Eust.), auch -δεύομαι (Sch.). — Nicht befriedigend erklärt. Nach Archigenes (ap. Gal. 12, 800) syrisch. Fick BB 28, 101 zieht es als ‘pruriens’ zu -κναίω ‘zerschaben, -reiben’, zunächst aus einem Adv. *κιναι-δόν wie βάδος ‘Marsch’ aus βαδόν (?). I-854

κινάρα f. ‘Artischocke’ (hell. u. spät) mit κιναρεών (Pap.), κιναρη-φάγος (Juba). — Fremdwort unbekannter Herkunft. I-854

κίνδαξ · εὐκίνητος, κίνδακας· εὐκινήτους H. Daneben ὀνο-κίνδιος (Eup.), -δας (H.) ‘Eselstreiber’; κινδαύει (κινδάνει Taillardat, s. u.)· κινεῖται, κερατίζει H., Κίνδων N. eines ὀψοφάγος (Ath. 8, 345c). — In κινδ- wird allgemein eine Erweiterung von κίω vermutet; vgl. zur Bildung ἀλίνδω, κυλίνδω (Persson Beitr. 1, 156). Man hat auch ein nasalinfigiertes κι-ν-δ- derselben Art wie lat. fu-n-d- angenommen; das nasallose κι-δ- hat Brugmann IF 6, 94, wenig überzeugend, in got. haitan ‘nennen, rufen’ wiederfinden wollen. S. zuletzt Taillardat Rev. ét. anc. 58, 189ff. mit weiteren Hypothesen; vgl. noch Fraenkel Nom. ag. 2, 175 A. 1. — Verfehlt v. Windekens Le Pélasgique 98ff. (zu θείνω, φόνος). Vgl. κίνδυνος. I-854

κίνδυνος (Dat. -υνι Alk. Z 92; auch Gen. -υνος Sapph. 184?) m. ‘Gefahr, Risiko’ (Thgn., Pi., ion. att.; zum Begriff Mette Hermes 80, 409ff.); — Ohne überzeugende Etymologie. Die formal naheliegende Anknüpfung an κίνδαξ, ὀνο-κίνδιος mit weiterem Anschluß an κινεῖν (Prellwitz Wb., Vendryes REGr. 25, 461f. mit Hinweis auf lat. solli-citus ‘geängstigt, in Gefahr’, v. Windekens Le Pélasgique 98f.) bietet semantisch nur eine theoretische Möglichkeit. Nicht weniger hypothetisch ist der Vorschlag Schulzes (bei Sittig KZ 52, 207f.; zustimmend u. a. Schwyzer 335, Specht KZ 66, 5), κίνδυνος stehe als alter Ausdruck des Würfelspiels durch Assimilation für *κύν-δυ-νος, von κύων als Bezeichnung des unglücklichen Wurfes (wie aind. śvan-, lat. canis; vgl. zu Κανδαύλης) und einem Wort für ‘würfeln, Würfelspiel’ in aind. dī́vyati ‘würfeln’, dyūtá- n. ‘Würfelspiel’; weder phonetisch noch morphologisch ohne Bedenken, s. Kretschmer KZ 55, 90f.; ablehnend Kuiper Μνήμης χάριν 1, 217 A. 26. Für fremden (vorhellenischen oder kleinasiatischen) Ursprung Debrunner Eberts Reallexikon 526, Kretschmer a. a. O. — Über κίνδυνος = ἡ ἐν πρῴρα σελίς (H.), woher ngr. (Naxos) ‘Bett’, Andriotis Glotta 25, 19f. als Hinterglied z. B. in ἐπι-κίνδυνος ‘mit Gefahr verbunden’ (ion. att.). Davon κινδυνώδης ‘gefahrvoll, gefährlich’ (Hp., Plb. usw.), κινδυνεύω ‘sich der Gefahr aussetzen, Gefahr laufen’ (ion. att.) mit κινδύνευμα ‘Wagstück’ (S., E., Pl. u. a.), -ευτής ‘Wagehals’ (Th., D. C.; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 73), -ευτικός ‘gefahrvoll, abenteuerlich’ (Arist.). I-854-855

κῑνέω, Aor. κινῆσαι, ‘in Bewegung setzen, vertreiben, schütteln’ (seit Il.). oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, δια-, μετα-, παρα-, συν-, Davon κίνημα, κίνησις ‘Bewegung, Aufregung’ (ion. att.) mit παρα-κινηματικός (Ph.), κινητικός ‘bewegend, beweglich’ (ion. att.; Chantraine Étude sur le vocab. gr. 101); κινηθμός ‘Bewegung’ (Pi.; zur Bed. Benveniste Origines 201); κινώ = κίνησις (Emp. 123, 2; nach H. dor.); κινητήρ ‘Erreger, Erschütterer’ (h. Hom., Pi.; von Poseidon; vgl. Fraenkel Nom. ag. 1, 108; 153; Benveniste Noms d’agent 39 u. 42) mit κινητήριος (A.); κινητής ‘ds.’ (Ar., Plb.); κίνηθρον (Poll.), -ητρον (Eust., Sch.) ‘Rührlöffel’; κινητήριον ‘Bordell’ (Eup.; von κινεῖν sens. obsc.); — eine Rückbildung von ἀπο-κινεῖν ist ἀπόκινος m. N. eines komischen Tanzes (Kom.). — Daneben κί̄νυμαι ‘sich bewegen, κινέομαι’ nur Präsensstamm (ep. seit Il.), vereinzelt mit ἐν-, ἐπι-, ὑπο- (Q. S.); intensive Erweiterung davon κινύσσομαι ‘heftig bewegt werden, aufgeregt sein’ (A. Ch. 196; Schwyzer 716) mit κίνυγμα ‘bewegter, leichter Gegenstand, Spielball’ (A. Pr. 158, anap.). — Wegen κίνυμαι ist für κινέω ein älteres *κινέϝ-ω, wohl für *κι-νευ-μι, anzusetzen; die außerpräsentischen Formen κινῆ-σαι usw. sind somit Analogiebildungen. Schwyzer 696 m. A. 5 u. Lit. In κι-νυ-μαι, *κι-νευ-μι liegt ein altes νυ-Präsens vor, s. κίω, auch σεύω. I-855

κιννάβαρι, -εως auch -ις m. (Anaxandr. 14, Ps.-Dsk. 3, 143) n. (Arist., Thphr. usw.), ‘Drachenblut’ (Malerfarbe), ‘Zinnober’, auch als Planzenname = ἐρυθρόδανον (Ps.-Dsk.), mit κινναβάριον N. einer Augensalbe (Gal.), -άρινος ‘zinnoberrot’ (Arist. u. a.), -αρίζω ‘zinnoberrot sein’ (Dsk.). — Fremdwort aus unbekannter orientalischer Quelle; vgl. Schrader-Nehring Reallex. 2, 701f. Aus dem Griech. lat. cinnabaris mit mhd. zinober usw. — Eine eigentümliche Nebenform ist τιγγάβαρι (Diokl. Kom. 9, 10, Theognost. Kan. 120, H.) mit τιγγαβάρινος (Dam. Isid. 203). I-855

κιννάμωμον, vereinzelt -ν-, auch κίνναμον (Plin.), -ν- (Nik. Th. 947), n. (Hdt., Thphr., Pap. usw.), gewöhnlich als ‘Zimt’ erklärt; nach Hennig Klio 32, 325ff. irgendeine andere wohlriechende Substanz; als Vorderglied in κινναμωμο-φόρος (γῆ, Str.), κινναμο-λόγος m. N. eines mythischen Vogels (Plin.), auch κιννάμωμον genannt (Arist. u. a.); zur Sache Thompson Birds s. v. Davon κινναμωμίς f. eine geringere Art des Zimtes (Gal.), κινναμώμινος ‘aus (mit) Zimt bereitet’ (Antiph. u. a.), -μίζω ‘dem Zimte ähnlich sein’ (Dsk. 5, 121). — Aus dem Phönikischen (Hdt. 3, 111); vgl. hebr. qinnāmōn ‘ds.’; Ausgang nach der Gewürzpflanze ἄμωμον oder volksetymologisch nach ἄμωμος ‘tadellos’. Lewy Fremdw. 37, Schrader-Nehring Reallex. 2, 695f. I-856

κί̄νυμαι ‘sich bewegen’ s. κινέω und κίω, auch σεύω. I-856

κινύρα f. N. eines Saiteninstruments (LXX, J.), — aus hebr. kinnōr ‘Zither’ mit Angleichung an κινυρός. Lewy Fremdw. 164; s. auch Grimme Glotta 14, 19. I-856

κινυρός Beiwort der βοῦς (Ρ 5), des γόος (A. R. 4, 605), der πέτηλα (Nonn. D. 38, 95); Bed. schon früh strittig, vgl. H.: κινυρή (zu Ρ 5). ἁπαλή, νέα, λεχώ, οἰκτρά, θρηνητική und κινυρόν (zu A. R. 4, 605). λεπτόν, καπυρόν, ὀξύ, οἰκτρόν. Davon κιν[ν]υρίδες· τὰ μικρὰ ὀρνιθάρια H., offenbar = ‘klagend, jammernd’; κινυρίζω ‘jammern, wehklagen’ (Ι 612 nach Zenodot), κινύρομαι ‘knirschen, (be)jammern’ (A. Th. 123 [lyr.], Dikt. 804, Ar. Eq. 11, A. R., Kall. u. a.). PN Κινύρης (Λ 20), -ρας (Tyrt.). — Der Parallelismus von κινυρός, κινυρίζω, κινύρομαι und μινυρός, μινυρίζω, μινύρομαι liegt auf der Hand; allem Anschein nach sind gegenseitige Verquickungen früh eingetreten. Andere Mischformen sind κιναθίζειν mit -ισμός, -ισμα (s. d.) und κιναρύζεσθαι· θρηνεῖν μετὰ τοῦ γογγύζειν H. (nach κελαρύζειν?, Leumann Hom. Wörter 241 A. 37). — In Übereinstimmung mit dem Alter der Belege betrachtet Leumann l. c. nur κινυρός und μινυρίζω als alt; die übrigen Formen wären unter Mitwirkung von μύρομαι durch Kreuzungen entstanden. In κινυρός wäre ein altertümlicher, von den Erklärern verschieden gedeuteter Fachausdruck der Viehzucht erhalten. — Eine überzeugende Erklärung von κινυρός und Verw. ist jedenfalls noch nicht gefunden (pelasgische Hypothese bei v. Windekens Le Pélasgique 100). I-856

κινύσσομαι s. κινέω. I-856

κινώπετον κινωπηστής, -οῦ m. ‘ds.’ (ebd. 141). n. ‘giftiges Tier, insbes. Schlange’ (Kall. Jov. 25, Nik. Th. 27 u. 195); — Ausgang nach ἑρπετόν, δακετόν bzw. ἑρπηστής; wohl mit Persson Studien 177 zu κνώψ ‘giftiges Tier’ (s. d.) mit Vokalentfaltung. I-856-857

κιξάλλης, -ου m. ‘Wegelagerer, Seeräuber, Dieb’ (Demokr. 260, SIG 38, 19 [Teos Va], H.), bei Jo. Gramm. (Hoffmann Dial. 3, 208) κιττάλης = κλέπτης (zum Lautlichen Schwyzer 318). Davon κιξαλλεύω ‘Räuberei treiben’ (SIG l. c.), κιξαλλία· πᾶσα κακοτεχνία H. — Zur Bildung vgl. καβάλλης, δαμάλης u. a., sonst unklar. Wohl kleinasiatisch (karisch-lykisch) mit Hoffmann Dial. 3, 612; vgl. Solmsen Wortforsch. 141 m. A. — Nicht mit v. Herwerden Lex. suppl. s. v. zu κίξατο (s. κιχάνω). I-857

κίρα · ἀλώπηξ. Λάκωνες, κίραφος· ἀλώπηξ H. — Als "der Rote" zu κιρρόςπυρρός, ἐρυθρός, ξανθός’ (s. d.), evtl. aus κίδαφος daran angeglichen. Frisk IF 49, 98f. (auch über die Bildung); ältere Versuche ebd. und bei Bq. I-857

κιρκαία (ῥίζα) ‘die schwarze Schwalbenwurz, Vincetoxicum nigrum’ (Dsk., Apollod.) = διρκαία (s. d.). — Von Κίρκη, nach Dsk. 4, 75 "ἐπειδὴ δοκεῖ ἡ ῥίζα φίλτρων εἶναι ποιητική". Weiteres s. διρκαία; dazu noch Güntert Götter und Geister 95ff. I-857

κίρκος 1. m. Art Habicht oder Falke (s. Thompson Birds s. v.; poet., Hom., A., A. R. u. a.). — Herkunft unbekannt, onomatopoetisch?; vgl. zu κρέξ. I-857

κίρκος 2. m. ‘Kreis, Ring’ s. κρίκος. I-857

κίρνημι, κιρνάω s. κεράννυμι. I-857

κιρρός ‘rotgelb, gelbbraun’, von οἶνος, νέκταρ (Hp., Nik. u. a.), f. κιρράς (Nik.). Nuancierende Kompp. und Abl.: ὑπό- (Hp., Dsk., Gal.), ἔγ-κιρρος (Dsk.; Strömberg Prefix Studies 127), κιρρο-ειδής (Apollod. Myth.), κιρρώδης (Hippiatr.). Außerdem κιρρίς f. N. eines Seefisches (Opp.); vgl. κηρίς m. Lit. s. κηρός (κιρρά [für κίρρα?] H.); auch = εἶδος ἱέρακος (EM 515, 15); vgl. κεῖρις· ὄρνεον, ἱέραξ, οἱ δὲ ἁλκυόνα H., woraus lat. cīris ‘Meervogel’, s. W.-Hofmann s. v.; auch κίρις· ... ὄρνεον H.; ganz unsichere Hypothesen bei v. Blumenthal Hesychst. 40f. — Hierher auch κίρα, κίραφος ‘Fuchs’, s. d. — Zur Geminata -ρρ- vgl. πυρρός (oder volkstümlich-expressiv?). Nicht befriedigend erklärt. Der Vergleich mit lit. šir̃mas, šir̃vas ‘(blau)grau, grauschimmelig’ (Prellwitz, Frisk IF 49, 99) verstößt gegen den Vokalismus, da lit. -ir̃- unbedingt am ehesten als Schwundstufe zu gelten hat (WP. 1, 409, Pok. 573f.). Nach Anderen zu slav., z. B. r.-ksl. sěrь ‘grau’, mir. cīar ‘dunkel’ usw. (WP. 1, 360, Pok. 540f.); anders über die slav. Wörter Vasmer Wb. s. séryj. I-857

κιρσός auch κρισσός (Hippiatr., H.), κριξός (Poll.); zum Wechsel σ(σ) : ξ Schwyzer 318 und 516. m. ‘Krampfader’ (Hp., Philostr. u. a.), Als Vorderglied u. a. in κιρσο-κήλη ‘Aderbruch’, κιρσο-τομέω mit -ία ‘Aderbruch operieren’; Ableitungen κιρσώδης ‘krampfaderig’, κιρσόομαι, -όω ‘Krampfadern erhalten, verursachen’ mit κίρσωσις (Med.). — Herkunft unklar. Nach Walde in WP. 2, 569 (Pok. 935) zu κίρκος, κρίκος ‘Ring’ als "vortretende Aderringe"; somit aus *κιρκ-ι̯ός, *κρικ-ι̯ός? I-858

-κις, ep. lyr. dor. auch -κι, lak. -κιν, multiplikatives Suffix in πολλά-κι(ς) ‘vielmals’ (seit Il.), τετρά-κι(ς) ‘viermal’ (seit ε 306), πεντά-κι(ς) ‘fünfmal’ (seit Pi.) usw. — Zu πολλά-κι(ς) stimmt begrifflich aind. (ved.) purū́-cid ‘vielmals’; auch der Form nach lassen sich die beiden Wörter vereinigen unter der Annahme, daß der Plural πολλά ‘oft’ ein älteres *πολύ̄ (s. πολύς) ersetzt hat, da das für aind. c hier vorauszusetzende idg. q im Griechischen nach υ durch κ vertreten wird. Eine Bestätigung bringt tarent. ἀμά-τις ‘einmal’ = kret. ἀμά-κις H. Von πολλάκι(ς) haben sich die κ-Formen zu den Zahladverbien τετράκι(ς) usw. verbreitet; vgl. noch οὐ-κί. An -κις : aind. cid erinnert bezüglich des Auslauts ἕως ‘bis’ : aind. yā́vat (s. zu 2. ἕωs m. Lit.); zu bemerken sind noch Wechselformen wie αὖθι(ς), αὖθιν, außerdem δίς, τρίς. — Etymologisch ist -κι, -τι = aind. cid mit dem Indefinitum τι ‘irgendwas’ identisch, s. τίς. — Schwyzer 299 nach Wackernagel KZ 25, 286f. = Kl. Schr. 1, 230f. I-858

κῖς (κίς Hdn. Gr. 2, 925), Akk. κῖν, Gen. κιός m. ‘Holz-, Kornwurm’ (Pi. Fr. 222, Thphr., Gramm.); — zum Akzent Schwyzer 378 und Berger Münch. Stud. z. Sprachwiss. 3, 8; zur Quantität des ι in κιός usw. Schwyzer 571. — Unerklärt. Vergebliche idg. Deutungsversuche bei Bq, neuer Vorschlag von H. Petersson Griech. u. lat. Wortstud. 9f. Zu aind. kīṭá- m. ‘Wurm, Insekt’, wohl mind., s. Mayrhofer Wb. s. v. I-858

κίσηρις, -εως, -ιδος auch κίσηλις (Pap., Luk.) f. ‘Bimsstein’ (Ar., Arist., Thphr., Pap.), mit κισήριον (EM), κισηρο-ειδής und κισηρώδης ‘bimssteinähnlich’ (Diog. Apoll., hell. u. spät); κισηρόομαι ‘in Bimsstein verwandelt werden’ (Thphr.), -ρίζω ‘mit Bimsstein glätten’ (Nik. Dam.). — Unerklärtes Fremdwort; zur Sache vgl. Schrader-Nehring Reallex. 1, 146. I-858

κίσθος auch κίστος (Hp., Gal.), κίσθαρος m. (Dsk.) m. (Eup., Mnesim., Dsk.), ‘Cistus’, Familie von niedrigen Sträuchern, deren einzelne Arten oft den harzähnlichen Stoff λήδανον absondern. Davon ὑποκισθίς (-τίς) f. ‘Cytinus hypocisthis’, Schmarotzerpflanze (Dsk., Gal. u. a.). — Zu κίσθαρος vgl. κόμαρος, κίσσαρος und andere Pflanzennamen (Chantraine Formation 227, auch Bertholdi Mélanges van Ginneken 157ff.). — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. Lewy Fremdwörter 46f. (θ : τ somit kein idg. Wechsel th : t mit Specht Ursprung 251 u. 255). Verfehlte idg. Etymologie bei Bq. I-858-859

κίσπρα · πικρὰ τὸ ἦθος, παλίγκοτος. Κῷοι H. — Bechtel Dial. 2, 599 vergleicht fragend osk. kaispatar, dessen Bedeutung indessen unbekannt ist. I-859

κίσσα 1. att. κίττα f. ‘Häher, Garrulus glandarius’, auch ‘Elster, Pica caudata’ (Ar. usw.; zur Begriffsbestimmung usw. Thompson Birds s. v.), auch = ἰχθῦς ποιός H. (zum Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 115). Davon κισσαβίζω (-ττ-) ‘wie ein Häher schreien’ (Poll.; vgl. τιττυβίζω u. a.), auch κισσάω, s. zu 2. κίσσα. — Bildung wie νῆσσα und andere Tiernamen (Chantraine Formation 98), somit aus *κικ-ι̯ᾰ, onomatopoetisch von dem Naturlaut des Vogels wie aind. kiki- (Lex.), kikidīví- m. (RV. 10, 97, 13, TS.) ‘der blaue Holzhäher’, germ., z. B. ags. higora ‘Häher’. — Wenn Erbwörter gemeinsamen Ursprungs vorliegen, hat sich aind. kikidīví- im Gegensatz zu den germanischen Wörtern als schallnachahmend der regelmäßigen Lautentwicklung (Palatalisierung k > c) entzogen. Lit. bei Bq, WP. 1, 451, Pok. 598, Mayrhofer s. v.; dazu noch Schwentner KZ 69, 246f. (über schallnachahmendes kiki-) und Fraenkel KZ 72, 178ff. (zu den Benennungen des Eichelhähers im Litauischen und Germanischen). I-859

κίσσα 2. att. κίττα f. ‘krankhafte Eßlust schwangerer Frauen’ (Dsk., S. E., Sor., Gal.) mit κισσώδης ‘von κίσσα gefüllt’ (Dsk.). — Daneben κισσάω, κιττάω ‘krankhafte Eßlust haben’, von schwangeren Frauen, übertr. ‘heftig verlangen’ (Ar., Arist. usw.), ‘schwanger werden’ (LXX), mit κίσσησις (Gal.). — Alter und Frequenz der Belege lassen darauf schließen, daß κισσάω gegenüber 2. κίσσα primär ist, letzteres somit eine Rückbildung darstellt (so schon Lagercrantz Lautgeschichte 86ff., aber mit unrichtiger Etymologie). Seinerseits ist aber κισσάω ein Denominativum von 1. κίσσα ‘Häher, Elster’ und bezieht sich auf die wohlbekannte Gefräßigkeit dieses Vogels (ὄρνεον ἀδηφάγον καὶ παμφάγον Sch. Ar. Pax 496); κισσάω somit eig. volkstümlich-expressiv ‘sich wie ein Häher (eine Elster) gebärden’. — Die landläufige Anknüpfung an aind. kéta- ‘Wille, Begierde’, lit. kviečiù ‘einladen’ usw. (Solmsen KZ 33, 294ff.) muß somit fallen. Weitere verfehlte Etymologien bei Bq. Das allgemein mit 2. κίσσα verbundene κοῖται· γυναικῶν ἐπιθυμίαι ist offenbar nichts als ein okkasioneller Gebrauch von κοίτη = ‘Ehebett, geschlechtlicher Verkehr’. I-859-860

κισσός, att. κιττός ‘Efeu, Hedera helix’ (ion. att.). Oft als Vorderglied, z. B. κισσο-φόρος ‘efeutragend’ (Pi., Ar. u. a.); auch als Hinterglied, z. B. κατά-κισσος ‘mit Efeu bekränzt’ (Anakreont.). Ableitungen: Deminutivum κισσίον = ἀσκληπιάς (Ps.-Dsk.); κίσσινος ‘aus Efeu’ (Pi., E. u. a.), κισσήεις ‘ds.’ (Nik., Nonn.; zur Bildung Schwyzer 527), κισσώδης ‘mit Efeu umwunden’ (Nonn.); κισσεύς Beinanne des Apollon (A. Fr. 341; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 43f.); κισσών ‘Efeuhain’ (Hdn. Gr.), κίσσαρος = κισσός (Gloss.). Denominatives Verb κισσόω, -ττ- ‘mit Efeu bekränzen’ (E., Alkiphr.) mit κίττωσις (Attika). — Fremdwort unbekannter Herkunft (vgl. Güntert Labyrinth 22, Bertoldi Studi etr. 10, 26 A. 2). Vergebliche idg. Erklärungsversuche bei Bq, WP. 1, 451 und W.-Hofmann s. hedera. Pelasgische Etymologie bei Carnoy L’Ant. class. 24, 17. I-860

κισσύβιον n. N. eines hölzernen Trinkgefäßes (Od., Theok., Kall. u. a.; zur Sache Brommer Herm. 77, 358 und 365f.), auch κισσύφιον (IG 22 : 1424a, 265; nach den Demin. auf -ύφιον). — Wie so viele Gefäßnamen etymologisch dunkel. Von den Alten auf κισσός bezogen, u. zw. entweder nach dem Material (Eumolp. ap. Ath. 11, 477a) oder nach dem Schmuck (Poll. 6, 97); die Bildungsweise bleibt dabei unklar; vgl. zuletzt Mastrelli Studitfilclass. N. S. 23, 97ff., wo auf die zahlreichen Fremdwörter mit β-Suffix hingewiesen wird. I-860

κίστη f. ‘Korb, Kiste’ (ζ 76, Ar., hell. usw.), als Vorderglied in κιστα-φόρος, -έω ‘Korbträger (sein)’ (Thrakien, Makedon.), κιστο-ειδής ‘kistenähnlich’ (H. s. ὀγκίον). Deminutiva κιστίς f. (Hp., Ar.), κιστίδιον (Artem.). — Vielleicht mit air. cess f. ‘Korb, Hürde’ aus idg. *kistā neben *kis-to- in air. ciss-ib ‘tortis’; dann eig. "Geflecht, geflochtener Behälter" (Fick 2, 12). — Andere Vorschläge: zu κεῖμαι (κοίτη auch = ‘Kiste’) nach Prellwitz s. v. (dagegen Bq); zu lat. cūra nach v. Planta u. a. (s. W.-Hofmann s. cista); ebenso Hendriksen IF 56, 21ff. u. 24ff., der aind. śeṣa- ‘Rest’ und (mit Fick BB 2, 266) lit. kìšti ‘einstecken’ mit einbezieht (dagegen W.-Hofmann a. a. O. und 1, 859, Fraenkel Lit. et. Wb. s. v.). — Aus κίστη lat. cista, woraus wiederum die europäischen Formen, ir. ciste m. ‘Schachtel’, ahd. kista usw. I-860

κίτριον n. ‘Zitronatbaum (Citrus medica), Zitronatzitrone’ (Juba, J., Epidauros IIp, Pap., Dsk. u. a.) mit κιτριο-ειδής (Gal.); auch κίτρον ‘Zitronatzitrone’ (Pamphil. ap. Ath. 3, 85c) mit κιτρό-μηλον ‘ds.’ (Dsk., Gp. u. a.); davon κίτρινος ‘zum Zitronatbaum gehörig, zitronengelb’ (D. C., Pap. u. a.), auch κίτρεος (Pap. VIp); κιτρέα f. ‘Zitronatbaum’ (Gp.; nach μηλέα usw.); κιτρᾶτον ‘Zitronentrank’ (Alex. Trall.). — Aus lat. citrium, citrum, citreus, citrātus, die alle auf citrus ‘Zitronatbaum’ zurückgehen, das selbst irgendwie mit gr. κέδρος (s. d.) zusammenhängt und vielleicht durch etruskische Vermittlung aus dem Griechischen entlehnt ist. — W.-Hofmann s. citrus mit weiteren Einzelheiten und reicher Lit. I-860-861

κίφος n. messen. Wort für στέφανος (Paus. 3, 26, 9). — Für *σκίφος zu σκιφίνιον· πλέγμα ἐκ φοίνικος H., σκιφα-τόμος ‘der σκίφα (‘Palmen’?) [für ψίλινοι στέφανοι] fällt’ (IG 5 : 1, 212, 63; Sparta Ia). — Nicht mit Solmsen Wortforsch. 205 (zögernd) zu κόφινος; auch nicht mit Petersson Glotta 4, 298 zu aind. śiphā ‘faserige Wurzel, Rute’ u. a. I-861

κιχά̄νω (ep.), att. κιγχᾰ́νω, mehrere als Aoriste dienende Formen: a) athemat. (ἐκίχην), -χεις, (ἐ)κίχημεν, Konj. κιχείω, Opt. -χείην, Inf. κιχήμεναι, -χῆναι, Ptz. κιχείς, -χήμενος; b) themat. 3. sg. ἔκιχεν, 3. pl. ἔκιχον, Konj. κίχω, κίχῃσι, Inf. κιχεῖν, Ptz. κιχών; c) sigmatisch κιχήσατο, Akt. Ptz. κιχήσας (B. 5, 148); d) dor. ἔκιξε = ἤνεγκε (Simm. 26, 7), ἀπέκιξαν (Ar. Ach. 869; böot.), κίξαντες· ἐλθόντες, πορευθέντες, κίξατο· εὗρεν, ἔλαβεν, ἤνεγκεν H.; Fut. κιχήσομαι ‘erreichen, erlangen, antreffen’ (ep. poet. seit Il.). Davon κίχησις· ἡ λῆψις H. — Auszugehen ist von einem reduplizierten Wurzelpräsens *κί-χη-μι (wie τί-θη-μι) in κί-χη-μεν, κι-χή-την u. a. (ἐκίχεις wie ἐτίθεις), die aber bei der Entstehung des neuen Präsens κιχάνω als Aoriste umgedeutet wurden. Hinzu traten als Neubildungen das thematische ἔκιχεν usw. und das sigmatische κιχήσατο mit dem Futurum κιχήσομαι (schon Il.); einen anderen σ-Aorist schuf das Dorische in ἔκιξε. Als letztes Glied des neuen Systems entstand nach Muster von ἔφθην, φθήσομαι : φθάνω das Präsens κιχάνω; dazu κιγχάνω nach λαμβάνω usw. Schwyzer 688 m. A. 5, 698; Chantraine Gramm. hom. 1, 300; 392; 415; 446. — Zu *κί-χη-μι aus idg. *ĝhi-ĝhē-mi stimmen bis auf den Reduplikationsvokal aind. já-hā-ti ‘verlassen’, aw. za-zāi-ti ‘entlassen’ (vgl. z. B. δί-δω-μι gegenüber dá-dā-ti); im übrigen haben sich die beiden Sprachen infolge der griechischen Neubildungen völlig getrennt (aind. Aor. a-hā-t wie ἔ-βη-ν, Fut. hā-sya-ti). Ein unredupliziertes hochstufiges Präsens liegt in dem germanischen Verb für ‘gehen’ vor; ahd. ags. gān, anord. gā; zur Bedeutung vgl. aind. Med. jí-hī-te, 3. pl. jí-h-ate ‘fort-, hervorgehen’ (mit Reduktions- bzw. Schwundstufe des Stammvokals). Entfernte Verwandte werden in χάζομαι, χατέω, χήρα, χώρος vermutet; s. dd. I-861-862

κίχλη (seit χ 468), jünger κίχλᾰ (Alex. Trall., Gp.; Solmsen Wortforsch. 260), dor. κιχήλα (Epich. 157, Ar. Nu. 339) f. ‘Drossel’, auch N. eines Lippfisches (Epich., Arist. usw.; weil er wie die Drossel mit den Jahreszeiten die Farbe verändert; Strömberg Fischnamen 116). Daneben κιχλίζω ‘kichern, lachen’ (Ar., Theok., Herod. usw.) mit κιχλισμός; κιχλιδ-ιάω ‘zu kichern wünschen’ (Kom. Adesp. 1038; nicht ganz sicher). — Volkstümliche Reduplikationsbildung, wahrscheinlich mit χελιδών usw. verwandt (s. d.), aber im einzelnen ebenso unklar wie die stark wechselnde Gruppe lat. turdus, nhd. Drossel usw. Ob der Vogelname oder das Verb die Priorität hat, steht dahin. Eine Nebenform ist ἴχλα (H.). Zur Sache Thompson Birds s. v. (auch über die verschiedenen Namen der Drossel). I-862

κίχορα κιχόρη f. (Thphr.), κιχόριον n. (Thphr., Dsk., Plin.), -ια pl. (Ar. Fr. 293; für -εια = lat. cĭchŏrēa pl.?) n. pl. (Nik. Al. 429; ῑ, Versanfang), ‘Zichorie, Cichorium intybus’. — Ohne Etymologie. I-862

κίχρημι (D., Plu.; κιχρέτω usw. delph. IVa, ἐσκιχρέμεν Inf. thess. IIIa; außerdem κίνχρητι ‘gibt ein Orakel’ kret. IIa), Med. κίχραμαι (Thphr., Plu., AP), Aor. χρῆσαι, χρήσασθαι und Fut. χρήσω, -ομαι (ion. att.), Perf. κέχρηκα (hell.), -ημαι (D.), ‘ausleihen’, Med. ‘entleihen’. vereinzelt mit Präfix δια-, ἐπι-, ἐσ-, Davon κίχρησις (Tz.). — Wie δίδημι zu δῆσαι, δήσω (s. 1. δέω) entstanden κίχρημι, κίχραμαι als Neubildungen zu χρῆσαι, χρήσω, χρήσασθαι, χρήσομαι. Auszugehen ist dabei vom Medium χρήσασθαι eig. ‘in Gebrauch nehmen’, wozu ein faktitives Aktivum χρῆσαι ‘zum Gebrauch geben’ = ‘ausleihen’ geschaffen wurde; danach χρήσασθαι auch = ‘entleihen’. S. χρή, wo auch Lit. I-862

κίω (κίεις A. Ch. 680), sonst nur präteritale und außerindikativische Formen: ἔκιε (κίε), κίομεν, κίον, Ipv. κίε, Konj. κίῃς, Opt. κίοι, Ptz. κιών ‘sich in Bewegung setzen, (weg)gehen’ (Hom., A.), mit θ-Erweiterung μετ-εκίαθε, -ον ‘folgte(n) nach, auf-, besuchte(n)’ (ep. seit Il.; ῑ metr. Dehnung). — Ursprünglich thematischer Wurzelaorist, der als Imperfekt umgedeutet wurde und zu gelegentlichen Präsensformen Anlaß gab (Schwyzer 747 und 686, Chantraine Gramm. hom. 1, 392f.; anders Bloch Suppl. Verba 26ff.). — Neben dem alten Wurzelaorist κί-ε steht im Latein eine ebenfalls alte primäre to-Ableitung in cĭ-tus ‘rasch, schnell’, eig. *‘in Bewegung (gesetzt)’ (con-cĭtus, solli-cĭtus u. a.). Als Präsens diente im Griechischen κίνυμαι, κινέω (s. d.), das indessen vielleicht zu σεύω (s. d.) in nächster Beziehung stand. Im Latein trat als Präsens die Neubildung ciēre (sekundär (ac)-cīre) ein. Eine sog. "schwere Basis" wird in μετ-εκίαθε und κίατο· ἐκινεῖτο H. vermutet; zu κια- könnte dann das langvokalische κί̄-νυ-μαι als Schwundstufe fungieren. — Vgl. noch zu κίνδαξ. Weitere Formen (für das Griechische ohne Belang) mit Lit. bei Bq, WP. 1, 361ff., W.-Hofmann s. cieō, Pok. 538f. I-862-863

κί̄ων, -ονος m. f. (zum Genus Schwyzer 486, Schwyzer-Debrunner 37) ‘Säule, Pfeiler’, auch übertr. (seit Od.), als mediz. Terminus ‘Zäpfchen, Nasenknorpel, Art Warze’ (Hp. u. a.). Als Vorderglied u. a. in κιονό-κρᾱνον ‘Säulenknauf’ (Str. 4, 4, 6 [v. l.], D. S. u. a.) neben früher belegtem und geläufigerem κιό-κρᾱνον (Pl. Kom., X., Delos IIIa usw.; Silbendissimilation). Außerdem die Hypostasen ἀκρο-, τετρα-, μετα-, προ-κιόν-ιον (Ph. u. a.). Davon die Deminutiva κιόνιον (Ph. Bel. u. a.), -ίσκος (Hero, J. u. a.), -ίς ‘Zäpfchen’ (Mediz.). — Mit arm. siwn ‘Säule’ identisch, sonst isoliert. Das Wort gehört somit zu den vielen bemerkenswerten graeco-armenisehen Übereinstimmungen (Schwyzer 57). Specht KZ 66, 13 (auch Lexis 3, 70) sieht darin ein gemeinsames gr.-arm. LW; vgl. zu αἴξ und Porzig Gliederung 157. I-863

κλαγγή, Dat. auch κλαγγ-ί (Ibyk. 56; vgl. unten) f. ‘Klang, scharfer Laut, Geschrei eines Tieres usw.’ (vorw. poet. seit Il.) mit κλαγγηδόν ‘unter Geschrei’ (Β 463; Haas Μνήμης χάριν 1, 133), auch κλαγγόν ‘ds.’ (Babr.), κλαγγώδης ‘klangvoll, schrill’ (Hp., Gal.). — Daneben κλάζω, auch mit Präfix, z. B. ανα-, ἐκ-, Aor. κλάγξαι ‘erklingen, erschallen, schreien’ (vorw. ep. poet. seit Il.), auch κλαγεῖν (B. 16, 127, h. Hom. 19, 14, E. u. a.), Fut. κλάγξω (A.), Perf. κεκλήγοντες (äolisierend) und κεκληγώς, -ῶτες (Hom.; Schwyzer 540 A. 4, Chantraine Gramm. hom. 1, 430f.), κέκλᾱγα (Alkm. 7), κέκλαγγα (Ar., X.), Perfektfuturum κεκλάγξομαι (Ar.). — Einzelne Beispiele verschiedener Präsentia: κλαγγαίνω (A. Eu. 131), -άνω (S.), -έω (Theok. Ep. 6, 5), -άζω (Poll., Porph.). — Zu κλαγεῖν : κλαγερός ‘schreiend’ (AP). — Als Jotpräsens kann κλάζω aus *κλάγγ-ι̯ω von einem Wurzelnomen κλάγγ- ausgehen, das ja in κλαγγ-ί (Neubildung?) tatsächlich vorliegt; es läßt sich aber auch als primäres Nasalpräsens auffassen, wobei der Ausgang -ζω von den Schallverben (ὀλολύζω, οἰμώζω u. a.; vgl. Schwyzer 716) übernommen sein kann. Die außerpräsentischen Formen κλάγξαι, κλάγξω, κέκλαγγα sind sowieso Neubildungen. Wenigstens der Funktion nach ist κλαγγ-ή als Verbalnomen zu betrachten (vgl. Porzig Satzinhalte 11f.). In κλαγεῖν und κέκληγα können primäre nasallose Formen erhalten sein, aber analogische Neubildung mit Nasalverlust läßt sich nicht von der Hand weisen (Leumann Celtica 3, 248). — Ein unmittelbares Gegenstück (bis auf -ζω) liefert lat. clangō ‘schreien’ (fast nur Präsens), zu dem awno. hlakka ‘schreien’ (mit Assimilation nk > kk) stimmen kann. Die Wörter gehören zu einer reich entwickelten Gruppe von Schallwörtern, die auch zu καλεῖν und κέλαδος in Beziehung stehen mögen; vgl. das bunte Material bei Bq, WP. 1, 496f., Pok. 599f., W.-Hofmann s. clangō. — S. auch κλώζω. I-863-864

κλαδαρός ‘gebrechlich’, von δοράτια (Plb. 6, 25, 5; neben λεπτά), κάμακες (AP 9, 322 neben ἄκλαστοι; v. l. κλαμαραί), γραμμὴ ζωηφόρος (in der Handwahrsagung, Cat. Cod. Astr. 7, 241). Als Vorderglied in κλαδαρόρυγχος ‘Art Kiebitz’ (Ael., H.), κλαδαρόμματοι· εὔσειστοι τὰ ὄμματα H. Daneben κλαδάσαι· σεῖσαι, κλαδάει· σείει, κινεῖ H.; κλαδάσσομαι etwa ‘rauschen, wallen’ vom zarten Blut (τέρεν αἶμα) durch die Glieder (Emp. 100, 22); nach Lobeck Proll. 89 A. 9 in κλυδάσσομαι zu ändern; Debrunner IF 21, 224 denkt an Einfluß von ταράσσω. — Zu κλαδαρός vgl. πλαδαρός, ψαφαρός, χαλαρός, λαπαρός und andere Ausdrücke für ‘zerbrechlich, schwach’ (Chantraine Formation 227); κλαδαρός : κλαδάω wie πλαδαρός : πλαδάω, χαλαρός : χαλάω u. a. — Letzten Endes zu κλάω mit derselben δ-Erweiterung wie in κλάδος, s. d.; vgl. auch zu κραδαίνω. I-864

κλάδος auch einzelne Fälle von einsilbigem κλαδ- in κλαδ-ί, κλάδ-α, -ας und von einem σ-Stamm in κλάδεσι, -έεσσι, -έων (nach δένδρεσι usw.?), vorw. poet.; m. ‘Ast, Zweig, Trieb’ (ion. att.), Kompp., z. B. ὀλιγό-κλαδος (Thphr.), κλαδο-τομέω (Pap.). Ableitungen: Deminutiva κλάδιον (Lib., Pap.) und κλαδίσκος (Gal. u. a.); κλαδεών (Orph.), κλαδών (H.) = κλάδος; κλαδώδης ‘astreich’ (Sch., Eust.), κλάδινος = rameus (Gloss.). Denominatives Verb κλαδεύω ‘abästen, beschneiden’ (Artem. u. a.; -έω Arr.) mit κλάδευσις (Aq., Sm., Gp.), κλαδεία (Gp.) ‘Abästung, Beschneidung’, κλαδευτήρια pl. ‘abgeästete Blätter’ (Gloss.), κλαδευτής ‘Abäster’ (Gloss.), κλαδευτήριον, -ια ‘Abästungsmesser, -feier’ (H.). — Zu κλάω ‘abbrechen’ (s. d.), aber mit einer schon vorgriechischen Dentalerweiterung. Mit κλάδος kann das germ. Wort für ‘Holz, Wald’, awno. ags. holt n. usw. formal sogar identisch sein (idg. *ql̥do-). Zum Sachlichen vgl. J. Trier, Holz (Münster-Köln 1952) S. 43ff. Eine von κλάδος unabhängige δ-Bildung erscheint in κλαδαρός ‘gebrechlich’ (s. d.), dazu noch das im Ablaut abweichende καλαδία· ἑυκάνη (= ‘Hobel’) H. Außergriechische Anknüpfung bieten noch z. B. lat. clādēs ‘Verletzung, Schaden usw.’ und slav., z. B. russ.-ksl. klada, russ. kolodá ‘Balken, Block, Baumstamm’. Weitere Verwandte bei WP. 1, 438ff., Pok. 546f., W.-Hofmann s. clādēs. I-864-865

κλάζω ‘erklingen’ s. κλαγγή. I-865

κλαίω, att. auch κλά̄ω (Schwyzer 266), Aor. κλαῦσαι (seit Il.), Pass. κλαυ(σ)θῆναι (Lyk., J. u. a.), Fut. κλαύσομαι (seit Il.), κλαύσω (Theok. usw.), κλα(ι)ήσω (att.; vgl. Chantraine BSL 28, 15), auch κλαυσούμεθα? (Ar. Pax 1081; vgk. Schwyzer 786 m. Lit.), Perf. κέκλαυμαι (A., S.), -σμαι (Lyk., Pku.), Fut. κεκλαύσομαι (Ar.), ‘laut klagen, (be)weinen’. vereinzelt mit Präfix wie μετα-, συν-, Ableitungen: 1. κλαυθμός ‘das Weinen’ (seit Il.) mit mehreren Ablegern: κλαυθμώδης ‘vom Weinen erstickt’ (Hp. u. a.), κλαυθμηρός ‘weinend’ (Sch.), κλαυθμών ‘Platz zum Weinen’ (LXX); κλαυθμυρίζομαι, -ίζω ‘winseln, wimmern’ (Hp., [Pl.] Ax. usw.), expressive Kreuzung von κλαυθμός und μύρομαι mit Ausgang nach den Verba auf -ίζομαι (vgl. Schwyzer 644), davon κλαυθμυρισμός (Is., Plu. u. a.). — 2. κλαύματα pl. ‘das Gewimmer, Wehklagen’ (att.), κλαύσματα (Porph.). — 3. κλαυμοναί pl. ‘ds.’ (Pl. Lg. 792a; nach Stob. κλαυθμοναί [s. zu 1.]; vgl. πημοναί). — 4. κλαῦσις ‘das Weinen’ (hell.) mit κλαυσιάω ‘zu weinen wünschen’ (Ar. Pl. 1099), κλαυσί-γελως m. ‘mit Weinen vermischtes Lachen’ (X. u. a.) — 5. κλαυστήρ ‘Weiner’ (Man.) und κλαυστικός (Apoll. Lex.); κλαυ(σ)τός (A., S.). — Ganz unsicher ist das Präsens κλαύθονται (PTeb. 3, 7; Epigramm; poetische Augenblicksbildung?, vgl. Schwyzer 703 m. Lit.). — Aus κλαύ-σομαι, κλαυ-θμός u. a. ergibt sich ein Präsens *κλάϝ-ι̯ω. — Eine annehmbare Anknüpfung bietet nur alb. klanj, kanj ‘weinen’ aus *qlau-n-i̯ō mit Kombination von Nasal- und Jotsuffix (Brugmann Grundr.2 2 : 3, 382); vgl. Mann Lang. 26, 381. I-865

κλαμαράν auch κλαμαραί als v. l. für κλαδαραί (AP 9, 322). · πλαδαράν, ἀσθενῆ H., — Zur selben semantischen und gefühlsmäßigen Gruppe wie κλαδαρός (s. d.) gehörig, trägt κλαμαρός das Gepräge einer volkstümlichen Neubildung, wodurch die Heranziehung von aind. klā́myati ‘müde werden’ (darüber Mayrhofer Wb. s. v.) u. a. (Fick u. a., s. WP. 1, 498, Pok. 602f., W.-Hofmann s. clēmēns) gefährdet wird. I-865

κλαμβός ‘gestutzt, verstümmelt’ (ὦτα, Hippiatr.). — Bildung wie κολοβός ‘ds.’, σκαμβός ‘krumm’ usw. (Chantraine Formation 261, Schwyzer 496) von κλάω (WP. 1, 440, Pok. 547). Über lit. klumbas ‘hinkend, strauchelnd’, ags. lempi-healt ‘hinkend’, die noch von Specht Ursprung 130f. mit κλαμβός verbunden werden, s. Fraenkel Wb. s. v. (zu lit. klùbti ‘stolpern, straucheln’) bzw. WP. 2, 433 und Pok. 657 (zu neng. limp ‘hinken’ usw.; idg. lemb-). I-865-866

κλαμυστῆσαι · βοῆσαι, καλέσαι H. — Expressive Bildung auf -υσ-τέω (: *κλαμ-ύζω wie κελαρύζω, γογγύζω u. a.; vgl. Schwyzer 705f. und 736) von der m-Ableitung in lat. clā-m-āre ‘laut rufen’, ahd. hlamōn ‘rauschen’ zur Sippe von καλέω; vgl. Specht KZ 68, 124. I-866

κλανίον (κλάνιον), auch κλάλιον (nach ψέλιον) ‘Armband’ (Pap. Kaiserzeit); κλανία· ψέλια βραχιόνων, auch κλαρ<ί>α· ψέλια H. (mit Dissimilation). Daneben χλανίαι· περιβολαί und χλανίτιδες· οἱ ὅρμοι παρθένων H. — Unklar, aber wahrscheinlich zu κλάω oder wenigstens darauf bezogen; vgl. κλαστός ‘kraus(haarig)’, ἐγκλαστρίδια ‘Ohrringe’. Die Formen mit χ- sind wohl durch Assoziation mit χλανίς ‘Obergewand’ verursacht. I-866

κλάπαι f. pl. (-οι m. pl.) ‘Holzschuhe’ (D. C. 77, 4, Suid.); auch euphem. ‘Stock’ als Strafmittel (Sch., Tz.). — Ohne Etymologie; ob lautnachahmend, nach dem Geklapper? I-866

κλᾰ́ω (ἐνι-κλᾶν, κατ-έκλων Il.), Aor. κλάσ(σ)αι, Pass. κλασθῆναι (seit Il.), athem. Ptz. ἀπο-κλά̄ς (Anakr. 17; vgl. unten), Fut. κλάσω, Perf. Pass. κέκλασμαι (ion. att.), ‘brechen, abbrechen’. oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, κατα-, περι-, συν-, Mehrere Ableitungen: κλάσις ‘das (Zer)brechen’ (ion. att.), κλάσμα ‘Bruchstück’ (att. usw.) mit κλασμάτιον (Delos IIIa), ἀνα-κλασμός ‘Zurückbiegung’ (Heliod.), κλάστης· ἀμπελουργός H., auch ὀστο-κλάστης (Kyran.) u. a., κλαστήριον ‘Messer zum Beschneiden der Weinstöcke’ (Delos IIa u. a.); dazu das sekundäre κλαστάζω ‘Weinstöcke beschneiden’, übertr. ‘züchtigen’ (Ar. Eq. 166); zur Bildung Schwyzer 706. — Direkt von κλάω wahrscheinlich auch κλών, κλωνός m. ‘Schößking, Trieb, Zweig’ (att. usw.) mit den Deminutiva κλωνίον, -ίδιον, -άριον, -ίσκος (Thphr., hell. Inschr., Gp. u. a.), außerdem κλωνίτης ‘mit Trieben versehen’ (Hdn.), κλῶναξ = ‘ῥάβδος, κλάδος’ (H.; nach δόναξ), κλωνίζω ‘beschneiden’ (Suid.); Grundform wohl *κλα-ών (anders Schwyzer 521; s. auch 487 A. 3), vgl. indessen auch κλῶμαξ, ἀπόκλωμα unten. — Mit anderem Ablaut dagegen κλῆμα ‘Zweig (der Weinrebe), Weinranke’, κλῆρος (κλᾶρος) ‘Los’, κλῶμαξ ‘Steinhaufen’ (s. dd.), ἀπόκλωμα. ἀπολογία ἐπὶ τὸ χεῖρον H. — Ganz fraglich Κλαζομεναί ON (Kleinasien), nach Fraenkel KZ 42, 256; 43, 216 "wo sich die Wogen brechen". — Das einheitliche verbale Formensystem, auf einem durchgehenden κλᾰ(σ)- aufgebaut, ist offenbar das Ergebnis einer starken Ausgleichung. Ob diese ursprünglich vom Präsens oder vom Aorist ausging, ist mangels vergleichbarer außergriechischer Formen schwer zu entscheiden; vgl. die Darstellung bei Schwyzer 676 u. 752 und bei Chantraine Gramm. hom. 1, 354 (der das Präsens κλάω wohl richtig als sekundär gegenüber κλάσαι betrachtet). In dem einmaligen ἀπο-κλά̄ς könnte eine alte athematische Form (Präsens oder Aorist? Schwyzer 676 u. 742) erhalten sein; eine analogische Neuschöpfung (wie nach φθᾰ́σαι : φθάς?) ist aber keineswegs ausgeschlossen. Für das alte passive κλασθῆναι kommt κλαδ- in Betracht (Schwyzer 761), aber Ausbreitung des Aoriststamms κλασ- im Verein mit Analogie ist auch möglich (Chantraine Gramm. hom. 1, 404f.). Ein altes s-Präsens *κλά[σ]-ω aus idg. *ql̥-s- (Brugmann Grundr.2 2 : 3, 342, Schwyzer 706) ist nicht hinlänglich begründet. — Die primären Verba der verwandten Sprachen weichen in der Form ganz ab: lit. kalù, kálti ‘schmieden, hämmern’ = aksl. koljǫ, klati, russ. kolótь ‘stechen, spalten, hacken’ (Hochstufe, idg. qolə-; zur Bedeutung WP. 1, 438 und Vasmer Russ. et. Wb. s. v.); lit. kuliù, kùlti (Schwundstufe, idg. ql̥̄-); lat. per-cellō ‘zerschmettern’ (wohl idg. qel-d-). Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 436ff., Pok. 545ff., W.-Hofmann s. clādēs. S. noch κλαδαρός, κλάδος, κόλος m. weiteren Hinweisen. I-866-867

κλεινός ‘berühmt’ s. κλέος. I-867

κλείς, κλειδός, κλεῖν (spät κλεῖδα), älter κλῄς, κλῃδός, κλῇδα (zur Schreibung Schwyzer 201f.), ep. ion. κληΐς, -ῖδος, -ῖδα, dor. κλᾱΐς, -ῖδος neben -ίδος (Simon., Pi.; äol.?, vgl. Schwyzer 465), daneben κλᾴξ (Theok.), κλαικος, -κα (epid., mess.) f. ‘Pflock, Ruderpflock’ (sekund. ‘Ruderbank’, Leumann Hom. Wörter 209), ‘Querriegel, Haken, Schlüssel, Schlüsselbein’ (seit Il.). Kompp., z. B. κλειδ-οῦχος (κλῃδ-) m. f. ‘Schlüsselhalter(in), Vorsteher(in)’ (poet., Inschr. u. a.), κατα-κλείς, -κληΐς ‘Schloß, Verschluß, Schrein, Futteral’ (att. usw.; von κατα-κλείω); myk. ka-ra-wi-po-ro = κλαϝι-φόρος? Ableitungen: Deminutivum κλειδίον (Ar., Arist. usw.); κλειδᾶς m. ‘Schlosser’ (Pap., Inschr., Kaiserzeit); spätes Denominativum κλειδόω (Smyrna, Pap.) mit κλείδωσις (Sch.), -ωμα (Suid.). — Altes Denominativum κλείω, altatt. κλῄω, ion. κληΐω (Hdt.), späte Dichter κλῄζω (Hymn. Is., AP), Theok. κλᾴζω, Aor. ep. ion. κληῗσαι, κληΐσσαι (seit Od.), altatt. κλῇσαι, att. κλεῖσαι, Pass. κληϊσθῆναι, κλῃσθῆναι, κλεισθῆναι (ion. bzw. att.), κλᾳσθῆναι (Theok.), Fut. κλῄσω (Th.), κλείσω, Perf. κέκλῃκα (Ar.), κέκλεικα (hell. u. spät), Med. κέκλῃμαι (-ήϊμαι), κέκλειμαι, dor. κέκλᾳνται (Epich.); daneben dor. Aor. (κλαΐξαι) κλᾷξαι, Pass. κλαιχθείς, Fut. κλᾳξῶ (Theok., rhod. u. a.), rückgebildetes Präsens ποτι-κλᾴγω (herakl.), oft mit Präfix, bes. ἀπο-, κατα-, >συν-, ‘schließen, verschließen, verriegeln, sperren’. Davon κλήϊθρον, κλῇθρον, κλεῖθρον, κλᾷθρον ‘Verschluß, Riegel, Hafensperre’ (ion. att. seit h. Merc. 146, dor.) mit κλειθρίον (Hero), κλειθρία ‘Schlüsselloch’ (Luk.; vgl. Scheller Oxytonierung 54), κλάϊστρον (Pi.), κλεῖστρον (Luk. u. a.) ‘Verschluß’, κλῇσις, κλεῖσις (Th., Aen. Tact.), κλεῖσμα, κλεισμός (hell. u. spät; auch ἀπόκλῃσις usw. von den präfigierten ἀπο-κλείω usw.) ‘das Verschließen usw.’; Verbaladj. κληϊστός, κλῃστός, κλειστός (ep. ion. bzw. att.), κλαικτός (κλᾳκτός) ‘verschließbar’ (argiv., mess.). — Zu κλεισίον s. κλίνω. — Ion. att. κλη(ϝ)ῑ-δ- und dor. κλᾱ(ϝ)ῑ-κ- sind Dental- bzw. Gutturalerweiterungen eines ῑ-Stammes, der in κληΐω noch zu verspüren ist. (Anders Debrunner Mus. Helv. 3, 45ff.: κληΐω Rückbildung aus κληῗ(δ)-σαι, von κληϊ̄δ-, vgl. κληϊσ-τός). Dagegen erklärt sich att. κλεῖν ungesucht (mit Debrunner a. a. O.; auch Schulze Kl. Schr. 419) als Analogiebildung zu κλείς (ναῦς : ναῦν u. a.). Der ῑ-Stamm geht seinerseits von einem Nomen *κλᾱϝ(-ο)- o. ä. aus wie z. B. κνημί̄-δ- von κνήμη, χειρί̄-δ- von χείρ (Schwyzer 465, Chantraine Formation 346f.). — Eine genaue Entsprechung zum Grundwort kann in lat. clāvus ‘Nagel, Pflock’ vorliegen, woneben, mit derselben Bedeutung wie das abgeleitete κληΐς, clāvis ‘Schlüssel, Riegel’; wegen der semantischen Identität ist Entlehnung aus dem Griechischen erwogen worden, vgl. Ernout-Meillet s. v. und (ablehnend) W.-Hofmann 1, 230. (Dagegen clātrī pl. ‘Gitterwerk’ aus pl. dor. κλᾷθρα). Hinzu kommt noch ein keltisches Wort, z. B. air. clō, pl. clōi ‘Nagel’ (lat. LW?). Diesen Bildungen stehen im Slavischen einige Wörter gegenüber, die einen eu-Diphthong, idg. qlē̆u-, voraussetzen, z. B. aksl. u. russ. ključь ‘Schlüssel’, skr. kljȕka ‘Haken, Schlüssel, Klammer’. Ein weiteres Problem bieten wegen des abweichenden Anlauts die germ. Wörter für ‘schließen, Schlüssel’, z. B. ahd. sliozan, sluzzil, die unter Annahme eines ursprünglichen sql- (mit "beweglichem" s- und Wegfall des k-Lautes [?]) hierhergezogen werden. — Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes war wohl ‘Nagel, Pflock, Haken’ o. ä., Geräte, die seit alters zum Verschluß der Türe verwandt worden sind. — Eine Fülle weiterer Formen, z. T. von zweifelhafter Zugehörigkeit, bei WP. 1, 492ff., Pok. 604f., W.-Hofmann s. claudō, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kliū́ti ‘hängenbleiben, anstoßen, hindern, in etw. geraten’; daselbst auch weitere Lit. I-867-868

κλεισίον ‘Hütte, Baracke’ s. κλίνω. I-868

κλειτορίς, -ίδος f. ‘Klitoris, Kitzler’ mit κλειτοριάζω ‘die Klitoris berühren’ (Ruf., H., Suid.). — Medizinischer Terminus, wie ἀλεκτορίς (: ἀλέκτωρ), ἀκεστορίς (: ἀκέστωρ) usw. gebildet, somit eig. "kleiner Hügel", von *κλείτωρ ‘Hügel’, das tatsächlich als N. einer arkadischen Stadt belegt ist; Verbalnomen von κλίνω (s. d.); zur Bedeutung vgl. z. B. κλειτύς ‘Abhang, Hügel’, lat. clīvus ‘Hügel’. Grošelj Živa Ant. 3, 201; vgl. noch Schwyzer 531 A. 2, Benveniste Noms d’agent 34. — Nicht Fremdwort mit Cohen Mél. Boisacq 1, 178ff. I-868-869

κλειτός ‘berühmt’ s. κλύω. I-869

κλείω 1. ‘rühmen’ (ep.) s. κλέος. I-869

κλείω 2. ‘verschließen’ s. κλείς. I-869

κλεμμύς, -ύος f. ‘Schildkröte’ (Ant. Lib. 32, 2, H.). — Zur Bildung vgl. die synonymen χέλυς, ἐμύς. Ursprünglich wohl Fremdwort, aber mit κλέμμα (κλέπτω) verbunden wegen der Fähigkeit der Schildkröte, ihren Körper ganz oder teilweise unter den Panzer einzuziehen und zu verbergen. Vgl. Güntert Reimwortbildungen 144: Kreuzung von ἐμύς und *κλωμός = aind. kūrmá- ‘Schildkröte’ (indogermanisch?; vgl. Mayrhofer Wb. s. v.) mit -μμ- nach κλέμμα. I-869

κλέος, phok. κλέϝος n. ‘Gerücht, Ruf, Ruhm’ (seit Il.). Kompp., bes. in EN, z. B. Κλεο-μένης (Kurzname Κλέομ(μ)ις) mit Übergang in die o-Stämme, daneben Κλει-σθένης (aus *Κλεϝεσ- oder *Κλεϝι-σθένης), Τιμο-κλέϝης (kypr.) usw.; s. Fick-Bechtel Personennamen 162ff., Bechtel Hist. Personennamen 238ff.; zu thess. usw. -κλέας für -κλέης Kretschmer Glotta 26, 37. Ableitungen: Adjektiv κλεινός, äol. κλέεννος (aus *κλεϝεσ-νός) ‘ruhmvoll, berühmt’ (poet. seit Sol., Pi.) mit Κλεινίας u. a. — Erweiterung nach den Nomina auf -(η)δών (vgl. Schwyzer 529f., Chantraine Formation 361): κλεηδών, -όνος f. (Od.), κληηδών (δ 312; metr. Dehnung), κληδών (Hdt., Trag. usw.; Kontraktion bzw. Angleichung an κλῄζω, κικλήσκω; vgl. unten) ‘Ruf, Gerücht, (göttliche) Aussprache, Zuruf’; davon κληδόνιος (Sch., Eust.), κληδονίζομαι, -ίζω (LXX u. a.) mit -ισμα, -ισμός. — Denominative Verba: 1. κλείω (ep. seit Il.), κλέω (B., Trag. in lyr. usw.) ‘rühmen, preisen, verkünden’, hell. Dichter auch ‘nennen’ (nach κλῄζω, s. unten), κλέομαι ‘Ruhm genießen, gerühmt werden’ (ep. poet. seit Ω 202), hell. Dichter auch ‘genannt werden’; Grundform *κλεϝεσ-ι̯ω > *κλε(ϝ)έω, woraus κλείω, κλέω; s. Wackernagel BphW 1891 Sp. 9; ausführlich Frisk GHÅ 56 : 3 (1950) 3ff., wo auch mit der Möglichkeit gerechnet wird, κλέω (woraus dann κλείω mit metr. Dehnung) als Rückbildung zu κλέος nach ψεύδω : ψεῦδος u. a. zu erklären (so auch Risch par. 31 a). Anders z. B. Schulze Q. 281: κλείω denominativ aus *κλεϝεσ-ι̯ω, aber κλέω, κλέομαι alte Primärbildung; wieder anders Chantraine Gramm. hom. 1, 346 m. A. 3: κλέω primär, daraus wahrscheinlich metrisch gedehnt κλείω; weitere Lit. bei Frisk a. a. O. — Von κλείω, κλέω als Nom. agentis Κλειώ, Κλεώ, -οῦς f. "die Rühmerin", N. einer der Musen (Hdt., Pi. usw.). — 2. κλεΐζω (Pi.; εὐκλεΐζω von εὐκλεής auch Sapph., Tyrt. u. a.), κληΐζω (Hp., hell. Dichtung), κλῄζω (Ar. usw.), Aor. κλεΐξαι bzw. κληΐσαι, κλῇσαι, κλεῖσαι, Fut. κλεΐξω, κληΐσω, κλῄσω usw., ‘rühmen, preisen, verkünden’, auch ‘nennen’ (nach κικλήσκω, καλέω; daher auch die Schreibung κλη-); Grundform *κλεϝεσ-ίζω; anders z. B. Schulze Q. 282ff., s. Bq s. κλείω und Schwyzer 735 A. 7; vgl. noch Fraenkel Glotta 4, 36ff. — Altes Verbalnomen von einem Wort für ‘hören’, in mehreren Sprachen erhalten: aind. śrávas- n. ‘Ruhm’ (κλέος ἄφθιτον: ákṣiti śrávaḥ), aw. sravah- n. ‘Wort’, aksl. slovo n. ‘Wort’, wohl auch air. clū und toch. A klyw, B kälywe ‘Ruhm’, dazu noch illyr. EN Ves-cleves (= aind. vásu-śravas- ‘guten Ruhm besitzend’; vgl. Εὐ-κλῆς). Auch das Denominativum κλε(ί)ω aus *κλεϝεσ-ι̯ω stimmt zu aind. śravasyáti ‘preisen’ und kann somit vorgriechisch sein. Weiteres (m. Lit.) s. κλύω. — Zu κλέος s. noch die Abhh. von Steinkopf und Greindl s. εὔχομαι, außerdem Greindl RhM 89, 217ff. I-869-870

κλέπας · νοτερόν, πηλῶδες, ἢ δασύ, ἢ ὑγρόν; κλέπος· ὑψηλόν, νοτερόν, δασύ H. — Im Sinn von νοτερόν usw. von Fick (1, 428; 2, 103) und Zupitza (Die germ. Gutturale 37) mit air. cluain ‘Wiese’ und balt., z. B. lit. šlàpti ‘naß werden’ verglichen, im Sinn von ὑψηλόν von Specht KZ 68, 127 zu lat. culmen ‘Gipfel’ usw. gezogen (?). I-870

κλέπτω, Aor. κλέψαι (seit Il.), Pass. κλεφθῆναι (Hdt., E.), κλαπῆναι (Th., Pl. usw.), Ptz. κλεπείς (Pap. IIp), Fut. κλέψω (h. Merc. usw.), Perf. κέκλοφα (att.), Ptz. κεκλεβώς (Andania Ia; hyperdialektisch?, Schwyzer 722), Med. κέκλεμμαι (S.), κέκλαμμαι (Ar. u. a.), ‘stehlen, verhehlen, heimlich tun, hintergehen, täuschen’. auch mit Präfix wie ἀπο-, ἐκ-, δια-, ὑπο-, Als Hinterglied in der Zusammenbildung βοῦ-κλεψ (S. Fr. 318), als Vorderglied in verbalen Rektionskompp., z. B. κλεψί-φρων ‘hinterlistig’ (Hermes, h. Merc.); von κλέψαι, vgl. Knecht Τερψίμβροτος 38, Zumbach Neuerungen 21; zu κλεψύδρα s. bes. Ableitungen. A. Mit ε-Vokal: κλέπος n. ‘Diebstahl’ (Sol. ap. Poll. 8, 34). 2. κλέμμα ‘Diebstahl, Täuschung, Kriegslist’ (att. usw.) mit κλεμμάδιος ‘gestohlen’ (Pl.; nach ἀμφάδιος, κρυπτάδιος, Chantraine Formation 39). 3. κλεπία· κλοπή (Phot.). 4. κλέπτης m. ‘Dieb’ (seit Il.), Superl. κλεπτίστατος (Ar. u. a.; Leumann Mus. Helv. 2, 10ff.), Deminutiva κλεπτίσκος (Eup.), -τάριον (Charis.), scherzhaftes Patronym. κλεπτίδης (Pherekr.); Fem. κλέπτις (Alkiphr.), κλέπτρια (Sotad. Kom.; formal von κλεπτήρ, Fraenkel Nom. ag. 1, 75); Adj. κλεπτικός ‘diebisch’ (Pl., Luk.); Abstraktbildung κλεπτο-σύνη ‘Diebssinn’ (τ 396, Man.; Porzig Satzinhalte 226, Wyss -συνη 25). 5. κλεπτήρ ‘Dieb’ (Man.; späte Bildung nach alten Mustern, vgl. Fraenkel 1, 75). 6. κλέπιμος ‘geschmuggelt’ (Pap. IIIa; kaum mit Arbenz Die Adj. auf -ιμος 100 zu dem alten und seltenen κλέπος sondern eher aus κλόπιμος mit ε nach κλέπτω usw.); 7. κλεψιμαῖος ‘durch Diebstahl erworben’ (LXX u. a.; juristischer Terminus, Chantraine Mél. Maspero 2, 220; *κλέψις nur als Vorderglied). — B. Mit ο-Vokal. 1. κλοπή ‘Diebstahl, heimliche Tat’ (Trag., att. usw.) mit κλοπαῖος ‘durch Diebstahl erworben’ (att.), κλόπιμος ‘ds., diebisch’ (Ps.-Phok. u. a.), -ιμαῖος = κλεψιμαῖος (s. oben; Luk., Ant. Lib.), κλοπικός ‘für Diebstahl begabt’ (Hermes, Pl. Kra. 407e; scherzhaft?, vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 142); ἐπί-κλοπος ‘betrügerisch, verschmitzt’ (Il. usw.; Hypostase, Porzig Satzinhalte 249) mit ἐπικλοπίη (Nonn.); ’Επικλόπειος Bein. d. Zeus (H.); ὑπό-κλοπος, s. u. 2. κλοπός ‘Dieb’ (h. Merc. 276, Opp.) mit κλόπιος ‘trügerisch, diebisch’ (ν 295, AP, APl.). 3. κλοπεύς ‘Dieb, heimlicher Täter’ (S.) mit κλοπεύω ‘plündern’ (App.), κλοπεία (Str.; v. l. -ω-), -εῖον ‘gestohlenes Gut’ (Max.). 4. Iteratives Präsens ὑπο-κλοπέοιτο ‘sich unbemerkt verstecken’ (χ 382; ὑπο-κλέπτειν Pi., ὑπό-κλοπος ‘trügerisch, falsch’ B.; vgl. Schwyzer-Debrunner 524). — C. Mit ω-Vokal. 1. κλώψ ‘Dieb’ (Hdt., E., X. u. a.) mit κλωπικός ‘verstohlen, heimlich’ (E. Rh. 205 u. 512; Chantraine Ét. 119), κλωπήϊος ‘ds.’ (A.R.,Max.), κλωπεύω (X., Luk.), -εία (att.); 2. Iteratives Präsens κλωπάομαι = κλέπτομαι (H.). — Zum Aorist κλέψαι stimmt genau lat. clepsī; dem τ-(Jot-)präsens κλέπτω steht im Latein und Germanischen ein mutmaßlich älteres (Schwyzer 704) thematisches Wurzelpräsens lat. clepō = got. hlifan ‘stehlen’ gegenüber. Eine vereinzelte nominale Ableitung kann in mir. cluain ‘Betrug, Schmeichelei’ aus *klop-ni- erhalten sein. Zu bemerken noch das im Anlaut abweichende lit. slepiù, slė̃pti ‘verbergen’; mit der ad hoc gemachten Annahme eines anlautenden skl- ist nichts gewonnen, eher liegt eine Kreuzung oder Reimbildung vor. — Entfernte Beziehung zu καλύπτω (s. d.) u. Verw. ist natürlich möglich. Lit. und weitere Einzelheiten bei WP. 1, 497, Pok. 604, W.-Hofmann s. clepō, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. hlifan. I-870-871

κλεψύδρα, ion. -ρη ‘Wasseruhr’, ähnlich wie eine Sanduhr konstruiert (ion. att.). — Verbales Rektionskompositum von κλέψαι (κλεψι-) und ὕδωρ mit Schwundstufe des Hintergliedes (wie ἄν-υδρ-ος u. a.) und zusammenschweißendem α-Suffix (dazu Schwyzer 452 : 7). I-871-872

κλέω κλέομαι ‘gerühmt, genannt werden’ ‘rühmen, nennen’, s. κλέος. I-872

κληδών ‘Ruf, Gerücht’ s. κλέος. I-872

κλήθρα, ion. -ρη f. ‘Erle, Alnus glutinosa’ (Od., Thphr.) mit κλήθρινος ‘aus Erle’ (Ath. Mech.). — Kann mit nhd. dial. lutter, ludere, ludern ‘Alpenerle, Betula nana’ identisch sein, idg. *klādhrā. Schrader BB 15, 289, Schrader-Nehring Reallex. 1, 259; daselbst auch andere idg. Benennungen der Erle. I-872

κληΐζω (κλῄζω) 1. ‘verschließen’ s. κλείς. 2. ‘rühmen, nennen’ s. κλέος. I-872

κλῆμα (ion. att.), äol. κλᾶμμα (Alk.; mit Verdoppelung des μ, s. Hamm Gramm. zu Sappho und Alkaios par. 73c); κλαμα n. (eher κλᾶμα als κλάμα) ‘Bruchstück, κλάσμα’ (Aigina Va). n. ‘Zweig (der Weinrebe), Schößling, Weinranke’; auch Pflanzenname, ‘Polygonum aviculare’ (Dsk.; Strömberg Theophrastea 184) Ableitungen: κληματίς, -ίδος f. ‘Zweig der Weinrebe, Reis, Reisig(bündel)’ (ion. att.), auch N. verschiedener rebenähnlicher Pflanzen wie Clematis vitalba (Dsk. u. a.); κληματῖτις f. Pflanzen(bei)name (Dsk.; Redard Les noms grecs en -της 73); κλημάτινος ‘aus Weinranken bestehend’ (Thgn. usw.), κληματόεις ‘ds.’ (Nik.), κληματώδης ‘voll von Zweigen, weinrebenähnlich’ (Dsk., Gal.), κληματικός ‘zur Weinranke gehörig’ (Gloss.). Denominative Verba: κληματόομαι ‘Schößlinge treiben’ (S., Thphr.), κληματίζω ‘Weinstöcke beschneiden’ (LXX). — Zu κλάω (s. d.), aber im Ablaut davon abweichend und zu lat. clā-d-ēs ‘Verletzung, Schaden’ u. a. stimmend; vgl. zu κλῆρος. Verfehlt Prellwitz KZ 47, 302. I-872

κλῆρος, dor. κλᾶρος m. ‘Los, Anteil, Erbteil, Ackerlos, Grundstück’ (seit Il.), ‘Klerus, Geistlichkeit’ (Just. u. a.). Kompp., z. B. κληρο-, κλᾱρο-νόμος ‘Erbe’ mit -νομέω, -νομία, -νομικός u. a. (ion. att., dor.); ἄ-κληρος ‘ohne Los, ohne Erbteil, arm, unverlost’ (seit λ 490); aber ναύκληρος, -κλᾱρος aus ναύ-κρᾱρος (s. d.); danach auch ὁλό-κληρος ‘vollständig’ (ion. att.) aus *ὁλό-κρᾱρος? (Debrunner Phil. 95, 174ff.); dagegen mit guten Gründen W. den Boer Mnemos. 3 : 13, 143f. Ableitungen: Deminutivum κληρίον (AP, Pap.), dor. κλᾱρίον ‘Schuldschein’ (Plu. Agis 13); Adj. κληρικός ‘zum κλ. gehörig’ (Vett. Val. u. a.); denominatives Verb κληρόω, κλᾱρόω ‘auslosen, durchs Los wählen’, Med. ‘losen, sich zulosen lassen’ (ion. att., dor.) mit κλήρωσις ‘das Losen’, κληρωτήριον ‘Losurne, Wahllokal’, κληρωτός ‘losbar, erlost’ (ion. att.) u. a. — Eig. "Steinscherbe, Holzstückchen" (als Los gebraucht), mit einem keltischen Wort für ‘Brett, Tafel’ identisch: air. clār, kymr. claur, dazu als Ausdruck der Stellmacherei bret. kleur ‘Gabelbaum am Wagen’; zu κλάω ‘abbrechen’ mit demselben Ablaut wie in κλῆ-μα, κλᾶ-μα, lat. clā-d-ēs u. a. Weiteres s. κλάω. I-872-873

κλῆσις κλητήρ, κλήτωρ ‘Herold, Zeuge’ usw. ‘Ruf, Vorladung’, s. καλέω. I-873

κλί̄βανος (Hdt., Epich., LXX, Pap., NT usw.), auch, wohl sekundär (Dissimilation?; Schwyzer 259), κρίβανος (Kom. u. a.) m., κρίβανον n. ‘Backofen’, eig. ein tönernes oder eisernes, nach oben sich verjüngendes und mit Luftlöchern versehenes Geschirr, in dem man Brot buk; übertr. auf ähnliche Gegenstände: ‘trichterförmiges Gefäß zum Wasserschöpfen, Felsenhöhle usw.’ (Str., Ael. u. a.). Davon (meist κλιβ-): κλιβάνιος, -ικός ‘zum Backofen, Backen gehörig’ (Pap.), -ιον ‘Backofen’ (Pap.), -ίτης (ἄρτος) ‘im K. gebackenes Brot’ (Kom.; Redard Les noms grec en -της 89), κριβανωτός ‘im Ofen gebacken(es Brot)’ (Alkm. 20, Ar.), κριβάνας· πλακοῦντάς τινας H.; κλιβανεύς ‘Bäcker’, -εῖον ‘Bäckerei’ (Pap.); κλιβανάριος aus lat. clībanārius ‘gepanzerter Reiter’ (seit IVp; aus der Soldatensprache oder nach aram. tanûr ‘Ofen, Panzer’?; vgl. Schwyzer 39). — Hypostase ἐπικλιβάνιος (θεά) ‘über den Ofen herrschend’ (Karneades). — Technisches LW auf -ανος (Chantraine Formation 200, Schwyzer 489f.); Herkunft unbekannt. Nach Walde Lat. et. Wb.2 s. lībum zu dem germ. Wort für ‘Laib Brot’, got. hlaifs usw. durch Entlehnung aus einem nördlichen Sprachgebiet; dagegen (W.-)Hofmann s. v. Andere Hypothesen bei Lewy Fremdw. 105f. (semitisch), bei Mohl MSL 7, 403 (uralaltaisch); weitere Lit. bei W.-Hofmann s. lībum. I-873

κλί̄νω, -ομαι, Aor. κλῖναι, κλίνασθαι (seit Il.), Pass. κλιθῆναι (seit Od.), κλινθῆναι (poet. seit Il.; metr. bedingt; Chantraine Gramm. hom. 1, 404 m. A. 2 und Lit., Schwyzer 761), auch κλινῆναι (att.; wohl für *κλι-ῆναι; Schwyzer 760), Fut. κλῐνῶ (att.), Perf. Med. κέκλῐμαι (seit Il.), wozu κέκλῐκα (Plb.), ‘(sich) neigen, (an)lehnen, (sich) senken, beugen’. sehr oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, κατα-, παρα-, ἐν-, ἀπο-, Sehr zahlreiche und weitverzweigte Ableitungen: 1. Von der Wurzel mit δ-Suffix: δι-κλί-δ-ες f. ‘doppelt angelehnt, zweiflügelig’ (s. bes.), ἐγκλίς· ἡ καγκελλωτὴ θύρα (EM); παρα-, ἐγ-κλιδόν ‘ausweichend, sich neigend’ (ep. poet. seit Od.). 2. Vom präfigierten Präsens mit Ausgang nach den σ-Stämmen (Schwyzer 513): κατα-, ἐπι-, ἀπο-, ἐκ-, συγ-κλινής usw. ‘abwärts geneigt, abschüssig usw.’ (Hp., A. usw.) mit ἐπικλίν-εια (Heliol. Med.), συγκλιν-ίαι pl. (Plu.). 3. Zusammenbildungen mit τη-Suffix: παρα-, συγ-κλί-της ‘der neben od. zusammen am Tisch liegt’ (X.. Plu.), ἐπι-κλίν-της ‘der sich seitwärts bewegt’ (Arist.). — 4. κλειτύ̄ς (auch κλῑτύς nach κλί̄νω), ύος f. ‘Abhang, Hügel’ (vorw. poet. seit Il.; zur Schreibung Schwyzer 506 m. A. 7 u. Lit.). 5. κλεῖτος n. (A. R. 1, 599), κλῐ́τος n. (Lyk., LXX, AP) ‘Abhang, Seite, Luftstrich’. — 6. κλίσις, vorw. von den Präfixkompp., z. B. ἀνά-, κατά-, ἀπό-κλισις ‘das Zurücklehnen usw.’ (ion. att.). — 7. κλίμα n. (mit hell. ῐ für ει; Schwyzer 523) ‘Neigung, Abhang, Himmelsgegend, Land’, auch ἔγκλι-μα usw. (Arist. usw.), mit κλιματίας ‘neigend’ (Herakleit., Amm. Marc.), κλιματικός ‘zur Himmelsgegend gehörig’ (Vett. Val.). 8. κλῖμαξ, -ακος f. ‘Treppe, Leiter, Schiffs-, Sturmleiter, Klimax usw.’ (seit Od.) mit κλιμάκιον (ion. att.), -ίς (att. Inschr., hell.), κλιμακίσκοι· πάλαισμα ποιόν H.; κλιμακίζω ‘einen Kunstgriff namens κλῖμαξ im Ringkampf benutzen’, übertr. ‘zu Fall bringen’ (att.); κλιμακωτός (Plb.), -ώδης (Str.) ‘treppenförmig’; auch κλιμακ-τήρ ‘Leitersprosse’ (ion. att.), ‘kritischer Punkt des menschlichen Lebens’ (Varro u. a.) mit κλιμακτηρικός, -τηρίζω (Gell., Vett. Val. u. a.); zur Bildung von κλῖμαξ (ῑ analog. statt ει [*κλεῖ-μα] nach κλί̄νω) Rodriguez Adrados Emerita 16, 133ff.; zu κλιμακτήρ Chantraine Formation 327f. — 9. κλισμός ‘Lehnsessel’ (ion. poet. seit Il.) mit κλισμίον, -άκιον (Inschr., Kall.), ‘Neigung, Abhang’ (Arist.). — 10. ἀνά-κλιθρον ‘Rückenlehne’ (Ptol.). — 11. κλίτα· στοαί, κλίταν (καὶ τάν cod.)· στοάν H., wohl eig. ‘Anlehnung, Lehne’ o. ä.; davon κλισία, ion. -ίη ‘Pfahlhütte, Baracke, Kapelle; Lehnsessel, Ruhebett, Grabkammer, Tischbett, Tischgelage’ (vorw. ep. poet. seit Il.), κλίσιον etwa ‘Anbau, Säulenhalle’ (ω 208, Delos IIIa), auch ‘Anbau, Schuppen, Kapelle’ (Lys., Paus. u. a.); oft κλεισίον geschrieben (Inschr. u. a.), ebenso κλεισία f. etwa ‘Herberge, Wirtshaus’ (ep.), wahrscheinlich durch Anschluß an κλείω ‘verschließen’ (anders Schulze Q. 295 A. 3 und Fraenkel KZ 45, 168); davon κλεισιάδες (θύραι) ‘Türen der κλ(ε)ισία, des κλ(ε)ισίον’ (Hdt., Ph., D. H., Plu. u. a.); Einzelheiten über κλισίη u. Verw. bei Frisk Eranos 41, 59ff., Scheller Oxytonierung 61. — 12. (ἐγ-, ἐκ-)κλιτικός ‘flexivisch usw.’ (Gramm. u. a.); zu (ἔγ-, ἔκ-)κλισις. — Vom Präsens: 13. κλίνη ‘Lager, Bett, Bahre’ (ion. att.; vgl. Chantraine Formation 192) mit κλινίς, -ίδιον, -ίον, -άριον (Kom. usw.), κλίνειος ‘zur κλίνη gehörig’ (D.), -ήρης ‘im Bett liegend, bettlägerig’ (Ph., J. u. a.); als Hinterglied in σύγ-κλινος ‘Bettgenosse’ (Men.). — 14. κλιντήρ, -ῆρος m. ‘ds.’ (ep. poet. seit Od.) mit κλιντήριον, -ίδιον, -ίσκος (Ar. u. a.), ἀνακλιν-τήρ ‘Tischgenosse’ (Ps.-Kallisth.); παρακλίν-τωρ ‘ds.’ (AP); ἀνά-, ἐπί-κλιν-τρον ‘Rückenlehne usw.’ (Erot. bei Poll., Ar., Inschr. usw.). — Das Jotpräsens κλί̄νω aus *κλῐ́ν-ι̯ω, das eine griechische Neuerung ist, geht auf ein älteres Nasalpräsens zurück, das in vielen Einzelsprachen, aber in wechselnder Gestalt auftritt: lat. clīnāre, germ., z. B. asächs. hlinōn, ahd. hlinēn > lehnen, balt., z. B. lett. slìe-n-u, slìet, ostlit. šli-n-, šliñti ‘anlehnen’, aw. sri-nu-, Ptz. sri-ta- ‘lehnen’, wohl auch arm. li-ni-m, Aor. Ipv. le-r, ‘werden, sein’; als gemeinsame Grundlage ist ein verschwundenes athem. *ḱli-nā-mi anzunehmen. Neben diesem weitverbreiteten Nasalpräsens steht im Indoiranischen und Baltischen ein thematisches Wurzelpräsens, z. B. aind. śrayati = lit. (alt u. dial.) šlejù ‘anlehnen’. Der ursprünglich nur dem Präsens zukommende Nasal hat im Latein und Germanischen die ganze Verbalflexion erobert, aber läßt im Griechischen das Perfekt (κέ-κλι-ται : aind. śi-śri-y-), z. T. auch den Passivaorist unberührt. — Die griech. Nominalableitungen sind im großen und ganzen als Neubildungen verständlich; zu bemerken immerhin, außer (ἄ)-κλιτος = aind. śri-tá-, aw. sri-ta- ‘gelehnt’, κλίσις, formal = lit. šli-tì-s ‘Garbenhocke’; κλίτον = germ. z. B. ahd. lit ‘Deckel’, nhd. Augen-lid; daneben mit Hochstufe (wie in κλει-τύς) z. B. awno. hlīð f. ‘Abhang, Berghalde’. Wie in κλίνη ist der Nasal u. a. auch in ahd. hlina ‘reclinatorium’ eingedrungen. — Zahlreiche andere Nominalbildungen, die für das Griechische ohne Belang sind, bei Bq s. v., WP. 1, 490f., Pok. 600ff., W.-Hofmann s. clīnō (m. reicher Lit.). I-874-875

κλοιός, auch κλῳός (Ar. V. 897, E. Kyk. 235) m. ‘Halsband für Hunde, Halseisen für Gefangene’ (Kom., E. Kyk., X., Babr. u. a.) mit κλοιώτης· ὁ δεσμώτης, κλοιωτά· δεσμοῖς διειλημμένα H. — Wohl aus *κλωϝιός, aber ohne befriedigende Anknüpfung. Seit Curtius oft zu κλεΐς ‘Schlüssel’ gezogen; noch anders Hirt (s. Bq) und Machek Voprosy jazykoznanija 1 (1957) 104. I-875

κλόνις, -ιος f. ‘Steißbein’ (Antim. 65); davon κλόνιον· ἰσχίον, ῥάχις, ὀσφύς und κλονιστήρ· παραμήριος μάχαιρα, παρίσχιον H. (vgl. lat. clūnāc(u)lum ‘cultrum sanguinarium ..., quia ad clunes dependet’ Paul Fest. 50). — Das Wort ähnelt, schwerlich zufällig, einem alten idg. Wort für ‘Hinterbacke, Hüfte’: aind. śróṇi-, lat. clūnis, kelt., z. B. kymr. clun, awno. hlaun, balt., z. B. lit. šlaunìs, idg. *ḱlounis. Da sich aber κλόνις lautlich damit nicht vereinigen läßt (Versuche bei Bq referiert und abgelehnt), muß volksetymologische Anknüpfung an κλόνος (Sch. A. Pr. 499 ἀφοὗ καὶ κλόνις ὀνομάζεται διὰ τὸ ἀεικίνητον, scil. ὀσφύς) immer als eine mögliche Erklärung gelten (Brugmann, z. B. MU 3, 20, Schulze Q. 105 A. 1, Schwyzer 38 A. 1; Zweifel bei WP. 1, 499, Pok. 608; auch Specht Ursprung 162 mit einer morphologisch unglaubhaften Zerlegung). Anders, gewiß nicht besser, Petersson IF 35, 269ff. (dagegen Kretschmer Glotta 9, 233), Holthausen IF 62, 157. I-875-876

κλόνος m. ‘Erregung, erregtes Gedränge, Gewühl, Kampfgetümmel’ (ep. poet. seit Il., späte Prosa; zur Bed. Trümpy Fachausdrücke 157f.); vereinzelt in Kompp., z. B. ἄ-κλονος ‘ohne Erregung, ruhig’ (Gal., vom Puls). Denominativum κλονέω (vorw. Präsens), auch mit Präfix wie ὑπο-, συν-, ἐπι-, ‘erregen, bedrängen, herjagen’, Pass. ‘bedrängt werden, in Verwirrung geraten’ (ep. ion. poet. seit Il., sp. Prosa) mit κλόνησις ‘Erregung’ (Hp. u. a.). — Von κέλομαι, also κλ-όνος, mit derselben Bildungsweise wie in θρ-όνος (s. d. und Schwyzer 490). I-876

κλοπή ‘Diebstahl’, -εύς, -ός ‘Dieb’ s. κλέπτω. I-876

κλοτοπεύω nur Τ 149 zusammen mit διατρίβειν, Bed. schon im Altertum strittig, vgl. H. κλοτοπεύειν· παραλογίζεσθαι, ἀπατᾶν, κλεψιγαμεῖν, στραγγεύεσθαι. Er zitiert noch κλοτοπευτής· ἐξαλλάκτης, ἀλαζών. — Expressives Wort unklarer Bedeutung und schon deshalb einer sicheren Etymologie ermangelnd. Versuche von Laird ClassPhil. 4, 317ff. (dagegen Kretschmer Glotta 3, 336f.), H. Lewy KZ 55, 25f. und Kuiper Glotta 21, 287ff. I-876

κλύβατις f. Pflanzenname = ἑλξίνη, ‘Winde’ (Nik., Dsk.). — Unerklärt. — Nebenform κουλουβάτεια f. (Nik.). I-876

κλύζω, Ipf. iter. κλύζεσκον (Ψ 61), Aor. Pass. κλυσθῆναι (seit Il.), Fut. κλύσ(σ)ω (h. Ap. 75, Pi. usw.), Aor. Akt. κλύσαι (ion. att.), Perf. κέκλυκα, κέκλυσμαι (att.), ‘spülen, wegspülen, reinigen’, Pass. (intr.) ‘spülen, wogen, branden’. oft mit Präfix, z. B. ἐπι-, κατα-, περι-, προσ-, Ableitungen: κλύσις ‘das Spülen’ (Hp.), meist von den Präfixverba ἐπίκλυσις usw. (ion. att.); κλύσμα (auch κατάκλυσμα u. a.) ‘Flüssigkeit, womit etwas abgespült wird, Klystier’, auch ‘Brandung, Strand’ (ion. att.), mit κλυσμάτιον, -ματικός (Hp. u. a.); (ἐπι-, κατα- usw.)κλυσμός ‘Überflutung usw.’ (ion. att.); κλυστήρ, -ῆρος m. ‘Klystierspritze’ (Hdt. usw.) mit -τήριον, -τηρίδιον. — Daneben σύγ-κλυ-ς, -δος ‘zusammengespult, -geworfen’ (Th., Pl. u. a.), κλύ-δ-α Akk. sg. ‘ Wellenschlag’ (Nik. Al. 170; archaisierende Neubildung?), κλύ-δ-ων, -ωνος m. ‘Gewoge, Brandung, Getümmel’ (seit μ 421) mit κλυδώνιον (A., E.), κλυδων-ίζομαι ‘von den Wogen umhergeworfen werden’ (LXX, J. usw.) mit κλυδωνισμός (Hdn.), -ισμα (Suid.). — Expressive Erweiterung (ἐγ-, συγ-)κλυδάζομαι ‘plätschern usw.’ (Hp. u. a.; -άττομαι D. L.) mit κλυδασμός, (ἐγ)κλύδαξις, ἐγκλυδαστικός (Hp. u. a.); Einzelheiten bei Debrunner IF 21, 221f. — Dazu noch κλυδάω, von σταῖς, πηλός, etwa ‘durchnäßt, weich, formbar sein’ (Arist.), wohl nach φλυδάω. — Der Bildung nach zu den sinn- und lautähnlichen βλύζω, φλύζω stimmend, steht das Präsens κλύζω jedenfalls zu den nominalen δ-Bildungen κλύ-δ-α, κλύ-δ-ων in nächster Beziehung; ob es aus *κλυ-δ-ι̯ω als denominatives Jotpräsens entstanden ist (z. B. Schwyzer 715f.) oder eine selbständige Erweiterung auf -ζω repräsentiert (wozu κλύ-δ-ων usw. als Rückbildungen), läßt sich kaum entscheiden. Eine idg. d-Erweiterung ist indessen auch im Germanischen, z. B. got. hlutrs, nhd. lauter (idg. *ḱlū-d-ro-) vorhanden; daneben ohne -d- kymr. clir ‘hell, klar, heiter, rein’ (idg. *ḱlū-ro-). Ein dentalloses primäres Verb scheint in alat. cluō ‘purgo’ (nur Plin. 15, 119) erhalten zu sein (vgl. die Ausführungen bei W.-Hofmann s. v.) und wird jedenfalls von clo(v)āca ‘unterirdischer Abzugskanal’ vorausgesetzt; hinzu kommt, mit anderem Ablaut, lit. šlúoju, šlúoti ‘fegen, wischen’ (idg. *ḱlō[u]-). — Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 495f., Pok. 607, W.-Hofmann s. cluō; über hierhergehörige alteurop. Flußnamen (*Cluentus in Cluentensis vicus u. a.) Krahe Beitr. z. Namenforschung 5, 113f. I-876-877

κλύω (seit Hes. Op. 726), Aor. ἔκλυον (seit Il.), daneben athematische Formen: Ipv. κλῦθι, -τε (Hom., Pi., Trag.), κέκλυθι, -τε (Hom. u. a.), auch κέκλῠκε (Epich. 190; vgl. unten), Ptz. κλῠ́μενος ‘berühmt’ (Antim., Theok.), gew. PN Κλύμενος, Κλυμένη (Hom. usw.), ‘vernehmen, Kunde bekommen, hören, gehorchen’ (ep. poet. seit Il.), auch (mit εὖ, κακῶς u. ä.) ‘im Rufe stehen’ (Trag.). vereinzelt mit Präfix wie ἐπι-, ὑπο-, — Der thematische Wurzelaorist ἔκλυον, zu dem das Präsens κλύω als Neubildung getreten ist, stimmt zum aind. Aorist śruvam, ist aber wie dieser aus einem älteren athematischen Aorist erwachsen, der im Ipv. κλῦθι, -τε und im Ptz. κλύμενος noch erkenntlich ist. Zu κλῦθι (bei Hom. immer am Versanfang), mit metrischer Dehnung für *κλύ-θι, bietet aind. śru-dhí ein genaues Gegenstück; dazu als Neubildung κλῦτε, vielleicht für *κλεῦ-τε = aind. śró-ta (Einzelheiten bei Schwyzer 800 A. 6). Das reduplizierte κέ-κλυ-θι, -τε läßt sich als Neubildung nach τέ-τλᾰ-θι u. a. (s. zu ἱλάσκομαι) erklären (anders Schwyzer 804 mit Schulze Q. 391ff.); zum einmaligen κέκλυκε (Epich.) ebd. 799 A. 2. — Auch κλυτός hat außergriechische Entsprechungen, u. zw. in mehreren Sprachen, z. B. aind. śrutá- ‘gehört’, lat. in-clutus ‘berühmt’, arm. lu ‘kund’, air. cloth n. ‘Ruhm’, idg. *ḱlŭ-tó-; daneben mit langem (als Schwundstufe einer zweisilbigen Wurzelform?), germ., z. B. ahd. hlūt ‘laut’; mit altem eu-Diphthong awno. hljōð n. ‘das Gehörte, das Zuhören, Laut, Stille’ (idg. *ḱléu-to-m). — Die Hochstufe eu tritt noch bei dem athematischen Wz.-aorist zutage, aind. -śrav-am, 3. sg. -śro-t (wäre gr. *ἔ-κλεϝ-α, *ἔ-κλευ); dazu *κλεϝετός > κλειτός (vgl. Schwyzer 502) und das alte Verbalnomen κλέ(ϝ)ος, s. d. — Die übrigen Sprachen bieten eine Menge, z. T. erheblich voneinander abweichender Formen; es sei hier nur an das alte nu-Präsens in aind. śr̥-ṇó-ti, aw. surunaoiti und an das auch semantisch neugestaltete lat. cluēre ‘genannt werden’ erinnert. Zu bemerken noch das Denominativum κλέω ‘rühmen, preisen’, s. κλέος. Im Griechischen wurde, wie die ähnlichen Bildungen in anderen Sprachen, ἔκλυον, κλύω von anderen Ausdrücken (ἀκούω, πυνθάνομαι) stark zurückgedrängt und hat sich nur in der poetischen Sprache behaupten können. — Weitere Formen mit sehr reicher Lit. bei Bq s. κλέ(ϝ)ω, WP. 1, 494f., Pok. 605ff., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. clueō, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. hliuma. Dazu κλυτός m., auch f. (s. Schwyzer-Debrunner 32 A. 5) ‘berühmt’ (ep. poet. seit Il.), oft als Vorderglied, z. B. κλυτό-τοξος ‘mit berühmtem Bogen’ (von Apollon), κλυτό-πωλος ‘mit berühmten Fohlen’ (von Hades; vgl. Thieme Studien 48ff.); auch Κλυται-μήστρα, -ρη (seit Il.), mit Hinterglied zu μήστωρ, Vorderglied umgebildet nach Κραται-, Παλαι- u. a.; Schwyzer 448, Sommer Nominalkomp. 147 m. A. 1 u. Lit. — Mit anderem Ablaut κλειτός ‘berühmt’ (Hom., Pi.) aus *κλεϝετός; vgl. unten. I-877-878

κλωβός auch κλουβός (POxy. 1923, 14; V-VIp [Bed. unsicher], Tz., Gloss.). m. ‘Vogelkäfig’ (AP, Babr. u. a.), Demin. κλωβίον (-ου-) ‘kleiner Käfig, Flechtkorb’ (Hdn. Epim., Pap.). — Semitisches LW, vgl. hebr. syr. kelūb ‘Vogelkäfig’. Lewy Fremdw. 129 nach Renan und A. Müller; vgl. noch Grimme Glotta 14, 19. I-878

κλῶδις · κλέπτης H. — Nach Machek Μνήμης χάριν 2, 19f. zu aksl. kradǫ, krastiκλέπτειν’ mit Substitution r : l (?). Ebenso schon Specht Ursprung 175, 226 u. 319 mit weitgehender Wurzelzerlegung: κλ-ῶ-δ-ις : κλ-ε-π- : ahd. (h)l-an-d-eri ‘Räuber’ u. a.; alles zu idg. *ḱel- ‘verbergen’ (?). I-878

κλώζω nur Präsensstamm, auch κλώσσω (Suid. s. φωλάς; nicht ganz sicher; aus κλωγμός rückgebildet? Debrunner IF 21, 248). ‘glucken, schnalzen’ (D., Alkiphr., Poll. u. a.), Davon κλωγμός (Kratin., X. u. a.), auch κλωσμός (Ph. 2, 599 neben -γ-, Harp.) ‘das Glucken, Schnalzen’. — Zu κλώζω vgl. einerseits κλάζω (s. κλαγγή m. Lit.), anderseits κρώζω (s. d.); wie diese ein onomatopoetisches Schallwort. I-879

κλώθω, -ομαι (κλώσκω H.; vgl. Schwyzer 708), Aor. κλῶσαι, -ώσασθαι (seit Ω 525 und Od.), Pass. κλωσθῆναι (Pl. usw.), κέκλωσμαι (Kom., LXX), ‘spinnen’. auch mit Präfix, bes. ἐπι-, Davon κλῶθες pl. f. ‘Spinnerinnen’ (η 197; vgl. Leumann Hom.Wörter 72; anders Bechtel Lex. s. v.), Κλωθώ f. "die Spinnerin", eine der Moiren (Hes. u. a.); κλωστήρ, -ῆρος m. ‘Garn, Knäuel, Spindel’ (att., Theok., A. R. usw.; vgl. Gow ClassRev. 57, 109), κλωστήριον ‘Bund, Garn’ (Ostr. 1525 [?], Suid.); κλωστάς m. ‘Spinner’ (Sparta); κλῶσμα ‘Faden, Knäuel’ (LXX, Nik. u. a.), κλῶσις ‘ds.’ (Lyk.), ‘das Spinnen’ (Corn., M. Ant.). — Beziehung zu κάλαθος ‘Korb’ liegt nahe; s. d. m. Lit. Weit unsicherer ist die Verwandtschaft mit lat. colus ‘Spinnrocken’; s. W.-Hofmann s. v. (vgl. noch s. cōlum ‘Seilkorb’); dazu WP. 1, 464, Pok. 611f. I-879

κλῶμαξ, -ᾰκος m. ‘Steinhaufen, Felsen’ (Lyk. 653) mit (’Ιθώμη) κλωμακόεσσα ‘steinig, felsig’ (Β 729). — Bildung wie λίθαξ, βῶλαξ usw. (Chantraine Formation 379), somit wohl zunächst von einem Verbalnomen *κλῶμος, eig. *‘Bruch’, von κλάω ‘brechen’ (s. d.); vgl. περικεκλασμένος ‘auf unebenem, felsigen Grund gelegen’, von τόποι, πόλεις, οἰκίαι (Plb.). Andere Hochstufe in κλῆ-μα (κλᾶ-μα), κλῆ-ρος (κλᾶ-ρος). — Daneben κρῶμαξ ‘ds.’, κρωμακόεις· κρημνώδης H., κρωμακωτός (Eust. 330, 40; paphlagonisch) mit ρ nach κρημνός, κρεμάννυμι? — Nach Belardi Doxa 3, 210 als ägäisch zu lat. grūmus ‘Erdhaufen, Hügel’. I-879

κλών, -ωνός m. ‘Schößling, Trieb’ s. κλάω. I-879

κλώσσω s. κλώζω. I-879

κμέλεθρα n. pl. ‘Stubendecke, Balken’ (Pamphil. ap. EM 521, 34, H.). — Technisches Wort unbekannter Herkunft. Die Ähnlichkeit mit μέλαθρον (s. d.) kann kaum zufällig sein (ganz unsichere Vermutung von Pisani KZ 71,126). Nach Grammont Dissimilation 43 für *κμέρεθρον zu aind. (Gramm.) kmárati ‘ist krumm’; "nicht mehr als eine Möglichkeit" (Mayrhofer Wb. s. v.). Vgl. zu καμάρα. I-879

-κναίω daneben, auch als Simplex, att. Inf. κνῆ-ν, κνῆ-σθαι, 1. u. 3. sg. Präs. κνῶ, κνῇ, Ipf. ἐπὶ ... κνῆ (Λ 639), auch κνᾶ-ν (Hdt.), κνᾶ-σθαι, κνᾷ (hell. und spät); außerdem κνήθω, auch mit κατα-, ἐν-, ἐπι- u. a. (Arist., hell. u. spät). Außerpräs. Formen: 1. -κναῖσαι, -κναισθῆναι, -κναίσω, -κεκναισμένος (Ar., E. in lyr.,Pl.,Theok.); gewöhnlicher (als Simpl. u. Komp.) 2. κνῆσαι, dor. Opt. Med. (Theok.) κνάσαιο, κνησθῆναι, κνήσω, κέκνησμαι (ion. att.). ‘schaben, kratzen, jucken’. nur mit Präfix, δια-, ἀπο-, ἐκ-, κατα-κναίω (Hp., Trag. in lyr., att. usw.); Ableitungen. Nomina actionis: 1. κνῆσις ‘das Kratzen, Jucken’ (Pl. u. a.) mit κνησιάω ‘Lust zum Kratzen haben’ (Ar., Pl. u. a.), auch κνηστιάω ‘ds.’ (Gal., Jul. u. a.; nach den Verba auf -τιάω) und κνηθιάω ‘ds.’ (Hdu., EM; nach κνήθω, vgl. Schwyzer 732). 2. κνῆσμα (vereinzelt κνῆμα) ‘ds.’ (Hp., X. u. a.); 3. κνησμονή ‘ds.’ (Mediz. u. a.; πῆμα : πημονή usw.); 4. κνησμός ‘ds.’ (Hp., Arist. usw.) mit κνησμώδης ‘von Jucken begleitet’ (Hp., Arist., Str. u. a.). 5. κνηθμός ‘das Jucken’ (Nik.). — Nom. agentis und instrumenti: 6. κνῆστις f. (von *κνήστης m.) ‘Schabmesser, bes. Käsereibe’ (Λ 640, Nik., Opp. u. a.), auch ‘Rückgrat’ (κ 161; vgl. ἄκνηστις); anders über κνῆστις z. B. Fraenkel Glotta 4, 41ff., Benveniste Noms d’agent 77; 7. κνηστήρ ‘Schabmesser’ (Nik.). 8. κνηστίς -ίδος f. ‘Haarnadel’ (Plu.). 9. κνῆστρον ‘brennende Pflanze, Daphne oleoides, θυμελαία’ (Hp., Dsk.); κνηστρίον ‘Scharre’, (Edict. Diocl. u. a.). — Adj. 10. κνηστικός ‘schabend, juckend’ (Sch.). — Von den drei Präsentien κναίειν, κνῆν, κνήθειν repräsentiert κνήθειν eine Neubildung zu κνῆ-σαι usw. nach Muster von πλῆ-σαι : πλή-θ-ω, λῆ-σαι : λήθ-ω u. a. Das Paar κνῆν : κναίειν stimmt zum sinnverwandten ψῆν : ψαίειν. — Zum Vergleich bieten sich allerhand Wörter mit anlautendem idg. *q(e)n- aber mit sonst wechselnder Gestalt, was in Anbetracht des Gefühlswertes der Ausdrücke für ‘kratzen, schaben’ nichts Auffallendes hat. Zu κνῆ-ν (wohl ursprünglich athematisch; Schwyzer 675f., Chantraine Gramm. hom. 1, 297 u. 307) aus idg. qnē- gesellen sich am nächsten aus dem Baltischen und Germanischen lit. kn(i)-tis ‘sich abschälen, sich loslösen’, ahd. nuoen ‘durch Schaben glätten, genau zusammenfügen’ (mit ahd. hnuo ‘Fuge, Nut’ usw.) aus idg. qnō- (vgl. κνώ-δ-αλον), evtl. qnā- wie alb. krromë ‘Schorf, Räude’ aus idg. *qnā-mn̥ (gr. κνῆμα ist davon unabhängig). Dagegen lat. cnāsonas Akk. pl. ‘Kratznadeln’ (Paul. Fest. 52) von hell. *κνά̄σων ‘Kratzer’ (κνᾶσαι· ὀλέσαι, λυπῆσαι H.); vgl. Leumann Sprache 1, 207. — Das -αι- in κναίω hat dagegen kein unmittelbares Gegenstück (lit. knaisýti ist Sekundärbildung zu knìsti ‘kratzen’, s. κνίζω). Das Zusammenstellen von κνῆ-ν und κναί-ειν zu einem uralten Paradigma *qnē[i]-mi : qnəi-mé (Schwyzer 676; vgl. Specht Ursprung 325) ist ganz hypothetisch. — Vgl. κνίζω, κνύω, κνάπτω; κνώδαλον, κνήφη und κόνις; dazu WP 1, 392ff., Pok. 559ff., Fraenkel Lit. et. Wb. s. knablỹs, wo auch weitere Lit. — S. noch κνέωρος, κνήφη. I-880-881

κνάπτω (ion. altatt.; sehr selten κνάμπτω, vgl. γνάμπτω und Güntert Reimwortbildungen 115f.), jungatt., hell., auch ion. γνάπτω, ‘Tuch walken, Wolle krempeln’ als Fachausdruck, auch übertr. ‘zerreißen, zerfleischen’ im allg. vereinzelt mit ἀνα-, ἐπι-, Zahlreiche Ableitungen, in denen wie beim Verb jungatt. usw. γν- an die Stelle von κν- tritt (als Nebenformen hier nicht besonders notiert): κνάφος m. ‘die Karde des Walkers’, auch ‘Klette, Stachelfolter’ (Hdt., Hp., Kom. u. a.) mit κναφεύς ‘Walker’ (ion., att., myk. ka-na-pe-u; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 40), auch als Fischname (Dorio; zum Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 93); davon κναφεῖον, -ήϊον ‘Walkerwerkstatt’ (ion. att.), κναφευτική (τέχνη) ‘Walkerkunst’ (Pl. u. a.), κναφεύω ‘walken’ (Ar.) und, als späte Femininbildung, κνάφισσα ‘Walkerin’ (Pap.; Chantraine Formation 110); κναφικός ‘zum Walken gehörig’ (Dsk., Pap.). — γνάψις ‘das Walken’ (Pl.), γνάπτωρ = κναφεύς (Man.). — γνάφαλλον ‘Wollflocken, Kissen’ (Pap. u. Ostr.) mit γναφαλ(λ)ώδηςγ.-ähnlich’, γναφάλλιον, -αλλίς Pflanzenname, ‘Diotis maritima’ (Dsk., Plin.; Strömberg Pflanzennamen 105); auch κνέφαλλον ‘Kissen’ (Kom., E.; vv. ll. κναφ-, γναφ-) und γνόφαλλον (Alk. Ζ 14, 8; neben μόλθακον). — Verbaladj.: ἄ-γναπτος (Pl. Kom., Plu.) und ἄ-γναφος (NT, Pap.) ‘ungewalkt, neu’, ἐπί-γναφος (: ἐπι-γνάπτω) ‘wieder aufgewalkt, aufgebügelt’, von Kleidern (Poll.). — Gehört als Fachausdruck zur selben Sippe wie κναίω, κνῆν, κνίζω, κνύω (s. dd.) mit Ausgang wie in ῥάπτω, σκάπτω, ἅπτω usw.; dazu κνάφος wie ῥαφή usw. Die Formen mit γν- lassen sich lautlich nicht begründen; vgl. Schwyzer 414, wo indessen, wenig überzeugend, κνάπτω als aus älterem γνάπτω assimiliert betrachtet wird; dafür wird namentlich auf γνόφαλλον bei Alk. (richtig überliefert?) hingewiesen. Das im Vokal abweichende κνέφαλλον läßt sich schwerlich auf alten Ablaut zurückführen (vgl. dazu Persson Beitr. 1, 139f., Schwyzer 343). — Als außergriechischer Verwandter kommt am nächsten ein keltisches Wort für ‘Fließ’ in Betracht, z. B. kymr. cnaif (dazu Vendryes WuS 12, 243); andere, formal nahestehende Bildungen im Germanischen und Baltischen liegen begrifflich mehr oder weniger abseits, z. B. awno. *hnafa, Prät. hnof ‘abknipsen’ (mit Gemination hneppa ‘kneifen, klemmen, drücken’), lit. knabénti ‘hinein-, aufpicken’ u. a. m., s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. knablỹs, wo auch Lit. Hinzu kommt noch nach Mann Lang. 28, 38 alb. krrabë ‘Haken, Stricknadel’. S. noch κνήφη und κνώψ. I-881-882

κνέφας, -αος, -ους usw.; zur Flexion Schwyzer 514f.; sekund. Nom. Akk. κνέφος (H., Suid., Phot.; aus κνέφους, -εϊ erschlossen?). n. ‘Abenddämmerung, Dunkel, Morgendämmerung’ (poet. seit Il., X.) Davon κνεφαῖος ‘zur Dämmerung gehörig, dunkel’ (Trag., Kom., Hippon.); κνεφάζω ‘verdunkeln’ (A. Ag. 131 [lyr.]). — Mehrere hypothetische Deutungsversuche, alle lautlich schwierig. Oft mit dem indoiran. Wort für ‘Nacht’, aind. kṣap-, aw. xšap- (wozu wohl noch heth. išpant- ‘Nacht’) verglichen, so zuletzt Petersen AmJPh 56, 57 (Kreuzung von *ξέπας od. *κτέπας und νέφος). Von anderen zu lat. creper ‘dämmerig’, crepusculum ‘Dämmerung’ gezogen unter Annahme sabinischer (bzw. etruskischer) Lautentwicklung. Nicht besser Meillet BSL 23, 259f., Studia Indo-iranica für W. Geiger 234ff. und Grošelj Živa Ant. 2, 210f. — Ein Reimwort ist ψέφας, s. d.; vgl. noch zu δνόφος. Der wechselnde Anlaut der griech. Wörter beruht nach Specht Ursprung 11 auf tabuistischer Verdrehung. Ältere und jüngere Lit. (mit verfehlten weiteren Etymologien) bei Bq, WP. 1, 524f., (Pok. 649), W.-Hofmann s. creper. I-882

κνέωρος -ον n. m. N. einer brennenden Pflanze, ‘Daphne, Thymelaea’ (Thphr., Dsk., Plin., H.) mit κ<ν>εωρεῖν· πασχητιᾶν H.? (vgl. Fraenkel Glotta 4, 42). — Wie das synonyme κνῆστρον zu κνῆν (s. -κναίω), aber der Bildung nach dunkel. Eine Grundform *κνη[σ]ορος (κνησ- : aind. ki-knasa- ‘Schrot, Grieß’ usw.; Fick u. a., s. Bq; dagegen Mayrhofer Wb. s. v.) mit suffixalem -ορο- überzeugt nicht. I-882

κνῆκος myk. ka-na-ko? Daneben κνηκός, dor. κνᾱκός ‘gelblich, saflorfarben’, gew. von der Ziege (Thespis, S. Ichn. 358, Theok., AP), aber auch vom Wolf (Babr.). f. ‘Saflor, Carthamus tinctorius’ (Hp., Arist., Thphr., Pap. usw.); als Vorderglied u. a. in κνηκο-φόρος ‘saflortragend’ (Pap.); Ableitungen: κνήκιον ‘Klee, σάμψουχον’ (Dsk., Ps.-Dsk.); κνά̄κων, -ωνος m. ‘Bock’ (Theok.), κνᾱκίας m. ‘Wolf’ (Babr.); κνήκινος ‘aus Saflor’ (Pap., Dsk.), κνηκώδης ‘saflorähnlich’ (Thphr.); κνηκίτης (λίθος) N. eines gelblichen Steins (Hermes Trism.; vgl. Redard Les noms grecs en -της 55); κνηκίς, -ῖδος f. ‘blasser Flecken, bes. am Himmel’ (Kall., Plu. u. a.; vgl. κηλίς und Chantraine Formation 347), auch N. einer Antilopenart usw. (H.). — Anklingende Wörter für ‘gelb usw.’, bzw. für gelbliche Stoffe sind aind. kāñcana- n. ‘Gold, Geld’, Adj. ‘golden’, m. Pflanzenname, apreuß. cucan (= cuncan) ‘braun’ und das germ. Wort für Honig, ahd. honag usw.; der Vokalwechsel muß auf (unklarem) Ablaut beruhen. Das griech. Wort war wohl ursprünglich Adj. (κνῆκος somit oppositive Barytonese); die Saflorpflanze wurde nach einer Vermutung bei Schrader-Nehring Reallex. 2, 270 von Ägypten eingeführt. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 400; dazu Pok. 564f. und Mayrhofer Wb. s. v. (mit leisem Zweifel). I-882-883

κνήμη, dor. κνά̄μᾱ f. ‘Unterschenkel, Wade’ (seit Il.), ‘Schienbein’ (Gal., Ruf.), übertr. ‘Stengel zwischen zwei Gelenken’ (Thphr.; Strömberg Theophrastea 48), ‘Radspeiche’ (Hom. usw. in Kompp., Poll., Eust.). Als Hinterglied z. B. in ὀκτά-κνημος ‘mit acht Speichen’ (Il.), παχύ-κνημος ‘mit dicken Waden’ (Ar.). Substantivierte Hypostase: ἀντικνήμ-ιον n. ‘was gegenüber der Wade ist’, d. h. ‘Schienbein’ (ion. att.). Ableitungen: κνημίς, -ῖδος f. (seit Il.), äol. κνᾶμις, pl. κνάμῐδες (Alk.), ‘Beinschiene’ (Trümpy Fachausdrücke 19f.) mit κνημίδια pl. (att. Inschr.; Bed. unsicher); κνημία f. ‘Radspeiche’ (Lys.), pl. ‘τὰ τῆς ἁμάξης περιθέματα’ (H.) usw. (s. Scheller Oxytonierung 53f.); κνημ-(ι)αῖος ‘zum Unterschenkel, zur Wade gehörig’ (Hp., Gal.; zur Bildung Chantraine Formation 49). — Zu κνημός s. bes. Zu κνά̄μᾱ stimmt bis auf den Stammauslaut air. cnāim ‘Bein, Knochen’ (i-St.); beide können auf idg. *knām- zurückgehen. Nahe kommt ein germ. Wort für ‘(Hinter-) schenkel, Kniekehle’, ahd. hamma, ags. hamm, awno. hǫm. Da -mm- aus -nm- assimiliert sein kann, ist für hamma usw. eine idg. Grundform *konəm- möglich, die sich nur im Ablaut von κνάμα, cnāim unterscheiden würde; dazu Schwyzer 361, WP. 1, 460 (m. Lit.), Pok. 613f. I-883

κνημός m. geographischer Ausdruck (Hom., h. Ap. 283, Orph. A. 465), z. B. Ἴδης ἐν κνημοῖσι (Il.), Bed. unsicher, etwa ‘Berghang, Bergvorsprung, Bergwald’, δημόσιος κνημός ‘öffentlicher Hain’ (TAM 2 : 1, 64, Telmessos; nicht ganz sicher); außerdem = ὀρίγανος (arg., Eust. 265, 40). Denominatives Verb κνημῶσαι· περιχῶσαι, φράξαι, φθεῖραι, κλεῖσαι, ἐλθεῖν; κνημοῦμαι· φθείρομαι, κνημωθῆναι· φθαρῆναι, διεκνημώσατο· διέφθειρε H. Im Sinn von ‘umzäunen usw.’ vgl. κνημός = ‘Hain’; dunkel = φθεῖραι (vgl. κνημίαι· φθοραί H. und Scheller Oxytonierung 63f.). — Der Bedeutung nach erinnert κνημός an ndd. hamm ‘Bergwald’ (Fick KZ 21, 368), das indessen eher mit mnd. ham ‘eingefriedetes Stück Land’, ndd. hamme ‘umzäuntes Feld’ zusammenzustellen ist und dann anders erklärt werden kann (vgl. zu κημός). — Ob Beziehung zu κνήμη besteht ("Wade des Berges"?; nach Eust. 1498, 42 = ‘was sich oberhalb des Fußes befindet’), muß wegen der unklaren Bedeutung offen gelassen werden. I-883-884

κνῆν, κνῆστις s. -κναίω. I-884

κνήφη f. ‘Räude, Krätze’ (LXX De. 28, 27, H. s. ξῦσμα, Suid. s. ’Αφροδίτη) mit κνηφάω = prurio (Gloss.). — Zu κνῆ-ν ‘kratzen, jucken’ mit φ-Suffix wie in ἀκαλήφη, vgl. d. m. Lit. Direkter Zusammenhang mit κνάφος, κνάπτω ist nicht wahrscheinlich. — Daneben κνίφεα· κνίδας H., wohl mit -ι- nach κνίδη, κνίζω. Ganz fraglich σκνῆφαι (wohl für ἀκαλῆφαι) als Erklärung von κνῖδαι (H.). Wenn richtig, vgl. σκνίψ neben κνίψ. I-884

κνί̄δη f. ‘Brennessel, Meernessel’ (Hp., Arist., Theok. usw.). Davon κνίδειος ‘zur κνίδη gehörig’ (Theognost.); κνιδᾶται (κνηδ- cod.)· δάκνεται, ἴσως ἀπὸ τῆς πόας und κνιδῶντες (-δοντες cod.)· κνίδῃ μαστιγοῦντες H.; κνιδώσεις pl. ‘das Jucken, das von einer Nessel verursacht wurde’ (Hp.), wie von *κνιδόω; vgl. die zahlreichen Bildungen auf -(ω)σις aus der medizin. und techn. Lit. bei Chantraine Formation 284ff. — Zu κνίζω ‘kratzen, stechen’ (s. d.), aber wegen der Länge des ῑ nicht unmittelbar davon abgeleitet. Vgl. κνῖσα. — Eine entsprechende kurzvokalische Form ist mir. cned ‘Wunde’, idg. *qnĭdā. I-884

κνίζω, Aor. κνίσαι, dor. κνίξαι (Pi.), Pass. κνισθῆναι, Fut. κνίσω, Perf. Pass. κέκνισμαι, ‘kratzen, reiben, reizen, ärgern’ (Pi., ion. att.). auch mit Präfix, z. B. ἀπο-, κατα-, ὑπο-, Davon κνισμός, κνίσμα ‘das Kratzen, Reizen usw.’ (Ar. u. a.), ἀπόκνισμα‘Brocken’ (Ar.), ἀπό-, ἐπί-κνισις ‘das (Ab)kratzen usw.’ (Thphr.). Außerdem als Rückbildungen *κνίς, Akk. κνίδα (Opp.) , pl. κνίδες (LXX) ‘Nessel’, κνίζα ‘ds.’ (Gloss.). Komp. mit verbalem (aoristischem) Hinterglied φιλό-κνῐσος ‘lüstern’ (AP), in derselben Bed. auch das Simplex κνισότερος (Ath. 12, 549a). — Da das Präsens κνίζω zum Aorist κνίσαι gebildet sein kann (Schwyzer 716), ist als Grundlage sowohl κνιδ-, κνιτ-, als auch κνι(σ)- möglich. Im ersten Fall bietet sich Anschluß (außer an die langvokal. κνί̄δη, κνῖσα) vor allem an baltische und germanische Formen, z. B. lett. knidêt ‘jucken, keimen, kriechen’, awno. hnīta (Prät. hneit) ‘an etwas anstoßen’; zu bemerken noch mir. cned ‘Wunde’ (aus *qnĭdā); daneben mit -t-, z. B. lit. kni-n-tù (Prät. knit-aũ), knìs-ti ‘kratzen, kitzeln, reizen’. Im letzten Falle wäre höchstens lit. knis- ‘auf-, zerwühlen’ zu vergleichen; ohne konsonantischen Auslaut indessen auch die anders vokalisierten κνῆν, -κναίω (s. d. m. Lit.). Weitere baltische Formen m. Lit. bei Fraenkel Lit. et. Wb. s. knìsti; vgl. noch de Vries IF 62, 142f. I-884-885

κνῖσα, ep. κνίση f. ‘Fettdampf, Opfergeruch, die fette Netzhaut’ (ep. poet. seit Il., Arist., hell. u. sp. Prosa). Kompp., z. B. πολύ-κνισος ‘mit reichem Opfergeruch’ (A. R.). Davon mehrere Adjektiva: κνισήεις (κ 10, Pi.), κνισωτός (A. Ch. 485), κνισηρός (Achae. 7) ‘fettdampfend, voll Opfergeruch’, κνισώδης ‘fettdampfend, fett’ (Arist., Gal. usw.), κνισαλέος (H.), κνισός (Ath. 3, 115e; nach dem Adj. auf -σός) = κνισήεις. Denominative Verba: κνισάω ‘mit Opfergeruch anfüllen’ (E., Ar. usw.), κνισόομαι, -όω ‘in Fettdampf verwandelt werden, Fettdampf abgeben, mit Fettdampf anfüllen’ (Arist., Ph. usw.). — Nebenform κνῖσος n. (Kom. Adesp. 608, Sch.), nach λίπος u. a. — Lat. nīdor m. ‘Bratenduft, Brodem, Qualm’, das für *cnīdōs stehen kann, macht für κνίση, woraus sekundär κνῖσα (Solmsen Wortforschung 238), eine auf einen s-Stamm zurückgehende Grundform *κνῑδσ-ᾱ wahrscheinlich, von idg. *qnīdos- n.; vgl. zu ἕρση. Nahe kommt awno. hniss n. ‘starker Geruch, ekelhafter Geschmack beim Essen’, idg. *qnĭd-to-. Da dies unzweifelhaft zu hnītan ‘anstoßen’ gehört (vgl. u. a. got. stigqan ‘stoßen’ = ahd. stincan ‘stinken’), wird auch für nīdor und κνῖσα ein ähnlicher Ursprung, somit auch Verwandtschaft mit κνίζω, nahegelegt. Wie für κνί̄δη ist aber für κνῖσα und nīdor von einer langvokalischen Hochstufe auszugehen. — Aus dem Keltischen wahrscheinlich hierher ir. u. kymr. cnes ‘Haut’ (idg. *qnĭd-tā; vgl. awno. hniss; zur Bedeutung Vendryes WuS 12, 243). — Lit. bei Bq, Bechtel Lex. s. κνίση, W.-Hofmann s. nidor; s. noch zu -κναίω. I-885

Κνίφων (Va, Meisterhans3 74), jünger Γνίφων m. N. pr. eig. ‘Knicker, Geizhals’. — Volkstümliche und expressive Bildung, vgl. (die spät belegten) κνιπός, σκνιπός, σκνιφός ‘geizig, knauserig’ zu κνίψ usw. (s. d.); in Γνίφων liegt wohl wie in γνάπτω eine sekundäre unerklärte Anlauterweichung vor (anders Schwyzer 414). Für ein urspr. Γνίφων ist es allerdings leicht, lautlich entsprechende Wörter zu finden, z. B. lit. gnýbu, mnd. knīpenkneifen’, ano. knīfr ‘Messer’ (Einzelheiten bei WP. 1, 581f., Pok. 370f.). Hdn. Gr. 2, 949 zitiert ohne Erklärung κνίφω, -ιάω. I-885

κνίψ, κνῑπός, auch σκνίψ, σκνῖπός, pl. auch σκνῖφες m. Ben. nicht näher bekannter Insekten (nach Arist. Sens. 444b 12 kleine Ameisen), die allerhand Bäume und Pflanzen heimsuchen (Ar., Arist., Thphr., LXX usw.). Als Vorderglied in κνιπο-λόγος m. N. eines Spechts, σκνιπο-φάγοςσκνῖπες fressend’ (Arist.). Davon κνίπειος ‘zum κνίψ gehörig’ (Zos. Alch.). In entfernter oder fraglicher Beziehung zu κνίψ, σκνίψ stehen außerdem zahlreiche expressive, aber in der Literatur selten belegte Wörter, die namentlich die Knauserei oder verschiedene Augenleiden bezeichnen: κνιπός (AP), σκνιπός (Anon. in EN, H.), σκνιφός (Phryn.) ‘geizig, knauserig’; davon κνιπεύω ‘knauserig sein’ mit κνιπεία (Doroth. Astrol.); daneben auch im Sinn von ‘schwachsichtig u. ä.’ : κνιπός (Semon.), σκνιφός H., ὑπό-σκνιπος, -σκνιφος, -σχνιφος ‘etwas kurzsichtig’ (Pap.), κνιπά· πτίλη H.; davon κνιπότης ‘Augenentzündung’ (Hp. Loc. Hom. 13, Erot.), κνιπόομαι ‘entzündet sein, von den Augen’ (H. in κεκνιπωμένοι), auch ‘vom Mehltau, Brand angegriffen werden, von Früchten’ (H. ebd.). Den Benennungen für Augenkrankheiten usw. schließen sich Ausdrücke für ‘finster’ an: σκνιφαῖος (v. l. -παῖος) Beiw. von ὁδίτης ‘im Dunkeln Wandelnder’ (Theok. 16, 93; nach κνεφαῖος?), σκνῖφος· τὸ σκότος H. — Hinzu kommen zwei anscheinende Denominativa: κνιπεῖν· σείειν, ξύειν μέλαθρα καὶ δοκούς H. (eig. von den κνῖπες?), σκνίπτειν· νύσσειν H. — Mit κνίψ, σκνίψ reimen θρίψ und ἴψ (s. dd.). Sowohl (σ)κνίψ wie die Wörter für ‘knauserig’ können vom Begriff des Kneifens und Stechens ausgehen (vgl. σκνίπτω). Auch die Ausdrücke für Gesichtsschwäche usw. sind vielleicht vom Ausgangspunkt des Zusammenkneifens der Augen zu verstehen; Übertragung aus dem Bereich der (von κνῖπες verursachten) Pflanzenkrankheiten ist auch in Erwägung zu ziehen (s. κνιπόομαι). — Zum Vergleich eignen sich jedenfalls einige Wörter für ‘kneifen usw.’ im Baltischen und Germanischen. z. B. lett. kniêbt, knīpêt, mndl. nipen; s. WP. 1, 395, Pok. 562, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kneĩbti. Ob eigentliche "Urverwandtschaft" vorliegt, bleibt natürlich bei diesen volkstümlichen Wörtern eine offene Frage. Vgl. zu -κναίω, κνίζω, κνύω. I-885-886

κνόος, κνοῦς m. ‘das knarrende Reiben des Rades an der Radachse’, auch (A. Fr. 237) ‘das Geräusch der Füße beim Marschieren’; auch (durch Vermischung mit χνόη) ‘Radbuchse’ (H., Phot.). — Wegen der schlechten Bezeugung schwer zu beurteilen; allgemein wird darin ein hochstufiges Nomen zu κνύω ‘kratzen’ (s. d.) gesehen. I-886

κνύζα 1. Pflanzenname s. κόνυζα. I-886

κνύζα 2. ‘Krätze’ s. κνύω. I-886

κνυζέομαι, (-έω), auch -ζάομαι, -ζομαι, ‘winseln, wimmern’, von Hunden und Kindern (S., Ar., Theok., Opp., Nonn., späte Prosa). vereinzelt mit προσ-, ὑπο-, Davon κνυζηθμός ‘Gewinsel’, auch von wilden Tieren (π 163, A. R., Opp., Ath.); κνύζημα ‘das Wimmern der Kinder’ (Hdt., Him. u. a.). — Onomatopoetisch; eine zufällige Ähnlichkeit bietet lit. kniaũk-ti ‘miauen’. Vgl. κνυζόω. I-886-887

κνυζόω nur κνυζώσω (ν 401), κνύζωσεν (ν 433), von den Augen des Odysseus, die, früher περικαλλέα ἐόντα, von Athena getrübt und entstellt werden. — Das Grundwort scheint in κνυζοί· οἱ τὰ ὄμματα πονοῦντες, κνυζόν· ἀέρα ἐπινέφελον καὶ πνευματώδη H. erhalten zu sein (unklar Anakr. 87); vgl. Büchner Herm. 75, 156 A. 1. Beziehung zu κνύζα ‘Krätze’, κνύω liegt nahe; die Lautähnlichkeit mit κνυζάομαι ist somit wohl zufällig. Eine auffallende Parallele bietet indessen lit. kniáuktis ‘sich bewölken, sich bedecken (vom Himmel), eine finstere Miene aufsetzen’ neben kniaũkti ‘miauen’; ähnlich niaũras ‘bewölkt, finster, trübe’, auch ‘mürrisch, näselnd’, niauróti ‘brummen, vom Bären’. Inwieweit bei solchen Wörtern unabhängiger (onomatopoetischer oder sonstiger) Ursprung vorliegt oder sinnesanalogische Übertragung stattgefunden hat, ist nicht leicht zu entscheiden. Vgl. Fraenkel Lit. et. Wb. s. kniáuka und niauróti. — Anders über κνυζός, -όω (zu qen- ‘zusammendrücken’), gewiß nicht besser, WP. 1, 391, Pok. 559. I-887

κνύω ‘kratzen’ (Ar. Th. 481, Men. 1021), περι-κνύω ‘ringsum kratzen’ (Phot.). Davon Wörter für ‘Kratzen’: κνῦμα n. (Ar. Ek. 36, Gal. 19, 112) und für ‘Krätze’: κνύος n. (Hes. Fr. 29, 1), κνῦσα f. (Herod. 7, 95 als Schimpfwort; vgl. δεῖσα, μύξα u. a.; Chantraine Formation 100f.; Schwyzer 516f.), κνύζα (Philox. Gramm. ap. EM 523, 2, Eust.; vgl. ἄζα, σκύζα, κνίζα u. a.). Dazu einige H.-Glossen: κνύθος· ἄκανθα μικρά, κνυθόν· σμικρόν (vgl. τυτθός, -όν und die Pflanzennamen auf -θος bei Chantraine 367f., Specht Ursprung 255); Rückbildung κνῦ· τὸ ἐλάχιστον, wie γρῦ, βρῖ. — Zu κνόος, κνοῦς s. bes. — Wie zu den sinn- und lautähnlichen κναίω, κνῆν, κνάπτω, κνίζω kann man auch zu κνύω aus den verwandten Sprachen, namentlich aus dem Germanischen und Baltischen anklingende Wörter heranziehen: ahd. hniuwan ‘zerstoßen, zerquetschen’, mit ausgehendem Dental awno. hnjōđa ‘stoßen, schlagen, nieten’, beide idg. qneu-, lett. knūdu und knūstu ‘jucken’. Weitere Formen m. Lit. WP. 1, 396f., Pok. 562f.; vgl. noch de Vries IF 62, 142f. Schwyzer 676 will für κνύω (wie entsprechend für κνῆν, κναίειν) ein altes ablautendes Wurzelpräsens *qnṓu-mi : *qnū̆-me ansetzen. I-887

κνώδαλον n. ‘wildes oder schädliches Tier’ (poet. seit ρ 317) mit κνωδαλώδης (Tz.). — κνώδᾱξ, -ᾱκος m. ‘Zapfen, Achse’, auch ‘Höhlung für die Achse’ (Hero, Ph. Bel. u. a.) mit κνωδάκιον und κνωδακίζω ‘an Zapfen aufhängen’ (Hero). — κνώδων, -οντος m., im Plur. ‘Zähne am Schwert oder am Jagdspieß, Schwerthaken’, im Sing. ‘Schwert’ (S., X. usw.). — An κνώδαλον : κνώδων erinnern Wortpaare wie ἀγκάλη : ἀγκών, ὀμφαλός : lat. umbō (Schwyzer 483, Chantraine Formation 246); dabei wäre κνωδον-τ- sekundär für *κνωδον- (Schwyzer 526). Auf jeden Fall gehen κνώδαλον und κνώδων ebenso wie κνώδαξ (zum Suffix -ᾱξ Schwyzer 497, Chantraine 381; dazu Björck Alpha impurum 69: aus dorischsprachiger Ingenieurkunst?) auf ein Verbalnomen *κνωδ(ο-) etwa ‘Zahn’, eig. "Beißer, Nager", zurück, das letzten Endes zu κνῆ-ν u. Verw. gehört (s. -κναίω), aber mit altem Ablaut auch in κάναδοι· σιαγόνες, γνάθοι H., in κναδ-άλ-λεται· κνήθεται H. und in lit. kándu ‘beißen, stecken’ wiederzufinden ist; zu lit. kándu (idg. qonəd-) : κναδ-άλλεται vgl. bes. lit. žándas ‘Kinnbacken’ : γνάθος ‘ds.’ (vgl. s. v.). S. auch κνώψ. I-887-888

κνώσσω nur Präsensstamm, ‘schlafen, schlummern’ (ep. poet. seit δ 809). auch mit ἐνι-, κατα-, — Wie εὕδω (s. d.) ohne Etymologie; vgl. Schwyzer 648 A. 1. Fruchtlose idg. Deutungsversuche bei Bq und WP. 1, 390. Vgl. das Oppositum ἐγρήσσω (Λ 551 u. a.; zu ἐγείρω). I-888

κνώψ, κνωπός m. N. eines wilden Tieres, von Schlangen u. a. (Nik. Th.). Dazu κνωπεύς· ἄρκτος. ἔνιοι κνουπεύς (H.; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 85). Auch κυνοῦπες· ἄρκτος (für -οι?). Μακεδόνες H. — Nicht sicher erklärt. Ob Kreuzung von κνώδαλον und einem anderen Wort (κλώψ, κνίψ, σήψ o. ä.)? Nach Fick 3, 97 und Persson Beitr. 1, 139 zu awno. (hnafa), Prät. hnōf ‘abknipsen’. Verfehlt Baunack Phil. 70, 456f. — Durch Erweiterung (mit Sproßvokal) wahrscheinlich κινώπετον (s. d.). I-888

κοακτήρ m. N. eines Mysteriendieners in Sparta s. κοῖον. I-888

κοά̄λεμος m. ‘Dummkopf, Tölpel’ (Ar., Plu.), auch (parodierend) N. eines Dämons der Dummheit (Ar. Eq. 221). — Ausgang wie in ἰάλεμος (s. d.), sonst unklares Fremdwort; zum Lautlichen Schwyzer 302 und Björck Alpha impurum 46 und 258, der an onomatopoetisches κο- denkt (etwa ‘Quarrer’). Vgl. καυαλός· μωρολόγος H.; s. auch zu κόβαλος. I-888

κοάξ Interjektion, vom Quaken der Frösche (Ar. Ra.). — Lautnachahmung wie z. B. nhd. qua(c)k, quaken; heth. akuwakuwaš(?) ‘Frosch’ (?). Lat. coaxāre ‘quaken’ (Suet. usw.) ist wohl eher literarische Nachbildung von κοάξ. Vgl. κοΐ, κοΐζω. Zum Lautlichen noch Schwyzer 313 und 620. Vgl. W.-Hofmann s. coaxō m. weiteren Einzelheiten. I-888-889

κόβᾱλος m. ‘Spitzbube, Gauner, Halunke’, auch (parodierend) Ben. böser Genien (Ar., Arist., D. C.); als Adj. ntr. κόβαλα, -ον ‘gaunerisch usw.’ (Pherekr., Ar.). Davon (über κοβαλεύω, s. unten) κοβαλεία (Din.), κοβάλευμα (Et. Gen.) ‘Gaunerei’; (ἐκ)κοβαλικεύομαι ‘gaunern, betrügen’ (Ar. Eq. 270) mit κοβαλικεύματα pl. (Ar. Eq. 332); zunächst von *κοβαλικός (κοβαλικοῖσι Konj. bei Timokr. Fr. 1, 7 Diehl). — Daneben κοβαλεύω ‘transportieren’ (Pap., EM), ngr. κουβαλῶ ‘ds.’, κοβαλισμός ‘Transport’ (Pap.). — Volkstümliche Wörter ohne Etymologie. Nach Björck Alpha impurum 46f. u. 258f. mit v. Wilamowitz eig. ‘Lastträger, Transportarbeiter’, woraus verächtlich ‘Gauner, Halunke’; die ursprüngliche Bedeutung wäre als ein nicht att.-ion. Element in die Koine übernommen. Als Heimat von κόβαλος vermutet v. Wilamowitz GGA 1898, 689 Korinth; Zacher IFAnz. 18, 86 (s. auch Kretschmer KZ 55, 85f.) betrachtet, ebenfalls hypothetisch, das Wort als thrakisch-phrygisch (wie κοάλεμος). Gegen Zusammenhang mit lat. caballus (Grégoire Byzantion 13, 287ff.; vgl. zu καβάλλης) s. Björck a. a. O. m. weiterer Lit. I-889

κόγχη auch κόγχος m. (f.) f. ‘Muschel, Muschelschale’, auch als Hohlmaß und übertr. von mehreren muschelähnlichen Gegenständen, ‘Ohrenhöhle, Kniescheibe, Hirnschale, Siegelkapsel, Schildbuckel usw.’ (Emp., Epich., Sophr., ion. att.). Einzelne Kompp., z. B. κογχο-θήρᾱς m. ‘Muschelfänger’ (Epich.). Zahlreiche Ableitungen: 1. Deminutiva κογχίον (Antiph., Str. u. a.), κογχάριον (Str., Aret.). 2. κογχωτός ‘mit einem Buckel versehen’ (Pap. IIIa). 3. κογχίτης (λίθος) ‘Muschelkalkstein’ (Paus.; Redard Les noms grecs en -της 55). 4. κογχαλίζειν· πεποίηται ἀπὸ τοῦ ἤχου τῶν κόγχων H. (etwa nach κροταλ-ίζειν : κρότ-αλα : κρότος); 5. dazu als Rückbildung κόγξ Interjektion, vom Laut der in die Stimmurne fallenden Scherbe usw. (H.); vgl. v. Wilamowitz Glaube 2, 482. 6. Auch κογχίζω ‘purpurrot farben’ mit κογχιστής ‘Färber’ und κογχιστική ‘Farbengewerbe’ (PGrenf. 2, 87); für *κογχυλίζω usw. (vgl. zu 7.). — Besonders zu bemerken 7. κογχύ̄λιον n. ‘Muschel, Muscheltier und dessen Schale’, auch ‘Purpurschnecke’ (Epich., Sophr., Hdt., Hp., Arist. usw.), zunächst von κογχύλη (nur als v. l. Ph. 1, 536 und AP 9, 214); von κογχύλιον: κογχυλίας (Ar.) und κογχυλιάτης (X., Philostr.) = κογχίτης (λίθος; Redard 56); κογχυλιώδηςκ.-ähnlich’ (Str.), κογχύλιος ‘purpurfarben’ (Pap.), κογχυλιατός, -ιωτός ‘mit Purpur gefärbt’ (Pap., Gloss.); auch κογχυλεύς (für *κογχυλιεύς oder von κογχύλη?) ‘Purpurarbeiter’ (Korykos) mit κογχυλευτής ‘Purpurschneckenfischer’ und κογχυλευτική ‘Purpurschneckengewerbe’ (Just.). — Mit κόγχος ist aind. śaṅkhá- m. ‘Muschel’ als Erbwort identisch. Aus κόγχη, κογχύλιον, κογχίτης lat. concha, conchȳlium, conchīta; aus κόγχη, κόγχος als Maßbezeichnungen auch lat. congius N. eines bestimmten Hohlmaßes (Ausgang gewiß nach modius; -g- durch eine vermittelnde Sprache? Schwyzer KZ 57, 262 A.); für Urverwandtschaft Sturtevant Lang. 17, 4. — Vgl. κόχλος. I-889-890

κοδομεύς m. ‘Gerstenröster’ mit κοδομεύω ‘Gerste rösten’, wovon κοδομεία ‘das Gersterösten’ und κοδομεῖον ‘Gefäß für Gersterösten’. Dazu als besondere Femininformen κοδομή und -μεύτρια ‘Gerstenrösterin’ (alles nur Poll. u. H., auch Phot. u. Suid.). Über das Verhältnis der Wörter zueinander s. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 84 (κοδομεύς Rückbildung zu κοδομεύω, Denom. von κοδομή?). — Wegen der undurchsichtigen Bildungsweise der Entlehnung verdächtig (kleinasiatisch?; Fick KZ 41, 199f.). Mehrere Anknüpfungsversuche, u. a. an ein slavisches Wort für ‘räuchern’, z. B. aksl. kaditi (Fick 1, 23; dazu Vasmer Russ. et. Wb. s. kadítь; vgl. zu κέδρος). Auch andere, noch fraglichere Kombinationen werden bei Bq und WP. 1, 384f. angeführt und abgelehnt. — Eine ähnliche Bedeutung zeigt das im Vokal abweichende κίδναι· αἱ ἐγχώριοι πεφρυγμέναι κριθαί H. I-890

κοδύμαλον s. κυδώνια (μᾶλα). I-890

κοέω daneben κοάω in κοᾷ· ἀκούει, πεύθεται; ἐκοᾶμες· ἠκούσαμεν, ἐπυθόμεθα; ἐκοάθη· ἐπενοήθη, ἐφωράθη; κοᾶσαι· αἰσθέσθαι H.; — ἐκόησεν (Kall. Fr. 53). — Anscheinend primär ἔκομεν· εἴδομεν, ἑωρῶμεν, ᾐσθόμεθα H. (vgl. unten). — Verbaladj. in ἀνακῶς (s. d.). Λαο-κόων, εὐρυ-κόωσα ‘die weithin vernehmende’ (Euph. 112, H.) u. a. (vgl. Bechtel Namenstudien 37f.). ‘bemerken, vernehmen, hören’ (Anakr. 4, 14, Hellad. ap. Phot., wohl auch H. [cod. κοθεῖ]); Zu κοίης usw. s. κοῖον. — Als iterativ-intensives Deverbativum (nach Zupitza KZ 40, 251 u. A. eher denominativ) ist κο(ϝ)έω (woneben κο(ϝ)άω; Schwyzer 717ff.) mit lat. caveō, cavēre (< *covēre) ‘sich in acht nehmen, sich vorsehen’ identisch. Eine schwundstufige Primärbildung ist in aind. -kuvate ‘beabsichtigen’ zu belegen. Auch in ἀκεύει (= ἀκέϝει?)· τηρεῖ H. ist ein zugehöriges primäres (hochstufiges) Verb vermutet worden. (Unverständlich dagegen ἔκομεν; vgl. Schwyzer 721 A. 10 u. 740). Zu diesen Verbalformen gesellen sich mehrere Verbalnomina, z. B. aind. kaví- m. ‘Seher, Dichter, weiser Mann’. — Neben idg. qeu- gab es auch sqeu-, s. θυοσκόος. Vgl. noch zu ἀκούω und κῦδος. Weitere, für das Griechische belanglose Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 368ff., Pok. 587f., W.-Hofmann s. caveō, Vasmer Russ. et. Wb. s. čúju. I-890-891

κόθορνος m. ‘hoher Jagdstiefel, Fußbekleidung der Schauspieler mit hohem Absatz, tragischer Kothurn’ (Hdt., Ar. u. a.). — Lehnwort, vielleicht lydisch (Jonkees JournofHell Stud. 60, 80). I-891

κόθουρος Beiwort des κηφήν od. der Drohne, ‘ohne Stachel’ (Hes. Op. 304); κόθουριν (cod. -οῦ-)· ἀλώπεκα H. — Wie κόλουρος, f. -ρις ‘stumpfschwänzig’ (vom Fuchs usw.) aus κόλος und οὐρά, ebenso ohne Zweifel κόθουρος zu κοθώ· βλάβη H., das seinerseits indessen dunkel ist. Bei H. auch κορθώ· βλάβη; κόθουρος somit für *κορθ-ουρος und κοθώ aus κόθουρος losgelöst? — Zu κορθώ vgl. aind. kr̥dhú- ‘verkürzt, verstümmelt, mangelhaft’ u. a.; s. κυρσάνιος. I-891

κοΐ Interjektion, vom Naturlaut junger Schweine (Ar. Ach., Hdn. Gr.); davon κοΐζειν ‘quieken’ (Ar. Ach.). — Wie nhd. quieken, russ. kvičátь ‘quieken’ u. a. einzelsprachliche Lautnachahmung. Vgl. κοάξ und γρῦ, γρύζω. I-891

κοιακτήρ, κοίης usw. s. κοῖον. I-891

κοικύλλω ‘umhergaffen’ (Ar. Th. 852); dazu als Rückbildung Κοικυλίων PN, "der Gaffer" (Ael.). — Intensive Reduplikationsbildung ohne sichere Etymologie; nach Debrunner IF 21, 96 zu κύλα (s. d.). Vgl. die ähnlich gebildeten, ebenfalls dunklen Synonyme δενδίλλω, δανδαίνω, παπταίνω u. a. m. I-891

κοῖλος (κόϊλος, vgl. unten) ‘hohl, ausgehöhlt, geräumig, tief’ (seit Il.). Oft als Vorderglied, z. B. κοιλο-γάστωρ ‘hohlbauchig, gefräßig’ (A.; zur Bildung Sommer Nominalkomp. 150). Zahlreiche Ableitungen: A. Substantiva: 1. κοιλία f. ‘Bauchhöhle, Bauch, Körperhöhlung im allg.’ (ion. att. usw.) mit κοιλιώδης ‘bauchähnlich’ (Arist.), κοιλιακός ‘zum Bauch gehörig, an Bauchkrankheiten leidend’ (Plu., Mediz. u. a.), κοιλιτική (νόσος) ‘Bauchkrankheit’ (Cat. Cod. Astr.); Deminutivum κοιλίδιον (Str. u. a.). 2. κοιλάς f. ‘Höhlung, Schlucht’ (hell. u. spät), Adj. f. ‘hohl’ (Tryph. Ep.). 3. κοιλότης ‘Höhlung’ (Arist. u. a.). 4. κοιλίσκος m. ‘ausgehöhltes, schaufelförmiges Messer’ (Mediz.; vgl. γραφίσκος und andere Gerätenamen bei Chantraine Formation 408). 5. und 6. κοίλωμα (Arist., hell. u. sp.), κοίλωσις (Hp. u. a.) ‘Höhlung, Aushöhlung, Vertiefung’, vgl. κοιλόομαι unten. — B. Adjektiva (zu τὸ κοῖλον ‘Hohles, Höhle’): 1. κοιλώδης ‘reich an Höhlen’ (Babr.). 2. κοιλαῖος = κοῖλος (Gal.). — C. Verba: 1. κοιλαίνω, κοιλᾶναι (-ῆναι), κεκοίλασμαι ‘aushöhlen’ (ion. att.) mit κοίλανσις (Alex. Aphr. u. a.), κοίλασμα (LXX, Hero u. a.), κοιλασία (Hero) ‘Aushöhlung usw.’. 2. κοιλόομαι, nur in κεκοιλωμένος ‘ausgehöhlt’ (D. S., Dsk.); davon κοίλωμα, κοίλωσις, falls nicht direkt von κοῖλος, s. oben. — Aus dem bisweilen dreisilbig zu lesenden κόϊλος (bei Hom. immer möglich außer χ 385, wo im Versanfang; Meister HK 50, Chantraine Gramm. hom. 1, 28) ergibt sich eine Grundform *κόϝιλος, die sich als λ-Ableitung an κόοι· τὰ χάσματα τῆς γῆς, καὶ τὰ κοιλώματα H. und lat. cavus ‘hohl’ aus *covos anschließt; daneben mir. cūa ‘hohl’ aus *ḱou̯-ios. Wenn die Gleichung κοῖλος = alb. thelë ‘tief’ (< idg. *ḱou̯ilos) zu Recht besteht (Pedersen KZ 36, 332), ist die Bildung schon vorgriechisch. Verwandte l-Ableitungen sind arm. soyl ‘Höhle’ (< idg. *ḱeu-lo-) und κύλα; s. d. Weiteres zur Stammbildung Benveniste Origines 41f., wo ein Nomen auf -il als Grundlage vermutet wird, und Specht Ursprung 130, der von einem i-Stamm ausgehen will, wofür er sich auf das einmalige κοιφόν· κοῖλον (wohl für κυφόν) beruft. — S. auch κῶος, κώθων, κύαρ; dazu W.-Hofmann s. cavus (mit reicher Lit.). I-891-892

κοῖλυ · τὸ καλόν H. — Seit Hoffmann bei Bezzenberger BB 16, 240 zu einem Wort für ‘heil, unversehrt’ mit Vertretern im Germanischen und Baltisch-Slavischen gezogen, z. B. got. hails, aksl. cělъ ‘heil’ (alter u-Stamm), apreuß. kailūstikan Akk. sg. ‘Gesundheit’ (ebenso von einem u-St.). Ein anklingendes keltisches Wort für ‘(glückliches) Vorzeichen’, z. B. kymr. coel, muß aber dann wegen des ursprünglichen ai-Diphthongs beiseite bleiben. Auch die Zugehörigkeit von gr. κοῖλυ kann indessen wegen der Vieldeutigkeit des Interpretamentums nur als hypothetisch gelten. — WP. 1, 329, Pok. 520, Vasmer Russ. et. Wb. s. célyj mit weiterer Lit., u. a. Specht KZ 64, 16f., 21. I-892

κοιμάω, κοιμίζω ‘zur Ruhe legen’ s. κεῖμαι. I-892

κοινά (für κοίνα od. κοῖνα?)· χόρτος H. — Stimmt ganz zu einem baltisch-slavischen Wort für ‘Heu’, z. B. lit. šiẽnas, aksl. sěnoχόρτος’ (Persson BB 19, 257). Lat. fēnum, faenum ‘Heu’ läßt sich damit schwerlich vereinigen, s. W.-Hofmann s. v. und Nachträge 1, 864f. I-892

κοινός τὸ κοινόν ‘Gemeinde, Gemeingut, öffentliche, leitende Behörde, Bund’ (ion. att. seit Hes.; Hom. dafür ξυνός); ‘gemeinsam, gemeinschaftlich, öffentlich, gewöhnlich, unparteiisch’, zahlreiche Kompp. aus verschiedenen Zeiten. Ableitungen. 1. *κοινά̄ων (Schwyzer 521, Chantraine Formation 163) > dor. ark. κοινάν, -ᾶνος m. (Pi., Lokris, Tegea), att. κοινεών, -ῶνος m. (E. HF 149, 340), κοινών, -ῶνος m. (X. Kyr.; nach κοινωνέω usw.) ‘Gefährte, Genosse, Bundesgenosse’; davon dor. usw. κοινανέω (dor. Vertrag ap. Th. 5, 79, 1; Argos, Delphi), att. κοινωνέω (für *κοινεωνέω) ‘Teilnehmer sein, teilnehmen’ mit κοινανία (Pi.), att. κοινωνία ‘Gemeinschaft, Anteil’ und κοινωνός ‘Gefährte usw.’ (wahrscheinlich Rückbildung; Leumann Hom. Wörter 224 A., Mom. 3); davon κοινανικός (Archyt.), κοινωνικός (att.) ‘gemeinschaftlich, sozial’; κοινωνιμαῖος ‘die Gemeinschaft betreffend’ (Pap.; Chantraine Formation 49, Mél. Maspéro 2, 220); von κοινωνέω noch κοινώνημα (Pl., Arist. u. a.). — Sonstige nominale Ableitungen: 2. κοινότης f. ‘Gemeinschaftlichkeit, Leutseligkeit’ (att., hell.); 3. κοινεῖον ‘öffentliche Halle, Verein usw.’ (Inschr. u. a.); 4. κοινάριον Demin. von κοινόν (geschr. cynarium, CIL 13, 10021, 199). — Denominatives Verb κοινόω, -όομαι ‘gemeinsam machen, teilen’, auch ‘gemein machen, profanieren’, Med. ‘in Gemeinschaft treten, sich beteiligen, um Rat fragen’ (ion. att.; Pi. Aor. κοινᾶσαι) mit κοίνωμα, -μάτιον ‘Fuge, Band’ (Ph. Bel.), κοίνωσις ‘Umgang, Verkehr’ (Plu. u. a.). — Wenn κοινός mit Metathese für *κονι̯ός steht, gesellt es sich (über älteres *κομι̯ός oder zu urgr. *κον?, Schwyzer 309) zu einer italokeltischen Präposition (Präfix), z. B. lat. cum, com- (con-), gall. com- ‘mit, zusammen mit’, idg. Adverb *kom ‘zusammen’; dazu wahrscheinlich auch die Präfixe germ., z. B. got. ga-, alb. kë- ‘mit-’. Im i̯o-Suffix will Brugmann IF 17, 355 die Schwundstufe von idg. ei- ‘gehen’ erkennen (dazu Schwyzer 472). — Verfehlte ältere Deutungen bei Bq. I-892-893

κόϊξ, -ϊκος (Kom., Thphr.), κόϊς (Epich., BGU 972, 5) m. N. einer Palmenart, ‘Hyphaene thebaica, aus deren Blättchen geflochtener Korb’, mit κοΐκινος ‘aus κ. gemacht’ (Str.). — LW. Nach Fraenkel Phil. 97, 170 davon σκοίκιον ‘Art Geschirr, Korb o. ä.’ (Kyrene, hell. Pap.) mit σ- aus σκεῦος und σπυρίς. — Eine andere Form ist κοῦκι n. (Pap., Plin.) mit κούκινος (Peripl. M. Rubr., Pap.), s. d. I-893

κοῖον, κώϊον· ἐνέχυρον. κοῦα, κῶα· ἐνέχυρα H. Davon κοιάζει· ἐνεχυράζει, κουάσαι· ἐνεχυριάσαι, κωάζειν· ἐνεχυράζειν, κωαθείς· ἐνεχυριασθείς H. Als Nomen agentis dazu κο(ι)ακτήρ N. eines Mysteriendieners in Sparta (IG 5 : 1, 210ff.). = ἐνεχυρασ- τής? (Fraenkel Nom. ag. 1, 158 nach Meister); andere Erklärungsversuche bei Bourguet Dial. Lac. 112f. — Wohl mit v. Blumenthal Hesychst. 41 aus *κόϝ-ιον zu κοέω ‘bemerken, aufpassen’ mit derselben Bedeutungsentwicklung wie in lat. cavēre ‘sich vorsehen, Bürgschaft leisten’. Nach v. B. hierher auch κοίης, κόης· ἱερεὺς Καβείρων, ὁ καθαίρων φονέα (H.) mit κοιόλης· ὁ ἱερεύς (H., Suid.), κοιᾶται· ἱερᾶται, κοιώσατο· ἀφιερώσατο, καθιερώσατο H. Vgl. auch lyd. kaveś (Masson Jb. f. kleinas. Forsch. 1, 182ff.). Nach Bochart (Lewy Fremdw. 258) sem., vgl. hebr. kōhēn ‘Priester’; ebenso Grimme Glotta 14, 19. — Noch unsicherer ist die Heranziehung von κοῖος = ἀριθμός (Ath. 10, 455e; maked.; eig. "Kenner" [??], v. B. ibid.). I-893-894

κοίρανος m. ‘Herrscher, Heerführer, Herr’ (ep. poet. seit Il.). Vereinzelt aks Hinterglied, z. B. πολυ-κοίρανος ‘über viele herrschend’ (A. Fr. 238, lyr.) mit πολυκοιρανίη ‘das Herrschen über viele’ (Rhian. 1, 10); aber Β 204 = ‘Vielherrschaft’ mit Subjektsfunktion des Vorderglieds; das Hinterglied fungiert überall als Verbalnomen zu κοιρανέω. Spärliche Ableitungen: κοιρανίδαι pl. ‘Herrschersöhne, Mitglieder des herrschenden Hauses’ (S. Ant. 940; Fraenkel Nom. ag. 2, 20); κοιρανῇος und κοιρανικός ‘zum Herrscher gehörig’ (sp. Dichter); κοιρανίη ‘Herrschertum’ (D. P., APl.; vgl. oben); κοιρανέω ‘herrschen, gebieten’ (ep. poet. seit Il.). — Zu κοίρανος stimmt (bis auf den Zwischenvokal) awno. herjann Beiname Odins; bei der Produktivität des no-Suffixes, zumal in Wörtern derselben Bedeutungssphäre (lat. dominus : domus, got. þiudans ‘König’ : þiuda ‘Volk’ u. a. m.), brauchen die Wörter nicht altererbt zu sein. Aber die Grundlage ist jedenfalls gemeinsam, und zwar ein Wort für ‘Heer, Kriegsschar’ mit Vertretern im Germanischen, Baltischen und Keltischen, z. B. got. harjis ‘Heer’, lit. kãrias ‘ds.’, mir. cuire m. ‘Schar, Menge’, gall. Tri-, Petru-corii Völkernamen ("aus drei, bzw. vier Stämmen bestehend"), idg. *qori̯os. Auch im Griechischen hat das Wort existiert, nach Eigennamen wie Κοιρό-μαχος, Κοιρατάδας zu schließen (Solmsen Glotta 1, 76ff.). — Neben idg. *qori̯os stand ohne i̯o-Suffix *qor(o)- in lit. kãras ‘Krieg’, mit gedehntem Vokal apers. kāra- ‘Heer, Volk’. Weitere Einzelheiten mit Lit. bei WP. 1, 462f., Pok. 615f., Fraenkel Lit. et. Wb. s. kãr(i)as. — Im Griechischen wurde das alte κοίρανος durch die Eindringlinge ἄναξ und βασιλεύς ersetzt; s. dd. I-894

κοκ(κ)άλια, (κωκ-) n. pl. Ben. kleiner Schaltiere (Arist. HA 528a 9). — Versuch einer näheren Begriffsbestimmung bei Thompson Fishes s. v., der gleichzeitig auf ähnliche ital. Benennungen, cocciole, cozzule u. a., hinweist. Vgl. auch κόχλος und Ableitungen, dazu die Formen bei Meyer-Lübke Rom. et. Wb. Nr. 2011. I-894-895

κόκκος m. 1. ‘Kern von Früchten, bes. der Granate’ (h. Cer., ion. att.; vgl. Strömberg Theophrastea 185); 2. ‘die Scharlachbeere, der Scharlach, die Kermeseiche’ (Thphr., Gal., Dsk. u. a.; Michell ClassRev. 69, 246); 3. übertr. ‘Pille’ (Mediz.). Kompp., z. B. κοκκο-βαφής ‘mit Scharlach gefärbt’ (Thphr. u. a.), καλλί-κοκκος ‘mit schönen Kernen’ (Thphr.); κοκκό-δαφνον, δαφνό-κοκκον (Mediz.) = κόκκος δάφνης, δαφνίς (Strömberg Wortstudien 7). Ableitungen: Deminutiva κοκκίον, κοκκάριον (Mediz.); κόκκων, -ωνος m. ‘Kern d. Granate’ (Sol., Hp. u. a.), ‘Mistelbeere’ (H.), κόκκαλος m. ‘Kern des Pinienzapfens, Pinienzapfen’ (Hp., Gal. u. a.; Chantraine Formation 247); κοκκίδες pl. ‘scharlachrote Pantoffel’ (Herod.), -ίδα· αἴγειρον H.; κόκκινος ‘scharlachrot’ (Herod., Pap., Arr. u. a.) mit κοκκινίζω ‘scharlachrot sein’ (Sch.), κοκκηρός ‘aus Scharlach gemacht’ (Edict. Diocl.; wie οἰνηρός, ἐλαιηρός u. a.); κοκκίζω ‘den Kern herausnehmen’ (A., Ar.). — Etymologie unbekannt, wohl Fremdwort; zu beachten die volkstümliche Gemination (Chantraine Formation 7). — Alessio Studi etr. 18, 126 (s. auch Belardi Doxa 3, 210) erinnert an span. cuesco ‘Nüßchen’ u. a. und erwägt ein mediterranes *cosco-, woraus durch Assimilation κόκκος(?). I-895

κόκκῦ̄ Ruf des Kuckucks, auch als Ausruf im allg. (Ar.). Als Vorderglied in κοκκυ-βόας ὄρνις Ben. des Hahns (S. Fr. 791; codd. Eust. κοκκο- nach den ο-Stämmen; richtig?). Davon κοκκύζω vom Ruf des Kuckucks und des Hahns (seit Hes.; vgl. Fraenkel Glotta 4, 34) mit κοκκυσμός ‘schrilles Geschrei’ (Nikom. Math.), κοκκυστής ‘Schreihals’ (Timo); κόκκυξ, -ῡγος m. ‘Kuckuck’ (seit Hes., -υγος Nom. Alk.), auch übertr., u. a. als N. eines Fisches (Hp., Arist. u. a.), einer Feigenart (Nik.); dazu Strömberg Fischnamen 116, bzw. Pflanzennamen 73. Von κόκκυξ: Κοκκύγιον N. eines Berges (Paus.); κοκκυγία· ἀνεμώνη. Κροτωνιᾶται H. ("Kuckucksblume"; Strömberg a. a. O.); κοκκυγέα Baumname, ‘Rhus Cotinus’ (Plin.; coni. in Thphr. HP 3, 16, 6). Daneben mit labialer Bildung die PN Κόκκυψ, Κοκκουβίας (böot.; vgl. Bechtel Dial. 1, 262f.). Hierher noch κόκκυς· λόφος (d. i. ‘Hahnenkamm’) H.? (voridg. nach Alessio Studi etr. 18, 125 und Hubschmid 3me Congr. intern. de topon. 2, 186f.; nach v. Windekens Le Pélasgique 103 "pelasgisch"). — Zu κοκκύμηλον s. bes. — Wohl zunächst aus kuku dissimiliert (Schwyzer 258 u. 423). Onomatopoetisch wie aind. kokilá- ‘Kuckuck’, kukkuṭá- ‘Hahn’, lat. cucūlus, nhd. Kuckuck usw. usw.; s. z. B. WP. 1, 466f., Pok. 627, W.-Hofmann s. cucūlus. Zu κόκκυξ ausführlich Thompson Birds s. v. I-895-896

κοκκύμηλον n. ‘Pflaume’ (seit Archil.) mit κοκκυμηλέα f. ‘Pflaumenbaum’ (Arar. Kom., Thphr. u. a.), -μηλών m. ‘Pflaumengarten’ (Gloss.). — Beziehung zu κόκκος liegt sachlich nahe ("Kernobst" Schrader-Nehring Reallex. 2, 182); -υ- wäre dann volksetymologisch von κόκκυξ eingedrungen, obwohl eine nähere Begründung fehlt; vgl. indessen Strömberg Pflanzennamen 73. Zu beachten κοδύ-μαλον (s. κυδώνια). I-896

κοκύαι (v. l. κοκκ-) m. u. f. pl. ‘Vorfahren’ (AP, Kall., H.); κουκᾶ· πάππων H. — Von Grošelj Razprave 2, 12 (wie von Schmidt z. St.) zu γυγαί· πάπποι H. gezogen; s. d. I-896

κόλαβρος m. = χοιρίδιον (H. [cod. κοιλίδιον], Suid.); N. eines Gesangs, der den Tanz namens κολαβρισμός begleitete (Ath.); davon κολαβρίζειν· σκιρτᾶν (H.) mit κολαβρισμός (Ath., Poll.), Pass. ‘zum Gelächter gemacht werden’ (LXX); κολαβρευομένη· κώλοις ἁλλομένη H. Einzelheiten bei Lawler und Kober Class. Phil. 40, 98ff. mit Hypothesen über die Etymologie. — Von Poll. 4, 100 wird der betreffende Tanz als thrakisch oder karisch bezeichnet; somit wohl Fremdwort. I-896

κολάζω ‘einzwängen, züchtigen’ s. κόλος. I-896

κόλαξ, -ᾰκος m. ‘Schmeichler, Schmarotzer’ (att. hell.) mit κολακίς f. (Klearch., Plu.), κολακικός ‘schmeichlerisch’ (Pl. u. a.) und κολακεύω ‘schmeicheln’ (att. hell.); Oft als Hinterglied in der Komödiensprache, z. B. κνισο-κόλαξ, s. Risch IF 59, 277. davon κολακεία (Demokr., Pl. u. a.), κολάκευμα (X. u. a.) ‘Schmeichelei’, κολακευτικός ‘schmeichlerisch’ (Pl. u. a.), κολακευτής = κόλαξ (Gloss.). — Ausdruck der attischen Umgangssprache ohne Etymologie. Von Persson Beiträge 1, 158f. zu κηλέω u. Verw. gezogen, was schon wegen des o-Vokals Bedenken erweckt; vgl. WP. 1, 446, Pok. 551, W.-Hofmann s. calumnia. Nicht besser Pisani Ist. Lomb. 77, 553: zu κέλλω, δύσκολος oder Machek Slavia 16, 211 und Listy filol. 72, 69f.: zu slav. *cholcholiti in čech. chlácholiti ‘sänftigen, beruhigen, umschmeicheln’ u. a. — Frühere vergebliche Versuche bei Bq. I-896

κολάπτω, Aor. κολάψαι, ‘behacken, behauen, durch Stoßen und Schlagen aushöhlen, meißeln’ (ion. att., äol. usw.). auch mit Präfix, bes. ἐν-, ἐκ-, Davon ἐγ-, ἐκ-κόλαψις ‘das Ein-, Aus- >hauen’ (Inschr., Arist.), ἐγ-κόλαμμα ‘Inschrift’ (LXX, Priene), (ἐγ-)κολαπτός ‘eingehauen’ (Inschr., LXX); κολαπτήρ m. ‘Meißel’ mit δια-κολαπτηρίζω ‘mit einem Meißel behauen’ (Lebadeia); außerdem als Zusammenbildung von δόρυ und κολάπτειν mit της-Suffix δρυ(ο)-κολάπτ-[τ]ης ‘Specht’ (Ar., Arist. usw; weiteres s. δρῦς), ebenso κρᾱνο-κολάπτης N. einer giftigen Spinne (Philum.). — Zu κόλαφος s. bes. — Ausgang wie in σκάπτω, δαρδάπτω, κόπτω u. a. (mit wurzelhaftem Labial) und vielleicht nach diesen gebildet als Ersatz eines zweisilbigen Wurzelverbs, das in lit. kalù, kálti ‘schmieden, hämmern’, aksl. koljǫ, klatiσφάττειν’, russ. kolotь ‘stechen, spalten, hacken’ erhalten ist, idg. qolə-. Die Sippe hat im Griechischen zahlreiche Vertreter, s. κόλος, κελεός, κλάω. I-896-897

κόλαφος m. ‘Faustschlag, Ohrfeige’ (Epich. 1 als N. eines παιδοτρίβης, H., EM; lat. LW colap(h)us seit Plaut.) mit κολαφίζω ‘mit der Faust schlagen, ohrfeigen’ (NT, Sammelb. 6263, 23); Κολαφίδιον att. Frauenname, s. Fraenkel Nom. ag. 2, 86 m. A. 3). — Niedriges Wort, das eben deswegen der Erklärung große Schwierigkeiten bereitet. Wenn mit κολάπτω verwandt, was gewiß möglich ist, muß es als Rückbildung, nicht als Grundlage davon verstanden werden; zur Bildung vgl. κρόταφος u. a. (Chantraine Formation 264). Ganz anders Krogmann KZ 67, 224 A. 1: zu κολοφών u. a.; nicht überzeugend. Auch nicht zu aind. kalaha- ‘Streit’, s. Mayrhofer Et. Wb. s. v. Ältere vergebliche Versuche bei Bq. — Lat. colap(h)us (dazu Ernout Rev. de phil. 77, 155f.) hat im Vulgärlatein und in den roman. Sprachen eine weite Verbreitung gefunden (colpus, ital. colpo, frz. coup usw.; auch got. kaupatjanκολαφίζειν’?; vgl. Feist Etym. Wb. s. v. m. Lit.) und ist von da ins Griechische zurückgewandert (s. Fraenkel a. a. O.). I-897

κολέα · ποιά τις ὄρχησις, κολία· ὀρχήσεως εἶδος mit κολιάσαι· ὀρχήσασθαι H. Ipf. ἐκολίαζε (IG 12 Suppl. 244; vgl. Latte Glotta 32, 39f.). — Nach Persson Beiträge 1, 179 zu κέλομαι, wozu noch κολεῖν· ἐλθεῖν H., wohl als Deverbativum (Schwyzer 747 A. 1; anders Fraenkel Mélanges Boisacq 1, 374: -ολ- < -əl- wie lit. kìlti ‘aufstehen’). I-897

κολεόν -ός m., mit metr. Dehnung κουλ-, n., ‘Schwertscheide, Scheide’ (seit Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 62). Auch in Kompp., z. B. κολεό-πτερος ‘mit Flügeldecken versehen’ (Arist.), σιδηρο-κόλεος ‘mit eiserner Scheide’ (Pap. IIIa). Denominativum κολεάζοντες· ὠθοῦντες εἰς κολεόν, περαίνοντες H. (sens. obsc., ebenso Ath. Mitt. 59, 66; Syrus Va) mit κολεασμός· τὸ περαίνεσθαι H. Zu εἰλεός u. a. im Ausgang stimmend, kann κολεόν, -ός für *κολεϝ-όν stehen und zu καλύ-πτω, κέλυ-φος (s. dd.) in naher Beziehung stehen (Bechtel Lex. s. v.). Ob auch κόλυθροι pl. ‘Hoden’ (Arist.) mit Bq u. a. hierher zu ziehen ist, bleibt wegen der Bedeutung unsicher (κόλυθρον, -τρον auch ‘reife Feige’ [Ath. 3, 76f.]; vgl. auch zu σκόλυθρον). — Nach Meillet BSL 30, 115 A. 1 stammt κολεόν ebenso wie das anklingende lat. culleus ‘lederner Sack’ aus einer Mittelmeersprache; vgl. W.-Hofmann s. v. I-897-898

κολετράω ‘mit Füßen treten’ (Ar. Nu. 552), nach H. Ausdruck der Ölbereitung: ἀπὸ τῶν τὰς ἐλαίας πατούντων, ὅ δὴ λέγουσι κολετρᾶν. — Setzt zunächst ein Substantiv *κόλετρον oder *κολέτρα voraus, somit ein Nomen instrumenti oder loci unbekannter Bedeutung. Mehrere Möglichkeiten stehen also dem Erklärer offen; die Anknüpfung an κόλος, κολάπτω u. Verw. (s. WP. 1, 437; Curtius 362 vergleicht lat. calcitrāre; dazu W.-Hofmann s.1. calx) hat unter solchen Umständen wenig Wert. I-898

κολίας m. N. eines makrelenähnlichen Fisches, ‘Scomber colias’ (Epich., Ar., Arist. u. a.) mit κολίδιον (Mediz.). — Bildung wie ἀκανθίας, ξιφίας und andere Fisch- und Tiernamen (Chantraine Formation 94); im übrigen unerklärt. Zur Sache Thompson Fishes s. v. I-898

κόλλᾰ f. ‘Leim’ (Emp., Hdt., Hp., E. usw.); — In κόλλᾰ ist anscheinend eine ια-Ableitung enthalten (Schwyzer 474, Chantraine Formation 98), aber die Geschichte des Wortes ist im übrigen ziemlich dunkel. Auffallend ist die Ähnlichkeit mit einem slavischen Wort für ‘Leim’, z. B. russ.-ksl. klějь, klejь, russ. klej aus ursl. *kъlějь, *kъlьjь (mit Reduktionsvokal); hinzu kommt aus dem Germanischen ein isoliertes Verb, das auf ein enges Gebiet beschränkt ist: mndl. mnd. helen ‘kleben’ (urg. *haljan); die Einzelheiten bleiben indessen unklar. WP. 1, 464 (Pok. 612) nach Fick 1, 389, Zupitza Die german. Gutturale 113; dazu Vasmer Russ. et. Wb. s. klej. Rom. LW it. colla, frz. colle usw. — Ein sinnverwandtes Wort mit weiter Verbreitung ist γλοιός, s. d. als Vorderglied z. B. in κολλ-εψός ‘Leimkocher’ (att. Inschr., Poll.); als Hinterglied in ταυρό-, ἰχθυό-κολλα ‘Stier-, Fischleim’ (Plb., Dsk. u. a.); aber ποτί-, σύγ-κολλος usw. (Pi., A. usw.) sind Rückbildungen zu ποτι-, συγ-κολλάω usw. Ableitungen: κολλήεντα n. pl. (Ο 389 ξυστά, Hes. Sc. 309 ἅρματα) ‘festgefügt’, vgl. κολλητός unten; κολλώδης ‘leimig, klebrig’ (Pl., Arist. usw.). Denominatives Verb κολλάω, oft mit Präfix wie συν-, προσ-, ἐν-, κατα-, ‘leimen, zusammenkleben, fest verbinden, vereinigen’ (Pi., Emp., ion. att. usw.). Davon κόλλημα ‘das Zusammengeleimte, Zusammenklebung, zusammengeklebtes Blatt’, pl. ‘Papyrusblätter, die eine Rolle bilden’, κόλλησις ‘das Zusammenleimen, Lötung, Fugendichtung’ (ion. att. usw.) mit (συγ-)κολλήσιμος, -ον ‘zusammengeleimt(e Aktenrolle)’ (Pap.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 99); (συγ-)κολλητής ‘Zusammenleimer, Löter’ (Ar., Pap.); κολλητήριον ‘Leimstoff, Leim’ (Ph. Bel.); κόλλητρα pl. ‘Lötkosten’ (Pap.); κολλητός ‘geleimt, fest zusammengefügt’ (seit Il.; Amman Μνήμης χάριν 1, 16), κολλητικός (dor. -ᾱτ-) ‘leimig, zusammenleimend’ (Arist., Epid., Pap. u. a.), κολλητικὰ ἔργα ‘Dichtungsarbeiten’ (Pap.). Als Hinterglied in der Rückbildung πρωτό-κολλον n. ‘das zuvorderst angeklebte Blatt einer Papyrusrolle’ (Just.). — Vereinzelt ἐπι-κολλαίνω ‘ankleben’ (Thphr.), κολλίζω (Gp.) mit κολλιστής (Gloss.). I-898-899

κόλλαβος m. Art Brot oder Kuchen (Ar., Philyll.); auch = κόλλοψ (Luk., Iamb., H.); dazu κολλαβίζω "κόλλαβος spielen", d. h. einer versetzt dem anderen, der seine Augen mit der Handfläche zuhält, einen Schlag und fordert ihn auf zu raten, mit welcher Hand er geschlagen wurde (Poll. 9, 129); Grund der Benennung dunkel. — Volkstümliches Wort auf -βος (Schwyzer 496, Chantraine Formation 261f.) und wie so viele derselben Bildungsweise ohne Etymologie. Vgl. κόλλιξ und κολλύρα, auch κόλλοψ. I-899

κόλλιξ, -ῑκος m. ‘rundes grobes Brot’ (Hippon., Kom.), ‘Tablette’ (Mediz.); κολλικο-φάγος (Ar.). Davon κολλίκιος ἄρτος (Ath.), κολλίκιον (Greg. Kor.). — Wie bei κόλλαβος (s. d.) müssen wir aus Unkenntnis der Tatsachen auf eine Erklärung verzichten; zur Bildung Schwyzer 497, Chantraine Formation 382. — Aus mgr. κολλίκι(ον) russ. kulíc ‘Osterkuchen (aus Weizenmehl)’; vgl. Vasmer Russ. et. Wb. s. v. I-899

κόλλουρος m. N. eines unbekannten Fisches (Marc. Sid. 22) mit κολλουρίς Malvenart (Gloss.). — Vermutung von Strömberg Fischnamen 48: für κόλ-ουρος ‘stutzschwänzig’ mit expressiver Gemination; nach dem Fisch wäre die Malve als Sumpfpflanze benannt (ebd. 25) [?]. I-899

κόλλοψ, -οπος m. ‘Wulst am Querholz der Lyra zum Aufspannen der Saiten’, auch ‘Bolzen oder Schraube zum Anspannen derselben’ (φ 407, Ar., Pl., Luk.); ‘Wulst am Halse der Rinder und Schweine, Rinderschwarte’ (Ar. Fr. 646 und 506, 3); ‘Hebestange einer Winde’ (Arist. Mech. 852b 12); übertr. ‘ἀνδρόγυνος, cinaedus’ (hell. Kom., AP) mit κολλοπο-διώκτης (Sch. Ar. Nu. 347, Eust., Suid.), κολλοπεύω ‘ein κόλλοψ sein’ (Pl. Kom.). — Andere Denominativa sind: κολλοπίζειν· καθέλκειν und κολλοπῶσαι· κατακολλῆσαι H. mit falschem Anschluß an κόλλα. — Fachausdruck unbekannter Herkunft; nach H. "διὰ τὸ εἰς κόλλαν εὐθετεῖν" (mit Bezug auf die Rinderschwarte). Andere Vorschläge: zu lat. callum ‘dicke Haut, Schwiele’, bzw. zu σκόλοψ ‘Pfahl’ (s. Bq s. v. und WP. 1, 357). Nicht besser Pisani Ist. Lomb. 77, 553ff.: mitsamt κόλλιξ, κολλύρα, κόλλαβος zu lat. collum, nhd. Hals. I-899-900

κόλλυβος (-ον n. Poll. 9, 72) m. ‘Scheidemünze’ (Ar., Eup., Kall.), ‘kleines Goldgewicht’ (Thphr.); ‘Wechselkurs, Aufgeld’ (hell. u. sp. Inschr. u. Pap., Cic.). Davon κολλυβιστής ‘Geldwechsler’ (Men., NT, Pap., *κολλυβίζω; vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 68f., Chantraine Formation 320) mit κολλυβιστικός und κολλυβιστήριον ‘Wechselstube’ (Pap. u. Ostr.). — Semitisches LW, vgl. hebr. ḥālap ‘Wechsel’ (Lewy Fremdw. 119f. nach Lagarde). — Aus κόλλυβα· τρωγάλια H. (Sch. Ar. Pl. 768; vgl. κόλλαβος) russ. usw. kólivo ‘Brei, Grütze mit Rosinen, Gedächtnisessen für einen Verstorbenen’ (Vasmer Wb. s. v. m. Lit.). I-900

κολλύ̄ρα (-ού-) Bed. unsicher, etwa ‘Kuchen, Tablette’; vgl. κόλλιξ und κόλλαβος (Ar., Thphr., LXX, Pap. u. a.). Davon als Deminutiva κολλυρίς und κολλύριον (-ού-) (LXX, Pap.); κολλύριον (-ού-) gewöhnlich ‘Augensalbe, Salbe im allg.’ (in der Form einer Tablette; Apok., Arr., Mediz., Inschr. u. Pap.). Dazu noch κολλυρικός ‘aus κολλῦραι gemacht’ (Plaut. Pers. 95), κολλυρίζωκ. backen’ (LXX), κολλυριόομαι in κεκολλυριωμένον (cod. -ρόμενονλευκῷ κεχρισμένον H.; κολλυρίων m. N. eines Vogels aus dem Drosselgeschlecht (Arist.; H. auch κορυλλίων), Benennungsgrund unbekannt; nach der Farbe? (vgl. auch Thompson Birds s. v.). — Bildung wie ἄγκῡρα, λέπῡρον u. a. (Chantraine Formation 234), sonst dunkel. Vgl. zu κόλλοψ. I-900

κολοβάφινος = χολοβάφινος, s. χολή. I-900

κολοβός ‘verstümmelt, verkümmert, kurz’ (Pl., X., Arist., hell. u. spät); als Vorderglied z. B. in κολοβό-κερκος (LXX). Davon κολόβιον n. ‘kurzärmelige (ärmellose) Jacke’ (Pap.), auch κολόβαξ (Gloss.); κολοβώδης ‘verkümmert, stumpf’ (Polem. Phgn. [v. l.]), κολοβότης ‘verstümmelter Zustand’ (Plu.). Denominative Verba: 1. κολοβόω ‘verstümmeln, verkürzen’ mit κολόβωσις ‘Verstümmelung’, κολόβωμα ‘verstümmeltes, amputiertes Glied’ (Arist. usw.); 2. κολοβίζω ‘ds.’ (Thera Ia-Ip). — Expressive Erweiterung auf -βος von κόλος; s. auch zu κλαμβός. Die Versuche, zu κολοβός genau stimmende Wörter außerhalb des Griechischen zu finden (s. Bq; auch Machek Listy filol. 72, 71 und Ling. Posn. 5, 61 über slav. komolъ ‘hornlos’) sind erfolglos geblieben. Beziehung zu lat. incolumis, calamitas mit altem Suffixwechsel b : m (Niedermann, s. W.-Hofmann s. calamitās; auch Specht Ursprung 262) gehört gewiß auch zu den hypothetischen Annahmen. I-900-901

κολοιός m. ‘Dohle, Corvus monedula’ (Il., Pi., Ar., Arist. usw.) mit κολοιώδης ‘dohlenartig’ (Plu.) und κολοιάω (Poll. 5, 89), -ῳάω (Β 212) ‘(wie eine Dohle) kreischen’, κολῳέω ‘ds.’ (Antim. 37); dazu als Rückbildung κολῳός ‘Gekreisch’ (Α 575, A. R. 1, 1284), κολοιή· φωνή H. — Bildung (nach αἰγυπιός?) und Herkunft unerklärt. Onomatopoetischer Ursprung (Bq als Vermutung), an sich glaubhaft, ist wenig greifbar (etwa zu κέλαδος, καλέω?). Nach Specht Ursprung 145 zu ags. hlyn ‘Lärm’ mit Stammwechsel (o)i : u (?). Vgl. κολοίφρυξ. — Daß κολῳάω, -ῳός von κολοιάω, -οιός zu trennen wäre (z. B. Bq), ist äußerst unwahrscheinlich. Die besondere Schreibung mit -ῳ- (in ἐκολῴα Β 212) entstand vielleicht als (metrisch gedehnte) Mischform von *ἐκολόα (mit regelmäßigem Schwund des intervokalischen ι wie in lesb. εὐνόαν u. a.; Schwyzer 236) und *ἐκολοία; vgl. auch κολουᾶν· θορυβεῖν H. I-901

κολοιτία, κολουτέα f. Baum, der auf den Liparischen Inseln wuchs, ‘Cytisus aeolicus’, auch ‘Salweide, Salix cinerea’ (Thphr.); bei H. auch κολοιτέα, κολωτέα, κοιλωτέα· δένδρον τι. Daneben κολυτέα f. ‘Blasenbaum, Colutea arborescens’ (Thphr.), colūtea n. pl. ‘dessen Früchte’. — Herkunft unbekannt. Vgl. zu κολοκύνθη. I-901

κολοίφρυξ · Ταναγραῖος ἀλεκτρυών. καὶ ὄρος Βοιωτίας H. — Nach Bechtel Gött. Nachr. 1919, 345f. und Dial. 1, 306 aus κολοιός und φάρυξ mit Ausdrängung des unbetonten α, somit eig. "die Kehle einer Dohle habend". Vom Tier wäre der Name auf den Berg übertragen. Wenn diese Vermutung überhaupt das Richtige trifft, könnte in -φρυξ eine alte Schwundstufe erhalten sein, s. zu φάρυγξ. — Den PN Κολοιφων (IG 5 : 2, 425, 3) will B. auf ähnliche Weise als "der die Erscheinung eines κολοιός hat" erklären. I-901

κολόκυμα nur Ar. Eq. 692, vom Wortschwall des Kleon, — schon von den Alten verschieden erklärt: κόλον κῦμα (Sch. ad loc.), τυφλὸν oder μακρὸν κῦμα (H.), κωφὸν κῦμα καὶ μὴ ἐπικαχλάζον (Suid.). Ein Determinativkompositum mit attributivem Vorderglied wäre indessen auffallend. Das Wort ist vielmehr eine scherzhafte Gelegenheitsbildung mit Anspielung auf κόλον ‘Darm’; es spricht eben der ἀλλαντοπώλης. I-901-902

κολοκύνθη, att. -τη, später -υνθᾰ, -υντᾰ (Solmsen Wortforsch. 263) f., spät auch -υνθος (-υντος, -ιντος) m., ‘Flaschenkürbis, Lagenaria vulgaris’ (Hp., Kom., Arist., Pap. usw.); κολοκυνθαρύταινα f. ‘Löffel aus K.’ (Pap.). Davon das Deminutivum κολοκύντιον (Phryn. Kom.), -υνθίςκολόκυνθα ἀγρία’ (Dsk., Gal.), -ύνθινος (-ύντινος, -ίνθινος) ‘aus κ. bereitet’ (Pap., Luk.), -υνθιάς f. ‘ds.’ (AP), -ών ‘Kürbispflanzung’ (Pap.); ἀποκολοκύντωσις ‘Verwandlung zum Kürbis’ (Seneca, D. C. 60, 35; travestierend nach ἀποθέωσις, s. Stiebitz Μνῆμα f. Jos. Zubatý [Prag 1926] 391ff.). -Κολοκυνθώ f. PN; s. Schulze Kl. Schr. 309f. — Zum Ausgang vgl. die (fremden) Pflanzennamen auf -υνθος, -ινθος (Chantraine Formation 370). Die Mittelsilbe erinnert an lat. cucumis ‘Gurke’, κύκυον· τὸν σικυόν, κυκύϊζα· γλυκεῖα κολόκυντα H.; sie läßt höchstens auf Entlehnung aus gemeinsamer Quelle schließen, vgl. W.-Hofmann s. cucumis, wo auch gegen Anknüpfung an κυέω (m. weiterer Lit.); dazu noch Kretschmer Glotta 15, 169 (gegen eine ganz unwahrscheinliche Hypothese von Rozwadowski). Nach einem Gewährsmann bei Ath. 2, 58f wurde der Kürbis aus Indien eingeführt; der Vergleich mit aind. kālindam n. ‘Wassermelone’ und kurd. kalak ‘Melone’ (Pott) besagt indessen nicht viel. — Über die Kürbis- und Gurkennamen im allg. s. Schrader-Nehring Reallex. 1, 652ff. I-902

κόλον n. ‘Dickdarm, Grimmdarm’ (Ar. Eq. 455, Arist., Nik., Poll.); Ben. einer in Töpfen verwahrten Speise (PSI 5, 535, 39; 46, IIIa), nach Ath. 6, 262a = ἡ τροφή. — Ohne überzeugende Erklärung. Bq denkt zögernd an κυλλός ‘krumm’, κελλόν· στρεβλόν H. Nach anderen (Hoffmann BB 15, 47, Wood ClassPhil. 21, 341ff., Lidén KZ 61, 23) gehört dazu καλίδια· ἔντερα. Κύπριοι H. (s. d.). I-902

κόλος von Rindern und Ziegen ‘hornlos, mit nicht ausgewachsenen Hörnern’ (Hdt., Theok., Nik., H.), vom Speer ‘ohne Spitze’ (Π 117), vom Kampf ‘abgebrochen’ (Sch. als Benennung des Θ). Als Vorderglied in κόλουρος ‘stutzschwänzig’ (Plu.), als mathem. und astron. Terminus ‘stumpf’ (Hipparch. Astr., Hero, Nikom.); dazu κολουραῖος ‘abgebrochen, steil’ (πέτρα, Kall.), κολούρα ‘Hügel o. ä.’ (Hermione, Epid.), κολουρίᾳ· τῇ ἀποτομία, κολουρῖτις· γῆ. Σικελοί H., κολούρωσις = κολόβωσις (Iamb.); lat. LW clūra ‘(Schwanz)affe’ (W.-Hofmann s. v., Leumann Sprache 1, 206 A. 8). — Nach κόλ-ουρος wohl κόλ-ερος ‘mit kurzgeschorenem Wollvlies’ (Arist.; Gegensatz εὔ-, ἔπ-ερος; s. εἶρος); außerdem κολόχειρ· χείραργος H. Von κόλος abgeleitet oder damit nahe verwandt sind zwei Verba: 1. κολάζω, κολάσαι, vereinzelt mit συν-, ἀντι-, προ-, ‘einzwängen, züchtigen, bestrafen, beschneiden’ (ion. att.); wohl Denominativum. Davon κόλασις ‘Züchtigung, Beschneidung’ (ion. att.), -ασμα (Ar., X. u. a.), -ασμός (Plu.) ‘Züchtigung’; κολαστής ‘Zuchtmeister’ (Trag., auch Pl., Lys. u. a.; Fraenkel Nom. ag. 2, 36f.), auch κολαστήρ ‘ds.’ (Arr.), mit f. κολάστρια (Ezek.), κολάστειρα (AP); κολαστήριον, Adj. -ος ‘Züchtigungsmittel, züchtigend’ (X., Ph. u. a.), κολαστικός ‘züchtigend’ (Pl. usw.). — 2. κολούω, κολοῦσαι, vereinzelt mit περι-, κατα-, ἀπο-, ‘verstümmeln, beschneiden, beschränken, Einhalt tun’ (seit Il.); Bildung unklar; scheint zunächst einen u-Stamm vorauszusetzen (vgl. Schwyzer 683, Chantraine Gramm. hom. 1, 374; s. auch zu κωλύω). Davon κόλουσις ‘das Beschneiden, das Beschränken’ (Arist. usw.), κολούσματα· κλάσματα H. — Das altertümliche und absterbende κόλος, das von der expressiven Erweiterung κολοβός, gewissermaßen auch von κόλ-ουρος ersetzt wurde, gehört als Verbalnomen zu einem im Baltisch-Slavischen erhaltenen, im Griechischen von κολάπτω (s. d.) ersetzten primären Verb der Bedeutung ‘schlagen, hauen, abschlagen, abbrechen’, das im Griechischen auch sonst eine Reihe verschiedener Ableger hinterlassen hat, s. κλάω, κελεός m. weiteren Hinweisen. Die auffallende Barytonese (Schwyzer 459) mag mit der passiven Bedeutung zusammenhängen; vielleicht war κόλος wie stumpf ursprünglich Substantiv. Ein formales Gegenstück bietet aksl. kolъπάσσαλος’, russ. kol ‘Pfahl, Stange, Zaunpfahl’ (eig. "Abspaltung, Abhauung, abgespaltenes Stück Holz"?; vgl. σκῶλος ‘Spitzpfahl’ zur Sippe von σκάλλω); daneben mit Dehnstufe lit. kuõlas ‘Pfahl’. — Wie die Bedeutungsentwicklung für κόλος abgelaufen ist, bleibt wegen der Spärlichkeit der literarischen Belege ungewiß; somit ist nicht zu entscheiden, ob wir von einer allgemeinen Bed. ‘stumpf’ auszugehen haben mit allerhand sekundären Spezialisierungen oder ob umgekehrt ein Wort spezieller Bedeutung, z. B. ‘hornlos’ (aus *‘abgebrochen’ o. ä.) auf andere Gegenstände gelegentlich übertragen wurde; vgl. den Vorgang bei κόλουρος. I-902-903

κολοσσός (-ττ- D. S., -σ- Kyrene) m. (Kyrene auch f.) ‘Riesenstatue, Koloß’ (Hdt. [nur von Ägypten], hell.), auch ‘Statue’ im allg. (A., hell.), ‘Figur, Puppe’ (Kyrene; vgl. v. Wilamowitz BerlAkSb. 1927 : 19, 155ff.); als Vorderglied u. a. in κολοσσο-ποιός (Hero). Davon κολοσσιαῖος (D. S. [-ττ-], Ph., Pap. u. a.), -ικός (D. S. [-ττ-], Str., Plu. u. a.) ‘die Maße eines K. habend, riesengroß, kolossal’. — Schon das (suffixale) Element -σσ- läßt fremde mediterrane Herkunft vermuten; s. Chantraine Formation 34 m. Lit., Lamer IF 48, 233, Krahe Die Antike 15, 181 u. A.; zögernde Zustimmung bei Kretschmer Glotta 21, 159. Bq vergleicht das ebenfalls dunkle κολεκάνος (-οκ-) ‘langer, magerer Mensch’ (Stratt., H.). — Die idg. Etymologien (zu κολωνός usw.; s. Bq) sind hinfällig. Ausführlich über κολοσσός Benveniste Rev. de phil. 58, 118ff. I-903-904

κολοσυρτός m. ‘lärmende Schar, Lärm, Aufstand’ (Il., Hes., Ar.) mit κολοσυρτεῖ· θορυβεῖ, ταράσσει H. — Die gleich gebildeten κονιορτός, ἁμαξιτός, βουλυτός u. a. (s. dd. und Chantraine Formation 303f.) machen eine Zerlegung in κολο-συρ-τός so gut wie sicher. Das Wort ist somit eine Zusammenbildung (Zusammenschweißung) mittels des το-Suffixes von σύρειν (Suid. s. v.) und einem unerklärten Vorderglied (von L. Meyer und Prellwitz mit κολῳός ‘Gekreisch’, bzw. κολοφών, κολωνός verbunden, von Wood ClassPhil. 16, 66f. zu κέλομαι usw. gezogen). I-904

κολούω s. κόλος. I-904

κολοφών, -ῶνος m. ‘Gipfel, Spitze, Höhepunkt’, nur figürlich (Pl., Kom. Adesp., Str. u. a.), nach H. auch = κολιός (d. h. κελεός; s. d.) und ἰχθῦς θαλάσσιος; κολοφωνέω ‘dem Werke die Krone aufsetzen’ (Steph. in Hp.). Als EN Stadt Ioniens; Κολοφώνιος ‘aus K., Bewohner K.s’. — Die sonst naheliegende Verbindung mit κολωνός über *κολαφών aus idg. *qoln̥-bho- (seit Brugmann Grundr.2 2 : 1, 301) wird durch den kleinasiatischen Stadtnamen stark gefährdet, der zweifellos für fremde Herkunft spricht, s. Chantraine Formation 162 m. Lit. Vgl. moderne LW wie nhd. Kulm, kulminieren, Klimax, frz. apogée. I-904

κόλπος m. ‘Busen, Bausch, Meerbusen, Bucht, Talgrund’ (seit Il.), auch ‘Geschwür unter der Haut’ Als Hinterglied z. B. in βαθύ-κολπος ‘mit tief niederfallendem Bausch, d. h. ‘tief gegürtet’ (Il. usw.). mit κολπάριον ‘ds.’ (Mediz.). — Ableitungen: κολπώδης ‘busenartig, buchtenreich’ (E., Plb. u. a.); κολπίας ‘bauschig’ (πέπλος, A. Pers. 1060), ‘vom Meerbusen blasender Wind’ (sp.), ἐγκολπίας ‘ds.’ (Arist.); Κολπίτης m. alter Name Phöniziens (Steph. Byz.), pl. "Meerbusenbewohner", N. eines unzivilisierten Volkes am Roten Meere, das sich u. a. mit Seeraub (und mit Schmuggel?) beschäftigte (Philostr.; Redard Les noms grecs en -της 23, vgl. auch unten zu διακολπιτεύω); κολπόομαι, -όω ‘einen Bausch bilden, schwellen (lassen)’ (B., Hp. usw.) mit κόλπωσις, -ωμα ‘Bauschung, Bausch’, -ωτός ‘gebauscht’ (spät). Außerdem mehrere präfixale Bildungen in wechselnder Funktion; meist hell. u. sp.: ἐγ-, ἐπι-, ὑπο-κόλπιος, ἀνα-, ἐγ-, ἐπι-κολπόω, ἐγ-, κατα-, περι-κολπίζω u. a. Dagegen (δια-)κολπιτεύω ‘schmuggeln’ (PTeb. 709, 9; 14; IIa) schwerlich mit Olsson Eranos 48, 157 zu κόλπος ‘Busen’ (*"am Busen tragen"), sondern vielmehr zu dem Volksnamen Κολπῖται "Meerbusenbewohner" (s. o.); ebenso ἔλαιον κολπιτικόν (PTeb. 38, 12 u. 125; IIa) ‘Schmuggelöl’ (nach den Hrsgg. [fragend] eig. "am Busen verborgenes Öl"). — Da κόλπος für *κϝόλπος stehen kann (vgl. zu καπνός und Schwyzer 302, Lejeune Traité de phon. 72 A. 3), ergibt sich die Möglichkeit, κόλπος mit germ. nhd. wōlben zu verbinden, u. zw. als Verbalnomen (*"Wölbung") zu dem in mhd. walb ‘wölbte sich’, awno, holfinn ‘gewölbt’ noch erhaltenen primären Verb, wozu als Kausativ awno. huelfa, ahd. (h)welben ‘wölben’, ags. bi-hwelbian ‘überwölben’. Bis auf das Genus wäre dann κόλπος mit awno. hualf, ags. hwealf f. ‘Gewölbe’ identisch (Zupitza Die germ. Gutturale 54). Aber die Gleichung ags. heofon-hwealf ‘Himmelsgewölbe’ : αἰθέρος κόλποι (Pi. O. 13, 88) besagt nichts über die Etymologie, da der poetische gr. Ausdruck vom Begriff des Busens ausgeht. — Weitere Anknüpfungen an lat. calpar ‘Weinfaß aus Ton’, culcita ‘Kissen, Polster’ usw. (s. W.-Hofmann s. vv. m. Lit., auch Bq) haben keinen Wert; abzulehnen ebenfalls Mann Lang. 17, 14 (alb. kulp ‘Efeu’ usw.). — Aus κόλπος vlat. colphus > ital. golfo. I-904-905

κόλσασθαι · ἱκετεῦσαι H. s. κῶλον. I-905

κολύβδαινα f. Art Krebs (Epich. 57). — Unklar; nach μολύβδαινα ‘Bleikugel, Angelblei’ für κολύμβαινα ‘ds.’ (s. zu κόλυμβος)? I-905

κόλυθροι m. pl. ‘Hoden’ s. zu κολεόν. I-905

κόλυμβος In derselben Bed. κολυμβίς f. (Ar., Arist. usw.), -άς f. ‘ds.’ (Ath.), aber gewöhnlich von eingepökelten Oliven (Diph. Siph., Pap. u. a.); κολύμβαινα = κολύβδαινα (Archig. ap. Gal.), κολύμβατος N. einer Pflanze (Gp.; nach βάτος?), Benennungsgrund unklar, vgl. Strömberg Pflanzennamen 113 und κολυμβάς als N. eines Strauches (στοιβή) bei Gal. m. ‘kleiner Taucher, Podiceps minor’ (Ar.; Thompson Birds 158), auch Rückbildung von κολυμβάω, s. u. Denominatives Verb κολυμβάω, oft mit Präfix, z. B. ἐκ-, κατα-, ἀνα-, δια-, ‘untertauchen, ins Wasser springen, schwimmen’ (att., hell. u. sp.) mit κολυμβήθρα ‘Badeort, Teich, Zisterne’ (Pl. usw.), κολύμβησις ‘das Untertauchen’ = ‘Perlenfang’ (Peripl. M. Rubr.), als Rückbildung κόλυμβος = κολύμβησις (Str., Paus., Plu. u. a.) und -ήθρα (Hero); κολυμβητήρ (A.) und -ητής (Th., Pl. u. a.) ‘Taucher’ (vgl. Fraenkel Nom. ag. 2, 14 u. 17f.) mit κολυμβητική (τέχνη) ‘Taucherkunst’ (Pl.); auch κολυμβιστής (Sch.); κολυμβιτεύω (= -ητεύω?) ‘ins Wasser werfen’ (Pap.). — Ohne sichere Erklärung. Gegen Gleichsetzung mit lat. columba ‘Taube’ mit Recht W.-Hofmann s. v.; ein gemeinsames idg. *kolu-mb(h)- (-nb(h)-) ist selbstverständlich ein lautliches Unding. Möglich ist dagegen an sich idg. *kolon-b(h)-, sofern man das unerklärte gr. -υ- mit in den Kauf nehmen will. Ursprüngliche Verwandtschaft mit columba (und κελαινός?) ist trotz der Bedeutungsverschiedenheit zweifellos möglich, aber solange die Wortbildung auf ihre Erklärung wartet, bietet diese Möglichkeit wenig Interesse. Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 440f., Pok. 547f., W.-Hofmann s. columba. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 116. I-905-906

κολυτέα Pflanzenname s. κολοιτέα. I-906

κολχικόν n. N. einer giftigen Safranart, ‘Colchicum speciosum’ (Dsk.). — Nach der Heimat Κολχίς benannt, s. Strömberg Pflanzennamen 122. I-906

κολώνη κολωνός m. (h. Cer., Hdt., X., A. R. u. a.) f. (Il., Pi., S. u. a.), ‘Hügel, Anhöhe, Stein-, Grabhügel usw.’, auch als ON (Stadt in Troas, att. Demos); als Hinterglied in Καλλι-κολώνη Hügel bei Ilios (Il.; Schwyzer 453 A. 5), ὑψι-κόλωνος ‘hochragend’ (Opp.). Davon κολωνία (an falscher Stelle; somit für -ώνα? [Schmidt])· τάφος. ’Ηλεῖοι H. (Scheller Oxytonierung 56); vom Demosnamen Κολωνέται pl. (Hyperid.; Fraenkel Nom. ag. 2, 128 A. 1). — Sowohl κολών-η wie κολων-ός setzen einen alten n-Stamm voraus, der in verbauter Form auch in lit. káln-as ‘Berg’, lat. collis ‘Hügel’ aus *coln-is, ags. hyll, nengl. hill ‘Hügel’ aus urg. *huln-i- vorhanden ist. Der daraus zu erschließende idg. n-Stamm *qol-(e)n-, *ql̥-n- geht als Nomen agentis "der Hochragende" auf ein primäres Verb ‘ragen’ zurück, das mit (ursprünglich nur präsensbildendem?) -d- von lat. -cellō aus *-cel-d- ‘ragen’ repräsentiert wird; s. noch zu κελέοντες. Zum suffixalen -ώνη, -ωνός noch Chantraine Formation 207f. — Die abweichende Analyse von Brugmann (z. B. Grundr.2 2 : 1, 280), Specht (z. B. Ursprung 137f.) u. a., laut der κολώνη, -ός aus idg. *qolō[u]-no- einen mit dem n-Stamm in lit. káln-as usw. alternierenden u-Stamm (in lat. colu-men u. a.) enthalten sollte, ist nicht vorzuziehen. — Reiches Material m. Lit. bei WP. 1, 433ff., Pok. 544, W.-Hofmann s. collis u. celsus, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kálnas. I-906-907

κολῳός ‘Gekreisch’ s. κολοιός. I-907

κομάκτωρ, -ορος m. (Rhinth. 9, Inscr. Magn. 217; Ia). Bedeutung unsicher, wohl mit Fraenkel Nom. ag. 2, 70f. aus lat. coactor = exactor pecuniae. — Nicht mit v. Blumenthal Glotta 18, 149 aus osk. *comahtor. I-907

κόμαρος f. (m.) ‘Erdbeerbaum, Arbutus unedo’ (Kom., Thphr., Theok. u. a.). Davon κόμ(μ)αρι n., auch -ρις f., -ρον n. ‘rote Farbe aus der Wurzel der Pflanze Comarum palustre’ (PHolm. u. a.); vgl. Lagererantz z. St. (S. 197f.). Der ι-Stamm wie in κιννάβαρι(ς) u. a. — Ob mit Strömberg Pflanzennamen 58 von κόμη ‘Baumkrone’ mit αρο-Suffix (vgl. κίσθαρος zu κισθός)? Frühere Erklärungsversuche bei Bq und Lewy Fremdw. 27. Über ein angebliches mediterranes Kollektivsuffix -αρος Bertoldi Mélanges v. Ginneken 157ff. I-907

κόμβα · κορώνη. Πολυρρήνιοι H. — Bechtel Dial. 2, 788 verbindet damit κόμβησαν· ποιὸν ἦχον ἀπετέλεσαν und κομβακεύεται· κόμπους λέγει H. Zu vergleichen sind auch κόμπος und βομβέω, alles lautnachahmende und volkstümliche Wörter, die Verschränkungen und Kreuzungen unterworfen sind. S. auch 3. κύμβη. I-907

κόμβος m. ‘Band, Schleife, Gürtel’ (Anon. ap. Suid.); als Vorderglied in κομβο-λύτης· βαλαντιοτόμος H., κομβο-θηλεία f. ‘Spange’ (Sch.; aus κόμβος θῆλυς [θήλεια]); auch κομπο-θηλαία ‘Band, Gürtel’ (Sch.) und κομπο-θήλυκα pl. (Hippiatr.; v. l. für πόρπακας) nach κόμπος = ‘Prahlerei’. Ableitungen: κομβίον = περόνη (Eust., Sch.), κομβώσασθαι· στολίσασθαι, κόμβωμα· στόλισμα H., κομβώματα = καλλωπίσματα usw. (Suid., H.). Besser belegt ist die Hypostase ἐγκομβόομαι ‘anbinden, etw. anziehen’ (Epich., hell. Kom., 1 Ep. Pet. 5, 5) mit ἐγκόμβωμα ‘schützendes Oberkleid, das von Sklaven getragen wurde’ (Longus, Thd. u. a.); außerdem ἀνακομβόομαι ‘sich umgürten’ (Gp.). — Technisches Wort ohne sichere Erklärung. Man vergleicht seit Fick 1, 383; 3, 71, Zupitza Die germ. Gutt. 22f. einerseits einige baltisch-slavische Wörter für ‘hangen, hängen usw.’, z. B. lit. kabìnti ‘(auf)hängen, anhaken’, kìbti ‘sich anhängen, anhaken’, s.-ksl. skoba ‘fibula’, russ. skobá ‘eiserne Krampe, Klammer’, anderseits gr. σκαμβός ‘krumm(beinig)’, Σκόμβος PN (nach Bechtel KZ 44, 358 "der Hinker"); außerdem noch das isolierte norw. hempa ‘Kleiderstrippe, Schlinge, Henkel’ (kann von hamp ‘Hanf’ schwerlich getrennt werden). Das Resultat dieser Vergleiche ist offenbar eine sowohl lautlich wie begrifflich wenig befriedigende Approximation. — WP. 2, 539f., Pok. 918, W.-Hofmann s. cambiō und campus, Vasmer s. skobá. I-907-908

κομέω, Ipf. κομέεσκον, nur Präsensstammἀμφι-~ (AP); κομίζω, -ομαι, Aor. κομίσ(σ)αι, -ασθαι, dor. (Pi.) κομίξαι, Pass. κομισθῆναι, Fut. κομιῶ, -οῦμαι (seit ο 546; Schwyzer 785, Chantraine Gramm. hom. 1, 451), hell. u. sp. κομίσω, -ίσομαι, ‘besorgen, pflegen’ (ep. seit Il.), sehr oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἀπο-, εἰσ-, ἐκ-, κατα-, παρα-, συν-, ‘besorgen, warten, pflegen, sich js. od. einer Sache annehmen, erbeuten, retten, holen, bringen, transportieren’ (seit Il.). Davon (ἀνα-, ἀπο- usw.) κομιδή ‘Besorgung, Pflege, Erbeutung, Rettung, Zufuhr, Fahrt’ (seit Il.; vgl. Porzig Satzinhalte 189f.); Dat. κομιδῇ als Adv. ‘genau, geradezu, ganz und gar’ (ion. att.); κομιστήρ, -τής ‘Pfleger, Herbeischaffer’ (E.; Fraenkel Nom. ag. 2, 14; 18; 35) mit κομίστρια f. (AB, Orph.); κόμιστρα (-ον sg.) ‘Lohn für Errettung, Beförderung’ (Trag., Inschr.); κομιστικός ‘zur Pflege, Beförderung geeignet’ (ion. att.); ἐκ-κομισμός ‘Ausfuhr, Bestattung’ (Str., Phld.), μετα-κόμισις, εἰσ-κόμισμα u. a. (Sch., Gloss.). — Als Hinterglied in zahlreichen Zusammenbildungen -κόμος, z. B. εἰρο-κόμος ‘Wolle bearbeitend, Wollspinnerin’ (Γ 387, AP), ἱπποκόμος ‘Pferdewärter, Stallknecht’ (ion. att.). — Zur Bedeutungsentwicklung bei κομίζω nebst Ableitungen Wackernagel Unt. 219f., Hoekstra Mnem. 4 : 3, 103f. — Iterativ-intensives Deverbativ zu dem primären κάμνω (wie φορέω usw.; Schwyzer 719); daraus durch Erweiterung κομίζω mit der Rückbildung κομιδή (Schwyzer 421 A. 3 m. Lit.). — Dem Komp. ἱππο-κόμος entspricht heth. aššuššani- ‘Pferdewärter’ aus indoiran. *aśva-śam(a)-, s. Mayrhofer Sprache 5, 87 m. Lit. Weiteres s. κάμνω. I-908

κόμη f. Davon die Demin. κομίσκᾱ (Alkm.) und κόμιον (Arr.). Außerdem κομήτης m. ‘(langes) Haar tragend, langhaarig(er Mann)’ (ion. att.), "Haarstern", ‘Komet’ (Arist. usw.; Scherer Gestirnnamen 105, 107f.), auch Pflanzenname = ‘τιθύμαλλος, Euphorbia’ (Dsk.); κομήεις ‘belaubt’ (Orph.). Denominativum κομάω (ion. -έω) ‘langes Haar tragen, (mit wohlgepflegtem Haare) prangen’ (seit Il.); vereinzelt u. spät mit ἀνα-, κατα- u. a. ‘Haupthaar’ (zum Numerus Schwyzer-Debrunner 43), auch von der Mähne des Pferdes (seit Il.), übertr. ‘Laubwerk, Laub’, auch vom Wachstum im allg. (seit Od.), ‘Kometenschweif’ (Arist.). Kompp., z. B. ἱππό-κομος ‘mit Roßhaar bedeckt’, vom Helm (Il.; aber ἱππο-κόμος zu κομέω), κομα-τροφέω (-ο-) ‘das Haar wachsen lassen’ (Amorgos, Str.). — Nicht sicher erklärt. Beachtung verdient der alte Gedanke, κόμη als "gepflegtes Haar" (im Gegensatz zu θρίξ; s. d.) mit κομέω ‘pflegen’ zu verbinden; urspr. Bedeutung dann *‘Pflege’. Schwyzer 725 A. 10 erwägt sogar für κόμη postverbale Entstehung aus κομάω, das Nebenform zu κομέω ‘pflegen’ sein könnte. Da sich aber κομάω immer auf das Haar bezieht und nie im Sinn von ‘pflegen’ o. ä. gebraucht wird, ist diese Annahme nicht besonders wahrscheinlich. — Anders Wood ClassPhil. 21, 341f. — Lat. LW coma; vgl. W.-Hofmann s. v. I-908-909

κόμμι indekl. oder -εως, -ει (-ιδι) n. ‘Gummi’ (Hdt., Hp., Arist., Thphr. usw.); davon κομμίδιον (Hippiatr., Sch.), κομμι(δ)ώδης ‘gummiähnlich’ (Arist., Thphr.), κομμίζω ‘Gummi ähnlich sein’ (Dsk.). — Aus ägypt. kemai, kema· (Schrader-Nehring Reallex. 2, 417). Aus κόμμι lat. cummi(s), jünger gummi; daraus die europ. Formen. Bei unabhängiger Entlehnung aus dem Ägyptischen (Fohalle Mélanges Vendryes 171; dazu Kretschmer Glotta 16, 166) wären die beiden Sprachen schwerlich auf dieselbe Form gekommen. I-909

κομμόομαι, -όω ‘(sich) putzen, zieren, verschönern’ (Eup., Arist., Them.), ἐπι-~ (Them.). Davon κόμμωμα ‘Putz, Zier’ (Luk.), -ωσις ‘Verzierung’ (Ath., H.); Rückbildung κομμός· περίεργος κόσμησις (Suid.); -ωτής ‘Putzer, Friseur’ (Arr., Luk., Plu. u. a.) mit κομμωτίζω· ἐπιμελοῦμαι (Suid.), -ώτρια f. ‘Putzmädchen, Zofe’ (Ar., Plat. u. a.), -ώτριον ‘Putzmittel’ (Ar.), -ωτικός ‘zum Putz, zur Verschönerung gehörig’, -ωτική (τέχνη) ‘Verschönerungskunst’ (Pl., hell. u. spät); κομμώ· ἡ κοσμοῦσα τὸ ἕδος τῆςΑθηνᾶς ἱέρεια (AB). — Als ausgesprochenes Kulturwort unterliegt κομμόω offenbar dem Verdacht, eine modische Neuschöpfung oder Entlehnung zu sein. Die Ähnlichkeit mit κόσμος bzw. κομψός hat zu Versuchen geführt, eine Verbindung herzustellen: *κομμος dialektisch für κόσμος (L. Meyer 2, 342); aus *κομπ-μ-ος neben κομπ-σ-ος (= κομψός) als idg. Wechselformen (?; Brugmann IF 28, 359 A. 2); beides wenig überzeugend. An sich richtiger war der Gedanke Solmsens, RhMus. 56, 501f., darin eine Neubildung zu sehen, u. zw. von κομμώ aus, das mit hypokoristischer Gemination für *κομώ (: κομεῖν) stände. I-909

κόμπος m. ‘Geräusch, Geklirr beim Anschlagen an einen Körper, lauter Lärm, Prahlerei’ (vorw. poet. seit Il.). Kompp., z. B. ὑπέρ-κομπος ‘übermäßig lärmend, großprahlend’ (A., Men.). Ableitungen: κομπώδης ‘großprahlerisch’ (Th., Plu.), κομπός m. ‘Prahler, prahlend’ (E.; zum Akzent usw. Schwyzer 459), κομπηρός ‘laut klingend’ (Arist.-Komm., Sch.). Denominativa: 1. κομπέω ‘klirren’ (Μ 151), ‘klirren machen, anschlagen’ (D. L.), gew. ‘(mit etw.) prahlen, sich blähen’ (vorw. poet. seit Pi.; zur Bildung Schwyzer 726 m. A. 5). 2. κομπάζω ‘prahlen, sich blähen’ (vorw. poet. seit B. und A.), ‘(ein Geschirr) anschlagen, um den Gehalt zu prüfen’ (Pap.) mit κομπάσματα pl. (selten sg.) ‘prahlende Reden’ (A. usw.), κομπασμός ‘Prahlerei’ (Plu.), κομπασία ‘das Klirrenmachen, Anschlagen’ (Pap.), κομπαστής ‘Prahler’ (Ph., Plu. u. a.) mit κομπαστικός (Poll.), auch s. v. a. "Anschläger" (Pap.), κόμπασος (Hdn.), Κομπασεύς ‘dem (angeblichen) Κόμπος-Gau angehörig’ (Ar.). 3. κομπόω (Pass.) ‘mit etw. prahlen’ (D. C.). — Ohne Etymologie, wahrscheinlich onomatopoetisch; vgl. zu βόμβος, κόναβος und κόμβα. Verfehlte idg. Deutungsversuche bei Bq. I-909-910

κομψός ‘fein, elegant, geistreich, listig’ (att.). Kompp., z. B. περί-κομψος ‘überaus fein’ (Ar.). Davon κομψότης ‘Feinheit, Eleganz’ (Pl. u. a.), κομψεύομαι (-εύω) ‘geistreich sein, (sich) witzig ausdrücken’ (Pl. u. a.) mit κομψεία (Pl., Luk.), κόμψευμα (Arist., Luk., Gal.) ‘witziger Ausdruck, Spitzfindigkeit’. — Über κομψός als Stilbegriff s. H. Wersdörfer Die φιλοσοφία des Isokrates im Spiegel ihrer Terminologie (Leipzig 1940) S. 105f., 127f. Seit lange (Bezzenberger-Fick BB 6, 237) mit lit. švánkus ‘fein, anständig, angemessen’ verbunden (zum Lautlichen Schwyzer 302). Wohlbegründete Einwände bei Chantraine REGr. 58, 90ff., der begrifflich ansprechend, aber morphologisch nicht ganz glatt dafür Anknüpfung an κομέω, κομμόομαι (über *κομ-σός) sucht. Zum Suffix noch Stang Symb. Oslo. 23, 46ff. I-910

κοναβέω (AP), Aor. κοναβῆσαι (Hom., Hes.), κοναβίζω (Il., Orph.; nur Ipf.; zum metrisch bedingten Gebrauch der verschiedenen Formen Schwyzer 105 u. 736, Chantraine Gramm. hom. 1, 340 u. 350) ‘dröhnen, rasseln, klirren’. Daneben, wohl als Rückbildung, κόναβος m. ‘Gerassel, Geklirr’ (κ 122, A. Th. 160 [lyr.]); κοναβηδόν ‘mit Gerassel’ (AP). — Ausgang wie in ἀραβέω (ἄραβος), ὀτοβέω (ὄτοβος), θορυβέω (θόρυβος) u. a. (Chantraine Formation 260, Schwyzer 496); der Anfang erinnert an καναχή, κόμπος. Die weitere Analyse dieses lautnachahmenden Wortes bleibt offen. I-910

κοναρόν · εὐτραφῆ, πίονα, δραστήριον; κοναρώτερον· δραστικώτερον; κονάριχον· γλαφυρόν H. — Im Sinn von δραστήριος wohl zu ἐγκονέω (s. d.). Ob sich die Interpretamenta εὐτραφῆ, πίονα auf ein anderes κοναρόν beziehen, ist fraglich; es kann sich auch wie so oft um verschiedene Erklärungsversuche einer und derselben dunklen Textstelle handeln. Aus ähnlichen Gründen entzieht sich das familiär-deminutive κονάριχον einer bestimmten Beurteilung. I-910-911

κόνδαξ, -ᾱκος m. Ben. eines Hasardspiels, das mit einem stumpfen Speer gespielt wurde (AP 5, 60 [sens. obsc.], Cod. Just. 3, 43, 1, 4) . — Zunächst von κόνδοι· κεραῖαι H. (zu κόνδοι· ἀστράγαλοι s. κόνδυλος), das indessen wohl nur für κοντοί steht mit Erweichung der Tenuis hinter Nasal (vgl. Schwyzer 210). Zum ᾱκ-Suffix Björck Alpha impurum 69. — Ein anderer Name des Spiels ist κονδο-μονόβολον (Cod. Just. ebd.). I-911

κόνδυ, -υος n. N. eines Trinkgeschirrs (hell.), nach H. = ποτήριον βαρβαρικόν, κυμβίον; Deminutivum κονδύλιον (hell.). — Wie viele andere Wörter auf -υ (vgl. Chantraine Formation 119) offenbar entlehnt. I-911

κόνδῠλος m. ‘Knöchel, Knochengelenk, geballte Faust, Wulst des Zahnfleisches usw.’ (ion. att.). Als Hinterglied z. B. in μονο-, δι-κόνδυλος (Arist.). Davon κονδυλώδηςκ.-artig, knollig’, κονδύλωμα, -σις ‘harte Anschwellung, Schwulst, Verhärtung’ (Hp. u. a.), κονδυλωτός ‘mit κ. versehen’ (att. Inschr. IVa), kaum über κονδυλόομαικ. erhalten, anschwellen’ (Aspasia ap. Aët., H.). — κονδυλίζω ‘mit der Faust (ins Gesicht) schlagen, ohrfeigen, mißhandeln’ (Hyp., LXX usw.) mit κονδυλισμός (LXX u. a.). — Andere Körperteilbenennungen auf -υλος sind δάκτυλος, σφόνδυλος (vgl. Güntert Reimwortbildungen 116ff.); der Stamm erscheint in κόνδοι· ἀστράγαλοι H. Auswärtige Beziehungen sind ganz unsicher oder abzulehnen: aind. kanda- m. ‘Knollenwurzel’, kandúka- m. ‘Spielball’, kanduka- n. ‘Kissen’ (vgl. Mayrhofer s. vv., der dravidische Herkunft erwägt); lit. kánduolas ‘Kern’ (zu kándu, ką́sti ‘beißen’; s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. v. m. Lit.). Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 390. I-911

κονί̄λη f. Art der aromatischen Pflanze Origanum, ‘Majoran’ (Nik., Mediz., Dsk.). — Bildung wie ζωμίλη, μαρίλη u. a. (Chantraine Formation 249, Schwyzer 483), sonst unklar. Persson Beitr. 2, 809 A. 1 vermutet Zusammenhang mit κνῖσα, κνίζω (wegen des stechenden Geruchs). Lat. LW cunīla. I-911

κόνις, -ιος, -εως (-εος), -ι, -ει f. ‘Staub, Asche’ (seit Il.). Als Vorderglied in der Zusammenbildung κονι-ορ-τός m. ‘Staubwolke’ (ion. att.), von ὄρ-νυμι mit το-Suffix (anders Pisani Ist. Lomb. 77, 558), ngr. κορνιαχτός (Hatzidakis Glotta 3, 70ff.); in den Kompp. κονί̄-σαλος m. (κονίσ-σαλος, vgl. unten) ‘Staubwolke’ (Il.), ‘der öl- und schweißgemischte Staub des Ringers’ (Gal.), auch N. eines priap-ähnlichen Dämons (Kom., Inschr.) und eines lasziven Tanzes (H.; vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 161 u. 279); in der letztgenannten Bed. von Fick u. a. (s. Scheller Oxytonierung 50 A. 2) als besonderes Wort betrachtet; κονί̄-ποδες m. pl. Art Schuhe (Ar. Ek. 848, Poll.), N. der Sklaven in Epid. (Plu.; franz. Parallelen bei Niedermann KZ 45, 182). Denominatives Verb κονί̄ω, -ίομαι, Fut. κονί̄σω, hell. κονιοῦμαι, Aor. κονῖσαι (κονίσσαι), Perf. Med. κεκόνι(σ)μαι, auch mit ἐν-, δια- u. a., ‘mit Staub bedecken, sich mit Sand bestreuen’ (seit Il.; zur Bildung unten); davon κόνιμα (Delphi IIIa), -ισμα (Kythera) ‘Staub des Ringerplatzes’, κόνισις ‘das Bestäuben, Übung am Ringerplatz’ (Arist.), ἐνκονιστάς m. ‘gymnasta’ (Theben; Fraenkel Nom. ag. 1, 174f.), κονίστρα (Arist. usw.), κονιστήριον (Pergam. IIa u. a.) ‘Staubplatz, Ringerplatz’, κονιστικός ‘sich im Staub wälzend’ (Arist.). Erweiterte Form κονίζεσθαι· κυλίεσθαι, φθείρεσθαι, κονιορτοῦσθαι H. (hierher auch κονιοῦμαι?). Sonstige Ableitungen: κόνιος ‘staubig’ (Pi.), ‘stauberregend’ (Paus., Bein. des Zeus), κονιώδης ‘aschenähnlich’ (Hp.). — κονία, ep. ion. -ίη, metr. gedehnt -ί̄η (κόννα· σποδός H. äol.?) ‘Staub, Asche, Sand’ (Hom., Hes. Sc., A. u. E. in lyr.), ‘Aschenlauge’ (Ar., Pl., Thphr., Mediz.), ‘Kalk, Tünche, Gips’ (LXX, hell. u. sp. Inschr. u. Pap.). Davon κονιάω ‘mit Kalk überstreichen, tünchen’ (D., Arist. u. a.) mit κονίαμα ‘Kalk, Tünche, Gips’ (Hp., D., hell.), κονίασις ‘das Tünchen’ (hell. Inschr. usw.), κονιατήρ ‘Tüncher’ (Epid. IVa), κονιατής ‘ds.’ (Inschr. u. Pap.; Redard Les noms grecs en -της 36); κονιατός ‘getüncht’ (X., Thphr., Pap.; Ammann Μνήμης χάριν 1, 17), κονιατικά (ἔργα) ‘Stuckarbeiten’ (Pap., Inschr.). Nebenform κονιάζομαι ‘mit Asche bestreut werden’ (Gp.). — Von lat. cinis, -eris m. (f.) unterscheidet sich κόνις nur im Ablaut des Stammvokals (e : o); der aus ciner-is und cinis-culus zu erschließende s-Stamm läßt sich auch für κονίσ-σαλος, κεκόνισ-μαι, κονί̄ω aus *κονισ-ι̯ω, κονί-α aus *κονισ-ᾱ vermuten (Einzelheiten bei Scheller Oxytonierung 49f.). Das Wort war vielleicht ursprünglich ein neutr. is-(i-?)Stamm; s. zuletzt Benveniste Origines 34, Specht Ursprung 298. Zugrunde liegt wahrscheinlich ein verlorengegangenes Verb der Bed. ‘kratzen, schaben, reiben’, von dem mehrere Ableger erhalten sind; s. zu -κναίω; daselbst auch weitere Lit. I-911-912

κονίς, gew. pl. κονίδες f. ‘Eier von Läusen, Flöhen, Wanzen’ (Arist., Antyll. ap. Orib., Hdn.). Davon κονιδισμός ‘Krankheit der Augenwimpern’ (Kyran.; zur Bildung Chantraine Formation 142ff.). — Altes Wort, zu dem mehrere Sprachen nahe oder entfernt vergleichbare Formen bieten. Am nächsten kommen germ. ags. knitu, ahd. (h)nizNiss’ und alb. thënī́ ‘Laus’, die auf idg. *ḱnid- zurückgehen können (gr. κονίς nach κόνις? Georgacas Glotta 36, 164). Daneben stehen mit idg. gh- slav., z. B. russ. gnída, lett. gnĩda, nordgerm., z. B. awno. gnit ‘Nisse’. Mit -l- lit. glìnda ‘ds.’, das zu lat. lēns, lendis ‘ds.’ eine Brücke zu schlagen scheint. Wieder anders kelt., z. B. mir. sned f. ‘Nisse’ (idg. *snidā) und arm. anic ‘Laus’ (idg. *sn̥nid-s-?). — Infolge volksetymologischer, euphemistischer, tabuisierender Veränderungen und Verdrehungen läßt sich, wie nicht anders zu erwarten war, keine einheitliche Grundform wiederherstellen. Für κονίς liegt an sich Anknüpfung an die Sippe von κναίω, κνίζω nahe, aber dabei muß das auf anlaut. Palatal zurückgehende alb. thënī́ besonders erklärt werden. Entsprechend lassen sich die slavischen und nordgerm. Formen mit einem Verb für ‘zernagen, zerreiben’ (gr. χνίει, χναύω usw.) verbinden. — Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 461, Pok. 608 u. 437, W.-Hofmann u. Ernout-Meillet s. 2. lēns, Fraenkel Lit. et. Wb. s. glìnda, Vasmer Russ. et. Wb. s. gnída. I-912-913

κόνναρος m. N. eines dornigen immergrünen Strauches, ‘Zizyphus Spina Christi’ (Theopomp. Hist. u. a.); κόνναρον· καρπὸς δένδρου ὅμοιος (ὁμοίου?) παλιούρῳ H. — Bildung wie κόμαρος (s. d.) u. a.; sonst dunkel. I-913

κοννέω nur κοννεῖς, κοννῶ (A. Supp. 130 u. 164 [kyr.]) und κοννεῖν· συνιέναι, ἐπίστασθαι, κοννοῦσι· γινώσκουσιν H. ‘kennen, verstehen’, — Die Ähnlichkeit mit κόν· εἰδός (?) und ἔκομεν· εἴδομεν, ἑωρῶμεν, ᾐσθόμεθα H., letzten Endes auch mit κοέω ‘bemerken, vernehmen’ (s. d.) ist schon längst beobachtet worden (s. Lit. bei Bq); aber die Einzelheiten und die Bildungsweise bleiben gänzlich dunkel. I-913

κόννος m. ‘Bart’ (Luk. Lex. 5), nach H. = ὁ πώγων, ἢ ὑπήνη, ἢ χάρις; in ähnlicher Bed. wie σκόλλυς, μαλλός (s. ἱέρωμα und κοννοφόρων). — Außerdem im Plur. neben ψέλλια als Ben. eines Mädchenschmucks (Plb. 10, 18, 6, wo κόνοι, aber -νν-Suid.). — Unerklärt. I-913

κοντός m. ‘Stange, Schifferstange’ s. κεντέω. I-913

κόνυζα auch σκόνυζα (Pherekr.) und κνύζα (Theok.) > ngr. (kalabr.) kliza usw. (Rohlfs ByzZ 37, 53, Wb. s. v.), f. (Hekat., Arist., Thphr., Dsk. u. a.), N. einer stark riechenden Pflanze, ‘Flohkraut, Inula (viscosa, graveolens, britannica)’; davon κονυζήειςκ.-ähnlich’ (Nik.), κονυζίτης (οἶνος) ‘mit κ. gewürzt’ (Dsk., Gp.; Redard Les noms grecs en -της 97). — Bildung wie μώλυζα, μάνυζα, ὄρυζα, κόρυζα u. a. Kann nach diesen zu κονίς (s. d.) gebildet sein, wobei das dialektale κνύζα sich als Umbildung nach κνύω erklären läßt. Anderseits ist κνύζα (< *κνύγ-ι̯ᾰ?) mit awno. hnykr (urg. *hnuki-, idg. *knugi-) ‘Gestank’ (wozu κνόος, κνύω) verglichen worden (Torp bei Fick 3, 100). Wenn richtig, ist κόνυζα sekundäre Umbildung nach κονίς (nach Schwyzer 278 -ο- Vokalentfaltung). I-913-914

κόπις m. ‘Schwätzer, Lügner’ s. κόπτω. I-914

κόππα n. N. des Buchstaben q, der urspr. im Alphabet zwischen π und ρ stand (Parmeno 1), auch Zeichen für 90 (Pap. u. a.). Davon κοππατίας m. ‘Pferd, das am Schenkel ein Koppa eingebrannt hat’ (Ar.; mit Anspielung auf κόπτω; vgl. στιγματίας u. a.), auch κοππα-φόρος (Luk.). — Aus dem Phönizischen; vgl. hebr. qōph. I-914

κόπρος f. (zum Genus Schwyzer-Debrunner 34 A. 4) ‘Mist, Dünger, Kot, Schmutz, Düngerplatz, Viehhof’ (seit Il.). Kompp., z. B. κοπρο-λόγος ‘Unratsammler’ (Ar.), κοπρο-φορά ‘Dünger(last)’ (Amorgos IVa; Fraenkel Nom. ag. 2, 187 A. 2 [S. 188]). Zahlreiche Ableitungen. A. Subst. κόπριον = κόπρος (Heraklit., Hp., Inschr., Pap. u. a.) mit κοπριώδης ‘mistähnlich, voll von Mist’ (Hp., Thphr., Pap.), κοπριακός ‘zum Dünger gehörig’ (Pap.); κόπρανα pl. ‘Exkremente’ (Hp., Aret.); κοπρία ‘Misthaufen’ (Semon., Stratt., Arist. usw.; Scheller Oxytonierung 44); κοπρών (Ar. usw.), -εών (Tz.), -ιών (Gortyn) ‘Abtritt’; κοπροσύνη ‘Düngen’ (Pap. VIp); — Κοπρεύς Herold des Eurystheus (Ο 639; Boßhardt Die Nomina auf -ευς 121); Κοπρεαῖος scherzhafter PN (Ar.); κοπρίαι pl. ‘Possenreißer’ (D. C.; lat. copreae). — B. Adj. Κόπρειος ‘dem Κόπρος genannten Demos gehörig’ (Inschr.), auch mit Beziehung auf κόπρος (Ar.), Κόπριος ‘ds.’ (Is. u. a.); κόπρινος ‘in κ. lebend’ (Hp.); κοπρώδης ‘mistähnlich, schmutzig’ (Hp., Pl., Arist.). — C. Verba. κοπρέω ‘düngen’ nur Fut. Ptz. κοπρήσοντες (ρ 299; v. l. κοπρίσσοντες); (ἐκ-, ἐπι-)κοπρίζω ‘ds.’ (ρ 299 v. l., Hp., Thphr. u. a.) mit κόπρισις, -ισμός ‘das Düngen’ (Thphr., Pap.); κοπρόω ‘mit Mist verunreinigen’ (Arr.) mit κόπρωσις ‘das Misten’ (Thphr.; ἐκκοπρόω mit -ωσις Hp.); κοπρεύω = κοπρίζω (Chios V-IVa), κοπρεῦσαι· φυτεῦσαι H. — Thematische Umbildung eines alten r-n-Stammes, der in aind. śákr̥-t, śakn-áḥ ‘Mist’ erhalten ist; idg. somit *ḱoqr-. Ein primäres Verb wird in lit. šikù, sìkti ‘cacare’ vermutet. WP. 1, 381, Pok. 544, W.-Hofmann s. cacō und mūscerda m. reicher Lit. S. auch zu σκῶρ. Das Lallwort κακκάω ist damit nicht verwandt. I-914-915

κόπτω, Aor. κόψαι (seit Il.), Pass. κοπῆναι (att.), Perf. κέκοφα (att.), ep. Ptz. κεκοπώς (Ν 60 mit v. l. -φώς und -πών; äol.? Schwyzer 772; nach Chantraine Gramm. hom. 1, 397 eher themat. Aor.), Med. κέκομμαι (A.), Fut. κόψω (Alk., Hippon. usw.), ‘stoßen, schlagen, hauen, hämmern, zerreiben, ermüden’ sehr oft mit Präfix in verschiedenen Bed.varianten, z. B. ἀπο-, ἐκ-, προ-, περι-, συν-, Zahlreiche Ableitungen (Einreihung nicht immer sicher oder eindeutig): 1. κόπος eig. *‘Schlag’ (so noch E. Tr. 794 für überl. κτύπος?; vgl. auch A. Ch. 23), ‘Mühsal, Mühe, Ermüdung, Arbeit’ (ion. att.); davon κοπώδης ‘ermüdend, müde’ (Hp., Arist., hell.), κοπηρός ‘ds.’ (Hdn.); κοπόομαι, -όω ‘müde werden, ermüden’ (J., Plu. usw.) mit κόπωσις (LXX), κοπάζω ‘müde werden, nachlassen’ (ion. hell. u. sp.) mit κόπασμα (Tz.), κοπιάω (ἐγ-, συγ-, προ-) ‘müde werden, sich abmühen’ (ion. att.) mit κοπιαρός ‘ermüdend’ (Arist., Thphr.), κοπιάτης ‘Erdarbeiter, Gräber’ (Cod. Theod., Just.), κοπιώδης = κοπώδης (Hp., Arist. u. a.), κοπίαι· ἡσυχίαι H. — 2. (ἀπο-, ἐκ-, παρα-, προ- usw.)κοπή ‘das Stoßen, Hauen usw.’ (ion. att.) mit κόπαιον (Alkiphr. u. a.), κοπάδιον (Gloss.) ‘Stück’, κοπάριον ‘Art Sonde’ (Mediz.), (ἐγ-, ἐκ-)κοπεύς ‘Ölstampfer, Meißel usw.’ (hell. u. sp.; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 73). — 3. κόμμα (διά-, ἀπό-, περί- u. a.) ‘Einschnitt, Gepräge, Abschnitt’ (ion. att.) mit κομμάτιον ‘kleiner Abschnitt usw.’ (Eup. u. a.), κομματίας ‘der in kurzen Sätzen spricht’ (Philostr.), -ατικός ‘aus kurzen Sätzen bestehend’ (Luk. u. a.); 4. κομμός ‘das an die Brust Schlagen, Trauerklage, Klaggesang’ (A., Arist.). — 5. κόπις, -ιδος m. ‘Schwätzer’ (Heraklit. 81 [?], E. Hek. 132 [lyr.], Lyk.), vgl. ὠτοκοπεῖ· κεφαλαλγει, ἐνοχλεῖ λαλῶν H., κόπτειν τὴν ἀκρόασιν, δημο-κόπος = δημηγόρος (H.) u. a. m. (Persson Beitr. 1, 162f.; s. auch Fraenkel Nom. ag. 2, 48 m. Lit., v. Wilamowitz Herm. 62, 277f.; anders über κόπις Pisani Acme 1, 324); dazu (oder zu κόπος?) κοπίζειν· ψεύδεσθαι H.; 6. κοπίς, -ίδος f. ‘Schlachtmesser, krummer Säbel’ (att.), auch N. des Mahls am ersten Tage der Hyakinthien zu Sparta (Kom.; vgl. Nilsson Gr. Rel. 1, 531) mit κοπίζω ‘die K. feiern’ (Ath.); 7. κοπάς, -άδος f. ‘beschnitten, gestutzt’ (Thphr.), ‘Gebüsch’ (hell. Pap.), ἐπι-κοπ-άς ‘abgeholztes Land’ (Pap.). — 8. κοπετός = κομμός (Eup., LXX, Act. Ap. usw.; zunächst von κόπος?; vgl. Schwyzer 501 und Chantraine Formation 300). — 9. πρό-, ἀπό-, πρόσ-κοψις usw. von προ-κόπτειν usw. (Sapph., Hp., Arist. u. a.). — 10. κόπανον ‘Schlachtmesser, Beil’ (A. Ch. 890), ‘Mörselstößer’ (Eust.), wovon κοπανίζω ‘zerstoßen’ (LXX, >Alex. Trall.) mit κοπανισμός, κοπανιστήριον H.; ἐπικόπανον ‘Hackeblock’ (hell.). — 11. κοπτός ‘zerstoßen’ (Kratin., Antiph.; vgl. Ammann Μνήμης χάριν 1, 18); κοπτή (σησαμίς) ‘Kuchen von zerstoßenen Sesamsamen’ (hell. u. ep.), ‘Meerzwiebel, θαλάσσιον πράσον’ (Ath.), ‘Pastille’ (Dsk. u. a.); 12. ἐπι-, περι-κόπτης ‘Satiriker’ bzw. ‘Steinmetz’ (Timo bzw. Pap.), Προκόπτας = Προκρούστης (B. 18, 28); 13. (ἀπο-, παρα-, προσ- usw.)κοπτικός (Mediz. u. a.) — 14. κόπτρα pl. ‘Hauerlohn’ (Pap.); 15. κοπτήριον ‘Dreschplatz’ (hell. Pap.). — 16. Zwei Pflanzennamen: κοπίσκος = λίβανος σμιλιωτός (Dsk. 1, 68, 1), κόπηθρον· φυτὸν λαχανῶδες ἄγριον H. — Hinzu kommen Verbalnomina wie ἀπό-, ἐπί-, παρά-, ὑπέρ-κοπος usw. und Zusammenbildungen wie δημο-κόπος (vgl. 5. oben); dazu Sturtevant ClassPhil. 3, 435ff.; zu -κόπος, -κοπῶ im Neugr. (Bed. stark verändert oder verblaßt) Hatzidakis Glotta 2, 292f. — Das Präsens κόπτω kann zu lit. kapiù (Inf. kàpti) ‘hauen, fällen’ genau stimmen; daneben stehen das Nasalpräsens kampù (Prät. kapaũ, Inf. kàpti) ‘zerschlagen werden, müde werden’ (vgl. κόπος ‘Ermüdung’) und das uncharakterisierte alb. kep ‘hauen’, idg. *qopō oder *qapō (nach Mann Lang. 26, 386 allerdings aus *qopi̯ō, das mit κόπτω identisch wäre). Hinzu kommt die Sekundärbildung lit. kapóju, -óti ‘hacken, spalten, zerschlagen, hauen usw.’ = lett. kapãju, -ât ‘ds.’, die auch auf slav. Gebiet auftritt, z. B. russ. kopájo, -átь ‘hacken, hauen, graben’. Wie sich die oben angeführten Formen zu den zahlreichen Wörtern mit anlautendem sk-, z. B. σκάπτω, σκέπαρνος (s. dd.) verhalten, bleibt wohl für immer eine ungelöste Frage; wegen des semantischen und formalen Ineinandergreifen ist jedenfalls eine reine Scheidung nicht möglich; vgl. WP. 2, 559ff., Pok. 930ff., auch W.-Hofmann s. cāpō. — Daß κόπτω mit auffälligem ο-Vokal für älteres *κεπτω nach κόπος eingetreten wäre (Specht KZ 59, 108), ist angesichts des lebendigen ε:ο-Wechsels (σκέπτομαι : σκοπός usw.) nicht wahrscheinlich. I-915-916

κοράλλιον (Peripl. M. Rubr., Dsk. u. a.), κοράλιον (S. E.), κουράλιον (Thphr. u. a.), κωράλ(λ)ιον (att. nach Hdn. Gr. 2, 537) n. ‘Koralle’ mit κοραλλικός ‘korallenähnlich’ (Ps.-Demokr.), -ίζω ‘einer K. ähnlich sein’ (Dsk.). — Herkunft unbekannt, wahrscheinlich Mittelmeerwort. Schrader-Nehring Reallex. 1, 628r erwägt Univerbierung aus κόρη (κούρη) ἁλός "Tochter des Meeres" als Lehnübersetzung eines ähnlichen indischen Ausdrucks. Die wechselnden Schreibungen κορ-, κουρ-, κωρ- beruhen jedenfalls auf Assoziation mit κόρη usw. Semitische Etymologie bei Lewy Fremdw. 18f. (hebr. gōrāl ‘Steinchen’). — Davon als LW lat. corallium, cūralium, vgl. W.-Hofmann s. v. I-916-917

κόραξ, -ακος m. ‘Rabe’ (Thgn., Pi. usw.; Κόρακος πέτρη "Rabenfels" ν 408), oft übertr. ‘Haken, Enterhaken, Türhaken usw.’ (hell. u. spät), auch als Fischname (Diph. Siph.; vgl. unten) und als N. eines Sternbildes (Eudox. usw.; Scherer Gestirnnamen 191). Kompp. κορακο-ειδής ‘rabenähnlich’ (Arist.), ὀξυ-κόρακος ‘mit einem scharfen Haken’ (Paul. Aeg.). Mehrere Ableitungen, unter denen einige Fisch- und Pflanzennamen (wegen der Farbe und der Stimme, bzw. wegen des Standorts; Strömberg Fischnamen 114f., Pflanzennamen 119): Deminutiva κοράκιον ‘Häkchen’ (Pap.), Pflanze = ἱεράκιον (Arist.), κορακίσκος (Gloss.), κορακῖνος m. ‘junger Rabe’ (Ar.), gewöhnlich Fischname, ‘Sciaena nigra’ (Epich., Ar., Arist. usw.) mit f. κορακινίς (Gp.), Demin. -ινίδιον (Kom., Pap.); lat. LW coracīnus > ital. coracino usw.; κορακίας m. ‘Alpenkrähe, Pyrrhocorax alpinus’ (Arist., H.), Κορακιαί pl. ON in Delos (Inschr. IIIa; mit oppositivem Akzent); κορακεύς· εἶδος ἰχθύος H. (Boßhardt Die Nom. auf -ευς 85); κοράκεως m. = κορώνεως ‘Feigenbaum mit rabenschwarzen Früchten’ (Hermipp. 51; vgl. zu ἐρινεώς s. ἐρινεός); κορακησία Pflanzenname (Pythag. ap. Plin.), Κορακήσιον ON (Pamphylien) mit -ήσιος, -ησιωτικός (Pap. IIIa); zu -ήσιος Chantraine Formation 42, Schwyzer 466; κορακώδης ‘rabenähnlich’ (Arist.), κοραξός ‘rabenschwarz’ (Str. u. a.), κόραξος Fischname (Xenokr.) mit σο-Suffix (Schwyzer 516, Chantraine 434); (κατα-)κορακόω ‘(mit einem Türhaken) verschließen’ (Mon. Ant. u. a.), κοράξαι· ἄγαν προσλιπαρῆσαι. πεποίηται παρὰ τοὺς κόρακας H., wohl eig. ‘sich anhaken’; davon als Rückbildung κόρακος m. ‘Pflaster’ (Paul. Aeg.)? — σκορακίζω eig. "zu den Raben (ἐς κόρακας) gehen heißen", ‘fortjagen, beschimpfen’ (att., hell.) mit σκορακισμός ‘Beschimpfung, Verwünschung’ (LXX, Plu.); vgl. Schwyzer 413. — Ausführlich über κόραξ, κορακίας, κορακῖνος Thompson Birds und Fishes s. vv. — Onomatopoetisches Wort auf -αξ, mit den anders gebildeten lat. corvus ‘Rabe’, gr. κορώνη, lat. cornīx ‘Krähe’, gr. κόραφος Vogelname (H.) verwandt. In -α-ξ wird seit Brugmann Grundr.2 2 : 1, 494f. wegen cor-n-īx, κορ-ών-η ein sonantisches -- vermutet. — Weitere Formen mit reicher Lit. bei WP. 1, 413ff., Pok. 567ff., W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. cornīx. Vgl. κορώνη, auch κορκορυγή; κράζω und κρώζω. I-917

κόρδᾱξ, -ᾱκος m. N. eines Tanzes in der alten Komödie (Ar., Thphr. u. a.), auch im Kulte des Apollon (Amorgos) und der Artemis (Sipylos, Elis; Paus. 6, 22, 1). Davon Κορδάκα f. Bein. der Artemis in Elis (Paus. a. a. O.), κορδακικόςκ.- ähnlich’ (Arist.), κορδακίζω ‘den κ. tanzen’ (Hyp. u. a.) mit -ισμός (D. u. a.), -ισμα (H.), -ιστής (Amorgos, Pap.). — Dorisches Wort (Björck Alpha impurum 61 m. Lit.) unsicheren Ursprungs. Zum Vergleich sind schon längst (s. Curtius 154) herangezogen worden aind. kūrdati ‘springen, hüpfen’ (dravidisch?; s. Mayrhofer Wb. s. v., Kuiper Sprachgesch. u. Wortbedeutung 244), des weiteren κραδάω, κραδαίνω, κράδη (s. d.) und σκορδινάομαι (s. d.); vgl. noch zu κορδύλη. — Gegen idg. Herkunft Nehring Glotta 14, 185ff. I-917-918

κορδύ̄λη f. ‘τύλη, Geschwulst, Beule’ (Semon. 35, EM); N. einer Haartracht = att. κρωβύλος (Kreon ap. Sch. Ar. Nu. 10, EM); ‘Keule, κορύνη, ῥόπαλον’ (H.), als Vorderglied (mit Silbendissimilation) in κορδυ-βαλλῶδες (πέδον, Luk. Trag. 222) ‘pavimentum’; ‘junger Thunfisch usw.’ (Str., cordȳla Plin., Mart., cordula Apic.; zur Begriffsbestimmung Thompson Fishes s. v.), auch σκορδύλη (Arist.) und κορύδῡλις (Numen. ap. Ath.) Denominatives Ptz. ἐγκεκορδυλημένοςεντετυλιγμένος, eingewickelt, zusammengerollt’ (Ar. Nu. 10). Bildung wie κανθύλη, σχενδύλη (Chantraine Formation 251), aber sonst dunkel. — Die Bed. ‘junger Thun’ kann auf ‘Keule’ zurückgehen, s. Strömberg Fischnamen 36; zur Nebenform mit σκ- Schwyzer 334; ob κορύδυλις ein anaptyktisches υ enthält (Strömberg a. a. O.) oder durch Anknüpfung an κόρυς u. Verw. verschuldet ist, mag dahingestellt sein. — Was sich für eine Realität hinter dem Wort κορδύλη sonst verbirgt, entzieht sich unserer Kenntnis; vgl. indessen Bechtel Dial. 1, 450. Güntert Reimwortbildungen 117f. vermutet Kreuzung von κόνδυλος mit κόρυς, κορυφή, κόρση, bzw. mit κορύνη. Die Verbindung mit κόρδαξ, κραδάω (seit Curtius) schwebt semantisch in der Luft; eine Grundbedeutung "Gedrehtes" für κορδύλη im Sinn von ‘τύλη, best. Haartracht’ (WP. 2, 567) ist nicht weniger willkürlich. Noch anders Persson Beiträge 1, 166 A. 4 (zu κόρθυς usw.). — Pelasgische Überlegungen bei v.Windekens Le Pélasgique 109. I-918

κορδύλος m. wahrsch. ‘Wassermolch, Triton palustris’ (Arist.); auch κουρῠ́λος (Numen. ap. Ath.). — Ob zu κορδύλη nach dem Rückenkamm, der insbesondere das Männchen kennzeichnet? I-918

κορέννυμι, -μαι (Them., Orph.), κορέω, κορέσκω (Nik.), κορίσκομαι (Hp.), Aor. κορέσ(σ)αι, -ασθαι (seit Il.), Pass. κορεσθῆναι (Od. usw.), Perf. Ptz. Akt. (intr.) κεκορηώς (Od. u. a.), Ind. Med. κεκόρημαι (seit Il.), κεκόρεσμαι (X. usw.), Fut. κορέω (Il.), κορέσω (Hdt.), ‘sättigen, sich sättigen, satt, überdrüssig werden’ (ep. ion., poet., auch sp. Prosa). vereinzelt mit ὑπερ- (Thgn., Poll.), ἀπο- (Gloss.), Davon κόρος m. ‘Sättigung, das Sattsein, Überdruß, Übermut’ (seit Il.); als Hinterglied in ἄ-κορος ‘unersättlich, unermüdlich’ (Pi.) mit ἀκορία ‘ungesättigter Zustand, Mäßigkeit’ (Hp.), ‘Unersättlichkeit’ (Aret.); διά-, κατά-, πρόσ-, ὑπέρ-κορος ‘gesättigt usw.’ (ion. att.); auch mit Umbiegung in die σ-Stämme und mit verbaler Umdeutung (Schwyzer 513) ἀ-, δια-, προσ- κορής usw. mit προσ-κορίζομαι ‘verdrießen, ärgern’ (Sch.). Als Privativum auch ἀ-κόρη-τος (Il. u. a.), ἀ-κόρε(σ)-τος (Trag. u. a.). — Mit Dehnstufe κώρα· ὕβρις H. (v. Blumenthal Hesychst. mit Lobeck). Zu κόρος (κοῦρος, κῶρος) ‘Jüngling’ und κόρη ‘Jungfrau’ s. bes. Ganz unsicher Αἰγι-κορεῖς pl. m. mit Αἰγικορίς f. N. einer der alten ionischen Phylen (E., Inschr. usw.; vgl. Hdt. 5, 66), s. Nilsson Cults 147 und Frisk ebd. — Der Ausgangspunkt des ganzen Paradigmas ist offenbar der Aorist κορέσαι, -ασθαι, zu dem die übrigen Formen allmählich hinzugeschaffen worden sind: Pass. κορε-σ-θῆναι (Chantraine Gramm. hom. 1, 406), Perf. κεκόρημαι, -εσμαι (Schwyzer 773), Fut. κορέω, -έσω, zuletzt auch die verschiedenen, spärlich belegten Präsentia κορίσκομαι, κορέω, -έσκω, -έννυμι; die Vorbilder ergaben sich von selbst. Das Verb war wohl ursprünglich wegen des perfektiven Aspekts auf den Aorist beschränkt; ein altes Präsens *κόρνυμι (Schwyzer 697; wie στόρνυμι) hat wenig für sich. — Der ο-Vokal, der auch in den gleichgebildeten στορέσαι ebenso wie in θορεῖν, μολεῖν, πορεῖν u. a. auftritt, ist nicht befriedigend erklärt (Versuche bei Schwyzer 360f. und Sánchez Ruipérez Emerita 18, 386ff.); dem zweisilbigen κορέ-σαι entspricht sonst das stoßtonige lit. šér-ti ‘füttern’, wozu noch der uralte s-Stamm in lat. Cerēs ‘Göttin des pflanzlichen Wachstums’, wohl auch arm. ser ‘Abkunft, Geschlecht, Nachkommenschaft’ (idg. *ḱéros n. mit Übergang in die o-Stämme). — Die übrigen Formen, z. B. lat. creō ‘schaffen’, crēscō ‘wachsen’, arm. sermn ‘Same’, alb. thjer ‘Eichel’, eig. "Futter" (WP. 1, 408f., Pok. 577, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. Cerēs, creō), sind für das Griechische ohne Belang. — Zu den Bedd. ‘sättigen, nähren, gedeihen lassen’, ‘sich sättigen, sich ernähren, gedeihen, wachsen’ vgl. den ähnlichen Sachverhalt bei der Sippe von lat. alō. I-918-919

κορέω, Aor. κορῆσαι, vorw. ‘auskehren, fegen, säubern’ (υ 149, Kom. u. a.). mit ἐκ-, vereinzelt mit ἀνα-, παρα-, ἀπο-, Davon κόρημα ‘Kehricht, Besen’ (Kom. u. a.), κόρηθρον ‘Besen’ (Luk. u. a.), auch, als Rückbildung, κόρος ‘Besen’ (Bion, H.). Als Hinterglied in Zusammenbildungen: σηκο-κόρος ‘Stallknecht’ (ρ 224, Poll.), νεω-κόρος (att. usw.), dor. να(ο)-κόρος ‘Tempelaufseher’ (Inschr.) mit -κορέω, -ία, -ίη, -εῖον, -ιον (att., hell. u. spät). — Zu ζακόρος s. bes. — Auch κορίζω in κεκορισμένος ‘gesäubert’ (BGU 1120, 40; Ia). Iterativ-intensives Deverbativum (Schwyzer 719) der Alltagssprache ohne Etymologie. Vergebliche Deutungsversuche von Hirt IF 17, 391, Prellwitz s. v., WP. 1, 462; s. Bq s. v. und W.-Hofmann s. cōlum. Vgl. auch κόσκινον. I-919-920

κόρη (seit h. Cer. 439; Zumbach Neuerungen 57), ep. ion. κούρη (seit Il.), dor. κώρα, κόρα, ark. kor. κόρϝα — Myk. ko-wo, ko-wa. f. ‘Jungfrau, Mädchen, Tochter’, übertr. ‘Pupille, Puppe’, archit. ‘weibliche Figur’, auch N. der Tochter der Persephone (ion. att., ark.); zum Bedeutungsinhalt Kerényi Paideuma 1, 341ff. Einige Kompp., z. B. κορο-πλάθος m. ‘Bildner weiblicher Figuren’ (att.). Ableitungen. Zahlreiche Deminutiva: κόριον, dor. (megar.) κώριον (Ar., Theok. u. a.) mit κορίδιον (Delphi, Naupaktos); κορίσκη (Pl. Kom. u. a.) mit -ίσκιον (Poll.); dazu Κορίσκος m. N. zur Angabe eines beliebigen Mannes (Arist. u. a.), auch als EN (D. L.); κοράσιον (hell. u.sp.; Schwyzer 471 A. 5 m. Lit.) mit -ασίδιον (Arr.), -ασίς (Steph. Med.), -ασιώδης (Kom. Adesp., Plu.); κόριλλα, Κόριννα (böot.; Chantraine Formation 252 u. 205); κορύδιον (Naupaktos). — Adjektiva: κουρίδιος (ion. poet. seit Il.), eig. ‘jungfräulich, unberührt, die in jungfräulicher Unberührtheit Gefreite’, dann ‘ehelich, rechtmäßig’ (ἄλοχος, πόσις, λέχος u. a.; zur Bed. Bechtel Lex. s. v., zur Bildung Schwyzer 467, Chantraine Formation 40); κουρήϊος ‘jungfräulich’ (h. Cer. 108; Zumbach Neuerungen 14); Κόρειος ‘zu Κόρη gehörig’, Κόρειον, -α pl. ‘Tempel’, bzw. ‘Fest der Κόρη’ (Attika, Plu.); κοραῖος ‘zum Mädchen gehörig’ (Epik. in Arch. Pap. 7, 8), κορικός ‘ds.’ (hell. u. sp.; Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 121). *Κορίτης (-τις) ‘Diener(in) der Κόρη’ im Κορειτῆαι pl. für *Κοριτεῖαι ‘Dienst der Κόρη?’ (Lykosoura). — Verba: κορεύομαι ‘die Jungfrauschaft verleben’ (E.), ‘die Jungfrauschaft verlieren’ (Pherekyd.) mit κόρευμα, κορεία Junfrauenstand’ (E., bzw. D. Chr., AP); κορίζομαι eig. *,,wie ein Mädchen (Kind) behandeln", ‘liebkosen’ (Ar.), ὑπο- ~ ‘mit Kosenamen benennen, anreden’ (Pi., att.). — Neben κόρη oder vielleicht davon gebildet (vgl. unten): κόρος (Trag., Pl. Lg., Plu. u. a.; auch dor.), ep. poet. κοῦρος, Theok. κῶρος m. ‘Jüngling, Knabe, Sohn’ (seit Il.). Kompp., z. B. ἄ-κουρος ‘ohne Sohn’ (η 64), κουρο-τρόφος ‘Jünglinge ernährend’ (Od. usw.); zu Διόσκουροι s. bes. — Ableitungen: κούρητες m. pl. ‘waffenfähige Junglinge, junge Krieger’ (Il.), Κουρῆτες, dor. Κωρ- (Hes., Kreta usw.) ‘Kureten’, N. göttlicher Wesen, die um das Zeuskind einen Waffentanz ausführten usw. (Hes. Fr. 198, Kreta usw.) mit Κουρητικός, -ῆτις, κουρητεύω, κουρητισμός (hell. u. sp.); zur Bildung von κούρητες Schwyzer 499, Chantraine Formation 267; zur Betonung Wackernagel Gött. Nachr. 1914, 106 (= Kl. Schr. 2, 1163) m. Lit.; dazu noch v. Wilamowitz Glaube 1, 129 A. 1. Zu κοῦρος noch κουρώδης ‘knabenähnlich’ (Aus.), wohl auch κούριος ‘jugendlich’ (Orph. A., Orac. ap. Paus. 9, 14, 3), κουροσύνη, -dor. -α ‘Jugend’ (Theok., AP), -συνος ‘jugendlich’ (AP). — Sowohl auf κόρη (κούρη) wie auf κοῦρος beziehbar ist κουρίζω ‘junger Mann, Mädchen sein’ (ep. seit χ 185), ‘einen Jüngling (zum Manne) erziehen’ (Hes.), κουριζόμενος· ὑμεναιούμενος H. — Das beschränktere Vorkommen von mask. κοῦρος, κόρος im Vergleich zu dem über die ganze Gräzität verbreiteten κούρη, κόρη läßt vielleicht den Schluß zu, daß das Mask. als Neubildung zum Fem. urgr. *κόρϝα hinzutrat; s. Lommel Femininbildungen 7ff. (wo auch über andere Wörter der betr. Sippe). Als mask. Gegenstücke dienten z. B. παῖς und νεανίας. — Daß κόρϝα, *κόρϝος zur Sippe von κορέννυμι gehört, dürfte als sicher gelten, aber die nähere Beurteilung ist schwierig: eig. Abstraktbildung, etwa "Wuchs, Gedeihen, Blüte"? Die Bed. ‘Sproß, Ast’ bei κόρος (sehr vereinzelt: Lysipp. 9, Hp. ap. Gal. 19, 113) ist trotzdem kaum uralt (Vermutung darüber bei WP. 1, 408), sondern aus ‘Sohn’ od. ähnl. entwickelt, wenn nicht zu κείρω, vgl. zu κοῦρος. Zu bemerken ist κόρυξ· νεανίσκος H. (neben κόριψ ‘ds.’ und Κόρυψ böot. PN, s. Bechtel Namenstudien 29f.), das einen vermittelnden u-Stamm enthalten kann; Specht Ursprung 148. Weiteres s. κορέννυμι. — κοῦρος nicht mit Bezzenberger, Fick und Bechtel (s. Lex. s. v.) zu lit. šárvas ‘Rüstung’, κόρυς ‘Helm’; s. Kretschmer Glotta 8, 254 und WP. a. a. O. I-920-921

κορθίλαι pl. in κορθίλας ποιεῖν (IG 22, 2493, 16; IVa), von Gartenarbeit, nähere Bed. unbekannt; vgl. κορθίλας καὶ κόρθιν· τοὺς σωρούς. καὶ τὴν συστροφήν H., auch κορθέλαι· συστροφαί, σωροί H. — Seit Fick BB 17, 322 mit χόρτος usw. verbunden (s. d.); vgl. indessen auch zu κόρθυς. I-921

κορθίλος (κόρθ- cod.) · ὄρνις, ὅν τινες βασιλίσκον H. — Bildung wie τροχίλος, σποργίλος und andere Vogelnamen (Chantraine Formation 249). — Läßt sich eine Anknüpfung an κόρθις, κορθίλαι semantisch begründen? I-921

κόρθυς, -υος f. ‘Getreidehaufe, Garbe’ (Theok. 10, 46: κόρθυος ἁ τομά; vgl. H.: κόρθυας· τὰ κατὀλίγον δράγματα), ‘Haufe, σωρός’ (EM 530, 3), vom Sand, ἄμμου κόρθυς (Anon. ap. Suid. s. κορθύεται). Davon κορθύομαι (κῦμα, bzw. ὕδωρ Ι 7, A. R. 2, 322) ‘einen Haufen (eine Garbe?) bilden, sich erheben’; κορθύνω (Ζεὺς κόρθυνεν ἑὸν μένος Hes. Th. 853). Aor. κορθῦσαι (εὖτέ με θυμὸς κορθύσῃ Hymn. Is. 150) ‘einen Haufen errichten, in die Höhe heben’. — Offenbar mit κόρθις, κορθίλαι nahe verwandt. Anknüpfung an aind. śárdha- m., śárdhas- n. ‘Schar, Truppe’, germ., z. B. got. haírda ‘Herde’, mkymr. cordd f. ‘Truppe, Schar, Familie’ u. a. m. (idg. *ḱordho-, -, *ḱerdhos-, -, eig. *"Haufen"?) liegt nahe; die weitere Verbindung mit der Sippe von κορέννυμι (Osthoff Etym. parerga 1, 8ff.; s. WP. 1, 424f., Pok. 579, auch W.-Hofmann s. creō) ist ganz hypothetisch. I-921-922

κορίαννον (Anakr., Kom., Thphr.), Kurzform κόριον (Hp., Nik., Pap. u. a.); auch κορίανδρον (Gloss.), dissimiliert κολίανδρον (Gp., Sch.); κορίαμβλον (H.); myk. ko-ri-ja-do-no, ko-ri-a2-da-na? n. ‘Koriander, Coriandrum sativum’ — Unerklärtes Mittelmeerwort; die Form -ανδρον ist offenbar volksetymologisch, ebenso -αμβλον (nach ἀμβλύς?); die Kurzform κόριον mit Anspielung auf κόρις ‘Wanze’ (Strömberg Pflanzennamen 61; wegen des Geruchs). Vgl. Hatzidakis Glotta 2, 297f. I-922

κορίαξος m. (Alex. Trall.) nach LSJ "a kind of fish"; dagegen Strömberg Fischnamen 115, der es eher als ‘Gewurzfleisch’ erklären will. — Somit zu κόριον, κορίαννον? Bildung allerdings ganz dunkel. I-922

κόρις, -ιος (-ιδος), -εως m. (f.) ‘Wanze, Cimex lectularius’ (Ar., Sor., Phryn.); auch als Fischname (Dorio, böot. Inschr., s. Lacroix Mélanges Boisacq 2, 52; nach der platten Form, Strömberg Fischnamen 124) und als Pflanzenname, ‘Hypericum empetrifolium’ (Dsk., Aët.; nach Form und Aussehen des Blattes?, Strömberg Theophrastea 50). Denominativum κορίζω ‘von Wanzen wimmeln’ (Gloss.). — Mit russ. korь f. ‘Motte’ identisch, u. zw. als altes Verbalnomen zum Verb für ‘scheren, schneiden’ in κείρω usw. (s. d.); mithin eig. "die Schneidende, die (Zer)beißende"; WP. 2, 574 nach Lidén Armen. Stud. 82f. (mit semantischen Parallelen) und Persson Beitr. 2, 942; anders Solmsen Wortforsch. 161. — Zur Bildung vgl. τρόπις, τρόφις, τρόχις u. a. (Schwyzer 462). Vgl. κόριον s. κορίαννον. I-922

κορκορυγή f. ‘dumpfer Lärm, Kriegslärm’ (A., Ar.) mit (δια-)κορκορυγέω ‘(durch)lärmen, (durch)toben’ (τὴν γαστέρα, Ar. Nu. 387 m. Sch.); κορκορυγμός ‘das Kollern im Bauch’ (Ps.-Luk. Philopatr. 3). — Onomatopoetisches Wort mit Reduplikation und Ausgang wie βορβορυγή, -γμός, ὀλολυγή, -γμός (Schwyzer 496, Chantraine Formation 401). Zum Stamm vgl. κόρκορα· ὄρνις. Περγαῖοι H. und κόραξ (s. d.). I-922

κορμός m. ‘abgehauenes Stück, Klotz, Rumpf’ s. κείρω. I-922

κόρνοψ, -οπος m. ‘Heuschrecke’ s. πάρνοψ. I-923

κόρος 1. m. ‘Sättigung, Überdruß, Übermut’ s. κορέννυμι. I-923

κόρος, 2. ion. κοῦρος m. ‘Jüngling, Knabe, Sohn’ s. κόρη. I-923

κόρος 3. m. Ben. eines Hohlmaßes für Getreide, Mehl u. ä., nach J. AJ 15, 9, 2 = 10 att. Medimnen (LXX, J., Ev. Luk., Pap.). — Semit. LW, vgl. hebr. kōr eig. ‘rundes Gefäß’. Lewy Fremdw. 116 m. Lit. I-923

κόρση, att. κόρρη, äol. κόρσα, dor. κόρρα f. ‘Schläfe, Schläfenhaar’, übertr. ‘Mauerzinne usw.’ (vorw. poet. seit Il. außer im att. Ausdruck πατάσσειν, τύπτειν, ῥαπίζειν ἐπὶ κόρρης; Prosa dafür κρόταφος). Kompp. πυρσόκορσος "mit roten Schläfen(haaren)", d. i. ‘mit roter Mähne’ (λέων; A. Fr. 110), ψιλο-κόρσης m. ‘kahlköpfig’ (Kall., Hdn.); κορσο-ειδής (λίθος) "schläfenfarbig", d. i. ‘grau’ (Plin.; vgl. mgr. κορσίτης; Redard Les noms grecs en -της 56), Κορρί-μαχος (thess.; Kretschmer Glotta 2, 350). Davon κορσεῖα, κόρσεα pl. ‘Schläfen’ (Nik.); κορσήεις = κορσοειδής (Orph. L. 498 [?]). — Wohl eig. als substantiviertes Adj. "geschorene Stelle" zu κορσός *‘geschoren’ (nach H. = κορμός), mit σ-ο-Suffix zu κείρειν; vgl. bes. κορσοῦν· κείρειν H., ἀ-κερσε-κόμης und κουρά (s. d.). Diese Deutung geht im Prinzip ins Altertum zurück, z. B. Poll. 2, 32: καὶ κόρσας τινὲς ἐκάλεσαν τὰς τρίχας διὰ τὸ κείρεσθαι; sie wurde in neuerer Zeit von Wackernagel KZ 29, 128 und von Schwyzer 285 vertreten. Nur ist ‘Haar’ nicht die ursprüngliche Bedeutung, sondern eine poetische Metapher; man hat vielmehr von ‘Haarschnitt (an der Seite des Hauptes)’ auszugehen, s. Frisk GHÅ 57 : 4, 14ff. mit Lit. und zahlreichen Parallelen. — Gewöhnlich seit Pott (s. Bq und WP. 1, 405 m. Lit.) zu κέρας, κάρηνα gezogen, semantisch ganz unbefriedigend. Abzulehnen ebenfalls J. Schmidt Pluralbild. 374 (zu lat. crista, crīnis); Otrębski Ling. Posn. 2, 256 (zu lat. cervīx); Forbes Glotta 36, 258ff. (zu κρόταφος). I-923

κορσός, -όω, κορσωτήρ usw. s. κουρά. I-923

Κορύβαντες sg. Κορύβας· ‘Ρέας ἱερεύς H.; auch Κύρβαντες, sg. -ας (Pherekyd., S., Lyk., Kall.). m. pl. ‘Korybanten’, Priester der phrygischen Kybele (E., Ar., Str. usw.), Davon κορυβάντειος ‘korybantisch’ (AP), -αντικός ‘ds.’ (Plu. u. a.), -αντίς f. ‘ds.’ (Nonn.), -αντώδης ‘K.-artig’ (Luk.), -αντεῖον n. ‘K.-tempel’ (Str.); κορυβαντιάω ‘nach Art der Korybanten verzückt sein’ (Pl., Longin. u. a.) mit -ιασμός (D. H., Longin.); κορυβαντίζω ‘die Korybantenweihe erteilen’ (Ar. V. 119, Iamb. u. a.) mit -ισμός· κάθαρσις μανίας H. — Bildung wie Ἄβαντες, ἀλίβαντες u. a. (Schwyzer 526, Chantraine Formation 269). Etymologie unbekannt; nach der Herkunft zu schließen, phrygisch. Hypothese von Kretschmer Sprache 2, 67f.: als phrygisch zu awno. huerfa ‘sich drehen usw.’ (got. ƕairban, s. zu 2. καρπός); ursprüngliche Form Κύρβαντες, woraus Κορύβ- durch Angleichung an κόρυς; hierher als phryg. LW nach K. auch κύρβις ‘drehbare Tafel’ (s. d.). I-923-924

κόρυδος (-δός) m. (f.) ‘Haubenlerche, Alauda cristata’ (Ar., Pl., Arist. usw.); erweiterte Formen mit ν- und λ(λ)-Suffix (Chantraine Formation 360f. u. 246f.): κορυδῶνες pl. (Arist. HA 609a 7; vgl. unten), κορύδαλ(λ)ος (Arist.; v. l. -αλλός), -αλλός (Theok., Babr.), -αλλά (Epich., sizil. Inschr.), -αλλίς (Simon., Theok.); — κάρυδοι· καρύδαλοι H. — PN Κόρυδος, -ύδων, -υδαλλός, -υδεύς (s. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 132 m. Lit.). — Zu κόρυς ‘Helm’ mit δο-Suffix (vgl. die ähnlichen Fälle bei Schwyzer 508 und Chantraine 359); eine dementsprechende t-Erweiterung liegt zufällig im german. Wort für ‘Hirsch’, z. B. asächs. hirot, ahd. hiruz (idg. *ḱeru-d-) vor. Vgl. noch mit -θ- (wie in κόρυθ-): κόρυθος· εἷς τις τῶν τροχίλων und κορύθων· ἀλεκτρυών H. — Die Form κορυδῶνες (s. oben) kann schwerlich richtig sein; man erwartet κορυδόνες (wie χελιδόνες usw.) oder evtl. κορύδωνες. — Ausführlich über κόρυδος usw. Thompson Birds s. κορύδαλος. Weiteres s. κόρυς. I-924

κόρυζα f. ‘Schnupfen, Nasenschleim’ (Hp., Gal., Luk. u. a.), übertr. ‘Dummheit’ (Luk., Lib.). Davon κορυζώδης ‘verschnupft’ (Hp.), κορυζᾶς ‘ds.’ (Men. Fr. 1003; vgl. Körte z. St.), -ζάω ‘den Schnupfen haben, dumm sein’ (Pl., Arist., Plb. u. a.), κορυζιᾷ· pipitat (Gloss.). — Mit verstärkendem βου-: βου-κόρυζα = ἡ μεγάλη κόρυζα (Men. Fr. 1003 aus Suid.), βουκόρυζος· ἀναίσθητος, ἀσύνετος H. — Daneben κορύναι und κροῦμαι· μύξαι H. (richtig?). — Ausgang wie κόνυζα u. a. (s. d.); ohne sichere Anknüpfung. Seit Fick (s. Bq) mit einem german. Wort für ‘(Nasen)schleim’, z. B. ags. hrot, ahd. (h)roz ‘Rotz’ verbunden, das indessen als Verbalnomen zu ags. hrūtan, ahd. hrūzzan ‘knurren, schnarchen’ gehört. Persson Beitr. 2, 886f. zieht noch heran lat. mūs-cerda ‘Mäusekot’ und — ohne Dental wie κορύναι — awno. hǫrr ‘Nasenschleim’, ahd. horo, -awes ‘Kot, Schmutz’ u. a. m. Nicht mit Danielsson Gramm. u. et. Stud. 1, 31 zu κόρυς unter Berufung auf H.: κόρυζα· ... περὶ κεφαλὴν πάθος, eine offensichtliche Volksetymologie. Weitgehende Kombinationen bei Specht Ursprung 118, 209, 232, wo auch Lit. I-924

κόρυμβος m., pl. -α (-οι) ‘die äußerste Spitze am Steuerbord’ (ep. poet. seit Ι 241), ‘Gipfel eines Berges’ (Hdt., A. u. a.), ‘Blüten-, Beerentraube, bes. des Efeus’ (Mosch., Corn., Plu. u. a.), ‘Haarknoten, -büschel, κρωβύλος’ (Herakleid. Pont. u. a.). Kompp., z. B. κορυμβο-φόρος ‘traubentragend’ (Longos), δι-κόρυμβος ‘mit zwei Gipfeln’ (hell. Dichtung). Daneben κορύμβη f. ‘Haarknoten’ (Asios), ‘Haarband’ (Antim.). — Ableitungen: κορύμβιον ‘Träubchen’ (Dsk.); κορυμβίας (Thphr.), κορύμβηλος (Nik.), κορυμβήθρα (Ps.-Dsk.) ‘Efeu, Hedera helix’; vgl. Strömberg Theophrastea 91, Pflanzennamen 53; κορυμβίτης (κισσός) ‘ds.’ (Mediz., Plin., Redard Les noms grecs en -της 73); κορυμβώδης ‘traubenähnlich’ (v. l. Dsk. 3, 24); κορυμβόομαι ‘in einen Haarknoten zusammengebunden werden’ (Nik. Dam.). — Auch κόρυμνα· κόσμος τις γυναικεῖος περιτραχήλιος H. Zu κορυφή (s. d.) mit Erweichung der Aspirata vor dem unerklärten Nasal; vgl. zu θάμβος (: ταφεῖν), θρόμβος (: τρέφεσθαι). Persson Beitr. 2, 584 A. 1. I-924-925

κορύνη (Quantität des υ schwankend) f. ‘Keule, Streitkolben, Knüppel, Knollen, membrum virile’ (seit Il.); κορυνη-φόρος ‘Keulenträger’ (Hdt. u. a.). κορυνήτης m. ‘Keulenschwinger’ (Il., Paus.); κορυνώδης ‘knollig’ (Thphr.), κορυνιόεις ‘ds.’ (v. l. Hes. Sc. 289); κορυνάω ‘knollenartige Knospen treiben’ mit κορύνησις (Thphr.). — Wohl zu (von?) κόρυς mit Beziehung auf das verdickte Ende der betreffenden Geräte. Zur Bildung vgl. Geräte- und Werkzeugnamen wie τορύνη, βελόνη (Chantraine Formation 207f.). I-925

κορύπτω ‘mit dem Kopf (den Hörnern) stoßen’ s. κορυφή. I-925

κόρυς, -υθος, -υθα, -υν κόρυρ· θριγκός H. (lak.). Myk. ko-ru-to (Gen. sg.); auch ko-ru-pi (Instr. pl.)? f. ‘Helm’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa); Kompp. κορυθ-άϊξ ‘helmschüttelnd’ (Χ 132; vgl. zu ἀΐσσω), -αἰόλος ‘ds.’, meist von Hektor (Il., auch A. R.; Akzent nach Hdn., Eust. mit codd. Ven.; somit auf αἰόλλω bezogen; vgl. Frisk Eranos 38, 39 m. A. 2, auch Bechtel Lex. s. v.), κορυθήκη f. ‘Helmschachtel’ (Delos IIa; Haplologie für κορυθο-θ.); τρί-κορυς ‘mit dreifachem Helmrande’ (E. Ba. 123, lyr.), auch τρι-κόρυθος ‘ds.’ (E. Or. 1480) u. a.; χαλκο-, ἱππο-κορυστής ‘mit ehernem bzw. roßhaarigem Helm’ (Il. u. a.; -της metrisch erweiternd, s. Frisk a. a. O.). Ableitungen. 1. Deminutivum κορύθιον (Gloss.). 2. κορυστής m. ‘Helmträger, -tragend’ (Il.). 3. κόρυθος. εἷς τις τῶν τροχίλων, περικεφαλαία H.; zu Κόρυ(ν)θος als Bein. des Apollon s. u. 4. κορύθων· ἀλεκτρυών H. 5. κορυθάλη, -αλίς = εἰρεσιώνη, ‘Maizweig’ (EM) mit Κορυθαλία Bein. der Artemis vor Sparta (Polem. Hist., H.; s. Nilsson Gr. Rel. 1, 123 u. 490), auch = κορυθάλη (H., Gloss.); dazu κορυθαλίστριαι· αἱ χορεύσυσαι τῇ Κορυθαλίᾳ θεᾷ H. (nach den Fem. auf -(ί)στρια; vgl. Chantraine Formation 106). 6. Denominatives Verb κορύσσω, -ομαι, Aor. κορύσσασθαι (Il.), κορύξασθαι (Ath. 3, 127a; auch Hp. Ep. 17?), Ptz. Perf. κεκορυθμένος (ep. poet. seit Il.; Chantraine Gramm. hom. 1, 434), Verbaladj. κορυστός ‘gehäuft’, vom Maß (Attika; κορυ<σ>τόν· ἐπίμεστον H.), eig. ‘(sich) behelmen’, übertr. ‘in die Höhe heben, (sich) erheben’, auch im allg. ‘(sich) wappnen’ (ep. poet. seit Il.; Leumann Hom. Wörter 210, Erbse Herm. 81, 171). — Unsicher bleibt die Beurteilung von Κόρυ(ν)θος Bein. des Apollon in Messenien (Inschr., Paus. 4, 34, 7); vgl. v. Wilamowitz Glaube 1, 106 m. A. 3, Hitzig-Blümner z. St.); κορυνθεύς· κόφινος, κάλαθος. ἀλεκτρυών (H.; vgl. κορύθων ob.). — Zu κόρυς mit Ableitungen Trümpy Fachausdrücke 40ff., Gray Class. Quart. 41, 114ff. — Gewöhnlich zur Sippe von κέρας gezogen, u. zw. zunächst zum alten u-Stamm in κερα(ϝ)-ός (s. d.); die Bedeutungsverschiedenheit ebenso wie die morphologischen Einzelheiten sind indessen nicht gebührend aufgeklärt. Chantraine Mélanges Glotz 165ff. erwägt deshalb für κόρυς, κορυφή usw., wozu noch ON wie Κόρινθος, mediterranen Ursprung, allerdings aus der sog. protidg. Schicht; dazu noch v. Windekens Le Pélasgique 106ff. — Zu κόρυς gehören direkt oder indirekt κορυφή, κόρυμβος, κόρυδος, κορύνη, s. dd. I-925-926

κορυφή, dor. -φά ‘Gipfel, Scheitel’, auch übertr. (seit Il.). Kompp., z. B. κορυφᾱ-γενής ‘kopfgeboren’, eig. von Athena, übertr. (Pythag. bei Plu. 2, 381f.), δι-κόρυφος ‘mit zwei Gipfeln’ (E., Arist. u. a.). Zahlreiche Ableitungen, oft in technischem Sinn: κορυφαῖος m. ‘der Erste, Haupt, Chorführer’ (ion. att.), sekund. Adj. ‘zu oberst’ (Plu., Hdn. u. a.), κορυφαιότης ‘Führertum’ (Corp. Herm.); κορυφαῖον ‘die obere Kante eines Jagdnetzes’, -φαία ‘das Hauptgestell eines Zaums’ (X., Poll.). — κορυφώδης ‘mit Gipfel versehen’ (Hp.). — κορυφάς f. ‘Nabelkante’ (Hp. ap. Gal.); -φίς, -φών = κορυφή (Gloss.), κόρυφος m. = κορυφή (Epid.), = κόρυμβος γυναικεῖος H. — κορύφαινα f. N. eines Fisches, ἵππουρις (Dorio ap. Ath. u. a.); zum Benennungsmotiv Strömberg Fischnamen 59, zum Suffix ebd. 137; κορύφια pl. Art Mollusken (Xenokr. ap. Orib.). — κορυφιστήρ = κορυφαῖον (Poll.), auch ‘Stirnband’ (Sch.); vgl. βραχιονιστήρ u. a. (Chantraine Formation 328), -ιστής ‘ds.’ (H.). — Denominative Verba: 1. κορυφόομαι ‘sich gipfeln, sich hoch auftürmen’ (poet. seit Il., sp. Prosa), ‘zusammenzählen’ (hell. u. sp.), -όω ‘zum Gipfel bringen’ (Mediz.), mit κορύφωμα ‘Auftürmung, Höhepunkt’ (Ath. Mech.), -ωσις ‘Gipfel einer Pyramide’ (Nikom.). — 2. κορύπτω ‘mit dem Scheitel (den Hörnern) stoßen’ (Theok. u. a.; zur Bildung Schwyzer 705) mit κορυπτίλος ‘stößig’ (Theok.); nach τροχίλος, σποργίλος u. a. (Chantraine Formation 249), wohl hypokoristisch; auch κορύπτης, -τόλης ‘ds.’ (EM, H.); ἐκορυπτίας· ἐγαυρίας H. — Bildung mit φ-Suffix (Schwyzer 495, Chantraine 264), zunächst einen υ-Stamm voraussetzend, der ja tatsächlich in κόρυς, -υν (s. d.) vorliegt; gegen direkte Ableitung spricht aber die Bedeutung. — Verfehlte Kombinationen bei Bezzenberger-Fick BB 6, 237 (s. Bq) und Persson Beitr. 1, 179 (dagegen WP. 1, 406). — S. auch κόρυμβος. I-926-927

κόρχορος κόρκορος (Ar. V. 239, Nik. Th. 626) m. (Thphr., Ps.-Dsk.), Pflanzenname, ‘blauer Gauchheil, ἀναγαλλὶς ἡ κυανῆ, Anagallis caerulea’; zur Begriffsbestimmung Thiselton-Dyer JournofPhil. 33, 201. — Reduplizierte Bildung (vgl. Strömberg Pflanzennamen 21) ohne Etymologie. I-927

κορχυρέα f. ‘unterirdischer Abzugskanal’ (IG 9 : 1, 692, 8, Korkyra IIa: περὶ τᾶν κορχυρε[ᾶν). — Bildung auf -έα (Chantraine Formation 91f.) nach unbekanntem Vorbild; auch im übrigen dunkel. Dittenberger z. St. erinnert an γοργυρα ‘ds.’ (Hdt. 3, 145, H.; vgl. s. v.) und κορκόδρυα (κορκορρόα Lobeck)· ὑδρόρυα H.; die schwankende Form läßt auf ein technisches LW schließen. I-927

κορώνη f. ‘Krähe’, auch ‘Seekrähe, Saatkrähe’, ‘Corvus corone, cornix, frugilegus, Puffinus yelkuan’ (seit Od.); vereinzelt in Kompp., z. B. κορωνο-βόλος ‘Krähen erschießend’, τρι-κόρωνος ‘dreifaches Krähenalter habend’ (AP). — Oft übertr. von allerhand gekrümmten oder hakenförmigen Gegenständen (vgl. unten): ‘Bogenende’ (Il.), ‘Türgriff’ (Od., Poll.), ‘Ende des Pflugbaumes’ (A. R. u. a.), ‘Achterschiff’ (Arat.), ‘krankhafter Auswuchs des Ellbogenbeins usw.’ (Hp. u. a.), ‘Art Kranz’ (Sophr. 163, H.). Ableitungen: κορωνιδεύς m. ‘junge Krähe’ (Kratin. 179; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 46); κορώνεως f. ‘Baum mit rabenschwarzen Feigen’ (Ar. Pax 628; vgl. zu ἐρινεώς s. ἐρινεός). — κορωνίς f. ‘gekrümmt, geschweift’, von Schiffen (Hom.), von Rindern (Theok.), als Subst. ‘Kranz’ (Stesich.), ‘Krummlinie, Schnörkel’ am Ende eines Buchs usw., als orthographisches Zeichen, übertr. ‘Ende’ (hell. u. sp.); dazu m. κορωνός ‘krumm usw.’ (Archil., Hp., EM), auch PN Κόρωνος (Β 746; Sommer Nominalkomp. 122), n. κορωνόν ‘Gelenkknoten’, τὰ κόρωνα ‘Ellbogen’ (Mediz.); κορώνιος· μηνοειδῆ ἔχων κέρατα βοῦς H., auch Monatsname (Knossos), κορώνιον n. ‘Krähenkraut’ (Ps.-Dsk.; Strömberg Pflanzennamen 42); κορωνίης m. ‘der stolz den Hals beugt’ (ἵππος; Semon.) mit κορωνιάω ‘stolz den Hals beugen, sich brüsten’ (hell. u. sp.), auch ‘sich krümmen’ (κορωνιόωντα >πέτηλα Hes. Sc. 289; metrisch bedingt). — Denominatives Verb κορωνίζω ‘beendigen, vollenden’ (von κορωνίς; Pontos); auch von κορώνη als Grundlage von κορωνισταί pl. "Krähensänger", κορωνίσματα pl. "Krähengesänge", d. h. ‘Bettelsänger’, ‘Bettelgesänge’ (Ath.). — Ausführlich über κορώνη ‘Krähe’ Thompson Birds s. v. — Die italischen Wörter für ‘Krähe’, lat. corn-īx, umbr. curn-aco ‘cornicem’, machen auch für κορών-η einen alten n-Stamm *koron-, *korn- wahrscheinlich, der ebenfalls in κόραξ und κόραφος vorliegen kann (anders Brugmann Grundr.2 2 : 1, 280; s. auch Schwyzer 491); ein mit diesem n-Stamm alternierender u-Stamm steckt in lat. corvus, mir. crū ‘Rabe’. Die Wörter gehen wohl alle auf eine Schallnachahmung zurück (anders Specht Ursprung 118: urspr. Farbwort). — Allgemein wird κορώνη als Benennung gekrümmter Gegenstände nebst κορωνίς, κορωνός von κορώνη ‘Krähe’ getrennt und zu κυρτός (s. d.) usw. gezogen. Gegen eine Zerlegung in zwei verschiedene Wörter spricht indessen schon die eigenartige Bildung des griechischen Wortes. Die Annahme eines metaphorischen Gebrauchs von κορώνη ‘Krähe’ hat in Anbetracht der ähnlichen Verwendung der entsprechenden Vogelnamen im Griechischen und anderen Sprachen (κόραξ, lat. corvus, frz. corbeau, nengl. crow, schwed. kråka u. a. m.) nichts Auffallendes. Nicht nur der Schnabel sondern auch die Füße der betreffenden Vögel haben die Metaphern veranlassen können. — Aus κορώνη, κορωνίς lat. corōna, corōnis mit westeuropäischen Ablegern. — Vgl. zu κόραξ. I-927-928

κόσκινον n. ‘Sieb’ (Semon., Demokr., att.). Einzelne Kompp. wie κοσκινο-ποιός ‘Siebmacher’ (Kom.), τυρο-κόσκινον Art Käsekuchen (Chrysipp. Tyan. ap. Ath. 14, 647 f). Ableitungen. Deminutivum κοσκίνιον (Chrysipp. Tyan.); κοσκίνωμα ‘Gitter’ (Sm., Thd.; zur nominalen Ableitung Chantraine Formation 187); κοσκινηδόν Adv. ‘siebweise’ (Luk.). Denominative Verba : 1. κοσκινεύω ‘sieben’ (Demokr., Pap. u. a.) mit κοσκινευ-τής ‘Sieber’, -τικόν ‘Getreidesiebsteuer’, -τήριον ‘Getreidesiebplatz’ (Pap.); 2. κοσκινίζω ‘ds.’ (Mediz., Aq., Sm.) mit -ίνεσις ‘das Sieben’ (Pap. u. a.). — Ohne Etymologie, vielleicht Mittelmeerwort (Chantraine Formation 203). Vergebliche idg. Erklärungsversuche: aus *κόρ-σκινον, zu κόρος ‘Besen’? (Walde-P. 1, 462 fragend); zu lit. kóšiu, kóšti ‘seihen’ (dagegen Bq und Vasmer Russ. et. Wb. s. káša); zu lat. scindō (dagegen Bq und W.-Hofmann s. cōlum). I-928

κοσκυλμάτια n. pl. ‘Lederschnitzel’, übertr. von den schmeichlerischen Worten des Gerbers Kleon an Demos (Ar. Eq. 49). — Volkstümliche Reduplikationsbildung [σ]κο-σκυλ-μάτ-ια (vgl. Schwyzer 423) von σκύλλω ‘schinden, zerreißen’. Wie sich lat. quisquiliae pl. ‘Abfall, Kehricht’ dazu verhält, ist nicht aufgeklärt; für Urverwandtschaft zuletzt Hofmann gegen Walde u. a., die Entlehnung aus dem Griechischen annehmen; s. die Lit. bei Bq und bei W.-Hofmann s. v. I-928-929

κόσμος m. ‘Ordnung, Anstand, Schmuck’ (seit Il.), ‘Weltordnung, Welt’ (seit Pythag. od. Parm.; Kranz Phil. 93, 430ff.), ‘staatliche Ordnung, Regierung’ (ion. att.), Ben. der höchsten Behörde auf Kreta (Rückbildung aus κοσμέω?, Leumann Hom. Wörter 285f.; dagegen Ruijgh L’élément achéen 109). Zahlreiche Kompp., z. B. κοσμο-ποιία ‘Weltschöpfung’ (Arist. usw.), κοσμό-πολις m. Ben. einer städtischen Behörde (hell. u. sp.), eig. verbales Rektionskomp. = ὁ κοσμῶν πόλιν; davon unabhängig κοσμο-πολίτης ‘Weltbürger’ (hell.; von den Kynikern geprägt?, v. Wilamowitz Glaube 2, 275); εὔ-κοσμος ‘in schöner Ordnung’ (Sol. usw.). Ableitungen: 1. Deminutiva κοσμ-άριον, -ίδιον, -αρίδιον ‘kleiner Schmuck’ (spät); 2. κόσμιος ‘wohlgeordnet, anständig, sittlich, ruhig’ (ion. att.), ‘der Welt angehörig’ (Plu., Arr.) mit κοσμιότης ‘Gesittung’ (att. usw.); 3. κοσμικός ‘weltlich, irdisch, weltumfassend’ (hell. u. sp.); 4. κοσμωτός ‘in eine Welt verwandelt’ (hell.); 5. Κοσμώ f. N. einer Priesterin (Lykurg.); Κοσμίας, Κοσμᾶς u. a. PN. — 6. Denominatives Verb κοσμέω ‘anordnen, befehlen, regieren, schmücken’ (seit Il.); davon mehrere Ableger: κοσμητός ‘schön geordnet’ (η 127; Ammann Μνήμης χάριν 1, 17); κόσμησις ‘Anordnung, Ausschmückung’ und κόσμημα ‘Schmuck’ (att. usw.); κοσμήτωρ ‘Anordner, Befehlshaber’ (ep. seit Il., sp. Prosa) und κοσμητήρ ‘ds.’ Epigr. ap. Aeschin. 3, 185; s. Fraenkel Nom. ag. 1, 120f.), f. κοσμήτειρα (Ephesos, Orph.; -ήτρια H.); κοσμητής ‘Ordner, Gebieter, der da schmückt, putzt’, auch N. einer Behörde (att. usw.) mit κοσμητεύω (-τέω) ‘κοσμητής sein’ (Inschr., Pap.), -τεία (Pap.); κοσμητήριον ‘Toilettenraum’ (Paus.), κόσμητρον ‘Besen’ (Sch. u. a.); κοσμητικός ‘zum Schmücken gehörig’ (Pl., Arist. u. a.; Chantraine Ét. sur le vocab. grec 135). — Bildung auf -μος (Schwyzer 492, Chantraine Formation 132); trotz wiederholter Bemühungen nicht befriedigend erklärt. Mehrere Hypothesen von wechselndem Wert: zu κεδνός, Κόδρος (Schulze GGA 1896, 235 = Kl. Schr. 698, Pisani AnFilCl 5, 93f., Kranz Phil. 93, 430ff.); zu lat. censeō usw. (Froehde KZ 23, 311, Zupitza Die germ. Gutt. 109, Brugmann Distr. 19, Dumézil BSL 42 p. XVI); zu lat. corpus, aind. kálpate ‘in Ordnung sein’ (Brugmann IF 28, 358ff.); zu lat. cinnus ‘Mischtrank’ (Walde LEW1 s. v.); zu κομψός (WP. 1, 403; zögernd); aus *χόθμος zu idg. ghodh- ‘vereinigen, eng verbunden sein’ (Carnoy REGr. 69, 279f.). I-929-930

κόσσυφος (-ττ-, Gloss. -υκος) auch κόψιχος (-ικος, -υκος) m. (Kom. seit Ar., Suid., Moer.). m. ‘Amsel, Turdus merula’ (Arist., Matro, AP usw.), übertr. als N. eines Hahns (Paus. 9, 22, 4; Tanagra), auch eines Lippfisches (Numen. ap. Ath. 7, 305c, Mediz., Ael.), weil er wie die Amsel mit den Jahreszeiten seine Farbe verändert; auch nach der Lautgebung? (Strömberg Fischnamen 116 m. Lit.); Davon κοσσυφίζω ‘wie ein κ. singen’ (Hero). — Fem. Κοσσύφα dor. Hetärenname (Schulze Kl. Schr. 707 m. A. 9). Bildung auf -φος, bzw. -χος (Schwyzer 495 u. 498, Chantraine Formation 263 u. 403). — Die Ähnlichkeit zwischen κόψιχος und dem slav. Namen der Amsel, russ.-ksl. kosъ usw. aus *kopso-, wurde schon von Bezzenberger-Fick BB 6, 237 beobachtet. Unter Annahme einer Dissimilation aus *κοψυφος hat Meillet MSL 18, 171ff. auch κόσσυφος angereiht. Daß in κοψι-, *κοψυ- ein alter Stammwechsel i : u erhalten wäre (Specht Ursprung 145), leuchtet nicht ein; die Vokale gehören vielmehr mit dem Suffix zusammen. — Weitere Zurückführung auf eine "Schallwurzel" ḱop- in aind. śápati ‘verfluchen’ usw. (Meillet a. a. O.) ist mehr als zweifelhaft. Nicht besser Haas Ling. Posn. 3, 75. — WP. 1, 457, Pok. 614f., Vasmer Russ. et. Wb. 1, 639. Zum Sachlichen ausführlich Thompson Birds, bzw. Fishes s. v. I-930

κόστος (-ον n.) m. N. einer Pflanze und ihrer als Gewürz gebrauchten Wurzel, ‘Saussurea lappa’ (Thphr., D. S. u. a.); davon κοστόϊνος ‘aus κ.’ (Pap.; Kalbfleisch RhM 94, 345). — Aus aind. kúṣṭha- m. ‘ds.’; aus κόστος (-ον) wieder lat. costum -us. Vgl. Mayrhofer Wb. s. v. I-930

κοσυβ[άτ]ας m. ‘Opferer’ (Suppl. Epigr. 1, 414, 10; Gortyn V-IVa); κοσ<ύ>βατοι (-βάται?)· οἱ ἐπὶ θυσιῶν τεταγμένοι H. (post κοστίας). — Unerklärt. I-930

κοσύμβη f. N. eines Mantels, der nach D. Chr. 72, 1 von Hirten und Landleuten gebraucht wurde, von EM 311, 5 u. H. u. a. mit ἐγκόμβωμα (s. κόμβος) erklärt, von EM 349, 15 als ἀναβολή bezeichnet; die Bed. ‘κρωβύλος’ bei Poll. 2, 30 (Lesung schwankend) muß auf Vermischung mit κόρυμβος (s. d.) beruhen. Daneben κόσυμβος m., nach H. (-σσ-) = κοσ(σ)ύμβη; auch ‘Haarnetz’ (LXX Is. 3, 18); davon κοσυμβωτός (Ex. 28, 35, χιτών; v. l. κόσυμβος), nach H. = κροσσωτός, d. h. ‘mit Troddem, Fransen versehen’. — Technisches Fremdwort ohne Etymologie; zum Ausgang -βος Chantraine Formation 262. Unbrauchbare Hypothesen von Prellwitz s. v. (s. Bq) und Alessio Onomastica 2 (1948), 204f. (s. Belardi Doxa 3, 211). — An κόσυμβος erinnert κοτθυβος Ben. eines militärischen Ausrüstungsstückes, = περίζωμα? (Rev. Arch. 1935 : 2, 31). I-930-931

κοτίλιον n. Bed. nicht sicher, wohl Ben. eines Gefäßes zur Aufbewahrung (Inscr. Délos 1429 B II 25; IIa). — Unerklärt. Große formale Ähnlichkeit zeigen die vulgären κότιλον, κοτίλλιν· ἀνδρὸς αἰδοῖον (und κόθημα· ἐπὶ τοῦ αἰδοίου) H. I-931

κότινος m. (f.) ‘wilder Ölbaum, ἀγριελαία’ (Ar., Thphr. usw.; zur Benennung Strömberg Theophrastea 166 A. 1), als Vorderglied z. B. in κοτινη-φόρος ‘wilde Ölbäume tragend’ (Mosch.); κοτινάς f. ‘die Frucht des wilden Ölbaums’ (Hp.), ‘auf einen wilden Ölbaum gepropfter Ölbaum’ (Poll.); zur Bildung Chantraine Formation 353. — Unerklärt, wahrscheinlich LW (Chantraine 203, vgl. Schwyzer 491). Vgl. Schrader-Nehring Reallex. 2, 131. Daraus lat. cotinus ‘Perückenbaum’ (Plin.). I-931

κότος m. ‘Groll, Haß’ (ep. poet. seit Il., auch sp. Prosa; Irmscher Götterzorn 11f.). Oft als Hinterglied, z. B. ἔγ-κοτος ‘grollerfüllt’ (A. u. a.; Bahuvrihikomp.) mit dem Denominativum ἐγκοτ-έω ‘grollerfüllt sein, grollen’ (A. u. a.); davon ἐγκότημα, -ησις (LXX) und, als Rückbildung, ἔγκοτος (Hdt.) ‘Groll, Haß’ (anders über ἔγκοτος usw. Strömberg Prefix Studies 116); mit Suffixtausch ἐγκότιος Adj. (Salamis auf Kypros). Ableitung κοτήεις ‘voll Groll’ (Ε 191); -ήεις analogisch für κοτόεις (A. D., EM), Schwyzer 527; vgl. auch Thieme Studien 71 A. 3. — Daneben, wahrscheinlich als Denominativum (vgl. unten) κοτέω, -έομαι, Aor. κοτέσσασθαι, -έσαι, Fut. κοτέσσομαι, Perf. Ptz. Dat. κεκοτηότι ‘grollen’ (ep. lyr. seit Il.); auch κοταίνω ‘ds.’ (A. Th. 485, lyr.; nach θυμαίνω u. a., s. Fraenkel Denom. 18 und zu θυμός). — Keine überzeugende Etymologie. Man vergleicht seit Fick 3, 69 (z. B. Brugmann Grundr.2 1, 630) ein keltisch-germanisches Wort für ‘Kampf, Streit’, z. B. gall. catu- in Catu-rīges, ahd. hadu- in Hadu-brand und, im Suffix abweichend, mhd. hader ‘Zank, Streit’, wozu noch slav., z. B. russ.-ksl. kotoraμάχη’; außerdem mit palatalem Anlaut aind. śátru- ‘Feind’. Unter Ablehnung dieser Etymologie wird von WP. 1, 454 (vgl. 1, 339), gleichfalls nach Fick (1, 45), einer Zusammenstellung mit lat. cōs ‘Wetzstein’ usw. (s. κῶνος) das Wort geredet. Von der nur approximativen semantischen Übereinstimmung abgesehen fehlt in beiden Fällen die entscheidende morphologische Begründung. Wenn κότος ein alter s-Stamm wäre (Fraenkel KZ 43, 193ff.), würde es allerdings zu den u- und r-Stämmen in catu-, hader usw. besser stimmen; das dafür von Fraenkel angeführte κοτέσσασθαι läßt sich aber als Analogiebildung erklären (Chantraine Gramm. hom. 1, 349). — Machek Stud. in hon. Acad. d. Dečev 49f. vergleicht čech. katiti se ‘sich ärgern’. I-931-932

κότταβος (ion. -σσ-) m. (Anakr., Pi., Trag. u. Kom., hell. usw.) N. eines aus Sizilien stammenden Spiels, wobei der Spieler aus einem Becher den Weinrest gegen ein Ziel schleuderte, u. zw. entweder gegen eine auf der Spitze einer leuchterartigen Stange im Gleichgewicht ruhende, beim Treffen umfallende Scheibe (sog. κότταβος κατακτός) oder auch gegen leere Schälchen, die in einem mit Wasser gefüllten Becken schwammen und beim Treffen versanken (κ. ἐν λεκάνῃ od. διὀξυβάφων). Mit κότταβος wurde aber nicht nur, wohl auch nicht ursprünglich, das Spiel selbst, sondern auch verschiedene dabei gebrauchte Gegenstände oder dabei ausgeführte Bewegungen bezeichnet: die Neige des Weines oder der Wurf derselben, der κότταβος-Ständer, das κότταβος-Becken. Als Hinterglied in μεθυσο-κότταβος Adj. ‘beim Kottabos berauscht’ (Ar. Ach. 525). Ableitungen: κοτταβίς f. ‘zweihenkliges Trinkgefäß, zum Wurfe benutzt’ (hell.); κοτταβεῖον (-βιον) ‘Kottabos-Becken, -Ständer’ (Dikaiarch., hell.), auch ‘Siegespreis beim Kottabos’ (Kom. u. a.); κοτταβικὴ ῥάβδος ‘Kottabos-Stange’ (hell.). Denominatives Verb κοτταβίζω ‘K. spielen’ (Ar., Antiph.), euphem. für ‘sich erbrechen’ (Poll., EM), auch mit ἀπο-, κατα-, συν- (X., Kom. usw.); davon κοττάβισις, (ἀπο-)κοτταβισμός (spät). — Da sich die genaue und ursprüngliche Bedeutung von κότταβος nicht mehr ermitteln läßt, schweben eigentlich alle Etymologien in der Luft. Der Form nach erinnern an κότταβος u. a. folgende Wörter: κοτ(τ)ίς ‘Kopf, Hinterkopf’, κόττειν· τύπτειν H., κόττοςκύβος usw.’ (s. dd.). — An κοττίς anknüpfend wollen Studniczka BphW 14, 1299 und K. Schneider P.-W. 11 : 2, 1529 κότταβος als ‘mit einem Kopf versehen’ erklären mit Beziehung auf die Scheibe (πλάστιγξ) oben auf dem Kottabos-Ständer. Dagegen geht Mastrelli Boll. di Studi fil. e ling. sic. 5 (1957), Estr. 25ff. von κόττοςκύβος, Würfel’, älter angebl. ‘ἀστράγαλος, Wirbel, Gelenk’ aus; mit κότταβος wäre ursprünglich die Krümmung des Handgelenks beim Wurfe des Bechers gemeint. Der Ursprung des Wortes wäre im westlichen Mittelmeerraum zu suchen (vgl. zu κοττίς, wo noch ein Erklärungsversuch). — Lat. LW cottabus ‘klatschender Schlag’ (Plaut.; vgl. Friedmann Die jon. u. att. Wörter im Altlatein 46ff.). Näheres zu κότταβος Mastrelli a. a. O. mit reicher Lit., u. a. K. Schneider in P.-W. 11 : 2, 1528ff. Vgl. auch κοτύλη. I-932

κόττανα pl. n. ‘Art kleiner Feigen’ (Ath., H.); lat. LW cottana pl. ‘Art kleiner syrischer Feigen’ (Plin.). — Aus dem Semitischen; vgl. hebr. qāṭān, qeṭannīm ‘klein’ (Lewy Fremdw. 22 m. Lit.). Hierher auch κοτάννα f., nach H. = παρθένος παρὰ Κρησί; vgl. hebr. qāṭōn, f. qeṭannā ‘klein, jung’; auch ‘unmündiger Knabe’ bzw. ‘unmündiges Mädchen’ (Lewy 65). I-933

κοττάνη f. N. eines Fischgerätes (Ael. NA 12, 43). — Von κόττος N. eines Flußfisches, s. zu κοττίς. I-933

κοττίς, -ίδος dor. für κεφαλή (Poll., H., Phot.); auch κοτίς (Hp.), = ‘ἰνίον, παρεγκεφαλίς’ (Gal.), ‘τῆς κεφαλῆς ἡ κορυφή’ (Erot.). f. ‘Haartracht mit langem Stirnhaar’ (Poll., H., Phot.). Als Hinterglied in προκοττίς· ἡ χαίτη H. und προκόττα f. (dor.) Ableitungen κόττικοι· αἱ περικεφαλαῖαι; κοττάρια· τὰ ἄκρα τῆς κέγχρου H. — Daneben κόττος = κύβος (Cod. Just.), κοττός (κόττοςὄρνις. καὶ οἱ ἀλεκτρυόνες κοττοὶ διὰ τὸν ἐπὶ τῇ κεφαλῇ λόφον (vgl. ngr. κόττα ‘Huhn’); κοττοβολεῖν· τὸ παρατηρεῖν τινα ὄρνιν H. Über κόττος als N. eines Flußfisches (Arist. HA 534a 1) s. Strömberg Fischnamen 119 (nach dem Hahn). — PN Κοττίς, Κότταλος, -άλη (Herod.). — Beziehung zu κοτύλη ‘Napf, Schälchen’ ist sehr wohl möglich, aber eine Grundform *κοτϝ-ίς (Scheftelowitz BB 28, 146) hat wenig für sich; eher liegt bei diesem volkstümlichen Deminutivum eine expressive Gemination vor. — Nach Hubschmid Romance Philology 6, 190ff. stammen die betreffenden Wörter (einschließlich κοτύλη usw.) aus einer voridg. hispano-kaukasischen Sprachschicht und haben im Iberoromanischen, im Baskischen und anderswo zahlreiche Verwandte; ursprüngliche Bedeutung ‘konkave oder konvexe Rundung’, woher einerseits ‘Gefäß’ (> ‘Kopf’), anderseits ‘Hügel, Kopf’ u. a. m. Leider lassen sich die meisten konkreten Gegenstände unter einen solchen Hauptnenner bringen. — Hierher nach Hubschmid auch κότταβος als urspr. Gefäßname. — Noch anders über κόττος usw. Mann Lang. 28, 35. I-933

κοτύλη auch κότυλος m. ‘ds.’ (Hom. Epigr., Kom. u. a.). f. ‘Napf, Schälchen, kleiner Becher’ (seit Il.; zur Bed. Brommer Herm. 77, 358 u. 366), auch als Maß für Flüssiges und Trockenes = 6 κύαθοι od. = 1/2 ξέστης (ion. att.), übertr. ‘Gelenkhöhle, bes. die Hüftpfanne’ (Il., Hp. u. a.), ‘Zimbeln’ (pl., A.) usw.; Kompp., z. B. κοτυλ-ήρυτος ‘mit Bechern zu schöpfen, stromweise’ (Ψ 34), ἡμι-κοτύλη ‘eine halbe κ.’ (Pap. u. a.), δι-κότυλος ‘zwei κ. messend’ (Hp., Pap. u. a.). — Zur Bildung auf -ύλη (deminuierend?) Schwyzer 485, Chantraine Form. 250f. — Begrifflich nahe liegt lat. catīnus ‘(flache) Schüssel’; die Abweichung in Vokal und Bildung (a in catīnus nach patina? Petersen Lang. 14, 50) macht indessen die Gleichung sehr unsicher (vgl. Ernout-Meillet s. catīnus). Über noch fraglichere oder entschieden verfehlte Anknüpfungen s. WP. 1, 383f., Pok. 586, W.-Hofmann s. catīnus m. Lit. Neuer Vorschlag von Machek Stud. in hon. Acad. d. Dečev 49: zu čech. kotlati ‘hohl werden’ (denom. Verb). Aus dem Griechischen kommt das selbst unklare κοττίς in Betracht, s. d. Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Le Pélasgique 102. — Eine Entlehnung hätte bei einer Gefäßbezeichnung nichts Auffallendes. Ableitungen. Deminutiva κοτυλίς ‘Gelenkhöhle’ (Hp.), κοτυλίσκος, -ίσκη, -ίσκιον ‘kleiner Becher’ (Kom.), κοτυλίδιον (Eust.). — κοτυληδών, -όνος f. Ben. verschiedener becherähnlicher Vertiefungen (zur Bildung Chantraine Formation 361), z. B. ‘Saugnäpfchen, Saugwarze’ (ε 433 usw.), auch als Pflanzenname, wahrscheinlich ‘Cotyledon umbilicus’ (Hp., Nik., Dsk. u. a.; nach den napfähnlichen Blättern, Strömberg Pflanzennamen 44f.), mit κοτυληδονώδης ‘warzenähnlich’ (Gal.). — κοτυλιαῖος, -ιεῖος ‘eine κ. messend’ (hell.; Mayser Pap. 1 : 3, 95), κοτυλώδης ‘becherähnlich’ (Ath.); κοτύλων, -ωνος m. ‘Säufer’ (Plu.). — Denominatives Verb κοτυλίζω ‘kotylenweise, d. h. im kleinen verkaufen’ (ion. att.) mit κοτυλισμός, -ιστής, -ιστί (hell. u. sp.). I-933-934

κουβαρίς, -ίδος f. ‘Assel’ (Dsk. 2, 35 tit.). — Deminutivum von κόβαρος· ὄνος (‘ds.’; cod. ἄνθρωπος, d. i. ἄνο̄ς) H. Eine andere Deminutivbildung ist ngr. κουβάρι ‘Knäuel’ (Kukules Λεξ. ‘’Αρχ. 5, 34) mit dem Denominativum κουβαρίζω (v. l. -ιάζω) = μηρύομαι, d. i. ‘winden, zusammenwickeln’ (Sch. Theok. 1, 29, auch ngr.). Nach K. (s. auch Strömberg Wortstud. 12) wurde das Tier so genannt, weil es sich zusammenrollen kann; ebenso möglich ist, daß der Knäuel seinen Namen von der Assel bezogen hat. Das Wort ist sowieso unerklärt. I-934

κοῦκι n. N. eines palmenähnlichen Baums, ‘Hyphaena thebaica’, auch von dessen Faser gebraucht (PBaden 35, 23; Ip, Plin.); κουκιο-φόρον δένδρον (Thphr.). Davon κούκεον ‘Frucht des Koukibaumes’ (Ostr.); κούκινος ‘zum K.baum gehörig, aus dessen Fiebern gemacht’ (Pap. u. a.). — Fremdwort, wohl ägyptischer Herkunft, = κόϊξ, s. d. I-934

κουκούφας (κοκκ-), -ατος m. ägyptischer Name des Wiedehopfes, ἔποψ (Horap. 1. 55, PMag. Berol. 2, 18) mit dem Deminutivum κοκκοφάδιον (PMag. Lond. 121, 411; vgl. Dölger ByzZ 38, 213 m. Lit.). — Onomatopoetisches Wort, mit aind. kukkubha- ‘Phasianus gallus’, lit. cucubiō, -īre vom Schrei der Nachteule u. a. elementarverwandt. Vgl. zu κικκαβαῦ; außerdem WP. 1, 331, Pok. 536, W.-Hofmann s. cucubiō, Mayrhofer s. kukkubhaḥ m. weiterer Lit. I-934

κουρά, ion. -ρή f. ‘Schur des Haares, des Bartes, der Wolle’, auch von Bäumen und Gras; ‘Haarlocke, Schurwolle, Pelz’; ‘Schnittfläche, Klotz’ (ion. att.). Zahlreiche Ableitungen: 1. κουρεύς m. ‘Scherer, Barbier’ (att. usw.), N. eines Vogels (H.; von dem Laut), mit κουρεῖον ‘Barbierstube’ (att. usw.), wovon κουρεακός ‘klatschhaft’ (Plb.; zur Bildung Schwyzer 497); daneben κουρευτής ‘ds.’ (Gloss.), f. κουρεύτρια (Plu.), κουρευτικός ‘zum Scheren gebraucht’ (Sch., Olymp.); vgl. κουρεύομαι unten; zu κουρεύς usw. Boßhardt Die Nomina auf -ευς 46. — 2. κούρειον (-εον) n. ‘Opfer von Haaren usw. an den Apaturien’ (S., Is., Inschr.) mit Κούρειος Bein. des Apollon (Teos), κουρεῶτις, -ιδος (ἡμέρα, ἑορτή) f. ‘der dritte Tag der Apaturien, an dem die Haare der Jünglinge und Mädchen dargebracht wurden’ (Pl., Inschr. u. a.; Nilsson Gr. Rel. 1, 137 u. 493), Κουρεών (-ηϊών) -ῶνος m. Monatsname in Magnesia am Maeander (Inschr.; s. Nachmanson Magn. 23 Anm. 1, 50). Dazu noch mit verblaßtem Hinterglied αἱμα-κουρίαι pl. ‘Blutopfer’ (Pi. u. a.). — 3. κούριμος ‘zur Schur gehörig, geschoren’ (Trag., Plu.), auch κουρεύσιμος (Sch.) wie von *κούρευσις (κουρεύομαι); Arbenz Die Adj. auf -ιμος 79f. — 4. κουρικός ‘zur Schur gebraucht, gehörig’ (Pap. u. a.). — 5. κουρίς, -ίδος f. ‘zur Schur, zum Rasieren gebraucht’ (μάχαιρα; Kratin.), ‘Putzmädchen’ (Kom., Plb. usw.). — 6. κουρίας m. ‘der sein Haar kurzgeschoren trägt’ (Luk., D. L.). — 7. κουράς· ἡ ἐν τοῖς ὀροφώμασι γραφή, ὀροφικὸς πίναξ H.; auch ἐγκουράς (A. Fr. 142, H.). — 8. κουρῖτις f. Pflanzenname, ‘περιστερεὼν ὕπτιος, Verbena officinalis’ (Ps.-Dsk., Ps.-Apul.; Ben.motiv unbekannt, vgl. Redard Les noms grecs en -της 73). — Denominative Verba: 1. κουριάω ‘der Schur bedürftig sein, langes Haar tragen’ (Pherekr., Plu., Luk. u. a.; nach den Krankheitsverba auf -ιάω, Schwyzer 732); 2. κουρίζω, -ίξαι ‘scheren, schneiden’ (Thphr., H.); 3. κουρεύομαι ‘die Tonsur nehmen, kurze Haare tragen’ (Just., Sch.). — Zu κοῦρος u. κουρίξ s. bes. — Als primäres Verbalnomen steht κουρά für *κορσά (zum Lautlichen Schwyzer 285f., Lejeune Traité de phon. 108 A. 3, 119 A. 2); das zugrunde liegende primäre Verb ist noch in heth. karš-mi ‘abschneiden’ (idg. eher *qérs-mi als *qórs-mi) vorhanden; dazu mit t-Erweiterung toch. A kärṣt-, B kärst- Abschneiden, zerstören’. Spuren desselben Verbs (mit anderer Lautentwicklung) zeigen noch gr. ἀ-κερσε-κόμης, Κόρσης Spitzname eines glattrasierten Mannes (Chrysipp.), κορσός· κορμός H., κορσοῦν· κείρειν H. mit κορσᾶς m. (Pap.), κορσω-τήρ (Kall., Poll.) ‘Barbier’, -τεύς ‘ds.’ (Ath. 12, 520e), -τήριον ‘Barbierstube’ (ebd.); dazu noch κόρση, s. d. — Lit. bei Bq s. v., WP. 2, 583f. (Pok. 945). Weiteres s. κείρω. I-935

κούρητες, κουρίδιος s. κόρη. I-936

κουρίξ Adv. ἔρυσάν τέ μιν εἴσω κ. (χ 188), κ. ἑλκομένη (A. R. 4, 18), κ. αἰνυμένους (H.). — Von κουρά nach den Adv. auf -(ί)ξ (Schwyzer 620, Chantraine Gramm. hom. 1, 250), eigentliche Bed. strittig. Nach Aristarch = τῆς κόμης ἐπιλαβόμενοι, d. i. ‘an den Haaren, beim Schopfe (fassend)’, was unmittelbar verständlich ist, wenn auch κουρά = ‘Haar, Schopf’ gewisse Bedenken erregen könnte. Nach Anderen (Bq s. v., WP. 2, 583) eig. ‘(den Haarschopf) wie beim Scheren (fassend)’, was der gewöhnlichen Bedeutung von κουρά näherkommt. — Verfehlte Deutungen (κόρση, Sippe von κάρᾱ) bei Bq. I-936

κοῦρος m. koll. etwa ‘Schnitzel, abgehauene Äste’ (IG 22, 1362, 6; IVa fin.: ξύλα .. κοῦρον .. φρύγανα .. φυλλόβολα). — Verbalabstraktum aus *κορσος wie κουρά (s. d.) aus *κορσά; vgl. Forbes Glotta 36, 238. Hierher (ohne -σ-) auch κόρος ‘Ast, Sproß’? (vgl. zu κόρη). I-936

κοῦφος ‘leicht, von geringer Schwere, leichtbeweglich, gehaltlos, nichtig, leer’ (seit Ν 158 und θ 201: κοῦφα bzw. κουφότερον als Adv.); zur Bed. Treu Von Homer zur Lyrik 76 usw. (s. Wortreg.). Wenige Kompp., z. B. κουφό-νοος ‘leichtsinnig’ (Trag., sp. Prosa), ὑπό-κουφος ‘etwas leicht’ (Dsk., Plu.). Ableitungen: κουφοτής f. ‘Leichtigkeit’ (Hp., Pl. usw.; Akzent nach βαρυτής, Wackernagel Gött. Nachr. 1909, 59 = Kl. Schr. 2, 1117, Schwyzer 382); κουφεῖαι pl. etwa ‘Topfscherben, Schutt’? (PTeb. 5, 199; IIa; κοῦφον [κεράμιον] auch ‘[leeres] Gefäß’); ngr. (ἀγριο-)κουφίτης m. Pflanzenname, ‘Erdrauch, Fumaria’ (Redard Les noms grecs en -της 68 u. 73). Denominativum κουφίζω ‘erleichtern, aufheben, tilgen’ (Hp., att. usw.), selten intr. ‘leicht sein’ (Hes. Op. 463, Hp., Trag.), mit κούφισις (Th. u. a.), -ισμα (E. u. a.), -ισμός (hell. u. sp.) ‘Erleichterung’; κουφιστήρ ‘Polster’ (um den Druck zu erleichtern; Mediz.); κουφιστικός ‘erleichternd’ (Arist. u. a.). — Isoliert, aber trotzdem wohl altererbt. Wertlose Vermutungen über die Etymologie sind bei Osthoff MU 6, 17f. und bei Bq notiert. Die Hochstufe des Stammes und die Barytonese fallen bei einem Adj. auf (Schwyzer 459); eig. adjektiviertes Subst.? — Durch κοῦφος wurden die alten ἐλαχύς, ἐλαφρός teilweise ersetzt bzw. zurückgedrängt, ein Umstand, der für die Bedeutungsentwicklung dieser Wörter nicht ohne Belang war. I-936

κόφινος m. ‘großer Weidenkorb’ (att., hell. u. sp.; zur Bed. Schulze BerlSb. 1905, 727f. = Kl. Schr. 498f.), auch als Hohlmaß = 9 att. χοίνικες (böot. Inschr. u. a.). Deminutivum κοφίνιον (Pap.); κοφινώδης ‘korbähnlich’ (Sch.), -ηδόν ‘korbweise’ (EM); κοφινόομαι ‘einen Korb über den Kopf bekommen’ (Nik. Dam.). — Technisches LW ohne Etymologie; Erklärungsversuche bei Bq und v. Windekens Le Pélasgique 103. Lat. LW cophinus, woraus engl. coffin ‘Sarg’, mhd. koffer usw. I-936-937

κόχλος m. (f.) ‘Muschel mit gewundenem Gehäuse, Meer-, Landschnecke’, auch ‘Purpurschnecke, Schminke’ (E., Arist., Theok. usw.). Davon mehrere Deminutivbildungen: κοχλίς f. (Luk., Man.); auch N. eines arabischen Steins (Plin.); κοχλία = ξιφύδρια, ‘Muscheln’ (H.); κοχλίδιον (Pap., Epikt.), -άδιον (Sch.). — Andere Ableitungen: κοχλίας m. ‘Schnecke mit gewundener Schale’, oft übertr. ‘Wasserschraube, Wendeltreppe usw.’ (Kom., Arist., hell. u. sp.); lat. LW coc(h)lea, vgl. Ernout Aspects du vocab. latin 54f.; κοχλιός ‘ds.’ (Paul. Aeg., Aët., Gloss.); κόχλᾱξ m. = κάχληξ und Umbildung davon (LXX, Dsk. u. a.); lat. LW coclāca (Orib. lat.; vgl. Ernout a. a. O.). — Unklar κοχλιάξων (-άζων), -οντος m. Art Maschinenschraube (Orib.; nach ἄξων?). — Aus lat. coc(h)lear, -āris n. (von coc(h)lea) als Rückentlehnung κοχλιάριον ‘Löffel’, auch als Maß (Dsk., Mediz.); urspr. N. eines Löffels, dessen spitzes Ende zum Ausziehen der Schnecken aus ihrer Schale diente; vgl. W.-Hofmann s. coc(h)lear. Beziehung zu κόγχος, κόγχη liegt nahe; der dabei anzunehmende Nasalwegfall (Curtius 152, Fick 1, 45) bleibt aber noch zu begründen. Unhaltbare Vorschläge werden bei WP. 1, 338 u. 462 abgelehnt. I-937

κοχυδέω (Pherekr. 130, 4), Ipf. κοχύδεσκεν (Theok. 2, 107; v. l. κοχύεσκεν), Präs. auch κοχύζει (Stratt. 61; cod. κοκκύζει) ‘mächtig hervorströmen’. — Intensive Reduplikationsbildung zu χύδην (zum dissimilierten Vokal Schwyzer 647). Dazu als Rückbildungen κοχύ· πολύ, πλῆρες H., κόχος ‘mächtiger Strom’ (Sch. Theok. ad loc.). I-937

κοχώνη f. ‘Stelle zwischen den Schenkeln, Hinterbacke’ (Hp., Kom., Herod.). — Die fast völlige Identität mit aind. jaghána- m. n. ‘Hinterbacke’ kann schwerlich Zufall sein; die weitere Beurteilung bleibt hypothetisch. Seit J. Schmidt KZ 25, 112 u. 116; 32, 373f. wird κοχώνη als assimilierte Form für *καχώνα erklärt, wobei *καχ- = aind. jagh- als Schwundstufe von jáṅghā f. ‘Unterschenkel’ usw. (zu got. gaggan ‘gehen’, idg. ĝhengh-) gilt. Beachtenswerte Einwände von Specht KZ 66, 197ff., der wegen προχῶναι ‘Hinterbacken’ (Archipp. 41) κοχώνη von jaghána- usw. trennt und dafür an χάσκω und Verw. (als "Kluft") anknüpfen will; κοχώνη dann aus *κεχ-. In dem einmaligen προχῶναι kann aber eine komische Verdrehung von κοχώνη nach πρωκτός vorliegen (Güntert Reimwortbildungen 122). Anders über προχῶναι (nach προχωννύω) Pisani Ist. Lomb. 73 : 2, 22f. I-937-938

κόψιχος m. ‘Amsel’ s. κόσσυφος. I-938

κράββατος (κράβαττος, κράβατος, auch -ακτος, -ον durch umgekehrte Schreibung, Schwyzer 317 A. 1) m. ‘niedriges Ruhebett’ (Rhinth., Kriton Kom., Arr., Pap. d. Kaiserz., NT). Komp. κραβατο-πόδιον = ἑρμίς, ‘Bettpfosten’ (Sch.). Deminutiva: κραβάτιον (Arr., -άκτιον Pap. V—VIp), κρεβαττάριον (Ed. Diocl.), ngr. κρεββάτι. Adj. κραβακτήριος (Pap. VIp). — Unklar κραβάτριος, etwa ‘Kammerdiener’? (IPE 2, 297). Zunächst aus lat. grabātus (-attus), nach Kretschmer Festschr. Bezzenberger 91 ff. maked.-illyr. von einem Wort für ‘Eiche’, *γράβος, das noch in γράβιον (s.d.) erhalten ist. Zum anl. κ- für γ- Schwyzer ZII 6, 242. II-1

κράβυζος m. N. eines Muscheltiers (Epich. 42). — Wohl Fremdwort; zum Ausgang -υζος Schwyzer 472 m. A. 3. Nach Strömberg Fischnamen 121 für *κραβό-βυζος aus κράβος· ὁ λάρος H. und βῦζα ‘Uhu’ (Nik.). II-1

κραγγών, -όνος (v. ll. κραγών, κράγγη) f. N. eines kleinen Krebstieres, wahrscheinlich ‘Squilla mantis’ (Arist. HA). — Zur Bildung auf -ών Chantraine Formation 159. Die Bedeutung läßt auf eine Entlehnung schließen. Die Anknüpfung an aind. śŕ̥ngam ‘Horn’ (Zupitza KZ 36, 59 ff. mit Johansson Beitr. z. griech. Sprachkunde 13), wozu κέρας u. Verw., wird mit Recht von Brugmann Grundr.2 2:1, 508 in Zweifel gezogen. — Für κραγγών· κίσσα H. will v. Blumenthal Hesychst. 41 f. κραγών, d. h. "Krächzevogel" (κράζω) lesen und umgekehrt κραγών· ἔνυδρον ζῶον in κραγγών ändern, wodurch sich eine richtige Alphabetenfolge wiederherstellen ließe. II-1

κραδάω nur Ptz. κραδάων (Hom.), κραδαίνω (seit Il.) ‘schwingen, erschüttern’, Med. ‘schwanken, zittern’; κραδεύειν H. als Erklärung von κραδαίνειν. Vereinzelt mit Präfix: ἐπι-κραδάω (A. R., Opp.); ἐπι-, δια-, συγ-κραδαίνω (Tim. Pers., Arist. u.a.); ἀνακραδεύει· σείει, σαλεύει H. Daneben κράδη f. ‘Baumwipfel, Zweigspitze, Zweig, bes. Feigenzweig’ (ion. att. seit Hes. Op. 681) mit ἀπο-κράδιος ‘vom einem Feigenbaum gepfiückt’ (AP), ἀπο-κραδίζω ‘von einem Feigenbaum pflücken’ (Nik.); auch ‘krankhafter Auswuchs, der einem Feigenzweig gleicht’ mit κραδάω ‘an einer κράδη leiden’ (Thphr.; vgl. Strömberg Theophrastea 195); auch N. einer Schwebemaschine, die bei szenischen Aufführungen verwendet wurde (Poll. 4, 128, H.). Nebenform κράδος ‘Rost od. Brand der Feigenzweige’ (Thphr. HP 4, 14, 4), nach Thphr. a.a.O. auch Benennung des Zweiges selbst. — Ableitungen: κραδησίτης· φαρμακός (’Sündenbock’), ὁ ταῖς κράδαις βαλλόμενος H. (vgl. Redard Les noms grecs en -της 242 A. 29); κραδίης m. ‘mit Feigenzweigen bereitet, von F. begleitet’ (H., Hippon.); κραδιαῖος ‘auf Feigenzweige bezüglich’ (Orph.); κράδαλοι· κλάδοι H. κραδαλός ‘zitternd’ (Eust.). — Zu κραδευταί s. κρατευταί. — Daß κράδη und κράδος mit κραδάω (wozu κραδαίνω als Erweiterung) zusammenhängt, scheint sicher; ihr gegenseitiges Verhältnis läßt aber verschiedene Auffassungen zu. Es liegt nahe, κραδάω als Denominativum zu verstehen, wobei für κράδη eine ursprüngliche Bedeutung ‘das Schwingen’ anzunehmen ist, was sich mit den Bedd. ‘Wipfel’ und ‘Schwebemaschine’ wohl verträgt (Fraenkel Denom. 19f.). Oder aber κραδάω ist als schwundstufiges Iterativum von einem verschwundenen primären Verb abgeleitet (vgl. Schwyzer 719 Mom. 4, Leumann Lat. Gramm. 317c m. Lit.) und hat selbst κράδη, -ος als Rückbildung ins Leben gerufen; diese letztere Alternative scheint den Vorzug zu verdienen. Noch anders (kaum zutreffend) Schwyzer 682 und Chantraine Gramm. hom. 1, 356: κραδάω altes (urspr. athematisches) Wurzelpräsens. —Eine sekundäre Nominalableitung zum primären Verb (*κέρδω o. ä.) kann in κόρδᾱξ N. eines Tanzes vermutet werden; s. d. mit weiteren Anknüpfungsversuchen. Ganz hypothetische Kombinationen bei W.-Hofmann s. cardō (m. Lit.), WP. 1, 567f., Pok. 934; s. noch Fraenkel Lit. et. Wb. s. (pa)-kìrsti.— Ein uraltes Wurzelnomen zu κραδάω u. Verw. wird von Schulze KZ 57, 75 = Kl. Schr. 217 fragend in dem idg. Wort für ‘Herz’, gr. κῆρ usw. (eig. "das Zuckende"?) vermutet. II-1-2

κράζω (einzelne Belege ab Ar.); Perf. κέκρᾱγα (Trag., Ar. usw.) mit Prät. ἐκέκραγον (LXX), Fut. κεκράξομαι (Kom., LXX usw.), κεκραγήσει· κραυγάσει H., Aor. κεκρᾶξαι (LXX); Aor. κρᾰγεῖν (ξ 467, Pi., Antiphon, Ar. u. a.), später κρᾶξαι (Thphr., LXX u. a.) mit Fut. κράξω (AP, Ev. Luk.), ‘krächzen, schreien’. auch mit Präfix, bes. ἀνα-, Ableitungen: κεκράκτης m. ‘Schreier’ (Hp., Ar., Luk.), κέκραγμα (Ar.), κεκραγμός (E., Plu.) ‘Geschrei’; κεκραξι-δάμας m. ‘durch Geschrei bezwingend’, scherzhafter Beiname des Kleon (Ar. V. 596, nach ’Αλκι-δάμας; Sommer Nominalkomp. 174 m. Lit.); κρᾱγέτας m. ‘Schreier’ (Pi.; Schwyzer 500), κρᾰγός ‘Geschrei’ (Ar. Eq. 487 κραγὸν κεκράξεται; Schwyzer 626), κράκτης ‘Schreier’ (Adam., Tz.) mit κράκτρια H. s. λακέρυζα, κρακτικός ‘schreiend, lärmend’ (Luk. u. a.). Das ursprüngliche System umfaßte einen thematischen Wurzelaorist κρᾰγεῖν nebst einem intensiven Perfekt κέκρᾱγα mit Präsensbedeutung (Schwyzer-Debrunner 263f.); hinzu trat ein nur selten vorkommendes Präsens κράζω mit neuem Aorist κρᾶξαι usw.; ein weitere Neuschöpfung war ἐκ-, ἐγ-κραγγάνω (Men., H.). Von der zentralen Stellung des Perfekts zeugen die davon gebildeten Verbal- und Nominalformen κεκράξομαι, κεκράκτης usw. — Als ursprüngliches Schallwort haben κέκραγα, κραγεῖν einen nahen Verwandten in κρώζω ‘krächzen’; dazu könnte κρᾰγεῖν sogar einen regelmäßigen schwundstufigen Aorist darstellen. Das dehnstufige κέκρᾱγα hat ein zweisilbiges Seitenstück in κάραγος· ὁ τραχὺς ψόφος, οἷον πριών H.; vgl. s. v. — Weiteres s. κρώζω, auch κόραξ und κραυγή. II-2-3

κραιαίνω (v. l. κρᾱαίνω), Aor. κρηῆναι (ep. seit Il.), κραᾶναι H., Pass. κρᾱανθῆναι (Theok.), Perf. 3. sg. κεκρά̄ανται (Od.), Vbaladj. ἀ-κρά̄αν-τος (Hom.); — κραίνω (ep. poet. seit Od., Mediz.), Fut. κρᾰνέω, -ῶ (Emp., A., E.; ἐπι-κρᾱνεῖ A. Ag. 1340), κρᾰνέεσθαι (Ι 626, intr.), Aor. κρῆναι (ep. seit Ο 599), κρᾶναι (A., S.), Pass. κρανθῆναι (Pi., Trag.), Perf. 3. sg. κέκρανται (Trag.), ἄ-κραν-τος (Pi., Trag.); ‘vollenden, vollbringen’ (seit Il.), intr. ‘enden’ (Mediz.), ‘herrschen’ (θ 391, S., E.; Wackernagel Unt. 157). auch mit ἐπι-, — Von κραίνω : κράντωρ, -ορος ‘Herrscher’ (E. in lyr., AP), ‘Vollbringer’ (Epigr. ap. Paus. 8, 52, 6), mit Dissimilation κάντορες· οἱ κρατοῦντες H. (Lewy KZ 59, 180); κραντήρ, -ῆρος ‘Herrscher’ (Orph.), pl. ‘Weisheitszähne’, eig. "Vollbringer", scil. der Zahnreihe (Arist.), sg. ‘Fangzahn’ (Nik., Lyk.); f. κράντειρα ‘Herrscherin’ (APl., Orph.); zu κράντωρ, -τήρ Benveniste Noms d’agent 46f.; κράντης ‘Vollender, Zustandebringer’ (Lyk.); κραντήριοι· οἱ κραίνοντες, καὶ ἐπιτελοῦντες H. — Zusammenbildung αὐτό-κρανος ‘sich selbst vollendend, selbstverständlich’ (H., EM; auch A. Fr. 295f.); nach H. auch = κίων μονόλιθος; wenigstens in der letzgenannten Bed. wohl eher zu κάρᾱ ‘Kopf’; s. -κρανον s. κρανίον. Die gut beglaubigte Variante κρᾱαίνω kann für *κρᾱσαίνω stehen und verhält sich demnach zum Gen. κρά̄ατος aus *κρά̄σα-τος von κάρᾱ, κάρη ‘Kopf’ wie z.B. ὀνομαίνω zu ὀνόμα-τος von ὄνομα; d.h. es geht als Denominativum von dem in dieser Form verbauten n-Stamm aus. Eigentliche Bedeutung somit ‘(einem Unternehmen) das Haupt aufsetzen’ (vgl. καρᾱνοῦν ‘vollenden’ von κάρᾱνον ‘Haupt’), intr. ‘Haupt sein’. — Neben κρᾱαίνω steht mit ionischer Lautform der Aorist κρηῆναι, kontrahiert κρῆναι, wozu wiederum das jüngere Präsens κραίνω (vgl. φῆναι : φαίνω) mit κρᾰνέω usw. Die gewöhnliche ep. Form κραι-αίνω hat wahrscheinlich ihre Stammsilbe κραι- aus κραίνω bezogen, evtl. als Ersatz eines ionischen *κρηαίνω neben κρηῆναι (Leumann IF 57, 157). —Fraenkel Denom. 7, Bechtel Lex. s. v. (nach Fick, J. Schmidt, Wackernagel, Danielsson); zustinmmed Schwyzer 724f. und Chantraine Gramm. hom. 1, 82, der immerhin (1, 343) mit Benveniste Origines 17 als Grundlage ein besonderes *κράσαρ n. ‘achèvement’ ansetzt; nicht glaubhaft. — Abzulehnen Bq mit Brugmann und Danielsson: κρα(ι)αίνω und κραίνω zwei verschiedene Wörter; Ehrlich Sprachgesch. 22 f. (s. Bq), Luther Weltansicht und Geistesleben 33f., Gray Et. Celt. 6, 66, Mann Lang. 17, 16; 28, 33. II-3-4

κραιπάλη f. ‘Weinrausch mit daraus entstandenem Kopfweh, Katzenjammer’ (Hp., Ar. usw.). Kompp. ἀ-κραίπαλος ‘vom Rausch befreit, befreiend’ (Arist., Dsk. u. a.), κραιπαλό-κωμος ‘an einem Gelage teilnehmend’ (Ar.). Davon κραιπαλώδης ‘rauschsüchtig’ (Phld., Plu.), κραιπαλάω ‘einen Rausch oder Katzenjammer haben’ (Ar., Pl., Plb. usw.). — Volkstümliches Wort auf -άλη; vgl. zur Bildung ἀγκάλη, μασχάλη, σκυτάλη usw. (Chantraine Formation 245ff.); aber sonst dunkel. Beziehung zu κραιπνός (Curtius 679f. u. A.) mit ν : λ-Wechsel liegt formal nahe und ist auch semantisch nicht unmöglich, obwohl selbstverständlich nicht zwingend (vgl. Solmsen KZ 30, 602f.). Über verfehlte idg. Erklärungsversuche s. Bq. — Lat. LW crāpula ‘ds.’ ( > frz. crapule) mit unklarem ; s. W.-Hofmann s. v.; auch Ernout Aspects du vocab. latin 61 u. 67. II-4

κραιπνός ‘reißend, heftig, schnell’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Treu Von Homer zur Lyrik 6f.); κραιπνό-συτος, -φόρος ‘schnell dahineilend, -führend’ (A.). — Unerklärt. Früher (z.B. Curtius 143 u. 525) mit καρπάλιμος verbunden; die dafür gegebene lautliche Begründung (Solmsen KZ 30, 602) ist kaum stichhaltig, s. Schwyzer 274. — Ältere Lit. mit verfehlten Deutungsvorschlägen bei Bq. II-4

κραῖρα · ἡ κεφαλή, καὶ ἀκροστόλιον; κραῖροι· στόλοι νεῶν, μέτωπα, κεφαλαί H. Sonst nur als Hinterglied: ὀρθό-κραιρα ‘mit aufrecht stehenden Hörnern, Schnäbeln’ (βοῶν, νεῶν ὀρθο-κραιράων Hom., Versende); ἐῢ-κραιρα ‘mit schönen Hörnern’ (βουσὶν ἐϋκραίρῃσιν h. Merc. 209); ἡμί-κραιρα ‘halber Kopf, Kopfhälfte’ (Kom., Inschr.); μελάγ-κραιρα ‘mit schwarzem Kopfe’ (Lyk., [Arist.] Mir.); δί-κραιρα ‘gabelig’ (A. R.). — εὔ-κραιρος f. (A., Opp., Tryph.; als geringe v. l. h. Merc. 209); ὀρθό-κραιρος f. (AP); τανύ-κραιρος m. f. ‘mit langen Hörnern’ (AP, Opp.); δί-κραιρος m. ‘zweihörnig’ (AP); βοό-, ἰσό-, ὁμό- κραιρος (Nonn.). — Mit Umbildung nach den Nom. auf -ης, -ητος : εὐκραίρης (Max. 84). — Die angeblichen Simplizia κραῖρα und κραῖρος sind offenbar aus den Kompp. ausgelöst. Alt ist nur die Femininform -κραιρα. Zu dieser wurde nach den übrigen komponierten Adj. ein genusindifferentes -κραιρος hinzugebildet, das sich mit der Zeit durchsetzte. — Als Feminina gesellen sich ὀρθό-κραιρα usw. zu Bildungen wie πίειρα, πρῷρα, die mit ια-Suffix von einem ρ-Stamm gebildet sind, der seinerseits mit einem ν-Stamm abwechselt (πίων, πρώων) und auch mit einem σ-Stamm in Verbindung stehen kann (aind. pī́vas- n. ‘Fett’ neben πίων, πίειρα; κῦδος : κυδρός : κυδαίνω). Daß -κραιρα zu κέρας, κάρᾱ (urspr. σ-Stamm) gehört, ist schon längst erkannt; als Grundform läßt sich entweder *-κρᾱρ-ι̯ᾰ mit altem Wechsel κερα-σ- : κρᾱ-ρ- oder *-κρᾱσ-ρ-ι̯ᾰ neben *καρασ-ν(ο)- > κάρην(ο)- ansetzen; vgl. noch καρά̄ρα < *καρασ-ρ-ᾱ ‘Kopf’ (s. κάρηνα) und ναύ-κρᾱρος, auch ἡμί-κρανον = ἡμί-κραιρα (Alex. Trall.) neben κρανίον (s. d.); das -ᾱ- wurde vor -ρι̯- regelmäßig gekürzt. So im Prinzip aber mit verschiedenen Modifikationen Danielsson Gramm. u. et. Stud. 1, 33f., Wackernagel BB 4, 312, Brugmann MU 2, 242f. u. IF 18, 432 A. 1 (Referat bei Bq), Bechtel Lex. s. ὀρθόκραιρα. II-4-5

κράμβος = καπυρός, ξηρός, von Lauten (Ar. Eq. 539 : κραμβότατον στόμα; H., Suid.); als Subst. m. ‘Schrumpfkrankheit der Trauben’ (Thphr.; Strömberg Theophrastea 167). Davon κραμβαλέος ‘trocken, geröstet’ (Ath.; nach αὐαλέος u.a.), κραμβαλίζουσιν· καπυρίζουσι H.; mit Vokalassimilation κρομ-βόω ‘rösten, braten’ (Diph.). — Daneben κράμβη f. ‘Kohl’ (ion. att.; nach den eingeschrumpften Blättern, Strömberg Pflanzennamen 24) mit κραμβίδιον ‘ds.’ (Antiph.), κραμβίον ‘Kohlsuppe’ (Hp. u. a.; neugr. Formen [teilweise mit γρ-] bei Georgakas ByzZ 41, 362), κραμβίς ‘Kohlwurm’ (Ael.; Ström- berg Wortstudien 9), κραμβήεις ‘kohlähnlich’ (Nik.), κραμβίτας m. ‘Gemüsehändler’ (Thessal.; Redard Les noms grecs en -της 37). Vorderglied z.B. κραμβο-κέφαλος ‘kohlköpfig’ (Pap.). — Hierher noch κράμβαλα· μνημεῖα H. (von der Aschenurne); auch κράμβωτον· ἰκτῖνος H. (nach den Krallen?; anders Thompson s. v.). Zu dem Ausgang -βος und dem α-Vokal vgl. u. a. σκαμβός, κλαμβός (s. d.). Der Akzent fällt auf und legt den Gedanken an ursprüngl. substantivische Funktion nahe; das seltene κράμβος somit sekundär gegenüber κράμβη (mit regelmäßiger Paroxytonierung)? — Vom volkstümlichen α-Vokal abgesehen stimmt κράμβος, -βη lautlich zu einer germanischen Wortgruppe, u. a. ahd. (h)rimfan ‘runzeln, krümmen, rūmpfen’, mnd. ramp ‘Krampf’, idg. *qremb-, *qromb-; sehr fraglich dagegen lit. kremblỹs ‘Eierschwamm, Pfifferling’, s. Fraenkel Lit. et. Wb. s. v. Npers. LW karaṃb ‘Kohl’. — Daneben stehen Wörter mit anlautendem idg. sqr-, z.B. mhd. schrimpfen, nhd. schrumpfen; mit auslautendem idg. bh ohne Nasal, z.B. lit. skrèbti (Ind. skre-m-b-) ‘eine dünne Kruste ansetzen, steif werden’, gr. κάρφω usw., s. d. m. Lit. — Vgl. noch κρόμπος. — Pelasgische Etymologie bei Carnoy Ant. class. 24,18. II-5-6

κραναός ‘hart, rauh, felsig’ (ep. poet. seit Il.), auch von Athen und den Athenern (Hdt., Ar. u. a.); κραναή-πεδος ‘mit felsigem Boden’ (h. Ap. 72, -η- metrisch bedingt; Zumbach Neuerungen 18). — Zur Form vgl. κερα(ϝ)ός, τανα(ϝ)ός; somit wohl eig. *κραναϝός; weitere Anknüpfung unsicher. Die herkömmliche Verbindung mit Wörtern für ‘hart’ (s. κράτος) besagt nichts, solange die Bildungsweise nicht aufgeklärt ist. Anders Johansson BB 18, 26f. und Ehrlich Sprachgeschichte 21f. (κάρνος, κραίνω, κράνος usw.; s. Bq). II-6

κρᾱνίον n. ‘Schädel, Hirnschale’, auch vom Kopf im allg. (Θ 84 [Attizismus?, Wackernagel Unt. 225, Chantraine Gramm. hom. 1, 18, Shipp Studies 21], Pi. I. 4, 54, att.). Als Vorderglied in κρανιό-λειος ‘kahlköpfig’ (Kom. Adesp. 1050); nicht selten als Hinterglied, zumal in mediz. Ausdrücken, z.B. ὀπισθο-κράνιον ‘occiput’, ἐγ-κράνιον ‘cerebellum’ (nach (ἐγ-κέφαλος), aber auch sonst, z.B. βου-κράνιον ‘Ochsenkopf’ (EM), auch als Pflanzenname (Ps.-Dsk., Gal., Strömberg Pflanzennamen 47). Adjektivische Hypostase περι-κράνιος ‘um den Schädel herumlaufend’ (Plu., Mediz.). Daneben, u. zw. älter und weit gewöhnlicher, -κρᾱνον, z.B. ἐπί-κρανον ‘Säulenknauf, Kopfbinde’ (Pi., E., Inschr. u. a.), ποτί-κρανον ‘Kopfkissen’ (Sophr., Theok. u. a.), ὀλέ-κρανον ‘Ellbogen-(kopf)’ (Hp., Ar., Arist. usw.), κιο(νό)-κρανον (s. κίων). Adj., z.B. βού-, ἐλαφό-, δί-, τρί-, χαλκεό-, ὀρθό-κρανος (fast nur poet.). Sehr selten als Vorderglied: κρανο-κοπέω ‘den Kopf abhauen’ (Pap.); zu κρανο-κολάπτης s. κράνον. — Denominative Verba: κρανίξαι· ἐπὶ κεφαλὴν ἀπορρῖψαι, κρηνιῶν· καρηβαρῶν H.; Hypostase ἀποκρανίξαι ‘vom Kopf losreißen’ (AP), ‘den Kopf abhauen’ (Eust.). — Die Sekundärbildung κρᾱνίον geht offenbar auf ein nominales Grundwort zurück. Als solches wird von Bechtel Lex. s. v. ein Substantiv *κρᾶνον angesetzt, das indessen eigentlich nur als Hinterglied in zahlreichen Kompp. (s. oben) belegt ist. Es empfiehlt sich deshalb, direkt vom obliquen Stamm κρᾱν- auszugehen. Sowohl κρανίον wie -κρανον, -ος würden dann von κάρᾱ, κρᾱτός ‘Kopf’ (s. d.) aus gebildet sein, gerade wie κύρ-ιος und ἄ-κυρος beide ein Nomen κύαρ voraussetzen (s. κύριος). Als Grundwort wäre an sich auch κράνα· κεφαλή H. möglich; wieviel aber auf diese vereinzelte Glosse zu bauen ist, bleibt zweifelhaft. — Lit. m. weiteren Formen s. κάρᾱ, κέρας. II-6-7

κράνον auch κράνος f. (Pap., Gp.) n. (Thphr., Mediz.), ‘Kornelkirschbaum, -kirsche’. Als Vorderglied vielleicht in κρανο-κολάπτης N. einer Spinne (Philum. Ven. 15, 1, Sch. Nik. Th. 764), s. Strömberg Wortstudien 22. — Gewöhnlicher und früher belegt κράνεια f. ‘Kornelkirschbaum’ (Hom., E., Thphr., hell. Inschr.), auch κρανία (Hp., Dsk. u. a.), -έα (Gp.). Davon κράνειον (-ιον) ‘Kornelkirsche’ (Thphr., Gal.), κρανέϊνος ‘aus Kornelkirschholz’ (Hdt., X. u. a.), auch κρανάϊνος ‘ds.’ (Hp., X., Str. u. a.; nach ἐλάϊνος), κράνινος ‘ds.’ (Paus.). Mit κράνον, -ος lassen sich die synonymen lat. cornum, -us als Erbwörter gut identifizieren: idg. *kr̥nom, -os. Als dritter einzelsprachlicher Vertreter kommt lit. Kirnis N. eines Gottes, der die Kirschbäume (*kirnas) beschützt, hinzu. Zweifel bei Ernout-Meillet s. cornus, aber zustimmend Ernout Aspects du vocab. latin 21. Wie sich κέρασος (s. d.) dazu verhält, bleibt offen. Weitere Hypothesen m. Lit. bei Bq s. v., W.-Hofmann s. cornus, WP. 1, 411f., Pok. 572f. II-7

κράνος n. ‘Helm’ (ion. att.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 45 f.). Als Vorderglied in κρανο-ποιέω, -ποιΐα, -ποιός ‘Helme schmieden’ (Ar. u. a.). Demin. κρανίδιον (att. Inschr.). — Mehrere Deutungsversuche. Wie κόρυς ist auch κράνος zur großen Sippe von κάρᾱ, κέρας gezogen worden (s. Bq s. κραίνω). Dabei wäre von dem u. a. in lat. cor-n- enthaltenen, mit dem. s-Stamm in κέρας usw. alternierenden n-Stamm auszugehen. Nach anderen (Curtius, L. Meyer, Prellwitz) zu κάρυον, κραναός (s. dd.) usw. II-7

κραπαταλ(λ)ός m. N. eines wertlosen Fisches (Hdn., H.), auch übertr. = μωρός (H.; Strömberg Fischnamen 95 A. 2) und als N. einer Münze (= δραχμή) in Hades (Pherekr. bei Poll. 9, 83). Davon κραπαταλίας· ἀνεμώδης καὶ ἀσθενής. καὶ ἀνίσχυρα λέγων, ἄμεινον δὲ ληρώδης H. (Pherekr. 99). — Volkstümliche Bildung auf -αλ(λ)ός (Chantraine Formation 245ff., Schwyzer 483 f.) ohne Anknüpfung. II-7

κράσπεδον n. ‘Rand, Saum eines Kleides’, übertr. von einem Gelände, einem Gebirge, auch von einem Heere = ‘Flügel des Heeres’ (S., E., Ar., X., Theok., NT usw.) mit κρασπεδίτης ‘Flügelmann eines Chores’ (Plu.; Gegensatz κορυφαῖος) und κρασπεδόομαι ‘umsäumt sein’ (E.). — Altes Kompositum von κάρᾱ ‘Kopf’ in einsilbiger Schwachstufenform κρᾱσ- und verblaßtem πέδον ‘Ebene, Boden’, vgl. aind. dru-padá-m ‘Holzpfosten’; das Vorderglied läßt auf eine ursprüngliche Bedeutung ‘oberer Rand’ (eig. "Kopfstelle"?) schließen, s. Risch IF 59, 14 mit Leumanns Bemerkung ebd. A. 3. — Ältere Lit. bei Bq. II-7-8

κράστις ‘Grünfutter’ mit κραστίζομαι ‘weiden’ s. γράω. II-8

κράταιγος, auch -αιγών, -όνος m. ‘Weißdorn, Crataegus oxyacantha’ (Thphr.). — Von Prellwitz, Bq und WP. 1, 10 aus κρατύς ‘hart’ und αἰγ- in αἰγίλωψ (s. d.) u. a. erklärt, was für das Vorderglied der Hauptsache nach richtig sein wird; ähnlich auch Mayer Glotta 35, 157 (zu αἰγ-ανέη u. a.). Verfehlt Machek Ling. Posn. 2, 152 (: zu slav. glogъ ‘Weißdorn’; vgl. zu γλῶχες). II-8

κρατευταί m. pl. — Letzten Endes wohl mit Fick KZ 22, 230 zu κράτος, κρατύς wie τελευτή zu τέλος; vgl. Aristarch: ἀπὸ τοῦ διακρατεῖσθαι τοὺς ὀβελίσκους ἐπὶ τούτων (τῶν βάσεων) κειμένους. Als Zwischenglied mag ein Verb κρατεύω (κεκ[ράτ]ευκα nur IG 14, 1794) = κρατύνω ‘fest machen, befestigen’ gedient haben; vgl. noch den maked. PN Κρατεύας. Die seltene Nebenform κραδευταί (att. Inschr.; vgl. Solmsen KZ 42, 221 ff.) ist als volksetymologische Umwandlung nach κραδάω, -αίνω verständlich. Anders Schwyzer 257 mit G.Meyer und Brugmann: κρατ-aus κραδ- durch Assimilation oder (Brugmann) Volksetymologie. Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 1, 20 A. 1. ‘Stützsteine, (tönerne) Aufsätze an beiden Seiten des Opferaltars als Stützen für die Bratspieße’ (I 214, Eup., att. Inschr.; Chapouthier Rev. ét. anc. 43, 12ff.), auch ‘Stützsteine eines Pflasters’ (Lebadea), ‘Bleigänse’ (att. Inschr.). Davon κρατευτήρια pl. ‘ds.’ (Poll. 6, 89; nach den Nom. instr. auf -τήριον). II-8

κράτος, ep. ion. (dor.) auch κάρτος, äol. κρέτος n. ‘Stärke, Kraft, Macht, Herrschaft, Sieg’ (seit Il.; zur Bed. Trümpy Fachausdrücke 202 ff.). Oft als Vorderglied, z.B. ἀ-κρατής ‘ohne Kraft, ohne Macht (über andere oder über sich selbst)’; Gegensatz ἐγ-κρατής ‘Macht über etw. besitzend, (sich) beherrschend’ mit ἐγκράτεια, -έω usw.; αὐτο-κρατής ‘Macht über sich selbst habend, selbständig’; gewöhnlicher αὐτο-κράτωρ ‘Selbstherrscher’ (seit Ar. und Th.; nach den Nom. ag. auf -τωρ); Einzelheiten bei Debrunner Festschrift Ed. Tièche (Bern 1947) 11f.; daneben -κρέτης in äol. und ark. kypr. EN, z.B. Σω-κρέτης. Neben κράτος, κρέτος stehen mehrere Adjektiva: 1. κρατύς ‘stark, mächtig’ (Hom.; nur κρατὺςΑργεϊφόντης, Versende) mit κρατύνω, ep. auch καρτ-, ‘stärken, befestigen, herrschen’ (seit Il.) mit κρατυσμός ‘Stärkung’, κρατυντήριος ‘stärkend’, -τικός ‘ds.’ (Mediz.), κρατύντωρ ‘Beherrscher’ (PMag. Leid.). — 2. κρατερός (ep. lyr. seit Il., A. Pr. 168, anap.), καρτερός (seit Il.) ‘stark, mächtig, gewaltsam’ (ion. att.); auch als Vorderglied, z.B. κρατερό-φρων (poet. seit Il.). Davon καρτερέω, auch mit Präfix, z.B. δια-, ‘standhaft sein, ausdauern, über sich gewinnen’ (ion. att.) mit καρτερία (Pl., X. u. a.), -ρησις (Pl.) ‘das Ausdauern, Standhaftigkeit’, -ρικός (att.); καρτερόω ‘stärken’ (Aq., Herm.). — 3. κραταιός ‘stark, kräftig, mächtig, hart’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), auch als Pflanzenname (Ps.-Dsk.; Strömberg Pflanzennamen 82); selten als Vorderglied, z.B. κραταιό-φρων (PMag.). Davon κραταιότης = κράτος (LXX), κραταιόω ‘stärken’ (LXX, NT u. a.) mit κραταίωμα, -ωσις (LXX). Fem. κραταιίς (Od.; Schwyzer 385). — 4. Primäre Steigerungsformen: Komp. κρείττων, ep. (attisierend) κρείσσων mit sekundärem -ει- für κρέσσων (ion., Pi.); dor. κάρρων, kret. κάρτων; Denominativum κρειττόομαι ‘Auswüchse bekommen’, vom Wein, mit κρείττωσις (Thphr.). Sup. κράτιστος, ep. κάρτ-, (seit Il.), mit -τεύω ‘der Beste sein, übertreffen’ (Pi., att.); -(ε)ία als Titel, ‘Hoheit’ (Pap.). — 5. Adv. κάρτα ‘in hohem Maße, sehr’ (vorw. ion. und Trag.). — 6. Als Vorderglied mehrfach κραται- (καρται-), z.B. κραται-γύαλος ‘mit starken Bruststücken’ (T 361). Außerdem Κρατι-, Καρτι- in EN, z.B. Κρατί-δημος, Καρτί-νικος; auch Κρατ(ο)-, Κρατε- u. a. (Bechtel Hist. Personennamen 256). Hypokoristische Kurznamen Κρατῖνος (Schwyzer 491, Chantraine Formation 205), Κρατύλος, Κράτυλλος (Leumann Glotta 32, 217 u. 225 A. 1), Κρατιεύς (Boßhardt Die Nom. auf -ευς 126). Zu Κρεσφόντης s. u. — 7. Verb: κρατέω (seit Il.), äol. κρετέω, Aor. κρατῆσαι (nachhom.), κρέτησαι (Sapph.), oft mit Präfix, z.B. ἐπι-, κατα-, περι-, ‘beherrschen, besitzen, vorherrschen, (be)siegen’; davon (ἐπι- usw.) κράτησις ‘Macht, Herrschaft’ (Th., LXX u. a.), (δια-, ἐπι-) κρατητικός ‘beherrschend’ (spät), (δια-)κράτημα ‘Stütze, Griff’ (Mediz.); κρατητής ‘Besitzer’ (Prokl.); κρατῆρας· τοὺς κρατοῦντας H. für κρατητῆρας (Lewy KZ 59, 182). Dagegen ἐγκρατέω von ἐγ-κρατής, ναυ-κρατέω, -τία von ναυ-κρατής usw.; s. oben. καρταίνειν· κρατεῖν H. — 8. Zu κρατευταί s. bes. — Mit der Hochstufe in äol. κρέτος alterniert regelmäßig die Schwundstufe in κρατύς, κάρτα (βένθος : βαθύς usw.; zu ρα : αρ Schwyzer 342). Durch Analogie entstanden sowohl κράτος, κάρτος wie die Kompp. κάρρων < *κάρσ(σ)ων < *κάρτι̯ων und κάρτων neben dem alten hochstufigen κρέσσων < *κρέτι̯ων; Einzelheiten bei Seiler Steigerungsformen 53 ff. Eine Schwachstufe des σ-Stamms in κρέτος wird auch in Κρεσ-φόντης ( < *Κρετσ-) vermutet (Kretschmer Glotta 24, 237, Heubeck Beitr. z. Namenforsch. 5, 26). — Wie sich die Formen im übrigen zueinander verhalten, ist nicht ganz klargelegt. Das Adjektiv κρατερός, καρτερός enthält vermutlich einen alten, mit dem σ-Stamm in κρέτος (und dem ν-Stamm in καρταίνειν?) alternierenden ρ-Stamm (Benveniste Origines 17, Leumann Hom. Wörter 115), obgleich eine analogische Neubildung zu κράτος, κρατέω nicht als ausgeschlossen gelten kann (z.B. Schwyzer 482). Dagegen dürfte das nur in EN erscheinende Κρατι-, Καρτι- nicht alt sein (wie z.B. im κυδι-άνειρα : κῦδος), sondern auf Analogie (nach ’Αλκι-, Καλλι- u. a.; Frisk Nom. 70) beruhen. Zu κάρτα vgl. z.B. τάχα, ἅμα. Das Vorderglied κραται- dürfte nach παλαι- u. a. gebildet sein; dazu κραταιός nach παλαιός? (vgl. Schwyzer 448 m. Lit.). Anders Risch 117: κραταιός Rückbildung zu κραταιή für *κράταια, Fem. zu κρατύς (Πλαταιαί : πλατύς). Auch κρατέω ist umstritten. Gegen die nächstliegende Erklärung als Denominativum von κράτος (Schwyzer 724; κρατῆσαι erst nachhom.) wendet sich Leumann Hom. Wörter 113ff.; er will dafür in κρατέω eine Rückbildung aus ἐπικρατέω von ἐπι-κρατής (Hom. nur Adv. ἐπικρα-τέως) sehen. Noch anders Specht KZ 62, 35 ff. : κρατέω aus *κρατει̯-ω zu κρατι-; dagegen Leumann a.a.O. Eine genaue Entsprechung zu κράτος u. Verw. gibt es nirgends. Sehr nahe kommen indessen aind. krátu- m. ‘Kraft, Verstand, Wille’, aw. xratu- m. ‘Verstand, Wille’. Die gegen diese Zusammenstellung oft geäußerten Bedenken (z.B. WP. 1, 354) wegen des vorwiegend auf geistige Qualitäten bezüglichen indoiran. Wortes erledigen sich schon durch einen Hinweis auf ags. cræft ‘Kraft, physische Stärke, Macht’, auch ‘Einsicht, Gewandtheit usw.’. Das germanische Wort für ‘hart’, got. hardus usw., das gewöhnlich, vielleicht mit Recht, hierhergezogen wird, weicht im Vokal (idg. *qartú- oder *qortú- gegenüber *qr̥tú- zu *qret-) ab. — Vgl. Mayrhofer Wb. s. krátuḥ m. Lit. II-8-10

κραυγή f. ‘Geschrei, lautes Rufen’ (att. usw.). Davon κραυγίας· ἵππος, ὁ ὑπὸ κραυγῆς καὶ ψόφου ταρασσόμενος H. und κραυγός· δρυοκολάπτου εἶδος H. Denominativum κραυγάζω ‘schreien, krächzen, kreischen’ (unbek. Dichter bei Pl. R. 607b, D., hell. u. sp.) mit κραυγασμός ‘Geschrei’ (Diph.), *αστής ‘Schreier’ (AB), -άστρια f. (H.), -αστικός ‘schreiend’ (Prokl., Sch.). Auch κραύγασος ‘Schreier’ (Gloss.; Schwyzer 516, Chantraine Formation 435) mit Κραυγασίδης (Batr.), κραύγαζος (Ptol.). — Andere Bildung κραυγανάομαι in κραυγανώμενον (Hdt. 1, 111; v. l. -γόμενον; vgl. Schwyzer 770); unsicher Sch. Kall. Aet. Fr. 1, 20. — Dazu die PN Κραῦγις, Κραυξίδας, Κραυγαλίδαι (Bechtel Hist. Personennamen 496). — Zu κραυγ-ή, das als Nomen actionis ein verschollenes primäres Verb voraussetzt, bieten sich aus dem Germanischen und Baltoslavischen mehrere Verwandte. Mit κραυγός könnte awno. hraukr ‘Seerabe’ sogar direkt gleichgesetzt werden (Fick KZ 43, 144; von Falk-Torp Wb. s. raage II abgelehnt). Daneben mit ablautendem got. hrūk Akk. sg. ‘das Krähen’ und hrūkjan ‘krähen’ (wäre gr. *κρυγέω; in κορύγης· κῆρυξ. Δωριεῖς H. enthalten?; Fick a.a.O.). Auslautende Tenuis liegt vor u. a. in lit. kraukiù, kraũkti ‘krächzen’, slav., z.B. russ. kruk ‘Rabe’ (idg. *qrauqos). Zu bemerken außerdem, mit palatalem Auslaut, aind. króśati = aw. xraosaiti ‘kreischen, schreien’. — Wie in den sinnverwandten κράζω, κρώζω liegt auch in κραυγή eine alte Lautnachahmung vor. WP. 1, 417, Pok. 571, Vasmer Russ. et. Wb. s. kruk, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. s. hruk, W.-Hofmann s. cornīx; überall mit weiteren Formen und Lit. II-10-11

κραῦρος ‘trocken, spröde, zerbrechlich’ (Pl., Arist., Thphr. usw.) mit κραυρότης ‘Sprödheit’ (Thphr., Gal.), κραυρόομαι ‘trocken werden’ (Ph., D. C.). Außerdem κραῦρος m. (Arist.) = κραῦρα f. (Gortyn [?], Suid., Phot.) ‘fieberhafte Krankheit des Schweins und des Viehs’ mit κραυράω ‘von κ. leiden’ (Arist.). — Unerklärt. Verschiedene unhaltbare oder ganz hypothetische Etymologien werden bei Bq abgelehnt. Nicht besser Carnoy Ant. class. 24, 18. — Reimwort θραῦρον· τραγανόν, θραυόμενον H. (zu θραύω), ebenfalls mit bemerkenswerter Barytonese (wie übrigens auch das Oppositum γλίσχρος). II-11

κρέας, dor. κρῆς; Gen. κρέως (sek. κρέατος; Attika 338a); Pl. Nom. κρέᾰ (seit Il., Neubildung; sehr unsicher κρέατα Od.), Gen. κρεῶν (ion. att.), auch κρειῶν (Hom.; wohl für κρεέων), κρεάων (h. Merc. 130; Zumbach Neuerungen 3), Dat. κρέασι (seit Il.), auch κρέεσσι (Orac. ap. Hdt. 1, 47), κρεάεσσι (sp. Ep.). n. ‘Fleisch, Fleischstück’. Als Vorderglied gewöhnlich κρεο- (nach den ο-Stämmen), z.B. κρεο-κοπέω ‘Fleisch hauen’ (A., E.), auch κρεω- (nach γεω-, λεω- u. a.) als v. l. und z.B. in κρεω-δαίτης ‘Fleischverteiler’ (Phld.), κρε-άγρα ‘Fleischzange’ (Ar. u.a.; Elision, u. zwar wohl aus κρεο-), κρεᾱ-νόμος, -έω, -ία ‘Fleisch verteilend’ (E., Is., hell. u. sp.; nach ἀγορᾱ-νόμος; danach κρεᾱ-δοτέω, -σία), κρεη-φαγέω ‘Fleisch essen’ (Hp. u. a., analogisch neben κρεο-φ.). Einzelheiten zur Flexion Schwyzer 516 m. Lit., Sommer Μνήμης χάριν 2, 145 ff. m. Lit., Chantraine Gramm. hom. 1, 209 f.; zur Form des Vorderglieds Solmsen Unt. 23 A. 1. Selten als Hinterglied: πάγ-κρεας ‘Kalbsmilch, Bauchspeicheldrüse’ (Arist., Mediz.), γλυκύ-κρεος ‘mit süßem Fleisch’ (Sophr.) u. a. Ableitungen: Deminutiva κρεᾴδιον (ion. att.), κρεΐσκος (Alex. 189), κρεύλλιον (Theognost.); dazu κρεώδης ‘fleischig’ (Arist., Thphr. u.a.), κρεῖον ‘Fleischbank’ (I 206; H. κρήϊον), nach ἀγγεῖον u.a.; nicht mit Specht KZ 62, 230 A. 2 und Ursprung 126 aus *κρέϝι-ον mit altem i-Stamm; ganz unsicher κρηστήριον (Attika IVa). — Bis auf den Akzent kann κρέας mit aind. kravíṣ- n. ‘rohes Fleisch’ identisch sein; Grundform dann *qreu̯əs- n. Anders Benveniste Origines 31: κρέας Neubildung für *κρέαρ mit demselben r-Stamm wie z.B. in aind. krūr-- ‘roh, blutig’. Daneben mit anderer Stammbildung aind. kravyám n. ‘rohes Fleisch’ = apreuß. krawian n., lit. kraũjas m. ‘Blut’; mit anderem Ablaut z.B. aksl. krъvь f. ‘Blut’. — Weitere Formen m. reicher Lit. WP. 1, 478 f., Pok. 621f., W.-Hofmann s. cruor, crūdus, cruentus, Fraenkel Lit. et. Wb. s. kraũjas, Vasmer Russ. et.Wb. s. krovь. S. auch κρύος. II-11-12

κρείττων s. κράτος. II-12

κρείων (ep. seit Il.), κρέων (Pi., A. in lyr.), -οντος, f. κρείουσα (ep. poet. seit X 48), κρέουσα (B.) ‘Herrscherin, Fürstin’; EN Κρέων, -ουσα (nachhom.), Patron. Κρειοντιάδης (Τ 240). m. ‘Herrscher, Fürst’; — Als Wort der poetischen Hochsprache gewiß altererbt. Wie in anderen Wörtern (Schwyzer 526) kann auch in κρείων die ντ-Flexion (nach ἄρχων, μέδων u. a.) einen älteren ν-Stamm ersetzt haben. Da ep. κρείων außerdem aus κρέων metrisch gedehnt sein kann, läßt sich κρείων mit einem indoiran. Komparativ, aw. srayah-, aind. śréyas- (e sekundär für a), gleichsetzen. Als Grundwort dient ein Nomen, aw. srī-, aind. śrī- f. ‘Herrlichkeit, Reichtum, Glanz, Ruhm’. Die sog. komparative Bedeutung steht natürlich dieser Identifikation nicht im Wege, da sie ja gegenüber der absoluten Funktion (śréyas- eig. ‘der in hohem Maße die śrī- besitzt’) sekundär ist; Benveniste Noms d’agent 121 ff. — Ausführlich Osthoff MU 6, 93 f., 102 f., 115f. m. Lit. (von Seiler Steigerungsformen 120f. abgelehnt); dazu Gonda KZ 73, 153f. (εὐρὺ κρείων : aind. pr̥thu-śrī- ‘mit breiter śrī-’). II-12

κρέκω, Aor. (spät) κρέξαι, ‘ein Gewebe (fest)schlagen, weben, ein Saiteninstrument mit dem Plektron schlagen’, übertr. ‘einen Laut von sich geben, anstimmen’ (Sapph., Pi., Ar. in lyr., AP usw.). vereinzelt mit ὑπο-, δια-, συν-, Davon κροκ- f. im Akk. sg. κρόκ-α (Hes. Op. 538), Nom. pl. κρόκ-ες (AP 6, 335), sg. κρόξ nur H., Theognost.; sonst κρόκη (ion. att.) ‘Einschlag des Gewebes, Einschlagfaden, Faden, (wollenes) Gewebe’. Von κρόκη : κρόκιον ‘wollene Binde’ (Antikl. 13), κροκίς f. ‘Sonnentau, Fliegenfalle, Drosera’ (Apollod. ap. Plin. HN 24, 167), κροκύς f. ‘Wollflocke’ (ion. att.) mit κροκύδιον (Gal. u. a.), κροκυδίζω ‘Wollflocken abrupfen’ (Kom., Gal.), -ισμός (Gal.); κροκόω ‘weben, in Wolle einhüllen’ (Dionys. ap. St. Byz., Phot.); κροκισμός ‘Gewebe’ (Sch.; wie von *κροκίζω). — κρεγμός m. ‘Laut von Saiteninstrumenten’ (Epich., A. R., Poll.). — Ursprünglich wahrscheinlich ein Ausdruck des Weberhandwerks ist κρέκω auch auf das Saitenspiel übertragen worden. Das thematische Wurzelpräsens κρέκω steht als solches isoliert; das Germanische bietet aber mehrere Nomina, die ein entsprechendes primäres Verb voraussetzen: awno. hræll m. (< urg. *hráhilaz; wäre gr. *κρόκιλος) ‘Stab zum Festmachen des Gewebes’, ags. hrēol (< urg. *hréhulaz) ‘Haspel, Weife’, nengl. reel; dazu mit grammatischem Wechsel ags. hrægl n. ‘Kleid, Gewand’, ahd. hregil n. ‘indumentum, spolium’. Auch verschiedene baltoslavische Wörter sind herangezogen worden: lit. krẽklės ‘zerlumpte Kleider, Lumpen’, lett. krękls ‘Hemd’; slavische Ausdrücke für ‘Feuer schlagen usw.’, z. B. russ. krešú, kresítь; Wörter für ‘Webstuhl’, z.B. russ. krosno; alles unsicher oder unbedingt abzulehnen, vgl. Fraenkel Lit. et. Wb. und Vasmer Russ. et. Wb. s. vv. Weitere unsichere Kombinationen bei WP. 1, 483 f. II-12-13

κρεμάννυμι (att.), κρίμνημι und κρήμνημι, -άω (Pi., Hp., Trag., Kom.), auch κρεμαννύω und κρεμάω (Arist. u. a.), κρεμάζω (LXX), κρεμνάω (Demetr. Eloc.), intr. κρέμαμαι (seit Il.); Aor. κρεμάσαι (seit Il.), Pass. κρεμασθῆναι (Hdt., att.); Fut. κρεμόω (H 83), κρεμῶ (att.), κρεμάσω (Kom., LXX), Pass. κρεμήσομαι (Ar., hell. Pap.); Perf. κεκρέμακα, -αμαι (spät), ‘hängen, aufhängen’, intr. ‘hangen, schweben’. oft mit Präfix, z.B. ἀνα-, κατα-, ἐκ-, Ableitungen: κρεμάθρα f. ‘Hängematte, -korb’ (Ar.), ‘Hängestrick’ (Arist.; v.l. -άστρα; vgl. unten); κρεμάς f. ‘abschüssig’ (A. Supp. 795, lyr.); κρέμασις, -ασμός (Hp. u. a.), -ασμα (Sch., Eust.), -ασία (Gloss.) ‘das Aufhängen usw.’; κρεμαστήρ "Aufhänger", Ben. gewisser Muskeln (Mediz.), ‘hängender Stiel’ (Gp.), -άστρα ‘hängender Blütenstiel’ (Thphr.; Strömberg Theophrastea 116); ἐκ-, ἀπο-, περι-κρεμής ‘herabhangend, bzw. ringsum behängt’ (sp.) von ἐκ-κρεμάννυμι usw. — Ursprünglich scheinen ein konfektiver aktiver Aorist κρεμά-σαι ‘aufhängen’ und ein (danach umgebildetes?) zuständliches mediales Präsens κρέμα-σθαι ‘hangen’ nebeneinander bestanden zu haben. Zu diesem System fügten sich verschiedene aktive Präsentia: κρίμνημι (s. zu κεράννυμι), κρήμνημι (eher nach κρημνός als alt, Kretschmer KZ 31, 375; nach Specht KZ 59, 97 vielleicht alt; unklar Schwyzer 351), κρεμάννυμι (Schwyzer 697), außerdem noch κρεμάω, -άζω, κρεμνάω. Auch die übrigen Formen haben sich daran angeschlossen. In κρημνός ist indessen ein alter Ablaut noch zu verspüren. — Zu dem sicher altererbten κρεμά-σαι ebenso wie zu den übrigen Formen fehlen außergriechische Entsprechungen. Dem Sinne nach zu lit. kariù, kárti ‘hängen, aufhängen’ stimmend, kann indessen κρεμάσαι eine Nasalerweiterung davon sein (seit Curtius 155). Das schon von Benfey und Pott herangezogene got. hramjan ‘kreuzigen’ bleibt dagegen besser beiseite (nach WP. 1, 487, Pok. 623 f. zu ags. hremman ‘einengen, behindern’, awno. hremma ‘fassen, klemmen’; noch anders Bengtsson Ark. f. nord. fil. 57, 97 ff.: von *hrams ‘Nagel’ = awno. hrammr ‘Bärentatze’). Weitere verfehlte Anknüpfungen bei Fraenkel Lit. et. Wb. s. kárti 1; vgl. noch Vasmer Russ. et. Wb. s. krómy. II-13-14

κρέμβαλα n. pl. ‘Klapper, Kastagnetten’ (Ath. 14, 636c, Carm. Pop. 3; zur Sache Weber RhM 82, 194f.). Davon κρεμβαλιάζω ‘mit K. spielen, klappern’ (Hermipp. 31; Schwyzer 735) mit κρεμβαλιαστύς (h. Ap. 162; Zumbach Neuerungen 8, Porzig Satzinhalte 181; vgl. auch zu βαμβαίνω). — Technisches Wort auf -αλο- (κρόταλα, ῥόπαλον u. a.; Chantraine Formation 245 f.). Gehört zu einer großen Gruppe Schallwörtern, die einen Anlaut (s)qr- und einen wechselnden Auslaut, u. a. einen Labial, enthalten. Am nächsten kommen lat. crepō ‘knarren, krachen’, lit. skrebù, -ė́ti ‘rascheln’ russ. kropotátь ‘brummen’; gr. β kann von der vorangehenden Nasalinfigierung bedingt sein (vgl. Schwyzer 333). — WP. 1, 415f., Pok. 569f. II-14

κρέξ, κρεκός f. N. eines Vogels, u. a., aber ohne eigentlichen Grund, mit dem Kampfhahn, Machetes pugnax, oder mit dem Wiesenknarrer, Rallus crex, gleichgesetzt (Hdt., Ar., Arist. u. a.), auch übertr. von einem Großprahler (Eup.). — Da die Identifizierung des Vogels ganz unsicher ist (s. Thompson Birds s. v.), sind alle Etymologien hypothetisch. Onomatopoetischer Ursprung liegt selbstverständlich nahe; es melden sich dann zum Vergleich andere Vogelnamen wie aind. kr̥kara- ‘Art Rebhuhn’, mir. cercc ‘Henne’, apreuß. kerko ‘Taucher’, russ. kréčet ‘Gier-, Jagdfalke’ (WP. 1, 413f., Pok. 568; dazu die einschlägigen einzelsprachlichen Wörterbücher und Borgström NTS 16, 142). — Daneben κερκάς· κρὲξ τὸ ὄρνεον, κερκιθαλίς· ἐρῳδιός (vgl. αἰγίθαλος), κέρκος· ἀλεκτρυών H.; inwieweit Vermischung mit κέρκος ‘Schwanz eines Tieres’ (s. d.) stattgefunden hat, bleibt offen. II-14-15

κρήγυος, dor. κράγυος; Adv. κρηγύως (Kall. u. a.). etwa ‘angemessen, richtig, ersprießlich’, durch Mißverständnis von Α 106 auch ‘wahr’ (ep. poet. seit A 106; vgl. Leumann Hom. Wörter 33 f.) — Unerklärt. Nach Schwyzer Glotta 12, 18ff. von κάρᾱ, κρη- (s. κρήδεμνον) ‘Kopf’ und γυῖα ‘Glieder’, sg. (selten) ‘Hand’, somit ‘Kopf und Hand habend’ (?). Frühere vergebliche Versuche bei Bq s. v. II-15

κρήδεμνον, dor. κρά̄-, n., oft im Plur. ‘Kopfbinde, Schleier’, übertr. ‘Burgzinnen, Deckelbinde’ (ep. poet. seit Il.; vgl. Leumann Hom. Wörter 296 m. A. 60, Haakh Gymnasium 66, 374ff.). — Zusammenbildung aus κάρᾱ ‘Kopf’ und δέω ‘binden’, aber im einzelnen mehrdeutig. Das Vorderglied kann (mit Ehrlich Sprachgesch. 6 ff.; dagegen Kretschmer Glotta 4, 336) an sich durch Ferndissimilation für κρηνο-, d.h. thematische Erweiterung der Schwundstufe von κάρᾱ (s. κρᾱνίον), stehen, aber auch aus κρησ- mit Schwund des σ vor δ entstanden sein; eine Bildung wie κράσπεδον (s. d.) spricht für die letztere Alternative. Ein ursprüngliches σ-loses κρη- ist jedenfalls daraus nicht zu erschließen (vgl. zu κάρᾱ). Im Hinterglied -δεμνον, -α steckt eine Ableitung von δέω ‘binden’; vgl. βέλεμνα s. βάλλω und δέμνια; das thematische -ο-mag alt sein (Schwyzer 520). — Etwas abweichend Bechtel Lex. s. v. II-15

κρῆθεν in κατὰ (ἀπὸ) κρῆθεν ‘vom Haupte herab’ (Hom. usw.) wohl falsch für κατἄκρηθεν; s. zu κάρᾱ. II-15

κρῆθμον (-ος) (m.) n. ‘Meerfenchel, Crithmum maritimum’ (Hp., Kall., Nik., Dsk. u. a.). — Unerklärt; wohl Fremdwort, vgl. Chantraine Formation 133. II-15

κρηματίς, -ίδος f. N. eines Gerätes, wahrscheinl. eines Bechers (IG 7, 3498, 15; 20, Oropos; Tempelinventar). — Deminutivum von κρῆμα (att. κρᾶμα) ‘Mischung, Mischtrank’; vgl. πτωματίς ‘umfallender Trinkbecher (ohne Fuß)’, καμματίδες ‘Lorbeerblätter zum Schlucken der κάμματα’. — Das Vorderglied in κρημο-φόροι (neben οἰνο-χόαι IG 22, 1425, 358) wohl für *κρηματιδο-φόροι, falls nicht von κρῆμα. II-15

κρημνός m. ‘jäher Abhang, Berghöhe’ (seit Il.). Oft als Hinterglied, z.B. ἀπό-κρημνος ‘abschüssig, steil’ (ion. att.), βαθύ- κρημνος ‘mit tiefen Abhängen’ (Pi. u. a.); ausführlich Strömberg Greek Preflx Studies 34 ff.; selten als Vorderglied, z.B. κρημνο-φοβέομαι ‘sich vor Abhängen fürchten’ (Hp.). Davon κρημνώδης ‘abschüssig’ (Th. u. a.); (κατα- usw.) κρημνίζω ‘herabstürzen’ (att. usw.), mit -ισμός, -ισις (sp.). — Altes Verbalnomen zu κρεμάννυμι (s. d.) mit bewahrtem Ablaut κρημ- : κρεμα-. Das Präsens κρήμνημι ist eher von κρημνός beeinflußt als umgekehrt. II-15-15

κρήνη, dor. ark. κράνα, äol. κράννα f. ‘Quelle, Brunnen’ (seit Il.); zur Bed. (gegenüber πηγή) Wycherley ClRev. 51, 2f. Kompp., z.B. καλλί-κρανος ‘mit schönen Quellen’ (Pi.). Ableitungen. Deminutiva: κρηνίς, -ῖδος f. (E., Kall., D.H.; Chantraine Formation 347), auch als ON (Str. u. a.); κρηνίον (Delos IIIa, Str. u. a.), -ίδιον (Arist. u. a.). — κρηναῖος ‘zur Quelle gehörig’ (seit ρ 240), κρηνήϊος ‘ds.’ (Orac. ap. Dam. Pr. 344); νύμφαι Κρηνιάδες (A. Fr. 168, Hexam.; nach ὀρεστιάδες u.a.; vgl. Chantraine 354f.); κρηνῖτις f. ‘zur Quelle gehörig’ (Hp.). — ON Κραννούν (thess.). Die verschiedenen Dialektformen (s. oben) lassen sich auf urgr. *κράσνᾱ zurückführen; das dabei unregelmäßige att. -ρη- für -ρᾱ- hat man als urion.-att. Dissimilation, als Ionismus oder endlich als Hyperattizismus erklären wollen (Schwyzer 189f. m. Lit.). — Es liegt nahe, κρήνη mit κρουνός ‘Quell, Springquell’ (s. d.), κροῦναι· κρῆναι τέλειαι H. zu verbinden; idg. Grundformen dann *krosno-, bzw. (für κρήνη) -kr̥snā. Zu κρουνός, κροῦναι kann ein germanisches Wort für ‘Welle, Flut’ bis auf den Stammauslaut, bzw. den Akzent stimmen, awno. hrǫnn f., ags. hræn, hærn f., urg. *hraznṓ, idg. *krosnā́. Die semantisch einwandfreie Anknüpfung an κάρᾱ ‘Kopf’ (Lobeck Rhematicon 128; vgl. lat. caput fontis u. a.; κράνα· κεφαλή H.) läßt sich weder mit dieser Kombination noch mit κρουνός vereinbaren (Sommer Lautstud. 80, Brugmann IF 18, 430 A. 1). — Andere, entschieden verfehlte Etymologien bei Bq s.v.; s. auch WP. 1, 488 f. mit Lit. Wenn mit κρουνός urverwandt, kann κρήνη nicht mit Lamer IF 48, 228ff. ägäisches LW sein; vgl. Kretschmer Glotta 21, 158. II-16

κρηπίς, -ῖδος f. ‘Halbschuh, der ganz oder teilweise den oberen Teil des Fußes bedeckt’ (X., Theok., Plu., Poll. u. a.), gew. ‘Grundlage, Sockel, Fundament, Einfassungsbau, Steindamm’ (ion. att., Pi.). Einzelne Kompp., z.B. ὀπισθο-κρηπίς Ben. eines Schuhes (att. Inschr., Poll., H.). Ableitungen: κρηπίδια pl. ‘Randsteine’ (Didyma IIa), κρηπιδαῖον (Lys.), -εῖον (Ostia) ‘Hausgrund’, κρηπιδ-ιαῖος ‘zum Fundament gehörig’ (att. Inschr. u. a.; zur Bildung Chantraine Formation 49). Denominativum κρηπιδόω ‘mit einer Grundlage versehen, gründen, unterstützen’ (D. C., Plu. u. a.) mit -ωμα ‘Grundlage’ (Inschr., D. S., Aq.). — Wie bei κνημίς ‘Beinschiene’, χειρίς ‘Handschuh’ u. a. ist man geneigt, auch bei dem sinnverwandten κρηπίς von einem nominalen Grundwort auszugehen; ebensogut möglich ist indessen, daß κρηπίς seinen Ausgang von diesen Wörtern bezogen hat. Die technische Bedeutung läßt auf Entlehnung schließen (Chantraine Formation 347, Schwyzer 465); die Verbindung mit einigen Wörtern für ‘Schuh’, z.B. lit. kùrpė (seit Bezzenberger 17, 214, Zupitza Die german. Gutt. 125; s. καρβάτινος), wird von Fraenkel Lit. et. Wb. s. v. gewiß mit Recht abgelehnt. Nicht mit Haupt Actes du 16e congres des orientalistes (1912) aus babyl. kipir, kipru ‘Ufermauer, Asphaltverkleidung’. Lat. LW crēpīda ‘Halbschuh’, crēpīdō ‘gemauerter Grund usw.’; vgl. W.-Hofmann s. v. II-16-17

κρησέρα, ion. -ρη ‘feines Sieb’ (Ar. Ek. 991, Mediz., Poll.), κραἅρα· κόσκινον ἢ ὄρυγμα H. (elisch). Davon das Demin. κρησέριον (Poll. u. a.), -ρίτης ἄρτος ‘Brot aus feingesiebtem Mehl’ (Diph. 26; Redard Les noms grecs en -της 88f.). — Die vereinzelten Wörter auf -έρα wie διφθέρα, ἀσκέρα, χολέρα, κυσέρη geben keinen sicheren Anhalt für die Beurteilung von κρησέρα. Gegen Ableitung von einem Nomen *κρῆσις ‘das Sieben’, zu κρίνω mit demselben Ablaut wie in lat. ex-crē-mentum, crē-vi (WP. 2, 584), spricht u. a. die Dehnstufe, die bei einer ti-Ableitung auffällt; vielleicht ist dafür von *κρῆσος od. dgl. auszugehen, vgl. Schwyzer 516 f. II-17

κρησφύγετον n. ‘Zufluchtsort’ (Hdt., D. H., Luk.). — Wohl mit Wackernagel KZ 33, 56 f. (= Kl. Schr. 1, 735f.) aus *χρησφύγε-τον dissimiliert mit Kontraktion aus *χρηεσ-φ., Zusammenbildung mit το-Suffix (vgl. ἀκμό-θε-τον) aus φυγεῖν und χρῆος ‘Schuld’, somit eig. "das Schuldentfliehen", d. h. ‘Ort, wohin man den Schulden entflieht’; Näheres bei Wackernagel a.a.O. Kritik bei Kretschmer KZ 33, 273f.; vgl. Brugmann IF 18, 431. — Die Anknüpfung an κάρᾱ ‘Kopf’ (z.B. Kretschmer KZ 31, 410, Solmsen RhM 53, 155f.) gibt keinen befriedigenden Sinn; verfehlt ebenfalls Charpentier BB 30, 155ff. (s. Bq u. WP. 1, 486). II-17

κρίβανος s. κλίβανος. II-17

κρίζω (Men. 879), κριδδέμεν = γελᾶν (Stratt. 47, 7; böot.), Perf. Ptz. κεκρῑγότες (Ar. Av. 1521), Aor. 2 ὑπο-κρῐγεῖν (S. Ichn. 171; lyr.), Aor. 1 (ὑπο-)κρῖξαι od. -ίξαι (Ael. NA 5, 50, H.); daneben Aor. 2 κρίκε (H470, ζυγόν) ‘kreischen, knirschen’. Verbalnomina κρῐγή (Hippon. 54), κριγμός (Zonar.) ‘das Kreischen, Knirschen’; κριγή ἡ γλαῦξ H. — Die Reihe κέκρῑγα : κρῐγεῐν : κρίζω : κρῖξαι stimmt zu κέκρᾱγα : κρᾰγεῖν : κράζω : κρᾶξαι (s. d.). Wie dies ein Schallverb, hat indessen κρίζω eine direkte genetische Entsprechung in dem primären Wurzelpräsens awno. hrīka ‘knirschen’ (idg. *krig-). Zu κρίκε mit -κ- stimmen mehrere Formen: balt., z.B. lit. krykiù, krykti (krykšti) ‘schreien, kreischen’, slav., z.B. russ. kričátь ‘schreien’, krik ‘Geschrei’. Eine alte isolierte Nominalbildung ist der germ. Name des Reihers, z.B. ahd. (h)reigaro, heigaro (.mit Dissim.). — Weitere Formen bei WP. 1, 416, Pok. 570. II-17-18

κριθή Kürzere Form κρῖ n., siehe unten. f. ‘Gerstenkorn’, gew. pl. ‘Gerste’ (seit Il.), auch übertr. = ‘Geschwulst am Augenlid’ (Mediz.; Strömberg Theophrastea 192, Wortstudien 63). Zur Begriffsbestimmung von κριθή, πυρός, σῖτος Moritz Class. Quart. 49 (N. S. 5) 129ff. Kompp., z.B. κριθό-πυρον n. ‘Mischung von Gerste und Weizen’ (Pap.; vgl. zu διόσπυρον), εὔκριθος ‘reich an Gerste’ (Theok., AP). Mehrere Ableitungen. Deminutiva: κριθίον (Luk., Longos), κριθίδιον, auch ‘Dekokt von Gerste’ (Hp., Posidon. u. a.), κριθάριον (Pap.). Sonstige Substantiva: κριθαία ‘Gerstensuppe’ (Hom. Epigr. 15,7; nach ἁλμαία u.a., Chantraine Formation 86); κριθανίας m. N. einer Weizenart (Theophr. HP 8, 2, 3 neben σιτανίας; nach νεανίας? Strömberg Theophrastea 91; s. auch Chantraine 94). Adjektiva: κρίθινος ‘aus Gerste bereitet’ (ion., hell. u. sp.), κριθάμινος ‘ds.’ (Polyaen.; nach σησάμινος), κριθικός ‘aus Gerste bestehend’ (Pap.), κριθώδης ‘gerstenartig, voll Gerstenkörner’ (Hp.). Denominative Verba: κριθάω ‘sich an Gerste nähren, in Gerste gütlich tun, überfüttert werden’ (A., S.), auch κριθιάω (Arist. u. a.; nach dem Krankheitsverba auf -ιάω, Schwyzer 732) mit κριθίασις ‘an Uberfütterung leiden’ (X.u.a.); κριθίζω ‘mit Gerste füttern’ (Aesop., Babr.). — ON Κριθώτη (-ωτή) N. einer Landspitze in Akarnanien (Krahe IF 48, 223ff.). Spitzname Κρίθων (H.) von κριθή = πόσθη (Ar. Pax 965); Schulze KZ 29, 263 = Kl. Schr. 308. — Die erweiterte Form κριθ-ή erweist ein ursprüngliches Wurzelnomen *κρῑθ, woraus ep. κρῖ n. (seit Il.), nur Nom. u. Akk. (vgl. Egli Heteroklisie 12). — Die Versuche, κρῖ mit den westlichen Wörtern für ‘Gerste’, lat. hordeum, ahd. gersta, die schon für sich betrachtet nicht ganz eindeutig sind, zusammenzubringen, haben zu keinem völlig einwandfreien Resultat geführt. Die für hordeum und Gerste angesetzten Grundformen, idg. *ghr̥zd(h)-, bzw. *gherzd-, hätten am ehesten gr. *χραζ- od. *χρασθ- > *κρασθ-, bzw. *χερδ- (*χερθ-> *κερθ-) ergeben sollen. Besser stimmt κρῖ zu alb. drith, - ‘Gerste, Getreide’, dessen -ri- sich indessen ebenfalls auf idg. -- zurückführen läßt. Auch arm. gari, Gen. garwoy ‘Gerste’ (formal = idg. *ghr̥i̯o-) erinnert an κρῖ; ein ähnliches Wort erscheint auch im Georgischen, grusin. qeri ‘Gerste’, vgl. Deeters IF 56, 140 f. Ob κρῖ direkt auf ein idg. Grundwort zurückgeht, bleibt somit etwas unsicher; vielleicht haben wir mit einem Wanderwort zu tun. Auch ägäischer Ursprung ist erwogen (Schwyzer 61, Debrunner Eberts Reallex. 4, 525). —Verschiedene Versuche, mit κρῖ lautlich zurechtzukommen, bei Walde KZ 34, 528, Schwyzer 352; abweichende, überholte Kombinationen bei Wood Mod. Phil. 1, 240 (zu ags. grotan, engl. groats ‘Grütze’), Persson Stud. 103 (zu χρίω). Weitere Einzelheiten mit reicher Lit. bei WP. 1, 611, Pok. 446, W.-Hofmann s. hordeum; dazu Schrader-Nehring Reallex. 1, 389, Porzig Gliederung 209. II-18-19

κρίκος, — Wenn idg., ist κίρκος als Grundform lautlich unmöglich; auch aus chronologischen Gründen hat κρίκος als das Ursprüngliche zu gelten; daraus durch Umstellung κίρκος (Schwyzer 267, Lejeune Traité de phon. 122). Die weitere Analyse ist ganz hypothetisch; sowohl ein angenommenes idg. -qri-q-o- (Hofmann) wie *qi-qr-o- > *qriqo- (WP. 2, 569) lenken das Wort in die allumfassende Sippe (s)qer- ‘drehen, biegen’ (WP. a.a.O., Pok. 935) ein. — Zu κίρκος, u. zw. wohl als LW, lat. circus ‘Kreis (linie), Zirkus’ (Thurneysen im Thes., Hofmann, Ernout Aspects du vocab. latin 69); nach anderen, z.B. WP., (Ernout -)-Meillet s. circus, urverwandt (wegen circum); aus circus durch Rückentlehnung hell. u. sp. κίρκος ‘ds.’; daraus und aus circulus die westeurop. Formen. auch κίρκος (hell. u. sp.; vgl. κιρκόω unten); Akk. κρίκα· κρίκον H. m. ‘Ring, Reif, am Jochbalken, am Segel, am Vorhang, Arm-, Fingerring usw.’ (Ω 272, Hdt. 2, 36, Arist., Thphr., hell. Inschr. usw.) Vereinzelt als Vorderglied, z.B. in κρικ-ηλασία ‘das Reifentreiben’ (Antyll. ap. Orib. 6, 26. 1). Ableitungen: κιρκίον ‘Ringelchen’ (Delos IIa), κρικέλ(λ)ιον ‘Reif’ (Alex. Trall., Sch.; wie ψέλ(λ)ιον; vgl. lat. circellus); κρικωτός ‘aus Ringen bestehend’ (hell. u. sp.); vgl. κρικόομαι ‘mit einem Ring befestigt werden’ (Str. u. a.) mit κρίκωσις (Heliod. ap. Orib.), -ωμα (Eust.); κιρκόω ‘mit einem Ring fesseln’ (A. Pr. 74). Mehrere H.-Glossen: κρικάδεια· τὸ ἐναλ-λάξαι τοὺς δακτύλους ὥσπερ [+]κρυβούς; ἐγκρικάδεια· συναφὴ χειρῶν εἰς τοὐπίσω; ἐγκρίκια· ξύλα κεκκαμμένα. — Zu Κίρκη eine unwahrscheinliche Hypothese bei Fick KZ 44, 347 (mit mehreren Einzelheiten über κίρκος); dagegen Güntert Kalypso 16 m. Lit. — Zu κιρσός (κρισσός, κριξός) s. bes. II-19-20

κρίμνον (-ῖ-?) n. ‘grobes Gerstenmehl, grobes Brot’, pl. auch ‘Krume’ (Hp., Herod., Eup., Arist., Pap., Lyk. u. a.). Davon κριμνώδηςκ.-ahnlich’ (Hp., Ar. u. a.); κριμνίτης ἄρτος ‘grobes Brot’ (Iatrokl. ap. Ath. 14, 646a; Redard Les noms grecs en -της 90); κριμνῆστις· πλακοῦντος εἶδος H. (vgl. zu κυλλῆστις). — Erklärung strittig. Die Anknüpfung an κρῖ, κριθή (Brugmann MU 2, 179, Chantraine Formation 215) ist bildungsmäßig nicht zu begründen. Eher empflehlt sich eine Zerlegung in κρι-μν-ον zu κρί̄νω als "das Abgesiebte" (Curtius 165, Brugmann Grundr.2 2: 1, 231 u. A.); vgl. zu κρησέρα. Ablehnend Schwyzer 524. II-20

κριμνός m. ‘Purpurfarbe?’ (PHolm. 8, 43[geschr. κριμμον,Akk.], Ps.-Demokr. Alch. p. 42B. [cod. κρημνός]); κριμνούς· λευκάς τινας βοτάνας H. — Aus arab. qirmiz ‘Scharlach’ ? II-20

κρίνον, pl. κρίνεα, -εσιν n. ‘Lilie’ (ion. att.), auch N. eines Tanzes (Apolloph.; s. Lawler AmJPhil. 65, 75ff.). Einzelne Kompp. wie κριν-άνθεμον ‘Dachhauslauch, ἡμεροκαλλές’ (Hp., Ps.-Dsk.), καλαμό-κρινον ‘Art κάλαμος, die an κρίνον erinnert’ (Aët.; Strömberg Wortstudien 13). Davon κρίνινος ‘aus Lilien bestehend’ (Pap., Gal.), κρινωτός ‘mit Lilien geschmückt’ (Aristeas); κρινωνιά ‘Lilienbeet’ (Suid.), ‘Lilie’ (Thphr.); Scheller Oxytonierung 71; vgl. auch zu ἰωνιά (s. ἴον). — Fremdwort unbekannter Herkunft; vgl. Schrader-Nehring Reallexikon 2, 11. II-20

κρί̄νω (thess. κρεννέμεν), Aor.κρῖναι (lesb. κρίνναι), Pass. κριθῆναι (ep. auch κρινθήμεναι usw.; metr. bequem, s. Schwyzer 761, Chantraine Gramm. hom. 1, 404 m. Lit.), Perf. Med. κέκριμαι, Akt. κέκρικα (Pl. Lg. usw.), Fut. κρινῶ, ep. ion. κρινέω, dor. -ίω, ‘scheiden, trennen, auswählen, entscheiden, urteilen, verurteilen, richten, anklagen, anfragen’ (seit Il.); sehr oft mit Präfix, ἀνα-, κατα-, δια-, ἐκ-, συν- usw., ὑπο-κρίνομαι ‘antworten’ (ep. ion. seit Il.), ‘auf der Bühne (den Chor) beantworten, Schauspieler sein’ (att.), ἀπο- ~ ‘antworten’ (att.). Zahlreiche Ableitungen: 1. (ἀπό-, διά- usw.) κρίσις ‘Entscheidung, Urteil, Gericht usw.’ (Pi., ion. att.; Holt Les noms d’action en -σις 103 f.) mit κρίσιμος ‘entscheidend, kritisch’ (Hp., Arist. usw.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 53f.), ἀποκρισιά-ριος ‘Sekretär’ (Pap. VIp). — 2. (ἀπό-, ἐπί-, σύν-, πρό-)κρίμα ‘Entscheidung, Urteil usw.’ (hell. u. sp.), κρῖμα = κρεῖμα (A. Supp. 397; vgl. unten); σύγκριμα ‘Zusammensetzung, Körper’ (hell. u. sp.) mit συγκριμάτιον ‘Körperchen’ (M. Ant.), -ματικός (Gal.). — 3. (ἀν-)κριτήρ ‘Richter, Verhörer’ (dor.), κριντήρ ‘ds.’ (Gortyn), κριτής ‘Beurteiler, Kampfrichter, Richter’ (ion. att.), oft von den Präfixkompp., z.B.ὑποκριτής ‘Schauspieler usw.’ (att.; Else WienStud. 72, 75ff.); κριτήριον ‘(entscheidendes) Kennzeichen, Gerichtshof’ (att., arg.), ἐπι- ~ ‘Gerichtsstätte’ (Kreta); ἐγκριτήριος ‘zur Aufnahme dienend’ (Korinth IIp); Näheres zu κριτήρ, -τής, -τήριον bei Fraenkel Nom. ag. [s. Index]. — 4. κριτός ‘ausgewählt, auserlesen, ausgezeichnet’ (ep. poet. seit Il.; Ammann Μνήμης χάριν 1, 21) mit Κρίτων, Κρίτυλλα (Leumann Glotta 32, 225 A. 1 = Kl. Schr. 250 A. 2); ἔκ-, σύγ-κριτος usw. (ion. att.); (δια-, ἐπι-, συν- usw.)κριτικός ‘zur κρίσις usw. gehörig’ (Pl., Arist. usw.). — 5. -κριδόν, z.B. διακριδόν ‘abgesondert’ (Il. usw.), διακριδά ‘ds.’ (Opp.). — 6. Zu κρίμνον s. bes. Das Präsens κρί̄νω aus *κρῐν-ι̯ω (falls nicht zum Aorist κρῖναι neugebildet; Schwyzer 694) enthält ein Nasalsuffix, das ursprünglich nur dem Präsens zukam, aber auch in mehrere außerpräsentische Formen eingeführt wurde; vgl. denselben Prozeß bei κλί̄νω. — Zum Nasalpräsens bieten das Latein und das Keltische genaue Gegenstücke in cer-n- ‘sichten, unterscheiden’ (< *crĭ-n-), kymr. go-grynu ‘sieben’ (< idg. *upo-qrĭ-n-). Auch das Verbaladj. κριτός hat eine direkte Entsprechung in lat. certus ‘entschieden, bestimmt, gewiß’; sonst gehen die Sprachen auseinander : die Dehnstufe in (dē)crē-v-, ex-crē-mentum ‘Ausscheidung’ kann höchstens in dem isolierten κρησέρα ‘feines Sieb’ (s. d.) vermutet werden. Das griechische Paradigma einschließlich der nominalen Ableitungen ist das Resultat einer weitgehenden Ausgleichung; nur att. κρῖμα für älteres κρεῖμα (nach κρί̄νω, κρῖναι) = lat. dis-crī-men hat die Hochstufe erhalten (Wackernagel Unt. 76 A. 1, Rodriguez Adrados Emerita 16, 133 ff.). — Die zahlreichen sonstigen Nominalbildungen, zumal im Latein, im Keltischen und Germanischen (u. a. lat. crībrum ‘Sieb’, germ., z.B. got. hrains ‘rein’, eig. ‘gesiebt’), lehren für das in sich geschlossene griech. System nichts. Weitere Einzelheiten m. Lit. bei WP. 2, 584, Pok. 946, W.-Hofmann und Ernout-Meillet s. cernō. II-20-21

κρῑός m. ‘Widder, Schafbock’ (seit Od.; zur Bed. gegenüber ἀρνειός Benveniste BSL 45, 103), oft übertr., bes. = ‘Sturmbock, Mauerbrecher’ (X., Plb., hell. Inschr.), auch N. einer Pflanze, ‘Art Kichererbse’ (Thphr., hell. Pap., Dsk. u.a.; s.u.), und eines Meerungeheuers (Ael., Opp.; Strömberg Fischnamen 102). Kompp., z.B. κριο-πρόσωπος ‘mit einem Widdergesicht’ (Hdt. u. a.), ἀντί-κριος ‘feindlicher Sturmbock’ (Aen. Tact.). Davon κριώδης ‘widderähnlich’ (Ph.); κρίωμα ‘Art Schiff’ (Aq.), auch ‘Sturmbock’ (Apollod. Poliork.?); zur Bildung Chantraine Formation 187. — Allgemein als *κρῑ-ϝός zur Sippe von κέρας ‘Horn’ gezogen und zunächst mit dem germanischen Namen des Renntiers, awno. hreinn, ags. hrān (idg. *ḱroi-no-) verbunden (Lit. bei WP. 1, 406, auch Persson Beitr. 2, 774; 891; 910 und Specht Ursprung 127 u. 138); die sog. "i-Basis" dieser "Wurzel" gegenüber der "u-Basis" in lat. cerv-us, κερα(ϝ)-ός bedarf indessen einer besseren Begründung. Formal näher liegen einige baltisch-slavische Wörter für ‘krumm usw.’, z.B. aruss. ksl. krivъσκολιός’, lit. kreĩvas, ostlit. kraĩvas ‘schief, krumm, gebogen’ (vgl. zu κροιός); der Widder wäre dann nach seinen krummen Hörnern benannt. — Als Benennung einer Kichererbsenart hat κριός nichts mit lat. cicer usw. zu tun (Bq, WP. 1, 452, Pok. 598 u. A.); die Pflanze hat vielmehr ihren Namen von ihren krummen Hülsen erhalten, s. Strömberg Theophrastea 50. II-21-22

κροαίνω ‘stoßen, stampfen’ s. κρούω. II-22

κροιός nach H. = νοσώδης, ἀσθενής; nach Theognost. Kan. 21 = κολοβός; auch att. Inschr. (IG 22, 244, 63 [IVa], ’Αρχ. ’Εφ. 1923,39), von Bausteinen (λίθοι). — Mehrere Hypothesen: zu lit. kraĩvas ‘schief, krumm’ usw. (Solmsen IF 31,466f.; vgl. zu κριός); zu κεραΐζω (Persson IF 35, 200f.); wohl am ehesten als ‘abgeschlagen, abgebrochen’ zu κρούω (WP. 1,411 u. 481). II-22

κρόκη 1. ‘Einschlagfaden’ s. κρέκω. II-22

κρόκη 2. ‘abgerundeter Kieselstein am Meeresufer’ (Arist., Lyk.); früher belegt κροκάλαι pl. (E. IA 210 [lyr.], AP, Agath.); unklar κροκάλην Akk. sg. (AP 7, 294; Adj.?). — Seit Curtius 144 mit aind. śárkarā f. ‘Gries, Geröll, Kies’ verbunden, das im Suffix zu κροκάλη stimmen kann. WP. 1, 463 (Pok. 625) erwägt Umstellung aus *κορκ- (= aind. śark-) nach κρόκη ‘Einschlagfaden’. — Nicht besser Charpentier ZDMG 73, 149f.: zu aind. kŕ̥śanam n. ‘Perle’ (vgl. Mayrhofer Wb. s. v.). — Vgl. κροκόδιλος und σάκχαρ. II-22

κροκόδῑλος auch κορκ- (Pap.), κροκύδ- (Hippon.), κρεκύδ- (Et. Gen.) m. (Hdt., Arist., Pap., LXX usw.), ‘Eidechse, Krokodil’. Als Vorderglied u. a. in κροκοδιλο-τάφιον ‘Krokodilgräberstätte’ (Pap.). Ableitungen: κροκοδιλίτης m. (λόγος, Chrysipp.; Redard Les noms grecs en -της 113) = lat. crocodilina ambiguitas (Quint.) ‘Krokodilschluß’, Art Trugschluß; κροκοδίλεον (Dsk., Gal.), -διλιάς (Gal., Alex. Trall.) ‘Eryngium maritimum, Stranddistel’; -διλέα ‘Kot des κροκ. χερσαῖος’, als Augensalbe benutzt (Plin.). Nach Hdt. 2, 69 eigentlich ionische Benennung der Eidechse, dann auf das Krokodil des Nils und den Alligator der indischen Flüsse übertragen. — Wohl als volkstümliches Wort eig. "Kieswurm", von κρόκη ‘Kies’ und δρῖλος ‘Wurm’ mit Dissimilation. Ausführliche Behandlung von Diels und Brugmann IF 15, 1ff., auch Solmsen BphW 1906, 758f.; daselbst auch über die itazistische Schreibung -ει- und andere Varianten. — Nach Grumach OLZ 1931, 1012 dagegen vorgriechisch (von Kretschmer Glotta 22, 261 abgelehnt). II-22-23

κρόκος m. ‘Safran, Crocus sativus’ (seit Ξ 348). Kompp., z.B. κροκό-πεπλος ‘mit safranfarbigem (-gelbem) Gewand’ (Il. u.a.; Treu Von Homer zur Lyrik 244 u. 258, Capelle RhM 101, 1ff.; 9). Viele Ableitungen, bes. Farbenadjektive: κρόκεος ‘safranfarbig, -gelb’ (P. [v. l. -όεις], E. in lyr.), -ήϊος ‘ds’ (h. Oer. 178; metr. bedingt; Schmid -εος u. -ειος 48, Zumbach Neuerungen 14), -όεις ‘ds.’ (Tyrt., Sapph., E., Ar. u. a.; Treu 268); κρόκινος ‘aus Safran, safranfarbig’ (Stratt., hell. u. sp.), -ώδης ‘ds.’ (Dsk., Mediz.), -ηρός ‘aus Safran’ (Gal. u. a.; nach οἰνηρός usw.; Chantraine Formation 233); κροκίας m. ‘safrangelber Stein’ (Plu.; wie καπνίας usw.; Chantraine 94); κροκω-τός ‘safrangelb’ (Pi.), m. ‘Safrangewand’ (Korn., att. Inschr.) mit -ώτιον (Poll.), -ωτίδιον (Ar.), -ώτινος (Pap. u.a.); κροκών m. ‘Safranbeet’ (Hdn.); κροκᾶτον n. ‘safrangelbes Pergament’ (Edict. Diocl. Asin.; aus lat. crocātus, vgl. unten). — Denominative Verba: κροκίζω ‘safranartig sein’ (Dsk., Plu.), κροκόομαι (κισσῷ) ‘mit safranfarbigem Efeu umrankt werden’ (AP). — Mit dem semitischen Wort für ‘Safran’, z.B. akkad. kurkanū, arab. kurkum, hebr. karkōm, und mit aind. kuṅku-mam ‘ds.’ (rnind. für *kurkuma-) identisch; Ursprung sonst unbekannt; vgl. den safranberühmten Berg Κώρυκος (Kiliken) ? — Aus κρόκος lat. crocus, auch crocōta f. ‘Safrangewand’ (aus κροκωτός) und crocōtinum ‘Safrangebäck’ ( : κροκώτινος); lat. Neubildung crocātus ‘safrangelb’ (> gr. κροκᾶτον, vgl. oben). — Lewy Fremdw. 48 (nach Lagarde), Schrader-Nehring Reallexikon 2, 270f. m. weiteren Einzelheiten u. Lit., Grimme Glotta 14, 19; auch Mayrhofer Wb. s. kuṅkumam. Ein anderes Wort ist κάγκαμον, s. d. II-23

κρομβόω ‘rösten, braten’ s. κράμβος. II-23

κρόμμυον (ion. att.), auch κρόμυον (Λ 630, τ 233, Philem. 122 usw.; vgl. u.), κρόμβυον (Pap.; <-μμ-, vgl. Schwyzer 231) n. ‘Zwiebel, Allium Cepa’. Kompp., z.B. κρομμυο-πώλης ‘Zwiebel- händler’ (Pap.). Deminutivum κρομ(μ)ύδιον (Gp., Sch.). — Alter Name der Zwiebel und des Knoblauchs, der auch im Keltischen, Germanischen und Baltisch-Slavischen belegt ist, z.B. mir. crim, kymr. craf ‘Knoblauch’, ags. hramsan (pl.), nengl. ramsons ‘Waldknoblauch’, nhd. (bair.) rams ‘ds.’, lit. kermùšė ‘wilder Knoblauch’, russ. čeremšá ‘Bärenlauch, Allium ursinum’. Der im Keltischen und Baltisch-Slavischen auftretende e-Vokal erscheint auch in κρέμυον (H.) und im ON Κρεμμυών (neben Κρομμ-; Gegend von Korinth); somit vielleicht κρομ- (= germ. hram-) mit J. Schmidt KZ 32, 346 (Schwyzer 255 f.) durch Assimilation aus κρεμ-. Auch bezüglich der Stammbildung gehen die Sprachen zusammen: idg. *qremus-, *qromus-, *qermus- (zu qrem- : qerm- vgl. zu βρέφος); nur die kelt. Formen sind nicht ganz eindeutig. Für sich steht der sowieso unsichere (illyr.?) ON Cremōna (Venetien), s. Krahe Die Spr. d. Illyrier 1, 104 m. weiteren Hypothesen. Die weitverbreitete (ursprüngliche?) Geminata -μμ- ist trotz Schwyzer Glotta 5, 194 nicht aufgeklärt. — WP. 1, 426, Pok. 5 80 f., Fraenkel Wb. s. kermùšė, Vasmer Wb. s. čeremšá m. Lit. und weiteren Einzelheiten. Zum Sachlichen Schrader-Nehring Reallexikon 2, 710ff. II-23-24

κρομπος, mit Vokalentfaltung κορομπος (Schwyzer 664, 12; 16, nur Dat. sg. -ποι; Orchom. in Arkad., 369a) Geländebezeichnung unbek. Art. — Fraenkel IF 41, Anz. 21 f. erwägt eine Bedeutung ‘Falte, Mulde, Schlucht’, was nach ihm Anschluß an ahd. hrimfan ‘rümpfen, krümmen’, aksl. krǫpъ ‘klein’ (eig. *’contractus’), lit. krumplys ‘Fingerknöchel’ u.a.m. (Fraenkel Lit. et. Wb. s. kremblỹs, WP. 2, 588ff., Pok. 948f.) ermöglichen würde. II-24

Κρόνος m. Sohn des Uranos u. der Gaia, Gemahl der Rhea, Vater des Zeus usw. (seit Il.), auch als Spitzname = ‘Greis, alter Narr’ (Ar. u. a.). Ableitungen. Patronymika : Κρονίδης m. = Ζεύς (Il. usw.), Κρονίδαρ· πολυετής H. (lak.); Κρονίων ‘ds.’ (seit Il.). Adj. : Κρόνιος ‘zu K. gehörig’ usw. (Pi., A. u. a.), τὰ Κρόνια ‘K.-Fest’ (D. usw.), Κρονιών Monatsname (Samos), f. Κρονιάς (Plu.); Κρονικός ‘zu K. gehörig, uralt, altmodisch’ (att. usw.; Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 150). Κρονεῖον ‘K.-Tempel’ (Pap.), Κρονίσκοι pl. Buchtitel (Gal.). — Appellativische Bedeutung unbekannt, mithin ohne Etymologie. Mehrere Hypothesen. Zu κραίνω als "der Vollender" bzw. "der Herrscher" (Usener Götternamen 26f. mit S. Tr. 126, Kretschmer Sprache 2, 66 u. 71 [eig. phrygischer Höhengott]); schon formal unmöglich, weil κραίνω < κρᾱαίνω, vgl. s. v. Zu κορέννυμι u. Verw. als "(dieu de la) production (et de la) croissance" (Carnoy Musée belge 24, 10). Zu κεραΐζω usw. als "der Gebrechliche, der Alte" (Güntert Weltkönig 234). Zwei "pelasgische" Erklärungen von v. Windekens: zu βιβρώσκω als "der Verschlucker" (Le Muséon 63, 108ff.); zu κορυφή usw. als "celui des sommets" (Beitr. z. Namenforsch. 9, 167 f.). — Ausführlich über Κρόνος (urspr. Erntegott) Nilsson Gr. Rel. 1,510m. reich. Lit. II-24-25

κρόσσαι f. pl. etwa ‘Mauerzinnen, Absätze’ (Μ 258, 444), ‘Stufen der Pyramiden’ (Hdt. 2, 125); πρό-κροσσοι eig. ‘mit vorspringenden κρόσσαι, zinnenartig vorspringend, staffelförmig gereiht’ (Ξ 35, Hdt. u.a.). κροσσοί m. pl. ‘Troddeln, Franse, Verbrämung’ (Gal., Poll., H.); δί-κροσσος ‘mit zweifacher Verbrämung’ (Poll., EM) mit δικρόσσια n. pl. (Peripl. M. Rubr.). Deminutivum κροσσίον (Hdn.); auch als Pflanzenname (Ps.-Dsk.); außerdem κροσσωτός ‘mit Troddeln, Verbrämung versehen’ (LXX, Lyk., Plu., Pap. u. a.), ‘mit Absätzen versehen’ (Lyk. 291?; v. l. κορσ-). — Technische Ausdrücke unklarer Herkunft. Seit Bezzenberger BB 12, 239 und Trautmann Balt.-slav. Wb. 139 wird κρόσσαι aus *κροκ-ι̯αι mit einigen baltischslavischen Wörtern für ‘Stange, Stock, Dachsparren’ verbunden, z.B. lit. krãkė ‘Stock, Stab’ (formal = κρόσσα), krẽklas ‘Dachsparren’, russ. krókva ‘Stange, Knebel, Dachsparren’ (alter u-Stamm); mhd. ragen ‘emporragen, hervorstehen’ (Zupitza Die germ. Gutt. 122) ist mehrdeutig. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 482, Pok. 619, Fraenkel Wb. und Vasmer Wb. s. vv. — Im Vergleich zu dem seltenen und späten κροσσοί ist das anscheinend davon abgeleitete κροσσωτός erheblich früher und besser belegt. Die Annahme liegt somit nahe, daß κροσσωτός (und δίκροσσοι mit δικρόσσια?) zu κρόσσαι gebildet wurde (nach θυσανωτός; vgl. noch κνισωτός : κνίση u.a.m.) mit Übertragung von der Baukunst auf das Schneiderhandwerk, indem die Verbrämung mit einer Mauerkrone verglichen wurde; davon wiederum als Rückbildung das formal sonst schwierige κροσσοί. Oder stammt der Ausdruck ursprünglich aus der Weberei, zu κρόξ, κρόκ-η ‘(hervorragender) Einschlagfaden’ (s. κρέκω)? II-25

κρόταφος Nebenformen mit Metathese: κόρταφος (Pl.Kom.[?; Maas KZ 46,159], EM, Et. Gud.), κότραφος (PMag. Osl. 1, 152). m., gew. pl. ‘Schläfe’, übertr. ‘Seite, Profil, steiler Berghang’ (seit Il.). Kompp., z.B. πολιο-κρόταφος ‘mit grauen Schläfen’ (ep. poet. seit Θ 518). Davon κροταφίς f. ‘Spitz- hammer’ (att. Inschr., Poll., H.; zur Bed. unten), κροτάφιος ‘zur Schläfe gehörig’ (Gal.), κροταφίτης ‘Schläfenmuskel’ (Mediz.; Redard Les noms grecs en -της 101), f. pl. -ίτιδες (πληγαί Hp.). Denominativum κροταφίζω ‘auf die Schläfe schlagen, ohrfeigen’ (Pap.) mit κροταφιστής (Gloss., H. s. κόβαλος). — Allgemein (z.B. Brugmann Grundr.2 2, 1, 390) zu κρότος gezogen als "das Klopfen (der Schläfenarterie)". Wegen der Bedeutung von κρότος ‘das (hörbare) Schlagen, Getöse’ kann sich aber κρόταφος dann nicht auf das von außen her sichtbare Klopfen der Adern beziehen (Pedersen KZ 39,237 A. 1, Benveniste Mél. Vendryes 56), sondern muß vielmehr auf das innere Geräusch derselben anspielen, wie es dem Hörorgan vermittelt wird; s. Frisk GHÅ. 57 : 4, 18 f. mit einer abweichenden Hypothese: κρόταφος eig. "Totschlag, Stelle des Totschlages" (vgl. κόλαφος) wie rom. dial. abattin ‘Schläfe’; κροταφίς somit eig. "Schläfengerät" ? Dazu mit weittragenden Folgerungen und z.T. unrichtiger Analyse Wüst ‘Ρῆμα 1, 11 ff. II-25-26

κρότος m. ‘Schlagen der Hände und Füße, der Ruder usw., Getöse, das Klatschen, Beifallgeklatsche’ (att. usw.). Oft als Hinterglied, z.B. μονό-, δί-, τρί-κροτος ‘mit einer, zwei, drei Ruderreihen’ (E., X., Plb. u.a.; Morrison Class. Quart. 41, 122 ff.), ἱππό-κροτος ‘von Rossen gestampft, vom Hufschlag der Rosse ertönend’ (Pi., E. u. a.), ἀπό-κροτος ‘fest gestampft, hart’ (Th., X. u. a.). Daneben κροτέω, auch mit Präflx, bes. συν-, in verschiedenen Bedd., ‘rasseln (machen), schlagen, stampfen, klatschen’ (Ο 453, ion. att.) mit κρότημα (S., E.), -ησμός (A. Th. 561, nach ὀρχησμός? Chantraine Formation 141), -ησις ([Pl.] Ax., Ph. Bel. u. a.), -ητικός (Dosith.). — κρόταλα n. pl. ‘Klappern, Klapperbleche, Becken, Kastagnetten’ (h. Hom., Pi., Hdt. usw.), sg. übertr. ‘Schwätzer’ (Ar., E.), mit κροτάλια n. pl. ‘(klappernde) Ohrringe’ (Pap. u. a.), ngr. κροταλίας, -ίτης ‘Klapperschlange’ (Redard Les noms grecs en -της 83), κροταλίζω ‘klappern, rauschen, klatschen usw.’ (A 160, Hdt. usw.) mit -ίστρια, -ιστρίς ‘Kastagnettenspielerin’ (Pap.). — Zu κρόταφος, -φίς s. bes. — Als Schallverb gesellt sich κροτέω zu κομπέω, κοναβέω, δουπέω, βρομέω u. a., die teils Denominativa, teils intensive Deverbativa sind (vgl. s. vv. und Schwyzer 726 m. A. 5). Das frühere und häufigere Vorkommen von κροτέω im Vergleich zu κρότος spricht für die Priorität des Verbs; auch einige der Kompp. mit -κροτος sind verbal orientiert. — Den einzig brauchbaren Vergleich bietet ein german. Verb mit innerer (urspr. nur präsentischer?) Nasalierung, ags. hrindan, hrand, awno. hrinda, hratt ‘stoßen’ (idg. qre-n-t-). — Verfehlte weitere Anknüpfungen sind bei Bq s. v. und WP. 1, 484f. notiert. II-26

κροτών, -ῶνος m. ‘Schaflaus, Zecke, Pediculus ovis, Ixodes’ (Arist., Dsk., Plu. u. a.), auch ‘Wunderbaum, Ricinus communis’ und dessen Same (Hp., Thphr., hell. Pap.), nach Dsk. 4, 161 διὰ τὴν ὡς πρὸς τὸ ζῷον τοῦ σπέρματος ἐμφέρειαν; vgl. Strömberg Theophrastea 50. Kompp., z.B. κροτωνο-φόρος (γῆ; hell. Pap.). — Unerklärt. Hofmann Et. Wb. erwägt ohne Begründung Anschluß an κρότος. — Davon κροτώνη f. ‘Knorren, krankhafter Auswuchs am Stamme (der Olive), Luftröhrenknorpel’ (Thphr., Hp., Gal.); zur Bildung vgl. γογγρώνη und Chantraine Formation 207, Schwyzer 491. Die Anknüpfung an κάρταλ(λ)ος ‘Korb’ über *κρατώνη (J. Schmidt KZ 32, 370) ist sowohl lautlich wie vor allem begrifflich schwierig. II-26-27

κρουνός m. ‘Quell, Springquell, Flut, Strom’, auch als ON (vorw. poet. seit Il.). Kompp., z.B. ’Εννεά-κρους N. einer Quelle am Hymettos (Hdt., Th. u. a.). Davon die Deminutiva κρουνίον (Hdn.), -ίσκος (Sch.); ferner κρουν-εῖον Art Trinkgefäß (Kom.), -ωμα ‘Flut’ (Emp. 6, 3), -ίτιδες (νύμφαι, Orph.), -ηδόν ‘quellenartig’ (LXX, Ph.u.a.); κρουνίζω, -ομαι ‘einen Strom entlassen, bzw. auffangen’ (Kom. u. a.) nnt -ισμός ‘Flut, Brause’ (Aq., Mediz.), -ισμα ‘Strom’, -ισμάτιον ‘kleiner Ausguß, schmale Tülle’ (Hero). — κροῦναι κρῆναι τέλειαι H. — Wohl aus *κροσνός zu κρήνη, s. d. II-27

κρούπεζαι (-ζα sg.) f. pl. ‘hölzerne Schuhe zum Zertreten der Oliven od. zur Angabe des Tanzrhythmus’ (Paus. Gr., Poll., Phot.); κρουπεζο-φόροι pl. Ben. der Böoter (Kratin.). Davon das Demin. κρουπέζια pl. (Poll., H.) und κρουπεζούμενος ‘mit κ. versehen’ (H.). — Verbales Rektionskompositum, dem Ausdruck τὸν πόδα (τῷ ποδὶ) κρούειν ‘dcn Fnß stoßen, mit dem Fuß stampfen’ entsprechend; Hinterglied nach ἀργυρό-πεζα u. a. — Nebenformen: κρούπαλα (S. Fr. 44; vgl. z.B. κρόταλα), κρούπανα (H., nach Gerätenamen auf -ανον), -πετα (H.; Vorbild?). II-27

κρούω, Aor. κροῦσαι, Pass. -σθῆναι, Perf. Med. κέκρου(σ)μαι, Akt. κέκρουκα, ‘stoßen, schlagen, stampfen’ (Hp., att.). sehr oft mit Präflx, z.B. ἀνα-, δια-, ἐκ-, παρα-, συν-, Ableitungen, auch von den Präfixkompp. in verschiedenen Bedd. (hier nicht besonders notiert): κροῦμα, -σμα ‘durch Anschlagen hervorgebrachter Laut, Ton, Melodie’ (Hp., att.) mit κρου(σ)-ματικός (hell. u. sp.), κροῦσις ‘das Schlagen, bes. der Saiten, Saitenspiel’ (Hp., att.), κρουσμός ‘ds.’ (hell. u. sp.); ἀνακρουσ-ία· παιδιᾶς εἶδος ἐπὶ σφαίρας H.; ἐπικρούσ-τιον N. eines rnediz. Instruments (Mediz.), -τήριον ‘Hammer’ (Gloss.); κρουστικός ‘zum Stoßen geeignet’ (Hp., Ar., Arist. usw.); Προκρούσ-της N. eines mythischen Räubers (X. usw.). — Für κρούω steht bei Hom. das erweiterte κροαίνω (Ζ 507 = Ο 264 κροαίνων ‘stampfend, galoppierend’; danach Opp., Philostr. u. a.); vgl. Debrunner IF 21, 43. — Zu κροιός s. u. und s. v. — Das griechische Verbalsystem nebst den zugehörigen Nomina ist auf einen verallgemeinerten Stamm κρουσ- aufgebaut; für das Präsens kommt außer *κρούσ-ω auch *κρούσ-ιω in Betracht. Das Paar κρούω : κροαίνω stimmt lautlich zu ἀκούω : ἀκοή und ist wohl auf dieselbe Weise zu verstehen; eine Grundform *κροϝάν-ι̯ω ohne σ (Bechtel Lex. s. v. mit Fraenkel Denom. 23 A. 2) erübrigt sich. Auch κροιός (s. bes.) läßt sich auf *κρουσ-ι̯ός (mit Bewahrung des funktionstragenden -ιο-) zurückführen. — Zu κρούω aus idg. qrous- stimmt genau slav., z.B. aksl. -krušǫ, -šiti, russ. krušitьσυντρίβειν, θραύειν, κρούειν’; dieselbe Hochstufe auch in lett. kràusêt ‘(ab)-stampfen’, lit. kraušýti ‘ds.’. Daneben mit Schwundstufe, idg. qrus-, z.B. ksl. aruss. krъcha, russ. krochá ‘Brocken, Krümchen’, lit. krušù, krùšti ‘zerstampfen, zerstoßen’; mit hochstuflgem qreus- lit. kriaũšti ‘stechen’. — WP. 1, 480 f. (nach Solmsen KZ 29, 97 u. A.), Pok. 622f., Fraenkel Wb. s. krùšti, Vasmer Wb. s. krochá u. krušítь mit weiteren Formen und reicher Lit. II-27-28

κρυερός, κρυμός s. κρύος. II-28

κρύος n. ‘Eiskälte, Frost’ (Hes. Op. 494, A. in lyr., Arist., Jul. u. a.). Davon κρυόεις ‘grausig, schauerig’ (Il., Hes., Pi.), ‘eiskalt’ (A. R., AP, Orph.) mit analogischem -ο- (vgl. auch Debrunner ’Αντίδωρον 28); s. auch ὀκρυόεις; κρυώδης ‘eiskalt’ (Plu., Poll.); außerdem wohl κρυερός ‘grausig, schauerig’ (Hom., Hes., Ar. in lyr. u. a.), ‘eiskalt’ (Simon., Ar. in lyr.); vgl. unten. — Neben κρύος stehen als davon unabhängige Bildungen: 1. κρῡμός m. ‘Eiskälte, Frost, Schauder’ (ion., Trag., hell. Dicht., sp. Prosa) mit κρυμώδης ‘eiskalt’ (Hp., Ph., AP u. a.), κρυμαλέος ‘ds.’ (S. E. u. a.; Debrunner IF 23, 22, Chantraine Formation 254), κρυμ-αίνω ‘kalt machen’ (Hdn.), -ώσσω ‘aus Kälte steif sein’ (Theognost.). — 2. κρύσταλλος m. ‘Eis’ (seit Il.), auch f. (nach λίθος) ‘Berg- kristall’ (Str., D. S. u. a.) mit κρυστάλλιον ‘ds.’ (PHolm.), auch Pflanzenname = ψύλλιον (Dsk.; wegen der abkühlenden Wirkung, Strömberg Pflanzennamen 83); κρυστάλλ-ινος ‘eiskalt’ (Hp.), ‘aus Bergkristall’ (D. C. u. a.), -ώδης ‘eisig, kristallklar’ (Ptol., PHolm. u.a.); κρυσταλλ-όομαι ‘frieren’ (Ph. u. a.), -ίζω ‘wie Kristall glänzen’ (Apok.); daneben κρυσταίνομαι ‘frieren’ (Nik. Al. 314), wohl freie Analogiebildung zu κρύσταλλος nach anderen Fällen des Wechsels ν : λ (anders Schwyzer 706). — Alte Wortgruppe mit mehreren nahen Entsprechungen in verschiedenen Sprachen. Eine rein griechische Bildung ist κρύσταλλος (nach Kuiper Μνήμης χάριν 1, 215 A. 16 eher LW); es geht mit einem expressiv geminierten λ-Suffix (Chantraine Formation 247, Schwyzer 484) von einem Nomen aus, das tatsächlich in lat. crusta ‘Rinde, Kruste’, wohl auch in toch. B krost, A kuraś usw. ‘kalt’ (Duchesne-Guillemin BSL 41, 155 f.) vorliegt. Als Grundlage von crus-tā wird ein nominaler s-Stamm vermutet; crus-tā somit eig. Kollektivbildung, bzw. substantiviertes Sekundäradj. ? (Leumann Lat. Gr. 246; aber vgl. unten). Neben der schwundstufigen Suffixform in cru-s-, idg. *qru-s-, steht die hochstufige in idg. *qruu̯-es-, gr. κρύ-ος, lett. kruv-es-is ‘gefrorener Schlamm’; dazu mit hochstufigem Stamm lat. cruōr < *qreu̯-ōs- und gr. κρέας < *qreu̯-əs-, s. d. — Zu κρῡμός stimmt aw. xrū-ma- ‘grauenhaft, grausig’; κρύος : κρῦμός mithin wie θύος : θῡμός. Die oft angesetzten Grundformen *κρύσ-ος, *κρυσ-μός sind nicht wahrscheinlich. — An κρυερός erinnern stark aind. krūrá-, aw. xrūra- ‘wund, roh, blutig, grausam’ und lat. crūdus ‘roh’, falls aus *crūrus; wenn damit uridentisch, muß κρυερός nach den Adj. auf -ερός umgebildet sein; es kann aber ebensogut eine selbständige Ableitung von κρύος sein; vgl. Bloch Sprachgesch. u. Wortbed. 23 A. 22. — Bei der obigen Analyse sind wir von einem nominalen s-Stamm ausgegangen; ein verbales qreus- erscheint aber im Germanischen, z.B. awno. hriósa, Prät. hraus ‘schaudern’ mit dem schwundstufigen Verbalnomen ahd. hroso, -a ‘Eis, Kruste’. Es liegt deshalb nahe, auch lat. crus-ta als ein Verbalabstraktum oder ein substantiviertes Verbaladj. (: toch. B krost) aufzufassen. — WP.1,478ff., Pok.621f., W.-Hofmann s. crusta m. reicher Lit. II-28-29

κρύπτω, Fut. κρύψω,Aor. κρύψαι, Pass. κρυφθῆναι (alles seit Il.), -φῆναι (S.), -βῆναι (LXX usw.), Fut. -βήσομαι (E., LXX), Perf. Med. κέκρυμμαι (seit Od.), Akt. κέκρυφα (D. H.), iter. Ipf. κρύπτασκε (Θ 272; Risch 240), -εσκε (h. Cer. 239), sp. Präs. κρύβω, sp. Ipf. ἔκρυβον, -φον, ‘verbergen, verhüllen, verstecken’. oft m. Präfix, z.B. ἀπο-, ἐν-, ἐπι-, κατα-, Viele Ableitungen: 1. κρυπτός ‘verborgen, heimlich, geheim’ (seit Ξ 168; Amman Μνήμης χάριν 1, 16) mit κρυπτάδιος ‘ds.’ (Il., A. in lyr. u.a.; nach ἀμφάδιος), κρυπτικός ‘verhüllend’ (Arist., Alex. Aphr.), κρυπτίνδα παίζειν ‘Versteck spielen’ (Theognost.); κρυπτεύω ‘sich verstecken’ (E. in lyr., X.) mit κρυπτεία ‘heimlicher Sicherheitsdienst in Sparta’ (Pl., Arist. u. a.). — 2. (ἔγ-, ἀπό-, ἐπί-)κρύψις ‘das sich Verstecken, das Verbergen’ (E., Arist., Plb. usw.; Holt Les noms d’action en -σις 149). —3. κρυπτήρ "Verstecker", Ben. eines Geräts (Delos IIa, Sch.), -τήριος ‘als Versteck dienend’ (Orac. ap. Paus. 8, 42, 6), κρύπτης ‘Mitglied einer κρυπτεία’ (E. Fr. 1126[?]). — 4. κρυφῆ, dor. -φᾶ (Pi., S., X. u. a.), κρύφᾰ (Th. u. a.) Adv. ‘heimlich, ohne jmds. Wissen’; davon κρυφάδᾱν (Korinn.), -άδις (Hdn.), -ηδόν (Od., Q. S.), -ανδόν (H.) ‘ds.’ (Schwyzer 550, 626, 631); κρυφαῖος ‘heimlich’ (Pi., Trag., LXX u. a.), κρύφασος N. eines Würfelwurfs (Poll.; Chantraine Formation 435). — 5. κατα-, ἀπο-κρυφή ‘Hehl, Versteck’ (S., LXX); κρύφιος ‘verborgen, heimlich’ (Hes., Pi., Trag., Th. usw.; κρύφιος : κρύπτω Schulze Kl. Schr. 362), κρυφία f. ‘Verborgenheit, Versteck’ (PFlor. 284, 8; VIp), κρύφιμος = κρύφιος (Man., Pap. u.a.; Arbenz Die Adj. auf -ιμος 19 f.), -ιμαῖος ‘ds.’ (Ephesos IVp), -ιώδης ‘ds.’ (Eust.); ἀπό-, ἐπί-, ἔγ-, ὑπό-κρυφος ‘versteckt usw.’ (Pi., Hdt., E. usw.; von ἀποκρύπτω usw.), κρυφός (κρύφος) ‘Versteck’ (Emp. 27, 3; Porzig Satzinhalte 319; LXX), ‘geheim, versteckt’ (coni. Pi. O. 2, 97); zur Erklärung vgl. Georgacas Glotta 36, 164 f.; ἐγκρυφίας ἄρτος ‘unter der Asche verborgenes, d. i. gebackenes Brot’ (Hp. u. a.), ἐγκρυφιάζω ‘sich verborgen halten, verbergen’ (Ar. u. a.); κρυφιαστής ‘Traumdeuter’ (Aq.). — 6. κρύβδᾰ = κρύφα (Σ 168, A., Pi.), κρύβδην, dor. -δᾱν (seit Od.); vgl. Haas Μνήμης χάριν 133f. —7. (ἀπο-)κρυβή ‘Verhehlung’ (LXX, Vett. Val.), κρυβῆ = -φῆ (LXX, Pap.); κρυβηλός· κρυπτὸς [πύργος], κρύβες νεκροί, κρυβή-τας· τετελευτηκότας, κρυβήσια· νεκύσια, κρυβάζει· ἀποκρύπτειH. — An κρύπτω erinnert formal und semantisch καλύπτω (s. d.); die beiden Verba haben sich wahrscheinlich gegenseitig beeinflußt. Uber den Wechsel π : φ : β, der auch analogisch sein kann, vgl. Schwyzer 333, 705 A. 2, 737. — Bis auf den wurzelauslautenden Labial und die Vokalquantität stimmt κρύπτω zu slav., z.B. aksl. kryjo, krytiκρύπτω, ἀποκρύπτω’ (seit Persson Stud. 51 A. 1, Meillet MSL 8, 297), das seinerseits u. a. mit balt., z.B. lit. kráuju, kráuti ‘aufeinanderlegen, aufstapeln, aufhäufen’ verbunden wird; zur Bedeutung Schulze KZ 50, 275 (Kl. Schr. 621 f.). Sehr fraglich wegen des Vokals ist der Vergleich mit einem balt. Wort für ‘betrügen, hintergehen’, lit. króp(i)u, krópti, lett. krapt. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 477, Pok. 616f., Fraenkel Wb. s. kráuti und krópti 2., Vasmer Wb. s. krytь. II-29-30

κρωβύλος (Akz. nach Hdn. Gr. 1, 163) m. ‘Haarbeutel, Stirnschopf’ (Th., X., Antiph. u. a.; zur Bed. Hauser Jahresh. d. Österr. Arch. Inst. 1 1 Beibl. 87ff.) mit κρωβυλώδηςκ.-ahn- lich’ (Luk. Lex. 13); κρωβύλη f. ‘Haarnetz’ (Hdn. Gr. 1, 323, Serv. ad Aen. 4, 138). — Unerklärtes Fremdwort. Idg. Etymologien bei Bq (ablehnend). Pelasgische Erklärung von Carnoy Ant. class. 24, 18, semit. bei Lewy Fremdw. 89 (vgl. Knauer Glotta 33, 116 A. 1). II-30

κρώζω, Aor. κρῶξαι, Fut. κρώξω, ‘krächzen’ (Hes. Op. 747, Ar. u. a.). auch mit Präfix wie ἐπι-, κατα-, ὑπο-, Davon κρωγμός ‘das Krächzen’ (AP, Jul.), κρῶγμα ‘ds.’ (Hdn. Epim.). — Onomatopoetisches Wort, das sich nur im Wurzelauslaut von den gleichbedeutenden lat. crōciō, -īre, slav., z.B. russ. ksl. kraču, krakati unterscheidet. Dazu noch z. B. lit. kr(i)okiù, kr(i)õkti ‘röcheln, grunzen’ und mit -g- kriogúoju, -úoti ‘mit heiserer Stimme sprechen oder schreien’; idg. -g- u. a. auch in germ., z.B. awno. hrōkr ‘Krähe’. — Weiteres reiches Material m. Lit. bei WP. 1, 414f., Pok. 568f. und in den betreffenden Spezialwörterbüchern. Vgl. κράζω, κραυγή, κόραξ, κορώνη u.a.m. II-31

κρώπιον (besser -ίον) H. auch κρώβιον (cod. auch κρόπ- und κρόβ-). n. ‘Sichel, Sense’ (Pherekyd. 154 J.); — Bildung wie λυχνίον, χαλκίον, ἀκόντιον und andere Gerätenamen auf -ιον (Chantraine Formation 58), somit gewiß von einem Nomen (*κρώψ o. ä.) ausgehend. Ohne unmittelbare Entsprechung, aber sicher mit den in Ablaut und Bildung abweichenden aind. kr̥pāṇa- ‘Schwert’, mir. corrán ‘Sichel’ (idg. *qorp-) irgendwie zusammenhängend. Primäre zugehörige Verba sind u. a. lit. kerpù, kir̃pti ‘schneiden, scheren’, lat. carpō ‘abpfiücken’. — Weitere Formen m. reicher Lit. bei WP. 2, 580ff., Pok. 944f., Fraenkel Wb. s. kir̃pti 1., W.-Hofmann s. carpō. Vgl. 1. καρπός, auch σκορπίος und σκέπαρνος. II-31

κρωσσός m. (auch f. wie λήκυθος u. a.) ‘Krug, Mischkrug, Salbgefäß, Aschenkrug’ (Trag., Theok. u.a.); Demin. κρωσσίον (A P). — Schon das σσ-Element, gewissermaßen auch die technische Bed., läßt auf mediterranen Ursprung schließen. Über die Möglichkeit einer Lehnbeziehung zu keltischen und germanischen Wörtern für ‘Krug, Topf’, z.B. mir. crocān, ags. crocca, ahd. kruog, s. WP. 1, 487 m. Lit., Pok. 389, Vendryes REGr. 32, 495 ff. Pelasgische Etymologie (nach Georgiev) von v. Windekens KZ 72, 209ff. II-31

κτάομαι, ion. Ipf. ἐκτέετο (als v. l. Hdt. 8, 112), Aor. κτήσασθαι (seit Il.), Pass. κτηθῆναι (Th., E. u. a.), Fut. κτήσομαι (nachhom.), Perf. ἔκτημαι (ep. ion. usw.), κέκτημαι (Hes., att.), ‘erwerben, gewinnen, erlangen’, Perf. ‘besitzen’. oft mit Präfix, z. B. ἀνα-, ἐν-, ἐπι-, προσ-, Viele Ableitungen, auch von den Präfixkompp. (hier nicht besonders notiert): 1. Dat.pl. κτεάτεσσι (Hom., Pi., E.), sg. κτέαρ (hell. u. sp. Dichtung) ‘(erworbene) Güter, Besitz, Eigentum’ mit κτεατίζω ‘erwerben’ (ep. poet. seit Il.), κτεατισμός (Man.; cod. κτεαν-). — 2. κτέανα n. pl., sekund. u. selten -ον sg. ‘ds.’ (ep. poet. seit Hes., auch Hp.), φιλο-κτεανώτατε Vok. (A 122; Sommer Nominalkomp. 69), πολυ-κτέανος (Pi. u. a.). Zu κτεάτεσσι und κτέανα s. auch unten. — 3. κτήματα n. pl. (seit Il.), auch sg. (seit ο 19), ‘Güter, Grundbesitz’, auch ‘Haustiere’ (Chantraine Rev. de phil. 72, 5ff.), mit κτημάτ-ιον (Alkiphr., Pap.), -ίδιον (Pap. VIp), -ικός ‘begütert’ (hell. u. spät), -ίτης ‘ds.’ (Lykurg. u.a.; Redard Les noms grecs en -της 28); als Hinterglied u. a. in πολυ-κτήμων ‘güterreich’ (Il. usw.) mit -μοσύνη (Poll.). — 4. κτήνεα, -νη n. pl., selten -νος sg. ‘Haustier(e), zahmes Vieh’ (vorw. ion. poet., hell. u. sp.), wohl direkt von κτάομαι mit νος-Suffix (Chantraine Formation 420; sehr komplizierte Hypothese bei Egli Heteroklisie 48 f.); davon κτηνηδόν ‘nach Art des Viehes’ (Hdt.), κτηνύδριον (Pap.); oft als Vorderglied, z.B. κτηνο-τρόφος ‘viehzüchtend, -ter’ (hell. u. sp.). — 5. κτῆσις ‘Erwerbung, Besitz’ (seit Il.; Holt Les noms d’action en -σις 82 ff.) mit κτήσιος ‘den Besitz betreffend’, Ζεὺς Κτήσιος als Beschützer des Besitzes (ion. att.; Nilsson Gr. Rel. 1, 403 ff.); Demin. κτησ(ε) ίδιον (Arr. u. a.). — 6. κτεάτειρα f. ‘Besitzerin’ (A. Ag. 356 [anap.]), Archaisierung nach κτεάτεσσι u. a. für -κτήτειρα, -τρια (in προ-κτήτρια ‘ehemalige Besitzerin’, Pap.) zu κτήτωρ m. ‘Besitzer’ (D. S., Pap., Act. Ap. u. a.) mit κτητορικός (Pap.); Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 2, 29f., 1, 183 A. 1, Schwyzer 474 A. 3. — 7. Φιλο-κτή-της PN (Il. usw.), Zusammenbildung aus φίλος und κτάομαι mittels des τη-Suffixes; att. Φιλοσκήτης (Kretschmer Glotta 4, 351). —8. Verbaladjektiva : κτητός ‘erwerblich, zu erwerben, erworben’ (I408 u.a.; Ammann Μνήμης χάριν 1,14); gewöhnlicher ἐπίκτη-τος ‘dazu erworben, neugewonnen’ (ion. att.); κτητικός ‘zum Erwerb gehörig, erwerbsam’ (att. usw.), vgl. Chantraine Ét. sur le vocab. grec 137. — 9. Unklar ist ἀκτῆνες· πένητες, ἠργηκότες (EM55, 11); nach Solmsen Wortforsch. 143 vermutlich aus *ἀ-κτη-ῆνες. — Mit Ausnahme von dem vereinzelt und verhältnismäßig spät belegten Präsens κτάομαι enthalten alle Formen urgr. κτη- (ἔγκτασις wohl hyperdorisiert nach ἔμπᾱσις; s. πάσασθαι). Auch κτεάτεσσι, κτέαρ gehen auf ein heteroklitisches *κτῆ-ϝαρ, -ϝατος zurück; daneben κτέανα als ein Uberbleibsel des alten obliquen n-Stammes *κτη-ϝαν-α, der als o-Stamm umgedeutet den Sing. κτέανον hervorrief, s. Schwyzer 519 A. 6 m. Lit., Egli Heteroklisie 32. — Der alte Vergleich mit dem indoiran. Präsens aind. kṣáyati = aw. xšayeiti, -te ‘herrschen, gebieten, Macht haben’ ist semantisch gewiß einwandfrei, aber formal schon deshalb weniger befriedigend, weil κτάομαι den Eindruck einer Neubildung macht und die fest eingebürgerten außerpräsentischen griechischen Formen keine indoiran. Entsprechungen haben. Hinzu kommt, daß wir einen Ablaut [i] > κτη- : əi > kṣáy-ati ansetzen müssen, wobei das Nomen aind. kṣa-trám — aw. xša-θrəm ‘Herrschaft’ als analogische Neubildung zu erklären ist (Kretschmer KZ 31, 430 f.). Die unmittelbare Gleichsetzung von κτάομαι ‘erwerben’ und aind. kṣáyati wird dadurch etwas erschüttert. — WP. 1, 504, Pok. 626. II-31-33

Κτάρος m. Beiname des Hermes (Lyk. 679). — Nach Güntert Götter und Geister 96 als "Totengott" zu κτέρεα, κτερίζειν, διά-κτορος; hypothetisch. II-33

κτείνω, att. auch κτείνυμι, -ύω, äol. κτέννω (Hdn.), Fut. κτενῶ, ep. auch -έω, κτανέω, Aor. κτεῖναι, äol. κτένναι (Alk.), und κτανεῖν, ep. auch κτάμεν(αι) und Med. -Pass. κτάσθαι, Pass. 3. pl. ἔκταθεν (ep.), hell. u. sp. κταν(θ)ῆναι, Perf. ἀπ-, κατ-έκτονα (Hdt., att.), hell. u. sp. auch ἀπ-εκτόνηκα, -έκτα(γ)κα, Pass. -εκτάνθαι ‘töten, umbringen’ (seit Il.; att. Prosa fast nur mit ἀπο-, poet. auch mit κατα-). Davon als Hinterglied -κτόνος, z.B. πατρο-κτόνος ‘vatermörderisch’ (Trag.) mit -κτονέω, -ία; vereinzelt passiv: νεό-κτονος ‘soeben getötet’ (Pi.); Simplex κτόνος (Zonar.) wohl aus den Kompp.; auch -κτασία, z.B. ἀνδρο-κτασία, gew. pl. -ίαι f. ‘Männermord’ (ep. poet. seit Il.), wie von *ἀνδρό-κτα-τος, vgl. unten und Schwyzer 469. — Das Präsens κτείνυμι (unrichtig -εινν- und -ινν-) mit sekundärer Hochstufe nach ἔκτεινα (δείκνυμι : ἔδειξα u. a.) steht für schwundstufiges *κτά-νυ-μι, das bis auf den Ablaut des νυ-Suffixes zu aind. kṣa-ṇó-mi ‘verletzen’ genau stimmt (κτείνω ‘töten’ somit euphemistisch; Chantraine Sprache 1, 143). Andere Übereinstimmungen mit dem Altindischen (und Altiranischen) zeigen der Aorist ἔ-κτα-το (Il.) = aind. a-kṣa-ta (Gramm.) und das Ptz. *-κτα-τος (in ἀνδρο-κτασίαι u.a.; s. oben) = aind. -kṣa-ta-, ap. a-xša-ta- ‘unverletzt’. Das griechische Formensystem scheint im übrigen auf einem athematischen Wurzelaorist aufgebaut zu sein: 1. sg. *ἔ-κτεν-α, 3. sg. -ἔ-κτεν (vgl. gortyn. Konj. κατα-σκένε̄ [mit σκ für κτ, Schwyzer 326]), 1. pl. ἔ-κτᾰ-μεν, 3. pl. ἔ-κτᾰν; dazu das Präsens -κτέν-ι̯ω > κτείνω, die Aoriste ἔκτᾰν-ον, ἔκτεινα. Weitere Einzelheiten bei Schwyzer 697 u. 740, Chantraine Gramm. hom. 1, 380f. u. 449f. — Vgl. καίνω. II-33

κτείς (att. Inschr.), κτήν (Jo. Gramm. VIp), κτενός m. ‘Kamm, Weberkamm’, oft übertr. von kammähnlichen Gegenständen, z.B. ‘Harke, Rippe, Finger, Zacke, Kammuschel, Schamhaar, -bein’ (ion. att.). Einzelne Kompp., z.B. κτενο-πώλης ‘Kammhändler’ (Poll.), πεντέ-κτενος ‘fünfzackig’ (Kom.). Davon κτένιον ‘ds.’ (Epich., Pap.), κτενωτός ‘mit Zacken versehen’ (att. Inschr.), κτενᾶς m. Berufsbez. (Korykos), κτενωδῶς ‘kammähnlich’ (Gloss.); κτενίζω ‘kämmen, krempeln’ (ion. att.) mit -ισμός ‘das Kämmen’ (E. u. a.), -ιστής ‘Kämmer, Friseur’ (Pap., Gal.), -ιστικός ‘zum Kämmen gehörig’ (Pap.). — Wegen lat. pecten ‘Kamm’ seit v. Sabler KZ 31, 275 mit größter Wahrscheinlichkeit auf ein schwundstufiges *πκτ-εν-zurückgeführt mit Schwund der anlaut. π-. Eine umgekehrte Vereinfachung der lästigen Anfangsgruppe scheint im Iranischen vorzuliegen, wo mehrere neuiran. Formen, z.B. pashto ẓ̌manj, npers. šāna, aus idg. *pḱ-en- herleitbar sind (Morgenstierne Pashto 106; dazu Charpentier Acta Or. 7, 197 mit der Bemerkung Morgenstierne ebd. 199). — Weiteres s. πέκω. II-33-34

κτέρας (nur Nom.) n. ‘Geschenk’ (Κ 216, Ω 235, A. R. 4, 1550), gew. pl. κτέρεα, -έων ‘Totengeschenke, -opfer, -ehre’ (ep. seit Il.; zu -ας : -εα Schwyzer 515, Chantraine Gramm. hom. 1, 210). Als Hinterglied in ἀ-κτερής ‘unbestattet’ (Orac. Sibyll., H.). Davon κτερε-ΐζω (-ίξω, -ίξαι), auch mit ἐν-, ἐπι-, συν-, (ep. seit Il.) und κτερ-ίζω (-ιω, -ίσαι; ep. poet. seit Il.) ‘Totengeschenke darbringen, feierlich bestatten’ (Schwyzer 735, Debrunner IF 40, 107ff., Ruijgh L’élém. ach. 83) mit κτερίσματα pl. = κτέρεα (S., E.), -ισταί H. (= ταφῆες), ἀ-κτέριστος (S., Lyk.),-έϊστος (AP). Zu κτέρεα κτερεΐζειν Mylonas AmJArch. 52, 56ff. — Hierher noch κτέρες· νεκροί H., wohl konstruierte Rückbildung (Solmsen IF 3, 98; dagegen Fraenkel Nom. ag. 1, 68); in Betracht kommt ferner Πολύ-κτωρ (Hom.; danach Γανύ-κτωρ Plu., Paus.) als "Vielspender" (Fraenkel a.a.O. mit Solmsen; anders [zu κτάομαι] Schulze Kl. Schr. 79 nach Pott). Ganz unsicher διάκτορος, s. d. — Ohne Etymologie; verfehlte Erklärungen sind bei Bq notiert. II-34

κτηδών, -όνος, meist pl. -όνες m. ‘Adern, Fasern, Lagen’ im Körper, Holz, Stein usw. (Mediz., Theophr. u. a.); εὐ-κτήδων, -ονος ‘mit schönen (starken) Fasern’ (Thphr.); auch εὐ-κτέανος ‘ds.’ (Theophr., Plu.); — Bildung unklar, vgl. εὐ-κέατος und εὐθυ-κτέανον· ἰθὺ πεφυκυῖαν, εἰς ὀρθόν; ἰθυ-κτέανον· τὸ ἰθὺ πεφυκὸς καὶ ὀρθὸν δένδρον H. — Bildung auf -δών (Schwyzer 529 f., Chantraine Formation 360 ff.) ohne Etymologie. Nach Froehde BB 17, 316 zu πεκτέω (vgl. κτείς); noch anders G. Meyer Gr.3 344, s. Bq, der (zögernd) lat. saeta ‘Borste’ vergleicht. Neue Etym. von v. Windekens Ling. Posn. 8,34f. II-34

κτίδεος ‘aus Marder’ s. ἴκτις. II-34

κτίζω (Emp. usw.), Davon zahlreiche Nomina: κτίσις f. ‘Gründung, Schöpfung, Geschöpf’ (Pi., ion. att.; vgl. unten), κτιστύς f. ‘Gründung’ (Hdt. 9, 97; zur Bed. Benveniste Noms d’agent 72), κτίσμα ‘Gründung, Kolonie, Gebäude’ (hell. u. sp.), κτισμός ‘Gründung’ (Kleinas., Kaiserzeit); — κτίστωρ ‘Gründer’ (Pi., E. u. a.), κτιστήρ ‘ds.’ (Korinth, IVa), f. κτίστρια (Kleinas., Kaiserzeit), κτίστης ‘Gründer, Stifter, Baumeister’ (Arist. usw.) mit κτίστιον (-εῖον) ‘Tempel eines Gründers’ (Pap. IVp), älter συγκτίστης ‘Mitbegründer’ (Hdt. 5, 46); κτιστός ‘angelegt, gegründet’ (h. Ap. 299, Pap.; Zumbach Neuerungen 26); n. κτιστόν ‘Bauwerk’ (Pap.). — Hinzu kommen mehrere Bildungen, die von einer intransitiven Bedeutung ‘wohnen, weilen’ ausgehen und schon dadurch außerhalb des lebendigen Systems stehen: ἐῢ κτίμενος ‘wo sich’s gut wohnt’ (Hom.); περι-κτί-ονες pl. ‘Herumwohner, Nachbarn’ (ep. poet. seit Il.), ἀμφι-κτί-ονες ‘ds.’ (Pi.), auch als EN (att. Inschr. Va), daneben -κτύονες (Hdt., Inschr. IVa) mit unklarem υ (vgl. Hoffmann Dial. 3, 290); περι-κτί-ται pl. ‘ds.’ (λ 288), danach als Simplex κτί-ται ‘ds.’ (E. Or. 1621), κτίτης = κτίστης (Delph. IIa), myk. (me-ta-)ki-ti-ta; ἐΰ-κτι-τος = ἐῢ κτίμενος (Β 592 u. a.), ὀρεί-κτι-τος ‘in den Bergen wohnend’ (Pi.); aber z.B. θεό-κτι-τος ‘von Göttern begründet’ (Sol.) mit Anschluß an κτίζω; Einzelheiten bei Fraenkel Nom. ag. 1, 44; daselbst (und 1, 179 f.) auch über κτίστωρ u. a. —Für sich steht mit abweichendem Ablaut rhod. κτοίνα (auch πτοίνα mit unerklärtem πτ-) Ben. eines amtlichen Bezirkes auf Rhodos (myk. ko-to-(i)-na) mit κτοινᾶται, -έται (vgl. Fraenkel 1,207; 2, 126). Aor. κτίσ(σ)αι (seit Il.), Pass. κτισθῆναι (ion. -att.), Fut. κτίσω (A.), Perf. Med. ἔκτισμαι (Hdt. usw.), Akt. ἔκτικα (hell. u. sp.; zur Reduplikation Schwyzer 649), ‘gründen, anlegen, anbauen, schaffen’. auch mit Präfix, z.B. συν-, ἐπι-, ἀνα-, — Zu περι-κτί-ται stimmt bis auf den erweiternden -Stamm aind. pari-kṣí-t-’rings umher wohnend’, zu (ἐΰ)-κτιτος aw. (ana)-šita- ‘unbewohnt’. Daneben steht das athemat. Wz.-präsens aind. kṣé-ti, pl. kṣi-y-ánti (= myk. ki-ti-je-si [trans.]?) — aw. šaēiti, šyeinti ‘wohnen’. Ein entsprechendes athematisches Ptz. ist κτί-μενος. Die transitivkausative Bed. ‘zur Wohnung machen, gründen’, die eine griechische Neuerung darstellt, ist von dem Aorist κτίσ(σ)αι ausgegangen, der an die Seite eines intransitiven Wz.aoristes (noch in κτί-μενος bewahrt?) trat wie ἔ-στη-σα zu ἔ-στη-ν (s. ἵστημι). An κτίσ(σ)αι schloß sich κτίζω, wozu die übrigen Formen (Schwyzer 674 u. 716, Wackernagel Unt. 77). Auch κτί-σις hat ein genaues Gegenstück in aind. kṣi-tí-, aw. ši-ti- ‘Wohnplatz’, aber die abweichende Bedeutung macht es als Neubildung zu κτίζω stark verdächtig (vgl. Holt Les noms d’action en -σις 95 A. 5). Mit κτοίνα deckt sich endlich, vom i-Stamm abgesehen, arm. šēn, Gen. šini ‘bewohnt(er Platz)’. — Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 504 (Pok. 626). Vgl. κτίλος. II-34-35

κτίλος ‘gehorsam, zahm’, m. ‘Widder’ (ep. poet. seit Il.), nach H. = ὁ προηγούμενος τῆς ποίμνης κριός; dazu Thompson ClRev. 46, 53 f. Davon κτιλίς· τιθασός, πρᾷος, ἡγεμών H. und die Denominativa ἐκτιλώσαντο ‘sie zähmten’ (Hdt. 4, 113), ἐκτιλωμένος ‘gezähmt’ (Paus. Gr.), κτιλεύονται ‘sie werden gezähmt’ (Pi. Fr. 238). — Zum λ-Sufflx vgl. χωλός, φαῦλος und viele andere Ausdrücke für verschiedene Gebrechen (Chantraine Formation 238). Schon von Pott zu κτίζω u. Verw. als "zum Wohnplatz gehörig" gezogen. Nicht mit Bechtel Lex. nach Froehde zu lat. sileō ‘schweigen’. Weitere Lit. bei Bq und WP. 1, 504. II-36

κτύπος m. ‘starker Lärm, Gekrache, Gestampfe, Getöse’ (vorw. poet. seit Il.). Sehr oft als Hinterglied, z.B. βαρύ-κτυπος ‘mit schwerem Getöse’ (h. Cer. usw.). Daneben, wohl als Intensiv, κτυπέω (seit Il.) mit κτυπῆσαι (S., E. usw.), auch Aor. 2 κτυπεῖν (Il. u. a.; metrisch bedingt?, Porzig Satzinhalte 25), oft mit Präfix (fast nur sp.), z.B. ἐπι-, κατα-, ὑπο-, ‘krachen, erdröhnen’, trans. ‘erdröhnen lassen’. Davon κτύπημα = κτύπος (Kritias, E. u. a.), -ητής ‘Lärmer’ (Suid.), κτυπία· ὁ ἐπιθαλάμιος κτύπος H. — Expressives Schallwort, an δοῦπος, δουπέω erinnernd (s. d.), aber sonst dunkel. Nach Güntert Reimwortbildungen 158 Kreuzung von (γ) δουπέω und τύπτω; nach Meillet BSL 28, c. r. 117 aus κ-τύπος mit κ-Präfix, vgl. noch Deroy Ant. class. 23, 309 und Ruijgh L’élém. achéen 148. Zur Bildung noch Schwyzer 718. — Verfehlte Deutungen bei Bq. II-36

κύαθος m. ‘Schöpfgefäß, Hohlmaß’ (ion. att.). Deminutiva κυάθ-ιον (Pherekr. u. a.), -ίς (Sophr.), -ίσκος (Mediz.); ferner κυαθ-ώδης ‘k.-ähnlich’ (Eratosth.), -ιαῖος ‘einen κ. messend’ (Arist. -Komm.), -ότης ‘der Begriff κύαθος’ (Pl.; vgl. Scheller Oxytonierung 29 A. 3), -ίζω ‘mit em κ. schöpfen’ (Kom., Plb.). — Zu λήκυθος, γυργαθός u. a. im Ausgang stimmend (Chantraine Formation 367, Schwyzer 511), gewöhnlich zu κύαρ u. Verw. gezogen (dagegen Chantraine a.a.O.); vgl. zu κύαμος. —Nicht mit Pisani Ist. Lomb. 73, 529 mit aind. kávandha-’Tonne’ identisch (vgl. Mayrhofer Wb. s. kábandhaḥ1). Lat. LW cyathus (seit Plaut.). II-36

κύαμος m. ‘Bohne’ (seit Il.), ‘Bohnenlos’ (att. usw.), übertr. ‘schwellende Brustwarze’ (Ruf., Poll.), ‘Assel’ (Gal.), N. einer Münze (Taurom. Ia). Einige Kornpp., z.B. κυαμο-τρώξ ‘Bohnenfresser’ (Ar.), ὑοσ-κύαμος ‘Schweinbohne’ (Hp., X. usw.; Vorderglied pejorativ, auch mit ὕειν ‘regnen’ verbunden, Strömberg Pflanzennamen 31 u. 155). Dunkle Nebenform κύμηχα· κύαμον H. Zahlreiche Ableitungen: Deminutiva κυάμιον (Nubien, Eust.), -ίδες· fabacia (Gloss.); κυάμ-ινος ‘aus Bohnen’ (Korn., Gal.), -ιαῖος ‘groß wie eine Bohne’ (Dsk., Luk.); κυαμ-ίας m. ‘bohnenähnlicher Stein’ (Plin.; wie καπνίας u. a., Chantraine Formation 94), -ίτης m. ‘Gott der Bohnen = Vorsteher des Bohnenmarktes’ (Paus.), -ῖτις (ἀγορά) ‘Bohnenmarkt’ (Plu.), vgl. Redard Les noms grecs en -της 193 u. 108; κυαμών, -ῶνος m. ‘Bohnenfeld’ (Thphr. u. a.) mit -ωνίτης ‘Bohnenfeldarbeiter’ (Pap.; Redard 37). Denominative Verba: κυαμεύω ‘durch Bohnenlos auswählen’ (att.), -ίζω ‘für Ehe reif sein’ (Ar.). — Neben κύαμος steht in derselben Bed. πύανος (H., Poll., Phot.; nach Heliod. Hist. 3 = ὁλόπυρος) mit Zusammenbildung Πυαν-έψια, -όψια n. pl. N. eines ion. att. Festes, wovon der Monatsname Πυανεψιών, -οψιών; auch Κυαν-εψιών, -ο-(Keos, Kleinas.) und Παν-όψια (nach Lykurg. Fr. 84 außeratt.). Die Formen mit -νεψ-, -νοψ- können aus -μεψ-, -μοψ- dissimiliert sein; das Paar κυάμος : πύανος wird verschieden beurteilt. Nach Specht KZ 69, 133 ff. wäre *πύαμος (zu idg. pu-, peu- ‘aufblasen, schwellen’ ) die ursprüngliche Form, woraus durch wechselseitige Dissimilation κύαμος und πύανος. Brugmann (zuletzt 4 50) und Güntert Reimwortbildungen 124 f. halten, wenig wahrscheinlich, Πυαν-όψια, πύανος für eine Mischform aus Κυαν- und Παν-όψια, welch letzteres aus idg. ḱu̯-, "Allegroform" von ḱuu̯- in κύαμος, hervorgegangen wäre. — Im allg. wird κύαμος als Fremdwort betrachtet (Chantraine Formation 133, Schwyzer 494, WP. 1, 366, Krahe Die Antike 15, 181, Kuiper Μνήμης χάριν 1,215m.A.19). An und für sich steht nichts im Wege dafür, κύαμος als idg. an κυέω usw. anzuschließen, s. Bq und Strömberg Pflanzennamen 51. Ṻber die idg. Namen der Bohne s. Schrader-Nehring Reallex. 1, 159 f. II-36-37

κύανος myk. ku-wa-no(?). m. Ben. einer dunkelblauen Substanz, ‘Lasur- od. Blaustein, blaugefärbter Glasfluß, dunkelblaues Email’ (seit Il.), auch N. eines Vogels (Arist., Ael.; s. Thompson Birds s. v.) und einer Pflanze, ‘Kornblume’ (Plin.); Oft als Vorderglied, z.B. κυανό-πρῳρος ‘mit dunkelfarbigem Schnabel’ (Hom., B.; -πρῴρειος metr. Erweiterung am Versende, Risch 120), -χαίτης ‘mit dunklen Haaren’ (Hom. usw.; Risch Sprachgesch. u. Wortbed. 389 ff.), -πεπλος ‘mit dunklem Gewand’ (h. Cer., Hes.; Treu Von Homer zur Lyrik 244). avon κυάνεος (ῡ metr. gedehnt) ‘aus κ. gemacht’, gew. ‘dunkelblau’ (vorw. poet. seit Il.; zur Bed. Capelle RhM 101, 10 u. 35). — Als kleinasiat. LW mit heth. kuu̯anna(n)- ‘Kupfer(blau), Schmuckstein’ identisch (Friedrich Wb. nach Götze). II-37

κύαρ n. ‘Nadelöhr, Ohröffnung’ (Hp., Poll.). — Alter r-Stamm, mit thematischer Umbildung in aw. sūr-a- m. ‘Loch, lacuna’ (idg. *ḱūr-o-), außerdem mit anderem Ablaut in arm. sor ‘Loch’ (idg. *ḱou̯er-o- o.ä.); dagegen kaum lat. caverna (etruskisch ?; W.-Hofmann s.v. m. Lit., anders Specht Ursprung 350). Einen alternierenden l-Stamm zeigt κύλα· τὰ ὑποκάτω τῶν βλεφάρων κοιλώματα H. (s.d.); ähnlich κοῖλος ‘hohl’ aus *κοϝιλ-ος. Ohne Sufflx u. a. lat. cavus ‘hohl’ (s. κοῖλος), mit Dehnstufe κῶος ‘Höhle’ (s. d.). — Die fraglichen Wörter werden allgemein zur Sippe von κυέω gezogen unter Annahme einer Grundbedeutung ‘Biegung’ (woraus ‘Einbiegung’ > ‘Höhlung’, bzw. ‘Ausbiegung’ > ‘Wölbung’; s. WP. 1, 365ff., Pok. 592ff., W.-Hofmann s. cavus). Wenn Zusammenhang überhaupt besteht, ist vielmehr von einer Bedeutung ‘aufblasen’ auszugehen, woraus ‘innerlich aushöhlen usw.’; vgl. aind. śūna- ‘angeschwollen, aufgewachsen’, śū́nan. ‘Leere, Mangel’, śūnyá- ‘leer, hohl’. II-38

κυβερνάω, Aor. κυβερνῆσαι (seit γ 283), kyr. Inf. κυμερῆναι, ‘steuern’, übertr. ‘leiten, regieren’. auch mit Präfix, z.B. δια-, Davon κυβερνητήρ, dor. -ατήρ m. ‘Steuermann’ (θ 557, Pi. u. a.) mit f. -ήτειρα (AP, Nonn.) und -ητήριος (Orac. ap. Plu.); κυβερνήτης (äol. κυμερνήτης [-άτας] nach EM 543, 3) ‘ds.’ (seit Il.) mit f. -ῆτις (Pap.) und -ήσια n. pl. ‘Steuermannsfest’ (zur Erinnerung an Theseus, Athen; Plu.); κυβέρνησις, -ᾱσις ‘das Steuern, die Führung’ (Pi., Pl. u.a.); κυβερνητικός ‘zum Steuern gehörig, geeignet’ (Pl. u.a.); κυβερνισμός = κυβέρνησις (Aq.). — Angesichts kyr. κυμερῆναι kann die Form κυβερνάω auf Dissimilation μ-ν > β-ν beruhen (Lejeune Traite de phon. 131), aber das Wort bleibt sowieso isoliert. Der Vergleich mit aind. kūbara-, -rī́ ‘Deichsel’ und mit lit. kumbras ‘Griff am Steuerruder’, kumbryti ‘steuern’ ist aufzugeben, s. Mayrhofer Wb. s. v. und Fraenkel Wb. s. kumbrỹs mit weiterer Lit. So wird fremde Herkunft wahrscheinlich, s. Fohalle Mél. Vendryes 157ff., Kretschmer Glotta 16, 166, Hermann Gött. Nachr. 1943, 2 f., Schwyzer 62, Chantraine Ét. sur le vocab. grec. 11. Ältere Lit. bei Bq und WP. 1, 467. — Aus κυβερνάω als LW lat. gubernō, s. W.-Hofmann s. v. II-38

κύβηλις, -εως f. nach H. = μάχαιρα, ἄμεινον δὲ πέλεκυς, ᾧ τὰς βοῦς καταβάλλουσι· τινἐς τὴν τυρόκνηστίν φασιν (Kom., Lyk.); κυβηλικός ‘auf eine κ. bezüglich’ (Kom.), κυβηλίσαι· πελεκίσαι H. — Unerklärt. Verfehlt Fick KZ 42, 288 (s. WP. 1, 330). II-38

κυβιστάω (-έω Opp. K. 4, 263), ‘ein Rad schlagen, sich überschlagen, sich herumtummeln’ (Il., Pl., X.) auch mit Präfix, ἐκ-, κατα-, περι-, mit κυβιστητήρ ‘der ein Rad schlägt, sich herumtummelt’ (Hom., E., Tryph.; Fraenkel Nom. ag. 2,13), auch mit Haplologie κυβιστήρ (H.) und κυβιστής (Delos; unsicher; vgl. Fraenkel Glotta 2, 31 A. 2 und unten); κυβίστησις (Plu., Luk.), -ημα (Luk.) ‘das Radschlagen’. — Expressives Verb mit unklarer Bildung und unbekannter Herkunft. Die Verba auf -(σ)τ- bieten nichts, was mit κυβιστάω direkt vergleichbar wäre; Bildungen wie ἑρπυστάζω (: ἑρπύζω, ἕρπω) u. a. (Schwyzer 706) lassen an ein *κυβίζομαι (evtl. über κυβιστής; s. oben) denken. — Man vergleicht seit Curtius und Fick (s. Bq und WP. 1, 375) einige im EM überlieferte Wörter : κύβη = κεφαλή (κυβιστάω = εἰς κεφαλὴν πηδῶ), κύβηβος = ὁ κατακύψας, κυβηβᾶνκυρίως τὸ ἐπὶ τὴν κεφαλὴν ῥίπτειν’ (nach H. = θεοφορεῖσθαι, κορυβαντιᾶν); dazu noch κυβητίζω· ἐπὶ κεφαλὴν ῥίψω, κυβησίνδα· ἐπὶ κεφαλήν, ἢ τὸ φορεῖν ἐπὶ νώτου, ἢ κατὰ νώτου H. Sämtliche diese Wörter sollen zu κυφός, κύπτω (s. d.) gehören und — wegen des β —aus der Sprache nördlicher (thrak., maked.) Gaukler stammen. Anstatt an das schlecht bezeugte κύβη mit einem hypothetischen nördlichen Ursprung anzuknüpfen, ist zu erwägen, ob das Wort nicht vielmehr zu κύβος ‘Würfel’ gehört: κυβιστάω eig. "wie ein Würfel herumrollen" ? — Nicht mit Prellwitz zu κόβαλος; vgl. Thumb KZ 36, 193 f. II-38-39

κύβιτον n. ‘Ellbogen’ (Hp. Loc. Hom. 6, nach Ruf. Onom. 72 und Poll. 2, 141 sizilisch) mit κυβιτίζω ‘mit dem Ellbogen stoßen’ (Epich. 213). — Aus lat. cubitum (trotz Bechtel Dial. 2, 284). Daneben κύβωλον ‘ds.’ (Poll. a.a.O.) durch Kreuzung mit ώλένη (Bq), nicht mit Solmsen Wortforsch. 7 selbständige Ableitung von κύβος. II-39

κύβος m. ‘Würfel’ (ion. att.), auch von den Augen des Würfels (E., Pl. u. a.) und dem Spielbrett (Hermipp. 27, pl.); übertr. von würfelähnlichen Gegenständen, ‘Kubus’ (Ti. Lokr.), ‘Kubikzahl’ (Pl., Arist.), ‘würfelförmiger Stein-, Holzblock’ (hell. Pap. u. Inschr.), ‘Kuchen, Stück eingesalzenen Fisches’ (Kom.); auch ‘Wirbelknochen’ (Rhian. 57; nach ἀστράγαλος) und ‘Höhlung vor der Hüfte beim Vieh’ (Ath. 9, 399b). Einzelne Kompp., z.B. φιλό-κυβος ‘der die Würfel liebt’ (Ar., Arist.). Ableitungen: 1. κύβιον ‘in der Form von κύβοι eingesalzenes Fischfleisch’ (Kom., Pap. u. a.) mit κυβιάριον Ben. eines zugehörigen Topfes (Pap.). 2. κυβίας m. ‘Art Thunfisch’ (Opp.; zur Bildung Chantraine Formation 94). 3. κυβοστόν n. Ben. eines Bruchs (Dioph.; nach εἰκοστόν usw.). 4. κυβεών m. ‘Spielhaus’ (Tz.). 5. κυβικός ‘viereckig’ (Pl., Arist. u. a.). Denominative Verba : 1. κυβεύω ‘würfeln, ein gefährliches Spiel wagen’ (att.), auch ‘hintergehen’ (Arr.), mit κυβεία ‘Würfelspiel’, κυβευ-τής ‘Würfelspieler’, -τικός, -τήριον (att. usw.). 2. κυβίζω ‘kubieren usw.’ (Hero u. a.) mit κυβισμός (Theol. Ar.). 3. κυβᾷ H. als Erklärung von πεττεύει. Obwohl das Würfelspiel uralt ist, wechseln die Ben. des Würfels stark von Sprache zu Sprache und sind oft Entlehnungen (Schrader-Nehring Reallex. 2, 423). Auch κύβος dürfte ein Fremdwort sein (Schwyzer 458); nach Hdt. 1, 94 beanspruchten die Lyder, das Würfelspiel erfunden zu haben. Lat. LW cubus. — Wegen der ganz zufälligen Bed. ‘Höhlung vor der Hüfte beim Vieh’ ist κύβος mit falscher Auffassung der Bed.-entwicklung mit germ., z.B. got. hups ‘Hüfte’, lat. cubitus ‘Ellbogen’ verbunden worden (Bq, WP. 1, 373f., Pok. 589f., W.-Hofmann s. cubitus; ablehnend Kretschmer KZ 55, 89). Sollte diese Gleichung wirklich zutreffen, muß κύβος ‘Würfel’ unter allen Umständen ein anderes Wort sein. — Zu κύβος = τρύβλιον (paph., H.) vgl. die Wörter s. κύπελλον. II-39-40

κυδάζομαι, -ω, Aor. κυδάσσασθαι ‘schmähen, beschimpfen’ (Epich. 6; 35, 6, A. Fr. 94, S. Aj. 722, A. R. 1, 1337). Daneben κύδος m. ‘Schmähung’ (Sch.; wohl Rückbildung) und die formal unklaren und in der Bedeutung abweichenden κυδοιμός ‘Schlachtgetümmel’ (ep. seit Il., sp. Prosa; Schwyzer 492 und Trümpy Fachausdrücke 158 f. m. Lit.) mit κυδοιμέω ‘toben, in Verwirrung bringen’ (Il. usw.), κυδοιδοπάω ‘Lärm, Verwirrung machen’ (Ar.; vgl. zu ἐχθοδοπέω). — Außerdem die H.-glossen κυδάγχας· μάχας, λοιδορίας, κυδαγχόμενα· λοιδο-ρούμενα, κυδάττειν· ἐπιφωνεῖν. — Eine mögliche Anknüpfung bieten einige slavische, germanische und indoiranische Wörter für ‘tadeln, schmähen usw.’, slav., z.B. aksl. kuditiμέμφεσθαι’, germ., z.B. norw. dial. huta ‘schreien, lärmen usw.’, mhd. gehiuze ‘Lärm, Geschrei, Spott, Hohn’, aind. kutsáyati ‘schmähen, tadeln’ (ablehnend Mayrhofer Wb. mit Wüst und Pisani), npers. ni-kūhīdan ‘tadeln, schmähen’, s. WP. 1, 378, Pok. 595, Vasmer Wb. s. kudítь und prokúda. — Vgl. κῦδος. II-40

κύδαρος -ον n. (Pap., AB, EM) m. (Antiph. 321), Ben. eines kleinen Schiffes. — Herkunft unbekannt. κυδίας· τὰ ἄνθη τῶν ὀδόντων H. — Da sowohl die nähere Bed. wie der stilistische Wert unbekannt bleiben, sind alle Erklärungen hypothetisch. Ganz unsichere Vermutung (nach Zupitza und Johansson) bei Bq, WP. 2, 554, Pok. 956; vgl. auch W.-Hofmann 2, 706. II-40

κῦδος, -εος n. ‘Ruhm, Ehre, Ansehen, Herrlichkeit’ (ep. poet. seit Il.; Trümpy Fachausdrücke 196 ff. m. Lit.; auch Greindl RhM 89, 220). Oft als Hinterglied, z.B. ἐπι-κυδής ‘ruhmvoll, voll Herrlichkeit’ (ep. poet. seit Il.); sehr zahlreiche PN, z.B. Φερε-κύδης, Κυδό-νικος (Bechtel Hist. Personennamen 269f.). Daneben mit regelmäßigem ι-, ρ-, ν-Wechsel: 1. κυδι-άνειρα f. konventionelles Epithet, eig. "mit ruhmvollen Männern’, ‘woran Männer ruhmvoll teilnehmen, den Männern Ruhm schaffend’ (μάχη, danach ἀγορά, Il.; Schwyzer 447 m. Lit., 474; Sommer Nominalkomp. 181); mit -ι- noch κύδιμος ‘ruhmvoll’ (Hes., h. Merc., Pi.; Schwyzer 494f. m. Lit.). κυδιάω ‘sich rühmen, stolz sein’ (Il., Hes. Sc., h. Cer [nur Ptz κυδιόων usw.], h. Hom. 30, 13 [κυδιόωσι], A. R., Q. S. [κυδιάασκον]), vgl. Chantraine Gramm. hom. 1, 359. — 2. κυδρ-ός ‘ruhmvoll’ (ep. poet. seit Il.) mit κυδρότερος (Xenoph., B.) neben den primären κύδιστος (ep. poet. seit Il.; Seiler Steigerungsformen 76), κύδιον (E.); auch κυδέστερος (Plb.) und κυδίστατος (Nik. Th. 3, Vok. -τε für Il. κύδιστε). Spätes Denominativum κυδρόομαι ‘sich rühmen’ (Ael., Polyaen.). — 3. κυδαίνω, Aor. κυδῆναι ‘ehren, verherrlichen’ (ep. poet. seit Il., sp. Prosa), auch κυδάνω ‘verherrlichen, sich rühmen’ (Il.; Chantraine Gramm. hom. 1,315 m. Lit.); vgl. auch κυδνός = κυδρός (vv. Il. bei Hes., IG 14, 2117) mit sekundärem Suffixtausch. — Hinzu kommen κυδάλιμος = κυδρός (Il.), Kreuzung von *κυδαλέος und κύδιμος? (Arbenz Die Adj. auf -ιμος 27 nach Debrunner); κυδήεις, dor. -άεις (AP, Man., Epid.; späte Analogiebildung, vgl. Schwyzer 527, Thieme Studien 71 A. 3); ὑπερ-κύδᾱς Ptz., nur -αντα(ς) ‘sich übermäßig rühmend’ (Il.); wohl Analogiebildung, vgl. Schwyzer 526 A. 5 m. Lit., Schwyzer-Debrunner 518 A. 8, Risch 23 n. 189. Dazu der Demosname Κυδαντίδαι? (Wackernagel Glotta 14, 54 = Kl. Schr. 2, 862). — Mit κῦδος wird seit Bezzenberger BB 27, 145 ein slavisches Wort für ‘Wunder’, z.B. aksl., russ. čúdo, Gen. -ese, skr.čȕdo, unter Annahme eines Ablautwechsels *qēudos- : *qūdos- verbunden (dazu Porzig Gliederung 170). Das slavische Nomen wird von einem Verb ‘vernehmen, wahrnehmen, hören’, z.B. aksl. čujǫ, čuti (wozu auch κοέω, s. d.), mit d-Suffix abgeleitet; čudo, κῦδος somit eig. "das Vernommene, Gehörte" wie κλέος von ἔκλυον. Einzelheiten m. reicher Lit. bei WP. 1, 368ff., Pok. 587f., Vasmer Wb. s. čúdo nnd čúju W.-Hofmann s. caveō. Anders über κῦδος Persson Beitr. 1, 188 A. 2 (als "Ruf" zu κῠδάζω). — Uber κυδρός eine "gewagte Vermutung" bei Wackernagel Berl. Sb. 1918, 411 (= Kl. Schr. 1, 330): zu (iran.) Σύδροι, Volk in Arachosien (eig. *"die Ruhmvollen"), woraus aind. śūdrá- ‘Angehöriger der 4. Kaste’; vgl. W.-Debrunner Aind. Gramm. 2 : 2, 853 f. m.Lit.; dazu noch Thieme KZ 69, 173 f. II-40-41

κυδοιδοπάω ‘Lärm, Verwirrung machen’ s. κυδάζομαι. II-42

κυδώνια (μᾶλα) n. pl. ‘Quittenäpfel’ (Stesich., Alkm., Kom. u.a.), -ιαι μηλίδες (Ibyk.). Davon κυδωνέα (-ία) f. ‘Quittenbaum, Pirus Cydonia’ (hell. Pap., Dsk.), -ίτης (οἶνος) ‘Quittenwein’ (Dsk., Colum.; Redard Les noms grecs en -της 97), -ᾶτον ‘Quittentrank’ (Aet.,Paul.Aeg.), -ιάω ‘wie Q. schwellen’ (APl. u.a.). — κυδωνό-μελι n. ‘Quittenmet’ (Dsk., Orib.; Strömberg Wortstudien 30). — Durch volksetymologische Beziehung auf die berühmte Stadt Κυδωνία (an der Nordküste Kretas) aus einem älteren kleinasiatischen Namen entstanden, der noch in κοδύ-μαλον (Alkm. 90) erhalten ist; vgl. noch die Stadt Κυτώνιον an der Grenze Lydiens. Auf Vermischung mit κόττανον (s. d.) beruht die Bedeutungsangabe bei H.: κοδώνεα· σῦκα χειμερινά. καὶ καρύων εἶδος Περσικῶν. Lat. LW cydōneum ‘ Quittensaft, -wein’ (Ulp.). Hierher noch — wohl als unabhängige Entlehnung —lat. cotōneum ‘Quitte’ (seit Cato). Aus cotōneum und cydōneum stammen die west- und osteurop. Formen, z.B. ital. cotogno, frz. coing (> nengl. quince), ahd. chutina, mhd. quiten, slav., z.B. aruss. gdunja. — Weitere Einzelheiten m. Lit. bei W.-Hofmann s. cotōneum und Schrader-Nehring Reallex. 2, 209; dazu noch Lavagnini Stud. itfilclass. 18, 205, Mayer Glotta 32, 73 f. II-42

κυέω (seit Il.) Verbalnomina: κύημα ‘Leibesfrucht, Fötus, Embryo’ (ion. att.), -ησις ‘Konzeption, Schwangerschaft, Embryo’ (Pl., Arist., Thphr. u. a.), κύος n. = κύημα (Ar. Fr. 609, Inschr. Keos) mit κυόεις (Kos, IIIa); ἀπο-κυη-τικός ‘zum Gebären geeignet’ (Astrol.), κυητήριος ‘Schwangerschaft befördernd’ (Hp.), κυήτωρ ‘Erzeuger’ (Kyran.; von einem Vogel); κυηρόν· ἔγκυον, ἁπαλόν, βλαστόν H. Kompp., z.B. κυο-φορέω ‘eine Leibesfrucht tragen, schwanger sein’ mit -φορία, -ησις (LXX, Med. usw.), -φόρος (Pap., EM); ἔγ-κυος ‘schwanger’ (ion., Arist.); κύ-ουρα f. N. einer Pflanze, die als Abortmittel benutzt wurde (Stob.; Strömberg Pflanzennamen 95). — Zu κῦμα (ἐγ-κύμων), κύριος (κῦρος) s. bes. mit durchgeführtem Paradigma: κυήσω (Hdt. usw.), κυῆσαι (ion. att.), κεκύηκα (hell. u. sp.), κυηθῆναι, -θήσεσθαι (sp.); älterer Aorist κύσασθαι (ep. seit Il.) mit kausalem Aktiv κῦσαι (A.), jüngeres Präsens κύω (sicher seit Arist. u. LXX); auch κυί̄σκομαι, -ω (ion. att.); ‘schwanger sein od. werden’ (τινά, τί ‘mit einem Jungen’). zuweilen mit Präfix, z.B. ἐπι-, ἀπο-, συγ-κυέομαι, -κυίσκομαι (-ίσκω), ὑπο-κυσαμένη (ep. seit Il.), — Mit κυέω kann aind. śváyati ‘groß, stark, mächtig sein od. werden, erstarken, zunehmen’ unmittelbar gleichgesetzt werden: idg. *ḱuu̯-éi̯e-(ti), (Schulze KZ 27, 605 = Kl. Schr. 363). Neben dieser sekundären Präsensbildung steht in sehr alter Zeit der primäre mediale Aorist κύσασθαι (aind. dafür der themat. Wurzelaor. -śv-a-t [wäre gr. *ἔ-κυ-ε; dazu als Neubildung κύω?]). — Aus dem sehr reichen Formenbestand, der vor allem erstarrte und isolierte Verbalnomina umfaßt, seien noch erwähnt das Präs. Ptz. aw. si-sp-imna-’sich auftürmend’ (von einer Flußwelle; vgl. κῦμα), kymr. cyw m. ‘Tierjunges’ (idg. *ḱuu̯o- m.; vgl. ἔγ-κυος, κυο-φορέω, κύος n.), lat. inciēns ‘trächtig’ (wohl aus ἔγκυος entlehnt, s. Ernout-Meillet; anders W.-Hofmann); dazu noch die Belege s. κύριος (wo auch über den Ablaut); vgl. noch κύαμος, πᾶς, πέπαμαι. Uber vermutete Beziehung zu Wörtern für ‘hohl, leer’ s. κύαρ. — WP. 1, 365ff., Pok. 592ff., W.-Hofmann s. inciēns und cavus mit weiteren Formen und Lit. — Heth. šuwa- ‘anschwellen o. ä.’ (?), von Götze Lang. 30, 404 zögernd hierher gestellt, muß wegen des Anlauts fernbleiben. II-42-43

Κυθέρεια f. Beiname der Aphrodite (Od.); von der Insel (τὰ) Κύθηρα mit Kürzung des η wegen des Verses (v. Wilamowitz Glaube 1, 95 A. 9) nach εὐπατέρεια u. a. — Nicht mit Güntert Kalypso 187 f. nach antiken Grammatikern zu κεύθω. II-43

κυθνόν · τὸ ἄκυον φάρμακον. καὶ πολύκυθνα πολύσπερμα. κυθνὸν γὰρ τὸ σπέρμα H. — Wegen ἀκυητήριον· φάρμακον πρὸς τὸ μὴ κυεῖν γυναικεῖον H. scheint eine Änderung in <ἄ>κυθνον (LSJ u. A.) geboten zu sein. Sie ist aber nicht notwendig; es handelt sich vielmehr um eine euphemistische Ellipse, vgl. κύ-ουρα (s. κυέω), auch ὠκυ-τόκιον N. eines Abortmittels neben ώκυ-τόκος, Bein. der σελήνη, d. h. der Artemis als Geburtshelferin (Tim. Fr. 28). II-43

κῠκάω, κυκῆσαι, -ηθῆν ‘(ein-) rühren, mischen, aufrühren, verwirren’ (seit Il.). αι, auch mit ἀνα-, δια-, συν- u. a., Davon κυκεών, -ῶνος (nachhom.; poet. Akk. seit Λ 624, 641 auch -ε(ι)ῶ; nach den Kompar. auf -ω, Schwyzer 569 m. Lit.; nach Risch 147 und Chantraine Gramm. hom. 1, 212 alter σ-Stamm, nach Shipp Studies 33 Attizismus), dor. κυκᾶν, -ᾶνος m. ‘Mischtrank, Rührtrank’ (Epid.); bemerkenswerte Primärbildung (vgl. Schwyzer 521, Chantraine Formation 164); Nom. instrumenti κύκηθρον ‘Rührlöffel’, übertr. ‘rührige Person, Aufrührer’ (Ar. u. a.); Nom. actionis κύκ-ησις (Pl., Epikur.), -ησμός (S.), -ηθμός (Max. Tyr.) ‘Mischung, Auf- rührung’; auch κύκημα· τάραχος, κυκήθραν· ταραχήν H. — Intensivbildung auf -άω (Schwyzer 719) ohne Etymologie. Allerhand Vorschläge (lit. šáukštas ‘Löffel’, aind. khájati ‘um- rühren’, got. hugis ‘Sinn, Verstand’) bei Bq, WP. 1, 377, Pok. 597, W.-Hofmann s. 1. cinnus. — Lat. LW cocētum ‘ds.’ — Vgl. κυρκανάω. II-43-44

κύκλος auch τὰ κύκλα (eig. kollektivisch; Schwyzer 581, Schw.-Debrunner 37) m., pl. ‘Kreis, Umkreis, Rad’, auch übertr. auf kreis- od. radförmige Gegenstände, z.B. ‘kreisrunde’ Platz, Ringmauer’ (seit Il.). Viele Kompp., z.B. κυκλο-τερής ‘rund gedrechselt od. gearbeitet, rund’ (seit Il.; vgl. zu τείρω), εὔ-κυκλος ‘einen schönen Kreis bildend, schön gerundet’ (poet. seit Il.); auch in Hypostasen, z.B. ἐγ-κύκλ-ιος ‘im Kreise herumgehend, kreisförmig, die Reihe umgehend, allgemein’ (att. hell.; zur Bed. Koller Glotta 34, 174ff.); zu Κύκλωψ s. bes. Ableitungen: A. Substantiva: 1. Deminutiva κυκλ-ίσκος (Mediz., Ptol.), -ίσκιον (Dsk.). 2. -ίστρια f. ‘kyklische Chortänzerin’ (att. Inschr.; nach κιθαρίστρια u. a.). 3. κυκλά-μινος f., m. Pflanzenname, ‘Cyclamen graecum, Lonicera periclymenum’ (Thphr., Dsk.), auch -αμίς (Orph.), nach der kreisrunden Wurzelknolle (Strömberg Pflanzennamen 36; Bildung nach σησάμινος u. a.). 4. Κυκλειών, -ῶνος m. Monatsname (Keos, IVa; nach dem Fest τὰ Κύκλ(ε)ια). 5. Κυκλεύς PN (Ael.; Boßhardt Die Nom. auf -ευς 130). — B. Adjektiva. 1. κυκλάς f. ‘einen Kreis bildend’, auch Κυκλάδες pl. als ON ‘Ringinseln’ (ion. att.), lat. LW cyclas N. eines Rundkleides; κυκλιάς f. Beiw. von τυρός (AP). — 2. κύκλ-ιος ‘kreisförmig’ (att. usw.). 3. -ικός ‘kreisförmig, zum Kreis gehörig’ (Arist. usw.), 4. -όεις (S. in lyr., AP), 5. -ώδης (Hp.) ‘ds.’; 6. κυκλ- ιαῖος ‘sich im Kreise drehend’ (att. Inschr.), 7. -ιακός, τὰ κυκλιακά Titel einer Abhandlung über den Zirkel (sp.); 8. κυκλατός ‘mit Hufeisen beschlagen’ (Pap. VIp). — C. Verba. 1. κυκλέω ‘(sich) im Kreise drehen, umzingeln’ (seit H 332) mit κύκλησις ‘Umwälzung’ (Pl.). 2. κυκλόω ‘kreisförmig machen, rund biegen, umzingeln, umschlingen’ (ion. att.) mit -ωμα ‘Rundung, runder Gegenstand, Rad usw.’ (E. u. a.; vgl. Chantraine Formation 184), -ωσις ‘das Umringen, Einschließen’ (Th., X. usw.). 3. κυκλεύω ‘umwickeln, umzingeln, im Kreise drehen’, z.B. ein Wasserschöpfrad, ‘bewässern’ (Hp., Str., Pap. u. a.) mit κύκλ-ευμα ‘Wasserschöpfrad’ , -ευτήριον ‘ds.’, -ευτής ‘Wärter eines Wasserschöpfrades’ (Pap. 4. κυκλίζω ‘umdrehen’ (Agatharch. u. a.) mit -ισμός (Arist.-Komm.). 5. κυκλάζει· κύκλῳ περιέρχεται. 6. κυκλαίνει· στρογγυλοῖ H. — Alte Benennung des Rades, in mehreren Sprachen erhalten: aind. cakrá- m. n., aw. čaxra- m., germ., z.B. ags. hwēol n. (hweowol, hweogol) > nengl. wheel, idg. *qʷe-qʷl-o- (mit intensiver Reduplikation); daneben mit ufarbiger Schwächung des Reduplikationsvokals (wegen des Labiovelars, Schwyzer 296 u. 423) κύκλος und toch. A kukāl (B kokale) ‘Wagen’; hinzu kommt das im einzelnen unklare phryg. κίκλην· τὴν ἄρκτον τὸ ἄστρον H., eig. ‘Wagen’ (vgl. Porzig Gliederung 183; nicht wahrscheinlich Scherer Gestirnnamen 139). Eine gleichfalls uralte, unreduplizierte und hochstufige Bildung ist durch awno. huĕl (neben hjōl = ags. hwēol), apreuß. kelan vertreten, idg. *qʷélo-m n. (wie ἔργον); mit ο -Vokal (aus dem kollektiven Plural kola?; Lidén GHÅ 39: 2, 47 A. 1) aksl. kolo, Gen. -ese ‘Rad, Wagen’. — Zugrunde liegt ein Verb ‘drehen’, s. πέλομαι, wo auch Lit. Angesichts der sonst durchgehenden Bedeutung ‘Rad’ (> ‘Wagen’) ist zu erwägen, ob nicht bei κύκλος die Bed. ‘Kreis’ gegenüber ‘Rad’ sekundär ist. Eine ursprüngliche Bed. ‘Drehung, Dreher’ ist in dem baltischen Wort für ‘Hals’, z.B. lit. kãklas vermutet worden (s. Fraenkel Wb. s. v. m. Lit.); das Wort weicht indessen nicht nur semantisch, sondern auch formal (idg. *qʷo-qʷl-o- ?) von den Radbezeichnungen ab. II-44-45

Κύκλωψ, -ωπος m. ‘der Kyklop’ (= Πολύφημος, Od.), pl. ‘die Kyklopen’, mythisches einäugiges Riesenvolk (seit Od.); davon Κυκλώπ(ε)ιος "kyklopisch" = ‘von den Kyklopen gebaut usw.’ (Pi., Trag. u. a.), f. -πίς (E.). — Seit Hes. Th. 144 als "die Rundäugigen" erklärt (vgl. Sommer Nominalkomp. 1 A. 2 und Schwyzer 426 A. 4), sachlich nicht ganz befriedigend. Kühne Hypothese von Thieme KZ 69, 177 f.: aus *Πκύ-κλωψ, eig. "Viehdieb", mit schwundstufigem *πεκυ-’Vieh’ (aus dem Indoiranischen bekannt); der Akzent aus dem Vokativ. — Lat. LW Cocles "der Einäugige" (durch etrusk. Vermittlung); s. W.-Hofmann s.v., dazu Leumann Glotta 29, 171f. II-45

κύκνος m. ‘Schwan’ (seit Il.), auch Ben. eines Schiffs, wohl nach dem Vorderteil (Nikostr. Kom.), und einer Augensalbe, nach der Farbe (Gal.; dazu κυκνάριον ‘ds.’, Aët., Gal.); auch PN (Pi. u. a.). Davon κύκνειος ‘zu Kyknos od. zum Schwan gehörig’ (Pi., S., hell.), f. -ῖτις (S., Redard Les noms grecs en -της 112); κυκνίας m. N. eines weißen Adlers (Paus.; vgl. κορακίας u.a., Chantraine Formation 94) — Ausführlich über κύκνος Thompson Birds s. v.; daselbst auch Zweifel über κυκνίας. Seit Wood AmJPh 21, 179 als "der Weiße" (vgl. zu ἀλφός) mit aind. śócati ‘leuchten, glänzen’, śuk-rá- ‘licht, hell, weiß’ verbunden. (W.-)Hofmann s. cicōnia neigt eher (mit Berneker und H. Petersson) zu onomatopoetischem Ursprung (vgl. russ. kykъ ‘Schwanengeschrei’). In κύδνος· κύκνος H., nach Specht Ursprung 121, 204, 229 alter Wechsel k : d, steckt vielmehr eine hyperkorrekte Schreibung nach lat. cycnus, cygnus (C-) = κύκνος, aber auch für Κύδνος (Schulze Kl. Schr. 700; vgl. Schwyzer 208). — Pelasgische Etymologie bei v. Windekens Ling. Posn. 6, 13ff. II-45-46

κυκύιζα · γλυκεῖα κολόκυντα und κύκυον· τὸν σικυόν H., s. σίκυος. II-46

κύλα n. pl. ‘Höhlungen, Flecke unter den Augen’ (Hp., Sor.), vgl. H. κύλα· τὰ ὑποκάτω τῶν βλεφάρων κοιλώματα. τὰ ὑπὸ τοὺς ὀφθαλμοὺς μῆλα. τὰ ὑπώπια. Als Vorderglied in κυλ-οιδ-ιάω ‘eine Schwellung unter den Augen haben’ (Ar., Theok. u. a.), Zusammenbildung aus κύλα und οἰδέω (οἶδος) nach den Krankheitsverben auf -ιάω; κυλοιάζειν· τὸ τοὺς ὀφθαλμοὺς ἐπικλίνειν χλευάζοντα (Theognost. Kan. 21). Deminutiva κυλίδες, -άδες (Poll., Eust.); dazu, wohl als Hypostase, ἐπι-κυλ-ίδες ‘die oberen Augenlider’ (Poll.). PN Κύλων (Argos), Κύλασος (Larisa), Κύλαhος (Argos), s. Solmsen Wortforsch. 88f.; zu Κυλωΐδας, -ϊάδας (Delph.) Bechtel Namenstud. 31 ff. — Zur Sippe von κύαρ, s. d. Über die wahrscheinlich irrige Anknüpfung an lat. super-cilium ‘Augenbraue’ s. W.-Hofmann s. cilium m. Lit. II-46

κυλίνδω, -ομαι (vorw. poet. seit Il.), -έω, -έομαι (att.), Fut. κυλί̄σω (att.), κυλινδήσω (sp.), Aor. κυλῖσαι (Pi., ion. att.), Pass. -ισθῆναι (seit Il.; -ινδηθῆναι Str.), Perf. Med. κεκύλισμαι (Luk., Nonn.); aus κυλῖσαι ( < -ίνδ-σαι) Präs. κυλί̄ω (seit Ar.); ‘rollen, wälzen’. oft mit Präfix, z.B. προ-, ἐκ-, ἐν-, ἀμφι-, Davon 1. κύλινδρος m. ‘Walze, Rolle, Zylinder usw.’ (Demokr. 155, hell. u. sp.) mit κυλίνδρ-ιον, -ίσκος, -ικός, -όω (hell.). 2. κύλῑσις ‘das Rollen, Wälzen’ (Arist. usw.), -ισμός ‘ds.’ (Thd. u. a.), -ισμα ‘Rolle usw.’ (Sm. u. a.), -ίστρα ‘Wälzplatz für Pferde’ (X., Poll. u. a.), -ιστός m. ‘gerolltes Paket’ (Pap.); τρι-κύλιστος (Epikur. Fr. 125), zur unklaren Bed. De Witt ClassPhil. 35, 183. 3. κυλίνδησις ‘das Rollen’ (Pl., Plu.). — Enthält dasselbe dunkle νδ-Element wie die synonymen ἀλίνδω, -έω, καλινδέομαι (s. dd.); auch im übrigen unklar. Gewöhnlich mit κυλλός ‘gekrümmt, verkrüppelt’ (s. d.) zu einer allumfassenden Wurzel (s)qel- ‘biegen, krumm’ (s. κῶλον, σκέλος) gezogen. II-46

κύλιξ, -ικος f. (m.) ‘Trinkschale, Becher’ (nachhom.). Einzelne Kornpp., z.B. κυλικ-ήρυτος ‘mit einem Becher geschöpft’ (Kall.), εὐ-κύλικος ‘von schönen Bechern begleitet’ (AP). Mehrere Deminutiva: κυλίκιον (Thphr. u. a.), κυλίσκη (D. H., Poll., < -ικ-ίσκη Schwyzer 542), -ίσκιον (Poll.); -ίχνη (Alk., Ar.; Chantraine Formation 195); lat. LW culigna (vgl. W.-Hofmann s. calix m.Lit.); -ίχνιον (Ar., hell.), -ιχνίς (Achae. u.a.); ferner κυλικ-εῖον ‘Becherständer’ (Komp., Pap.), -ειος ‘zum Becher gehörig’ (Poll.), -ώδηςκ.-ahnlich’ (Sch.). — Stimmt bis auf den Stammvokal zu lat. calix ‘tiefe Schale, Becher’ (> nhd. Kelch usw.); dazu noch, im Ausgang abweichend, aind. kaláśa- m. ‘Topf, Krug, Schüssel’; mit a-Vokal ebenfalls κάλυξ ‘Fruchtkapsel, Blumenkelch’. Anlautendes skin umbr. skalçe-ta ‘ex patera’, vgl. dazu σκαλλίον· κυλίκιον μικρόν, σκαλίς· σκαφεῖον H. Wie bei so vielen Bechernamen ist mit Entlehnung zu rechnen; nach WP. 1, 442, Pok. 550 f., W.-Hofmann s. calix (auch Ernout-Meillet) am ehesten idg. Die Anreihung an idg. (s)qel- ‘spalten’ (W.-Hofmann nach Reichelt) besagt (trotz nhd. Schale u. a.) wenig. — Uber -υ- in κύλιξ Schwyzer 351. II-46-47

κύλλα · σκύλαξ. ’Ηλεῖοι H., s. σκύλαξ. II-47

κυλλός ‘verkrüppelt, verstümmelt an Hand und Fuß usw.’ (ion. att.); — Wohl mit κελλόν· στρεβλόν, πλάγιον H. (s. κελλάς) irgendwie zusammenhängend; das -υ- auch in κυλίνδω. Die zur Erklärung davon herangezogenen aind. kuṇi- ‘lahm am Arm’ und noch mehr kuṇḍá- n. ‘Krug’ sind unzuverlässige Zeugen, s. Mayrhofer Wb. s. v. Über die angenommene weitere Beziehung zu (s)qel- ‘biegen, krumm’ s. WP. 2, 597 f., Pok. 928, W.-Hofmann s. colubra; vgl. noch zu κυρτός. als Vorderglied in κυλλο-ποδίων (Vok. -ον) Beiw. des Hephaistos ‘mit verkrüppeltem Fuß, Hinker’ (Il.), aus κυλλό-πους ‘ds.’ (hell.) nach den Nomina auf -ίων erweitert (Schwyzer 487). κυλλόομαι, -όω ‘verkrüppeln’ (Hp., Gal.) mit -ωσις, -ωμα; κυλλαίνω intr. ‘ds.’ (S., Ph.). — Auch κύλλαιος· βόστρυχος H.? (Grošelj Živa Ant. 3, 202). II-47

κῦμα, -ατος n. 1. ‘Welle, Woge, Brandung’, auch übertr. (seit Il.); 2. = κύημα ‘Leibesfrucht, Fötus’ (A., E., AP), ‘Embryo, Sproß’ (Thphr., Gal.; Strömberg Theophrastea 79). Kompp., z.B. κυματωγή < *κυματο-ϝαγή ‘das Brechen der Wellen, Meeresstrand’ (Hdt. u. a.); ἀ-κύμων ‘ohne Wellen’ (Pi., Trag. u. a.), auch ‘ohne Fötus’ (E. u. a.; Gegensatz ἐγ-κύμων att.); auch ἄ-κυμος (E., Arist. u. a.), ἀκύματος (Trag. Adesp.) ‘ohne Wellen’. Ableitungen. Deminutivum κυμάτιον ‘wellenartiger Teil des ionischen Säulenkapitells’ (Inschr. u.a.); κυματ-ίης, -ίας m. ‘Wellen schlagend, erregend’ (ion. poet.), -ώδης (Arist. u. a.), -όεις (Arist., Opp.), -ηρός (Gloss.) ‘voll Wogen’. Denominativa. 1. κυμαίνω, auch mit ἐκ- usw., ‘wallen, wogen’ (seit Il.) mit κύμανσις (Arist.); auch ‘schwanger werden’ (γαστέρα usw.; sp. Epik.); 2. κυματόομαι, -όω ‘sich in Wogen auftürmen, überfluten’ (Th., Luk., Plu. u.a.) mit -ωσις (Str. usw.); 3. κυματίζομαι ‘auf den Wogen rollen, mit den Wogen treiben’ (Arist. u. a.). — Hierher noch Κυμώ f. N. einer Nereide (Hes.); auch Κύμη? (Kretschmer Glotta 24, 277ff.). — Im Sinn von ‘Fötus’ fungiert κῦμα als Verbalnomen von κυέω. Die geläufige und alte Bed. ‘Welle, Woge’ muß jedenfalls auf eine anschauliche Auffassung zurückgehen; das damit verwandte lat. cŭm-ulus ‘Haufe’ läßt (wie für κύριος) auf vorgriechische Entstehung schließen. Das betreffende Verb (s. κυέω) hat entweder schon in idg. Zeit von ‘schwanger sein’ aus einen allgemeinen Inhalt ‘zunehmen, schwellen’ angenommen oder umgekehrt die (relativ) ursprüngliche Bed. ‘schwellen’ auf die Schwangerschaft beschränkt (vgl. Porzig Satzinhalte 242). — An Stammwechsel (m : p) mit aksl. kupъσωρός’ (Specht KZ 68, 123) ist nicht zu denken. Abzulehnen Machek Stud. in hon. Acad. d. Dečev (Sofia 1958) 50: κῦμα ‘Fötus’ zu čech. kmen ‘Baumstamm, -stumpf’. II-47-48

κύμβαχος 1. Adj. ‘kopfüber fallend’ (Ε 586; danach Kall., Lyk. u.a.); 2. Subst. etwa ‘Helmspitze, Helmkugel’ (Ο 536). — Da die Bedd. sich sachlich nicht vereinigen lassen, will sie Leumann Hom. Wörter 231 ff. auf verschiedene Interpretationen und Umdichtungen einer vorhomerischen Darstellung zurückführen; wie Bechtel Lex. neigt er dazu, die substantivische, technische Funktion als die primäre anzusehen. Auch die Bildung spricht am ehesten dafür; vgl. besonders οὐρίαχος ‘Speerende’, στόμαχος eig. "Mundende", ‘Kehle’; Grundwort somit κύμβη ‘Trinkgefäß, Becken’ (s.d.)? — Nach anderen (Hofmann Et. Wb., Kuiper Μνήμης χάριν 1, 213f.) nasalierte Form von κύβη, κυβιστάω (s. d.). II-48

κύμβη 1. κύμβος m. (n.) ‘Hohlgefäß, Schale’ (Nik., H.); gewöhnlicher κυμβίον (-εῖ-) n. ‘kleiner Becher’ (att., hell.), ‘kleiner Kahn’ (H., Suid.). f. ‘Trinkgefäß, Becken, Schale’ (Nik., Ath.), ‘Kahn’ (S. Fr. 127); Davon κύμβαλον n., gew. pl. -α ‘Becken, Zymbal’ (Pi., A., X. usw.; vgl. κρόταλον) mit dem Demin. κυμβάλιον (Hero) und dem Denom. κυμβαλίζω ‘die Zymbalen schlagen’ (hell.); davon -ισμός, -ιστής, -ίστρια (sp.). Hierher wohl noch ἀν-εκυμβαλίαζον (δίφροι Π 379) ‘sie prallten wie κύμβαλα aufeinander’ (anders Kuiper Μνήμης χάριν 1, 214 A. 11). — Schon von Curtius 158 mit aind. kumbhá-, aw. xumba- m. ‘Topf’ verbunden; dazu (mit Fick, Pedersen) kelt. Gefäßnamen wie mir. comm, cummal; weitere, semantisch abweichende Wörter bei Bq, WP. 1, 375f., P. 592, W.-Hofmann s. cubō; daselbst auch reiche Lit. Weitere Kombinationen bei Sayce ClRev. 42, 161. — Wegen der Lautfolge *qumb(h)- (für *qu̯m̥b(h)-) kann es sich ja um kein uraltes idg. Erbstück handeln; vielmehr liegt ein Wanderwort vor. — Aus κύμβη lat. cymba, cumba ‘Nachen’ (nach Plin. H N 7, 208 phönikisch). — Vgl. κύπη. II-48

κύμβη 2. nur EM 545, 27, = κύβη, ’κεφαλή’; dazu κυμβητιάω ‘kopfüber stürzen’ (ebd.); vgl. κυβητίζω usw. s. κυβιστάω. — Unklar; vielleicht mit 1. κύμβη ‘Schale’ identisch; vgl. lat. testa > frz.tête usw. II-49

κύμβη 3. f. N. eines unbekannten Vogels (Emp. 20, 7 πτεροβά-μοσι κύμβαις, H.); κυμβατευταί· ὀρνιθευταί H. — Dunkel; vgl. κόμβα· κορώνη. Πολυρρήνιοι H. und Thompson Birds s. v. II-49

κύμινδις (κύβ-), -ιος, -ιδος f. m. N. eines unbekannten Vogels (Ξ 291, Ar. Av. 1181, Arist. u. a.), schon im Altertum (Sch. Av. 291) mit κικυμωΐς (Kall.; κίκυμος, -υβος H.) verglichen und deshalb als ‘Eule’ verstanden. — Offenbar Fremdwort, wegen des νδ-Suffixes wohl kleinasiatischen Ursprungs. Ausfuhrliche Behandlung mit reicher Lit. von Heubeck Würzb. Jb. 1949—50, H. 2, 206ff. II-49

κύμῑνον myk. ku-mi-no; n. ‘Kümmel’ (Hp., Sophr., Kom.), als Vorderglied z.B. in κυμινο-πρίστης "Kümmelsäger", d.h. ‘Geizhals’ (Arist., Korn.). Davon κυμιν-ώδης ‘k. -ähnlich’ (Thphr.), -ινος ‘aus K.’, -ᾶς ‘K.-verkäufer’ (Inschr. Jaffa), -εύω ‘mit K. bestreuen’ (Orac. ap. Luk.). — Sem. LW; vgl. hebr. kammōn, akkad. kamūnu usw. (Lewy Fremdw. 38 nach Lagarde), die indessen nach Kretschmer KZ 29, 440 vielmehr in den Pflanzennamen κάμων (Nik.) und σκαμ(μ)ωνία, -ώνιον (Kom., Nik. usw.) ‘Art Winde’ wiederzufinden sind. Vielleicht ist mit Lewy eine zwiefache Entlehnung anzunehmen. Vgl. noch Grimme Glotta 14, 19. — Lat. LW cumīnum; daraus die neueurop. Formen (Schrader-Nehring Reallex. 1, 655). II-49

κυνάμυια (Il. u. a.), später (mit anal. -ο-) κυνό-μυια (LXX, AP usw.) f. ‘Hundsfliege’, gew. als Schimpfwort. — Für *κυά-μυια aus idg. *ḱuu̯n̥- (> aind. śuva-) mit -ν- aus κυνός usw.; vgl. lit. šun-musė̃ ‘ds.’. Näheres zur Bed. Risch IF 59, 59. II-49

κύνδαλος m., pl. auch -α ‘hölzerner Nagel’ (Poll., H.) mit κυνδαλο-παίκτης (Poll.), -παίστης (H.) ’κ.-Spieler’. Davon κυνδαλισμός ‘der κ. -Spiel’ (Poll.), auch κυνδάλη genannt (H.). — Bildung wie das synonyme πάσσαλος, sonst dunkel. Eine ganz unwahrscheinliche Vermutung von Bugge (zu ahd. (h)was ‘scharf’ usw.) wird bei Bq und WP. 1, 513 referiert; weitere Kombinationen derselben Art bei W.-Hofmann s. triquetrus. II-49

κυνέω, Aor. κύσ(σ)αι (seit Hom.), Fut. κυνήσομαι (E.), κύσσω (Babr.) ‘küssen’, fast nur poet. (Prosa dafür φιλέω); προσ-κυνέω, Aor. προσ-κυνῆσαι (ion. att.), -κύσαι (S., Ar.), Fut. -κυνήσω (Hippon., Pl.), -κεκύνηκα (LXX usw.) ‘sich niederwerfend den Boden usw. küssen, fußfällig verehren’, auch ‘Kußhände werfen’ (Marti Lang. 12, 272ff..), mit προσκύνη-σις (Pl., Arist. usw.), -μα (hell. u. sp.) ‘Fußfall, Verehrung’, -τής ‘Anbeter, Verehrer’ (orient. Inschr., NT usw.), -τήρ ‘Betschemel’ (Mon.Ant.); vom Simplex nur κυνη-τίνδα (παίζειν Krates Kom.). — Zum Aorist κύ(σ)-σαι scheint das Präsens κυ-νέ-(σ)-ω (für athem. *κυ-νέ-σ-μι?) mit Nasalinfix gebildet zu sein (Schwyzer 692 m. Lit.). — Große Ähnlichkeit zeigt heth. kuu̯aš-zi, -anzi ‘küssen’; ebenso das germ. Wort für ‘Kuß, küssen’, z.B. ahd. kus, kussen, das sich als Schallwort der Lautverschiebung entzog. Elementar verwandt ist aind. cumbati. Mayrhofer Wb. s. v., WP. 1, 465, Pok. 626, Feist Vgl. Wb. d. got. Spr. 315 (mit reicher Lit.); dazu noch Schrader-Nehring Reallex. 1, 668ff. II-49-50

κυπάρισσος, att. -ιττος f. ‘Zypresse’ (seit ε 64). Davon das Demin. -ίττιον (Alkiphr.); ferner -ίσσινος, -ίττινος ‘von Zypressenholz’ (seit ρ 340), -ισσίας ‘Euphorbia aleppica’ (Dsk. u.a.; Strömberg Pflanzennamen 35), -ισσών, -ῶνος m. ‘Zypressenhain’ (Str.); myk. ku-pa-ri-se-ja (pl. n.)? Stadtnamen Κυπάρισσος (Phokis, Β 519), -ισσοῦς, -ισσία, -ισσιαί, -ισσήεις (Elis, Β593; Leumann Hom. Wörter 301); vgl. Solmsen Wortforsch. 85; dazu Κυπαρίσσιος Bein. des Apollon (Kos), -ισσία B. der Artemis (Lakon.; Κυφ-), -ισσίτας Bein. des Pan (Kreta; Κυφ-). — Mittelmeerwort unbekannten Ursprungs. Aus derselben Quelle oder eher aus dem Griechischen (durch etrusk. Vermittlung?) lat. cupressus (W.-Hofmann s. v. mit Nachtr., Blumenthal Gnomon 15, 166, Leumann IF 57, 156 f., Ernout Aspects du vocab. latin 31); hierher noch hebr. gōfer. Über andere Namen der Zypresse Schrader-Nehring Reallex. 1, 671. II-50

κύπασσις, -εως (-ιδες pl. Alk.) m. Ben. eines (kurzen) Leibrocks, der auch von Frauen getragen wurde (Alk. Z 34, 7 [vgl. Hamm Grammatik 53], Hekat., Ion Trag., A P u.a.); Demin. -ίσκος (Hippon. 18). — Kleinasiatisches LW, in den Quellen mit Lydern und Persern verknüpft (vgl. Gow ClassRev. 69, 238 f.). Eine schlagende Ähnlichkeit zeigt heth. kupaḫi- (v. Blumenthal Hesychst. 2 7 ff.), das aber eher eine Art Kopfbedeckung zu bezeichnen scheint, s. Friedrich Wb. (auch Erg.heft) m. Lit. II-50

κύπειρον -ος m. (h. Merc. 107, Kom., Thphr., Theok.), κύπερος m. (ion., Dsk., Plu. u. a.), κύπαιρος (Alkm. 16) n. (Φ 351, δ 603, Thphr.) N. einer Wiesenpflanze mit aromatischer Wurzel, ‘Zypergras, Cyperus longus, rotundus’ (vgl. Strömberg Theophrastea 79 f.); κύπερα· τὰ σχοινία ἐκ κυπείρου πεπλεγμένα H.; myk. ku-pa-ro? Davon κυπαιρίσκος (Alkm. 38) und κυπε-ρίζω ‘dem Zypergras ähnlich sein’ (Dsk.). — Fremdwort unbekannterHerkunft; die schwankende Form hängt mit der Entlehnung zusammen (vgl. Schwyzer 471 f.). Vgl. zu 1. κύπρος. II-50-51

κῠ́πελλον myk. [ku-]pe-ra? n. ‘bauchiges Trinkgefäß, Becher, Pokal’ (ep. seit Il.); Einzelne Kompp., namentlich ἀμφι-κύπελλον n. Attr. von δέπας (Hom.), wörtlich "mit Bechern an beiden Seiten (od. ringsum)", d.h. ‘Doppelbecher’, d.h. ‘zwei mit der Basis aneinander gefügte Becher’ (?); nach Aristarch (EM 90, 43; vgl. Ath.11,783b) ‘doppelhenklig’; vgl. Kretschmer Glotta 20, 248 m. Lit., Brommer Herm. 77, 358f., 366. — Nach einem Gewährsmann bei Ath. 11, 483a war κύπελλον sowohl den Kypriern wie den Kretern bekannt; vgl. Bowra JournofHellStud. 54, 73. — Bei Abtrennung des mutmaßlich suffixalen ελλο -Elements, das eine Kombination von λ- und ιο- Suffixen zu enthalten scheint (vgl. Chantraine Formation 253, auch Schwyzer 483), ergibt sich ein an sich ziemlich gleichgültiger Anschluß an κύπη· τρώγλη H. mit genauen Entsprechungen in lat. cūpa ‘Kufe, Tonne’, aind. kū́pa- m. ‘Grube, Höhle, Brunnen’ u.a.m., s. die ausführliche Behandlung bei W.-Hofmann s. 2. cūpa, dazu noch Mayrhofer s. kū́paḥ. — Vgl. auch κυφός. II-51

κυπρῖνος m. ‘Karpfen’ (Arist., Opp.). — Bildung wie ἀτταγῖνος und andere Fischnamen (s. zu ἀτταγᾶς m. Lit. und Strömberg Fischnamen 41) von κύπρος ‘Hennastrauch’ (s. d.) nach der Farbe; vgl. Strömberg 20ff., auch WP. 1, 457. — Die anderen Benennungen des Karpfens, aind. śaphara- m. = lit. šãpalas, ahd. karp(f)o usw. (s. Bq und W.-Hofmann s. carpa m. Lit.) sind fernzuhalten. II-51

κύπρος 1. f. ‘Hennastrauch, Kuperblume, Lawsonia inermis, Salbe daraus’ (Thphr., LXX, Pap., Dsk. u. a.). Davon κύπρινον (μύρον, ἔλαιον, Dsk. Aret. u.a.); κύπριον· τὸ ἀρνόγλωσσον H. (= Plantago usw.). Denominatives Verb κυπρίζω ‘blühen’ mit κυπρισμός ‘Blühen, Blüte’ (des Öl- od. Weinbaums, LXX, Eust.). Zu κυπρῖνος s. bes. — Aus dem Semitischen; vgl. hebr. kōfer (Lewy Fremdw. 40 f. m. Lit.). Ob auch κύπειρον, -ος mit Lewy hierher gehört, ist unsicher; vgl. Schrader-Nehring Reallex. 1, 671. II-51

κύπρος 2. m. Getreidemaß (Alk., Inschr.); ἡμί-κυπρον (Hippon.), nach H. = ἥμισυ μεδίμνου. — Persson Beitr. 1, 104 A. 4 vergleicht κύπελλον, κύπη; wohlbegründeter Zweifel bei WP. 1, 373; eher LW. — Lewy Fremdw. 263 A. 1 erinnert an hebr. kepōr ‘Becher’ ( ?). II-51

Κύπρος f. ‘Cypern’ (seit Il.) mit Κύπρις, -ιδος, -ιδα, -ιν f. N. der Aphrodite (seit Il.; zum Akzent Schwyzer 385), Κύπριος ‘cyprisch’ (ion. att.) u. a. — Herkunft unbekannt; lat. LW cuprum, älter (aes) cyprium ‘Kupfer’. Die Ähnlichkeit mit sumer. zabar ‘Kupfer’ (eig. "glänzender Stein"), woraus assyr. siparru > elam. čupar ‘ds.’, ist zufällig, s. Ipsen IF 39, 232 ff. gegen Pokorny KZ 49, 127, der für kaukasischen Ursprung eintritt. — Neuer Versuch von Deroy Mél. Isidore Levy 87 ff. (vgl. Krahe Beitr. z. Namenforsch. 7, 103). II-52

κύπτω (ion. att.), Aor. κύψαι (seit Il.), Fut. κύψομαι, -ω (att., hell. u. sp.), Perf. κέκῡφα (ion. att.), ‘sich ducken, sich vorwärts beugen’. oft mit Präfix, z.B. ἀνα-, κατα-, ἐπι-, παρα-, ὑπο-, ὑπερ-, Einzelne Verbalnomina : ἐπί-, κατά-, παρά-, πρό-κυψις ‘das Ducken, Vorwärtsbeugen’ (Mediz., hell. u. sp.); συγκύπ-ται pl. ‘Schrägbalken’ (Ath. Mech.), παρακυπτ-ικός ‘hineinschauend, neugierig beschauend’ (Cod. Iust.). Adv. κύβ-δα ‘vornüber gebeugt’ (Archil., Kom.). Erweitertes Präsens κυπτάζω ‘gebückt gehen, herumstöbern’ (Kom. u. a.). — Daneben κῡφός ‘gebückt, vornübergebogen, buckelig’ (seit β 16) mit mehreren Ablegern: κύφων, -ωνος m. ‘Krummholz am Pfluge, Halseisen, (mit Halseisen versehener) Bube, Schrägbalken usw.’ (Thgn., Archil., Kom. usw.) mit κυφώνιον Art Salbe (Alex. Trall.), -ισμός ‘das Belegen mit Halseisen’ (Sch.); κυφότης ‘Buckligkeit’ (Hld.), κῦφος n. ‘Buckel, Höcker’ (Hdn. u.a.; Schwyzer 512). Denominativum κυφόομαι ‘gebückt, buckelig sein’ mit κύφωσις ‘Buckligkeit’, -ωμα ‘Buckel, Höcker’ (Mediz.); daneben als Rückbildung (zu κυφός od. κέκυφα?) κύφω in κύφοντα ὀφθαλμοῖς ‘mit gesenkten Augen’ (LXX). — Mit faktitiver Bedeutung κυπόω ‘umstürzen, umwerfen’, nur (ἀνα-) κυπώσας (Lyk., Nik.); etwa nach τύπτω (: τύπος) : τυπόω o. ä.? — Da κῡφός im Griechischen bildungsmäßig isoliert steht, dürfte es gegenüber dem regelmäßigen κύπτω (mit altem Perfekt κέκῡφα?) die Priorität beanspruchen können. Dem Sinne nach deckt sich κυφός gut mit den anders gebildeten aind. kubhrá- m. ‘höckeriger Stier’, kubjá- ‘bucklig, krumm’, für die neuerdings protomundäischer Ursprung (mit Recht?) erwogen worden ist, s. Mayrhofer Wb. s. vv.; eine reduplizierte Bildung liegt übrigens in aind. kakúbh- f. ‘Spitze, Gipfel, Höcker’ vor. Der direkte Vergleich von κῦφος n. mit aw. kaōfa- m. ‘Berg, Kamelbuckel’ (Brandenstein Μνήμης χάριν 1, 53) ist trügerisch, da κῦφος im Griechischen zu κυφός gebildet wurde; entfernte Verwandtschaft ist selbstverständlich möglich. Von Wörtern mit auslautendem -p- seien erwähnt lit. kuprà, ahd. hovar ‘Buckel, Höcker’. Unsicher bleibt die Beziehung zu allerhand Glossen wie κύφερον ἢ κυφήν· κεφαλήν. Κρῆτες H. (vgl. Bechtel Dial. 2, 789), ebenso das Verhältnis zu Wörtern für ‘Topf, Krug’ wie aind. kumbhá-, aw. xumba- m. (Laryngaloperationen bei Sturtevant Lang. 17, 10). Vgl. noch zu κύπελλον, 1. κύμβη, κύβος, κυψέλη m. Lit. II-52-53

Κύρβαντες, -άντων pl. m. (Pherekyd. 48, S., hell. Dicht.). — Nebenform von κορύβαντες (s. d.); vgl. noch κύρβεις. II-53

κυρβασία f. N. einer spitzen persischen Mütze (Hdt., Hp., Ar.), nach H. = ὀρθὴ τιάρα. — Grošelj Živa Ant. 4, 172 vergleicht ansprechend heth. (hurrit.) kurpiši- ‘Teil des Helmes (?), Helm(?)’. II-53

κύρβεις (-ιες), -εων pl., selten sg. κύρβις, f. u. m. Ben. drehbarer Pfeiler od. Säulen, in Form einer dreiseitigen Pyramide, auf denen in Athen die Gesetze des Solon aufgezeichnet waren, auch auf andere Inschrifttafeln übertr. (att., Arist. usw.). — Schon als technischer Ausdruck der Entlehnung stark verdächtig. Nach v. Windekens Μνήμης χάριν 2, 216ff. mit lat. corbis ‘Korb’ aus dem Pelasgischen. Gewöhnlich (Zupitza, Prellwitz usw., s. WP. 1, 472 f.) mit καρπός ‘Handwurzel’ (s. d.) verbunden; von dem abweichenden -β- abgesehen, ist ja eine idg. Lautfolge *kurp-, *kurb- (für *ku̯r̥p-, *ku̯r̥b-) schwerlich denkbar. — Hierher auch Κύρβαντες (s. d.) mit Beziehung auf die wirbelnden Tänze (Fick BB 29, 239, Kretschmer Sprache 2, 68) ? II-53

κυρήβια, -ίων n. pl. ‘Spreu, Kleie’ mit κυρηβιο-πώλης m. ‘Kleienverkäufer’ (Hp., Ar., Epikur.). Κυρηβίων, -ίωνος m. Spitzname (D., Ath.). — Bildung und Herkunft gleich dunkel. —Zu κυρηβάζω usw. s. κυρίττω. II-53

κύριος f. κυρία ‘Herrin, Herrscherin’ (hell. u. sp.). m. ‘Herr, Herrscher, Besitzer’, Adj. (m. f. n.) ‘herrschend, entscheidend, gültig, bestimmt’ (nachhom.), Ableitungen: κυρία (aus κυρι-ία; vgl. κυρεία von κυριεύω unten) f. ‘Herrschaft, Besitz’ (Arist., hell. u. sp.), κυριότης f. ‘Herrentum, Herrschergewalt’ (christl. Lit. usw.); κυριακός ‘zum Herrn (= Christus), zum Kaiser gehörig’ (Kaiserz.); κυριεύω ‘Herr sein od. werden, besitzen, sich bemächtigen’ (X., Arist. usw.) mit κυριεία, κυρεία (Schwyzer 194) ‘Besitz, Besitzrecht’ (hell. u. sp.), κυριευτικός, Adv. -κῶς ‘das Besitzrecht betreffend’ (Pap.). — κυρωθῆναι, Akt. κυρῶσαι, κυρόω ‘rechtskräftig werden, bzw. machen’ (ion. att.) mit κύρωσις ‘Bekräftigung, Ratifikation’ (Th., Pl. u. a.), κυρωτής ‘Ratifizierer’ (att. Inschr.); Rückbildung κῦρος n. ‘Rechtskraft, Bekräftigung’ (ion. att.) — ἄκῡρος ‘ohne Rechtskraft, ungültig’ (att.) mit ἀκυρόω ‘ungültig machen’ (Din., hell. u. sp.), wovon ἀκύρωσις, -ωτος mit -ωσία (sp.). — Wie z.B. ἄν-υδρ-ος ‘ohne Wasser’ von ὕδωρ ausgeht, setzt ἄ-κῡρ-ος ‘ohne Rechtskraft’ einen entsprechenden r-Stamm voraus, der auch in κύρ-ιος erhalten ist. Neben κύρ-ιος hat es vielleicht eine ο-Ableitung *κῦρ-ος gegeben, die zu aind. śū́ra-, aw. sūra- ‘Held’ genau stimmen würde; vgl. die aind. Wörter für ‘Sonne’, sū́r-ya- und sū́r-a- von súvar- n. (alter l-Stamm, s. zu ἥλιος). Somit ἄ-κῡρ-ος : aind. śū́r-a- (= *κῦρ-ος) wie ἄν-υδρ-ος : ὕδρ-ος (vgl. Schwyzer 727 A. 2 m. Lit.; etwas abweichend Wackernagel Syntax 2, 61 A. 1). Von *κῦρος m. vielleicht auch κυρωθῆναι, κυρόω; an sich hindert jedoch nichts, auch κυρ-ωθῆναι direkt vom r-Stamm ausgehen zu lassen (ἀνδρ-ωθῆναι : ἀνήρ). Eine Spur dieses r-Stammes zeigt ἔγ-κυαρ ‘trächtig’ (Milet, VIa), von *κύαρ ‘Fötus’ (Kretschmer Glotta 8, 250). Andere Ausläufer: aind. śávīra- ‘stark, kräftig’ (mit unklarem ), kelt., z.B. gall. Καυαρος, kymr. cawr ‘Riese’; auch Κυάρη· ἡΑθηνᾶ H. ? — Über weitere Verwandte s. zu κυέω m. Lit. II-53-54

κυρίττω, Fut. κυρίξω ‘mit den Hörnern stoßen’ (A., Pl., Arist. u.a.); Mit Präfix: ἀγκυρίττει· μεταμέλεται. Κρῆτες H.; vgl. Bechtel Dial. 2, 777. davon κύριξις (Ael.), κυρίττιλος· κορύπτης, πλήκτης H. Auch κυρίζω (EM); vgl. κυρίζεσθε· τρίβεσθε H. — Die Verbindung mit κορύπτω, κέρας (z.B. Bq, WP. 1, 406) erklärt die Bildung nicht. Eher (trotz Bq s. κύρω) mit Curtius 158 und Prellwitz zu κύρω, -έω ‘treffen, stoßen’. — Eine dunkle Nebenform ist κυρηβάζω, -ομαι, -άσασθαι (Ar., Kratin.) mit κυρήβασις, -σία (Sch.); auch übertr. = λοιδορεῖσθαι; κυρηβάτης καὶ κύρηβος· ὁ ἀσελγὴς ἐν τῷ λοιδορεῖν H. Zu κυρήβια (s. d.) scheint (trotz frz. cosser : cosse) kein Weg zu führen. II-54

κυρκανάω, ‘rühren, mischen, anstiften’ (Hp., Ar., Epin., EM) auch mit συν-, mit der Rückbildung κυρκάνη = ταραχή (EM, Hdn. Gr.); auch κυρκαίη (Suid. s. Ὅμηρος) für κυρβαίη Beiw. von μάζα (Hom. Epigr. 15, 6). — Expressive Erweiterung von κυκάω (vgl. Schwyzer 700) mit eingeschobenem ρ von einem sinnverwandten Wort, z.B. τύρβη (Hofmann Wb.) oder φύρω. II-54

κύρνοι · οἱ νόθοι H.; nach Phot. makedonisch. Auch als PN; vgl. Solmsen Wortforsch. 104. — Unerklärt. Verfehlte Kombination bei Bq und WP. 1, 467; nicht besser mit Barič (s. Mayer Glotta 32, 81) zu aind. kr̥ṣṇá- ‘schwarz’. II-54

κῦρος n. ‘Rechtskraft’ s. κύριος. II-54

κυρσάνιος ‘Jüngling’, κυρσίον· μειράκιον H., — lakon. für σκυρθάλιος, s. d. II-55

κυρτός ‘gewölbt, gerundet, bauchig, buckelig’ (ep. ion. poet. seit Il., hell. u. sp.). Davon κυρτότης ‘Wölbung, Rundung, Buckligkeit’ (Arist., Str., Plu. u. a.). Denominative Verba: κυρτόομαι, -όω ‘(sich) wölben, (sich) ausbauchen usw.’ (ep. ion. poet. seit λ 244, auch X., sp.) mit κύρτωμα (Hp. usw.), -ωσις (Mediz., Vett. Val. u. a.) ‘Wölbung, Ausbauchung usw.’, κυρτωτός ‘buckelig’ (Vett. Val.); κυρταίνω ‘sich wölben, eine Rundung bilden’ (PMag., Suid.). — Erbwort, aber ohne unmittelbare Entsprechung. Nur im Suffix weicht ab lat. curvus ‘gewölbt, bauchig, krumm’, wie κυρτός mit ufarbiger Schwachstufe (zu -u̯o- neben -to- vgl. Specht Ursprung 196); eine Ableitung der in κυρτός enthaltenen to -Bildung ist in lat. cortīna ‘rundes Gefäß, Kessel’ vermutet worden, s. W.-Hofmann s. v., wo auch andere Auffassungen. — Weitere Kombinationen von sehr wechselndem Wert bei WP. 2, 568ff. (Wz. (s)qer- ‘drehen, biegen’), Pok. 935 ff., W.-Hofmann s. curvus. Vgl. auch zu κορώνη. II-55

κύρτος κύρτη f. ‘Vogelkäfig’ (Archil.), ‘Fischreuse’ (Hdt., D. S.), ‘Durchschlag’ (Nik.). m. ‘Fischreuse’ (Sapph., Pl., Arist., Pap. u. a.), auch ‘Vogelkäfig’ (AP); Komp. κυρτο-βόλος ‘Reusenfischer’ (Smyrna). Ableitungen: Deminutiva κυρτίς ‘Sieb, Durchschlag, Fischreuse’ (Nik., Dsk., Opp. u. a.), -ίδιον ‘Sieb’ (Dsk.); auch κυρτίον Ben. eines unbek. Wagenteils (Poll. 1, 143). Ferner κυρτία ‘geflochtenes Schild’ (D. S.), κυρτεύς ‘Reusenfischer’ (Herod., Opp.) mit κυρτευτής ‘ds.’ (AP) und κυρτεία ‘Reusenfischerei’ (Ael.) von *κυρτεύω oder analogisch nach ἁλι-ευτής, -εία; vgl. Boßhardt Die Nom. auf -ευς 68. Hierher noch κυρσερίδες· τὰ τῶν μελισσῶν ἀγγεῖα, κυψελίδες H., von *κυρσέρα, nach κρησέρα ‘feines Sieb’; Grošelj Živa Ant. 3, 202. — Wie κάρταλλος kann auch κύρτος ein schwundstufiges idg. *qr̥t-o- repräsentieren (Schwyzer 351), das auch von aind. káṭa- m. ‘Geflecht, Matte’ (wohl mind. aus *kŕ̥ta-) vertreten wird. Hinzu kommt ein westlicher Ausdruck für ‘Flechtwerk, Hürde’ in germ., z.B. ahd. hurt, pl. hurdi, zunächst aus idg. *qr̥t-i-, und lat. crātis, welch letzteres eine lange Liquida sonans bzw. eine zweisilbige Schwachstufe widerzuspiegeln scheint, die auch mit ahd. hurt u. Verw. vereinbar ist (vgl. grānum : Korn), aber sonst keinen Anhalt hat. Das zugrunde liegende primäre Verb wird in dem nasalinfigierten Präsens kr̥-ṇá-t-ti ‘spinnen’ mit kart-tar- m. ‘Spinner’ gesucht. Weitere Formen m. Lit. bei WP. 1, 421 f., W.-Hofmann s. crātis, Feist Et. Wb. d. got. Spr. s. haúrds, Pok. 584f. — Ganz anders Müller-Graupa Glotta 31, 132: κύρτος eig. ‘Gewundenes, Flechtwerk’, aus κυρτός substantiviert. Diese durch ihre Einfachheit ansprechende Deutung setzt voraus, daß κυρτός eig. ‘gewunden, geflochten’ sei (nach M. -G. ‘krumm, gebogen’), was zu den Tatsachen schlecht stimmt, oder daß κύρτος eig. ‘Gewölbtes, Bauchiges’ hieße. II-55-56

κύρω, Aor. κύρσαι (seit Il.), Fut. κύρσω (Demokr., S. in lyr.); κυρέω (A., S.),κυρῆσαι (seit Hes.), κυρήσω (Hdt., A.), κεκύρηκα (D. S. u. a.), ‘treffen, auf jmdn. od. etw. stoßen, erreichen, eintreffen’ (vorw. ep. ion. poet. seit Il.; vgl. Trümpy Fachausdrücke 118); zur Flexion Chantraine BSL 28, 26f. u. 38. auch mit Präfix, z.B. ἐν-, ἐπι-, προσ-, συν- , Wenige Ableitungen: κύρμα ‘Fund, Beute’ (Hom.); συγ-, προσ-, ἐγ-κύρησις, συγ-κύρημα ‘das Zusammentreffen’ usw. (hell. u. sp.), συγ-κυρία ‘Zufall’ (Hp., Ev. Luk.). — Ohne Etymologie. Nicht mit Machek Ling. Posn. 5, 64 ff. zu lit. kuriù, kùrti ‘schnell laufen’, slav. kuriti ‘rauchen’, lat. currō ‘laufen’; vgl. Fraenkel Wb. s. kùrti 3. ‘mit den Hörnern stoßen’ (A., Pl., Arist. u.a.); davon κύριξις (Ael.), κυρίττιλος· κορύπτης, πλήκτης H. Auch κυρίζω (EM); vgl. κυρίζεσθε· τρίβεσθε H. II-56

κύσθος κυσός· ἡ πυγή. ἢ γυναικεῖον αἰδοῖον H., auch = κύστις (Herod., Kall. u. a.; s. d.), Kompp. z.B. κυσο-λαμπίς. ἡ περιλαμπομένη ταῖς νυξὶ κανθαρίς H.; vgl. Strömberg Wortstudien 13 f.; dazu κύσσαρος ‘ānus’ (Hp., Gal., Erot.); zur Bildung Chantraine Formation 226; vgl. auch κύτταρος. m. ‘weibliche Scham’ (Eup., Ar.), κυσθο-κορώνη = νύμφη (Kom. Adesp.); — Zum dunklen κύσθος (χύστος) PHolm. 22, 42; 23, 2 s. Lagercrantz z. St. — Mehrdeutige familiäre Wörter; die Erklärungsversuche sind deshalb alle hypothetisch und ohne größeres Interesse: aus *qudh-to- od. *qudh-dho- zu κεύθω; aus *quz-dho- zu lat. custōs; κυσός aus *κυθ-σο-, *κυθ-ι̯ο-, *κυτ-σο-, *κυτ-ι̯ο-? — Weitere Anknüpfungen mit überreicher Lit. bei Bq, WP. 2, 549ff., Pok. 952f., W.-Hofmann s. cunnus und custōs. II-56

κύστις, -εως, -ιος, -ιδος auch κύστιγξ (Hp. ap. Gal. 19, 116), nach φῦσιγξ u.a. (Chantraine Formation 400, Schwyzer 498). f. ‘Blase, Harnblase, Schlauch, Säckchen’ (seit Il.), Daneben κύστη· ἄρτος σπογγίτης H. und κύστιον· τὸ ἁλικάκκαβον H. (Pflanzenname, nach der Form der Frucht). — Bildung mit τι-Sufflx von einem Verb ‘blasen’, aind. śvas-iti, Ptz. Akk. śuṣ-ántam (Wackernagel Unt. 227). Weitere Verwandte bei WP. 1,474f., Pok. 631 f., W.-Hofmann s. queror. — κύσθος, κυσός usw. sind fernzuhalten. II-56

κύτινος m. ‘die Blüte, eig. der Blumenkelch des Granatbaums’ (Thphr., Dsk., Gal. u. a.) auch ‘Cytinus hypocisthis’ (Dsk. 1, 97; wegen der Ähnlichkeit mit der Granatblüte); κυτινώδηςκ. -ähnlich’ (Thphr.). — Die Annahme einer Entlehnung liegt ja nahe (vgl. Schwyzer 491 ), aber Beziehung zu κύτος ‘Höhlung, Gefäß’ wegen des Kelches (wie ἄνθινος : ἄνθος u.a.m.) scheint nicht ganz ausgeschlossen. II-56-57

κύτισος m. (f.) ‘Cytisus, Medicago arborea’ (ion. att.). — Wie κέρασος (s. d.) u. a. wahrscheinlich Fremdwort. Nach Brugmann Sächs. Ber. 1899, 185 zu κυτίς, κύτος. II-57

κυτμίς, -ίδος f. ‘lindernde Salbe aus Ziegenfett bereitet’ (Luk. Alex. 22, 53). — Deminutivbildung; Herkunft unbekannt. II-57

κύτος n. ‘Rundung, Wölbung eines Schildes, eines Harnisches, eines Gefäßes usw., Gefäß, Rumpf, Leib’ (Trag., Kom., Pl. Ti. u. Lg., Arist., Plb. usw.); ἐγ-κυτί(ς) ‘bis auf den Leib, die Haut’ (s. d.). — Unsicher κυτίς ‘Kästchen, Büchse’ (Sch. Ar. Pax 665); wohl für κοιτίς. Seit alters mit σκῦτος, lat. cutis ‘Haut’, germ., z.B. ahd. hūtHaut’ u.a.m. verbunden; dabei wurde (z.B. von Curtius) κύτος in zwei Wörter zerlegt: 1. ‘Haut’, 2. ‘Höhlung’ (zu κυέω usw.). Für einheitlichen Ursprung Walde LEW2 s. cunnus mit Ansetzung einer Bed. ‘bedecken, verhüllen’ = ‘um etw. herumhüllen, (um)wölben’ (zustimmend Bq); von WP. 2, 546 abgelehnt, wo (S. 549) ‘Gefäß, Urne, Höhlung’ wenig überzeugend aus ‘Hülle’ hergeleitet zu werden scheint. Eine Bed. ‘Hülle, Haut’ läßt sich für κύτος eigentlich nicht erhärten und ist auch nicht für ἐγ-κυτί (s. oben) direkt erforderlich, wenn auch sehr naheliegend. Anknüpfung an die Sippe von κυέω läßt sich dagegen unschwer begründen; zur Vokalkürze (gegenüber κῦ-μα u. a.) vgl. lat. cŭ-mŭlus und W.-Hofmann s. v.; Bildung wie ἔν-τος. II-57

κύτταρος — Daneben κύσσαρος ‘ānus’ (s. zu κυσός). m. ‘Bienenzelle, Höhlung im Blumenboden der Seerose (Nelumbium speciosum), der Kelch, in dem die Eichel sitzt, der männliche Blütenzapfen an der Fichte’ (Ar., Arist., Thphr.). Deminutivum κυττάριον ‘Bienenzelle’ (Arist.). — Nicht sicher erklärt. Wenn κύσσαρος die echt ionische Form von κύτταρος und nicht eine Umbildung von (od. nach) κυσός ist, ergibt sich eine ganz unbefriedigende Grundform *κυτϝαρος, die zusammen mit κύτος, κυσός, κύσθος, κύστις in einen Topf geworfen wird; s. die Lit. zu den genannten Wörtern. Auch ein urspr. *κυκ-ι̯αρος od. ähnl. hilft nicht weiter. II-57

κῠ́φελλα pl. n. ‘Ohrhöhlen (Lyk.), ‘Wolken’ (Lyk., Kall.). — Alexandrinisches Wort; vgl. κύπελλα. Gegen die Verbindung mit κῡφός (z.B. Bq) mit Recht WP. 1, 375. Die Bed. ‘Wolken’ sucht Persson Beitr. 1, 195 durch einen Verweis auf lat. cava nubes, umbra zu erläutern. II-57-58

κυφός s. κύπτω. II-58

κύχραμος (vv. ll. κέ-, κί-) m. N. eines unbekannten Zugvogels, der die Wachtel begleitet (Arist.); über die Identifizierungsversuche Thompson Birds s. v. — Unerklärt; onomatopoetisch ? II-58

κυψέλη (Pap. -άλη; vgl. Mayser Pap. 1 : 3, 22) f. ‘Kasten, Kiste, Bienenkorb’ (Hdt., Ar., Plu. u. a.), ‘Ohrenschmalz’ (Kom.), ‘Ohrhöhle’ (Poll., H.). Davon κυψέλιον ‘Bienenkorb’, -ελίς ‘Vogelnest’ (Arist.), ‘Ohrenschmalz’ (Ruf., Aret. u. a.) mit κυψελίτης ῥύπος (EM; Redard Les noms grecs en -της 112); Rückbildung κύψελος m. N. eines schwalbenähnlichen Vogels (Arist., H.; zur Begriffsbestimmung Thompson Birds s.v.). — Wenn Erbwort, l-Ableitung eines s-Stamms (vgl. Schwyzer 517); letzten Endes zu κύπη u. Verw.; s. κύπελλον. — Oder vom Aor. κύψαι? II-58

κύων, κυνός, κύνα usw. m. f. ‘Hund, Hündin’ (seit Il.). Zahlreiche Kompp., z.B. κυν-ηγέτης, dor. -ᾱγέτας, -ᾱγός "Hundeführer", ‘Jäger’ (seit ι 120; myk. ku-na-ke-ta); Chantraine Ét. sur le vocab. gr. 83ff.; ἀπό-κυνον "Hundstod", Pflanzenname, ‘Marsdenia erecta’ (Dsk., Gal.); Strömberg Pflanzennamen 65; vgl. S. 143; zu κυνάμυια s. bes. Ableitungen: Deminutiva κυν-ίσκος (Hdt.), -ίσκη (Ar.), -ίδιον, -άριον (att. usw.); κυνώ f. ‘Hündin’, auch als PN (Hdt. u.a.); κυνέη ‘Hundsfell’ (Anaxandr.), ‘Mütze, Kappe, Helm’, urspr. aus Hundsfell, dann aus verschiedenen Stoffen (αἰγείη, χαλκέη usw.; Schwyzer 37, Trümpy Fachausdrücke 40 ff.); κυνάς f. ‘zum Hunde gehörig, Hundshaar usw.’ (Theok. u.a.); κύνειος, -εος ‘zum Hund gehörig’ (Ar. u. a.), ‘unverschämt’ (ep. seit Il.), κυνικός ‘hündisch, zynisch’ (X., Men. u. a.), κυνώδης ‘hund-ähnlich’ (Arist. u. a.); Komp. u. Sup. κύντερος, -ον, -τατος ‘schamloser, frecher’ (Schwyzer 536, Schw.-Debrunner 176); Adv. κυνηδόν ‘nach Hundeart’ (S., Ar. u.a.); κυνίζω "den Hund spielen", d.h. ‘wie ein Kyniker leben’ mit κυνισμός (Stoic.). — Alte Benennung eines alten Haustieres, die in den meisten idg. Sprachen, teilweise mit noch erhaltener ursprüngl. Flexion, vorhanden ist, z.B. κύων = aind. śuvā́, lit. šuõ, κυνός = śúnas, šuñs usw. (griech. Akzente alt), idg. *ḱúu̯ō(n), *ḱun-ós (-és) usw. Zu bemerken noch arm. šun < *ḱu̯ō̆n; unklar lat. canis. Weitere Formen aus verschiedenen Sprachen mit reicher Lit. bei Bq, WP. 1, 465f., Pok. 632f" W.-Hofmann s. canis; zur Flexion auch Schwyzer 568, Wackernagel Ai. Gramm. 3, 278 f. Hierher noch hier. heth. śuwana- ‘Hund(?)’? — Vgl. auch Κανδαύλης. II-58-59

κῶα · ἐνέχυρα H. — s. zu κοῖον; dazu noch Grošelj Razprave 2, 13. II-59

κῶας (κῶς Nikoch. 12) pl. κώεα, -εσι n. ‘weiches, zottiges Fell, Vlies’ (ep. ion. poet. seit Il.) mit den Demin. κῴδ-ιον (att. usw.), -άριον (Kom.); κωδᾶς, -ᾶτος m. ‘Vlieshändler’ (Pap.). — Ohne sichere Etymologie. Nach Bq aus dehnstufigem *κῶϝας, idg. *qōuəs- (wie γῆρας; Schwyzer 349) zu der s. κύτος erörterten Sippe ‘bedecken, verhüllen’, idg. (s)qeu-; Zweifel bei WP. 2, 547 und Pok. 951. Nicht (mit Curtius und Prellwitz) zu κεῖμαι. — Über eine Hypothese von Merlingen ("pelasgisch" zu βοῦς usw.) s. Chantraine Rev. de phil. 30, 285. II-59

κῶβαξ · ὁ μέγας τέττιξ H. — Nach Gil Emerita 25, 321 f. mit β für ϝ zu καύαξ usw. ( ?). II-59

κωβιός (-ίος) m. N. eines Fisches, ‘Gründling’ (ion. att.) mit -ίδιον (Kom., Arist.); auch als Pflanzenname, ‘τιθύμαλλος, Euphorbia’ (Dsk., Plin.); κωβῖτις ‘Art ἀφύη’ (Arist. u.a.; Redard Les noms grecs en -της 83), κωβιώδηςκ. -ähnlich’ (Plu.). — Wohl aus einer Mittelmeersprache entlehnt. Lat. LW gōbius (c-), gōbiō (c-), vgl. W.-Hofmann s.v. m. Lit., Kretschmer Glotta 16, 166. II-59

κώδεια (Ξ 499, Nik. u. a.), κώδεα, -υια, -ύᾱ, -ία (Delos, att. Inschr., Arist., Thphr. u. a.) f. ‘Kopf des Mohns’, auch auf andere Pflanzen und ähnl. Gegenstände übertr., κώδυον ‘Kopf der Träubelhyazinthe’ (Thphr.; wie κάρυον : καρύη). — Unerklärt. Nach Scheftelowitz BB 28, 148 zu κῶος ‘Höhle, Gefängnis’; dagegen Kalén Quaest. gramm. graecae 24, wo auch ausführlich zu den verschiedenen Formen (κώδυια älteste Form). Zu lit. kuõdas ‘Schopf, Federbusch’ (von Prellwitz fälschlich mit κώδεια verglichen) s. Fraenkel Wb. s. kuodẽlis. — Vgl. κώδων. II-59

κώδων, -ωνος m. f. ‘Glocke, Schelle, Schalloch der Trompete, diese selbst’ (ion. att.); Kompp. z.B. κωδωνο-φορέω ‘die Schelle (bei Inspektion der Posten) umhertragen usw.’ (Ar. u. a.). Davon κωδώνιον (J. u. a.), κωδωνίζω ‘eine Münze durch den Klang prüfen’ (Ar. u. a.). — Bildung wie ἄμβων, κώθων (Chantraine Formation 162); wahrscheinlich zu κώδεια, -υια wie αἴθων : αἴθυια usw., s. Kalén Quaest. gramm. graecae 26 m. Lit. Allerdings fehlt, wie Kretschmer Glotta 10, 232 bemerkt, das dabei vorauszusetzende Verb. Vgl. noch den PN Κώδαλος (Hippon.); dazu Nehring Sprache 1, 166. II-59

κώθων, -ωνος n. Ben. eines lakonischen Trinkgeschirrs (Archil., Ar., X., Inschr. usw.), ‘Trinkgelage, Fest’ (LXX, Thasos); auch (wie κῶθος) = κωβιός (sizilisch; Nik., Apollod. ap. Ath. 7,309c); außerdem N. des inneren Hafens von Karthago (Str., App.). Kompp., z.B. κωθωνο-πλύται pl. ‘Wäscher des Fisches κώθων ( ? )’ (Sophr.). Deminutivum κωθώνιον (Inschr. Va usw.); sonstige Ableitungen : κωθωνία ‘tiefer Trank’ (Aret.; Scheller Oxytonierung 41); κωθωνίζομαι ‘zechen’ (Arist., hell.) mit κωθων-ισμός, -ιστής, -ι